fortschritte bei der abscheidung von stäuben im elektrofilter unter berücksichtigung der...

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Fortschritte bei der Abscheidung von Stguben im Elektrofilter unter Berucksichtigung der Schadgas-Adsorption* Gernot Mayer-Schwinning** Ausgehend vom Stand der Entstaubungstechnik wird ge- zeigt, daD rnit Elektrofiltern die Auflagen der GroDfeuerungs- anlagen-Verordnung eingehalten werden und bei entspre- chender Filterdimensionierung Feinstaube und Schwerme- talle mit ausreichend hohen Abscheidegraden zuruckgehal- ten werden. Es wird auf neuere Entwicklungen eingegangen, die prinzipielle Verbesserungen der Abscheidung im Elektro- filter zur Folge haben. In zunehmendem Mane mussen gleichzeitig rnit dem Staub auch Schadgase abgeschieden werden. Bei den trockenen Verfahren werden fur die Adsorp- tion von z. B. HCl, HF und SO, dem Elektrofilter Wirbel- schichten vorgeschaltet. Die abzuscheidenden Staube treten dabei in hoheren Konzentrationen und veranderter chemi- scher Zusammensetzung auf. Als Beispiele werden die trok- kene Gasreinigung in der expandierten, zirkulierenden Wir- belschicht hinter Mullverbrennungsanlagen und die Ent- fluorisierung von Abgasen aus der Aluminium-Elektrolyse beschrieben. AbschlieDend wird auf die Abscheidung von Stauben unter erschwerten Bedingungen eingegangen. Progress in dust collection by electrostatic precipitators with due attention to adsorption of noxious gases. It is shown on the basis of the present state of the art that the stipulations of the pollution control legislation for large boilers can be met by electrostatic precipitators and that fine dust and heavy metals are collected to a sufficiently high degree. Recent developments are dealt with which bring about a fundamental improvement of the collection in the precipitator. Noxious gases have to be separated together with the dust to an ever-increasing extent. With dry proces- ses, fluidized beds are arranged upstream of the electrostatic precipitator for the adsorption of, for instance, HCl, HF, and SOz. In these cases the dusts will be highly concentrated and of varying chemical composition. Dry gas cleaning in the expanded, circulating fluidized bed downstream of refuse incineration plants and defluorination of waste gases from aluminium electrolysis are considered as examples. The sepa- ration of dust under difficult conditions is then dealt with. 1 Einfiihrung Mit der Novellierung der TA Luft und der seit dem 1. Juli 1983 in Kraft getretenen 13. Bundes-Emissionsschutz-Ver- ordnung wurden die Hochstwerte fur staub- und gasformige Emissionen neu festgelegt und zum Teil erheblich gesenkt. So sind z.B. bei der Reinigung von Rauchgasen aus mit Steinkohle gefeuerten Kraftwerken (Feuerungswarmelei- stung > 50 MW) statt der fruher geltenden Regelung von 150 mg/mi nunmehr bei Neuanlagen 50 mg/mi einzuhalten, was aufden Betriebszustand bezogen etwa Werten von 20 bis 30 mg/m$ entspricht'). Da gleichzeitig die Schadgas-Emissionen reduziert werden miissen - z. B. gelten bei Mullverbrennungsanlagen Hochstwerte fur HCl < 100 mg/mi, HF < 5 mg/mi und kunftig SO, < 200 mg/mi - ergeben sich fur die Staubab- scheidung insoweit neue Aspekte, als beim Einsatz von trok- kenen und halbtrockenen Verfahren am Filtereintritt Staub- beladungen von mehreren 100 g/mi auftreten konnen. Daruber hinaus unterscheiden sich diese Staube erheblich hinsichtlich ihrer Korngronenverteilungen und ihres elektri- * Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 19. bis 21. Sept. 1984 in Munchen. ** Dip1.-Ing. G. Muyer-Schwinning, Lurgi GmbH, Zentralbereich Forschung und Entwicklung, Gwinnerstr. 27/33, 6000 Frank- furt/M. 60. schen Verhaltens von den sonst in diesen Arbeitsgebieten ublichen Stauben. Messungen an Elektrofiltern, die unter Berucksichtigung dieser Gesichtspunkte ausgelegt wurden, bestatigen, daD mit diesem Abscheidertyp auch die Grenzwerte der neuen Vor- schriften sicher eingehalten werden konnen. Elektrofilter fallen in die Kategorie der Diffusionsabschei- der, d. h. auch submikrone Partikeln lassen sich mit ausrei- chend hohen Abscheidegraden aus den Abgasen oder Pro- zeRgasen entfernen. Wie sich theoretisch vorhersagen und in der Praxis meotechnisch nachweisen lafit, ergibt sich im Partikelbereich von etwa 0,2 bis 1 pm ein Minimum des Fraktionsabscheidegrades. Dieses Minimum kann jedoch in Abhangigkeit von der Filterauslegung und den jeweiligen Betriebsbedingungen (u. a. Feldstarke, Staubwiderstand) zu groneren oder kleineren Werten hin verschoben werden. Abb. 1 zeigt die Fraktionsabscheidegrade von Partikeln, die mit Hilfe von Kaskadenimpaktor-Messungenan einem alte- ren Rauchgas-Elektrofilter aufgenommen wurden. Bei einem Gesamtabscheidegrad von 96,16% fallt der Fraktionsab- scheidegrad im Feinpartikelbereich auf Werte bis zu 92%. Durch Verbesserung der Abscheidebedingungen im Filter - in diesem Fall durch Wasserkonditionierung - steigen der Gesamtabscheidegrad auf 99J7 YO und das Minimum des Fraktionsabscheidegrades auf 98,8 YO an. 1) N Normzustand: Druck 1013,25 mbar, Temperatur 273,16K, trocken. Chem.-1ng.-Tech. 57 (1985) Nr. 6, S. 493-500 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1985 0009-286x/85/0606-0493 $02.50/0 493

