harald schmidt

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Prof. Dr. Paul Klimsa Diplom-Informatiker Gunther Kreuzberger Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft Fachgebiet Medienwissenschaft Seminar Produktforschung Wintersemester 2006/07 Harald Schmidt - Betrachtung des Wechselspiels von Content, Organisation und Technik unter Berücksichtigung des Sendereinflusses der ARD – vorgelegt von: Martin Fett Bahndamm 16 98693 Ilmenau Matrikelnummer 40213 Timmy Hack Homburger Platz 5 98693 Ilmenau Matrikelnummer: 40219 Julia Hebenstreit Albert- Pulvers-Straße 7 98693 Ilmenau Matrikelnummer: 40223 Friederike Mohr Scheffelstraße 5a 98693 Ilmenau Matrikelnummer: 40290

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Eine medienwissenschaftliche Analyse des Medienprodukts "Harald Schmidt" (Show) im Fach Produktforschung an der TU Ilmenau.Note: 1,0.Sprache: Deutsch.

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Page 1: Harald Schmidt

Prof. Dr. Paul Klimsa

Diplom-Informatiker Gunther Kreuzberger

Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft

Fachgebiet Medienwissenschaft

Seminar Produktforschung

Wintersemester 2006/07  

 

Harald Schmidt - Betrachtung des Wechselspiels von Content, Organisation und Technik unter

Berücksichtigung des Sendereinflusses der ARD –

vorgelegt von:

Martin Fett Bahndamm 16

98693 Ilmenau

Matrikelnummer 40213

Timmy Hack

Homburger Platz 5

98693 Ilmenau

Matrikelnummer: 40219

Julia Hebenstreit Albert- Pulvers-Straße 7

98693 Ilmenau

Matrikelnummer: 40223

Friederike Mohr Scheffelstraße 5a

98693 Ilmenau

Matrikelnummer: 40290

Page 2: Harald Schmidt

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Forschungsspektrum „Harald Schmidt“..………………………..……………....1

1.2. Abgrenzung des Theoriefeldes………………………………………………......3

2. Methodische Vorgehensweise……………………………….………………..…5

3. Ergebnisse – Der Produktionsprozess

3.1. Die Preproduktion……...……….…………………………………………...…….8

3.2. Die Produktion.........……..………………………………………………..…......11

3.3. Die Postproduktion..........…….……………………………………..…………...15

3.4. Die Distribution………………………………………………………..…………..19

4. Zusammenfassung und Fazit………………………….…………..………........22

5. Literatur- und Abbildungsverzeichnis……..…….……………………………26

 

Page 3: Harald Schmidt

1. Einleitung |

1

1.1 Forschungsspektrum „Harald Schmidt“ „Wenn heute Abend alles normal läuft, dann beginnt um Viertel vor zehn

eine lustige Sendung und hört um halb elf auf, pünktlich zu den „Tagesthemen“. Sie wird

von einem ganz normalen Menschen aus Fleisch und Blut präsentiert, aus einem ganz

normalen Studio, vor ganz normalen Zuschauern. So sieht's für die einen aus. Für die

anderen läuft heute das Fernsehereignis des Jahres – Quasi eine Erlösung. Harald

Schmidt kehrt zur ARD zurück.“

Markus Ehrenberg, „Tagesspiegel“

Seit über 40 Jahren stellt das Fernsehformat der Late-Night-Show als Bestandteil der

Unterhaltungssparte bereits ein etabliertes und umsatzstarkes Element des

amerikanischen Fernsehalltags dar. Als Urvater des Prinzips „Late Night“ gilt der

legendäre Johnny Carson, dessen „Tonight Show“ 30 Jahre lang an fünf Abenden pro

Woche lief (vgl. Oestreich, 2001, S. 15). Als seine Nachfolger reihten sich schließlich

David Letterman und Jay Leno in die Erfolgsreihe der Late-Night-Talker ein.

Ausgehend von den Ausführungen von Rebecca Oestreich im Rahmen einer qualitativen

Genderstudie zur Harald Schmidt Show, sind es im Wesentlichen fünf Aspekte, die

dieses Fernsehformat, die Late-Night-Show, ausmachen: „[…] ein Stand-Up, Comedy-

Acts und Interviews, in denen der verbale Schlagabtausch gesucht wird und Anekdoten

erzählt werden. Ein festes Orchester ist genauso Bestandteil der Show, wie das

Studiopublikum.“ (Oestreich, 2001, S.16). Mitunter wird die Late-Night-Show als „die

Königsdisziplin der Fernsehunterhaltung“ (Fell, 1995) charakterisiert.

In der Annahme, dem deutschen Fernsehpublikum eine „exakte Kopie von Late Night

with David Letterman“ (Oestreich, 2001, S.17) zu liefern, begann die Karriere von Harald

Schmidt am 5. Dezember 1995 in Sat.1 und hat bis Ende 2003 in unzähligen Sendungen

eine enorme Erfolgsgeschichte durchlaufen, die zunehmend von einer eigenen

Handschrift geprägt war.

Am 23. Dezember 2003 ging nach acht Jahren die letzte „Harald Schmidt Show“ beim

Privatsender Sat.1 über die Bühne und Harald Schmidt kündigte eine „kreative Pause“

an. Versuche an dem bewährten Erfolgsrezept der Light-Night-Show anzuknüpfen

schlugen jedoch fehl. Seine Nachfolgerin Anke Engelke war schon nach fünf Monaten mit

ihrer „Anke Late Night“ gezwungen, die Sendung in Sat.1 wegen schlechter

Einschaltquoten einzustellen.

Am 23. Dezember 2004, genau am Jahrestag von seinem TV-Abschied, präsentierte

Harald Schmidt schließlich seine neue „Harald Schmidt“ – Sendung auf dem Sender der

öffentlich-rechtlichen ARD.

Folglich drängt sich die Frage auf, ob „die Marke Harald Schmidt“ in Ermangelung von

Konkurrenz überhaupt noch aus der Fernsehwelt wegzudenken ist. In einem nächsten

Page 4: Harald Schmidt

1. Einleitung |

2

Schritt stellt sich die Frage, inwieweit der Wechsel vom Privatsender Sat.1 zum öffentlich-

rechtlichen Sender ARD Einfluss auf die Gestaltung und Umsetzung der Sendung hat.

Während „Die Harald Schmidt Show“ zu Sat.1-Zeiten noch viermal pro Woche

einstündlich auf Sendung ging, beträgt die Sendezeit der neuen Show 30 Minuten jeweils

Mittwoch und Donnerstag, direkt nach den „Tagesthemen“ um 22.45 Uhr. Seit dem

Senderwechsel vermehren sich die Vergleiche mit Jon Stewart, dessen erfolgreiche

„Daily Show“ aus den USA das aktuelle Tagesgeschehen und die Medienlandschaft

thematisiert. So sagte Harald Schmidt in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ am

16. Januar 2005 scherzhaft über seine neue Sendung: „Harald Schmidt ist eine

schwache Kopie der amerikanischen intelligenten Politsatire ‚Daily Show von Jon

Stewart‘ – ohne an das Original heranzureichen.“

Andere Veränderungen sind offensichtlich: Die Schwerpunkte der Show wurden auf

Tagesaktualität und Medienkritik verlagert, kein Helmut Zerlett, dafür eine ARD-Band,

keine Werbung und zunächst auch keine Gäste… - Doch sind diese offenkundigen

Unterschiede zu dem Format in Sat.1 auf den Senderwechsel zurückzuführen? Welche

Einflussmacht kann dem Ersten bezüglich der Produktion der neuen Sendung „Harald

Schmidt“ inhaltlich, aber auch organisatorisch und technisch beigemessen werden?

Ausgehend von diesen Überlegungen widmet sich das Forschungsinteresse dieser

Arbeit im Wesentlichen der Betrachtung des Verhältnisses von Content, Organisation und

Technik unter Berücksichtigung des Sendereinflusses der ARD.

So beinhalten die Untersuchungen dieser Arbeit sowohl die Charakterisierung der

Produktionsphasen, als auch die Analyse der wechselseitigen Beziehungen und

Abhängigkeiten zwischen den besagten Produktionselementen Content, Organisation

und Technik.

An einen kurzen Überblick über das bisherige Theoriefeld (Kapitel 1) mit besonderem

Augenmerk auf die Befunde von Krömker und Klimsa (2005) schließt im Rahmen der

dann folgenden Ausführungen die Erläuterung der verwendeten Forschungsmethode und

der Datenerhebung (Kapitel 2) an. Die Darstellung der Ergebnisse aufgrund der

durchgeführten Leitfadeninterviews erfolgt schließlich in Kapitel 3, „Der

Produktionsprozess“, das eine umfassende und detaillierte Beschreibung der

Produktionsphasen beinhaltet. Im Rahmen dieser Produktionsphasen wird darüber

hinaus jeweils das forschungsleitende Wechselspiel zwischen Content, Organisation und

Technik in Augenschein genommen. Auf Grundlage dieser Ergebnisdarstellung kann in

Kapitel 4 eine Auseinandersetzung mit dem Modell von Krömker und Klimsa (2005)

vorgenommen werden und die zentrale Frage der Anwendbarkeit auf das Medienprodukt

„Harald Schmidt“ beantwortet und begründet werden.

Page 5: Harald Schmidt

1. Einleitung |

3

1.2 Abgrenzung des Theoriefeldes

Die Suche nach geeigneten Modellen der Medienproduktion erforderte eine

aufmerksame und interdisziplinäre Annäherung an unterschiedlichste

Wissenschaftsdisziplinen. Grund dafür ist das sich heterogen darstellende

Forschungsfeld der Medienproduktion. Nach Krömker/Klimsa (2005) finden sich neben

Theorien der Betriebswirtschaftslehre, der Kommunikationswissenschaft, der

Medienwissenschaft und des Journalismus, Erklärungsversuche aus der Gestaltung und

Kunst, den Ingenieurswissenschaften, sowie der Informatik (vgl. Krömker/Klimsa, 2005,

S. 15-17). Die Vereinigung der Betrachtungsweisen macht das Medienproduktionsmodell

von Krömker/Klimsa auf einer hohen Abstraktionsebene sichtbar. Es unternimmt einen

Versuch, das interdisziplinäre Feld der Medienproduktion zu beleuchten, sowie

Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit anderen Wissenschaftsdisziplinen aufzudecken

(vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 18). Der Berührungspunkt der Branchen liegt nach

Krömker/Klimsa in der Erzeugung von Medienprodukten, sprich von

Vermittlungssystemen von Informationen jeglicher Art, welche in einem

Herstellungsprozess durch den gelenkten Einsatz von Gütern und Dienstleistungen, den

Produktionsfaktoren, entstehen (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 18 zit. nach Bloech, 2001,

S. 3). Im Zuge unserer Recherche informierte die Literatur zum Einen über isolierte

Produktionsprozesse, ohne jegliche Einblicke in die Wechselwirkung der

Produktionsfaktoren. Zum Anderen bot sich uns das Bild auserwählter

Produktionsfaktoren, ohne Einbeziehung des zeitlichen Produktionsprozesses (vgl.

