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die Arbeit Das Magazin des Gewerkschaftlichen Linksblocks www.glb.at www.glb.at Nr. 3/2007 4 Höchste Zeit zum Gegen-Steuern Verteilungsgerechtigkeit als wichtigste gewerkschaftliche Aufgabe Schon von der vormaligen rotschwarzen Koalition (1986-2000) wurde die Kapital- verkehrssteuer und Vermögenssteuer abgeschafft und steuerschonende Privat- stiftungen eingeführt. In der Ära Grasser (2001-2006) wurde die Körperschafts- steuer gesenkt und die Gruppenbesteuerung eingeführt. Die Regierung Gusenbauer (ab 2007) setzt mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer und der Werbeabgabe die steuerliche Entlastung von Kapital und Vermögen fort. Im Gegenzug müssen die Lohnabhängigen mit der Lohnsteuer und Mehrwertsteuer immer stärker zum Steu- eraufkommen beitragen. Wer die Zeche zahlt Negativsteuer 6 7 8 14 18 20 Erbschaftssteuer Stiftungen Mindestlohn: Acht Euro Die billige Sicherheit Seid umschlungen Millionen

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die ArbeitDas Magazin des Gewerkschaftlichen Linksblocks

www.glb.at

www.glb.at

Nr. 3/2007

4

Höchste Zeit zum Gegen-Steuern

Verteilungsgerechtigkeit als wichtigste gewerkschaftliche Aufgabe

Schon von der vormaligen rotschwarzen Koalition (1986-2000) wurde die Kapital-verkehrssteuer und Vermögenssteuer abgeschafft und steuerschonende Privat-stiftungen eingeführt. In der Ära Grasser (2001-2006) wurde die Körperschafts-steuer gesenkt und die Gruppenbesteuerung eingeführt. Die Regierung Gusenbauer(ab 2007) setzt mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer und der Werbeabgabe diesteuerliche Entlastung von Kapital und Vermögen fort. Im Gegenzug müssen dieLohnabhängigen mit der Lohnsteuer und Mehrwertsteuer immer stärker zum Steu-eraufkommen beitragen.

Wer die Zeche zahlt

Negativsteuer6

7

8

14

18

20

Erbschaftssteuer

Stiftungen

Mindestlohn: Acht Euro

Die billige Sicherheit

Seid umschlungen Millionen

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die Arbeit

die Arbeit 3/07

GLB-BundesleitungHugogasse 8, 1110 Wien,0664/6145012, [email protected]

Kontakt

GLB im ÖGBLaurenzerberg 2, 1010 Wien, 01/53 444-308,[email protected]

GLB in der vidaMargaretenstraße 166/M3, 1050Wien, 01/54641-296, [email protected]

GLB in der GdGElterleinplatz 6/2.Stock, 1170Wien, 01/4076936, [email protected]

GLB in der GPFAdresse siehe GLB im ÖGB,0664 / 465 33 83

GLB in der GMTNsiehe GLB im ÖGB,

GLB in der GPA-DJPsiehe GLB im ÖGBwww.glb-gpa.at

GLB-NiederösterreichAndreas Hofer-Straße 4, 3100St.Pölten, 02742 / 710 74-0,[email protected]

GLB-OberösterreichMelicharstraße 8, 4020 Linz0732 / 652156, [email protected]

GLB-SteiermarkLagergasse 98 a, 8021 Graz0316 / 71-24-36, [email protected]

GLB-SalzburgElisabethstraße 11, 5020 Salzburg,0662 / 87-22-44, [email protected]

GLB-TirolGumppstraße 36, 6020 Innsbruck,0699 / 81732423, [email protected]

GLB-KärntenLudwig-Walter-Straße 29, 9500 Vil-lach, 04242 / 31091, [email protected]

Seite 2

Zitate, die alles sagen:

Impressum:Herausgeberin: Karin AntlangerVerleger: Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock - GLB im ÖGB.Redaktion: Leo Furtlehner, Gerhart Haupt, Oliver Jonischkeit, AnitaKainz, Anna-Erika Paseka, Hubert Schmiedbauer, Ernst WieserMitarbeiterinnen dieser Nummer: Karin Antlanger, Leo Furtlehner,Franz Gall, Manfred Groß, Franz Grün, Lutz Holzinger, OliverJonischkeit, Anna-Erika Paseka, Siegfried Pötscher, Josef Schmee,Hubert Schmiedbauer, Alexandra WeissFotos: GLB-ArchivLektorat: Wolfgang RohrstorferGrafik, Satz und Layout: Franz Grün, Ernst WieserDruck: Druckerei Luigard, 1100 Wien, Johann-Pölzer-Gasse 3.Redaktionsadresse: Redaktion „Die Arbeit“, 1110 Wien,Hugogasse 8.Mail: [email protected], Web: www.glb.atBestellungen: Schriftlich an den GLB im ÖGB (Adresse sieherechts). Bei Zuschriften an die Redaktion Absender angeben. Für un-verlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung über-nommen. Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt mitder Meinung der Redaktion oder des Gewerkschaftlichen Linksblockübereinstimmen.Einzelpreis: 2 Euro. Jahresabo 8 Euro. Im GLB-Mitgliedsbeitrag von20 Euro ist das Abo inkludiert. Das Redaktionsteam arbeitet ehren-amtlich, Druck und Versand kosten jedoch Geld. Spenden sind will-kommen!Bankverbindung: BAWAG 03410 665 190 (BLZ 14.000)Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 18. Juni 2007Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 22. Oktober 2007 mitdem Schwerpunkt Bildung und Ausbildung.LeserInnenbriefe sind willkommen! (Kürzung vorbehalten)

„ Ich kann dem Primitivargument, die Reichen sollen mehrzahlen, nichts abgewinnen“, Ferdinand Lacina, ehemaliger SPÖ-Finanzminister (OÖN, 22. Jänner 1994)

„ Steuern runter macht Österreich munter - und sicher auchDeutschland … Tatsache ist, dass es von Mitte 2008 an inÖsterreich keine Erbschaftssteuer mehr gibt. Ich bitte Sie, dasmöglichst breit zu publizieren! (lacht)“ (Bildzeitung, 11.5.2007)

„ Man muss das internationale mobile Kapital hätscheln, wennman Arbeitsplätze schaffen will“, Hans-Werner Sinn, Präsidentdes deutschen Ifo-Instituts (Sozialismus, 5/2005)

„ Wenn man sich den Sachverhalt anschaut, dann erhöht sichbeim Beschenkten durch die Schenkung die Leistungsfähigkeit.Und warum sollte man dies nicht besteuern im Gegensatz zumGeld, das aus harter Arbeit stammt und dennoch besteuertwird.“, Markus Achatz, Steuerrechtsprofessor in Linz (OÖN,26.6.2007)

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Magazin des GLB

3/07 die Arbeit

Inhalt Editoral

Seite 3

12 - 13

Mag.Karin Antlanger

Juristin undSozialpädagogin

Betriebsrats-Vorsitzende

EXIT-sozial LinzBundesvorsitzende des GLB

Seite4 - 5

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16

18

23

6

Arbeitsrecht-Tipp

14

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Aus den Arbeiterkammern

Zeit ist Geld – nur Arbeitszeit kostet nix!

Während sich kritische GewerkschafterInnen gegen die stetigeAufweichung sämtlicher bisheriger Errungenschaften rund um dietägliche und wöchentliche Arbeitszeit engagieren, findet klamm-heimlich und schleichend ein „Diebstahl“ von Lebensarbeitszeitstatt. Und damit ist nicht die letzte sog. Pensionsreform gemeint,sondern die Praxis, dass speziell von gut ausgebildeten jungenMenschen nach Abschluss des Studiums verlangt wird, dass sieohne Bezahlung als PraktikantInnen oder VoluntärInnen oft mo-natelang ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Tun sie es nicht,so können sie in ihrem Curriculum vitae keine Praxis nachweisenbzw. bekommen sie keinen Fuß in die Tür eines Betriebes.

Sogar der Begriff „Schnupperpraktikum“, der eigentlich für einkurzes Praktikum von ein paar Tagen im Rahmen der Suche nacheiner Lehrstelle während des Polytechnischen Schuljahres ver-wendet wird, wurde schon für zwei- bis dreimonatige Gratis-arbeit von Menschen mit höherer Qualifikation genannt.

Insbesondere Sozial- und Gesundheitsbetriebe profitieren imwahrsten Sinne des Wortes von Gratisarbeit, weil Fachhochschulenfür Sozialarbeit meist schon die Absolvierung eines FreiwilligenSozialen Jahres (FSJ) oder Freiwilligen Diakonischen Jahres (dieevangelische Variante) als Zugangsvoraussetzung für das Studi-um verlangen.

Solange führende GewerkschafterInnen einen Mindestlohn vontausend Euro brutto für 40 Stunden Arbeit als Errungenschaftverkaufen, so lange werden sie sich wohl kaum für MaturantInnenund Uni-AbsolventInnen interessieren, die „freiwillig“ eine Zeitlang unbezahlt arbeiten müssen. Das fadenscheinige Argument,dass diese Menschen dafür dann später mal überdurchschnittlichgut verdienen würden, ist nicht nur zynisch sondern auch längstüberholt, da die Kollektivverträge im privaten Sozial- undGesundheitsbereich entsprechend niedrig sind und SozialministerBuchinger für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung sogar das Haus-angestellten-Gesetz bemüht, welches auf hochherrschaftlicheHaushalte aus dem vorvorigen Jahrhundert abzielt.

Wir danken!

Nach dem Erscheinen der letztenNummer der „Arbeit“ haben wir dieBezieherInnen mit einem Spenden-brief „beglückt“, der sehr positiv auf-genommen wurde, wie die zahlreicheingegangenen Spenden zur Finanzie-rung der „Arbeit“ beweisen. Wir danken an dieser Stelle allen,die uns mit ihrer Spende unterstützthaben.

Redaktion „Die Arbeit“

Wer die große Zeche zahltNegativsteuer!

7Erbschaftssteuer8Stiftungen

9138 Jahre SPD

10Ablaufdaten und langer Schatten

11GLB-Bundeskonferenz

Freiheit durch Eigenverantwortung?

Mindestlohn: Acht Euro

Gegen ArbeitszeitverlängerungRegierungen: nichts zu erwarten

Was hat Erziehung mit Politik zu tun?

EM-Sonntagsöffnung?

Die billige Sicherheit

19Flexicurity - neuer AngriffAktion gegen Sonntagsöffnung

20Seid umschlungen Millionen…

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EL-Netzwerk GewerkschaftenBR-Wahl bei Opel Linser

Volksstimme-Fest 2007Kurt Palm liest Karl Marx

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die Arbeit

die Arbeit 3/07Seite 4

Wer die große Zeche zahlt:Die Werktätigen als Mäzenaten

Von Lutz Holzinger

Kaum ein Bereich des gesellschaftlichen Lebens kommt neuerdings ohne Sponsorenaus. In der Aufregung über diese Entwicklung, die Konzerne und Private als Mäzeneerscheinen lässt, wird vergessen, dass – abgesehen vom Spitzensport - der größteFinanzierungsanteil sämtlicher Staatsausgaben immer noch von den Steuerzahlernkommt. Dieser Club droht immer exklusiver zu werden, weil seine Mitglieder fast nurmehr Lohn- und Gehaltsempfänger sind.

Österreich ist das Land mit dem nied-rigsten Vermögenssteuersatz in der EU.Die durchschnittliche Vermögenssteu-er in der EU wiederum erreicht beiWeitem nicht das Niveau, das in denUSA den Reichen zugemutet wird. DerGrund für die Ungleichbehandlung derVermögenden in Österreich, der EUund den USA könnte darin bestehen,dass sie am Volkseinkommen ungleichpartizipieren. Davon kann jedoch ausheimischer Sicht keine Rede sein. ImFebruar 2003 veröffentlichten MarkusMarterbauer und Ewald Walters-kirchen in „Arbeit & Wirtschaft“ einenArtikel mit dem Titel „Die Lohnquotesinkt seit zwei Jahrzehnten“.

Zu den Kernpunkten einer WIFO-Studie schreiben sie: „In Österreich istdie unbereinigte Lohnquote seit 1982zurückgegangen: Von 76 auf 73 Pro-zent im Jahr 2005. Diese Entwicklunghat jedoch nur eine sehr geringe Aus-sagekraft, weil sie mit einer starken Ver-ringerung der Selbständigen – beson-ders in der Landwirtschaft – verbun-den war. Verteilungspolitisch aussage-kräftiger ist die Entwicklung der berei-nigten Lohnquote. Diese weist seit1982 eine wesentlich steilere Tendenznach unten auf: Sie ging 1982 bis 2000um 8 Prozentpunkte zurück, fast umeinen halben Prozentpunkt pro Jahr.Noch stärker war die Verringerung der

Netto-Lohnquote (nach Steuern). Dar-in spiegelt sich das Postulat der An-gebotspolitik wider, dass die Unterneh-men steuerlich besonders entlastet wer-den sollen, damit Investoren im inter-nationalen Standortwettbewerb ange-lockt werden.“ Zurückgeführt wird diesdarauf, dass die hohe Arbeitslosigkeitin ganz Europa die Verteilungsfragezurückgedrängt habe.

