heureka 1/09 - das wissenschaftsmagazin des falter

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1–09 Das Wissenschaftsmagazin im Wissenschaft unterwegs Über mobile Forscher, migrierende Menschen und wandernde Tiere Beilage zu Falter Nr. 19/09 Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W; Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2197/2009; Cover: Corbis

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Wissenschaft mobil. Über mobile Forscher, migrierende Menschen und wandernde Tiere.

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Page 1: heureka 1/09 - Das Wissenschaftsmagazin des FALTER

1–09Das Wissenschaftsmagazin im

Wissenschaft unterwegs Über mobile Forscher,migrierende Menschen und wandernde Tiere

Beilage zu Falter Nr. 19/09Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W;

Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2197/2009;Cover: Corbis

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BRAIN-CIRCULATION 4 Die unaufhaltsame Internationalisierung der Forschung | BOLOGNA 6 Wie mobil sind Österreichs Studierende

RIskANTe FORsCHUNGsReIseN 10 Durch den Dschungel zum Wissen | ZeRsPLITTeRT 16 Die Misere der Migrationsforschung

WOHeR WIR kOMMeN 18 Die DNA des Homo sapiens auf Wanderschaft | INVAsION 22 Fremde Tierarten wandern in Europa ein

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser!

Manche Wissenschaftler genießen es, andere leiden darunter, entziehen kann sich kaum einer. Mobilität ist gefragt im heutigen Forschungsbe­

trieb, kurzfristig – eine Konferenz in Köln, ein Projekttreffen in Brüssel – wie langfristig: Wenn die Bedingungen für die eigene Arbeit in Singa­pur oder Oxford besser sind, packt man eben die Koffer.

Migration ist freilich keine Spezialität der Wissenschaftler. In Österreich wird seit Jahren um die richtigen Konzepte in der Zuwande­rungspolitik gestritten. Eine Debatte, die geprägt ist von Stereotypen, Mythen und Ressentiments. Die heimische Migrationsforschung kommt dagegen nicht an. Sie ist zersplittert, von den politischen Entscheidungsträgern und der Büro­kratie fühlt sie sich ignoriert und bestenfalls instrumentalisiert.

Die Migration macht auch vor unserer Re­daktion nicht halt. Die Hälfte der Autorinnen und Autoren dieses Heftes (vier von acht) sind Aus­ bzw. Zuwanderer, d.h. sie leben schon seit mehr als einem Jahr außerhalb ihres Geburtslan­des, in Spanien, Deutschland und in Österreich.

Noch mehr Artikel zum Heftthema finden Sie unter www.heurekablog.at. Dort können Sie uns auch Ihre Erfahrungen mit Mobilität und Migration mitteilen. Die Redaktion

UNeRMüdLICH 8 Im Auto, im Flieger, im Zug:

fünf Forscher über ihr Leben in

ständiger Bewegung

UNReFLekTIeRT 12 Hohe Zäune stoppen Einwan-

derer und andere Mythen über

Migration

UNeRWüNsCHT 14 Kritische Migrationsforschung

fehlt hierzulande, klagt

Polito loge Rainer Bauböck

UNGLAUBLICH 20 Tierische Höchstleistungen:

wie Vögel und Fische um den

halben Erdball wandern

INHALT

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Impressum: Beilage zu Falter Nr. 19/09; Herausgeber: Falter Verlags GmbH, Medien inhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T.: 01/536 60-0, F.: 01/536 60-912, E.: [email protected], DVR-Nr.: 0476986; Redaktion: Birgit Dalheimer, Klaus Taschwer, Oliver Hochadel; Satz, Layout, Grafik: Andreas Wenk; Druck: Berger, Horn

heureka! erscheint mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung

Man nannte ihn den zweiten Kolumbus, weil er Amerika gleichsam wiederentdeckte. Fünf Jahre lang erforschte Alexander von Humboldt Natur und Kultur Süd- und Mittel -ame rikas und ließ dabei kaum einen reißenden Fluss oder Berggipfel aus. Wissenschaft unterwegs – im allerbesten Sinne. Am 6. Mai jährt sich der Todestag des vielleicht größten Forschungsreisenden aller Zeiten zum 150. Mal.

Der Blog zum Heft: www.heurekablog.at

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Von Wien in die Welt „Ich war ein österreichischer Gscherter mit wenig Ahnung von der Welt“, be­kennt Arnold Schmidt im Rückblick auf die An­fänge seiner Karriere. Der Physiker und langjäh­rige Präsident des Wissenschaftsfonds FWF hatte Anfang der 1960er­Jahre in Wien promoviert und in seiner Heimatstadt als Forschungsassistent sei­ne wissenschaftliche Laufbahn begonnen. Halb aus beruflichen, halb aus privaten Gründen ver­schlug es ihn in seinen späten Zwanzigern das ers­te Mal für längere Zeit ins Ausland – was ihm die Augen öffnete.

Schmidt forschte fünf Jahre an der Universität York in Großbritannien und im Anschluss daran weitere fünf Jahre an der kalifornischen Universi­tät Berkeley. Als er 1975 nach Wien zurückkehr­te, war dort noch alles weitgehend beim Alten. „Aber ich war ein anderer geworden“, so Schmidt. „Diese zehn Jahre im Ausland haben mein Leben verändert.“

Sein Auslandsaufenthalt sollte allerdings noch nachhaltigere Folgen haben. Er wollte, dass auch andere junge Forscher solche Erfahrungen ma­chen können, und wurde in den 1980er­Jahren zum Gründervater der Schrödinger­Auslands­stipendien: Nachwuchswissenschaftler aus Öster­reich sollten die Chance bekommen, an führen­den ausländischen Forschungseinrichtungen und Forschungsprogrammen mitzuarbeiten.

Das Erwin­Schrödinger­Programm des FWF, das heuer ein Vierteljahrhundert alt wird, wurde

zu einer echten Erfolgsgeschichte: Mehr als die Hälfte der ehemaligen Stipendiaten, die zwei oder mehr Jahre im Ausland forschten, haben 15 Jahre nach ihrer Mobilitätsförderung durch den Wissenschaftsfonds eine ordentliche Professur inne – entweder in Österreich oder sonst wo auf der Welt.

Je besser, desto mobiler Forschung war immer schon ein internationales Unterfangen: „Die Wissenschaft kennt keine Heimat“, erklärte der französische Mikrobiologe Louis Pasteur im 19. Jahrhundert, allenthalben habe der Forscher eine. Anfang des 21. Jahrhunderts kann man sich auch diesbezüglich nicht mehr so sicher sein. Wissen­schaftler werden zur Kerngruppe der globalen „Kreativen Klasse“ (Richard Florida) gezählt, die sich durch Hypermobilität auszeichnet. Heimat und Staatszugehörigkeit sind für sie längst zur Nebensache geworden.

Entsprechend gilt Internationalität in der Wis­senschaft längst als ein verlässlicher Gradmesser für Qualität – sowohl auf individueller wie auch auf institutioneller Ebene. Für ein kleines Land wie Österreich trifft das ganz besonders zu. Dass man hierzulande durchaus auf dem richtigen Weg ist, legen einige überraschende Zahlen nahe. Oder hätten Sie gewusst, dass 2007 nicht einmal ein Viertel der 101 neu berufenen Professoren an heimischen Universitäten aus Österreich kam?

Wo Spitzenforschung betrieben wird, nimmt der Mobilitätsgrad dann noch einmal zu: Am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und seiner jüngeren Schwester, dem Institut für Mo­lekulare Biotechnologie (IMBA) am Vienna Biocenter, arbeiten Wissenschaftler aus über 30 Ländern. Mehr als die Hälfte (inklusive der Di­plomanden und Dissertanten) stammen nicht aus Österreich. Besonders augenfällig wird diese Internationalisierung weiter oben in der Insti­tutshierarchie: Von den insgesamt 23 Gruppen­leitern am IMBA und IMP sind gerade einmal drei gebürtige Österreicher, also ziemlich genau 13 Prozent.

Für ständige internationale Fluktuation sor­gen auch die Rahmenbedingungen: Gruppen­leiterstellen sind auf fünf Jahre befristet, können einmal verlängert werden – und dann heißt es im Normalfall, woanders weiterzuforschen. Da das Vienna Biocenter längst einen international ausgezeichneten Ruf genießt, herrscht bei Bewer­bungen aus aller Welt kein Mangel.

Moderne NomadenMobilität ist längst eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Wissenschaft geworden: je internationaler die Forschung, desto besser. Österreich ist auf einem guten Weg. Klaus Taschwer und Peter Illetschko

Arnold Schmidt, Gründervater der Schrödinger-Auslandsstipendien

„Gezielt österreichi­sche Forscher aus dem Ausland wieder zurückzuholen ist Unsinn”Arnold Schmidt

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Vom Drain zum Gain „Statt Brain­Drain muss uns der Brain­Gain gelingen“, fordert Wissenschafts­minister Johannes Hahn. Dass sich die österrei­chische Bilanz der Brain­Circulation – wie es im forschungspolitischen Neudeutsch heißt – zuletzt verbessert hat, dafür sprechen auch die aktuellen Gewinner der wichtigsten heimischen Wissen­schaftspreise: Von den acht im Vorjahr vergebenen START­Preisen für Nachwuchsforscher gingen sechs an Wissenschaftler, die nicht in Österreich geboren wurden.

Und auch der Gewinner des Wittgenstein­Preises 2008, der wichtigsten heimischen Aus­zeichnung für Wissenschaftler, ist nicht hier geboren: Experimentalphysiker Markus Arndt übersiedelte von seiner Heimat Deutschland ins kleinere Nachbarland, weil Österreich in der Quantenphysik eine internationale Größe ist.

Über eine solche internationale Anziehungs­kraft verfügt der Standort Österreich nicht nur in der Molekularbiologie und der Quantenphysik, sondern zum Beispiel auch in der Mathematik: Das Erwin­Schrödinger­Institut in Wien etwa nützen jährlich 500 Mathematiker aus aller Welt für Forschungsaufenthalte.

Internationale Kopfjagd „Eine attraktive Infra­struktur und die notwendigen Rahmenbedingun­gen sind wichtig, um Spitzenforscher nach Öster­reich zu holen und sie im Land zu halten“, weiß auch Wissenschaftsminister Hahn. Zumal auf der einen Seite die Jagd nach den besten Köpfe immer internationaler wird: Aufstrebende Wissenschafts­mächte wie das kleine Singapur sind mit ihren bestens ausgestatteten Forschungseinrichtungen und großzügigen Gehältern längst zu ernsthaften Konkurrenten selbst für US­amerikanische Top­Unis geworden.

Auf der anderen Seite hat aber auch die Mobi­lität der Wissenschaftler im Vergleich zu früher noch einmal zugenommen: „Der Vorteil der heu­tigen Forschergeneration ist einfach, flexibel zu sein“, sagt der 35­jährige deutsche Biologe Janek von Byern, der in Österreich vor allem mit FWF­Projektmitteln biologische Klebstoffe entwickelt. „Wir gehen dorthin, wo das Geld und die besse­ren Labore locken.“ Angesichts der zwischenzeit­lichen Finanzierungskrise des Wissenschaftsfonds war er nicht der einzige Forscher, der sich einen Weggang aus Österreich überlegte. „Das Wegzie­hen ist einfach“, sagt von Byern. „Jemanden wie­der zu holen ist weitaus schwieriger und teurer.“

Kommen und Gehen Die Wiener Neurowissen­schaftlerin Daniela Pollak ist eine von jenen, die wieder zurückgekehrt sind. Sie war drei Jahre lang Postdoc an der New Yorker Columbia Uni­versity und arbeitete im Labor des Hirnforschers und Medizin­Nobelpeisträgers Eric R. Kandel, der nach 1938 gezwungen war, Wien zu verlas­sen. Seit Anfang des Jahres ist die 29­Jährige an

der Meduni Wien angestellt und untersucht am Mausmodell die Beziehung zwischen Tag­Nacht­Rhythmus und Depressionen.

Warum sie Österreich verließ? „Man muss ein­fach weggehen, um mit anderen Wissenschaftlern in Kontakt zu kommen“, so Pollak, „und um an­dere Forschungs­ und Forschungsförderungssys­teme zu verstehen.“ Die längerfristige Abwande­rung junger Forscher in die USA hingegen sieht sie kritisch: „Nordamerika lebt sehr gut von Wis­senschaftlern, die in Europa kostengünstig ausge­bildet wurden.“

Ihre Rechnung: „Ich bin zwölf Jahre lang in Österreich in die Schule gegangen, habe fünf Jah­re Veterinärmedizin studiert, danach drei Jahre an meiner Dissertation gearbeitet. Das sind 20 Jahre, die der Staat in mich investiert hat. Danach bin ich drei Jahre ins Ausland und habe dafür – wieder vom Staat – ein Stipendium erhalten.“ Es sei „einfach dumm“, den Wissenschaftlern das Arbeiten hierzulande schwerzumachen. Sie nennt das „money waste“, Verschwendung von Geld.