Holland, 2000, S. 51-105). Ansatzweise können journalistische Wertschöpfungsprozesse

Hilfe leisten, indem diese Produktionsprozesse und Produktionselemente gekoppelt

betrachten, allerdings Wechselwirkungen zwischen den Elementen der

Wertschöpfungskette (dem Produktionsprozess) vornehmlich ausklammern (vgl. Pagel,

2003, S. 65-118).

Hier findet sich der Ansatz des Modells von Krömker/Klimsa, indem dieses versucht die

Wechselwirkungen der Elemente im Produktionsprozess in Verbindung mit dem Prozess

selbst zu beleuchten. Die sich beeinflussenden Elemente werden als Content,

Organisation und Technik beschrieben (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 19). Content

definiert die um die Metadaten (Titel, Dauer, Mitwirkende) ergänzte Essenz (Bild, Ton,

Bewegbild, Grafik, Text), welcher das inhaltliche Ergebnis eines kreativen Prozesses

darstellt (vgl. Pagel, 2003, S. 18). Das Verständnis von Content umfasst aber neben der

inhaltlichen Zusammensetzung der Medien auch das Ergebnis medienspezifischer

Transformation des Contents zur Vorbereitung auf die jeweilige Distributionsplattform

(vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 30). Technische Systeme sind durch ihre Funktionsweise

im Produktionsprozess und ihren Einfluss auf die Art des Medienproduktes

gekennzeichnet. Sie dienen dementsprechend als Hilfsmittel und als Werkzeug im

Herstellungsprozess selbst (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 21). Die mediale Organisation

Page 6: Harald Schmidt

1. Einleitung |

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umfasst das Zusammenspiel von Content und Technik unter medienspezifischen

Bedingungen gestaltenden Handelns (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 27). Die

Wechselwirkungen der beschriebenen Produktionsfaktoren durchziehen einen

Produktionsprozess. Dieser erstreckt sich im Modell auf der Ebene der technischen

Systeme, der redaktionellen Contenterzeugung und unter Betrachtung des

organisationalen Rahmens, über die Produktionsschritte: Preproduktion, Produktion,

Postproduktion und Distribution (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 18-19). Die Preproduktion

beinhaltet produktionsdispositive Aufgaben. Das heißt Recherchieren, Planen und

Erzeugen von Content. Die Phase der Produktion erfasst das Anpassen des Contents auf

das spezifische Vermittlungssystem. Die Abrundung der Produktion findet in der

Postproduktion unter den Gesichtspunkten Verfeinern, Testen und Bearbeiten von

Content statt. Die abschließende Phase der Distribution umfasst die Aktivitäten, den

Content in den Verfügungsbereich der Zielgruppe zu stellen (vgl. Krömker/Klimsa, 2005,

S. 19).

Es ist nun möglich, den abstrahierten Überblick des Produktionsprozesses und seiner

sich beeinflussenden Produktionsfaktoren, Content und Technik, in der medialen

Organisation, auf das spezifische Medienprodukt anzuwenden. Im konkreten Fall der

Fernsehproduktion finden wir nach Krömker/Klimsa während der jeweiligen

Produktionsschritte folgende Ausprägungen, der technischen Systeme und der

redaktionellen Contenterzeugung, im organisationalen Rahmen:

Abbildung 1: Produktionsprozess Fernsehen (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S.102)

Dieses Modell soll in im Rahmen des Forschungsberichtes als Grundlage zur weiteren

Vorgehensweise und zur Auseinandersetzung und Erschließung des Themas dienen.

Page 7: Harald Schmidt

2. Methodische Vorgehensweise |

5

2. Methodische Vorgehensweise Eine wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung bedingt im Gegensatz zur Alltagserfahrung

ein systematisches Vorgehen (vgl. Mayer, 2006, S. 27). In der Vorarbeit galt es, eine

Vorstellung von dem zu erforschenden Medienprodukt zu gewinnen, um in der

Untersuchung auch möglichst alle relevanten Gesichtspunkte einbeziehen zu können.

Diese Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand „Harald Schmidt“ beinhaltete

die Beachtung unterschiedlicher Theorien, Ergebnisse anderer Studien und insbesondere

die Vertiefung des Modells von Krömker und Klimsa (2005). Doch welche

Forschungsmethode eignet sich zur Untersuchung der formulierten Problemstellung nun

am besten?

Um verbale Daten zu gewinnen bedient man sich in der qualitativen Forschung der

Erzählung oder des Leitfadeninterviews (vgl. Mayer, 2006, S. 36). In diesem Fall waren

konkrete Aussagen über den Gegenstand „Harald Schmidt“ Ziel der Datenerhebung.

Dafür ist ein Leitfaden der ökonomischste Weg. Das Experteninterview als eine Form des

Leitfadeninterviews ist ein sehr flexibles Instrument, das exakt den postulierten

Ansprüchen entspricht: Durch die Erschließung von Insiderwissen können sowohl die

Erkenntnisse aus den Ausführungen von Krömker und Klimsa komplettiert werden, als

auch Abweichungen oder Gegensätze aufgenommen werden, die in Anbetracht des

Forschungsinteresses von besonderem Wert sind (vgl. Kauschke/Klugius, 2000, S. 22).

„Durch die Gratwanderung zwischen strukturierender Eingrenzung und flexibler Offenheit

wird die Methode beiden Seiten der Erhebungssituation gerecht“ (vgl. ebd.), dem

postulierten Forschungsinteresse, formuliert durch die Forschungsfrage und dem

Mitteilungsbedürfnis der Befragten.

„Was immer hier Mythos und Realität ist – Experteninterviews haben aufgrund ihres

heimlichen Versprechens auf schnelle, objektive und unproblematisch zu erhebende

Daten eine erhebliche Anziehungskraft auf empirische Sozialforscher“ (Bogner/Littig,

2005, S.9). Die Befragten Manuel Andrack (Redakteur), Andrea Hürdler (Producerin),

Anestis Zirziris (Technischer Leiter) und Klaus Michael Heinz (zuständiger WDR-

Redakteur) sind hier in ihrer Funktion als Experten für das Handlungsfeld der Sendung

„Harald Schmidt“ interessant. Kennzeichnend für die Leitfadeninterviews ist, dass ein

Leitfaden mit offen formulierten Fragen dem Interview zu Grunde liegt. Auf diese Weise

konnten die Befragten einerseits frei antworten, aufgrund des konsequenten Einsatzes

des Leitfadens gewannen andererseits die Daten durch die Fragen eine Struktur. Der

Leitfaden diente folglich als Orientierung bzw. Gerüst und sollte gewährleisten, dass nicht

wesentliche Themenaspekte der Forschungsfrage im Interview vernachlässigt werden.

Jedoch galt die zuvor festgelegte Reihenfolge der Fragen des Leitfadens nicht als

zwingend einzuhalten. Letztendlich lag es im eigenen Ermessungsspielraum, inwieweit

detaillierte Nachfragen bzw. ausführliche Ergänzungen des Befragten unterstützend

waren oder eine Konzentration auf den Leitfaden angemessener erschien (vgl. Mayer,

2006, S.36).

Page 8: Harald Schmidt

2. Methodische Vorgehensweise |

6

Eine effiziente Nutzung der angestrebten 60 und 30 Minuten Interviewzeit machen die

daraus resultierende Gratwanderung zwischen forschungsrelevanten und all zu weiten,

themenfernen Ausführungen der Befragten umso bedeutungsvoller.

„Das Leitfadeninterview orientiert sich an der Forderung nach Offenheit qualitativer

Forschung“ (Mayer, 2006, S. 36).

Das Experteninterview bezog sich auf einen klar definierten Wirklichkeitsausschnitt, das

Verhältnis der Teilbereiche Organisation, Content und Technik. Die Befragten wurden

nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentanten dieser Einflussfelder in die Untersuchung

einbezogen. Dem Leitfaden kam auf diese Weise eine noch stärkere Steuerungsfunktion

zu (vgl. Mayer, 2006, S. 37). Wiederum bedingt durch die streng begrenzte Interviewzeit,

war es nur zweckdienlich, die jeweils Befragten auf das interessierende Expertentum zu

begrenzen bzw. festzulegen.

Ausgehend von den theoretischen Vorüberlegen auf der Grundlage des Modells von

Krömker und Klimsa (2005) und eigenen Felderkundungen, galt es ein Konzept zu

entwickeln, welches wiederum die Basis für die Entwicklung des Leitfadens darstellte

(vgl. Mayer, 2006, S.42). Hierbei stand eine möglichst umfassende Berücksichtigung der

Produktionselemente Content, Organisation und Technik und die mit ihnen verbundenen

wechselseitigen Einflussfaktoren im Vordergrund. Beide dieser Aspekte orientierten sich

an der Problemstellung der Untersuchung, also der Forschungsfrage. So entsprach die

Gliederung des Leitfadens den besagten Produktionsschritten Preproduktion, Produktion,

Postproduktion und Distribution. Diese Gliederungspunkte deckten wiederum

Fragenkomplexe für die Bereiche Content, Organisation und Technik ab, die durch die

Wahl der Befragten Experten Manuel Andrack (Content), Andrea Hürdler (Organisation)

und Anestis Zirziris (Technik) abgedeckt waren. Auf diese Weise kam im Rahmen der

einzelnen Interviewschritte jeder der Experten zu Wort, das wiederum die Möglichkeit für

einen wechselseitigen Meinungsaustausch bot. Die anfängliche Skepsis gegenüber

einem Interview, die die gleichzeitige Befragung dreier Experten umfasste, stellte sich

somit als unbegründet heraus. Gerade im Hinblick auf unsere Problemstellung wurden

mögliche wechselseitige Abhängigkeiten und Einflüsse zwischen den Bereichen Content,

Organisation und Technik auch durch den Gesprächsverlauf vernehmlich.