Dass sich daran seither nichts geän-dert hat, meldete am 22. März„derStandard.at“ unter der Überschrift:„Lohnquote sinkt, Gewinne steigen“.Wörtlich hieß es: „Die Schere zwischenLöhnen auf der einen Seite und Gewin-nen der Unternehmen auf der anderenSeite hat sich in den vergangenen 30Jahren deutlich verschärft. Betrug dieLohnquote - also der Anteil derArbeitnehmerentgelte am Gesamtein-kommen – 1975 80,0 Prozent, sanksie bis 2005 auf den Tiefstand von 65,8Prozent. Die Gewinnquote erhöhte sichim selben Zeitraum von 20,0 auf 34,2Prozent. ... Für 2006 gibt es lediglichPrognosen des WIFO. Demnach wirdfür das Vorjahr ein weiterer Rückgangder Lohnquote auf 65,7 und für 2007auf 65,4 Prozent erwartet.“

Die Hauptursache der Krise desÖGB liegt demnach im Totalversagenin der Lohnpolitik. Die Spitzen-

gewerkschafter traten der neoliberalenOffensive der Unternehmer nicht an-gemessen entgegen, die Produktivitäts-steigerungen schlugen sich nicht inLohnerhöhungen nieder. Marterbauerund Walterskirchen: „Wir sollten ...keinem Politiker trauen, der uns ver-spricht, die Lohnstückkosten zu sen-ken und gleichzeitig die Lohnquote zuerhöhen. Der große Unterschied zwi-schen den beiden Konzepten liegt imZiel: Früher wollte die Wirtschafts- undSozialpolitik mit einer stabilen Lohn-quote die Nachfrage festigen, heuteversucht die vorherrschende Angebots-und Standortpolitik die Lohnstückko-sten zu senken, um die nationale Wett-bewerbsfähigkeit zu verbessern. DerKonkurrenzkampf zwischen den Na-tionen steht im Vordergrund, nicht mehrdie Entwicklung der Nachfrage im ge-samten Wirtschaftsraum.“

Es ist bezeichnend für die ÖGB-Spit-ze, dass sie ihr Versagen in der Lohn-politik durch die Forderung nach einerSteuerreform kompensieren will. Derwunde Punkt dieser Strategie bestehtdarin, dass ohne gründliche Verände-rung des gesamten Steuersystems fürdurchschnittliche Einkommensbezieherextrem wenig zu holen ist. So ist dievon der Regierung Schüssel II alsWahlzuckerl gedachte jüngste Steuer-reform an den Lohn- und Gehalts-

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Magazin des GLB

3/07 die Arbeit Seite 5

beziehern nahezu unbemerkt vorbeige-gangen. Nicht weil Schüssel undGrasser schlechte Menschen sind, son-dern weil die steuerliche Ergiebigkeitder Einkommen der unselbständig Er-werbstätigen unverzichtbar gewordenist.

Während die Stiftungen der wirklichReichen den enormen Druck von ma-ximal 2,5 Prozent Steuerbelastung aus-halten müssen, brauchen sich besserverdienende Lohnabhängige keine gro-ßen Gedanken machen, wie sieBezugserhöhungen verwenden, weilihnen der Finanzminister 50 Prozentdavon abnimmt. Bei kleinen Lohnein-kommen fällt zwar Lohnsteuer an, abermittlerweile belasten die Abzüge für dieSozialversicherung die Netto-Zahlun-gen schwer. Dass in Österreich – ei-nem der reichsten Länder der Welt mitsteigender Armutsgefährdung – etwasfaul ist, dämmert immerhin Sozial-minister Buchinger. Er verlangt die Fi-nanzierung der Altenpflege aus einemZuschlag zur Vermögenssteuer. Daswäre ein Einstieg in die häufig als ab-solute Teufelei verdammteWertschöpfungsabgabe, die schon vonAlfred Dallinger als unerlässlich für dieFinanzierung des Sozialstaates gehal-ten wurde.

In der Praxis geht das Steueraufkom-men immer stärker zu Lasten derWerktätigen. Thomas Lachs, ehemali-ger Direktor der Nationalbank undGewerkschafter, hat für „Arbeit & Wirt-schaft“ (Nr. 2/2005) wesentliche Da-ten präsentiert. Er konstatiert den ho-hen Anteil der indirekten Steuern inÖsterreich, die bekanntlich sozialschwächere Zeitgenossen stärker be-lasten als betuchte Bürger. Lachsschreibt: „Bei uns machen indirekteSteuern über 30 Prozent der Steuer-einnahmen aus. Zum Vergleich: In denNiederlanden, Belgien, Deutschland

und Frankreich sind es knapp unteroder knapp über 26 Prozent und in densicher nicht extrem sozialen USA sindes sogar nur 17 Prozent.“

Anschließend hält er zur Steuer-verteilung fest: „Bei den Steuern aufVermögen zählt Österreich internatio-nal gesehen zu den Schlusslichtern. Beiuns bezieht der Staat gerade einmal 2,7Prozent seiner Einnahmen aus dieserQuelle, in Frankreich sind es 5 Pro-zent, in der Schweiz 7,1 Prozent undin Großbritannien stattliche 7,9 Pro-zent. Die Vereinigten Staaten beziehensogar 11,4 Prozent ihrer Einnahmen vonden Vermögen der Bürger.“ Nochaufschlussreicher ist die Gegenüberstel-lung der Lohnsteuern und der Gewinn-steuern (Einkommenssteuer, Körper-schaftssteuer, Kapitalertragssteuer) fürdie Jahre 1975 bis 2005. Das Ergeb-nis: „Der Anteil der Lohnsteuer an dengesamten Steuereinnahmen steigt in 30Jahren kontinuierlich von 18 auf über30 Prozent an, während der Anteil derGewinnsteuern zwar schwankt, aberinsgesamt von 17,4 auf 14, 4 Prozentgesunken ist. Dabei sind diese Zahlennoch zugunsten der Gewinnsteuern ‚ge-schönt‘,. Denn ab 1995 sind in ihnensowohl die neu eingeführte Kapitaler-tragssteuer auf Zinsen und die Körper-schaftssteuer auf den Gewinn derÖsterreichischen Nationalbank enthal-ten.“

Lachs unterstreicht, dass diese Ent-wicklung angesichts der sinkendenLohnquote besonders bedenklich ist.Dazu kommt, dass der Steuersatz fürdie Körperschaftssteuer, 1975 nochpari mit der Lohnsteuer, seither auf dieHälfte gesunken ist. Mit dem Ergeb-nis, dass namhafte Großunternehmenhäufig nahezu keine Gewinnsteuern zah-len und mit Abstand wesentlich mehrLohnsteuern abliefern. Die Hauptlastder Steuern wird also auf die Werktä-

tigen und die KMU (Kleine und Mitt-lere Unternehmen) abgeladen.

Zwei Stoßrichtungen liegen auf derHand, um die Steuerbelastung wennschon nicht gerecht - denn aller gesell-schaftlicher Reichtum wird von der le-bendigen Arbeitskraft hervor gebracht-, so doch funktional zu verteilen:1. Es gilt, die Schere zwischen Ge-winnsteuern und Lohnsteuern durch dieErhöhung der Ersteren und die Sen-kung der Letzteren zu schließen.2. Es ist die Einführung einer wirkungs-vollen Wertschöpfungsabgabe erfor-derlich, um einerseits die Produk-tivitätsunterschiede zwischen Konzer-nen und KMUs ebenso wie zwischeneinzelnen Branchen auszugleichen undandererseits den Faktor Arbeit zu ent-lasten, ohne die Finanzierung der öf-fentlichen Sozialversicherung in Fragezu stellen.

Lutz Holzinger ist Journalist inWien

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die Arbeit

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Negativsteuer:Anspruch sofort geltend machen!

Von Hubert Schmiedbauer

Für Löhne und Gehälter unter 1.130 Euro wird keine Lohnsteuer abgezogen. Dafürkann eine sogenannte Negativsteuer geltend gemacht werden, die nachträglich für dasabgelaufene Jahr – und bis zu fünf Jahre rückwirkend – beim Finanzamt zu beantra-gen ist. Das gilt auch für Lehrlinge, Teilzeitbeschäftigte, FerialarbeiterInnen usw.*)Voraussetzung ist allerdings der Beitrag zur Sozialversicherung. Diese Negativsteuerkann bis zu 110 Euro pro Jahr betragen. PensionistInnen haben keinen Anspruch.

Viele KV-Löhne liegen noch unter1.130 Euro brutto, die ArzthelferInnenz.B. beginnen mit 783,40. Seit Jahrenfordern AK und Gewerkschaften dieVerdoppelung der Negativsteuer, umeinen Schritt zur Armutsbekämpfung zutun. Im Wahlkampf vor einem Jahr hat-te sich auch die SP-Führung dafürstark gemacht. Im Forderungskatalogdes ÖGB an die neue Regierung wirddiese Sofortmaßnahme sogar auf diePensionistInnen ausgedehnt. Aber derÖGB-Kongress begrüßte dasKoalitionsprogramm, obwohl (nichtnur) die Verdoppelung der Negativ-steuer fehlt.

Verdoppelung kalt abgewiesen

Was an Negativsteuer zu denSchwächsten fließt, ist völlig gerecht-fertigt. Es deckt ohnehin nur ein paarder ärgsten zusätzlichen Belastungen,die von der öffentlichen Hand und vonden öffentlichen Dienstleistungen bzw.

deren Privatisierung den Menschenzugemutet werden. Die Verdoppelungdieser Negativsteuer ist also längst fäl-lig.

Während der Budgetdebatten in denletzten Monaten wurde wieder heftigfür die Verdoppelung mobilisiert. DieÖVP vertröstet auf die Steuerreform2010, und ihr Sozialsprecher GünterStummvoll delegiert das Thema an dasSozialsystem, das solche Probleme lö-sen müsse. Am 24. April wurde danndas Budget für 2008/2009 beschlos-sen. Ohne Verdoppelung der Negativ-steuer, lediglich für Pendler mit Brutto-einkommen unter 1.130 Euro werdenmaximal 90 Euro (im Jahr!) zugeschla-gen.

Ursache:Hungerlöhne und Schandgehälter

Die Wurzel des Problems liegt na-türlich in den untersten Löhnen und Ge-

hältern, die trotz Steuerbefreiung einzeitgemäßes Leben nicht ermöglichenbzw. überhaupt unter die Armutsgrenzeführen. Für diese Menschen ist jedeTarif- und Gebührenerhöhung mit Ein-schränkungen der Lebensqualität ver-bunden, an eine „Vorsorge“ ist nicht zudenken, also werden sie dereinst auchdie Opfer eines zerschlagenen sozialenPensionssystems sein.

Darum sind die Diskussionen überMindestlöhne und Gehälter von tau-send Euro (GPA: 1.100 Euro) heftigerund notwendiger geworden. Damit lä-gen die niedrigsten Einkommen aberimmer noch im Bereich der Negativ-steuer! Nur eine beinharte Lohnpolitikzur nachhaltigen Anhebung der Min-desteinkommen kann dazu führen, dassfür hunderttausende Armutsgefährdeteder Abstand von einem normalen Le-ben verringert wird.

*) Informationen: bei den Finanzäm-tern; bei den Arbeiterkammern; überwww.wien.arbeiterkammer.at.

Hubert Schmiedbauer ist Journalistin Wien

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3/07 die Arbeit Seite 7

Ein gerechtes Steuersystembraucht eine Erbschaftssteuer

Von Franz Gall

Österreich ist bei den vermögensbezogenen Steuern international schon länger unter den Schlusslichtern.Die Vermögens- und die Börsenumsatzsteuer wurden abgeschafft. Mit 25 Prozent Kapitalertragsteuerendbesteuerte Erträge sind von der Erbschaftssteuer ausgenommen. Die Superreichen bringen ihr Vermögensteuerschonend in etwa 3.000 Privatstiftungen ein, wodurch – trotz enormer privater Vermögen in Österreich– die Erbschaftssteuer stagniert.