Unsinnige Rückholaktionen Dass mit dem Förder­programm Brainpower Austria Wissenschaftlern gleich welcher Nation Arbeit in Österreich an­geboten wird, sieht sie positiv. Für einen Unsinn hingegen hält es Arnold Schmidt, gezielt österrei­chische Forscher aus dem Ausland wieder rück­holen zu wollen: „Der Standort Österreich muss attraktiv genug für alle Spitzenwissenschaftler aus der ganzen Welt sein.“

Schmidt ist aber auch skeptisch, ob der neue Kollektivvertrag für die heimischen Universitäts­bediensteten einen positiven Beitrag zur interna­tionalen Brain­Circulation leistet: „Meiner An­sicht nach verhindert er nicht in ausreichendem Maße, dass es wieder zu Hausberufungen und durchgehenden Karrieren innerhalb der eigenen Universität kommen kann.“ Das sei unbedingt zu vermeiden – zugunsten längerer Auslandsauf­enthalte.

„Ein halbes Jahr in einem anderen Labor ist ja nur ein Ausflug“, so der Physiker, der vor gut 40 Jahren von Wien aus in die Welt aufbrach: „Man muss als Wissenschaftler mindestens zwei Jahre woanders verbringen. Denn nur so erfährt man, wie ein anderes Leben ausschaut.“ 3

Moderne Nomaden

Am Vienna Biocenter forschen knapp tausend Wissenschaftler aus 40 Nationen

2007 kam nicht ein­mal ein Viertel der 101 neu berufenen Professoren an heimischen Unis aus Österreich

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Latein macht mobil Vor genau 400 Jahren richtete Galileo Galilei sein Fernrohr zum ersten Mal in den Himmel über Padua. Ein Stockwerk tiefer schlummerten adelige Studenten von jenseits der Alpen, die sich tagsüber in Mechanik unterrichten ließen. Galileis geräumiges Professorenhaus war also so etwas wie ein kleines, aber feines Studentenwohnheim.

Die Universitäten in Padua und Bolo­gna, aber auch in Siena, Perugia und Rom lockten mit den Studienfächern Medizin und Kirchenrecht Studenten aus aller Her­ren Länder nach Italien. Zwischen 1553 und 1630 besuchten allein in Padua 10.500 Studenten „deutscher Nation“ – das ist eher umfassend zu verstehen – Hörsäle und Anatomietheater. Aus dem Gebiet des heu­tigen Österreich waren zwischen 1500 und 1629 über 2500 Studenten an italienischen Hochschulen inskribiert.

In der Frühen Neuzeit kamen nur weni­ge Männer in den Genuss eines Studiums, ihre enorme Mobilität erstaunt noch heute. Eine universelle Unterrichtssprache mach­

te es möglich. Damals war es Latein, heute ist es Englisch, das als Lingua franca der Wissenschaft mithilft, einen durchlässigen europäischen Hochschulraum zu schaffen.

Bumerang aus Bologna? Vor allem aber sol­len Studierende durch eine in allen Ländern einheitliche Studienarchitektur zu mehr Mobilität ermuntert werden. Ein Studi­enortwechsel zwischen Linz und Padua,

zwischen Paris und Tromsø soll reibungs­los möglich sein. Das ist eines der erklärten Ziele des sogenannten Bologna­Prozesses, zu dem nicht zuletzt die Einführung der Bakkalaureats­ und Masterstudien gehört.

Ausgerechnet diese neuen Abschlüsse könnten sich nun aber als Hemmschuh für

die angestrebte Internationalisierung erwei­sen – zumindest für die ersten Studienjah­re. An der Universität Salzburg schlug man vor kurzem Alarm: Im vergangenen Studi­enjahr gingen um 40 Prozent weniger Stu­dierende ins Ausland als noch 2001/2002. Der Psychologe Urs Baumann, Vorsitzen­der der Kommission Qualitätsmanagement Lehre an der Uni Salzburg, macht dafür die Studienreform verantwortlich. Da für den ersten Abschluss nur mehr drei Jahre vor­gesehen seien, hätten die Studierenden zu wenig Luft zum Wechseln. Die Idee sei, an einem Ort den Bachelor und an einem an­deren den Master zu machen. Die Studie­renden blieben aber meist am selben Ort. Sonderfall Salzburg? An anderen österreichi­schen Hochschulen hingegen gönnen sich immer mehr Studenten einen Auslandsauf­enthalt: An der Wirtschaftsuniversität Wien etwa um 40 Prozent mehr seit 2001/2002; an der Medizinischen Universität Wien so­gar dreimal so viele wie 2003/2004. Bau­mann erklärt den Unterschied zu den ande­ren Unis damit, dass man in Salzburg das Bakkalaureat im mehreren Studienrichtun­gen relativ bald eingeführt habe, sich also auch die Effekte früher einstellen.

Erich Thöni, Vizepräsident des Öster­reichischen Austauschdienstes, bemängelt, man habe bei vielen Studienrichtungen zu viel Stoff aus den Diplomstudien in die Ba­chelorstudien reingepackt. Dadurch seien die Curricula zu voll und es bliebe keine Zeit für einen längeren Auslandsaufent­halt. Auch die Hochschülerschaft kritisiert die Verschulung des Unisystems.

Auf zum Hürdenlauf Rom, London oder Montpellier? Erasmus­Studenten haben oft die Qual der Wahl, wo sie ihr Auslands­semester verbringen. Dazu gibt es ein kleines Stipendium und einen sehr über­schaubaren bürokratischen Aufwand. Eine Aufenthaltsbewilligung braucht es nicht.

Für junge Menschen aus Afrika, Latein­amerika oder anderen weniger privilegier­ten Regionen der Welt schaut das in der Regel anders aus. Die Anerkennung von Schulabschluss und bisherigen Studienleis­tungen sowie das Erlangen eines Visums sind für ein Studium in Innsbruck, Wien oder Graz keine kleinen Hürden. Es gibt zwar einige Stipendien. Davon profitierten im letzten Studienjahr aber lediglich drei Prozent, Tendenz fallend.

Ausländische Studierende müssen in Öster­reich auch nach der Reform der Studienge­bühren noch 360 Euro pro Semester zahlen. Lediglich für 50 ärmere, vor allem afrikani­

sche Länder gibt es eine Ausnahmeregelung. Aber ein Studium selbst zu finanzieren, und das ohne Arbeitsbewilligung, ist eine Belas­tung, die sehr viele abbrechen lässt.

Dabei studieren an Österreichs Unis immer mehr Menschen aus „Entwick­lungsländern“ – mehr als 12.000 waren es im Studienjahr 2007/2008 und damit mehr als doppelt so viele wie zu Beginn der 1990er­Jahre. Stark verändert hat sich in den letzten Jahren deren Herkunft. Immer mehr Studierende kommen aus Asien oder Südosteuropa – die meisten aus der Türkei, China oder Ex­Jugoslawien (die offizielle Statistik hat also einen sehr weiten Begriff von Entwicklungsland). Jene aus Afrika hingegen bleiben zunehmend fern.

Brücken bauen Um auf die schwierige Lage dieser Studierenden in Österreich aufmerk­sam zu machen, wurde ein „Runder Tisch

der weite Weg zum studium

Heute studieren circa 16 Prozent aller öster­ rei chischen Studenten einmal im Ausland

Ausländische Studierende werden in Österreich zu wenig unterstützt

„drei Jahre sind zu knapp“Der Bologna-Prozess soll die europäische Hochschullandschaft durchlässig machen. Wie steht es wirklich um die Mobilität österreichischer Studierender? Mark Hammer

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An den Fachhochschulen gehen laut den Statistiken des Wissenschaftsministeriums anteilsmäßig jedes Jahr fünfmal so viele Studierende ins Ausland wie an den Unis. Thöni erklärt dies damit, dass die FHs die Auslandsaufenthalte in den Curricula ein­planen.

Der Sog des Südens Es sei noch zu früh, um zu beurteilen, wie sich die neue Stu­dienstruktur auf die Mobilität auswirkt,

hält Josef Wöckinger, Abteilungsleiter für Hochschulstatistik im Wissenschaftsminis­terium, dagegen. Solange die Studien noch umgestellt werden, falle der Befund schwer – etwa weil Studenten von einem Diplom­ zu einem Bakkalaureatsstudium wechseln.

Die EU fördert den Austausch der Stu­dierenden mit dem Erasmus­Programm, seit 1992 auch für Österreich. Heute studie­ren circa 16 Prozent aller österreichischen Studenten im Laufe ihres Studiums einmal

in einem anderen Land. Seit 1992 hat sich die Zahl der Erasmus­Studierenden sowohl in Europa wie auch in Österreich immerhin vervierfacht. 33 Länder stehen den Studie­renden europaweit zur Auswahl. 437 ös­terreichische Erasmus­Studenten (von ins­gesamt 4032) inskribierten im Studienjahr 2006/2007 in Italien. Beliebter waren nur noch Frankreich und Spanien. Galilei lehrt nicht mehr. Der mediterrane Raum scheint nach wie vor sehr anziehend zu sein. 3

Bildungszusammenarbeit“ gegründet. An diesem sitzen vier Ministerien, mehrere entwicklungspolitische Organisationen so­

wie die Universitäts­ und Fachhochschul­Konferenz. Im März wurde ein erster Be­richt veröffentlicht.

Hauptkritik ist die geringe Förderung der Studenten während des Studiums. Die Entwicklungszusammenarbeit konzentriere sich stattdessen zunehmend auf den Aufbau von Infrastruktur in Entwicklungsländern. „Die Studierenden aus Entwicklungslän­dern sind ein zu wenig genutztes Potenzial – für die Internationalisierung der Univer­

sitäten, die Entwicklungszusammenarbeit und um Brücken zu schlagen“, moniert Margarete Kernegger vom Vorstudienlehr­gang der Wiener Universitäten und Koor­dinatorin des runden Tischs.

Wolfhard Wegscheider, Rektor der Montanuniversität Leoben, beklagt, dass die Unis die Studierenden kaum unter­stützen könnten. Sie könnten etwa bei den Heimplätzen nicht mitbestimmen.

Leichter bei der Unterstützung haben es die Fachhochschulen, an denen sich die Zahl der Studierenden aus Entwicklungs­ländern in den letzten vier Jahren sogar ver­doppelt hat. Sie könnten sich aufgrund der geringen Größe eher um Heimplätze küm­mern und den Studierenden mit individu­ellen Vereinbarungen helfen. „Wir wissen aber bis zuletzt nicht, ob sie ein Visum be­kommen“, berichtet Raimund Ribitsch, Vi­zepräsident der Fachhochschul­Konferenz.

Chancen schaffen In Sachen Internationali­tät seien sowohl Unis als auch Studierende gefordert. So lassen sich bestehende Sprach­barrieren nicht einfach durch englischen Unterricht abbauen, sagt Wegscheider.

Entsprechende Lehrveranstaltungen sei­en auch nicht in erster Linie für Studieren­de aus anderen Ländern gedacht – und sind auch für heimische Studenten eine Heraus­forderung. „Im ersten Semester Chemie auf Englisch zu unterrichten ist die probateste Methode, den Hörsaal zu leeren“, so Weg­scheider.

Bildungssysteme seien nun mal in jedem Land anders. Entspricht die Sekundarbil­dung von Studierenden aus Entwicklungs­ländern nicht mitteleuropäischem Niveau, solle man sie dennoch zu den Unis hinfüh­ren, fordert Wegscheider: „Intelligenz ist auf der Welt gleich verteilt. Die Chancen nicht.“ M.H.

Intelligenz ist auf der Welt gleich verteilt. Die Chancen nicht

Schneller lernen! „Bologna“ hat die Studieninhalte komprimiert. Bleibt für Auslandssemester daher keine Zeit mehr?

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Internationale Tagungen, Forschungsreisen, Projekttreffen – Mobilität ist im Wissenschaftsbetrieb ein Muss. Fünf Forscher über ihren Alltag zwischen Labor und Luftraum. Aufgezeichnet von Mark Hammer

Langsam nach Lhasa

Lesen Sie weitere Testimonials unter: www.heurekablog.at

Fatima Ferreira (50) leitet das Christian-Doppler-Labor für Al ler giediagnostik und -therapie in Salzburg und ist Wissenschaft-lerin des Jahres 2008.

Stefan Karner (55) ist Historiker an der Universität Graz und leitet das Ludwig-Boltzmann- Institut für Kriegsfolgen-forschung.

„Selbst unsere Hochzeits­reise führte uns 1975 ins Bundesarchiv nach Koblenz”Stefan Karner, Historiker

Nie mit dem Auto Ich besuche jährlich zwei große Kongresse – einen in Europa, einen in den USA. Dazu kommen jedes Jahr meh­rere kleinere Symposien oder Workshops. Ich bin aber nicht sehr oft unterwegs. Sonst verliere ich den Überblick über das, was im Labor passiert. Urlaub und Konferenzen lassen sich selten verbinden, da ich wegen Lehrveranstaltungen meist nicht länger wegkann. Ich möchte das auch trennen, da­mit ich mich auf den Urlaub konzentrieren kann. Zudem werden die Reisen von der Uni oder von Kooperationspartnern bezahlt – das mag ich nicht missbrauchen.

