handgelenk standards der sportmedizin · pdf filehandgelenk standards der sportmedizin...

2
Handgelenk Standards der Sportmedizin Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 327 J. Felderhoff 1 , M. Lehnert 1 , H. Mellerowicz 2 Das schmerzhafte Handgelenk im Sport: Ulnokarpales Gelenkkompartiment und Distales Radioulnargelenk - Teil I: Untersuchung und bildgebende Diagnostik 1 Charlottenburger Handchirurgisches Orthopädisches Zentrum 2 Orthopädische Klinik und Poliklinik der Freien Uni- versität Berlin, Zentralklinik Emil von Behring Das schmerzhafte Handgelenk nimmt in der Sportmedizin eine bedeu- tende Stellung ein, da sich hier sowohl die sporttraumatologischen als auch die degenerativen Krankheitsbilder frühzeitig manifestieren und ggf. zu einem therapieresistenten Zustand führen, welcher eine entspre- chende Sportausübung nicht mehr ermöglicht. Die verbesserten diagno- stischen und therapeutischen Möglichkeiten erlauben bereits in Früh- stadien, die Beschwerden der Sportler zu erkennen und einer adäquaten Therapie zuzuführen. Einleitung Unterschiedliche Formgestaltungen des distalen Radioulnargelenkes sind vom Längenverhältnis zwischen Radius und Ulna abhängig (10). Die inkongruenten Gelenkflächen lassen sowohl rotatorische als auch translatorische Ausschläge während der Umwendbewegungen der Hand zu. Ein zentraler Bestandteil ist der ulnokarpale Komplex (siehe Abb. 1). Zusammen mit ra- dioulnaren und ul- nokarpalen Bän- dern, dem ulnokar- palen Diskus, der Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris, dem lig. collaterale ulnare und weiteren ak- zessorischen Faser- zügen sichert dieser Komplex die Dyna- mik der Pro- und Supination sowie die Stabilität im proximalen und di- stalen Handgelenk (7, 11). Im Rahmen der Anamnese sind be- sonders die ange- borenen Fehlbil- dungen zu berück- sichtigen. Bei der speziellen, sport- medizinischen An- amnese ist, neben einer Traumagene- se, besonderes Au- genmerk auf die sportartspezifische Belastung und Überlastung des Handgelenkes, respektive des ulnaren Gelenkkompartimentes zu legen. Grundvoraussetzung für eine optimale Prophylaxe bzw. Therapieerfolg ist vor allem die Kenntnis der Biomechanik des Handgelenkes im Rah- men des Bewegungsablaufs der ausgeübten Sportarten (16). In Zusam- menarbeit des Sportmediziners mit dem Trainer ist eine Analyse des ggf. pathologischen, fehlbelastenden Bewegungsablaufes (z.B. Ball- und Wurfsportarten, Krafttraining u.v.a.) vorzunehmen, denn die Korrektur dergleichen führt oftmals schon zur Beschwerdefreiheit. Im Rahmen der Inspektion der Handgelenke sollte auf Schonhaltung, äußere Verletzungszeichen, gleichmäßige, seitengleiche Beschwielung, Papillarleistenrelief, Schwellungen, Entzündungszeichen etc. geachtet werden. So kann z.B. eine N. ulnaris Läsion (M. adductor pollicis, M. ad- ductor digiti minimi, M. flexor digiti minimi, Mm. interossei dorsales et palmares etc.) neben der Sensibilitätsstörung eine Hypotrophie/ Atro- phie der Handbinnenmuskulatur mit resultierender Kraftminderung her- vorrufen. Bei der Palpation erfolgt die Überprüfung der Hauttemperatur, Fähigkeit zur Schweißbildung sowie Prüfung des Turgors. Die Arterien- pulse werden getastet. Die Überprüfung der Durchblutung kann durch den Allen-Test (Abb. 2) erfolgen (8). Der Untersucher komprimiert mit Zeige- und Mittelfinger seiner beiden Hände gleichzeitig die Arteria ra- Klinische Diagnostik Anatomie Abbildung 1: Ulnokarpales Gelenkkompartiment (10) Abbildung 2a+b: Allen Test (8)

Upload: trinhtruc

Post on 06-Feb-2018

225 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Handgelenk Standards der Sportmedizin · PDF fileHandgelenk Standards der Sportmedizin Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 327 J. Felderhoff 1, M. Lehnert

Handgelenk Standards der Sportmedizin

Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 327

J. Felderhoff 1, M. Lehnert 1, H. Mellerowicz 2

Das schmerzhafte Handgelenkim Sport: Ulnokarpales Gelenkkompartiment und Distales Radioulnargelenk -

Teil I: Untersuchung und bildgebende Diagnostik

1 Charlottenburger Handchirurgisches OrthopädischesZentrum

2 Orthopädische Klinik und Poliklinik der Freien Uni-versität Berlin, Zentralklinik Emil von Behring

Das schmerzhafte Handgelenk nimmt in der Sportmedizin eine bedeu-tende Stellung ein, da sich hier sowohl die sporttraumatologischen alsauch die degenerativen Krankheitsbilder frühzeitig manifestieren undggf. zu einem therapieresistenten Zustand führen, welcher eine entspre-chende Sportausübung nicht mehr ermöglicht. Die verbesserten diagno-stischen und therapeutischen Möglichkeiten erlauben bereits in Früh-stadien, die Beschwerden der Sportler zu erkennen und einer adäquatenTherapie zuzuführen.