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Page 1: Fortschritte bei der Abscheidung von Stäuben im Elektrofilter unter Berücksichtigung der Schadgas-Adsorption

Fortschritte bei der Abscheidung von Stguben im Elektrofilter unter Berucksichtigung der Schadgas-Adsorption*

Gernot Mayer-Schwinning**

Ausgehend vom Stand der Entstaubungstechnik wird ge- zeigt, daD rnit Elektrofiltern die Auflagen der GroDfeuerungs- anlagen-Verordnung eingehalten werden und bei entspre- chender Filterdimensionierung Feinstaube und Schwerme- talle mit ausreichend hohen Abscheidegraden zuruckgehal- ten werden. Es wird auf neuere Entwicklungen eingegangen, die prinzipielle Verbesserungen der Abscheidung im Elektro- filter zur Folge haben. In zunehmendem Mane mussen gleichzeitig rnit dem Staub auch Schadgase abgeschieden werden. Bei den trockenen Verfahren werden fur die Adsorp- tion von z. B. HCl, H F und SO, dem Elektrofilter Wirbel- schichten vorgeschaltet. Die abzuscheidenden Staube treten dabei in hoheren Konzentrationen und veranderter chemi- scher Zusammensetzung auf. Als Beispiele werden die trok- kene Gasreinigung in der expandierten, zirkulierenden Wir- belschicht hinter Mullverbrennungsanlagen und die Ent- fluorisierung von Abgasen aus der Aluminium-Elektrolyse beschrieben. AbschlieDend wird auf die Abscheidung von Stauben unter erschwerten Bedingungen eingegangen.

Progress in dust collection by electrostatic precipitators with due attention to adsorption of noxious gases. It is shown on the basis of the present state of the art that the stipulations of the pollution control legislation for large boilers can be met by electrostatic precipitators and that fine dust and heavy metals are collected to a sufficiently high degree. Recent developments are dealt with which bring about a fundamental improvement of the collection in the precipitator. Noxious gases have to be separated together with the dust to an ever-increasing extent. With dry proces- ses, fluidized beds are arranged upstream of the electrostatic precipitator for the adsorption of, for instance, HCl, HF, and SOz. In these cases the dusts will be highly concentrated and of varying chemical composition. Dry gas cleaning in the expanded, circulating fluidized bed downstream of refuse incineration plants and defluorination of waste gases from aluminium electrolysis are considered as examples. The sepa- ration of dust under difficult conditions is then dealt with.

1 Einfiihrung

Mit der Novellierung der TA Luft und der seit dem 1. Juli 1983 in Kraft getretenen 13. Bundes-Emissionsschutz-Ver- ordnung wurden die Hochstwerte fur staub- und gasformige Emissionen neu festgelegt und zum Teil erheblich gesenkt. So sind z.B. bei der Reinigung von Rauchgasen aus mit Steinkohle gefeuerten Kraftwerken (Feuerungswarmelei- stung > 50 MW) statt der fruher geltenden Regelung von 150 mg/mi nunmehr bei Neuanlagen 50 mg/mi einzuhalten, was aufden Betriebszustand bezogen etwa Werten von 20 bis 30 mg/m$ entspricht'). Da gleichzeitig die Schadgas-Emissionen reduziert werden miissen - z. B. gelten bei Mullverbrennungsanlagen Hochstwerte fur HCl < 100 mg/mi, HF < 5 mg/mi und kunftig SO, < 200 mg/mi - ergeben sich fur die Staubab- scheidung insoweit neue Aspekte, als beim Einsatz von trok- kenen und halbtrockenen Verfahren am Filtereintritt Staub- beladungen von mehreren 100 g/mi auftreten konnen. Daruber hinaus unterscheiden sich diese Staube erheblich hinsichtlich ihrer Korngronenverteilungen und ihres elektri-

* Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 19. bis 21. Sept. 1984 in Munchen.