Vor Beginn der eigentlichen Befragung war es förderlich, den Leitfaden im Rahmen eines

kurzen Probeinterviews zu testen. Problematische, zu komplexe oder unverständliche

Formulierungen konnten auf diese Weise identifiziert und Verbesserungen vorgenommen

werden. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Leitfaden ermöglichte es,

einzelne Themenkomplexe, die bis zu diesem Zeitpunkt zu wenig Berücksichtigung

gefunden hatten, aufzudecken und dadurch die Qualität der gewonnen

Untersuchungsergebnisse wiederum zu optimieren (vgl. Mayer, 2006, S. 44).

Page 9: Harald Schmidt

2. Methodische Vorgehensweise |

7

Die Durchführung des ersten Interviews fand schließlich am Mittwoch, den 13. Dezember

2006 in den Geschäftsräumen der Produktionsfirma Bonito TV in Köln statt. Um erste

interessante Einblicke in die Produktion der Sendung zu gewinnen, war ein Besuch der

entsprechenden Aufzeichnung an dem besagten Tag sehr förderlich. Anwesende des

anschließenden Interviews waren, wie eingangs bereits erläutert, Andrea Hürdler als

Produzentin der Sendung, Manuel Andrack als Chef-Dramaturg und Anestis Zirziris, der

zuständige technischer Leiter. Zur flexiblen Handhabung des Interviews diente, nach

Einholung des Einverständnisses der Befragten, die Aufnahme mit einem Tonband. Auf

diesem Weg wurde das Interview nicht auf einen Frage-Antwort-Katalog reduziert und

den Befragten Raum für ihre Themen sowie die Entfaltung ihres Meinungsaustauschs

gegeben (vgl. Mayer, 2006, S. 46).

Das zweite Leitfadeninterview mit dem zuständigen WDR-Redakteur folgte am Freitag,

den 15. Januar 2007 um 15.00 Uhr im Rahmen eines Telefoninterviews. Auf der

Grundlage des bereits geführten Interviews konnten auf diesem Weg bis dahin offen

gebliebene Fragen gestellt und insbesondere die Sichtweise des Redakteurs als

maßgebliche organisatorische Funktionsrolle eingeholt werden. Abweichungen und

Widersprüchlichkeiten in den Aussagen, die Rückschlüsse auf das Verhältnis der

Teilbereiche Content, Organisation und Technik ermöglichen, konnten so aufgedeckt

werden. Gerade im Hinblick auf das Forschungsinteresse, der Einflussweise des Senders

auf die genannten Produktionselemente, stellten die Ergebnisse dieses Interviews,

besonders als Ergänzungs- und Vergleichselement zum ersten Interview, einen

wesentlichen Aspekt der angelegten Untersuchung dar.

Ziel der Auswertung der Interviews war es, im Vergleich der erhobenen Interviewtexte

Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Prozessvorgänge herauszuarbeiten. Grundlage

stellten die transkribierten Tonbänder dar.

Anhand der Kategorien Preproduktion, Produktion, Postproduktion und Distribution und

unter Berücksichtigung der jeweiligen Dimensionen Content, Organisation und Technik,

wurden nun die Aussagen der gewonnenen Interviewtexte zugeordnet. Im Anschluss

daran galt es, eine innere Logik zwischen den Einzelinformationen herzustellen. Sowohl

bedeutungsgleiche als auch sich widersprechende Informationen fanden bei unserer

Auswertung Berücksichtigung. Die Ergebnisse der Leitfadeninterviews haben für uns zum

einen prüfenden Charakter, insbesondere bezüglich des Einflussgrades des Senders auf

die Produktionselemente Content, Organisation und Technik. Zum anderen haben sie

aber auch einen bedeutenden explorativen und deskriptiven Charakter, der im Rahmen

der Benennung und Charakterisierung der Produktionsschritte deutlich wird (vgl.

Kauschke/Klugius, 2000, S. 23).

Auf dieser Grundlage gelang es, die wesentlichen Prozessschritte der Produktion der

Late-Night-Sendung „Harald Schmidt“ zu kennzeichnen und das mit ihnen verbundene

Wechselspiel von Content, Organisation und Technik zu beleuchten.

Page 10: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

8

3.1. Preproduktion

Die Phase der Produktionsvorbereitung, die Preproduktionsphase, ist insbesondere von

Recherchieren, Planen und Erzeugen von Content geprägt (vgl. Krömker/Klimsa, 2005,

S. 19). Auch für Pagel (2003) gehören die Planung, Recherche und Konzepterstellung

idealtypisch zur Preproduktion einer Nachrichten- und Informationssendung, die laut

Aussagen der Beteiligten in den Interviews von der Vorbereitungsphase von "Harald

Schmidt" nicht wesentlich zu unterscheiden ist.

Die Aufgaben innerhalb der Produktionsvorbereitung werden von unterschiedlichen

Aufgabenträgern mit journalistischem und technischem Hintergrund wahrgenommen.

Entsprechend gilt es, ein Rollenkonzept der beteiligten Aufgabenträger heraus zu

arbeiten.

Innerhalb des organisierten sozialen Systems Redaktion nimmt der Redakteur eine

sogenannte Arbeitsrolle ein (Pagel, 2003, S. 67). Diese sind bei "Harald Schmidt" aus

hierarchischer Sicht in Chefdramaturg und Dramaturg zu klassifizieren. Einen

Sonderstatus hat Harald Schmidt in seiner Rolle des Moderators: Er ist neben drei

Dramaturgen und einem Chefdramaturgen ebenfalls an der Recherche, Planung und

Erstellung des Content beteiligt (vgl. Andrack, 2006, S. 1, Z. 14ff.), hat somit eine

gewichtige Doppelrolle inne und besitzt immer "das letzte Wort" (vgl. ebd.).

Themenrecherche

Nach Deißler (2005) ist Recherche "zunächst einmal der Versuch, zu bestimmten

Sachverhalten möglichst viele Fakten und Zusammenhänge zu ermitteln" (vgl. Deißler,

2005, S. 67). Auch Pätzold sieht die Recherche als methodisches Schlüsselprinzip des

Journalismus und bezeichnet sie als "Suchen, Sammeln und Dokumentieren konkret

vorfindbarer, auf eingegrenzte Themen bezogene Fakten, Sachverhalte, Prozesse mit

dem Ziel, das recherchierte Material in geordneter Form (...) darzustellen" (vgl. Pätzold,

1981, Recherche, S. 275).

Bei dem mühseligen Beschaffen und Erarbeiten von Wissen und Informationen spielt die

knappe Produktionszeit eine entscheidende Rolle. Umso wichtiger ist es, dass die

Recherche für die Themenbeiträge punktuell exakt ausgerichtet ist. Laut Aussagen

Manuel Andracks, dem Redaktionsleiter und Chefdramaturgen bei "Harald Schmidt", sind

Montag und Dienstag die thematischen Vorbereitungstage für die Sendungen, die dann

jeweils mittwochs bzw. donnerstags aufgezeichnet werden. Ziel der dann stattfindenden

Themenfindung ist es, die Sendung mit Inhalt zu füllen und daher besteht das

Themenspektrum bei "Harald Schmidt" aus einem Mix von aktuellen und weniger

Page 11: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

9

aktuellen Themen. Flexibilität spielt in der Phase der Themensuche auch bei "Harald

Schmidt" eine große Rolle (vgl. Andrack, 2006, S. 1, Z. 26).

Als Quellen des Showinhalts dienen dem Team ganz besonders "TV, Zeitungen und

Bücher - also alles, was es gibt" (vgl. ebd., Z. 15). "Die Sendung reflektiert die

Wirklichkeit, gespiegelt durch die Medien", so der zuständige WDR-Redakteur Klaus

Michael Heinz, der in die Themensuche nur am Rande involviert ist (vgl. Heinz, 2007, S.

22, Z. 7).

Bedingt durch die visuelle Ebene ist die Recherche von Themen für das Fernsehen

jedoch sehr aufwändig. Der Dramaturg muss nicht nur ein Gespür für ein Thema

entwickeln, die Relevanz des Themas einschätzen und Hintergründe und Fakten

herausfinden, was ja häufig schon schwer genug ist. Seine Aufgabe bei der Recherche

ist es auch, auf die fernsehgerechte Umsetzbarkeit der Themen zu achten. Das heißt, bei

der Recherche muss er immer auch die Frage berücksichtigen, welche Bilder möglich

sind (vgl. Deißler, 2005, S. 67).

Wie kann er sein Thema filmisch umsetzen? Können Grafiken und Animationen helfen?

Wie könnten die aussehen? All das sind Fragen, die schon bei der Recherche gestellt

und mit den Beteiligten aus dem Bereich der Technik abgestimmt werden sollten.

Redaktionssystem

Integriertes Content Management wird als medienökonomisches Konzept zur effizienten

Gestaltung und Umsetzung integrierter Prozesse zur Produktion des Inhalts für vielfältige

digitale Medien durch sämtliche journalistischer Mitarbeiter verstanden (vgl. Pagel, 2003,

S. 61).

Fernsehspezifische Content Management Systeme verwenden die logische Trennung

von digitalen Inhalten in Essence und Metadaten und fungieren als datenbankgestützte

IT-Systeme zur Verwaltung von Inhalten beispielsweise in digitalen Fernseharchiven.

(vgl. Thomas, 2000, S. 23)

In der Phase der Preproduktion kann die Recherche, Planung und Erzeugung von

Content mittels Management- und Browsingsystemen erfolgen, die einen schnellen

Zugriff auf den digitalisierten Content ermöglichen (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 22). Die

Einbindung in die rundfunkspezifische Systemlandschaft von Buchhaltungssystemen

über Planungs-, Recherche- und Redaktionssysteme bis hin zu Systemen zur

Sendeautomation erfolgt über entsprechende Schnittstellen. Auch im Rahmen von

"Harald Schmidt" werden in der Rundfunktechnik übliche Content Management Systeme

im Sinne von Broadcast Content Management eingesetzt (vgl. Pagel, 2003, S. 61). Diese

finden sowohl in Archiv- als auch Redaktionssystemen entsprechende Anwendung:

Page 12: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

10

Bei der Themenrecherche selbst spielen Content Management Systeme im eigentlichen

Sinne jedoch eine untergeordnete Rolle. Content Management dient BONITO TV eher

mit seiner Archivfunktion, mit der die Redakteure und Autoren auf Material zurückgreifen

können, das innerhalb der Themen der Sendung gezeigt werden soll. Die Arbeit mit

diesem Archivmaterial erfolgt laut Zirziris, dem technischen Leiter bei BONITO TV,

anhand themenbezogener Datenbanken und großer Stichwortlisten, sogenannter

Metadaten. Metadaten sind "Attribute, mit denen Elemente von Informationsquellen

identifiziert und strukturiert werden" (vgl. de Jong, 2001, S. 488). Während des gesamten

fernsehspezifischen Redaktions- und Produktionsprozesses wird mit diesen erklärenden

Daten gearbeitet. Nicht nur aus Archivsicht, sondern mit Blick auf den gesamten

Produktionsprozess und die Minimierung von Schnittstellen liegt hierin ein - wenn nicht

sogar der - entscheidende Nutzen von digitalen Inhalten.