Nun soll die Erbschaftssteuer auchnoch gänzlich fallen: Der Verfassungs-gerichtshof hat sie aufgehoben, weil dieEinheitswerte als Bemessungsbasis beiGrundstücken seit 1973 nicht mehr re-formiert wurden und sie daher totalunrealistisch bewertet sind. Wird dieErbschaftssteuer bis 31. Juli 2008 nichtreformiert dann läuft sie ersatzlos aus.Gleiches gilt für die Schenkungssteuer.Die Erbschaftssteuer ist unbeliebt, weilsich die Bevölkerung ungerecht bela-stet fühlt. Tatsächlich sind bei Verer-bungen von kleinen Vermögen – wieein Einfamilienhaus – die Gebühren fürNotar und Gericht höher als die Steu-er. Diese Stimmung wurde für eine ab-solute Verdrehung der Tatsachen be-nutzt: Die Erbschaftssteuer würde vonder Masse der Bevölkerung bezahlt undihre Abschaffung begünstige den Mit-telstand. Tatsächlich wurden in dreiViertel der Fälle keine oder eine Steu-er von weniger als tausend Euro vor-geschrieben. Durch die Abschaffungerspart sich jährlich jede/r der etwa 30superreichen ErbInnen mehr als eineMillion Euro an Steuer. Trotz aller Lük-ken musste auch bisher diese Steuernämlich von den wirklich Reichen be-zahlt werden.

Die Schieflage zwischen der Steuer-belastung von Arbeit und jener von Ka-pital ist enorm. Es ist anzunehmen, dassdurch die Steuerreform 2010 die Be-

lastung der Löhne und Gehälter nichtgravierend sinken wird. Der Erwerbvon enormen Vermögen ohne den Ein-satz von Arbeitskraft wird zukünftigvollkommen steuerfrei sein.

Weiters wird angeführt, dass das Ein-kommen, aus dem das Vermögen an-geschafft wurde, bereits versteuertwäre und somit eine Doppelbesteue-rung vorliege. Abgesehen davon, dassEinkommen nicht immer versteuertwerden oder wie Kapitaleinkommensteuerlich begünstigt sind, liegt bei denErbInnen keine Doppelbesteuerungvor, obwohl sich ihre Leistungsfähig-keit durch die Erbschaft enorm steigert.Jeder Erwerb von Vermögens-gegenständen wird besteuert. Mehr-wertsteuer und andere Steuern auf denVerbrauch sind aus dem versteuertenEinkommen zu zahlen. Sollte deswe-gen auch die Mehrwertsteuer abge-schafft werden?

Weiters wird behauptet, dieAdministrationskosten der Erbschafts-steuer seien höher als die Einnahmen.Abgesehen davon, dass die Steuerein-nahmen entsprechend den hohen Ver-mögen in Österreich (etwa das Vierfa-che der jährlichen WirtschaftsleistungBIP) um einiges höher sein müssten, lie-ße sich aus den derzeitigen 140 Mio.Euro einiges finanzieren: Das kosten-lose Vorschuljahr oder die dringend

gebrauchten 25.000 Kinderbe-treuungsplätze,.

Fällt auch die Schenkungssteuer,dann bricht ein Damm und die Steuer-ausfälle wären ein Mehrfaches: Grund-stückskäufe als Schenkung deklariert,würden die Grunderwerbsteuer erspa-ren. Gehört ein Betrieb nicht mehr ei-ner einzelnen Person, weil er steuerfreiauf eine Reihe von Familienangehöri-gen verschenkt werden kann, dannmuss auch der dem Finanzamt ange-gebene Gewinn nicht mehr von einerPerson versteuert werden. Er verteiltsich anteilsmäßig auf mehrere Perso-nen und somit kann der Steuerprogres-sion in der Einkommensteuer einSchnippchen geschlagen werden. Defacto ein „Familiensplitting“.

Wenn bei der nächsten Steuerreformder Faktor Arbeit spürbar entlastetwerden soll, kann auf Einnahmen ausvermögensbezogenen Steuern nichtverzichtet werden. Eine sozial refor-mierte Erbschaftssteuer, die großeVermögensvererbungen wirksamerfasst und bescheidenes, im Laufe ei-nes Arbeitslebens angeschafftes Ver-mögen schont, sollte dazu einen rele-vanten Beitrag liefern.

Franz Gall ist Referent der wirt-schaftspolitischen Abteilung derAK-Oberösterreich

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die Arbeit

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die Arbeit

Wer Millionen hat geht stiften…

Von Leo Furtlehner

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser meinte, sie seien zur „absoluten Erfolgs-story der letzten Jahre geworden“. Die Rede ist von den Privatstiftungen, 1993vom damaligen SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina zur steuerschonendenVeranlagung des wirklichen Reichtums geschaffen. Auf Stiftungen spezialisiertePrivatbanken weisen daher auch gleich präventiv darauf hin, dass sich eine sol-che Veranlagung erst ab 1,5 Millionen Euro lohnt.

Ende 2006 waren in 2.911 Privat-stiftungen schätzungsweise 55 Milliar-den Euro veranlagt. Zwei Drittel davonentfallen auf Firmenbeteiligungen, hin-ter den hundert größten heimischen Pri-vatunternehmen stehen mittlerweile Stif-tungen. Über all dem liegt freilich derMantel des Schweigens, denn überGeld spricht man bekanntlich nicht, zu-mal dann, wenn man es im Übermaßbesitzt.

Nicht nur der deutsche Steuerflücht-ling Flick, sondern auch alle namhaftenösterreichischen Milliardäre wie An-drosch (SPÖ), Prinzhorn (FPÖ),Bartenstein (ÖVP), Haselsteiner (LIF),Wlaschek, Stronach, Meinl, Palmers,Dichand, Lugner, Swarovski,Esterhazy, Piech usw. haben ihr Ver-mögen steuerschonend in Privat-stiftungen angelegt und sind damit vorder Steuerleistung „stiften“ gegangen.

Laut dem Wirtschaftsanwalt RudolfFries ist die Stiftung „bereits der Pro-totyp des österreichischen Kern-aktionärs“ geworden. Dabei unter-scheiden sich solche heimische Finanz-investoren in nichts von ausländischen:Ziel ist das maximale Abcashen – undals Draufgabe erhalten hiesige Investo-ren noch riesige Steuergeschenke. Friesselbst ist das beste Beispiel dafür.

Die Fries-Gruppe kaufte sich 2003mit 130 Millionen Euro im Zuge derVollprivatisierung bei Böhler-Uddeholm ein und kassiert 2007 beimVerkauf für ihren Anteil von 20,95 Pro-zent 737 Millionen Euro, casht alsoüber 600 Millionen Euro Zugewinn ab.Wie die großbürgerliche „Presse“ be-richtet, verkauft die Fries-Gruppe ihreAktien nicht direkt, sondern über eineBU-Holding – und spart damit diebeim Aktienverkauf fälligen 25 ProzentKörperschaftssteuer.

Somit müssten zwar dieVerkäuferInnen persönlich Einkom-mensteuer vom Verkaufserlös zahlen.Weil sie aber mit ihren Anteilen überStiftungen an der BU-Holding betei-ligt sind, fallen für sie nur 12,5 ProzentSteuer an. Auch diese sparen sich Fries& Co. wiederum, wenn die Stiftungeninnerhalb eines Jahres in eine neueGesmbH investieren. Erst wenn dieseGesellschaft wieder verkauft wird, fälltdie Steuer an. Die FinanzinvestorInnender Fries-Gruppe sparen sich somitrund 150 Millionen Euro Steuern undkönnen frohgemut die nächsten Invest-ments angehen.

Durch das Parken großer Vermögenin Stiftungen wird auch Erbschaftssteu-er im großen Stil „vermieden“. Von den

für 2007 budgetierten 170 Mio. EuroErbschafts- und Schenkungssteuerkommen nur rund zehn Prozent ausStiftungen. Kein Wunder, dass auf dieseWeise die Erbschaftssteuer gezielt aus-gehungert wurde und KanzlerGusenbauer via „Bildzeitung“ erklärenkonnte: „Steuern runter macht Öster-reich munter - und sicher auchDeutschland“ mit der Ergänzung „Tat-sache ist, dass es von Mitte 2008 an inÖsterreich keine Erbschaftssteuer mehrgibt. Ich bitte Sie, das möglichst breitzu publizieren!“

Als „Ausgleich“ dafür, dass die gro-ßen Vermögen zunehmend keine Steu-ern zahlen und die Konzerne gleichzei-tig Förderungen kassieren, wie in demBuch „Asoziale Marktwirtschaft“ sehranschaulich nachgewiesen wird, be-schwichtigen sie die Öffentlichkeit mitAlmosen in Form von Sponsoring oderSpenden. Dass durch die systematischeSteuerflucht von Kapital und Vermö-gen auf der Kehrseite die Lohnabhän-gigen über die Lohn-, Mehrwert- undMineralölsteuer einen immer größerenTeil des Steueraufkommens leistenmüssen und die öffentlichen Leistungenfinanziell immer systematischer ausge-hungert werden wird von der etablier-ten Politik gar nicht mehr thematisiert.

Leo Furtlehner leitet die Redakti-on der „Arbeit“

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Magazin des GLB

3/07 die Arbeit Seite 9

138 Jahre SPDtun dem Kapital nicht weh Das Match „Deutsche Telekom gegen Ver.di“ ist zulasten der Beschäftig-ten entschieden. Mit überwältigender Mehrheit stimmte die Ver.di-Tarif-kommission am 20. Juni 2007 dem Kompromiss mit der Deutschen Telekomzu. Die Ursache für diesen Arbeitskampf liegt nun schon eine Weile zurück.

Mitte der neunziger Jahre – unter Zu-stimmung der sich damals noch in Op-position befindlichen SPD – wurde eineweitere Grundgesetzänderung ent-schieden, die zu einer Zerlegung derDeutschen Bundespost in DeutschePost AG, Deutsche Postbank AG undDeutsche Telekom AG führten, die sichnun dem rauen Wind des Neoliberalis-mus stellen mussten. Nicht genug, dassder nun ausgehandelte Kompromisseiner fast 40prozentigen Lohnkürzuggleichkommt, so wurde in den letztengut zehn Jahren die Belegschaft mehrals halbiert.

Warnende Stimmen, öffentlicheDienste privaten Profitinteressen aus-zuliefern gab es seinerzeit zuhaufe –hören wollte sie aber keiner. Dassdurch die Privatisierung der gesamteneinstigen Deutschen Bundespost fast300.000 Arbeitsplätze wegfielen, küm-mert wohl keinen der damaligenGrundgesetzänderer (O. Meyer,Ossietzky 9/2007).

Nach zehnwöchigem Arbeitskampfsetzte sich die Arbeitgeberseite weit-gehend durch: „Wir haben den finanzi-ellen Zielkorridor beim Sparprogrammordentlich getroffen“, so Telekom-Per-sonalchef Thomas Sattelberger. Mittel-fristig wird die Kostenersparnis für dieTelekom wie geplant mindestens 500Mio. Euro pro Jahr betragen. Durch

diesen Kompromiss werden jedochnicht die tatsächlichen Probleme wieetwa der Verlust von zwei MillionenKunden im letzten Jahr einer Lösungzugeführt.

Auf rund 50.000 Beschäftigte derFestnetzsparte T-Com kommen nuntiefe Einschnitte zu. Sie sollen in dreineue Firmen (Callcenter, TechnischerKundendienst und Technische Infra-struktur) versetzt werden. Dort wirdihre Wochenarbeitszeit um vier auf 38Stunden erhöht. Zudem müssen sieGehaltseinbußen von 6,5 Prozent hin-nehmen. Für die ersten 18 Monatewurde jedoch ein Einfrieren der Ein-kommen vereinbart.

Und das für Beschäftigte eines Kon-zerns, der im 1. Quartal 2007 einenReingewinn von 459 Millionen Euroeingefahren hat. Darüber hinaus liegtdie Vermutung nahe, dass dieser fauleKompromiss als Blaupause fürLohndrückerei in anderen Sparten desKonzerns genutzt wird. Gut war dererzielte Abschluss jedoch für die Bör-se: So kletterte die T-Aktie zeitweiseum mehr als zwei Prozent nach oben.Wie blind sind eigentlich Ver.di-Funk-tionäre die meinen, dass durch denKompromiss die Einkommen stabilbleiben. Im Originalton liest sich das so:„Die getroffenen Tarifregelungen si-chern die heute vorhandenen Einkom-

men ab – trotz Reduzierung des Entgelt-niveaus in den neuen Gesellschaften“.

Dieser Ausgang stärkt natürlich denArbeitgebern etwa bei Karstadt-Quel-le in Nürnberg und Leipzig den Rük-ken, um die dort in Angriff genomme-nen Lohnkürzungsprogramme ohnenennenswerten Widerstand der ge-werkschaftlichen Vertretung durchzu-setzen. Doch das Vorgehen des Ma-nagements kommt nicht von ungefähr:Alle großen Konzernchefs brüsten sichdamit, wie durch radikale Lohnein-kommenssenkungsprogramme die Bi-lanzen und insbesondere die Aktienkur-se auf Vordermann gebracht werden.Jedes Zurückweichen der betrieblichenLohnkurve zieht unmittelbar ein Anstei-gen der Aktienkurse nach sich.