** Dip1.-Ing. G . Muyer-Schwinning, Lurgi GmbH, Zentralbereich Forschung und Entwicklung, Gwinnerstr. 27/33, 6000 Frank- furt/M. 60.

schen Verhaltens von den sonst in diesen Arbeitsgebieten ublichen Stauben. Messungen an Elektrofiltern, die unter Berucksichtigung dieser Gesichtspunkte ausgelegt wurden, bestatigen, daD mit diesem Abscheidertyp auch die Grenzwerte der neuen Vor- schriften sicher eingehalten werden konnen. Elektrofilter fallen in die Kategorie der Diffusionsabschei- der, d. h. auch submikrone Partikeln lassen sich mit ausrei- chend hohen Abscheidegraden aus den Abgasen oder Pro- zeRgasen entfernen. Wie sich theoretisch vorhersagen und in der Praxis meotechnisch nachweisen lafit, ergibt sich im Partikelbereich von etwa 0,2 bis 1 pm ein Minimum des Fraktionsabscheidegrades. Dieses Minimum kann jedoch in Abhangigkeit von der Filterauslegung und den jeweiligen Betriebsbedingungen (u. a. Feldstarke, Staubwiderstand) zu groneren oder kleineren Werten hin verschoben werden. Abb. 1 zeigt die Fraktionsabscheidegrade von Partikeln, die mit Hilfe von Kaskadenimpaktor-Messungen an einem alte- ren Rauchgas-Elektrofilter aufgenommen wurden. Bei einem Gesamtabscheidegrad von 96,16% fallt der Fraktionsab- scheidegrad im Feinpartikelbereich auf Werte bis zu 92%. Durch Verbesserung der Abscheidebedingungen im Filter - in diesem Fall durch Wasserkonditionierung - steigen der Gesamtabscheidegrad auf 99J7 YO und das Minimum des Fraktionsabscheidegrades auf 98,8 YO an.

1) N Normzustand: Druck 1013,25 mbar, Temperatur 273,16K, trocken.

Chem.-1ng.-Tech. 57 (1985) Nr. 6 , S. 493-500 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1985 0009-286x/85/0606-0493 $02.50/0

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Neue Elektrofilter werden aufgrund der verscharften Vor- schriften von Anfang an so dimensioniert, daB auch ohne Konditionierung die minimalen Fraktionsabscheidegrade nur geringfugig vom Gesamtabscheidegrad abweichen. In der offentlichen Diskussion und im Rahmen der neuen Verordnungen finden die Schwermetall-Emissionen beson- dere Beachtung. Bedingt durch ihre Entstehungsgeschichte sind die Schwermetalle meist im Partikelbereich < 5 pm zu finden. Aufgrund der moglichen Anreicherung im menschli- chen Korper und ihrer Toxizitat besteht ein Interesse festzu- stellen, mit welchen Abscheidegraden sie im Elektrofilter zuriickgehalten werden.

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0 rnit Kondit Gesamtabscheidegrad 99,77%[ I " ' : i t , el Leistung 1 5 0 ~ ~

' ' ' ' I ~ j Schwefel irn Brennstoff 10 7 % I ; I . I ,

99.98 Y o

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1 a o h n e Kondit Gesarntabscheidegrad 96,1S0/.1

Tabelle 1 . Abscheidegrade fester Schadstoffe in YO.

Schadstoff KW MVA

Cadmium X 98,6 bis 99,5 Quecksilber X 93,3 bis 96,5 Thallium - Arsen 98,51 98,2 bis 99,2 Chrom 99,36 90,O bis 92,3 Nickel 99,05 -

Selen Tellur Blei 98,13 98,9 bis 99,6 Vanadium 99,35 -

Gesamtabscheidegrad 99,63 99,81

X

X

X

-

-

x unterhalb Nachweisgrenze, - nicht gemessen; KW Kraftwerk (Steinkohle), MVA Mullverbrennungsanlage.

In Tab. 1 sind die Abscheidegrade einiger wichtiger Schwer- metalle zusammengestellt, die in einem Kraftwerk und einer Mullverbrennungsanlage gemessen wurden. Wie man sieht, weichen die Abscheidegrade von Schwermetallen nur unwe- sentlich vom Gesamtabscheidegrad des iiber KorngroBen und chemischer Zusammensetzung gemittelten Staubmas- senstromes ab.

