gemeinsame stellungnahme der deutschen gesellschaft für chirurgie (dgch) und der deutschen...

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Aktueller Stand Bisher hat es sich in Deutschland medizinisch bewährt, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser verschiedener Ver- sorgungsstufen in chirurgische und internistische Notauf- nahmen unterteilt sind und im Regel- und Bereitschafts- dienst von Ärzten dieser beiden Fachgebiete auf Facharzt- niveau versorgt werden. Für Häuser der Maximalversorgung mit hohem Patientenaufkommen empfiehlt sich diese Struk- tur nach wie vor. Einsparmaßnahmen und neue Arbeitszeitregelungen veranlassen vielerorts zu Überlegungen, Notaufnahmen zusammenzulegen, möglichst ohne das Qualitätsniveau und die Akzeptanz der Patienten zu mindern oder neue Kosten zu produzieren. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin schla- gen zur Umsetzung dieser Ziele ein gemeinsames Konzept für die verschiedenen stationären Versorgungsstufen vor. Dabei wird bewusst auf die kostenträchtige Zwischenschal- tung einer zusätzlichen und in Deutschland nicht erforder- lichen Abteilungsstruktur für „Emergency Care“-Medizin verzichtet. Es ist weder medizinisch noch ökonomisch sinn- voll, eine derartige weitere Subspezialisierung zu etablie- ren. Leitung einer zentralen Notaufnahme Die ärztliche und organisatorische Leitung einer zentralen Notaufnahme sollte in einer Hand sein, um Reibungsverluste zu vermeiden, die sich kostensteigernd und qualitätsmin- dernd auswirken. Dabei sollte die Notaufnahme von den ärztlichen Fachdisziplinen geleitet werden, in deren Fach- kompetenz die überwiegende Zahl der dort Behandlung suchenden Patienten fällt. Dies sind in Deutschland die Fachgebiete Innere Medizin und Chirurgie. Der Unfall- chirurg ist in der Regel der zugelassene D-Arzt für die ge- setzlich unfallversicherten Patienten und muss diese Patien- ten primär behandeln. Die Zulassung zum D-Arzt-Verfah- ren ist an den verantwortlichen D-Arzt und andere festge- legte Ausstattungsmerkmale des Krankenhauses geknüpft. Unter diesen Voraussetzungen bietet sich eine kollegiale gemeinsame Leitung der zentralen Notaufnahme durch die Fachvertreter der Gebiete Innere Medizin und Chirurgie – hier speziell der Unfallchirurgie – an. Dabei könnte die Geschäftsführung alle 2 oder 3 Jahre rotieren. In einem Beirat könnten alle weiteren in die Behandlung von Not- fallpatienten eingebundenen Disziplinen repräsentiert sein. Welche Patienten kommen in eine zentrale Notaufnahme? Die meisten Patienten in einer zentralen Notaufnahme wer- den von einem anderen Arzt eingewiesen oder kommen spontan mit akuten Erkrankungen oder Verletzungen. Dies unterscheidet sie von Patienten beim Notarzteinsatz oder im ambulanten Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte. Es gilt, nicht nur über Sofortmaßnahmen zu entscheiden, son- dern über eine indizierte stationäre Aufnahme oder aber die Entlassung nach Hause nach fachgerechter Erstversorgung. Nur ein sehr geringer Teil der Patienten wird vom Notarzt mit akut lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verlet- zungen direkt eingeliefert (ca. 3-5%). Typische Erkrankungen und Verletzungen, die in einer zentralen Notaufnahme zur Behandlung kommen, sind z.B. hohes Fieber, Thoraxschmerzen, akutes Abdomen, Diarrhöen, Intoxikationen, allergische Reaktionen, Throm- bosen, Schnittwunden, Distorsionen, Frakturen und Luxa- tionen. Diese und viele andere Erkrankungen und Verlet- zungen bedürfen einer unmittelbaren fachärztlichen Dia- gnostik und Therapie. Hierbei ist die gelegentlich vorge- schlagene Vorschaltung eines speziellen Notfallmediziners weder erforderlich noch sinnvoll. Weitere Fachärzte wie z.B. für Pädiatrie, Gynäkologie oder HNO können unver- züglich hinzugezogen werden. Falls das Haus regelhaft in die Behandlung Schwerver- letzter eingebunden ist, sollte ein Schockraumteam bereit- stehen, wie es im Weißbuch „Schwerverletzten-Versor- gung“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie emp- fohlen wird. Ähnliche Teams sind auch für andere akut bedrohliche Notfallsituationen sinnvoll. Wichtig sind Al- gorithmen und regelmäßige qualitätssichernde Maßnahmen, die für alle Disziplinen und Mitarbeiter verbindlich sind. Personelle Besetzung Die personelle Besetzung in der Regeldienstzeit richtet sich nach den zusätzlichen Aufgaben, die in der Notaufnahme stattfinden, wie z.B. die stationäre Aufnahme eingewiesener Patienten oder spezielle Sprechstunden wie die D-Arzt- Sprechstunde. Außerhalb der Regeldienstzeit ist je nach Auslastung der zentralen Notaufnahme Bereitschafts- oder Schichtdienst erforderlich. Dies gilt für mindestens je einen Chirurgen und Internisten, die eine Behandlung auf Facharztniveau sicherstellen. Zusätzlich muss im Hintergrund je ein Ober- arzt beider Disziplinen erreichbar sein (Oberarzt-Rufdienst). In der Regel sind weitere chirurgische und internistische Bereitschafts- oder Rufdienste erforderlich, je nach Auslas- tung mit Notfalloperationen und internistischen Notfallbe- handlungen. Der hohe Personalbedarf für eine zentrale Notauf- nahme macht deutlich, dass sich in Zukunft nicht mehr Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Im Auftrag erarbeitet von Prof. Dr. med. Klaus Michael Stürmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) Med Klin 2007;102:180–1 DOI 10.1007/s00063-007-7000-2 180 Med Klin 2007;102:179–82 (Nr. 2) Aus der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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Aktueller Stand