Einleitung

Unterschiedliche Formgestaltungen des distalen Radioulnargelenkessind vom Längenverhältnis zwischen Radius und Ulna abhängig (10).Die inkongruenten Gelenkflächen lassen sowohl rotatorische als auchtranslatorische Ausschläge während der Umwendbewegungen der Handzu. Ein zentraler Bestandteil ist der ulnokarpale Komplex (siehe Abb. 1).Zusammen mit ra-dioulnaren und ul-nokarpalen Bän-dern, dem ulnokar-palen Diskus, derSehnenscheide desM. extensor carpiulnaris, dem lig.collaterale ulnareund weiteren ak-zessorischen Faser-zügen sichert dieserKomplex die Dyna-mik der Pro- undSupination sowiedie Stabilität improximalen und di-stalen Handgelenk(7, 11).

Im Rahmen derAnamnese sind be-sonders die ange-borenen Fehlbil-dungen zu berück-sichtigen. Bei derspeziellen, sport-medizinischen An-amnese ist, nebeneiner Traumagene-se, besonderes Au-genmerk auf die sportartspezifische Belastung und Überlastung desHandgelenkes, respektive des ulnaren Gelenkkompartimentes zu legen.Grundvoraussetzung für eine optimale Prophylaxe bzw. Therapieerfolgist vor allem die Kenntnis der Biomechanik des Handgelenkes im Rah-men des Bewegungsablaufs der ausgeübten Sportarten (16). In Zusam-menarbeit des Sportmediziners mit dem Trainer ist eine Analyse des ggf.pathologischen, fehlbelastenden Bewegungsablaufes (z.B. Ball- undWurfsportarten, Krafttraining u.v.a.) vorzunehmen, denn die Korrekturdergleichen führt oftmals schon zur Beschwerdefreiheit.

Im Rahmen der Inspektion der Handgelenke sollte auf Schonhaltung,äußere Verletzungszeichen, gleichmäßige, seitengleiche Beschwielung,Papillarleistenrelief, Schwellungen, Entzündungszeichen etc. geachtetwerden. So kann z.B. eine N. ulnaris Läsion (M. adductor pollicis, M. ad-ductor digiti minimi, M. flexor digiti minimi, Mm. interossei dorsales etpalmares etc.) neben der Sensibilitätsstörung eine Hypotrophie/ Atro-phie der Handbinnenmuskulatur mit resultierender Kraftminderung her-vorrufen.

Bei der Palpation erfolgt die Überprüfung der Hauttemperatur,Fähigkeit zur Schweißbildung sowie Prüfung des Turgors. Die Arterien-pulse werden getastet. Die Überprüfung der Durchblutung kann durchden Allen-Test (Abb. 2) erfolgen (8). Der Untersucher komprimiert mitZeige- und Mittelfinger seiner beiden Hände gleichzeitig die Arteria ra-

Klinische Diagnostik

Anatomie

Abbildung 1: Ulnokarpales Gelenkkompartiment (10)

Abbildung 2a+b: Allen Test (8)

Page 2: Handgelenk Standards der Sportmedizin · PDF fileHandgelenk Standards der Sportmedizin Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 327 J. Felderhoff 1, M. Lehnert

Standards der Sportmedizin Handgelenk

328 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 53, Nr. 11 (2002)

dialis und ulnaris im Bereich des Handgelenkes. Anschließend muss derPatient die Hand zu einer Faust schließen. Das Blut fließt über die dor-salen Venen ab. Nach Lösen des Drucks von einer Arterie fließt das Blutin die Hand, falls die Arterie durchgängig ist. Bei Verschluss der Arteriebleibt die Hand blass. Der Test wird sowohl für die A. radialis als auchfür die A. ulnaris durchgeführt.

Eine weitere Ursache ungeklärter ulnarer Schmerzen ist die Throm-bose der A. ulnaris bei stärkerem, dauernden Druck auf den Hypothenar(z.B. wenn der Hypothenar als „Hammer“ benutzt wird).

Das „Hoffmann-Tinel`sche“ Zeichen ist positiv, wenn es zu elektri-schen Sensationen bei Beklopfen der Nervenstämme kommt (Abb. 3).

Die Sensibilitätkann durch Über-

prüfung der „Zwei

Punkte Diskrimi-

nierung“ objekti-

viert werden. Die

Motorik wird stets

aktiv und passiv

kontrolliert, die

Messung der Be-

weglichkeit erfolgt

nach der Neutral-

Null-Methode. Zur Prüfung der primären Greifformen sollte der Grob-

griff, Spitzgriff, Schlüsselgriff, Dreipunktegriff, Schreibgriff und der Fla-

schengriff getestet werden.