Es bedarf daher neuer Organisations-formen, in denen der Mensch in all sei-ner Vielfältigkeit auch wahrgenommenwird. Es war ein Viktor Matejka, derunermüdlich darauf hingewiesen hat,dass der Widerstand gegen das kapi-talistische System täglich zu leisten ist.Dieser Kampf beginnt jedoch bei ei-nem selbst! Es ist erschreckend mitansehen zu müssen, wie sich ehemalskritische Menschen zu unkritischen undunterwürfigen entwickeln. Damit nochnicht genug, geschieht diese Metamor-phose oftmals auch noch freiwillig.

Josef Schmee ist Referent der Wie-ner Arbeiterkammer

Von Josef Schmee

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die Arbeit

die Arbeit 3/07Seite 10

Ablaufdaten undlanger Schatten

Von Manfred Groß

Die Arbeiterkammer ist es, die immer wieder Verstöße gegen die Ablaufdaten-Regelungen im Handel aufdeckt. Dort darf sie, obwohl zum Ärger der geschä-digten KonsumentInnen nie bekannt wird, wer sich die gröbsten Verstöße er-laubt und wem gegenüber Vorsicht am Platz ist. So weit, so schlecht .....

Ganz anders, weil viel transparenter,ist die Sache in der hohen Politik. Dawerden in Wahlkämpfen Versprechenabgegeben und – ganz ohne gesetzli-chen Zwang! – mit Ablaufdaten verse-hen: „In dieser Periode werden wir…!“oder „Wenn wir gewinnen werden wirsofort … in Angriff nehmen!“. Kurzdarauf ist alles schon wieder Schneevon gestern. Die schönen Wahl-prospekte sind Makulatur, und die ausgestylten PolitikerInnengesichtern viaFernsehen fließenden Versprechen ver-puffen wie Wasserdampf im Äther ei-ner schnelllebigen Medienwelt.

Und wieder einmal bleiben die Gut-gläubigen und Geblendeten übrig. Undwieder einmal geht das Gejammer überdie Politiküberdrüssigkeit der Bevölke-rung und ganz besonders der Jugendlos, wobei in der Regel die Wahllügneram eindringlichsten jammern.

Diesmal ist es besonders schlimm mitdem Brechen von Versprechungen,wobei die SPÖ in dieser Disziplin alleRekorde bricht:

• Wir werden den Eurofighter-Vertrag kündigen! („Sozial-fighter statt Teurofighter“ standauf Plakaten)

• Wir werden die Studiengebüh-ren ohne Wenn und Aber wie-der abschaffen! (Dass man zumRegieren einen Koalitionspart-ner braucht, wusste man auchschon vor der Wahl)

• Wir werden eine große Bil-dungsreform mit Gesamtschu-le und verpflichtendem Vor-schuljahr durchführen! (Wassich bisher abzeichnet, sindverpflichtende Sprachstundenfür Kinder mit Migrations-hintergrund im Rahmen desKindergartens)

• Große Steuerreform mit Wie-dereinführung der Vermögens-steuer und Wegfall der„Gruppenbesteuerung“ fürGroßkonzerne zum einen undmassive Entlastung derArbeitnehmerInnen und klei-nen Einkommen zum anderen!(Jetzt schaut es nach weiterermassiver Entlastung der Ver-mögenden und der Konzerneaus, während die Steuer-entlastung unten immer weiterin die Ferne rückt)

• Umfassende Lösung desPflegeproblems: 24-StundenBetreuung soll leistbar werden,illegales Personal soll in dieLegalität geholt und auf KV-Basis entlohnt werden. (Jetztgeht sogar das Begräbnisgeld,das sich viele Alte angesparthaben, tschari, wenn es über5.000 Euro beträgt – und werfür 24-Stunden Betreuung ei-nes Pflegefalls sorgen muss,wird sehen, wie weit er/sie mitdem staatlichen Zuschusskommt...)

Die Liste ließe sich fortsetzen. Undselbst, wenn man einräumt, dass in die-ser Regierungskonstellation sich keinProgramm des Fortschrittes realisierenlässt, so muss sich die SPÖ den Vor-wurf gefallen lassen, dass sie weit da-von entfernt ist, eine „sozialdemokrati-sche Handschrift“ sehen zu lassen, vonder Gusenbauer immer wieder sprach.Statt besagter Handschrift sieht mannur den langen Schatten Schüssels überÖsterreich liegen, dessen reales Ablauf-datum zumindest bedeutend länger zusein scheint, als die Ablaufdaten derSPÖ-Versprechen.

Manfred Groß, gelernter BerufSchriftsetzer, war von 1989 bis2005 GLB-Bundesvorsitzender

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Magazin des GLB

3/07 die Arbeit Seite 11

GLB-Bundeskonferenzmit Schwerpunkt Umverteilung

Inhaltlicher Schwerpunkt der Kon-ferenz war die Haltung des GLB zugewerkschaftsrelevanten Regierungs-themen und die Herstellung vonVerteilungsgerechtigkeit als wichtigstegewerkschaftliche Aufgabe. GLB-Bun-desvorsitzende Karin Antlanger setztesich ausführlich mit Themen wie Ar-beitszeit, Ladenöffnungszeiten, Lohn-politik, Mindestsicherung, Steuerpoli-tik, öffentliches Eigentum und Liberali-sierung auseinander und stellte abschlie-ßend fest: „Als Kernforderungen füreine andere Gewerkschaftspolitik seheich eine Arbeitszeitverkürzung, einengesetzlichen Mindestlohn, eine aktiveLohn- und Gehaltspolitik, die Umver-teilung durch eine andere Steuerpolitikund den Kampf um die Erhaltung desöffentlichen Eigentums“. Die TeilnehmerInnen der Bundes-konferenz beschlossen eine aktualisier-

Als Impuls für die linke Gewerkschaftsbewegung verstand sich die Bun-deskonferenz der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB),die am 23. Juni 2007 in Wien stattfand. GLB-Bundessekretär OliverJonischkeit skizzierte in seiner Begrüßung die turbulente Entwicklung imÖGB in den letzten zwei Jahren und stellte als Resümee fest, dass die Chancefür eine Reform vertan wurde. Der GLB hatte dafür engagiert mitgearbei-tet, seine Vorschläge wurden jedoch einmal mehr von den dominierendenMehrheitsfraktionen nicht aufgegriffen.

te und erweiterte Version des Kurz-programms „Wofür steht der GLB?“mit den Schwerpunktforderungen desGLB. Weiters wurden Resolutionenmit der Forderung nach einem gesetz-lichen Mindestlohn von acht Euro proStunde, gegen die Sonntagsöffnung undAusweitung der Öffnungszeiten imHandel, gegen die weitere Flexibilisie-rung der Arbeitszeit und damit verbun-den zur Unterstützung einer fraktions-übergreifenden Initiative, weiters zurAblehnung des EU-Grünbuches Ar-beitsrecht und dem damit verbundenenFlexicurity-Konzept und zur Pflege-thematik beschlossen. Einen wichtigen inhaltlichen Impulsverbunden mit einer angeregten Debat-te verschaffte der Konferenz dieInnsbrucker Politologin AlexandraWeiss, die sich mit der Thematik derGewerkschaftspolitik unter den Bedin-

gungen des Neoliberalismus auseinan-dersetzte. Weiss zeigte dabei auf, dassder an sich positiv besetzte Begriff derEigenverantwortung unter den Bedin-gungen des Neoliberalismus völlig de-formiert und als Vehikel zur Zerstörungdes Sozialstaates missbraucht wird.Weiters beleuchtete sie insbesondereauch das Verhältnis zwischen Gewerk-schaften und Feminismus und stellte alsSchlussfolgerung fest: „Auch für dieGewerkschaften als soziale Bewegunggilt die Kernthese des Feminismus,wonach das Private politisch ist.“ Die Bundeskonferenz wählte eineneue Bundesleitung mit 16 und eineBundeskontrolle mit fünf Mitgliedern.Als Bundesvorsitzende wurde die Ju-ristin und Sozialpädagogin KarinAntlanger (BRV EXIT-sozial Linz,Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes)bestätigt. Als StellvertreterInnen wur-den der Koch Josef Stingl (GLB-Spre-cher Tirol), die Angestellte BarbaraBuchacher-Kundi (Mitglied des ÖGB-Bundesfrauenausschusses) und derLokführer Werner Beier (BR ÖBB-Traktion Ost, Mitglied des Vida-Vor-standes) gewählt. Der ÖGB-SekretärOliver Jonischkeit wurde als GLB-Bundessekretär in seiner Funktion be-stätigt.

Mag. Karin AntlangerBundesvorsitzende des GLB

Rege Mitarbeit gab es von den TeinehmerInnen bei derBundeskonferenz des GLB

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die Arbeit

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Freiheitdurch Eigenverantwortung? Eigenverantwortung ist an sich ein positiver Begriff, der eigenständiges Han-deln, die Verantwortlichkeit dafür, Selbstbestimmung oder Selbstverwirklichungund in diesem Sinn Freiheit bezeichnet oder bezeichnen kann. Was meint aber derBegriff der Eigenverantwortung und Freiheit heute, im Zuge der neoliberalenUmformung von Ökonomie, Politik und Gesellschaft? Unter den gegenwärtigenBedingungen verbreitet der Begriff Unsicherheit, ist er doch vor allem als Kampf-ansage an den Sozialstaat, an Solidarität und soziale Gerechtigkeit zu verstehen.

Vergessen wird dabei: Wo immerMenschen für Freiheit gekämpft haben,haben sie den Weg dazu gleichzeitig im-mer auch mit sozialer Gleichheit bzw.dem Kampf gegen Privilegien verbun-den. Der französische TheoretikerEtienne Balibar hat deshalb den Begriffder Gleichfreiheit (egaliberté) vorge-schlagen – denn in der „Erklärung derMenschen- und Bürgerrechte“ von1789 werden diese beiden Begriffe, soBalibar, für identisch erklärt: „Jeder istgenau das ‚Maß’ des anderen.“

Heute wird von einer voraussetzungs-losen Freiheit ausgegangen. Eine Frei-heit ohne Gleichheit ist aber keine Frei-heit oder sie ist nur eine Freiheit fürwenige bzw. für jene, die Freiheit nichtjenseits ökonomischer Macht verste-hen können. Diese Freiheit ist nichtmehr verbunden mit einer Vision überdie Gesellschaft und darüber wie Men-schen zusammen leben sollen, es han-delt sich dabei vielmehr um eine aso-ziale, bezugslose Freiheit.

Nun ist der Sozialstaat einmal ange-treten, wenn schon nicht eine gesell-schaftliche Utopie umzusetzen, so dochzumindest ein gewisses Maß an Gleich-heit und allgemeine gesellschaftlicheTeilhabe herzustellen. Aber selbstver-ständlich waren auch hier nicht alle ge-meint.

Vom Fordismus zum Postfordismus:eine maskulinistische Wende

Der sozialstaatliche Kapitalismus derNachkriegsjahrzehnte ging mit einemhohen Grad an staatlicher Wirtschafts-steuerung, einer Anerkennung der Ge-werkschaften, der Institutionalisierungdes Klassenkompromisses im Rahmenkorporatistischer (sozialpartner-schaftlicher) Systeme und einer Verall-gemeinerung einer spezifischen Le-bensweise, der Familienerhaltern-/Hausfrauen-Ehe einher. Derfordistische Staat ging also erstmals miteiner Inklusion der ArbeiterInnenklasseeinher – der Staat wird ein Staat desgesamten Volkes. Der Klassen-kompromiss ist aber auch alsKompromiss zwischen Männern bzw.Männerbünden zu betrachten und vordiesem Hintergrund hat der Sozialstaatvon Beginn an eine „geschlechtsspezi-fische Schlagseite“, die auch durchReformen in den 1970er und 1980erJahren nur ansatzweise ausgeglichenwerden konnten. Die tiefe Ambivalenzvon Männern (nicht nur) in Gewerk-schaften gegenüber der Erwerbstätig-keit von Frauen wurde prägend für dasSystem und durchzieht gewerkschaft-liche Politik bis heute.

Frauenarbeit (im Beruf und im Haus)und Fraueninteressen wurden und wer-

den aus dem politischen Diskurs aus-geklammert und ins Private abgescho-ben. Dadurch wird nicht nur die Arbeitvon Frauen ignoriert, es wird auch diespezifische Funktionsweise kapitalisti-scher Produktion, die auch auf unbe-zahlter Arbeit beruht, nicht erfasst. Der„proletarische Patriarchalismus“ derArbeiter- und Gewerkschaftsbewe-gung ist so mitverantwortlich für gerin-ge Fraueneinkommen, da Frauenarbeitgrundsätzlich als Zuarbeit und unquali-fizierte Arbeit eingestuft wurde. In Be-zug auf ihre soziale Sicherheit werdensie auf ein persönliches Abhängigkeits-verhältnis zu einem Mann verwiesenund in diesem Sinn behandelt der So-zialstaat Frauen nicht als autonome In-dividuen, sondern als Ehefrauen undMütter.