In Europa fahre ich manchmal mit dem Zug; mit dem Auto nie, weil ich keinen

Führerschein habe. Momentan bin ich vor allem aufgrund meiner Auszeichnung zur Wissenschaftlerin des

Jahres viel unterwegs. Die letzten zwei Wochen war ich nur

an den Wochenenden daheim in Salz­burg. Aber das wird wahrscheinlich nur dieses Jahr so sein.

Video­ oder Telefonkonferenzen nutze ich häufig, mit manchen Kollegen regelmä­ßig. Es ist oft besser, eine Videokonferenz abzuhalten, als nur schriftlich zu kommu­nizieren. Wenn man E­Mails schreibt, ent­stehen Missverständnisse. Kommunikati­on ist aber ein dynamischer Prozess. Beim Sprechen – und vor allem, wenn man auch das Bild dazu hat – bekommt man die Re­aktionen des anderen besser mit.

Reisen lassen sich dadurch nicht immer vermeiden. Wenn man zum Beispiel zu­sammen publiziert, ist es manchmal pro­duktiver, sich zu treffen und gemeinsam zu schreiben. Ich reise auch gerne für die Arbeit, weil man dabei viel lernt. Man sieht zum Beispiel, wie die Arbeitsgruppen bei Kollegen funktionieren und wie die Infra­struktur dort aussieht.

Im VW-Käfer durch die UdSSR Ohne For­schungsreisen wäre meine Arbeit nicht möglich. Besonders seit 1991 in Russland die Archive aufgingen. Da kam ich eine Zeitlang auf über 60 Übernachtungen pro Jahr allein in Moskau. Ohne vor Ort in den Archiven zu sein, ist historische Forschung nicht möglich. Dazu kommt – speziell im ehemaligen „Osten“ – die seismografische Qualität der Archive für politische Verän­derungen.

Vieles erledige ich mit dem Auto: Nie­derlande, Slowenien, Prag. Doch ich bin ein Vielflieger geworden. Gewissensbisse? Wegen ein paar Wissenschaftlern wird sich die Situation nicht ändern. Allerdings bin ich für Kostenwahrheit im Verkehr, die momentan in keiner Weise gegeben ist. Wissenschaftler sollten auf jeden Fall mehr reisen. Der Mehrwert wiegt den zeitlichen Einsatz bei weitem auf.

Das Reisen im Dienste der Wissenschaft begann für mich 1974, als ich mit Zelt und VW­Käfer 8000 Kilometer durch die Sow­jetunion reiste – bis weit hinter Moskau und ans Schwarze Meer in Odessa. Auf solchen Fahrten lernte ich als noch junger Wissenschaft­ler die Menschen vom kommunistischen System zu unter­scheiden. Wie ging das mit Familie? Meine Frau hatte im­mer großes Ver­ständnis, da bin ich ihr sehr dankbar. Am Anfang war sie noch häufig mit dabei. Selbst unsere Hoch­zeitsreise führte uns 1975 ins Bundesarchiv nach Koblenz. Die Kinder kannten kaum etwas anderes. Um die Forschungsreisen mit einem Urlaub zu verbinden, fehlt mir leider meist die Zeit.

„Die letzten zwei Wochen war ich nur an den Wochenenden daheim in Salzburg”Fatima Ferreira, Allergologin

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Mit dem Flieger nach Brüssel Ich muss un­willkürlich an den alten Witz über einen berühmten Kollegen denken: Zwei Flug­zeuge sind über seiner Heimatstadt zusam­mengestoßen, den Medienberichten zufol­ge saß er in beiden Flugzeugen. So weit bin ich noch nicht, obwohl ich viel reise. Der Europäische Forschungsrat hat seinen Sitz in Brüssel, doch wir versuchen den per­sönlichen Kontakt zu Wissenschaftlern in allen beteiligten Ländern herzustellen. Zu diesen Reisen in offizieller Funktion kom­men noch zahlreiche Einladungen für Vor­träge und internationale Konferenzen dazu. Themen sind etwa, wie Wissen in Zukunft produziert und wie dies organisiert wird, Fragen der Forschungspolitik oder die Aus­wirkungen der Lebenswissenschaften auf die Gesellschaft.

Ein mobiles Leben erfordert gute und rechtzeitige Planung. Als emeritierte Pro­fessorin bin ich in der glücklichen Lage, zeitlich nur durch meinen eigenen Termin­kalender gebunden zu sein. Ich bin also entsprechend wählerisch. Ich sage nur zu, wenn das Thema spannend ist und ich dazu etwas beizutragen habe. Ich habe gelernt, meine Zeit unterwegs gut zu nützen, indem ich etwa beim Hinflug Papiere zur Vorbe­reitung lese. Der Rückflug ist einer Lektüre gewidmet, die ich für diesen Zweck aufge­spart habe.

Doch je mehr ich unterwegs bin, desto kostbarer werden jene Tage, die ich an ei­nem Ort verbringen kann, um mich ganz dem Schreiben zu widmen oder einfach um auszuspannen. Mobilität braucht also einen ruhenden Gegenpol: im eigenen Leben, aber auch im Wissenschaftssystem.

Nicht mehr mit Familie Ich empfinde das Reisen nicht so schlimm – im Gegenteil. Solange es nicht zu häufig vorkommt, sorgen Reisen für ein wenig Distanz zur Alltagsroutine. Ich bin durchschnittlich zweimal im Monat außerhalb Österreichs unterwegs, meist in Europa. Innerhalb Ös­terreichs schon deutlich öfter, ein­ bis drei­mal im Jahr auch in den USA oder in Asien. Ein starker Kaffee pendelt mich im Jetlag meist wieder ein.

Ich versuche aus familiären Gründen vor allem Übernachtungen zu vermeiden. Wenn man früh abreist und spät heim­kommt, kann man aus einem dreitägigen Projekttreffen auch leicht ein ein­ oder zweitägiges machen. Und ob man dann aus Bangkok oder einfach nur spätabends aus dem Labor in Graz wieder heimkommt, wenn alle anderen schon schlafen, ist ei­gentlich egal. Früher sind meine Frau und die beiden ersten Söhne öfter mitgereist. Mit der Schule geht das jetzt nicht mehr. Mitbringsel wirken da aber beruhigend und lassen die Kinder ein wenig an den Reisen teilhaben. Da genügen oft ganz einfache Dinge, wie zum Beispiel eine exotische Frucht vom Markt.

Ohne Reisen geht es nicht, aber man kann auch nicht zu oft unterwegs sein. Dann bleibt daheim die Arbeit liegen. Als Wissenschaftler kann man sich zum Glück meist aussuchen, wohin man wann fährt. Ich habe früher auch in Firmen gearbeitet. Da hat man weniger Freiraum.

Das Wichtigste am Reisen ist der per­sönliche Kontakt. Der lässt sich auch nicht durch Videokonferenzen ersetzen. Dort wird meist nur die Minimalinformation weitergegeben. Neue Projekte und verrück­te Ideen entstehen nur im persönlichen Kontakt – und dann meist in lockerer At­mosphäre, etwa in Konferenzpausen oder am Weg zum Flughafen.

Im Zug nach Peking In meiner Arbeit zu nachhaltigem Konsum beschäftigt mich das Reisen gleich doppelt. Zum einen weil Mobilität einer der wichtigsten Bereiche ist, die nachhaltiger gestaltet werden müssen. Zum Zweiten muss ich selber reisen, um Forschungsergebnisse Entscheidungsträ­gern buchstäblich nahezubringen.

Das Transportmittel meiner Wahl ist die Bahn – nicht nur aus ökologischen Gründen. Von Köln aus erreicht man in

Europa viele Konferenzorte über Tag oder Nacht, meist pünktlich und entspannt zum Tagungsbeginn. Entscheidender Vorteil des vermeintlichen Zeitverlustes im Ver­gleich zur Flugreise: Ich habe Zeit, mich vorzubereiten, und kann auf dem Rückweg alle To­dos, Kontakte, Informationen und Eindrücke in Ruhe verarbeiten. Leider sit­ze ich zuhause dann manchmal vor Reise­kostenerstattungsformularen, in denen es nur die Rubrik Flugreisen gibt. Dass Veran­stalter – von Tagungen zu Nachhaltigkeit, wohlgemerkt – Bahnreisen nicht erstatten, weil sie teurer sind als Fliegen, passiert zum Glück selten.

Die Bahn ist auch im Urlaub mein liebstes Transportmittel. Mit der Transsi­birischen Eisenbahn nach Peking zu reisen war einfach entspannend. Bei jedem Stopp konnte man bei den Babuschkas an den Stationen selbstgemachte Köstlichkeiten kaufen. Am Weg mit der Tibetbahn nach Lhasa dagegen fragte ich mich, wie sich der durch den Bahnbau ausgelöste Touristen­strom auf eine Gesellschaft auswirkt, die so lange in sich geruht hat.

Helga Nowotny (71) ist emeri-tierte Professorin der ETH Zürich, Vizepräsidentin des Europäischen Forschungsrats und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Universität Wien.

Anton Glieder (43) arbeitet am Institut für molekulare Bio-technologie der TU Graz und am Kompetenzzentrum Angewandte Biokatalyse.

Sylvia Lorek (46) arbeitet von Köln aus für das Sustainable Europe Research Institute in Wien.

„Ich habe gelernt, meine Zeit unterwegs gutzu nützen”Helga Nowotny, Wissenschaftsforscherin

„Das Wichtigste am Reisen ist der persönliche Kontakt”Anton Glieder, Molekularbiologe

„Das Transportmittel meiner Wahl ist die Bahn – nicht nur aus ökologischen Gründen”Sylvia Lorek, Nachhaltigkeitsforscherin

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Empire und Empirie Gleich, ob Astronomie, Geo­logie oder Medizin, gleich, ob Botanik, Zoologie, Ethnologie oder Paläontologie. Ohne ausgedehnte Reisen, das Sammeln und Beobachten, das Befra­gen und Vermessen im „Feld“ ist die Geschichte vieler wissenschaftlicher Disziplinen nicht vorstell­bar. Bepackt mit Fernrohren und Botanisiertrom­meln ging es stets um mehr als nur das Sammeln neuer Erkenntnisse. Zahlreiche Expeditionen wa­ren aufs Engste mit dem kolonialistischen Ausgriff der europäischen Mächte verknüpft, es ging um nationale Interessen und ums Prestige.

So war die „Beagle“, mit der Charles Darwin zwischen 1831 und 1836 um die Welt reiste, ein Vermessungsschiff der British Navy. Ohne Empire keine Evolutionstheorie. Die „Admiral Teget hoff“ sollte das Nordpolarmeer für den Kaiser erkun­den, getrieben vom Packeis entdeckten die öster­reichischen Expeditionsführer Julius von Payer und Carl Weyprecht 1873 freilich Franz­Joseph­Land.

Zwischen Forschung und Macht herrschte ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Die Fre­gatte „Novara“ der österreichischen Kriegsmari­ne brachte von ihrer Weltumsegelung (1857 bis 1859) über 26.000 zoologische Präparate zurück. Mit deren Auswertung waren manche der be­teiligten Wissenschaftler den Rest ihres Lebens

beschäftigt. Die Speicher des Naturhistorischen Museums Wien ächzen heute noch unter der Last des sammelwütigen 19. Jahrhunderts.

Weit weg und hoch hinaus Darwin, das sollte man ehrenhalber noch sagen, bezahlte für seine Überfahrt stattliche 500 Pfund, war also Privatge­lehrter. Ganz wie sein großes Vorbild Alexander von Humboldt. Der deutsche Universalgelehr­te verwendete einen Großteil seines Vermögens, um Süd­ und Mittelamerika zu erkunden (1799–1804). Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass er sich schlechterdings für alles interessierte: Vulkane und Meeresströmungen, Düngemittel und Silberminen, Erdmagnetismus und Biogeo­grafie, Inkas und Schamanismus.

Das Erkunden der Fremde wurde für Hum­boldt vor allem aber auch zur Begegnung mit sich selbst. Beladen mit Käfigen voller Vögel und Affen sowie ausgebuddelten Leichen trieb er fast 3000 Kilometer in einem ausgehöhlten Baumstamm tropische Flüsse hinunter und wunderte sich, wie gut er das feuchtwarme Klima vertrug, während seine Träger dahinsiechten.

An der Besteigung des über 6000 Meter hohen Vulkans Chimborazo im heutigen Ecuador schei­terten Humboldt und seine Begleiter im Juni 1802 knapp. In der dünnen Luft bluteten Lippen und Zahnfleisch, dazu kam Schwindel und Brechreiz, und doch stellten sie für die nächsten 30 Jahre ei­nen Höhenrekord auf.