Einschaltquoten im Prozess der Themenfindung

Quoten beweisen, dass Zuschauer eine bestimmte Erwartungshaltung für eine Sendung

haben. Der Redakteur erkennt mithilfe der Zuschauerforschung, wann Zuschauer sich

zu- oder wegschalten. Jeder Redakteur weiß, dass der Zuschauer auf Veränderungen

mit Anrufen, Briefen und E-Mails reagieren: "Seine" Sendung ist nicht mehr so, wie er sie

erwartet hat. Daher produziert man auch immer wieder die gleichen Strukturen innerhalb

einer Sendung. Werden diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, wird der Zuschauer

um- oder abschalten. Eventuell wird er diese Sendung gar nicht mehr sehen (vgl.

Windeler/Lutz/Wirth, 2004, S. 92). Ihn zurück zu gewinnen ist äußerst schwierig: Er

denkt, dass es nicht mehr "seine" Sendung ist. Merkmale einer TV-Show, wie Indikativ,

Design, Moderator, Aufbau und Reihenfolge, Musik und Abdikativ müssen der

Zuschauererwartung entsprechen (vgl. ebd.).

Dass jedoch die Einschaltquote eine Rolle im Prozess der Preproduktion spielt, verneint

Andrack: "Wenn es eine gute Sendung ist, dann gucken das auch nicht so wenige Leute.

Die mögliche Quote spielt in der Themenfindung aber gar keine Rolle." Das öffentlich-

rechtliche Late-Night-Konzept von "Harald Schmidt" ist seinem privaten Vorgänger, der

"Harald Schmidt Show" in Sat.1, sehr ähnlich: Mittlerweile gibt es wieder Gäste, die

Showband ist im Wesentlichen gleich geblieben, das Bühnenbild auch, die Reihenfolge

der Showelemente ebenso und auch im Team gab es keinerlei Veränderungen.

Dieses gewachsene Konzept ist nach Andrack und Hürdler auch der Erfolgsfaktor der

Sendung, in der Harald Schmidt als Moderator das unique selling proposition ist, also das

Alleinstellungsmerkmal, das die Show deutlich von anderen abhebt (vgl. u.a. Andrack,

2006, S. 9, Z. 2).

Page 13: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

11

Die Preproduktion dient der organisatorischen, logistischen und finanziellen Vorbereitung

der Produktionsphase. Nach dem Kriterium der Aufgabenstellung sind also in erster Linie

produktionsdispositive Aufgaben wahrzunehmen (vgl. Pagel, 2003, S. 69). Diese

Aufgaben werden in erster Linie von Redakteuren und dem Produktionsleiter

wahrgenommen. Andrea Hürdler ist im Team von "Harald Schmidt" als Producerin für

den gelenkten Einsatz der Produktionsfaktoren verantwortlich.

Die Phase der Preproduktion mündet schließlich in die Konzepterstellung, welche als

Ergebnis der ersten Phase des Produktionsprozesses die Basis für die Ausführung des

nächsten Prozessschritts, die Phase der Produktion, darstellt (vgl. Krömker/Klimsa, 2005,

S. 22). Am Ende der Vorproduktion steht folglich ein Ablaufplan, der jedem im

Produktionsteam eine bestimmte Aufgabe zuteilt und die Reihenfolge der Showelemente

samt aller Zeiten beinhaltet, wie lange etwas geplant ist. Hürdler steht in diesem

Zusammenhang in stetigem Kontakt zu den Dramaturgen und koordiniert die Aufgaben

im gesamten Team. Für sie ist die schnelle, reibungslose Kommunikation untereinander

das wichtigste Element für einen flexiblen und erfolgreichen Ablauf (vgl. Hürdler, 2006, S.

5, Z. 17).

Die zahlreichen Details, die es in der Phase der Preproduktion zu beachten gilt,

beeinflussen letztendlich alle miteinander das Gesamtbild, vergleichbar mit "den Pixeln

auf einem Fernsehschirm". Sie sind das Wesen des Produktionsprozesses und fügen

dem Gesamtprojekt all seine Dimensionen und seine Konsistenz und Struktur zu (vgl.

Kellison, 2006, S. 101).

In der Phase der Produktionsvorbereitung wird der Grundstein zum künstlerischen und

wirtschaftlichen Gelingen gelegt (vgl. Heid, 2002, S. 145).

3.2. Die Produktion

Die Produktionsphase umfasst alle relevanten Schritte der Realisierung des im

Preproduktionsbereichs entwickelten Konzeptes für die entsprechende Sendung. Das

Hauptaugenmerk liegt hier auf der Umsetzung des Sendeinhaltes durch technische

Systeme innerhalb des spezifischen Organisationskontexts.

Nach Klimsa gliedert sich die Phase der Produktion hinsichtlich des Content in

Materialrecherche und Materialerstellung, die durch ein Browsingsystem sowie ein

Aufnahme- und Wiedergabesystem unterstützt werden, welches darüberhinaus der

Aufzeichnung der Sendung im Rahmen einer systematisch geplanten Organisation

ermöglicht (vgl. Krömker/Klimsa, 2005, S. 102). Im Folgenden wird dieser

Produktionsabschnitt anhand der Sendung "Harald Schmidt" näher beleuchtet und

Page 14: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

12

analysiert, inwieweit sich die Einteilung nach Krömker/Klimsa auf die Sendung abbilden

lässt. Zudem ist die gegenseitige Abhängigkeit der Bereiche Content, Technik und

Organisation sowie ihre Wechselwirkungen untereinander ein zentraler Punkt der

Betrachtung.

Der Aufnahme der Sendung vorangehend werden die vorher festgelegten Themen für die

Beiträge und Einspieler mit Inhalten gefüllt. Ein Browsingsystem ermöglicht den Zugriff

auf das umfangreiche Archiv von Bonito TV, mit Hilfe dessen in einem breiten Spektrum

von Zeitungen über Bildkataloge bis hin zu vollständigen Spielfilmen Recherchearbeit

möglich ist (vgl. Zirziris, 2006, S. 3, Z. 22ff.). Das Content-Management-System befähigt

die Mitarbeiter, den Inhalt gemeinschaftlich zu erstellen und zu bearbeiten. Die

Produktionsfirma verfügt über mehrere Sichtplätze und Kopierstationen, sowie zwei

Schnittplätze. In einem non-linearen Schnittverfahren werden die Beiträge mit Hilfe einer

4-Maschinen-Edit-Suite erstellt und zusätzlich steht dem Team ein AVID Online

Mediacomposer für den Schnitt des digitalen Materials zur Verfügung (vgl. URL:

www.bonito.tv/technik.html, 19.02.2007). Neben den gefertigten Beiträgen und

Einspielern werden innerhalb eines festgelegten Budgets benötigte Requisiten eingekauft

beziehungsweise aus dem Lager bezogen und für die Sendung aufbereitet. Bonito TV

besitzt eine eigene Schreinerei, „in der die Mitarbeiter der Baubühne und die Ausstatter

Requisiten und Bühnenbilder gestalten“ (URL: www.bonito.tv/team.html, 19.02.2007). Die

Sendung vom 13. Dezember 2006, an die das Leitfadeninterview mit Andrack, Hürdler

und Zirziris anschloss, erzählte Joschka Fischers Werdegang mithilfe von

Playmobilfiguren. Technische und organisatorische Limitationen beschränken die

Komplexität des Inhaltes der Beiträge, zumal die Themen größtenteils erst gegen Mittag

feststehen, mit der Folge, dass dem Grafiker letztendlich nur drei bis vier Stunden zur

Verfügung stehen, um die Einspieler zu erstellen (Hürdler, 2006, S. 11, Z. 6ff.). Die

knappen Produktionszeiten sind mitunter für die Einfachheit dieser verantwortlich.

Andererseits sind aufwändige Effekte kein Merkmal des Late-Night-Formats, wie Andrack

es betont: „[…] schrei ich immer, wenn ein Vorschlag kommt, irgendwas mit E-Fenstern

zu machen, was ja eigentlich schon seit Jahren state-of-the-art ist […]. Aber das können

Actionshows machen […]. Bei uns gibt es nur harte Schnitte und möglichst wenig Effekte

und gerade die "Schmoogle News" sind ein Feuerwerk der Effekttechnik für uns, dass

sich da was dreht und wendet“ (vgl. Andrack, 2006, S. 10, Z. 29ff.). Festzustellen ist,

dass das Konzept Late Night die technische Umsetzung und Ausgestaltung der

Einspieler auf ein Minimum reduziert.

Anschließend an die Erstellung des Materials erfolgt die Generalprobe, an der das ganze

Team beteiligt ist, das unter anderem Kameraleute, Bild- und Tontechniker,

Aufnahmeleiter und einen Regisseur umfasst (vgl. Hürdler, 2006, S. 4, Z. 20). Bonito TV

gliedert sich zum einen in fest angestellte Mitarbeiter, zu denen Bildingenieure,

Page 15: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

13

Bildtechniker, Aufnahmeleiter, Maskenbildner und Produktionsmitarbeiter zählen und zum

anderen in freie Dienstleister (vgl. Hürdler, 2006, S. 1, Z. 23ff.).

Der Regisseur trägt die Verantwortung für das ganze Team und koordiniert die einzelnen

Aufgaben mit Hilfe eines Aufnahmeplans (vgl. Hürdler, 2006, S. 5, Z. 6ff.). Er entscheidet

über die einzelnen Kameraeinstellungen während der Sendung und erstellt eine genaue

Shotliste, anhand derer sich die Kameraleute orientieren. Der Sendung "Harald Schmidt"

stehen „fünf Kameras, ein Kran und vier andere[n] Kameras“ (vgl. Hürdler, 2006, S. 5, Z.