Mit der Krise des Fordismus und desSozialstaates wurden die einsetzendengeschlechterpolitischen Reformen imAnsatz erstickt. Der Abbau des Sozial-staates und die Reprivatisierung sozia-ler Dienste gehen in erster Linie zu La-sten der Frauen. Zum einen sind siegerade in Hinblick auf Betreuungs-dienste vom Sozialstaat abhängig, zumanderen richten sich die Appelle zurÜbernahme sozialer Verantwortung inder so genannten Bürgergesellschaft vorallem an sie: Frauen sollen denSozialstaatsabbau sozial verträglichgestalten.

Von Alexandra Weiss

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Konsequenzen und Perspektiven

Globalisierung und die Neustruktu-rierung der Arbeitsverhältnisse stellenGewerkschaften nun vor wachsendeProbleme. Die Arbeitgeberseite ist be-weglicher geworden und kannStandortverlagerungen leichter vorneh-men oder zumindest als Druckmitteleinsetzen. Verschärft wird der Macht-verlust der Gewerkschaften noch durchdie relativ hohe Arbeitslosigkeit.

Mit der Atypisierung von Arbeitsver-hältnissen ist es zudem zu einer Auf-spaltung von Interessenlagen gekom-men, die schwieriger zu organisierensind. Alternative Instrumente derInteressendurchsetzung konnten sich inGewerkschaften bislang aber kaumdurchsetzen. Vielmehr stehen wir der-zeit noch vor der Situation, dass dasProblem an sich kaum wirklich ange-gangen wurde. Hintergrund dafür dürftenicht zuletzt der Umstand sein, dass dieatypischen oder prekären Arbeitsver-hältnisse überwiegend von Frauen ein-genommen werden. Da diemaskulinistisch agierenden Gewerk-schaften Frauenarbeit immer schon nurals Zuarbeit verstanden haben, zielt ihrePolitik auch wenig auf die Problema-tik, die dieser Entwicklung innewohnt.

Um dem entgegenzuwirkendürfen sich Gewerkschaftennicht auf die vermeintlichenKernfragen gewerkschaftlicherPolitik reduzieren lassen. Ge-werkschaften waren sozialeBewegungen, die angetretensind die Lebenssituation derArbeiterInnen zu verbessernund für eine gerechte Gesell-schaft zu kämpfen. D.h. es gehtnicht „nur“ um die Arbeitszeit,Lohnerhöhungen, Betriebsver-einbarungen usw. Es geht umviel mehr – nämlich um die Fra-ge, wie wir leben wollen.

Der Machtverlust der Ge-werkschaften macht heute mehrdenn je ein Agieren notwendig,das mehr jenem einer sozialenBewegung ähnelt, als dem ei-ner quasi-staatlichen Institution.Und dies ginge nicht zuletzt mitanderen Formen der Politik undanderen Politikinhalten einher.Eine umfassende Politik, wie sievon der Arbeiterbewegung undder Frauenbewegung betriebenwurde, die zugleich auf Gesell-schaft, Politik und Ökonomieabzielt, müssen sich Gewerk-schaften – auch in Verbindungmit anderen politischenAkteurInnen – wieder verstärktzu eigen machen.

Der spanische SoziologeAdolfo Paramio schrieb An-fang der 1980er Jahre: „DieHegemonie der Gewerk-schaften wird davon abhän-gen, ob die Forderungen derFrauenbewegung [und desAnti-Rassismus, Anm. A.W.]integriert werden.“ Wird die-se Integration ernsthaft betrie-ben, kann dies nicht, wie der-zeit in Form von abgesonder-ten und nicht in die Machtzen-

tren integrierten Frauenabteilungen ge-schehen, sondern im Kern der Orga-nisation und der Politik; sonst wird einePolitik des „Teile und Herrsche“ fort-gesetzt. Denn die Trennung von Zusam-menhängen war immer schon ein In-strument der Stabilisierung vonHerrschafts- und Gewaltverhältnissen.In diesem Sinn geht es auch um dieAneignung einer „Hauptthese“ des Fe-minismus: „Das Private ist politisch!“

Alexandra Weiss ist Politologinund freie Wissenschafterin, derzeitim Büro für Gleichstellung undGender Studies der UniversitätInnsbruck tätig und Lektorin anverschiedenen Universitätsinstitu-ten und Fachhochschulen, Vor-standsmitglied des ArbeitskreisesEmanzipation und Partnerschaftund der Michael-Gaismair-Gesell-schaft

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die Arbeit 3/07Seite 14

Mindestlohn: Acht Euro pro Stunde

Die Löhne bleiben zurück

Die Löhne sind in Österreich in denletzten zehn Jahren real nur um magere2,8 Prozent gestiegen (zum Vergleichin Schweden um 25,4 Prozent). Die sin-kende Lohnquote illustriert das Zu-rückbleiben der Löhne bei gleichzeitigsteigenden Gewinnen und Vermögenanschaulich.

Die Kosten für Wohnen, Energie undandere Grundbedürfnisse steigen hin-gegen überdurchschnittlich, Bezieher-Innen kleiner Einkommen sind davonbesonders stark betroffen, gerade ihreEinkommen bleiben aber zurück.

Immer mehr Menschen sind prekär(Teilzeit, geringfügig usw.) beschäftigt.Sie sind doppelt betroffen: Durch zugeringe Stundenanzahl und zu niedri-gem Lohn. Immer mehr Menschenkommen mit ihrem Einkommen immerweniger aus und werden von einer an-gemessenen Lebensführung ausge-schlossen und damit grundlegenderMenschenrechte beraubt.

Arm trotz Vollzeitarbeit

Ein Grundgedanke des Sozialstaates,dass Menschen ohne Vermögen we-nigstens durch ihre Arbeit am Zuwachsdes gesellschaftlichen Reichtums betei-ligt werden, wird immer mehr ausge-schaltet. Viele müssen Zusatzjobs annehmen,um über die Runden zu kommen. Be-sonders betroffen von niedrigen Löh-nen sind Frauen, Beschäftigte in Klein-betrieben und im Dienstleistungsbe-reich.

Wenn es um die Löhne geht, schaltendie Unternehmer die geheiligten Grund-sätze des Wettbewerbs aus. Am lieb-sten hätten sie möglichst viele Niedrig-löhne und behaupten dazu noch zy-nisch, damit würden mehr Arbeitsplät-ze geschaffen.

Damit es zum Leben reicht, soll derStaat durch Kombilöhne oder die ge-plante bedarfsorientierte Mindest-sicherung nach dem Vorbild von „HartzIV“ in Deutschland auf Kosten derSteuerzahlerInnen draufzahlen.

Ein Mindestlohn ist finanzierbar

Während die Löhne stagnieren, stei-gen die Profite und Millionenvermögenin astronomische Höhen. Ein Prozentder Bevölkerung besitzt ein Drittel desVermögens, weitere neun Prozent daszweite Drittel, die restlichen 90 Pro-zent müssen sich das letzte Drittel tei-len.

Den 67.700 MillionärInnen stehen1,2 Millionen armutsgefährdete Men-schen gegenüber, die weniger als 848Euro monatlich zum Leben haben.235.000 Menschen verdienen trotzVollzeitarbeit sowenig, dass sie armuts-gefährdet sind.

Österreich ist das fünftreichste Landder EU. Die Produktivität der Wirt-schaft hat durch die Leistung der Be-schäftigten eine beispiellose Rekordhö-he erreicht. Ein Lohn, der zur Existenz-sicherung reicht, ist also finanzierbar.

Eine Vollzeiterwerbsarbeit muss eineeigenständige Existenzsicherung er-möglichen.

Warum ein Mindestlohnper Gesetz?

Die Gewerkschaften haben sichsozialpartnerschaftlich den Standort-wünschen der Unternehmerseiteangepasst und damit in der Lohnpoli-tik versagt. Prozentuelle Lohnabschlüs-se haben die Schere zwischen kleinenund großen Einkommen vergrößert.

Nicht einmal der von der Regierungangekündigte Mindestlohn von tausendEuro brutto (das sind magere 5,95 Europro Stunde bzw. 820 Euro netto mo-natlich) ist per General-Kollektivver-trag für alle Branchen durchsetzbar. Nurbranchenweise und erst in einigen Jah-ren soll er kommen.

In 18 der 25 EU-Länder gibt es be-reits einen gesetzlichen Mindestlohn, soetwa in Luxemburg (9,08 Euro proStunde), Irland (8,30), Frankreich(8,27), den Niederlanden (8,13),Großbritannien (7,96) und Belgien(7,93). Ein solcher Mindestlohn warnirgends schädlich für die Beschäfti-gung, im Gegenteil wurden Lohnunter-schiede und die Benachteiligung derFrauen reduziert.

Ein Mindestlohn stellt dieKollektivvertragshoheit der Gewerk-schaften nicht in Frage. Er unterstütztdiese im Gegenteil sogar, weil er auchin jenen Branchen und Betrieben woes keine Gewerkschaften gibt Mindest-standards durchsetzt.

„Wir fordern daher die GewerkschafterInnen im Nationalrat auf, miteinem Initiativantrag für die rasche Einführung eines gesetzlichen Min-destlohnes von acht Euro pro Stunde tätig zu werden, der jährlich valo-risiert wird.“ fordert die GLB-Bundeskonferenz vom 23. Juni 2007. Füreine solche Forderung gibt es recht einleuchtende Begründungen:

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Von den Regierungenist nichts zu erwarten Die Massensteuern auf Löhne und Konsum bescheren denFinanzministern jährlich Rekordeinnahmen. Durch die Pro-gression rutschen immer mehr Lohnsteuerpflichtige in höhe-re Steuerstufen. Die Profit- und Privilegierteneinkommenhaben unzählige Schlupflöcher – abgesehen von dermilliardenschweren Schonung der Konzern- undSpekulationsprofite. Die Gruppenbesteuerung der Konzer-ne abzuschaffen, brächte laut SP-Matznetter (Juli 2006)jährlich 600 bis 700 Mio. Euro. Gusenbauer lobt im Juni2007 die Gruppenbesteuerung…

Eine Steuerreform, die nur innerhalb der Lohnabhängigenumverteilt, was sie selbst eingezahlt haben, würde dasGesamtniveau der Belastungen weiter steigen lassen, dasKapital und die Millionenkassierer aber nach wie vor scho-nen. Genau dort liegen die aus minderbezahlter Lohnarbeitaufgehäuften Profite und dürfen handelsbarrierenfrei ver-frachtet werden, um neuerlich lohndrückend wirksam zuwerden. So gesehen ist die Negativsteuer eine indirekteSubventionierung von Unternehmern.

Von den Regierungen ist nichts zu erwarten, es sei denn,die Gewerkschaften - und unter ihrer Führung die MillionenBetroffenen - nehmen den Kampf auf beiden Seiten auf:sowohl für Masseneinkommen, die zum Leben reichen undobendrein konjunkturwirksam sind, als auch für eine Steu-erpolitik, die eine soziale Reform der Abschöpfung, also eineUmverteilung von ganz oben nach unten zum Ziel hat.

Von Hubert Schmiedbauer ist Journalist in Wien

Initiative gegenArbeitszeitverlängerung Die überfraktionelle „Initiative für einen kämpferischen unddemokratischen ÖGB“ hat eine Kampagne gegenArbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung gestartet. In ei-ner dazu an den ÖGB gerichteten Resolution heißt es:„Wir protestieren gegen die Sozialpartnereinigung zurArbeitszeitverlängerung und -flexibilisierung, die nun in Ge-setzesform vorliegt. Die aktuelle Einigung birgt weitere Be-lastungen für ArbeitnehmerInnen: Über den Kollektivver-trag, über Betriebsvereinbarungen und in manchen Fällensogar über Einzelvereinbarung sollen über sehr lange Zeit-räume extrem belastende Arbeitszeiten möglich werden, ohnedass diese durch Geld oder Freizeit besonders vergütetwerden.

Es nutzt den ArbeitnehmerInnen wenig, dass die gesetzli-che Normalarbeitszeit grundsätzlich gleich bleibt, wenngleichzeitig auf den anderen Ebenen die Arbeitszeit so mas-siv flexibilisiert und ausgeweitet wird. Durch den vorliegen-den Gesetzesentwurf könnte es für noch viel mehr Beschäf-tigte zur Realität werden, 10 oder sogar 12 Stunden proTag arbeiten zu müssen.