Berggipfel dienen übrigens bis heute immer noch zum Selbstversuch im Dienste der Wissen­schaft. Unlängst begaben sich vier – natürlich britische – Mediziner auf den Mount Everest und ließen auf 8400 Metern und bei schneidend kaltem Wind die Hosen runter, um sich Blut aus der Leiste abzuzapfen. Die anschließende Mes­sung des Sauerstoffgehalts im Blut ergab so tiefe Werte, wie sie sonst nur nach Herzinfarkten ge­messen werden. Die Mediziner waren aber laut Mark Grocott vom University College London quietschfidel, der Mensch ist also zumindest kurz­fristig in der Lage, sich auf die dünne Höhen luft einzustellen (New England Journal of Medicine 360/2 (2009), S. 140–149).

Die Vermessung der Erde 65 Jahre vor Humboldt hatte sich eine französische Expedition erstmals tief ins Innere des südamerikanischen Kontinents gewagt. Bis dahin waren Forschungsreisen fast ausschließlich auf die Küstengebiete beschränkt.

Malaria, Maden und Morast

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Er war der Archetypus des wissenschaftlich Reisenden: Vor 150 Jahren starb Alexander von Humboldt. Eine kleine Blütenlese mehr oder weniger bedeutsamer Expeditionen. Oliver Hochadel

Die ganze Natur erfassen und vermessen: Alexander von Humboldt und sein Mitreisender Aimé Bonpland in Südamerika. Gemälde von Eduard Ender 1856

Für Frauen war wissenschaftlicher Ruhm nicht vor­gesehen

Alexander von Humboldt: Mein vielbeweg tes Leben. Der Forscher über sich und seine Werke. Eichborn 2009. 240 S., € 30,80

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Amalie Dietrich trennte sich nach 17 Jahren von ihrem untreuen Ehemann. Dieser hatte zunächst die Leidenschaft für Botanik in ihr entfacht, nach der Geburt ihrer Tochter aber verlangt, dass sie aufhören solle, sich nur mehr um die Bestimmung von Pflanzen zu kümmern. 1863 gab Dietrich ihre Tochter in ein Internat und schiffte sich nach Australien ein, wo sie zehn Jahre lang Naturalien für das Museum Godeffroy in Hamburg sammel­te. Ihre Vogelsammlung ist vermutlich die größte, die je von einer einzelnen Person zusammengetra­gen wurde. Dietrich publizierte nie etwas unter ihrem Namen.

Zu Besuch bei den „Wilden“ Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war der gebürtige Krakau­er Bronisław Malinowski gerade im heutigen Papua­Neuguinea unterwegs – damals britisches Herrschaftsgebiet. Als Bürger von Österreich­Ungarn wurde er für die Dauer des Krieges „in­terniert“, glücklicherweise auf seinem Reiseziel, den Trobriand­Inseln. Malinowski nützte seinen Zwangsaufenthalt im Westpazifik, um etwa die Kultur des Tauschens, Partnerwahl und Sexual­verhalten der Eingeborenen zu studieren. Seine methodische Vorgabe der „teilnehmenden Beob­achtung“ wurde wegweisend.

Als zweiter Gründungsvater der Ethnologie gilt der Deutschamerikaner Franz Boas. Seine erste Forschungsreise führte ihn 1883 auf die nordkanadische Baffin­Insel, wo er sich intensiv mit der Kultur der Inuit beschäftigte. Klimatisch jedenfalls das Gegenteil einer Südseeinsel: Nach­dem er 26 Stunden lang mit dem Schlitten bei fast 50 Grad minus durch die arktische Nacht ge­irrt war, schrieb er am 23. Dezember 1883 einen Brief an seine Frau. Es gäbe keinen Grund, auf die vermeintlich „Wilden“ herabzuschauen, die vermeintlich Zivilisierten hätten diesen nichts vor aus. Boas wandte sich damit gegen evolu ­tionäre Gesellschaftsmodelle, wonach Jäger und Sammler die unterste Stufe der Entwicklung dar­stellen. In der Folge wurde er zum wichtigsten Verfechter eines Kulturrelativismus.

Er starb 1942 während eines Abendessens in New York an einem Herzinfarkt in den Armen des jungen Claude Lévi-Strauss, der letzten No­vember seinen einhundertsten Geburtstag feierte. Der französische Ethnologe, einer der einfluss­reichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts, bereiste zwischen 1935 und 1939 mehrmals den brasilianischen Amazonas. Seine „Traurigen Tro­pen“ (1955) sind ein elegischer Abgesang auf die eingeborenen Kulturen, die der zerstörerischen Kraft der westlichen Zivilisation nichts entgegen­zusetzen haben.

„Was uns die Reisen zeigen, ist der Schmutz, mit dem wir das Antlitz der Menschheit besu­delt haben“, schreibt er in seinem Klassiker, und gleich zu Beginn „Ich verabscheue Reisen und Forschungsreisende.“ 3

Die Französische Akademie der Wissenschaften entsandte 1735 zwei Vermessungsexpeditionen, eine nach Lappland und eine nach Peru. Seiner­zeit zankten sich nämlich die Anhänger Newtons mit jenen von Descartes darum, ob die Erde an den Polen abflacht oder spitz zuläuft.

Die Expe di tion unter der Leitung von Mau-pertuis in den hohen Norden wurde zum Erfolg (die Erde ist abgeflacht), jene an den Äquator zum ultimativen Desaster: veruntreutes Budget, nicht enden wollende Krankheiten, Reibereien mit den spanischen Behörden, beschädigte Instru­mente, durchnässte Notizbücher und schließlich der Zerfall der Gruppe. Manche gelangten erst nach Jahrzehnten zurück nach Frankreich, von anderen ward nie wieder etwas gehört. Aber im­merhin: Mit Charles-Marie de La Condamine hatte erstmals ein Naturforscher den Amazonas befahren, zu seinen Mitbringseln gehörte Kaut­schuk, Chinin (das Antimalariamittel) und das Pfeilgift Curare.

Völlig unspektakulär verlief dagegen die as­tronomische Expedition von Arthur Stanley Eddington. Im Mai 1919 beobachtete er die Sonnenfinsternis von der westafrikanischen Vul­kaninsel Principe aus und konnte zeigen, dass die Sonne den Raum um sie herum krümmte. Damit lieferte er den ersten empirischen Beleg für die allgemeine Relativitätstheorie. Erst jetzt, mehrere Jahre nachdem Einstein seine Theorie publiziert hatte, stieg er schlagartig weltweit zum Medienstar auf.

Allein unter Männern Wissenschaftlicher Ruhm war für Frauen nicht vorgesehen. Wollten sie For­schungsreisen unternehmen, mussten sie nicht nur reißende Flüsse und Bergketten, sondern zuerst einmal maskuline Widerstände überwin­den. Die Französin Jeanne Barret verkleidete sich als Mann, um so als Assistent des Botanikers Commerçon an Bougainvilles Weltumseglung 1766 bis 1769 teilzunehmen. Angeblich fiel dies niemandem auf – bis die Tahitianer den Schmäh durchschauten, sodass Barret fortan den Nach­stellungen der Matrosen ausgesetzt war.

Die deutsche Naturforscherin Maria Sybilla Merian verließ nach 16 Jahren ihren untreu­en Ehemann und machte sich als Illustratorin selbstständig. 1699 schiffte sie sich in die nieder­ländische Kolonie Surinam ein, ließ von Sklaven Wege durch den Dschungel schlagen und ent­deckte zahlreiche neue Tier­ und Pflanzenarten. 1701 zwang sie die Malaria zur Rückkehr. Die hohen Investitionen in die Reise machten sich be­zahlt, ihre exotischen Mitbringsel – Schlangen, Schildkröten, Motten, Käfer, Bienen, Fliegen, Würmer und Maden – verkauften sich gut. Ihre wissenschaftlichen Publikationen über die Le­benszyklen von Insekten führten erstmals einem größeren Publikum vor, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird.

Stationen von Humboldts Süd-amerikareise (1799–1804): der Vulkan Cayambe, der Chimborazo, die Schlammvulkane von Turbaco, die Seilbrücke bei Penipe (von oben nach unten)

Das Erkunden der Fremde wurde für Humboldt zur Begegnungmit sich selbst

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Migration besteht aus Aus- bzw. Einwande-rung, ist also eine einmalige Bewegung in eine Richtung.Die meisten Migranten pendeln zwischen Ziel­ und Herkunftsgebiet, oft mehrmals oder regelmäßig. Hohe Zuwanderungsra­ten sind in der Regel von hohen Abwande­rungsraten (meist früher Zugewanderter) begleitet. Selbst die Auswanderung in die USA war bei vielen nicht dauerhaft. Im späten 19. Jahrhundert lagen die Rückwan­derungsraten für West­, Mittel­ und Nord­europa im Durchschnitt bei 20 Prozent. Italiener kehrten zu Beginn des 20. Jahr­hunderts zu 60 Prozent wieder aus den USA zurück, Bulgaren sogar zu 90 Prozent.

Eine restriktive Migrationspolitik bremst Zu-wanderung.Dazu gibt es zahlreiche Gegenbeispiele. Neue Gesetze und höhere Zäune bremsen vor allem die zirkuläre Migration, also die Ab­ und Rückwanderung von Zuwande­rern, da sie sich nicht sicher sein können, wieder in ihr Zielland gelassen zu werden. Am spektakulärsten scheiterte US­Präsident Bill Clinton mit der „Sicherung“ der Gren­ze zu Mexiko. Milliarden Dollar flossen in doppelte Stahlzäune und Suchscheinwerfer, die mexikanischen Migranten wichen in bislang weniger frequentierte Grenzgebiete aus. Denn die Nachfrage der kalifornischen Landwirtschaft nach billigen Arbeitskräf­ten blieb hoch. Der „Erfolg“ von Clintons „Operation Gatekeeper“: Die Zahl der Menschen, die beim Grenzübertritt ums Leben kamen, stieg von 23 im Jahr 1994 auf

499 im Jahr 2000, der Durchschnittspreis der Menschenschlepper im selben Zeitraum von 143 auf 1500 Dollar. Wer einmal so viel investiert hat, der geht so schnell nicht mehr zurück.

Migranten sind Menschen, denen keine ande-re Wahl bleibt. Sie werden von Hunger und Elend getrieben.Sieht man von politischen Verfolgungen und Vertreibungen ab, gehörten und ge­hören Migranten überwiegend nicht den ärmsten und den reichsten, sondern den mittleren sozialen Schichten an, die aufstei­gen möchten. Dies ist für die europäische Migrationsgeschichte statistisch eindeutig nachweisbar. Ähnliche Belege gibt es für die derzeitige Migration von Mexiko in die USA. Und auch wenn die aktuellen Bilder afrikanischer Flüchtlinge an den Küsten Italiens und Spaniens zutiefst verzweifel­

te Menschen zeigen: Nur wer die teuren Schlepper bezahlen kann, kommt über­haupt vom Inneren des Kontinents bis an die EU­Außengrenze.

Menschen sind heutzutage mobiler.Das ist Globalisierungsgerede. Laut UN sind nur drei Prozent der Weltbevölkerung

Migranten, d.h. Menschen, die schon mehr als ein Jahr außerhalb ihres Geburtslandes leben. In Europa lagen die Migrationsraten nach dem Ersten Weltkrieg wesentlich nied­riger als im 19. Jahrhundert. In Deutschland etwa wechselten zwischen 1880 und 1914 prozentual etwa viermal mehr Menschen den Wohnort als zwischen 1950 und 1988. Die Menschen sind sesshafter geworden. An die Stelle der Migration sind allerdings neue Formen der Mobilität (z.B. tägliches Pen­deln über große Entfernungen) getreten.

In der Geschichte der Menschheit war Migra-tion der Ausnahmefall und Sesshaftigkeit der Normalzustand.Auch wenn die Ursachen und Formen je­weils äußerst unterschiedlich waren: Schon vor dem 19. Jahrhundert wurde häufig migriert. Man denke nur an die Zwangs­umsiedlung österreichischer Protestanten nach Siebenbürgen unter Maria Theresia, die Vertreibung der Hugenotten aus Frank­reich Ende des 17. Jahrhunderts, den Nor­manneneinfall auf den Britischen Inseln im Mittelalter, die Völkerwanderungen der Spätantike, ja schließlich die Ausbreitung des Homo sapiens aus Afrika über den gan­zen Erdball vor 100.000 Jahren. Vielleicht sollte man besser Homo migrans sagen.

Arbeitsmigration ist überwiegend männlich.Das war einmal. Heute sind bereits weltweit die Hälfte derer, die im Ausland arbeiten, Frauen. Tendenz steigend. Frauen sind fle­xibler. Sie integrieren sich leichter. Sie schi­cken einen größeren Anteil ihres Verdiensts an die zurückbleibende Familie. Eher als Männer bleiben sie und nehmen die Staats­bürgerschaft ihrer neuen Heimat an. Der sich aufgrund der demografischen Entwick­lung abzeichnende künftige Arbeitskräfte­mangel in Österreich ist weiblich: Pflege und Hausarbeit. Hinter einer beruflich er­folgreichen Powerfrau steht in vielen Fällen eine Migrantin, die ihr Kinder und Haus­halt abnimmt.