8) zur Verfügung. Die Anzahl an Kameras ermöglicht es der Regie, die über mehrere

Monitore die Sendung verfolgt, auch spontane vom Ablaufplan abweichende

Geschehnisse mit aufzunehmen (vgl. Andrack, 2006, S. 8, Z. 20ff.). Veränderungen des

Ablaufs wirken sich auf die technische Realisierung aus, die in diesem Fall neu

koordiniert werden muss. Im Laufe der Zeit hat sich ein relativ festes Kamerakonzept

etabliert (vgl. Hürdler, 2006, S. 5, Z. 8.), das mit redaktionellen Sonderwünschen

gegebenenfalls abgestimmt wird. Die organisatorische Festlegung der

aufeinanderfolgenden Bildausschnitte hat Einfluss auf die Wahrnehmung des Inhaltes der

Sendung durch den Rezipienten.

Um eine Sendung produzieren zu können, ist die Kommunikation am Set unentbehrlich.

Hürdler sieht in der Kommunikation untereinander eines der bedeutsamsten Elemente in

der Produktion (vgl. Hürdler, 2006, S. 5, Z. 17). Das Team ist mit Hilfe von Headsets

miteinander vernetzt, durch die es ermöglicht wird, Änderungen sowie neue

Informationen schnellstmöglich auszutauschen, Mitarbeiter über ihren spezifischen

Tätigkeitsbereich zu informieren und „einfach flexibel in ihren Arbeitsgebieten noch

handeln [zu] können“ (Hürdler, S. 5, Z. 19). Störungen in diesem System, die die

Kommunikation während der Sendung beeinflussen, können sich negativ auf die Inhalte

der Sendung auswirken, indem zum Beispiel falsche Bilder aufgenommen werden. In

diesem Zusammenhang spricht Andrack von der Bedeutung einer großen Kontinuität der

Mitarbeiterschaft (vgl. Andrack, 2006, S. 5, Z. 21f.). Die meisten Mitarbeiter wurden von

Sat.1 übernommen und verfügen über ein entsprechendes Vorwissen, das Auswirkungen

auf die Professionalität der Arbeit hat, indem sie ein Gespür für die richtigen Bilder und

Vorlieben von Schmidt mitbringen (ebd.).

Ebenso im Bühnenbild wurden wesentliche Züge aus dem Studio der "Harald Schmidt

Show" von Sat.1 übernommen. Unter anderem die Skyline im Hintergrund und der

Aufbau des Studios, mit der Band links und Andrack rechts aus Sicht des Publikums,

weisen einen starken Bezug zu Sat.1 auf. Dagegen wurde auf die Backsteinimitation

verzichtet, stattdessen sind die Wände hellgelb (Andrack, 2006, S. 6, Z. 7). Die jetzige

Sendung bezeichnet Schmidt nach den Aussagen von Zirziris als „Kamerashow“,

aufgrund der Anzahl der Kameras und ihrer Bewegungsfreiheit durch den ebenen Boden

(Zirziris, 2006, S. 6, Z. 13). Die Bestuhlung ist das Original aus dem Studio von Sat.1,

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3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

14

durch die wieder 250 Zuschauer Platz finden. Nicht nur die Inhalte sondern auch die

Produktionsbedingungen entsprechen denen von Sat.1 (Andrack, 2006, S. 6, Z. 4).

Zu Beginn des Senderwechsels bezog Harald Schmidt ein kleineres Studio mit 101

Publikumsplätzen, infolge der Belegung des großen Studios durch andere Produktionen

(Hürdler, 2006, S. 6, Z. 1f). Doch das Studio bot weniger Raum für die Zuschauer und

Kameras, die Bedingungen waren für dieses Format nicht optimal und schränkten die

Sendung erheblich ein.

Im Zentrum der Produktion steht Harald Schmidt, der Moderator der Sendung, und

versetzt sie mit seiner persönlichen Note. „Er ist das Gesicht der Sendung und agiert als

Verknüpfungselement zwischen der technischen Welt des Fernsehens und dem

Zuschauer“ (Ordloff, 2005, S. 137). Harald Schmidt arbeitet auf der einen Seite nach

einem Stichwortkonzept, doch anderseits lässt man ihm den Freiraum zu Spontaneität,

welche wohl zu den größten Stärken Schmidts gehört. Der Erfolg der Sendung ist somit

eine “Mischung aus Geplantem und Spontanem“ (Andrack, 2006, S. 8, Z. 21).

Ihm stehen in seiner Sendung mehrere Ansprechpartner, die sogenannten Sidekicks zur

Verfügung, unter anderem die Französin Nathalie Licard. Als Hauptsidekick und -

ansprechpartner Schmidts dient Manuel Andrack, der sich zu einem unentbehrlichen

Bestandteil der Show entwickelte. Dem amerikanischen Original Letterman stehen sieben

Sidekicks zur Verfügung. Andrack sieht in diesen Ansprechpartnern ein wichtiges

Element für die Sendung und bedauert die Verringerung der Anzahl an Sidekicks, die

sich durch den Senderwechsel vollzogen hat. Anstelle von Helmut Zerlett sitzt jetzt die

Französin Licard als Sängerin der Band. Auch der Wasserträger Sven ist nicht mehr

Bestandteil von Harald Schmidt (Andrack, 2006, S. 8, Z. 8).

Trotz der personellen Einsparung ist die Late-Night Show erfolgreich. Ursachen für

diesen Erfolg sieht Schmidts Adlatus Manuel Andrack in der Person Harald Schmidt,

welche das Konzept grundlegend geprägt hat. In seinen Augen steht das Konzept in

einem engen Zusammenhang zu der Person Schmidt. Wobei er einwirft, dass ein guter

Moderator nicht jedes Format zu moderieren in der Lage ist und auch das Konzept Late-

Night nicht von jedem übernommen werden kann (Andrack, 2006, S. 8, Z. 31f).

Verdeutlicht wird dies auch durch den gescheiterten Versuch, das Format auf Anke

Engelke zu übertragen. Hürdler, die auch Producerin von Engelkes Late-Night-Show

"Anke Late Night" war, weist auf den Fehler hin, dass Engelke kurze Zeit nach Schmidts

Verlassen von Sat.1 auf dem gleichen Sendeplatz dieses Format moderieren sollte, ohne

dass es auf eine Frau zugeschnitten wurde (vgl. Hürdler, 2006, S. 17, Z. 31).

Die Sendezeit von "Harald Schmidt" beläuft sich auf 28:30 Minuten und wirkt sich auf die

inhaltliche Vielfalt sowie moderatorische Gestaltung der Themen aus. Durch die

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3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

15

begrenzte Zeit ist es notwendig, sich auf wesentliche Aspekte zu konzentrieren und

Überziehungen der Sendezeit zu vermeiden, um alle geplanten Inhalte senden zu

können. Die Sendung wird Live-On-Tape aufgenommen. Darunter ist eine

ungeschnittene oder nur unwesentlich geschnittene Aufzeichnung einer Live-Sendung zu

verstehen, die zeitversetzt ausgestrahlt wird. Die durch die Kameras aufgenommen

Bilder werden direkt digital auf Band aufgezeichnet und mit den auf der MAZ

gespeicherten Einspielern zusammengefügt. Zum Einfügen von Übergängen sowie der

vorproduzierten Einspieler wird ein Bildmischer verwendet.

Der aufgenommene Ton entspricht den Originaltönen aus der Sendung. Über dem

Publikumsraum sind Mikrofone angebracht, die die Atmosphäre des Publikums

aufnehmen. Über das Tonmischpult werden die einzelnen Tonaufnahmen koordiniert und

zusammen mit dem Bild auf das Band gespielt (Hürdler, 2006, S. 11, Z. 1ff.). Das

Publikum ist hauptsächlich nur als Tonkulisse zu hören, denn es wurde festgelegt, dass

man nur die in besondere Aktionen eingebundenen Zuschauer zeigt (Andrack, 2006, S.

11, Z. 11).

3.3. Die Postproduktion

In diesem Abschnitt widmen wir uns, repräsentativ für die Phase der Postproduktion, den

Ausprägungen der Materialbearbeitung und des Postproduktionssystems. Vordergründig

waren die Beweggründe, die Zuständigkeiten und die Kriterien des Schnitts,

weiterführend deren technische Realisierung von Interesse. Aufgrund der Live-On-Tape

Produktion der Sendung ist die Postproduktion allerdings in ihrem Wesensgehalt

eingegrenzt. Der Aufgabenbereich der Postproduktion umfasst generell den Schnitt, die

grafische und technische Nachbereitung, aber auch die Mehrfachverwertung des

akquirierten Materials aus der Produktionsphase für kommende Distributionsaufgaben

(vgl. Pagel, 2003, S. 69). Im konkreten Fall „Harald Schmidt“ erfährt sie ihre Bedeutung

im Zuge des Produktionsprozesses, vor allem aus Überschreitungen des zeitlichen

Spielraums, aus zum Teil inhaltlicher Sicht, zur Archivierung und zur Vorbereitung der

Distribution und Vermarktung. Es ist folglich zu untersuchen inwieweit der Sender, aber

auch der technische Workflow den Content beeinflussen.

Materialbearbeitung

In erster Linie wirkt sich die organisationale Rahmenbedingung des Senders bei der

Sendezeit aus. Die Ausstrahlungsdauer ist auf derzeit 28 Minuten und 30 Sekunden

gesetzt (vgl. Hürdler, 2006, S. 12, Z. 14). Ein zeitlicher Puffer, für eine eventuelle

Überlänge, muss immer im konkreten Fall mit der Sendeleitung abgesprochen werden.

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3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

16

Andererseits bedarf es bei wesentlichen Überschreitungen der Sendezeit eines Schnittes

(vgl. Andrack, 2006, S. 12, Z. 25ff.). Insgesamt bleibt das Material in etwa 90 Prozent der

Fälle unbearbeitet. Die übrigen zehn Prozent sind nach Andrack ausschließlich auf den

zeitlichen Verschnitt anzurechnen (vgl. Andrack, 2006, S. 13, Z. 22ff.). Daraus resultiert

postwendend der verschwindend kleine Anteil an inhaltlichen Eingriffen von

organisatorischer Seite des Senders. Die Zuständigkeit für die inhaltliche Abnahme und

die endgültige Entscheidung liegt zumeist in den Händen von Manuel Andrack, als Chef

Dramaturg der Show, sowie in denen von Klaus Michael Heinz, als Verantwortlicher

Redakteur des WDR. In wenigen Ausnahmefällen kann dieser aber auch redaktionell

vertreten werden (vgl. Andrack, 2006, S. 13, Z. 12). Die Zusammenarbeit zwischen der

Produktionsfirma, den Redakteuren und des WDR lässt sich bisher aber als stets

harmonisch beschreiben (vgl. Heinz, 2007, S. 22, Z. 29f.). Nach Angaben von Heinz

wurde im Verlauf der letzten zwei Jahre nur zwei Mal inhaltlich geschnitten. Hier sind es

vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Werte der Gesellschaft, welche

dem Content die Grenzen setzten. Zum einen war es durch versehentliche Werbung,

zum anderen durch einen vermeidlichen Nazivergleich (vgl. Heinz, 2007, S. 22, Z. 31ff.).