Eine weitere Erhöhung der täglichen und/oder wöchentli-chen Arbeitszeit würde bei vielen ArbeiterInnen und Ange-stellten zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen,und ist gesellschaftspolitisch hinsichtlich der hohen Arbeits-losenzahlen der falsche Weg! Stattdessen verlangen wirUnterzeichnerInnen:1. Die Arbeitszeitregelungen müssen neu verhandelt wer-den!2. Die GewerkschafterInnen im Parlament sollen der aktu-ellen Gesetzesvorlage ihre Zustimmung verweigern!3. Der ÖGB als unsere Interessensvertretung muss politi-schen Druck für eine Verbesserung der Arbeitszeitregelun-gen ausüben und darf dabei die Auseinandersetzung mitWirtschaft und Regierung nicht scheuen. Der ÖGB und die

Teilgewerkschaften müssen sich endlich für die seit Jahr-zehnten gültigen Beschlüsse zu Arbeitszeitverkürzung bei vol-lem Lohn einsetzen!“Informationen dazu gibt es unter [email protected]

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die Arbeit

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Was hat Erziehung

Ist politisches Bewusstsein schädlich für Kinder? Kann man ohne Poli-tik besser erziehen?

mit Politik zu tun?

rer Kinder. Ohne politischesBewusstsein sind wir orientierungs-los und manipulierbar. Es bedarf ei-nes Verantwortungsgefühls und derBereitschaft sich selbst in Frage zustellen, um Kindern zu helfen,selbstbewusste Erwachsene zu wer-den, die sich gegen Unterdrückungund Manipulation wehren.

Der Psychoanalytiker Horst Eber-hard Richter* schreibt: „Wenn manPhänomene wie die willfährige Teil-nahme von einzelnen, von Gruppen,von ganzen Völkern an unmenschli-chen Verbrechen in der Geschichtebesser verstehen und vor allem, wennman in der Erziehung solchen Gefah-ren besser vorbeugen will, muss mankünftig zweifellos den sozial-psychologischen Bedingungen mora-lischen Verhaltens sehr viel mehr Auf-merksamkeit als bisher schenken. …In einer neuen Erziehung müssten diegrößten Energien darauf verwendetwerden, dem jungen Menschen sei-ne gefährliche Bereitschaft deutlicherzu machen, sich hörig äußeren Auto-ritäten zu unterwerfen, die sich ihmals Substitut für seine Gewissens-instanz allenthalben anbieten.“

Daher ist „raushalten und nichts tun“gefährlich, denn die gesellschaftspo-litischen Einflüsse auf unsere Kindersind nicht zu unterschätzen. Dauerndwerden Jugendliche vor Sex und

Von Anna-Erika Paseka

In einer Diskussion brachte ich den Zu-sammenhang von Politik und Erziehungins Gespräch. „Politik hat doch mit Er-ziehung nichts zu tun!“, war die empörteReaktion. Gleichzeitig teilte meinte Dis-kussionspartnerin mit Stolz mit, dass sieselbst unpolitisch sei. Und überhaupt –Politik sei nicht wichtig im Leben, sie hätteohnehin Sorgen genug. Sie wechselte dasThema und erzählte verärgert, dass eineStudienkollegin, die bereits in Pension ist,den JungstudentInnen die ohnehin rar ge-wordenen Studienplätze „wegnimmt“!

In ihrer Ansicht über Erziehung und ih-rer Verachtung für ältere Menschen, diesich - ohne an Geld und Karriere zu den-ken - weiterbilden wollen, stecken ver-borgene politische Forderungen. Schein-bares politisches und gesellschaftlichesDesinteresse dient der Verschleierung ei-gener Machtinteressen. Einen Verletz-ten auf der Straße unversorgt liegen zulassen, ist eine unterlassene Hilfeleistungund damit ein strafbarer Tatbestand. Un-seren Kindern die bestimmende Rolle vonWirtschaft und Politik zu verschweigenkommt dem gleich. Die Bildung einespolitischen Bewusstseins braucht Anre-gungen durch kompetente Vorbilder.

Wer glaubt sich der Manipulation durchFührungskräfte entziehen zu können, ka-pituliert vor der Macht. Solche Menschennehmen sich selbst nicht ernst, respek-tieren weder sich noch ihre Kinder. Sieverraten ihre eigenen und die Rechte ih-

Drogen gewarnt, aber kapitalistischeMenschenverachtung bleibt unerwähntoder wird sogar befürwortet: „Geiz istgeil“, „Das rechnet sich nicht“, „Betrie-be müssen Profit machen!“. Diesen ge-zielten Beeinflussungen setzen wir nichtsentgegen. Aber wer schweigt, stimmtzu. Andere brüllen umso mehr. Den-ken wir an das „Wir-Gefühl“(neo)nazistischer Gruppen. Wenn wirnicht neue Opfer und Täter schaffenwollen, müssen wir Erfahrungen undErkenntnisse weitergeben und nicht denOpa schützen, der bei der SS war.

Eine linke Gesellschaftsanalyse kannJugendlichen helfen, die ständigen Lü-gen und Verschleierungen zu durch-schauen. Aber wir müssen mit ihnendarüber reden. Wer von uns traut sichzu sagen: „Eine Erziehung ohne Sozia-lismus geht schief! Rede mit DeinenKindern über Karl Marx.“ Die katho-lische Kirche traut sich was und pla-katiert: „Eine Erziehung ohne Gott gehtschief! Redet über Gott.“ Es reichtnicht, Kinder vor dem vermeintlich„Bösen“ zu schützen, in dem man siebehütet, sie fernhält, ohne sie über dieZusammenhänge von Wirtschaft – Po-litik – Staat zu informieren. Damit hältman sie klein, unmündig und manipu-lierbar.* Horst Eberhard Richter, Flüchtenoder Standhalten, Gießen:Psychosozial-Verlag, 2001

Anna-Erika Paseka ist Mitglied desGLB/GPA-DJP und der Redaktion„Die Arbeit“

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Magazin des GLB

3/07 die Arbeit Seite 17

EM-Sonntage für Fußball– nicht für den Handel

Ein Jahr vor dem angeblichen „Jahrhundertereignis“, der Fußball-EMin der Schweiz und Österreich und kurz nach Abschluss des nicht geraderühmlichen Event-KV im Handel (die Arbeit nach 21 Uhr ist dann natür-lich freiwillig, die Praxis erleben wir jährlich am 8. Dezember) droht nunein weiterer „sozialpartnerschaftlicher“ Angriff auf die Interessen derHandelsangestellten.

Bereits vor etlichen Wochen disku-tierte eine Arbeitsgruppe während ei-ner Sitzung des GPA-Bundesvorstan-des darüber, ob und wie während des„Jahrhundertereignisses Fußball-EM“eine Sonntagsöffnung an den EM-Spielorten auch für die Gewerkschaftvorstellbar wäre. Dabei wurde die glor-reiche Idee geboren, dass dies nur dannder Fall sein dürfe, wenn etwa dieLandeshauptleute schriftlich erklären,dass kein weiterer Unfug mit derSonntagsöffnung betrieben wird. Wenndies die GPA bereits beruhigt, könnensich die Handelsangestellten ja schonauf einiges gefasst machen. Kurz nachder GPA-internen Diskussion meldetesich auch schon die WienerVizebürgermeisterin Brauner zu Wortund forderte, die Geschäfte an diesenTagen zu öffnen.

Das will nun plötzlich auch derWörgler Bürgermeister – obwohl dortdie EM gar nicht ausgetragen wird, aberein EM-Event mittels Großleinwandlässt sich natürlich auch dort schnell or-ganisieren. Wie in vielen anderen öster-reichischen Städten auch.

Wenn die Gewerkschaft dieSonntagsöffnung bei der Fußball-EMzulässt, obwohl diese von ca. 80 Pro-zent der VerkäuferInnen abgelehnt wird,wie sie selbst zugibt, werden viele wei-tere „Jahrhundertereignisse“ die Folgesein – von der „Kulturhauptstadt Linz“angefangen bis zu den einzigartigenFeuerwehrfestln auf dem Land. Die„Büchse der Pandora“ wäre damit ge-öffnet und wir wären einen großenSchritt weiter in Richtung „rund um die

Von Oliver Jonischkeit

Uhr“-Öffnung im Handel, von dem v.a.die großen Einkaufszentren und Han-delsketten profitieren und weiterenkleinen Geschäften den Garaus machenwürden. Mit allen Folgen für die Ver-sorgung vor Ort. Ganz zu schweigenvon den Folgen für die im Handel Be-schäftigten, denen ein geregeltes Fami-lien- und Privatleben damit unmöglichgemacht würde.

Ausgerechnet die GPA würde damitdie gerade auch von ihr wesentlich ge-tragene „Allianz für den arbeitsfreienSonntag“ entscheidend schwächen. DieGPA ist gut beraten, sich an den Inter-essen der Handelsangestellten zu ori-entieren, die den arbeitsfreien Sonntagauch während der EM wollen. Ent-sprechenden Begehrlichkeiten der Un-ternehmen, von Landeshauptleuten undBürgermeisterInnen, muss entschiede-ner Widerstand statt „sozial-partnerschaftlicher Lösungen“ entge-gengesetzt werden. Der GLB in derGPA lehnt die Sonntagsöffnung im Han-del vor, während und nach der EM je-denfalls entschieden ab.

Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekre-tär und Bundessekretär des GLB

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Seite 18 die Arbeit 3/07

die Arbeit

Die billige Sicherheit

Man trifft sie in Kaufhäusern, in Parks, Stadien, Einkaufspassagen, Bahnhöfenund Zügen. Sie bewachen Lagerhallen, Firmengelände und Geschäfte. Sie beglei-ten Geldtransporte, überwachen Parkplätze und selbst wenn die Caritas Zuschüs-se verteilt kommt man ohne sie nicht aus.

Das private Sicherheitsgewerbe be-findet sich seit einigen Jahren im Auf-schwung. Die Ausgliederung vonSicherheitsaufgaben aus dem öffentli-chen Bereich führt zu einem deutlichenAnstieg der Beschäftigungen. Aufgrundder wachsenden Sicherheitsbedürfnis-se wird sich nach Ansicht derBranchenexperten dieser Trend weiterfortsetzen. Das private Sicherheits-gewerbe ergänzt die öffentliche Sicher-heit in steigendem Ausmaß.ExpertInnen aus der Sicherheits-branche sehen in diesen Bereichen auchin den kommenden Jahren ein großesPotenzial. Derzeit kommen in Öster-reich etwa 25 private Sicherheitskräf-te auf 100 PolizistInnen.

Weitere Ursachen für die steigendeNachfrage nach privaten Sicher-heitsdienstleistungen sind die erhöhtenSicherheits- und Überwachungs-bedürfnisse sowie das erhöhte Sicher-heitsbewusstsein von Unternehmen,öffentlichen Einrichtungen und Einzel-personen. Auch der Staat beschäftigtprivates Sicherheitspersonal, beispiels-weise bei der Überwachung von Bun-desministerien oder Gerichtseingängen.Eine große Nachfrage wird auch beiAlarm- und Videoüberwach-ungsanlagen, die mit privaten NotrufService Centern verbunden sind, ver-

zeichnet. Stark im Kommen ist zudemder Veranstaltungsschutz. Auch dieÖsterreichischen Bundesbahnen besit-zen mittlerweile mit ihrer Tochtergesell-schaft „Mungos Sicher und SauberGmbH & Co KG“ einen eigenen Si-cherheitsdienst, der einerseits für dasSicherheitsgefühl auf den Bahnhöfen,aber auch für Serviceleistungen amBahnkunden verantwortlich zeichnet.Unbescholtenheit und Zuverlässigkeitsind wesentliche Voraussetzungen fürBeschäftigte in diesem Berufsfeld. Aberauch Flexibilität in Bezug auf die ver-schiedenen Aufgabenbereiche, sowiedie Bereitschaft bei Bedarf kurzfristigTätigkeiten zu übernehmen, sind Vor-aussetzungen im Job. Aufgrund dervermehrten Nachfrage von Sicherheits-dienstleistungen mit umfassendem Ser-viceangebot haben sich die Aufgabenvom reinen Überwachen auf Zusatz-dienste, wie Hilfe bei technischen Stö-rungen, Erste-Hilfe-Leistungen, Feuer-bekämpfung etc. ausgedehnt. Die Fuß-ball-Europameisterschaft 2008 bedeu-tet eine weiter Aufgabenstellung für diePrivaten. Kommunikations- undProblemlösungsfähigkeit sowie Fremd-sprachen-Kenntnisse sind Anforder-ungskriterien für den Job. Mit diesenVeränderungen sind die Anforderungenan das Sicherheitspersonal enorm ge-stiegen.