Emigration schadet den Herkunftsländern.Zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht trifft das Gegenteil zu. Geldüberweisungen von Emigranten, die in reicheren Ländern arbeiten, an ihre Verwandten in Entwick­lungsländern beliefen sich 2008 laut Schät­zungen der Weltbank auf 230 Milliarden Euro (wobei davon auszugehen ist, dass noch einmal um die Hälfte mehr auf infor­mellen Kanälen dazukommt). Das ist mehr als zweieinhalbmal so viel wie die im selben Jahr geleistete Entwicklungshilfe von gut 90 Milliarden Euro. In 45 Ländern machen

Mythen über MigrationWas die Wissenschaft an Stereotypen und Klischees über Zuwanderer längst widerlegt hat, spukt immer noch in unseren Köpfen herum. Eine Auswahl. Oliver Hochadel

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Migranten gehören über­wiegend nicht den ärmsten, sondern den mittleren sozialen Schichten an

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die registrierten Überweisungen mehr als zehn Prozent des Volkseinkommens aus, in Tadschikistan und Moldawien sogar annä­hernd die Hälfte. Auch Direktinvestitionen werden in vielen Entwicklungsländern vor allem von Emigranten getätigt.

Migration kann politisch gesteuert werden. So mancher Politiker glaubt immer noch, Migrationsströme ließen sich wie ein Was­serhahn auf­ und zudrehen. Und zwar durch eine Regulierung der sogenannten Pull­ und Pushfaktoren, also wie stark die Anziehungskräfte des Ziellandes und die Abstoßungskräfte des Heimatlandes sind. Diese bürokratische Rationalität übersieht freilich, dass die Migration von ganz ande­ren Dynamiken bestimmt wird: etwa den Netzwerken zwischen den Ländern. So wurde zwar in der Folge des Ölpreisschocks von 1973 durch verschiedene Einschrän­kungen der Anteil von Ausländern am ös­terreichischen Arbeitsmarkt zwischenzeit­lich reduziert. Durch den Familiennachzug ist der Gesamtanteil an Ausländern aber weiter gestiegen.

Österreich ist kein Einwanderungsland.Politik und Volksseele wollten es lange nicht wahrhaben: Unterschiedlichste Formen der Migration prägen Österreich seit langem

nachhaltig, nicht zuletzt aufgrund der zen­tralen Lage mitten in Europa. Zwischen 1815 und 1914 stieg die Bevölkerung Wiens von 250.000 auf über zwei Millionen. Das Wiener Telefonbuch dokumentiert die tschechische Einwanderung noch zu k.u.k. Zeiten. Nach dem Ende des Zweiten Welt­kriegs hielten sich 1,6 Millionen ausländi­sche Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und ehemalige KZ­Insassen in Österreich auf. Spätestens seit den 1960er­Jahren ist die Zweite Republik zum Einwanderungsland geworden.

Migranten nehmen „echten“ Österreichern die Arbeit weg.Billige Hetze. Der Arbeitsmarkt ist kein Nullsummenspiel. Migranten tragen näm­lich auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei, indem sie etwa neue Beschäftigungs­felder erschließen. Volkswirtschaftlich ge­sprochen stellen sie „komplementäre Fak­toren“ im Produktionsprozess dar. Knapp ein Drittel der Unternehmer in Wien sind Migranten (in Zahlen: 16.000). Und wie die Diskussion um die Pflege gezeigt hat, sähe es in vielen Bereichen schwarz aus, da Einheimische längst nicht mehr bereit sind, vermeintlich „niederen“ Tätigkeiten nach­zugehen.

Die meisten Migranten in Österreich stammen aus der Türkei.Verfolgt man die öffentliche Diskussion zu Migration und Integration, hat man mitun­ter den Eindruck, die Türken ständen wie­der einmal vor Wien. Es wird hauptsächlich

über Kopftuch, islamischen Religionsunter­richt und vermeintlich inkompatible Kul­turen debattiert. Dabei stammt die größte Gruppe der hier lebenden Migranten aus Serbien und Montenegro, die zweitgrößte aus Deutschland (auch weil diese sich nur selten einbürgern lassen). Erst auf Platz drei folgen die Türken. Betrachtet man allein die Zahl der neuen Zuwanderer, so belegen die Deutschen seit 2006 Rang eins. 2007 etwa wanderten 17.920 Deutsche ein, dage­gen aber nur 5262 Türken.

Bestimmte Gruppen sind aufgrund ihrer an-deren Sprache, Religion und Kultur nicht inte-grierbar.Gegenbeispiele gefällig? In den Hochpha­sen der deutschen Einwanderung in die USA Mitte des 19. Jahrhunderts galten die Teutonen als schlichtweg unintegrierbar. Sie hielten an der eigenen Sprache fest, seien nicht bereit, Englisch zu lernen, hol­ten Ehepartner aus Deutschland und be­drohten als Anarchisten und Terroristen die innere Sicherheit. Erst als Ende des 19. Jahrhunderts weniger Deutsche, dafür ver­mehrt Südeuropäer in die USA kamen, die noch viel fremder erschienen, mauserten sich die Deutschen zu Integrationsmuster­knaben. Ähnlich ging es den Iren lange Zeit in Großbritannien: Sie würden nur auf den Papst hören, ständig bechern und sich nicht an das liberale Wertesystem anpassen. Als Richtwert für die Dauer einer gelungenen Assimilation gelten drei Generationen.

Der Fußball hierzulande ist deshalb so schlecht, weil sich österreichische Talente in den Bun-desligateams aufgrund der zahlreichen aus-ländischen Kicker nicht entfalten können.Derartige Klagen sind nichts Neues. Schon 1948 wurde daher die Anzahl ausländischer Spieler erstmals beschränkt, 1962 vor einer „Invasion von Legionären“ gewarnt. Die Rede von den ohnehin nur „drittklassigen Ausländern“ ist ein Evergreen unter Öster­reichs Grantlern.

Für diesen Artikel wurden folgende (Migra­tions­)Forscher befragt: Karin Mayr (Uni­versität Linz), Ilker Ataç, Joseph Ehmer, Georg Spitaler, Sigrid Wadauer (alle Universität Wien), Elisabeth Röhrlich (Demo kratiezentrum Wien), Jochen Olt-mer (Universität Osnabrück).

Klaus J. Bade et al. (Hg.): Enzyklopädie Migra tion in Europa.

Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Fink 2007, 1156 S.,

€ 80,20

Als Richtwert für die Dauer einer gelungenen Assimila­tion gelten drei Generationen

Hohe Grenzzäune wie hier zwischen Mexiko und den USA bedeuten keineswegs weniger Einwanderer

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heureka!: Hört die Politik auf die Expertise der Migrationsforschung?Rainer Bauböck: Da muss man unter­scheiden. In Brüssel gibt es einen Konsens, dass Migrationsforschung notwendig ist, um die europäische Politik weiter zu har­monisieren. In Österreich ist das Verhältnis zwischen der Migrationsforschung und der Politik traditionell schlechter.

Warum ist das so?Das begann mit der Gastarbeiterzuwande­rung und ihrem Abbau seit der Mitte der 1970er­Jahre. Da herrschte politisch die Vorstellung, dass die Einwanderung eine Arbeitsmarktfrage sei, die sich die Sozial­partner untereinander ausmachen. Für die Migrationsforschung gab es bloß den Auf­

trag, Zahlen zu beschaffen. Das hat sich in den 1990er­Jahren mit der großen Zuwan­derung aus dem Westbalkan und abermals aus der Türkei geändert. Damals kam die Politik durch eine rechtspopulistische Ins­trumentalisierung des Themas unter Druck. Das machte es für die wissenschaftliche Forschung und Expertise natürlich schwer. Als Folge entwickelte sich ein eher konflikt­beladenes Verhältnis zwischen der Migrati­onsforschung und dem in der Migrations­politik federführenden Innenministerium.

Woran liegt das?Man geht hierzulande davon aus, dass die Politik ohnehin schon Expertise in Gestalt der Beamten besitzt. Die Wissenschaftler liefern allenthalben die Daten und Zahlen,

sollen sich aber nicht öffentlich in die Dis­kussion einmischen. Einerseits fehlt also bei der Politik die Offenheit für kritische Mi­grationsforschung. Andererseits versäumte es die Migrationsforschung aber auch, die Kräfte zu bündeln, um mit einer gewissen Autorität in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Sie selbst sind als Migrationsforscher Anfang 2007 von Wien nach Florenz übersiedelt? War das eher „push“ oder „pull“?Das war eindeutig „pull“. Die Professur hier am European University Institute ist eine wirklich sehr attraktive Stelle, sowohl was die Lehre als auch die Forschung betrifft. Hätte es allerdings eine vergleichbare Stelle in Österreich gegeben, wäre ich gerne ge­blieben.

Kritische Forschung unerwünscht: Der Politologe Rainer Bauböck über die Versäumnisse der Migrations-politik und die drohende Zweiklassengesellschaft unter Einwanderern. Interview: Klaus Taschwer

„Abschreckende Wirkung“

„Wer sich in seine nationale Nische verkriecht, verliert einfach den Anschluss”Migrationsforscher Rainer Bauböck über den modernen Wissenschaftsbetrieb

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Wie wichtig ist Mobilität für den Migrations-forscher?Sie ist in der Wissenschaft grundsätzlich zur Erfolgsbedingung geworden – sowohl auf individueller wie auch auf fachlicher Ebene: Disziplinen, die den internationalen Austausch nicht fördern, befinden sich am Abstellgleis. Diese ungeheure Mobilisierung und die Vielzahl an Kooperationen im Be­reich der Universitäten und der Forschung halte ich im Übrigen für einen der ganz gro­ßen Erfolge des europäischen Integrations­projekts. Wer sich in seine nationale Nische verkriecht oder sich abschottet, verliert ein­fach den Anschluss.

An welchen Kooperationen sind Sie beteiligt?Ich koordiniere unter anderem ein größe­res Projekt, das sich European Citizenship Observatory nennt. Das ist eine riesige

Materialsammlung, die im Sommer online gehen wird und in der alle Zahlen und Fak­ten von 33 europäischen Ländern aufberei­tet werden, die mit Staatsbürgerschaft zu tun haben. Die Forschungsfrage dahinter ist, ob es so etwas wie eine Europäisierung der Staatsbürgerschaftspolitik gibt. Die ist ja einerseits reine Kompetenz der Natio­nalstaaten. Aber da alle Unionsbürger die Freizügigkeitsrechte in anderen Staaten ge­nießen, gibt es da einen europäischen Zu­sammenhang. Dieser wurde ja vor kurzem sogar vom österreichischen Außenminister thematisiert, der sich wegen der geplanten Masseneinbürgerungen von Moldawiern in Rumänien Sorgen macht. Wer allerdings die Staatsbürgerschaftspolitik einzelner Mit­gliedsländer infrage stellt, muss auch bereit sein, sich auf europäische Mindeststandards beim Zugang der regulären Migranten zur Einbürgerung zu einigen.

Für außerhalb der EU lebende Menschen ist es aber nicht unbedingt einfacher geworden hierherzukommen. Richtig. Es gibt in der EU zwei ganz strikt getrennte Migrationsregimes. Für mich ist es erstaunlich, wie es Akademiker und Po­litiker immer wieder schaffen, diese zwei Phänomene so zu behandeln, als hätten sie nichts miteinander zu tun. Auf der einen Seite wurden für die Unionsbürger fast alle Hindernisse für Migration beseitigt. Da re­det man auch nicht darüber, dass sie sich in­

tegrieren oder Sprachtests absolvieren müs­sen. Andererseits gibt es eine gegenläufige Bewegung bei den Drittstaatsangehörigen, die beweisen sollen, dass sie integrations­willig sind, bevor sie rechtlich gleichgestellt werden. Die Diskrepanz zwischen den bei­den Regimen ist auf die Dauer nicht wirk­lich haltbar.

Warum?Um ein Beispiel zu nennen: In Italien gab es kürzlich Ausschreitungen gegen rumä­nische Unionsbürger. Die Wahrnehmung in der Bevölkerung ist, dass das Migranten sind, die mit demselben Humankapital und mit denselben Motiven kommen wie Dritt­staatsangehörige. Ich glaube, man müsste in der EU versuchen, diese beiden Regimes besser aufeinander abzustimmen: also libe­raler gegenüber Drittstaatsangehörigen und stärkere Integrationserwartungen gegenüber EU­Bürgern.

Wie und wann kam es zu dieser Verschärfung für Migranten aus Drittstaaten?In den Niederlanden waren die Morde an Pim Fortuyn und Theo van Gogh ein Aus­löser einer Trendwende. Multikulturalis­mus erschien nicht mehr als etwas Positives. Stattdessen setzte sich die Überzeugung durch, dass sich die europäischen National­staaten gegenüber der Migration selbst wie­der behaupten müssen und die Migranten sich in eine nationale Gemeinschaft inte­grieren müssen – auch in Hinsicht auf kul­turelle Werte und die nationale Sprache.