Die wenigen inhaltlichen Schnitte liegen aber auch nicht zuletzt daran, dass Harald

Schmidt kleineren Versprechern, verunglückten Witze oder ungeplanten Einlagen, eine

witzige Wendung verleihen kann (vgl. Zirziris, 2006, S. 10, Z. 13). Entscheidende

inhaltliche Kriterien des Schnittes lassen sich dabei nicht klar herausstellen. Herr Andrack

ist der Meinung: „Eine Mischung aus, da kann man am ehesten drauf verzichten und das

ist überhaupt rausnehmbar.“ (Andrack, 2006, S. 13, Z. 2f.) Zu berücksichtigen sind

jedoch die filmische Kontinuität und die technische Qualität des aufgezeichneten

Materials (vgl. Zirziris, Andrack, 2006, S. 13, Z. 4). Dies beschreibt vor allem das

Auftreten von technischen Störungen während der Produktionsphase. Dabei handelt es

sich um einen Bildausfall oder eine erkennbare Bildschwäche, dessen Ursache oder

Herkunft der Zuschauer aber nicht ohne weiteres ausmachen kann. In der bisherigen

Geschichte der Show sind diese allerdings noch nicht gravierend aufgetreten. (vgl.

Andrack, Zirziris, 2006, S. 10, Z. 19ff.).

Mittels der Verknüpfung von Text und Bild kann die Postproduktion als besonders

medienspezifisch angesehen werden (vgl. Pagel, 2003, S.77). Bildeffekte während des

Schnitts lassen sich nach Ordolff in die Blende, klassische Bildeffekte, Split Screen,

Shutter-Effekt oder Strobe-Motion, Zeitraffer, Bluebox, Key und Stanze, Spill, Collage,

Formatwandlung, oder in Farbkorrekturen, einteilen (vgl. Deißler, 2005, S. 53-64).

Weiterhin impliziert diese Medienspezifika die Tonbearbeitung. Diese umfasst mit unter

die Bearbeitung des Originaltons, Sprachsynchronisation und Synchrongeräusche,

Atmosphären und Effekte, sowie eine musikalische Untermalung (vgl. Dosch, 2002, S.

282-289). Nicht selten dienen diese Elemente vor allem als emotionale Unterstützung,

aber auch zur Strukturierung des Contents. Im Rahmen der Nachbearbeitung einer

Page 19: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

17

regulären On-Tape-Aufzeichnung bei Harald Schmidt sind diese Elemente jedoch nur

bedingt anzutreffen. Die Aufmerksamkeitslenkung seitens der Zuschauer durch gezielte

Schnittrhythmen und einer harmonischen Aneinanderreihung von Einstellung, im Sinne

einer klassischen Postproduktion, findet nicht statt. Lediglich die Möglichkeit von

Farbkorrekturen und diversen Einblendung von Schriftgeneratoren werden durch einen

linearen Schnitt, unter Kombination mehrerer Zuspieler, ermöglicht (vgl. Sandig, 2002, S.

118). Die Aufnahme der Zuschauer als Tonkulisse und ihre atmosphärische Wirkung

findet sich ausschließlich in der Phase der Produktion. Ähnlich verhält es sich mit

bildlichen Einschnitten von Zuschauergelächter. Diese werden während der Sendung nur

durch die Einbindung in diverse Aktionen und Handlungen, sprich durch das

Aufzeichnungssystem im Verlauf der Produktion, ins Bild integriert (vgl. Andrack, 2006, S.

11, Z. 8ff.).

Einen bedeutenden Stellenwert innerhalb der Nachbearbeitungen sind den

Vorbereitungen zur anschließenden Distribution und der Vermarktung einzuräumen.

Dementsprechend erfolgt im Anschluss der Sendung der Schnitt eines Best-Of (vgl.

Hürdler, 2006, S. 14, Z. 23ff.). Dieses besteht aus einer Auswahl der besten Szenen aus

den aktuellen Aufnahmen. Es ist in erster Linie für die anderthalb Minuten

Werbefernsehen der ARD angedacht. Stellenweise kommt der Zusammenschnitt auch im

Hörfunk, oder im Internet zur Anwendung (vgl. Andrack/Hürdler, 2006, S. 14, Z. 31ff.).

Weiterhin trifft die Produktionsfirma Bonito TV auch die redaktionelle Entscheidung für die

Inhalte einer späteren DVD und fertigt im selbigen Zuge deren Grobschnitt, wobei die

Verarbeitung der DVD und die Erstellung der jeweiligen Menüs extern erfolgen (vgl.

Hürdler, 2006, S. 16, Z. 28ff.). Diese zielgerichtete Aufbereitung für die jeweiligen

Distributionskanäle entspricht dem Fall einer Transformation des Content durch die

verfügbaren technischen Möglichkeiten. Auch im Hinblick auf die Mehrfachverwertung

des Content in den beschriebenen Zielmedien ist die technische und inhaltliche

Aufbereitung von großem Interesse (vgl. Pagel, 2003, S. 69-70). Dieser Ablauf kann auch

mit dem treffenden Begriff „Crossmedia“ umschrieben werden. Darunter versteht sich ein

medialer Kommunikationsmix, der verschiedene Medienausgabeformen nutzt, allerdings

nur auf einen Rückkanal, d.h. weitgehend endmedienneutrale Datenstrukturen, verweist

(vgl. Treichel/Bachem/Rose, 2005, S. 413).

Die Archivierung der Sendung erfolgt bereits während der Produktionsphase. Dies wird

durch die parallele Erstellung von drei Sicherheitskopien ermöglicht. Ein Mitschnitt dient

dabei zur Aufbewahrung im Archiv, die anderen beiden Mitschnitte sind für die

anschließende Distribution seitens des WDR vorgesehen. (vgl. Zirziris, 2006, S. 14, Z.

19f.). Die Archivierung dient zumeist auch der redaktionellen Grundlage für zukünftige

Produktionsphasen (vgl. Pagel, 2003, S. 78).

Page 20: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

18

Postproduktionssystem

Die technische Realisierung in der Postproduktion erfolgt grundsätzlich durch zwei

Bearbeitungsweisen. Zum Einen durch lineare Schnittsysteme, zum Anderen durch

digitale, rechnerbasierte Systeme. Zusätzlich gilt es anhand der in der Nachbearbeitung

verwendeten Bildqualität, in so genannte On- und Offline Verfahren, zu differenzieren

(vgl. Maas, 2002, S. 293). In Betrachtung von der Sendung ist es notwendig sich mit

beiden Bearbeitungsweisen auseinander zu setzen. Durch die Live-On-Tape

Aufzeichnung erfolgt bedingt ein linearer Schnitt aus sendezeitlichen Gründen. Hingegen

im Zuge der Vorproduktion, sowie für die Aufbereitung des Materials für die weiteren

Distributionskanäle bedient man sich des non- linearen Schnitts (vgl. Zirziris, S. 14, Z.

7ff.). So besitzt das Studio 449, der Aufzeichnungsort der Show, zwei Schnittplätze. Eine

digitale 4- Maschinen Editsuite und einen AVID Online Mediacomposer. Hinzu kommen

mehrere Sichtplätze und Kopierstationen. Mit Hilfe des digitalen Formates ist es jedoch

mit beiden Verfahren und technischen Systemen möglich, verlustfrei und in einem

qualitativen Standard zu kopieren oder zu kürzen (vgl. Zirziris, S. 9, Z. 18ff.).

Beim linearen Schnitt findet eine herkömmliche Bearbeitung mit Bändern als Datenträger

statt. Die aufgezeichneten Takes werden in Realzeit, nacheinander und in ihrer

vorgesehenen Reihenfolge auf das Masterband eingespielt (vgl. Maas, 2002, S. 293).

Dabei entsteht das endgültige Sendeband der Show durch die Überspielung der Video-

und Audiosignale mit Hilfe eines Bild- und eines Tonmischers (vgl. Sandig, 2005, S. 118).

Dieses Zusammenspiel steuert bei Harald Schmidt eine digitale 4- Maschinen Editsuite.

Der Content im Late Night Rahmen gestattet an dieser Stelle allerdings wenig Spielraum

für aufwändige Effekte und bedient sich zumeist harten Schnitten (vgl. Andrack, 2006, S.

11, Z. 22ff.). Veränderungen nach dem fertigen Schnitt (in Form einer Kürzung, einer

Verlängerungen, oder durch Hinzufügen einzelner Szenen) sind nur durch eine weitere

Bearbeitungsgeneration oder eine vollständige Neubearbeitung möglich (vgl. Sandig,

2005, S.118). Parallel zum Sendeband wird eine zusätzliche spezielle Kopie für

Korrekturzwecke erstellt, ein sogenanntes Cleanfeed. Mit ihrer Hilfe ist es möglich Fehler

innerhalb der Schriftgeneratoreinblendung zu berichtigen, indem diese bestimmte

Elemente (Grafiken oder Einblendungen) während der Aufzeichnung ausklammert.

Dieses ist jedoch in seltensten Fällen zum Einsatz gekommen (vgl. Zirziris, 2006, S. 14,

Z. 13ff.). Trotz allem ist durchaus der Einfluss von technischer Seite auf den Content

erkennbar.

Durch den Einsatz von rechnergestützten Bearbeitungssystemen wurde ein wesentlich

höherer technischer Workflow in der Postproduktionsphase ermöglicht. Spezifische

Medientypen (Bild, Ton, Text, etc.) werden auf einem Festplattensystem gespeichert und

erleichtern die Bearbeitung mit Hilfe einer grafischen Nutzeroberfläche. Wesentliche

Vorteile ergeben sich zum einen durch die Verringerung des Zeitverlusts beim gezielten

Page 21: Harald Schmidt

3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

19

Aufsuchen von Szenen, zum anderen durch den Wegfall des Materialverschnitts, da am

Originalband selbst keine Veränderungen vorgenommen werden (vgl. Sandig, 2005, S.