Für diese im Bewachungs- und Si-cherheitsbereich tätigen Menschen, vondenen ein hohes Maß an Verantwor-tung erwartet wird, ja denen man auchden Schutz unserer Mitmenschen undunseres Vermögens anvertraut, gibt esauch einen Kollektivvertrag. Dieserdürfte vermutlich einer der Schlechte-sten in Österreich sein. Zwischen1.000.- und 1.250 Euro beläuft sichdas Bruttoeinkommen eines im Wach-dienst oder Service und Sicherheits-dienst beschäftigten Mitarbeiters, so-fern er das Glück einer Vollbeschäfti-gung hat.

Zulagen gibt es auch. Für den Nacht-dienst immerhin 30 Cent je Stunde, fürden Sonntag nichts. Sonderzahlungenwie Urlaubszuschuss oder Weihnachts-remuneration betragen erst ab demzweiten Dienstjahr 4,33 Wochenlöhne,darunter drei Wochenlöhne. Um einhalbwegs erträgliches Einkommen zuerreichen, werden bis zu 250 Stundenvon den Mitarbeitern privater Sicher-heitsdienste monatlich geleistet – immerabrufbar – moderne Sklaven.

Franz Grün ist ÖBB-Bediensteter,Kontrollmitglied der GewerkschaftVida und Landessekretär des GLB-Vida Steiermark

Von Franz Grün

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Seite 193/07 die Arbeit

Magazin des GLB

Flexicurity - neuer Angriffder EU auf die Beschäftigtenim Herbst

Katholische Aktiongegen Sonntags-öffnung – GPA ver-handelt

Ende Juni demonstrierte dieGPA-DJP-Jugend in Wien gegendie Sonntagsarbeit für Lehrlinge beider Fußball-EM 08. Der GLB hatdiese Kundgebung unterstützt, al-lerdings gleichzeitig vor „kreativensozialpartner-schaftlichen Lösun-gen“ gewarnt, die ein Aufsperrender Geschäfte an EM-Sonntagenzum Ziel haben. Die Warnung warwohl gerechtfertigt – sagte dochder stv. GPA-GeschäftsführerProyer anlässlich dieser Kundge-bung, „sollten Politik und Wirt-schaft während der Euro 2008 eineAusnahme vereinbaren, so sindkollektivvertragliche Rahmenbe-dingungen unumgänglich“. Laut derTageszeitung „die Presse“ findendie entsprechenden Gespräche imHintergrund bereits statt.

So sieht also die Unterstützungder GPA-Führung für die Handels-angestellten, von denen die wenig-sten am Sonntag arbeiten wollen,und für die immer wieder auch vonder GPA hochgelobte „Allianz fürden freien Sonntag“ aus.

Während die GPA über Rahmen-bedingungen verhandeln will, hatdie Katholische Aktion der Erzdi-özese Wien eine Kampagne ge-startet – mit dem Ziel, die Öffnungder Geschäfte an den vier Sonnta-gen während der EM zu verhin-dern. Unterschriftenlisten könnenunter http://www.ka-wien.at her-untergeladen werden. Stellt sichalso die Frage, wer nun die Inter-essen der Handelsangestellten ver-tritt: die GPA-Führung oder dieKirche?

Von Oliver Jonischkeit

Bereits im Januar letzten Jahres gab es vom für Beschäftigung zustän-digen EU-Kommissar Spidla großes Lob für die damalige österreichi-sche Bundesregierung und Minister Bartenstein: „Wir können viel vonÖsterreich lernen. Österreich ist es gelungen, durch „Flexicurity“Arbeitsmarktflexibilität und soziale Sicherheit miteinander zu verbin-den“, so Spidla im Rahmen einer informellen Ministertagung im Rah-men der EU-Präsidentschaft Österreichs.

So viel Lob tut gut – und so empfiehltÖGB-Präsident Hundstorfer, „die be-ste Gewähr für ausgewogene Lösun-gen im Sinne der Flexicurity bieten jene,die die Sozialpartner autonom aus-verhandeln“. Das Gerede von der mitder verstärkten Flexibilität des Arbeits-marktes verbundenen sozialen Sicher-heit dürfte wohl eher der Beruhigungder Gewerkschaften dienen, wie diebisherige Erfahrung mit der immer wie-der heraufbeschworenen Notwendig-keit einer „Beschäftigungs- und Sozial-union“ zeigt. Gerne wird dafür das „dänische Mo-dell“ herangezogen – mit der Möglich-keit, Beschäftigte rasch zu kündigen,die dafür aber bis zu 90 Prozent desletzten Bezugs als Arbeitslosengeld er-halten. Beides ist so nicht ganz richtig– auch in Dänemark gibt es Regelun-gen zum Kündigungsschutz, allerdingswird dies dort in den Tarifverträgenausverhandelt. Und 90 Prozent Ar-beitslosengeld erhalten nur wenige ausdem Niedriglohnbereich, da alle ande-ren rasch die dafür festgesetztenBezugsgrenzen überschreiten. Bereits heute gelten EU-weit 40 Pro-zent der Arbeitsverhältnisse als atypisch– sei es in Form von Teilzeit, geringfü-giger Beschäftigung, Werkverträgen,Leiharbeit etc. – der Kreativität sindhier kaum Grenzen gesetzt. Betroffensind davon vor allem Frauen. Weiterssteigt der Anteil der „Schein-

selbständigen“, auf die Betriebe undKonzerne das „Unternehmerrisiko“abwälzen. Wenn nun flexible Arbeitsformen mitFlexicurity weiter forciert werden sol-len, so bedeutet das letztlich auf EU-Ebene die gesetzliche Verankerung derAbweichung vom bisherigen, ohnehinschwindenden „Standardarbeits-modell“ und der weiteren Flucht ausdem Arbeitsrecht. Immerhin stellt der ÖGB in seinerStellungnahme zum EU-Grünbuch Ar-beitsrecht fest: „Unser Kernanliegen istdie Einbeziehung aller wirtschaftlich ab-hängig Beschäftigten in den Schutz-bereich des Arbeitsrechts. Das wäreein wirksamer Schritt gegen die zuneh-mende Umgehung sozialer Standardsund die rasante Zunahme prekärer Be-schäftigungsverhältnisse in ganz Euro-pa“, so ÖGB-Präsident Hundstorfer.Das wird mit der in der Realität ohne-hin nicht vorhandenen „Sozialpartner-schaft“ allerdings nicht zu erreichen sein– dazu bedarf es des massiven Wider-standes der europäischen Gewerk-schaften gegen das Flexicurity-Modell,das – wie auch das gesamte EU-Grün-buch Arbeitsrecht eher das Gegenteilanstrebt. Und die Zeit drängt – immer-hin soll es auf EU-Ebene bezüglich desFlexicurity-Modells bereits bis Jahres-ende zu einer Einigung kommen.Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekretärund Bundessekretär des GLB

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die Arbeit

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Von Siegfried Pötscher

Arbeitsrecht-Tipp: Kündigung durch Arbeitgeber

Mit der Kündigung erklärt der Arbeitgeber das Arbeits-verhältnis aufzulösen, wirksam wird die Kündigung mitihrem Zugang. Die Kündigungsfrist beginnt mit dermündlichen Mitteilung oder Übergabe des Kündigungs-schreibens bzw. dessen Zugang durch die Post zu laufen.Eine rechtswirksame Kündigung bedarf keiner besonderen Form (münd-lich, schriftlich, eingeschrieben usw.) und auch keiner Begründung, Ausnah-men gibt es etwa im Vertragsbedienstetengesetz oder anders lautenden Kol-lektiv- oder Arbeitsverträgen. In Betrieben mit Betriebsrat, muss dieser vor dem Aussprechen einer Kün-digung vom Arbeitgeber informiert werden. Der Betriebsrat kann innerhalbvon fünf Arbeitstagen dazu Stellung nehmen. Wurde der Betriebsrat vomArbeitgeber nicht verständigt oder die Frist zur Stellungnahme nicht abge-wartet, ist die Kündigung rechtsunwirksam, also das Arbeitsverhältnis nichtbeendet. Kündigungstermin ist der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses und nicht –wie oft angenommen – der Tag, an dem die Kündigung ausgesprochen wird.Die Kündigungsfrist ist die Zeitspanne zwischen dem Zugang der Kündi-gung und dem Kündigungstermin. Welche Kündigungsfristen und - termineeinzuhalten sind, regeln verschiedene Gesetze, Kollektiv- oder auch Ar-beitsverträge. Werden Kündigungsfristen und/oder -termine nicht eingehalten, wird dasArbeitsverhältnis trotzdem zum rechtswidrigen Zeitpunkt aufgelöst.ArbeitnehmerInnen können in diesem Fall allerdings verlangen, finanziell sogestellt zu werden, als ob sie zum richtigen Zeitpunkt gekündigt wordenwären und haben Anspruch auf Kündigungsentschädigung:ArbeitnehmerInnen können auch während eines Krankenstandes gekündigtwerden. Dauert aber der Krankenstand über das Ende des Arbeitsverhält-nisses hinaus, müssen sie bis zum Ende des Entgeltfortzahlungsanspruches,den sie auch bei aufrechtem Arbeitsverhältnis gehabt hätten, weiter entlohntwerden. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber haben ArbeitnehmerInnenwährend der Kündigungsfrist Anspruch auf bezahlte Freizeit im Ausmaß voneinem Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Dieser Anspruchentsteht erst auf Verlangen. Der Verbrauch ist einvernehmlich mit dem Ar-beitgeber festzulegen. Einzelne Arbeitnehmergruppen (Präsenzdiener, Schwangere und Behin-derte) können nur mit Zustimmung des Gerichtes oder des Behindertenaus-schusses gekündigt werden. In betriebsratsfähigen Betrieben (ab fünf ArbeitnehmerInnen) ist eine er-folgreiche Anfechtung unter bestimmten Voraussetzungen möglich (z.B. we-gen Beitritts zur Gewerkschaft oder aus sozialwidrigen Gründen). Die An-fechtung durch Klage beim Arbeitsgericht hat das Ziel, eine Weiterbeschäf-tigung im Betrieb zu erreichen. Der Arbeitgeber muss das bereits erarbeitete Entgelt auf jeden Fall mitder Beendigung des Arbeitsverhältnisses abrechnen und ausbezahlen.Dazu gehören: Gehalt oder Lohn, Überstunden, Sonderzahlungen (Ur-laubsgeld, Weihnachtsgeld), offene Urlaubstage und bei Vorliegen derVoraussetzungen die Abfertigung.

SeidumschlungenMillionen… Laut dem „World Wealth Re-port“ von Capgemini und MerrilLynch ist die Zahl der „wohlhaben-den Privatpersonen“ mit einemVermögen von mehr als einer Mil-lion Dollar (743.000 Euro) 2006auf 9,5 Millionen gestiegen (plus8,3 Prozent gegenüber 2005).Davon sind 94.970 „besonderswohlhabende Privatpersonen“ miteinem Vermögen von mehr als 30Millionen Dollar (plus 11,3 Pro-zent). Das Vermögen derMillionärInnen ist 2006 auf 37,2Billionen Dollar gestiegen (plus11,4 Prozent).

In Österreich hat sich die Zahlder MillionärInnen von 67.700 auf72.600 deutlich vergrößert. DieseMinderheit von nur 0,8 Prozent derBevölkerung besitzt rund ein Drit-tel des gesamten Vermögens, wei-tere neun Prozent ebenfalls einDrittel, die restlichen 90 Prozent„dürfen“ sich das restliche Drittelteilen. Laut „trend“ betrug das ge-schätzte Vermögen der 50 reich-sten ÖsterreicherInnen 2006 „nur“55,15 Milliarden Euro, 2007 wa-ren es 91,95 Milliarden Euro.

Mit der Abschaffung der Ver-mögenssteuer, Senkung desSpitzensteuersatzes, Einführungsteuerschonender Privatstiftungen,Senkung der Körperschaftssteuerund der geplanten Abschaffung derErbschafts- und Schenkungssteu-er, ist Österreich zum EU-Steuer-paradies für die Reichen verkom-men. Weil die Reichen immer we-niger Steuern zahlen, tragen dieSteuerlast zunehmend nur mehr dieLohnabhängigen.

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die Arbeit

die Arbeit 3/07 Seite 21

Beatrix TodterGLB-AK-Rätin Wien

Peter ScherzGLB-AK-Rat Stmk.