Welche Rolle spielte dabei Österreich?Österreich war von Anfang an freudig mit dabei und hat gemeinsam mit Deutschland und Dänemark sehr rasch diese neue Philo­sophie übernommen und Integrationstests eingeführt, die den Zugang zum Dauerauf­enthalt und zur Staatsbürgerschaft regeln.

Was spricht dagegen?Die USA und Kanada haben schon lange solche Einbürgerungstests. Aber dort sagte man immer: Die Einwanderer haben ohne­hin ein Interesse, die Sprache zu lernen, und wenn man das auf einem niedrigen Niveau vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch noch abprüft, schreckt das nicht ab. In den Niederlanden, Dänemark und dann vor allem in Österreich setzte sich aber die Auf­fassung durch, dass das ein echtes Auswahl­kriterium ist, nach dem Motto: „Wir wollen nur gebildete Leute dahaben, die anspruchs­volle Tests bestehen können.“ Freilich fallen bei den Tests in Österreich nicht viele Leute durch. Ich vermute eher, dass es eine ab­

schreckende Wirkung im Vorfeld gibt. Da­für wären die drastisch sinkenden Einbür­gerungszahlen ein Indiz. Außerdem bleiben die meisten Leute, die diese Tests nicht ab­solvieren, dann trotzdem im Land, weil sie nicht deportierbar sind. Man schafft so eine Zweiklassengesellschaft der Migranten.

Wo macht man es besser?Ich würde in Europa noch am ehesten auf Schweden verweisen und international auf Kanada. Wobei es sehr wichtig ist, den Kontext zu verstehen: Kanada funktioniert deshalb besser als Einwanderungsland, weil es quer über das Parteienspektrum einen Grundkonsens gibt, dass Einwanderung er­wünscht ist. Das ist ein Grundproblem in Europa: Selbst in den vergangenen 20 Jah­ren, als Einwanderung in großem Maßstab stattgefunden hat und auch wirtschaftlich

positive Auswirkungen hatte, entstand kein politischer Grundkonsens, sich auch öffent­lich zu einer aktiven Einwanderungspolitik zu bekennen. Immigration wurde politisch als unerwünscht verkauft. Das macht es na­türlich schwer, den Einwanderern rechtliche Gleichstellung zu versprechen und sie will­kommen zu heißen. 3

Zur Person:Rainer Bauböck ist Politikwissenschaftler und seit 2007 Professor für Politische und Soziale Theorie am renommierten Euro­pean University Institute (EUI) in Florenz. Er gehört zu den führenden europäischen Migrationsforschern und wurde 2006 mit dem angesehenen Europäischen Latsis­Preis ausgezeichnet. Nach seinem Studium an der Universität Wien und einer Ausbildung am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien ging er mit einem Schrödinger­Stipendium nach Warwick. Danach forschte und lehrte Bauböck unter anderem in Barcelona, Bris­tol, Budapest, Malmö, Princeton und Yale.

„Immigration wurde politisch als unerwünscht und unkontrollierbar verkauft”

„Staatsbürgerschaft gab es nur für jene, die sich angepasst haben”

„Das macht es natürlich schwer, den Einwanderern rechtliche Gleichstellung zu versprechen”

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Schlüsselfeld der Forschung Migration soll natio­naler Forschungsschwerpunkt werden. So steht es zumindest im Regierungsprogramm 2008 bis 2013. Nur drei Forschungsgebiete sind darin explizit genannt. Migration ist eines davon. M., ein Migrationsforscher, mit dem heureka! sprach, winkt ab. Kenne er schon. Sei ja nicht das ers­te Mal, dass sein Fach im Regierungsprogramm steht. Geändert habe sich nichts.

Auch der Wissenschaftsminister ist im Wort. Vorigen August in Alpbach listete er Migration als eines von vier Schlüsselfeldern künftiger For­schung auf. Bereits im Jänner 2008 lud Johannes Hahn Fachvertreter ins Ministerium. M. war da­bei. Doch er traut weder Regierung noch Minis­tern. Für ihn zählt erst, wenn etwas auf der Ebene der Beamten läuft. Die einzige Bewegung, die er da orte, sei der Weggang der für sein Fach zustän­digen Mitarbeiterin nach Brüssel.

Vielleicht, sagt M., müsse er sich bald selbst im Ausland nach einer Stelle umsehen. Der erste und bis jetzt einzige Lehrstuhl in Österreich, der Migration mit im Titel trägt, wurde im Vorjahr an der Donau­Universität Krems eingerichtet und mit Gudrun Biffl besetzt. Allerdings fehlt der Professur die Dotierung, um wissenschaft­liche Mitarbeiter einzustellen. Arbeitsgruppen, die sich am Institut für Höhere Studien oder am Europä ischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozial forschung Migrationsfragen widmeten, gibt es nicht mehr.

M.s Weggefährten von früher forschen mitt­lerweile in Paris, Istanbul und Australien, haben Lehrstühle in Florenz oder Ankara. Einige sind zu NGOs gegangen. Ein paar sind mittlerweile beim International Center of Migration Policy Deve­lopment oder dem International Office of Mig­ration beschäftigt. Einer denkt heute im Auftrag einer Bank.

Um seinen Abschied aus Österreich nicht zu beschleunigen, will M. anonym bleiben. Weitere Migrationsforscher, mit denen heureka! sprach, wollen zur Lage ihres Fachs lieber auch nicht namentlich Stellung nehmen. Einer der Gründe heißt Heinz Faßmann.

Ein Mann mit Einfluss Faßmann ist Obmann der Kommission für Migrations­ und Integrations­forschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er ist Mitglied oder Vorstand eines Dutzends weiterer Kommissionen und Fachgesellschaften, Herausgeber von vier Fachzeitschriften, Gutachter für acht Forschungs­organisationen, Österreichs Vertreter im Migrati­onsforschungsnetzwerk IMISCOE und der meist­zitierte Migrationsexperte in den Medien. Heinz Faßmann ist der einflussreichste Migrati­onsforscher im Land, man könnte auch sagen: der einzige, der überhaupt nennenswerten Einfluss hat. Das verdankt er seiner Beharrlichkeit und dem Umstand, dass er den Regierenden nicht

ständig Fehler und Versäumnisse ihrer Auslän­der­ und Integrationspolitik vorhält. Mitarbeiter schwört er darauf ein, in der Öffentlichkeit keine politischen Aussagen zu machen. Nur die Fak­ten, bitte. Die Bewertung sei Sache der Politiker. Selbst das Innenministerium, das mit unabhän­gigen Migrationswissenschaftlern sonst nicht viel

der großeIntegratorEinige österreichische Migrationsforscher sind selbst migriert, andere haben die Wissenschaft aufgegeben. Die Verbliebenen betrachten ihre Lage in Österreich zunehmend als prekär. Nur einer von ihnen gewinnt ständig an Einfluss. Stefan Löffler

Heinz Faßmann ist der einflussreichste Migrations­forscher im Land, man könnte auch sagen: dereinzige, der nennenswerten Einfluss hat

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Wissenschaft hat neutral zu sein – Multifunktionär Heinz Faßmann

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am Hut hat, kann mit ihm: Faßmann bekam die Herausgeberschaft der Österreichischen Integra­tions­ und Migrationsberichte angetragen.

Bericht einer Fragmentierung In seine Hände ge­legt wurde auch eine Evaluierung der heimischen Migrationsforschung im Auftrag des Wissen­schaftsministeriums. Der Bericht wurde vorige Woche freigegeben. In Kürze soll er als Working Paper der ÖAW vorliegen. Es ist ein Dokument der Zersplitterung. Er zählt „113 Institutionen, die im weiteren Sinne Migrations­ und Integrati­onsforschung betreiben“.

Zwar wurden in den letzten fünf Jahren 240 einschlägige Forschungsprojekte und an die 200 beteiligte Wissenschaftler gezählt. Doch die we­nigsten von ihnen, nicht mehr als zehn, widmen sich mehr oder minder ganz diesem Gebiet. Ös­terreich verfügt zwar über eine Zahl international anerkannter Experten. Für die Beteiligung an in­ternationalen Projekten, vor allem auf EU­Ebene, fehlt es aber inzwischen fast überall an kritischer Masse.

Der Bericht dokumentiert auch das Meinungs­klima unter denen, die in Österreich zumindest gelegentlich zu Migrationsfragen forschen. Viele sorgen sich wegen der mangelnden institutionel­len Verankerung. Vor allem aber wird politische Vereinnahmung beklagt. Während für Grundla­genstudien das Geld fehlt, stecken hinter vielen Auftragsforschungen handfeste Interessen. Fak­ten und Zahlen würden vielfach verdreht und missbraucht. Die Politik mische sich zu sehr ein.

Streit um die Integration Dass das gerade für den wichtigsten Auftraggeber, das Innenminis­terium, gilt, steht so nicht im Bericht, wird aber von den Migrationsforschern, mit denen heureka! sprach, bestätigt. Seit die große Koalition in den 1990er­Jahren aus Angst vor einem noch größe­ren Erstarken der FPÖ selbst eine populistische Ausländerpolitik betrieb und dafür von den Ex­perten reichlich mit Kritik bedacht wurde, ist das Verhältnis zwischen Innenministerium und Wis­senschaft verfahren. Die Beamten laden Fachex­perten zum Vorsingen, setzen die Expertise aber ein, wie es ihnen selber passt.

Bezeichnend ist der 2008 erschienene Inte­grationsbericht. Verfasst wurden die Kapitel von Wissenschaftlern. Als Erstautoren scheinen aber die Spitzenbeamten auf. Daneben leistet sich das Innenministerium sowohl beim Integrations­fonds als auch an der Sicherheitsakademie aus Absolventen mit einschlägigem Hintergrund ei­gene Forschungsabteilungen, die diesen Namen aus Sicht von M. nicht verdienen.

Ach, hätten sie doch besser zusammenge­halten, als es noch Zeit war! Vor vier oder fünf Jahren waren M. und seine Kollegen drauf und dran, sich um ein Ludwig­Boltzmann­Institut zu bewerben. Als der Einzige, der damals von

ihnen habilitiert war, kniff, verließ die anderen der Mut.

Über ein Zentrum für Migrationsforschung wurde schon 1997 eine Machbarkeitsstudie er­stellt. Als 2001 der noch in Erhard Buseks Amts­zeit als Wissenschaftsminister angeschobene Forschungsschwerpunkt „Xenophobie, Fremden­feindlichkeit, Rassismus“ auslief, der viele in die Migrationsforschung lockte, wurde wieder berat­schlagt, wie und wo das disziplinär ausufernde Forschungsgebiet institutionell verankert werden sollte. Faßmanns Argument, die Ansiedelung an einer Uni entfremde die Migrationsforscher an anderen Hochschulen, gab damals den Ausschlag für die ÖAW.

Zentrum ohne Personal Der Weg an die Akade­mie stellte sich bald als Sackgasse heraus. An der ÖAW wurde die Migrations­ und Integrations­forschung mit einer „nicht personalführenden Kommission“ abgespeist. Eine einzige Halbtags­stelle musste genügen. An eigene Forschung war damit natürlich nicht zu denken. Zwar kamen einige Migrationsforscher am ÖAW­Institut für europäische Integrationsforschung unter. Dort hat man indessen für sie wenig übrig, seit die erste Direktorin Sonja Puntscher­Riekmann im Streit geschieden ist. Budgetkürzungen geben den we­nigen, auf das Auslaufen ihrer Verträge warten­den Kräften den Rest.

Nur am ÖAW­Institut für Stadt­ und Regio­nalforschung geht alles seinen gewohnten Gang, aber das leitet ja Heinz Faßmann, „wirkliches Mitglied“ der Akademie. Gegen das Aushungern der Migrationsforschung an der ÖAW hätte er mehr Gegenwehr leisten können, finden Kol­legen. Faßmann hält dem entgegen, dass es das Wissenschaftsministerium versäumt habe, der Akademie mit der Finanzierung Vorgaben zum Erhalt der Migrationsforschung zu machen.

Nun wird gemunkelt, dass er ein Zentrum für Migrationsfragen an der Uni Wien plant. Faß­mann wird nachgesagt, dass er mit dessen Rea­lisierung punkten will, um sich eines Tages zum Rektor wählen zu lassen. Dekan und Senatsmit­glied ist er bereits.

Zurück zu seinem Bericht ans Wissenschafts­ministerium. Der endet mit zwei Empfehlungen. Die versprengten Forscher sollen stärker vernetzt werden. Durch einen gemeinsamen Datenpool, durch Projekte, an denen sich viele beteiligen können, oder auch durch eine international sicht­bare Publikationsreihe. Darüber hinaus brauche es eine „Leuchtturminstitution“.