121). Bewusst eingesetzte Manipulationen oder Effekte können auf das digitalisierte

Material anhand diverser Schnittlisten und Einstellungsmöglichkeiten ohne

Qualitätsverlust angewendet werden (vgl. Maas, 2002, S. 295). Die Anwendung des

nicht-linearen Schnittes erfolgt bei Harald Schmidt in der Vorbereitungsphase der

Aufzeichnung (Materialrecherche), sowie in der Aufbereitung des Contents für die

jeweiligen Distributionskanäle. Seine Ausprägung findet er in Form eines AVID-Online-

Media Composers im Zuge eines Offline-Schnitts (vgl. Zirziris, 2006, S. 13, Z. 30ff.). Die

Sendung wird bei diesem Verfahren, in Form einer identischen Arbeitskopie, in Realzeit

auf das rechnergestützte System überspielt und erlaubt ein intuitives Tauschen der

Szenen. So wird ein direkter Zugriff auf das Material ohne zeitaufwändiges Umspulen der

Bänder ermöglicht, indem ich innerhalb der Szenen die jeweiligen Marken setze. Die

Orientierung am kennzeichnenden Timecode des Bandes ist dabei gar nicht notwendig

(vgl. Zirziris, 2006, S. 14, Z. 4ff.). Das Verfahren selbst erfolgt in minderer Qualität und

dient lediglich der Erstellung einer detaillierten Schnittliste für die nachfolgenden

Prozesse (vgl. Millerson, 1990, S. 338). Die Organisation in Verbindung mit dem

technischen Systems ermöglicht somit eine redaktionelle Qualitätskontrolle, die

Erstellung von Arbeitskopien, eine bildgenaue Schnittausführung und eine

kostengünstige Umsetzung ohne Materialverschnitt (vgl. Maas, 2002, S. 297).

Nachfolgend wird die vorbereitete Zusammenstellung der ausgewählten Szenen der

Sendung auf Band ausgespielt und steht für weitere Bearbeitungsmöglichkeiten, oder

aber zur Distribution zur Verfügung (vgl. Zirziris, 2006, S. 15, Z. 10ff.).

3.4. Die Distribution

Das Ende des Produktionsprozesses beschreibt die Distribution. In dieser Phase liegt

das Hauptaugenmerk maßgeblich auf der Untersuchung der verschiedenen

Distributionskanäle und deren dafür notwendige Formatanpassung des Contents.

Weiterhin wird die Vermarktung, die Möglichkeit der Live-Ausstrahlung und generell die

technische Realisierung betrachtet. Nach Maas ist die Distribution im Allgemeinen durch

das Versenden der Sende- und Ansichtskopien an die Sendeanstalten oder durch eine

unmittelbare Überspielung durch das Leitungsnetz gekennzeichnet (vgl. Maas, 2002, S.

303). Ergänzend können die vorhergehende Vermarktung, die fertige Ausarbeitung der

Verträge, die Sicherstellung der technischen Möglichkeiten und die ausreichende Anzahl

an Sendekopien angeführt werden (vgl. Holland, 2000, S. 49).

Aus der Postproduktion erreichen jeweils zwei vom Masterband kopierte Sendebänder

den Westdeutschen Rundfunk. Dies ist hauptsächlich auf Sicherheitsgründe

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3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

20

zurückzuführen, damit im Bedarfsfall das jeweils andere Band beansprucht werden kann

(vgl. Zirziris, 2006, S. 14, Z. 19ff.). Der Transfer der Bänder vom Produktionshaus von

Bonito TV zur Sendeleitung erfolgt traditionell mit dem Auto (vgl. Andrack, 2006, S. 15, Z.

22). Herr Zirziris dazu: „Alles andere wäre unsinnig. Also das zu überspielen würde

Kosten verursachen, das würde aber auch Qualität mindern. Der beste Weg ist einfach

das Band so wie es digital, original bandgeschnitten fertig gemacht worden ist, dann

einfach zum WDR zu bringen.“ (Zirziris, 2006, S. 15, Z. 24ff.). Nachdem das Material

bereits im Aufnahmestudio redaktionell geprüft wurde, wird es in der Sendezentrale des

WDR technisch geprüft. Hierfür wird die gesamte Sendung auf Festplatte eingespielt und

gesichtet. Die Ausstrahlung erfolgt anhand einer organisierten Sendeliste durch den

Westdeutschen Rundfunk. (Zirziris, 2006, S. 15, Z. 30ff.).

Harald Schmidt geht zweimal wöchentlich auf Sendung. Die Sendezeit ist Mittwoch und

Donnerstag, jeweils um 22.45 Uhr in der ARD, im Anschluss der Tagesthemen. Die

Sendezeit ist auf derzeit 28 Minuten und 30 Sekunden von Senderseite eingegrenzt (vgl.

Hürdler, 2006, S. 12, Z. 14f.). Die Wiederholungen der Sendung finden jeweils zu teils

unterschiedlichen Zeiten in den dritten Programmen statt. Vergleichsweise zur ARD

betrug die Dauer der Sendung unter den Verträgen von Sat.1 eine Stunde und wurde

zusätzlich viermal wöchentlich ausgestrahlt. In der Einschränkung der Sendezeit sieht

Herr Andrack keinerlei Vorteile. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass der Werbeanteil

innerhalb der Show unter Sat.1 einen weiteren Teil der Zeit beanspruchte (vgl. Andrack,

2006, S. 19, Z. 2ff.). Die Möglichkeit einer häufigeren Ausstrahlung wird allerdings durch

weitere Programme der ARD ausgeschlossen. Die Einigung über den Sendeplatz traf

Harald Schmidt gemeinsam mit dem Sender (vgl. Andrack, 2006, S. 19, Z. 15).

Neben der üblichen Verfahrensweise besteht die Möglichkeit, gelegentlich Live-

Sendungen auszustrahlen. Dem Produktionsstudio sind generell die technischen

Bedingungen gegeben (vgl. Hürdler, 2006, S. 16, Z. 5f.). So könnten die Aufzeichnung

auf dem AVID Media Composer auch direkt digital zum Sender übertragen werden, ohne

diese zuvor auf Band zu spielen (vgl. Zirziris, 2006, S. 16, Z. 9f.). Das heißt, es ist

möglich, die bearbeiteten Sequenzen direkt als Datei und ohne einen physischen

Datenträger zu transferieren (vgl. Pagel, 2003, S. 97-98). Anlässe gab es aus inhaltlichen

Gründen, zumeist bei Fußballübertragungen im Ersten, die dann zum Thema der

Sendung wurden. Die Ereignisse mussten schließlich aktualitätsbezogen aufbereitet

werden (vgl. Andrack, 2006, S. 16, Z. 15ff.).

Die technische Umsetzung beim Westdeutschen Rundfunk erfolgt mit Hilfe digitaler

Sendeabwicklungssysteme. Die Übertragung vollzieht sich unter normalen Umständen

durch Ausspielung des Sendebandes, im Bedarfsfall kann auch von Festplatte

ausgestrahlt werden (vgl. Zirziris, 2006, S. 15, Z. 29ff.). Die Signalaufbereitung für eine

digitale Übertragung durchläuft nach Pagel genauer die Schritte Quellenkodierung,

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3. Ergebnisse - Der Produktionsprozess |

21

Multiplexing, Modulation und Kanalcodierung (vgl. Pagel, 2003, S. 99). Das

Sendeabwicklungssystem übernimmt ferner die Aufgabe, die fertigen Beiträge

gleichzeitig und in unterschiedlichen Datenformaten anhand der Sendeliste auszuspielen

(vgl. Sandig, 2005, S. 123). Der Content wird so für die jeweiligen Distributionskanäle und

Übertragungswege technisch aufbereitet.

Unabhängig vom Sendeabwicklungssystem wird die Distributionsvorbereitung bereits in

der Postproduktion vollzogen. Eine Rolle spielt die Zusammenstellung ausgewählter

Sendungen und Sequenzen für den DVD-Verkauf. Ein weiterer Distributionskanal ist das

Internet. Die inhaltliche Verantwortlichkeit für den Internetauftritt liegt in den Händen von

Bonito TV. Ferner erfolgt im Schnitt die Vorbereitung für die On-Air-Promotion (vgl.

Andrack, 2006, S. 14, Z. 31f.). Blum beschreibt On-Air-Promotion wie folgt: „On-Air-

Promotion ist die Sendezeit, die Sender nutzen, um unabhängig von redaktionellen

Programminhalten auf sich und ihr Programm aufmerksam zu machen, Zuschauer an das

Programm zu führen [und] zu binden.“ (Blum, 2002, S. 312). In diesem Sinne entsteht der

Zusammenschnitt eines kurzen Spots für die ARD, welcher den Zuschauern als

Erinnerungsstütze für das Format "Harald Schmidt" dient (vgl. Andrack, 2006, S. 14, Z.

31f.). Ein solches Element wird auch für den Hörfunkkanal verwendet (vgl. Hürdler, 2006,

S. 15, Z. 1f.). Ferner pflegt die ARD eine intensive Zuschauerführung, indem diese

beispielsweise innerhalb der Tagesthemen auf "Harald Schmidt" verweist. Nicht zuletzt ist

es aber die Persönlichkeit Harald Schmidt, der durch seine unverwechselbare Art und

Weise und seine Zusammenarbeit mit Journalisten auf die Sendung aufmerksam macht.

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4. Zusammenfassung und Fazit |

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4. Zusammenfassung und Fazit Ausgehend von der Ergebnisdarstellung in Kapitel 4 „Der Produktionsprozess“ folgt in

den nun folgenden Ausführungen eine abschließende Betrachtung des Wechselspiels

von Content, Organisation und Technik unter dem Sendeeinfluss der ARD. Grundlage

unserer kritischen Auseinandersetzung stellen wiederum die theoretischen Überlegungen

von Klimsa (2005) dar. Ihm zufolge lässt sich der Prozess der Medienproduktion im

Wesentlichen durch das folgende Modell illustrieren.

Abbildung 2: Modell Content, Technik, Organisation (vgl. Klimsa, 2005, Foliensatz 2)

Wechselspiel

Ein wesentlicher Bestandteil dieses Wechselspiels stellt die organisierte Kommunikation

unter den Mitwirkenden der Produktion dar. So lebt auch der Produktionsprozess der

Sendung von einem fließenden Informationsaustausch zwischen einerseits der

Produzentin, die vordergründig eine dispositive Funktion inne hat, den Redakteuren und

Autoren, die für die Bereitstellung der Inhalte (des Contents) verantwortlich sind und den

Technikern zur visuellen und technischen Umsetzung. Der Ablauf- und Drehplan als

grundlegendes organisatorisches Instrument, diverse technische Geräte und Systeme

(Content-Management- und Browsingsysteme, fünf Kameras, digitale 4-Maschinen-

Editsuite, AVID Online Media Composer), welche sowohl als Kommunikations- und

Netzwerkmittel, als auch zur technischen Umsetzung und inhaltlichen Aufbereitung in

Form von der Themen- und Materialrecherche dienen, sind innerhalb der Produktion

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4. Zusammenfassung und Fazit |

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unmittelbar miteinander verzahnt. Doch inwieweit sind diese offenkundigen Beziehungen

durch eine spezifische Einflussnahme des Senders gekennzeichnet?