AK-Wien: FSG auf Regierungskurs

Praktisch alle Fraktionen, darunter auch der ÖAAB, haben sich in der 146. Vollver-sammlung der Wiener Arbeiterkammer am 30. Mai 2007 gegen die Ausweitung derLadenöffnungszeiten ausgesprochen und einen entsprechenden Antrag des GLB unter-stützt. Ebenfalls vom ÖAAB, dem GLB und den anderen Fraktionen der Wiener AKwurde ein Antrag der AUGE/UG gegen das „sozialpartnerschaftliche“ Arbeits-flexibilisierungspaket unterstützt. In beiden Fällen konnte sich die FSG nicht zu einer Zustimmung durchringen - keinWunder, schließlich wurde beispielsweise die Einigung der „Sozialpartner“ über dieAusweitung der Ladenöffnungszeiten noch kurz vorher vom stv. Geschäftsführer derGPA, Karl Proyer, ausdrücklich gelobt.

AK-Präsident Tumpel forderte in seiner Rede, daß die Übergangsfristen für den heimischen Arbeitsmarkt nichtvorzeitig aufgehoben werden dürfen - die FSG setzt sich überhaupt für eine Verlängerung bis 2011 ein. Der GLBlehnt die Übergangsfristen ab, damit wird nur der illegale Arbeitsmarkt und Scheinselbständigkeit gefördert. Einewirksame Maßnahme gegen Lohndumping ist die laufende Überprüfung der Einhaltung von Kollektivverträgen wiedes Arbeitsrechtes - also eine der Kernaufgaben von Gewerkschaften und Arbeiterkammer. Der GLB brachte Anträge zu den Themen Lehrlingsausbildung, Reform statt Abschaffung der Erbschaftssteuer,keine Verlängerung der Arbeitszeit, E-Wirtschaft in öffentlichem Eigentum, kein Börsegang der ÖBB, Gebührenbe-freiung für Menschen mit geringem Einkommen, Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes und gegen Ausweitung derLadenöffnungszeiten ein. (Die Anträge des GLB sind im vollem Wortlaut auf der Website www.glb.at, in derRubrik „Arbeiterkammer“ einsehbar)

AK Steiermark

AK Wien

AK-Steiermark: SP-Mehrheit lehnt Protestantrag ab

Die SPÖ-Mehrheit lehnte bei der 10. steirischen AK-Vollversammlung am 5. Juli 2007einen GLB-Antrag gegen die vom Parlament beschlossene Flexibilisierung und Auswei-tung der Arbeitszeiten ab. AK-Rat Peter Scherz: „Jahrzehntelang kämpfte die Arbeiterbe-wegung für den 8-Stunden-Tag, 1987 forderte der ÖGB zum ersten Mal eine generelleArbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden pro Woche ohne Lohnverlust. Dieses Ziel rücktdamit in weite Ferne. Eine weitere Erhöhung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit würde bei vielenArbeiterInnen und Angestellten zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Ange-sichts des gestiegenen Arbeits- und Leistungsdrucks in den Betrieben ist eine Ausdehnungder Arbeitszeiten nicht hinzunehmen. Auch gesellschaftspolitisch ist diese Einigung hinsicht-lich der hohen Arbeitslosenzahlen der falsche Weg.“ Hingegen wurde eine Resolution des Magna-Steyr-Betriebsrats Peter Scherz gegen die geplante Lohnkürzung fürältere Arbeitnehmer einstimmig angenommen: „Die 10. Vollversammlung der steirischen AK spricht sich daherdagegen aus, dass derlei diskriminierende Modelle für ältere Arbeitnehmer beschlossen werden. Stattdessen for-dert sie die Anwendung sozial verträglicher Modelle – wie zum Beispiel die Altersteilzeit -, um die Arbeitszeit ältererArbeitnehmer zu verkürzen bei gleichzeitiger Erhaltung ihres Lebensstandards und sämtlicher Ansprüche.“ GLB und AUGE wandten sich gegen den Verkauf weiterer Anteile der landeseigenen Energiegesellschaft EStAG,während die SPÖ-Mehrheit - ganz auf Voves-Kurs – bloß verlangte, den Verkaufserlös für die Steiermark-Holdingzu verwenden. (Die Anträge des GLB sind im vollem Wortlaut auf der Website www.glb.at, in der Rubrik „Arbeiter-kammer“ einsehbar)

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BR-Wahl bei OpelLinser Innsbruck

EL-Netzwerk GewerkschaftenAnton Hofer ist 80

Am 1. Juni 2007 wurde der frühere GLB-Bundesvor-sitzende Anton Hofer 80. Hofer war von 1970 bis 1989Vorsitzender des GLB und mehrere Perioden lang auchMitglied des ÖGB-Bundesvorstands.

hat und auf große theoretische Kennt-nisse zurückgreifen konnte.

Großen Wert legte er immer auf ei-nen kollektiven, sachlichen, kamerad-schaftlichen und solidarischen Umgangder FunktionärInnen und Mitarbeiter-Innen, aber auch mit politisch andersDenkenden. Trotz seines inzwischen er-reichten Alters und gesundheitlicherProbleme verfolgt Anton Hofer weiter-hin aufmerksam die Entwicklung derfortschrittlichen Gewerkschaftsbewe-gung und des GLB.

Wir wünschen unserem Kollegen An-ton Hofer noch viele Jahre, von denenwir hoffen, dass er sie in Gesundheitund mit seiner Erfahrung für sich, fürseine Familie und auch für den GLBnutzen kann.

GewerkschafterInnen aus zwölf EU-Ländern trafen sich vom 4. bis 6. Mai2007 in Athen um über neue Wege derZusammenarbeit zur Verteidigung vonArbeiterInnenrechten und Arbeitsplatz-sicherheit über den Kontinent hinwegzu diskutieren. Alle RednerInnen be-richteten über die neoliberale Offensi-ve die durch die Bolkestein-Direktiveund dem Grünbuch über das EU-Ar-beitsrecht in allen Ländern entfesseltwurde. Um Solidarität zu fördern undArbeiterechte zu schützen nahmen dieGewerkschafterInnen ein „Kampf-programm“ an, das auf die folgendePunkt basiert:1.) Einen anständigen Mindestlohn füralle, der die Lebensunterhaltskostenausreihend deckt2.) Präsentation der Analysen und Ak-tionen mit alternativen Vorschlägen beiallen internationalen Gewerkschafts-organen3.) Ablehnung des EU-Grünbuches4.) Kampf gegen jegliche Form vonPrekarität im Arbeitsleben5.) Verbesserte Qualitätsstandards beiGesundheit und Sicherheit6.) Ablehnung der Bolkestein-Direkti-ve, der Deregulierung von Arbeits-beziehungen, der Privatisierung öffent-licher Dienstleitungen (Gesundheit, Bil-dung, Transport) und der Aushöhlungvon ArbeiterInnenrechten7.) Vorschläge für die Rückführung vonprivatisierten Dienstleistungen und Bil-dung eines alternativen Modells desöffentlichen Sektors8.) Kooperation mit linken progressi-ven Gewerkschaften und Bewegungenin Lateinamerika Auf der Konferenz wurde das Akti-onsprogramm einstimmig angenom-men. Darüber hinaus stimmten dieGewerkschafterInnen zu diese Aspektebei ihrer Arbeit in ihren Ländern wei-terzuentwickeln. Einzelne Redebeiträ-ge und Resolutionen gibt es unter http://www.european-left.org/positions/workgroups/trade

Seine politischen und gewerkschaft-lichen „Sporen“ verdiente sich Hoferim Erdölgebiet der damaligen SMV.Seit Mitte der 50er Jahre war erBezirkssekretär im Erdölgebiet undFunktionär der niederösterreichischenKPÖ. In diese Zeit fielen die Umwand-lung der SMV in die ÖMV auf Grunddes Staatsvertrages, der Kampf um dieErhaltung des österreichischen Eigen-tums in der Erdölindustrie gegen dieUS-Konzerne und der Kampf gegendie Diskriminierung der Kommunisten,die in der Erdölindustrie starke gewerk-schaftliche Positionen hatten. Als Ver-treter des GLB in der NÖ-Arbeiter-kammer konnte Hofer viele sozialeVerbesserungen ansprechen und ein-fordern.

Als einer der profiliertesten linkenGewerkschafter entwickelte Hofer imGLB, im ÖGB und im Weltgewerk-schaftsbund eine Gewerkschaftspolitik,die gegen die sozialpartnerschaftlicheDeformierung der Gewerkschaften ge-richtet war, aber die Einheit des über-parteilichen ÖGB wahrte. Sein Wirkenfür den GLB ist beispielhaft für eineGeneration von FunktionärInnen, dieallen Widrigkeiten zum Trotz dieGrundlagen für unser heutiges Schaf-fen gelegt hat.

Die Interessen der arbeitenden Men-schen waren immer Hofers Leitlinie undKompass bei der Bestimmung seinesWeges. So war er nie ein Nur-Gewerk-schafter und andererseits auch nie einFreund von politischen Orientierungen,die den Schreibtisch zum Ausgangs-punkt haben. Toni war und ist vielmehrein Praktiker, der immer entlang seinerpolitischen Überzeugungen gehandelt

Bereits im April 2007 fand dieBetriebsratswahl bei der FirmaOpel-Linser (Metall-Gewerbe) inInnsbruck statt, bei der KollegeGregor Korosec (GLB) wieder inden Betriebsrat gewählt wurde.Wir wünschen Kollegen Korosecviel Erfolg bei seiner verantwor-tungsvollen Tätigkeit für die Be-schäftigten und in der Gewerk-schaft.Gerade in Tirol musste der Kol-lektivvertrag Metall-Gewerbe inder Vergangenheit immer wiedergesatzt werden, weil Unternehmerden Abschluss nicht anerkennenwollten.

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3/07 die Arbeit Seite 23

Volksstimme-Fest 2007

Kurt Palm liest Karl Marx Best of:

Das Kapital

dem „Zusammenbruch“ der sozialistischen Länder, hat man so getan, als sei Marx „ein toter Hund“, der auf den Misthaufender Geschichte gehört. Tatsache ist allerdings, dass die allgemeine Krise mittlerweile jene von Marx vorausgesagten Di-mensionen erreicht hat. Und hier zeigt sich, dass Marx lebendiger ist, als viele glauben.

Marx hat im „Kapital“ die allgemeinen Bewegungsgesetze des Kapitalismus beschrieben: und zwar mit der Präzisioneines Naturwissenschaftlers. Er schreibt ja auch, dass er diese Gesetze nicht erfunden, sondern entdeckt hat. Auch wennbeim Lesen ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen erforderlich ist, hilft einem die Lektüre des „Kapitals“, gewisseökonomische und politische Vorgänge unserer Zeit besser zu verstehen.“

Aufgenommen am 28. September 2006 im Volkshaus Graz. Lesung: Kurt Palm. Musik: Chrono Popp. Aufnahmeleitung:Leo Kühberger. Tontechnik: Tom Zwanzger.

Kurt Palm liest Karl Marx Best of: Das Kapital. 2007 Astormedia. Willi Schlager. Astormedia.at. Preis 11 Euro.Bestellungen: Astormedia, Dkfm. Willi Schlager, Web www.astormedia.at, Mail [email protected], Telefon und Fax+43 1 9144281.

Am Samstag/Sonntag, 1. und 2. September 2007 findetauf der Jesuitenwiese das 61. VolksstimmeFest statt - mitder Jura-Soyfer-Bühne, einer großen Bühne mit gemisch-tem Kulturprogramm, dem Solidorf, der abwechslungsrei-chen InitiativenStraße, dem Linken Wort, einem Sportfest,dem Kinderbereich und der gewohnt vielfältigen Gastrono-mie.Spiel, Spaß, gute Laune und das erste politische Zusam-mentreffen nach der Sommerpause sowieso!Der GLB wird auch heuer wieder beim Fest mit einem ei-genen Stand vertreten sein, neben kulinarischen Angebotengibt es dort auch aktuelle Infos zu gewerkschaftlichen The-men.Infos zum Fest gibt es unter http://www.volksstimmefest.at/

Für all jene, die es bisher nicht geschafft haben, „Das Kapital“ von KarlMarx zu lesen, bietet dieses Privatissimum einen repräsentativen Quer-schnitt durch den ersten Band dieses Standardwerks der Weltliteratur. DasSelbststudium ersetzen diese Ausschnitte aber keineswegs, denn wie heißtes schon bei Marx: „Es gibt keine Landstraße für die Wissenschaft, undnur diejenigen haben Aussicht, ihre lichten Höhen zu erreichen, die dieMühen nicht scheuen, ihre steilen Pfade zu erklimmen.“

Kurt Palm über seine Sicht auf „Das Kapital“:„Für mich ist das Faszinierende an diesem Buch, dass die Analyse, dieMarx im 19. Jahrhundert vorgenommen hat, in ihren Kernaussagen immernoch gültig ist. Gerade in den letzten zwanzig Jahren, vor allem aber seit

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ÖFFENTLICHES MEDIUM

Dieses Medium liest der„OBSERVER“Österreichs größter Medienbeobachter

GLB – Aktiv gegen die Zerschlagung der Post!

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