Käme ein solches Zentrum für Migrations­ und Integrationsforschung zustande, fragte heureka! eher der Form halber beim Autor der Empfehlung nach, würde er sich aufgrund seiner vielen Verpflichtungen ja wohl nicht als Direk­tor bewerben? Ach woher. Heinz Faßmann packt auch das noch. 3

Der Weg an die Akademie erwies sich für die Migrationsforschung als Sackgasse

Knusprige Präsentation, aber keine unabhängige Forschung beim österreichischen Inte-grationsfonds

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heureka 1/2009 | Wissenschaft unterwegs18 …

Y-Chromosome, mitochondriale DNA, ja sogar Magenkeime weisen den Weg. Durch die Analyse von Erbsubstanz versuchen Genetiker, die Besiedelung der Erde durch den Menschen zu rekonstruieren.

Birgit Dalheimer und Oliver Hochadel

dNA auf Wanderschaft

Retrospektive Genetik Die Idee ist beste­chend: Um den Schleier unserer Herkunft zu lüften, geht man nicht in die afrikani­sche Savanne Fossilien suchen, sondern ins wohltemperierte Labor und analysiert

dort das Erbgut heute lebender Menschen. Anhand der statistisch errechneten Wahr­scheinlichkeit für kleine Änderungen in der DNA pro Generation lässt sich so etwas wie eine „molekulare Uhr“ kalibrieren – und dadurch etwa im Vergleich mit der DNA von Schimpansen rückrechnen, wann sich beide Linien trennten.

Schon 1967 behaupteten Genetiker um Vincent Sarich, dass das vor fünf Millionen Jahren geschehen sei. Manche Paläoanthro­pologen waren bis dahin von bis zu 30 Mil­

lionen Jahren ausgegangen. Entsprechend verschnupft waren die Fossilienjäger über diese unbotmäßige Einmischung in ihren Herrschaftsbereich.

Der nächste Coup gelang Allan Wil­son, Rebecca Cann und Mark Stoneking. Sie nutzten für ihre Rückrechnungen so­genannte mtDNA. Das ist Erbsubstanz aus den Mitochondrien und nicht aus dem Zellkern, die nur von der Mutter auf ihre Kinder vererbt wird, sich also nicht von Ge­neration zu Generation mischt. So gelang­ten die drei Molekularbiologen 1987 zur Theorie der „schwarzen Eva“, der gemein­samen „Urmutter“ aller heute lebenden Menschen, die vor rund 150.000 Jahren in Afrika lebte.

Im Magen um die Welt Die Aussagekraft dieser retrospektiven Genetik wurde seither viel diskutiert, mehr oder weniger scharf kritisiert (siehe das Interview rechts), teils revidiert, vor allem aber: weiterentwickelt. Das vergleichende Rückrechnen wurde zu einer zentralen Methode der Populations­

genetik, um so die Verwandtschaftsverhält­nisse zwischen Gruppen zu klären – und damit auch: wann und auf welchen Wegen die Erde besiedelt wurde.

Neben der mtDNA wird von den Mi­grationsforschern das Y­Chromosom ge­nutzt, das nur vom Vater an die Söhne vererbt wird. Aber auch Heliobacter pylori wird befragt. Dieses Bakterium hat sich schon vor Urzeiten im Magen der Hälfte aller Menschen eingenistet, sorgt dort für Geschwüre – und Freude bei den Biologen. Da der Magenkeim mit einer bestimmten „Geschwindigkeit“ mutiert, lässt er sich als molekulare Uhr nutzen. Mark Achtman vom Max­Planck­Institut für Infektions­biologie in Berlin und seine Kollegen konn­ten 2007 damit die „Out of Africa“­Theorie weiter untermauern, wonach der moderne Mensch nur in Afrika entstand und von dort aus vor etwa 60.000 Jahren die Erde bevölkerte.

Forscher um Yoshan Modle rekonstru­ierten heuer mit derselben Methode zwei Besiedelungswellen von Südostasien nach Australien und den Südpazifik vor 30.000 und 5000 Jahren (Science 323, 479). Er­

Wir wissen, woher ihr kommt: Die US-Genetikerin Sarah Tishkoff erklärt dem Volk der Hazda in Tansania ihr Forschungsprojekt zur Gen geschichte Afrikas

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In Afrika wurde buchstäblich seit Menschengedenken hin und hermigriert

Eine Speichelprobe, bitte! Auf DNA-Safari in Afrika

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heureka 1/2009 | Wissenschaft unterwegs … 19

Gerhard Weber und seine Kollegen von der Univer­sität Wien haben mit com­putergestützten Methoden der virtuellen Anthropolo­gie einen neuen Blick auf

alte Schädel geworfen. Und warten mit ei­nem neuen Szenario über die Migrations­muster des frühen Menschen auf.

heureka!: Eine geläufige Theorie über die Aus-breitung des modernen Menschen geht davon aus, dass dieser vor knapp 200.000 Jahren in Ostafrika erschien, vor 80.000 bis 60.000 Jahren über die Arabische Halbinsel nach Eu-rasien auswanderte und in weiterer Folge die ganze Erde besiedelte. Sie sagen, so linear sei es nicht abgelaufen.Gerhard Weber: Unsere Untersuchungen legen nahe, dass der moderne Mensch Afri­ka nicht in einer, sondern in mehreren Aus­wanderungswellen verlassen hat. Zudem ist davor und im Zuge dieser Auswanderungs­wellen in Afrika selbst auch einiges passiert. Da entwickelten sich verschiedene Popu­lationen von Homo sapiens, breiteten sich über den Kontinent aus, waren vielleicht zigtausend Jahre lang voneinander getrennt und vermischten sich dann teilweise wieder. Diese Menschen waren also vermutlich im­mer schon mobiler als ihre Vorgänger, die archaischen Menschen. Sie sind mehrfach aus Afrika ausgewandert und eventuell teil­weise auch wieder zurückgekommen.

Das heißt, der Exodus nach Eurasien war kei-ne Einbahn?Er war wahrscheinlich weder eine Einbahn noch die einzige Route, die die in Afrika lebenden Menschen interessiert hat. Wir

glauben, dass der Homo sapiens auch über die Straße von Gibraltar nach Europa ge­kommen ist. Was eigentlich auch nicht wei­ter verwunderlich wäre.

Warum?Wenn es der Homo sapiens geschafft hat, schon vor fast 60.000 Jahren bis nach Aus­tralien zu kommen, warum sollte er dann nicht auch die Meerenge von Gibraltar überwunden haben? Die kürzeste Meeres­distanz, die man damals bis nach Austra­

lien überwinden musste, betrug 80 Kilo­meter. Und von Afrika nach Europa, das man bei Gibraltar von der anderen Seite aus sogar sehen kann, sind es gerade einmal 13 Kilometer.

Zuletzt haben die Geschichte der frühen Wan-derbewegungen des modernen Menschen vor allem Genetiker geschrieben. Sie vermessen wie früher Anthropologen Skelettteile.Stimmt, wir schauen uns wieder die Schä­delform an – aber in einer Weise, die vorher unmöglich war: am Computer. In der letz­ten Untersuchung waren das 200 Schädel vom Homo erectus, den Neandertalern und dem modernen Menschen. Auf jedem dieser Schädel legten wir knapp 500 Messpunkte fest. Beim Vergleich der Messergebnisse zeigte sich, dass die Variabilität der Schä­delformen schon bei den frühen modernen Menschen extrem hoch ist – größer als zum Beispiel beim Homo erectus oder den Nean­

dertalern. Das und die Verbindungen, die man zwischen den sich ähnelnden Schädel­formen finden kann, deutet eben auf eine besonders große Mobilität der modernen Menschen von Anfang an hin. Für solche Aussagen muss man die Gesamtform vie­ler Schädel vergleichend im Auge behalten, und das geht nur mit den Methoden der virtuellen Anthropologie, mit denen wir arbeiten.

Der molekularen Anthropologie und ihren stammesgeschichtlichen Rückschlüssen aus der Untersuchung der DNA heute lebender Men-schen trauen Sie das nicht zu?Wir regen mit unserer Arbeit an, dass die Genetiker ihre Modellannahmen verfei­nern sollten. Da hat nach dem genetischen Hype Ende der 1980er­Jahre eine gewisse Ernüchterung eingesetzt.

Was ist das Problem bei genetischen retrospek-tiven Methoden?Man muss bei der Auswertung dieser Daten immer sehr viele Annahmen treffen – über Mutationsraten, Populationsgrößen und dergleichen. Das Ergebnis hängt völlig von diesen Annahmen ab. Große Diversifikati­on schon in Afrika, so wie wir das finden, also nicht der einfache Exodus aus Afrika, sondern komplexe Migrationsmuster in­nerhalb Afrikas und zwischen den Kon­tinenten – das sind Dinge, vor denen sich Genetiker eher scheuen, weil sie das Modell extrem verkomplizieren. Wir denken, dass die zuverlässigsten Ergebnisse aus einer Zu­sammenarbeit zwischen der Genetik und einer modernen Morphometrie, der Me­thode, mit der wir hier arbeiten, entstehen können. Interview: Birgit Dalheimer

„Immer schon mobil“

gänzt und sogar noch verfeinert wurde dieses Szenario durch neuseeländische Sprachwissenschaftler um R.D. Gray, die mit computergestützter historischer Lingu­istik die jüngere Migration von Menschen und Wörtern von Taiwan bis zur Osterinsel nachzeichneten. Das ist der Wissenschaft­lertraum: dass zwei voneinander völlig un­abhängige Untersuchungen mit gänzlich unterschiedlichem Material zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Gene schreiben Geschichte Die Parameter Genetik und Sprache sind auch die Grund­lage einer zehnjährigen Megastudie, die die US­Genetikerin Sarah Tishkoff und 24 (!)

Kollegen am 30. April in Science (online) veröffentlichten. Dafür wurden über 3000 Personen aus 121 afrikanischen, vier afro­amerikanischen und 60 nichtafrikanischen Gruppen um Speichelproben gebeten.

Die Forscher konnten 14 „ursprüngli­che“ Populationen ermitteln, d.h. genetisch charakterisieren. Interessanterweise fanden sie in fast allen dieser 14 „Urgruppen“ auch eine starke Vermischung mit anderen Po­pulationen. Sprich: In Afrika wurde buch­stäblich seit Menschengedenken hin und her migriert.

Tishkoff et al. wollen auch die Herkunft der Afroamerikaner entschlüsselt haben, die zu 71 Prozent von der westafrikani­

schen niger­kordofanischen Population abstammten, aber zu 13 Prozent auch von Europäern.

Und schließlich haben die mit den Da­ten gefütterten Programme auch den Punkt ausgespuckt, an dem die Wanderung des Menschen in Afrika begann: Er liegt auf 12,5º Ost und 17,5 º Süd, also an der Gren­ze von Namibia und Angola. Den Konti­nent verlassen haben die Menschen über das Rote Meer, und zwar genau auf 35,7º Ost und 22,5º Nord.

Lesen Sie unter www.heurekablog.at, wie private Firmen gegen gutes Geld anbieten, die genetischen Wurzeln jedes Einzelnen zu erforschen. Und was daran problematisch ist.

„Die Genetiker sollten ihre Modellannahmen verfeinern”

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heureka 1/2009 | Wissenschaft unterwegs20 …

Warum migrieren Tiere?Meistens geht es um Nahrungsressourcen, zum Teil auch um Partnersuche oder die Versorgung des Nachwuchses. Wenn es anderswo besser ist, zieht man dorthin. So sind mitunter recht skurrile Strategien zu­stande gekommen. Beim Europäischen Aal zum Beispiel handelt es sich ursprünglich um einen Tiefseebewohner, dessen Jung­tiere „gelernt“ haben, das reiche Nahrungs­angebot von Flüssen und Seen zu nutzen. Aber dennoch laichen die schlangenartigen Fische nach wie vor in den Tiefen der rund 6000 Kilometer weit entfernten Sargassosee im Westatlantik, was sich übrigens bis heute dem Auge der Wissenschaft entzieht.

Wie sehr ist das „Ziehen“ genetisch gesteuert, oder können Tiere das lernen?Der Wandertrieb ist zumindest weitgehend angeboren und vererbbar. Laut der so­genannten „Zugschwellen­Hypothese“ hat sogar jede Tierart einen genetisch veran­lagten Drang zur Abwanderung, der immer dann aktiviert wird, wenn sich die Lebens­bedingungen zu stark verschlechtern. Bei vielen Spezies ist der Zugtrieb allerdings flexibel. So lebten zum Beispiel kaliforni­sche Hausgimpel ursprünglich weitgehend sesshaft. Als der Mensch einige von ihnen an die Ostküste der USA brachte und die Vögel sich dort vermehrten, begannen im­mer mehr Angehörige dieser Population im Winter immer weitere Strecken in den Sü­den zu wandern. Der Trend hält bis heute an (Proceedings of the Royal Society of London B 265, S. 2063).