Bisher hat es sich in Deutschland medizinisch bewährt, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser verschiedener Ver-sorgungsstufen in chirurgische und internistische Notauf-nahmen unterteilt sind und im Regel- und Bereitschafts-dienst von Ärzten dieser beiden Fachgebiete auf Facharzt-niveau versorgt werden. Für Häuser der Maximalversorgung mit hohem Patientenaufkommen empfiehlt sich diese Struk-tur nach wie vor.

Einsparmaßnahmen und neue Arbeitszeitregelungen veranlassen vielerorts zu Überlegungen, Notaufnahmen zusammenzulegen, möglichst ohne das Qualitätsniveau und die Akzeptanz der Patienten zu mindern oder neue Kosten zu produzieren. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin schla-gen zur Umsetzung dieser Ziele ein gemeinsames Konzept für die verschiedenen stationären Versorgungsstufen vor. Dabei wird bewusst auf die kostenträchtige Zwischenschal-tung einer zusätzlichen und in Deutschland nicht erforder-lichen Abteilungsstruktur für „Emergency Care“-Medizin verzichtet. Es ist weder medizinisch noch ökonomisch sinn-voll, eine derartige weitere Subspezialisierung zu etablie-ren.

Leitung einer zentralen Notaufnahme

Die ärztliche und organisatorische Leitung einer zentralen Notaufnahme sollte in einer Hand sein, um Reibungsverluste zu vermeiden, die sich kostensteigernd und qualitätsmin-dernd auswirken. Dabei sollte die Notaufnahme von den ärztlichen Fachdisziplinen geleitet werden, in deren Fach-kompetenz die überwiegende Zahl der dort Behandlung suchenden Patienten fällt. Dies sind in Deutschland die Fachgebiete Innere Medizin und Chirurgie. Der Unfall-chirurg ist in der Regel der zugelassene D-Arzt für die ge-setzlich unfallversicherten Patienten und muss diese Patien-ten primär behandeln. Die Zulassung zum D-Arzt-Verfah-ren ist an den verantwortlichen D-Arzt und andere festge-legte Ausstattungsmerkmale des Krankenhauses geknüpft.

Unter diesen Voraussetzungen bietet sich eine kollegiale gemeinsame Leitung der zentralen Notaufnahme durch die Fachvertreter der Gebiete Innere Medizin und Chirurgie – hier speziell der Unfallchirurgie – an. Dabei könnte die Geschäftsführung alle 2 oder 3 Jahre rotieren. In einem Beirat könnten alle weiteren in die Behandlung von Not-fallpatienten eingebundenen Disziplinen repräsentiert sein.

Welche Patienten kommen in eine zentrale Notaufnahme?