Sendereinfluss?

Um die Betrachtung des Zusammenspiels von Content, Organisation und Technik zu

komplettieren, spielt die Rolle des Senders ARD und dessen Einflussnahme, gerade im

Hinblick auf das Forschungsinteresse der Untersuchung eine entscheidende Rolle. Doch

welche Rolle kann dem Sender anhand der bisherigen Ergebnisgrundlage beigemessen

werden?

Generell ist der Einfluss, der von Seiten des Senders kommt, auf das Medienprodukt

„Harald Schmidt“ als vergleichbar geringfügig einzustufen. Dieser wird ebenso an den

minimalen Veränderungen zu den früheren Bedingungen bei Sat.1 deutlich: So änderte

sich an den festen Bestandteilen der Sendung relativ wenig. Ein weiterer wesentlicher

Aspekt stellt in diesem Zusammenhang die Kooperation zwischen

Sendeverantwortlichem und Mitarbeitern der Produktion dar.

Auch wenn der zuständige WDR-Redakteur Heinz von einer „gleichberechtigten

Zusammenarbeit“ spricht, heißt es seitens der Produktionsfirma, dass sich der Sender

aus dem Bereich der Themensuche in der Vorproduktion grundsätzlich heraushält (vgl.

Andrack, 2006, S. 4, Z. 5f.) - auch wenn das Team der Produktionsfirma weiß, „dass aber

gerade [die] ARD über Themen, die [...] den Kunst-, Kultur- oder Bildungsbereich

abdecken“, glücklich ist (vgl. ebd.). Und auch in der Auswahl der Gäste ist Harald

Schmidt sehr frei: Die Selektion seiner Showgäste hat sich verändert, sowie der

werbliche Charakter derer durch den Senderwechsel deutlich abgenommen (vgl. Heinz,

2007, S. 22, Z. 22). Das Erste räumt seinem Wiederkehrer und neuem Aushängeschild

Schmidt bisher nicht da gewesene Freiheiten ein, mit der Hoffnung, durch ihn einen

Imagewechsel zu erfahren und neue Zielgruppen anzusprechen (vgl. Struwe, zit. nach

Heinz, 2007, S. 23, Z. 21f.). Auch die Orientierung an den Einschaltquoten spielt laut

Heinz im Zusammenhang mit „Harald Schmidt“ keine herausragende Rolle. Schmidt als

„Unikat" (vgl. Heinz, 2007, S. 23, Z. 11) ist daher durch seine unverwechselbare

Einzigartigkeit, seinen Wortwitz und seine Spontaneität nur schwer von organisatorischen

Zwängen zu beeinflussen. Der wesentliche organisatorische Rahmen, den die ARD dem

Late-Night-Talker jedoch setzt, äußert sich in der Limitierung von Sendezeit und

Sendeplatz. Die Vermutung, dass aus der Verknappung der Sendezeit und dem damit

verbundenen Zwang zur Konzentration auf das Wesentliche, Unstimmigkeiten zwischen

Sender und Produktionsfirma entstehen, verneint Heinz entschieden: „Also Harald

Schmidt weiß genau [...], was er will und was die ARD möchte und da gibt es keine

Auseinandersetzungen“. (Heinz, 2007, S. 22, Z. 29f)

Eine ausschlaggebende Bedeutung kommt dem WDR-Redakteur in seiner Rolle als

"verlängerter Arm des Senders" bezüglich der Sendeverantwortlichkeit zu:

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4. Zusammenfassung und Fazit |

24

„Die Sendeverantwortung liegt beim Westdeutschen Rundfunk und da gibt’s nur einen -

und das bin ich“ (Heinz, 2007, S. 21, Z. 26f.).

Doch in welcher Form macht sich diese Verantwortung und die mit der ARD unmittelbar

verbundenen Leitprinzipien wie der Bildungsauftrag bei der Gestaltung und Umsetzung

der „Harald Schmidt“-Sendung bemerkbar?

Die Tatsache, dass „Harald Schmidt“ als „Grundversorgung“ bezeichnet wird, kann trotz

aller Scherzhaftigkeit der Aussage insofern auf das Konzept der Sendung übertragen

werden, als dass man versucht, „[…] auf satirisch-kabarettistische oder eben auf einmalig

Harald Schmidt'sche Art, das [zu] reflektieren und in der Woche wieder[zu]geben, was in

den Schlagzeilen ist, was die Nachrichten bestimmt, was im Gespräch ist" (Heinz, 2007,

S. 22, Z. 13f.).

Wesenskern der Ergebnisse der Betrachtungen vom Medienprodukt „Harald Schmidt“

war die Erkenntnis, dass das Format Late-Night Show nur schwer inhaltlichen,

organisationalen und technischen Restriktionen anzupassen ist. Genau Gegenteiliges ist

der Fall: Das Format steht, und die Elemente der Medienproduktion Content, Technik und

Organisation sind daran anzugleichen. Bedingt durch die formatimmanente

Tagesaktualität der Sendung wird der Content vorher oft immer nur kurzfristig entwickelt,

sodass eine ausgiebige technische Aufbereitung nur in seltenen Fällen noch möglich ist,

dies aber auch ganz und gar nicht notwendigerweise zum Wesen der Late Night Show

gehört (vgl. Andrack, 2006, S. 11, Z. 22f.).

Produktionsprozess

Ein weiteres Element des durch Klimsa zu Grunde gelegten Modells stellt die

Unterteilung des Produktionsprozesses in die Phasen Preproduktion, Produktion,

Postproduktion und Distribution dar. Grundsätzlich finden diese Kategorien zur

Strukturierung des Prozesses auch bei „Harald Schmidt“ Anwendung. In Einzelfällen ist

eine eindeutige Zuordnung jedoch mit etwaigen Unsicherheiten und Problemen

verbunden. Der Übergang zwischen der Produktions- und Postproduktionsphase erfolgt

fließend und lässt sich im Zuge der On-Tape-Aufzeichnung nicht eindeutig abgrenzen.

Ein Versuch, den Übergang an das Modell anzupassen ist schwierig. So könnte die

Produktion darin bestehen, dass die vorproduzierten Bildelemente, die jeweiligen

akustischen Atmosphären und Stimmen, sowie die Kameratakes aufgezeichnet werden.

Diese erreichen die Bild- und Tonmischer und werden folglich zeitlich versetzt und neu,

im Sinne einer Nachbereitung durch einen linearen Schnittes, auf Band

zusammengestellt. Eine klassische Postproduktion könnte ebenso erst nach der

endgültigen Bandaufzeichnung angesiedelt werden. Die Problematik könnte auch auf

Live Sendungen der Show ausgebreitet werden, sodass in diesem Fall streng genommen

Produktion, Postproduktion und Distribution, ohne vorherige Ausspielung des Materials

auf ein Festplattensystem, zusammen betrachtet werden könnten. In diesen Fällen sind

Page 27: Harald Schmidt

4. Zusammenfassung und Fazit |

25

Streitpunkte anzutreffen. Ferner kann streng genommen ein genauer Zeitpunkt der

Distribution der Sendung nicht eingeordnet werden. Endet hierbei der

Produktionsprozess im Produktionsstudio von Bonito TV, mit einer Auslieferung des

Bandes per Automobil, oder ist die Distribution erst durch die Ausstrahlung durch den

WDR anzusetzen? Man könnte auch von einer "doppelten Distribution" sprechen.

Hingegen können die Prozesse Preproduktion und Produktion zeitlich von einander

unterschieden werden. So endet die Preproduktion mit Erstellung des Ablaufplans, die

Produktion wiederum beginnt durch die Themenrecherche und die Generalprobe.

Zusammenfassend kommt es jeweilig auf die Strenge und Genauigkeit der Sichtweise,

aber auch auf die Perspektive der Begründung an, wo die jeweiligen Schritte beginnen

bzw. enden. Neben einer zeitlichen Abgrenzung wäre beispielweise eine räumliche

Abgrenzung denkbar.

Modellkritik

Das von Klimsa durch eine Spirale implizierte Wechselspiel zwischen den

Produktionselementen Content, Organisation und Technik ist in dem zugrunde gelegten

Modell weder durch eine Richtung möglicher Einflussbeziehungen, noch durch eine

Intensität gekennzeichnet. Somit bietet die Aussage Klimsas bezüglich des Verhältnisses

der Teilbereiche durch seine unspezifische Darlegung recht viel Interpretationsspielraum.

Bezüge zu den Überlegungen von Klimsa können also insofern bestätigt werden, als

dass auch das Verhältnis von Content, Organisation und Technik im Rahmen des

Produktionsprozesses der Sendung „Harald Schmidt“ von einer wechselseitigen

Abhängigkeit und Einflussmacht geprägt ist. So eignet sich das Medienproduktionsmodell

hervorragend für einen Zugang in Prozesse der Medienproduktion, da dieses durch das

hohe Abstraktionsniveau jeweils die Prozessschritte, aber auch die Faktoren der

Medienproduktion untersucht. Zum Teil ist es aber genau diese Komplexität, welche

einen gezielten Blickwinkel oder einen konkreten Gegenstand schon im Vorfeld der

Untersuchung ausklammert. Dies macht es schwierig, genaue Sachverhalte und

Vorgänge zu erfassen, ermöglicht jedoch einen umfassenden, zum Teil vereinfachten

Überblick im Sinne einer explorativen Forschung. Für eine weiterführende Erforschung ist

der Sinngehalt einer komplexen Betrachtung der sich beeinflussenden

Wechselwirkungen zu hinterfragen, da ein gezieltes Vorgehen und die konkrete

Auseinandersetzung von spezifischen Vorgängen (beispielsweise die Erstellung eines

Drehplans, die Schnittsysteme, die Realisierung der Ausstrahlung etc.) zu tiefgründiger

Informationen führen kann.

Page 28: Harald Schmidt

Literatur- und Abbildungsverzeichnis |

26

Literatur- und Abbildungsverzeichnis I. Literatur

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Abbildung 2: Modell Content, Technik, Organisation (CTO)

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10:17 Uhr.]