Migrieren immer alle Tiere einer Art?Nicht unbedingt. Unter Vögeln etwa ist der „Teilzug“ weit verbreitet. Bei teilziehenden Spezies wie Amsel und Buchfink wandert nur eine gewisse Anzahl von Individuen im Winter ab. Je nach Witterung erlangen mal die Migranten, mal die Daheimblei­ber Vorteile. Letztere können zum Beispiel im Frühling zuerst die besseren Reviere besetzen. In strengen Wintern dagegen kann Heimattreue tödlich sein. Wer dann in den warmen Süden geflohen ist, findet

zu Beginn der Brutsaison jede Menge freie Siedlungsräume vor. Die Konkurrenz ist schlichtweg verhungert oder erfroren.

Warum sterben Lachse eigentlich nach dem Ablaichen?Pazifische Lachse der Gattung Oncorhyn-chus pflanzen sich in der Tat nur einmal fort, die Ufer nordwestamerikanischer und ostasiatischer Lachsflüsse sind deshalb all­

jährlich übersät mit Fischkadavern. Das mag wie Verschwendung anmuten, doch das programmierte Massensterben ist Teil einer komplexen Fortpflanzungsstrategie. Die Lachsleichen stecken voller Nährstof­fe, vor allem Stickstoffverbindungen. Die Fische haben sie quasi vom Meer in die kar­gen Regionen der Flussoberläufe transpor­tiert. Durch ihren Tod düngen die Lachse

also ihre Kinderstuben. Bäume und Pflan­zen am Ufer wachsen schneller, Insekten finden mehr Nahrung, das ganze Ökosys­tem profitiert (vgl. u.a. Freshwater Biology 51, S. 1211). Und damit natürlich auch der Lachsnachwuchs.

Welche Strecken können Tiere auf ihren Wan-derungen zurücklegen?Einige tierische Migranten vollbringen gera­dezu unglaubliche Leistungen. Die erwähn­ten Pazifischen Lachse wandern im Yukon und seinen Nebenflüssen bis zu 4000 Ki­lometer stromaufwärts. Atemberaubend ist auch die Odyssee eines weiblichen Weißen Hais: Das Tier schwamm von den Gewäs­sern nahe des Kaps der Guten Hoffnung zielstrebig in nur 99 Tagen an die Westküste Australiens und bald darauf wieder zurück (vgl. Science 310, S. 100). Es wird vermutet, dass die Raubfischdame auf der Suche nach einem Partner war, ihre Jungen aber vor der nahrungsreichen südafrikanischen Küste zur Welt bringen wollte.

Die kühnsten Weltreisenden findet man allerdings unter den Vögeln. Küstensee­schwalben pendeln sogar jährlich zwischen Arktis und Antarktis hin und her. Pfuhl­

Immer dem Magnetsinn nach Rund um den Globus begeben sich ständig Milliarden Vögel und Fische auf den Weg.Warum und wie sie das machen – und welche unglaublichen Leistungen sie dabei vollbringen: neun Fragen und neun Antworten. Kurt de Swaaf

Ein Weißer Hai schwamm in 99 Tagen vom Kap der Guten Hoffnung nach Australien

Einige Vogelarten „ver brennen“ unterwegs sogar einen Teil ihrer Muskulatur

APA

bzw

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heureka 1/2009 | Wissenschaft unterwegs … 21

schnepfen wandern ebenfalls um den hal­ben Globus und haben sich als echte Ext­remsportler erwiesen (vgl. Proceedings of the Royal Society of London B 276, S. 447). Sie schaffen es, die mehr als 11.000 Kilome­ter lange Strecke zwischen ihrem Brutge­biet in Alaska und dem Winterquartier in Neuseeland nonstop quer über den Pazifik zurückzulegen – acht Tage Flug ohne Zwi­schenlandung!

Wie gelingt es den Wissenschaftlern, wan-dernde Tiere so präzise zu verfolgen?Die moderne Kommunikationstechnologie hat der Forschung ungeahnte Perspektiven eröffnet. Überall auf der Welt schwimmen, fliegen oder laufen heutzutage Kreaturen mit Funksendern herum. Diese „Tracking“­Apparaturen melden nicht nur die Position ihrer Träger, sondern können auch Um­weltdaten wie Temperatur, Wasserdruck und dergleichen messen, speichern und an Satelliten senden. Manchmal werden die Geräte chirurgisch in den Körper der Tiere eingepflanzt, um so ihre Bewegungsfreiheit möglichst wenig zu beeinträchtigen. Einige Experten planen derweil, brisante Militär­technik zu Forschungszwecken zu nutzen. Sie wollen ziehende Vögel auf ihrem Flug mit Drohnen folgen und filmen.

Mit welchen Tricks überstehen die Tiere die weiten Reisen?Fett ansetzen ist wohl am meisten verbrei­tet, denn schließlich brauchen die tieri­schen Migranten große Mengen Treibstoff für ihre Muskeln, und unterwegs auftanken kann manchmal sehr schwierig oder gefähr­lich sein. Einige Vogelarten „verbrennen“ unterwegs sogar einen Teil ihrer Musku­latur. Um Wasserverluste einzudämmen, verstecken sich europäische Singvögel bei ihrem Zug über die Sahara tagsüber meist an schattigen Stellen in der Wüste. Geflo­gen wird dann in der kühlen Nacht (vgl. Proceedings of the Royal Society of London B 274, S. 735).

Wie orientieren sich Tiere bei ihren Wande-rungen?Hier hat die Wissenschaft noch reichlich Arbeit vor sich, denn vieles ist ungeklärt. Auf jeden Fall gibt es unter Tieren eine ganze Palette von Navigationsmethoden.

Fische können sich anscheinend die cha­rakteristischen Düfte von Gewässern ein­prägen. Temperatur, Lichtverhältnisse und Tageslänge dürften ebenfalls von vielen Tierspezies zur Orientierung genutzt wer­den. Über See fliegende Vögel erkennen offensichtlich an der Wolkenbildung die Position von Inseln, bevor diese über dem Horizont sichtbar werden. Viele Tierarten scheinen sich mithilfe eines Magnetsinns zu orientieren. Am berühmtesten ist wohl der Magnetkompass, welcher vom Frank­furter Forscherehepaar Wiltschko im Auge des Rotkehlchens nachgewiesen wurde (vgl. u.a. Naturwissenschaften 91, S. 585). Dieser funktioniert wahrscheinlich mittels

Sinnenszellen, die mit sogenannten crypto­chromen Flavoproteinen ausgestattet sind. Diese Proteine reagieren auf das Magnet­feld der Erde und liefern Reize an das Ner­vensystem (Nature 435, S. 387).

Ändern sich Tiermigrationen infolge des Kli-mawandels?Ohne Zweifel! Wenn sich das Klima und somit die Umweltbedingungen in einem bestimmten Gebiet verändern, müssen die dort brütenden oder sich ernährenden Tiere gegebenenfalls in andere Regionen auswei­chen. Die Frage ist nur, ob ihnen das ge­lingt. In Europa zum Beispiel könnten sich ganze Vegetationszonen und Ökosysteme nach Norden verlagern. Zugvögel wie die sogenannten Grasmücken müssten infol­gedessen mehrere hundert Kilometer weiter von ihren afrikanischen Winterquartieren in ihre Brutgebiete fliegen, wie das Journal of Biogeography kürzlich errechnete. Exper­ten befürchten, dass einige Arten die Stra­pazen zusätzlicher Strecken nicht verkraften und aussterben würden (Ibis 148, S. 8).

Lesen Sie eine Langfassung des Texts unter www.heurekablog.at

Bei den Amseln wandert nur ein Teil der Indi-viduen im Winter ab

Die migrierenden Lachse düngen nach ihrem Tod mit den eigenen Kadavern ihre Kinderstuben.

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heureka 1/2009 | Wissenschaft unterwegs22 …

Fremdlinge mit Folgen Sie kommen als blinde Passagiere im Schiff, Flugzeug oder Lastwagen. Manche verbergen sich in einer Ladung alter Autoreifen, andere kommen als Souvenir im Handgepäck. Sind sie erst einmal eingereist, bleiben sie oft für immer. Tag für Tag siedeln sich Tiere und Pflanzen fern ihrer angestammten Gebiete an. In der neuen Heimat vertreiben sie nicht selten alteingesessene Bewohner und bringen das Ökosystem aus dem Lot.

Allein in Europa gibt es über 11.000 gebietsfremde Arten, korrekt „Neobio­ta“ genannt. Davon verursacht etwa ein Zehntel nachweislich öko­logische und wirtschaftliche Schäden. Das berichtet eine europäische Expertengrup­pe im Wissenschaftsmaga­zin Science (Bd. 324, S. 40) Anfang April. Die Forscher schätzen die verursachten Kosten, die etwa durch Bekämpfungsmaßnah­men oder Ertragsverlus­te entstehen, auf jährlich zehn Milliarden Euro.

Womöglich ist die Zahl aber noch höher anzusetzen: „Die wahren Kosten sind sehr schwer zu kalku­lieren“, erklärt Montserrat Vilà, Biologin an der Estación Biológica de Doñana in Sevil­la. Im Fachjournal Frontiers in Ecology and the Environment hat Vilà gemeinsam mit Kollegen Mitte April eine erste Schadens­erhebung gewagt. Sie beziffern die Verlus­te, die allein die britische Landwirtschaft durch eingewanderte Insekten und Spin­nentiere erleidet, auf 2,8 Milliarden Euro jährlich. In einer Liste der „teuersten“ In­vasoren nennt Vilà unter anderen die dick­stielige Wasserhyazinthe, die „Killeralge“ Chrysochromulina polylepis oder auch die als Nutria bekannte Biberratte, deren Be­obachtung und Kontrolle jährlich jeweils rund drei Millionen Euro verschlingt.

Europäischer Ernstfall Das Team bezieht seine Erkenntnisse aus der ersten Daten­bank über nichtheimische Arten in Europa, DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe). Die dort gesam­

melten Befunde haben die EU­Kommission bereits veranlasst, ein Strategiepapier vorzu­legen. „Das ist uns nicht genug“, moniert

indes Vilà. Sie und andere Experten forder­ten in Science die Einrichtung einer zentra­len EU­Institution zur Überwachung und Bekämpfung der invasiven Spezies.

Das Problem ist hausgemacht: „Mehr als die Hälfte der Arten wurden vorsätzlich eingeführt“, erläutert Vilà. „Das gilt vor al­lem für Pflanzen, die meist als Zier­ oder Nutzpflanzen für Forst­ und Landwirt­schaft ins Land gebracht werden.“ Andere

werden unbeabsichtigt eingeschleppt. „Das Ballastwasser von Schiffen beispielsweise enthält häufig Larven“, sagt Vilà. „Wenn ein Schiff sein Wasser in einem anderen Meer ablässt, dann kann sich die Spezies dort ansiedeln.“

Die Zuwanderer profitieren auch vom Klimawandel, wie Ende April eine Tagung

in Wien zeigte: „Neobiota sind meist op­portunistische Arten, die besonders rasch

und flexibel auf sich ändernde Umweltbe­dingungen reagieren“, erklärte Wolfgang Rabitsch vom Umweltbundesamt. Die

spanische Wegschnecke etwa, einst im Gemüsetransport angereist, hat

sich seit Ende der 1960er­Jahre dank des milderen Klimas nördlich der Alpen explosions­artig vermehrt.

Aliens in Austria In Ös­terreich gelten etwa der Signalkrebs, der Kartoffelkäfer oder die Bi­samratte als problematisch.

Einst wegen ihres schönen Pelzes ins Land gebracht, hat

sich Letztere entlang von Flusstälern und Feuchtbiotopen heimisch gemacht. In Uferbereichen, wo das Nagetier seine Höh­len gräbt, verursacht es oft große Schäden.

Ein Neuzugang ist die Amerikanische Rebzikade, die seit 2004 in der Steiermark vorkommt. „Sie saugt an Weinreben und überträgt ein Bakterium, das zur Vergil­bung der Blätter und Wachstumsstörungen führt“, erklärt Rabitsch. Sorgen bereitet auch der Asiatische Laubholzbockkäfer, der vor wenigen Jahren mit befallenem Verpa­ckungsholz einreiste. Seine Larven fressen sich durch das Holz von Laubbäumen und bringen sie zum Absterben.

Solch vereinzelte Zerstörungswut hat den Neobiota eine schlechte Presse beschert, die so manches Feindbild heraufbeschwört. Wie fragwürdig es jedoch ist, heimische Ar­ten als „gut“, fremde dagegen als „schlecht“ zu etikettieren, zeigt das Beispiel des Hö­ckerschwans: Im späten 19. Jahrhundert in Österreich ausgesetzt, gehört er heute zum Landschaftsbild. Als „Fremdling“ würde ihn wohl niemand mehr bezeichnen. 3

Bio-Invasion in europaLebewesen, die absichtlich oder unabsichtlich in neue Gebiete eingeschleppt werden, können dort erhebliche Schäden anrichten. Nun haben Forscher erstmals die von den „Alien Species“ verursachten Kosten geschätzt. Ulrike Fell

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In Österreich gelten der Signalkrebs, der Kar toffelkäfer oderdie Bisamratte alsproblematisch

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