Die meisten Patienten in einer zentralen Notaufnahme wer-den von einem anderen Arzt eingewiesen oder kommen spontan mit akuten Erkrankungen oder Verletzungen. Dies unterscheidet sie von Patienten beim Notarzteinsatz oder im ambulanten Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte. Es gilt, nicht nur über Sofortmaßnahmen zu entscheiden, son-dern über eine indizierte stationäre Aufnahme oder aber die Entlassung nach Hause nach fachgerechter Erstversorgung. Nur ein sehr geringer Teil der Patienten wird vom Notarzt mit akut lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verlet-zungen direkt eingeliefert (ca. 3-5%).

Typische Erkrankungen und Verletzungen, die in einer zentralen Notaufnahme zur Behandlung kommen, sind z.B. hohes Fieber, Thoraxschmerzen, akutes Abdomen, Diarrhöen, Intoxikationen, allergische Reaktionen, Throm-bosen, Schnittwunden, Distorsionen, Frakturen und Luxa-tionen. Diese und viele andere Erkrankungen und Verlet-zungen bedürfen einer unmittelbaren fachärztlichen Dia-gnostik und Therapie. Hierbei ist die gelegentlich vorge-schlagene Vorschaltung eines speziellen Notfallmediziners weder erforderlich noch sinnvoll. Weitere Fachärzte wie z.B. für Pädiatrie, Gynäkologie oder HNO können unver-züglich hinzugezogen werden.

Falls das Haus regelhaft in die Behandlung Schwerver-letzter eingebunden ist, sollte ein Schockraumteam bereit-stehen, wie es im Weißbuch „Schwerverletzten-Versor-gung“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie emp-fohlen wird. Ähnliche Teams sind auch für andere akut bedrohliche Notfallsituationen sinnvoll. Wichtig sind Al-gorithmen und regelmäßige qualitätssichernde Maßnahmen, die für alle Disziplinen und Mitarbeiter verbindlich sind.

Personelle Besetzung

Die personelle Besetzung in der Regeldienstzeit richtet sich nach den zusätzlichen Aufgaben, die in der Notaufnahme stattfinden, wie z.B. die stationäre Aufnahme eingewiesener Patienten oder spezielle Sprechstunden wie die D-Arzt-Sprechstunde.

Außerhalb der Regeldienstzeit ist je nach Auslastung der zentralen Notaufnahme Bereitschafts- oder Schichtdienst erforderlich. Dies gilt für mindestens je einen Chirurgen und Internisten, die eine Behandlung auf Facharztniveau sicherstellen. Zusätzlich muss im Hintergrund je ein Ober-arzt beider Disziplinen erreichbar sein (Oberarzt-Rufdienst). In der Regel sind weitere chirurgische und internistische Bereitschafts- oder Rufdienste erforderlich, je nach Auslas-tung mit Notfalloperationen und internistischen Notfallbe-handlungen.

Der hohe Personalbedarf für eine zentrale Notauf-nahme macht deutlich, dass sich in Zukunft nicht mehr

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)Im Auftrag erarbeitet von Prof. Dr. med. Klaus Michael Stürmer,Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)

Med Klin 2007;102:180–1DOI 10.1007/s00063-007-7000-2

180 Med Klin 2007;102:179–82 (Nr. 2)

Aus der D

eutschen Gesellschaft

für Innere Medizin

alle Krankenhäuser an der Notfallbehandlung beteiligen können. In den großen Zentren wird die Fallzahl steigen und so zu einer höheren Auslastung und Versorgungsqua-lität führen.

Unterzeichner

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie DGCH (Präsident: Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Steinau, Bochum) mit ihren Mit-gliedsgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirur-gie DGG (Präsident: Prof. Dr. med. Klaus Balzer, Mülheim), Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie DGKCH (Prä-sident: Dr. med. Ulrich Hofmann, Hannover), Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische

Chirurgie DGPRÄC (Präsidentin: Dr. med. Marita Eisen-mann-Klein, Regensburg), Deutsche Gesellschaft für Or-thopädie und Orthopädische Chirurgie DGOOC (Präsident: Prof. Dr. med. Jochen Eulert, Würzburg), Deutsche Ge-sellschaft für Thoraxchirurgie DGT (Präsident: Dr. med.habil. Detlev Branscheid, Großhansdorf), Deutsche Gesell-schaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie DGTHG (Präsident: Prof. Dr. med. Arno Krian, Duisburg), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie DGU (Präsident: Prof. Dr. med. Klaus-Michael Stürmer, Göttingen), Deutsche Gesell-schaft für Viszeralchirurgie DCVC (Präsident: Prof. Dr. med. Heinz Buhr, Berlin) Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin DGIM (Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann, München)

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