Als Basisuntersuchung dient die konventionelle Röntgenübersichtsauf-nahme des Handgelenkes im posterior-anterioren und im seitlichenStrahlengang (1, 16). Zur Darstellung kommen Frakturen, statische In-stabilitäten, Normvarianten (Ulna plus/minus Variante), angeboreneFehlbildungen u.v.m.. Bei klinischem Verdacht auf eine Instabilität kön-nen Funktionsaufnahmen in maximaler radialer und ulnarer Abdukti-on, sehr hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine ligamentäre Läsi-on, eine Läsion des triangulären fibro-cartilaginären Complexes (TFCC)oder bei unklaren ulnaren Handgelenkschmerzen, so sollte man auf eineKernspintomographie (ligamentäre Läsionen, Weichteilprozesse) odereine Computertomographie (Knochenprozesse u.v.m) verzichten (1, 2,6, 7, 12, 13, 14, 15).

Die Szintigraphie steht in der Skelettdiagnostik als weiteres sensi-bles, aber wenig spezifisches Verfahren zur Verfügung. Durch denEinsatz von 99m-Tc-Phosphaten lassen sich bereits geringste Knochen-

umbauvorgängeszintigraphisch er-kennen (5, 16).

Zur weiterenDiagnostik vonWeichteilverände-rungen der Handkann die Sonogra-phie eingesetztwerden. Es kannbei dieser Technikzwischen solidenund liquiden Pro-zessen differenziertwerden (1, 3, 4).

Bildgebende Diagnostik

1. Anderson J, Reed JW, Steinweg J: Atlas of Imaging in Sports Medicine.McGraw Hill Sydney New York London, 1998.

2. Bruhn H, Gyngell ML, Hänicke W, Merboldt KD, Frahm J: Highresolutionfast low-angle shot Magnetic Resonance Imaging of the normal hand.Skelet Radiol 20 (1991) 259.

3. Ernst J: Rheumatologie - Sonographie der Hand. In: Graf G, Schulter P.Sonographie am Stütz- und Bewegungsapparat bei Erwachsenen undKindern. VCH Verlag Weinheim, 1998.

4. Konermann W, Gruber G: Ultraschalldiagnostik der Stütz- und Bewe-gungsorgane nach den Richtlinien der DEGUM. Thieme, Stuttgart 2000.

5. Markisz JA: Musculosceletal Imaging MRT, CT, Nuclear Medizin and Ultra-sound in clinical practice. Little Brown & Co. Boston Toronto London1991.

6. Mellerowicz H, Wilke S, Lautenbach M, Weyreuther M, Maeurer J, Matus-sek J, Jäger B, Schwetlick G: Stellenwert der Kernspintomographie am Be-wegungsapparat in der Sportmedizin. Dtsch Z Sportmed 53 (2002) 244-253.

7. Palmer AK: Triangular Fibrocartilage Complex Leasions: A Classification. JHand Surg. 14 A (1989) 594-606.

8. Rudigier J: Kurzgefasste Handchirurgie. Hippokratesverlag 4. Auflage1997, 19-2.

9. Scharizer E: Klinische Untersuchung der Hand. Bibliothek für Handchirur-gie, Untersuchung der Hand. Hippokrates Verlag (1991) 21-50.

10. Schmidt HM, Lanz U: Chirurgische Anatomie der Hand. Hippokrates,Stuttgart 1992.

11. Schmidt HM, van Schoonhoven J, Lanz U: Die knorpelig-ligamentäre Zü-gelung des Ulnakopfes. Handchir Mikrochir Plast Chir 30 (1998) 382-386.

12. Stoller DW: MRI in Orthopaedics and Sports Medicine, 2nd ed. Lippin-cott-Raven, Philadelphia 1997.

13. Valensieck M, Reiser M: MRT des Bewegungsapparates. 2. Aufl. ThiemeVerlag, Stuttgart, New York 2002

14. Watson HK, Gabuzda GM: Matched distal ulnar resection for posttrau-matic disorders of the distal radioulnar joint. J Hand Surg 17A (1992)724-730.

15. Watson HK, Weinzweig J: Triquetral impingement ligament tear (TILT). JHand Surg 24B (1999) 321-324.

16. Wilhelm K: Hand und Finger. In: Engelhardt M, Hintermann B, Segesser B(Hrsg.): GOTS-Manual Sportttraumatologie. Huber Bern, Göttingen,Toronto 1997

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Joachim FelderhoffCharlottenburger Handchirurgisches Orthopädisches Centrum

Wilmersdorfer Str. 13110627 Berlin

eMail: Dr.Felderhoff@handchirurg-felderhoff.dewww.handchirurg-felderhoff.de

Literatur

Abbildung 3: Hoffmann-Tinel Zeichen (8)

Abbildung 4: Szintigraphie zum Ausschluss einerFraktur