2 Optimierung der Staubabscheidung im Elektrofilter

Elektrofilter werden nach der von Deutsch [l] angegebenen Formel ausgelegt :

Bei Kenntnis des Gesamtwirkungsgrades qges des zu reini- genden Gasvolumenstromes P und der Wanderungsge- schwindigkeit w (w-Wert) 1aBt sich die erforderliche Nieder- schlagsflache A errechnen. Die entscheidende GroBe in der Beziehung nach Deutsch ist der w-Wert, ein integraler Mittel- wert vieler Parameter. Er wird abhangig vom vorgeschalte- ten ProzeB u. a. durch die KorngroBenverteilung, den Staub- widerstand, die Gaszusammensetzung und prozeBun- abhangig von Auslegungsparametern wie Gasgeschwindig- keit, Gassenabstand, Formgebung und Anordnung von Spruh- und Niederschlagselektroden beeinflufit. Werden ge- maB der neueren Verordnungen geringe Staubbeladungen verlangt, kann dies zu einer betrachtlichen FiltervergroBe- rung fuhren. Dies folgt zum einen aus G1. (1) (hoherer Wirkungsgrad q erforderlich), zum anderen miissen - da dann auch feinere Fraktionen zur Abscheidung gelangen - zusatzlich niedrigere Wanderungsgeschwindigkeiten .w ein- gesetzt werden. Dieser Sachverhalt loste insbesondere in den letzten Jahren weltweit Aktivitaten aus, rnit dem Ziel, dem Anstieg der spezifischen Entstaubungskosten entgegenzuwirken. Einige bereits in die Praxis umgesetzte OptimierungsmaBnahmen sollen im folgenden aufgefiihrt werden.

2.1 Auswahl von Spruh- und Niederschlags- elektroden

Ziel einer jeden Auslegung von Spruh- und Niederschlags- elektroden sollte es sein, eine moglichst gleichformige Strom- verteilung auf den Niederschlagselektroden zu erzeugen. Hierdurch lassen sich Spannung und Abscheidefeldstarke auf ihre maximalen Werte einstellen, gleichzeitig wird bei hochohmigen Stauben das die Abscheidung behindernde Riickspruhen so lange wie moglich unterdruckt. Die Ideal- form ist ein Rundprofil, das sich aber aus verschiedenen Griinden - u. a. wegen der aufwendigen Fertigung und der Wirtschaftlichkeit (doppelwandige Bauart) - der prakti- schen Anwendung entzieht. Abb. 2 zeigt eine Elektrodenform, die in ihren Eigenschaften dem neuesten Erkenntnis- und Entwicklungsstand angepaBt ist. Sie besitzt ein wellenformiges Profil, das fur eine gleich- maDige Stromverteilung sorgt und gleichzeitig sog. Schluck- eigenschaften aufweist. Der beim Klopfschlag von der Platte geloste Staub, aber auch der beim Abscheidevorgang in Plattennahe transportierte Staub wird durch Stromungs- abriB in den stromungsberuhigten Zonen gehalten. Den jeweiligen elektro-physikalischen Eigenschaften der Staube sollte auch mit Spriihelektroden begegnet werden, deren Strom/Spannungs-Charakteristiken hierauf abge- stimmt sind. Man benotigt daher Spruhelektroden unter- schiedlichster Formgebung, mit denen ein moglichst weiter Arbeitsbereich abgedeckt wird. Der an den Niederschlagsplatten abgeschiedene Staub kann, von einem Grundbelag abgesehen, nur dann vollstandig abgelost werden, wenn an allen Stellen der Niederschlagsfla- che die einwirkenden Beschleunigungswerte hinreichend groB sind (normalerweise sind 100 g ausreichend). In Abb. 3 sind die Beschleunigungswerte einer profilierten Elektrode rnit einer Hohe von 12 m und einer Lange von 2,5 m der einer glatten Platte als Referenzelektrode gegeniibergestellt. Der Abreinigungsimpuls betragt 130 Nm/s und wurde im unteren Plattenbereich eingeleitet. Wie man sieht, werden die Be- schleunigungskrafte bei der profilierten Platte deutlich besser als beim Glattblech ubertragen.

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2.2 GroBerer Gassenabstand

Verschiedentlich wurde beobachtet [2-6, u. a.], daD eine uber den ublichen Gassenabstand von 200 bis 250 mm hin- ausgehende Erweiterung bei gleichen Abmessungen der Fil- tergehause keinesfalls zu einer Minderung des Abscheidegra- des fuhrt. Das bedeutet, daD die Wanderungsgeschwindig- keit keine verfahrensabhangige Konstante ist, sondern sich u. a. auch mit dem Gassenabstand andert. Wird beim glei- chen Entstaubungsproblem trotz groDerer Gassenabstande

ldealforrn und ZT-Elektrode

Niederschlagselektrode Typ ZT wellenforrnig

\ elektrode II‘ ,-

I I

Die Konditionierung rnit Wasser wird in vielen Arbeitsgebie- ten, insbesondere im Zement- und Stahlwerksbereich, einge- setzt. Auch im Kraftwerksbereich, in dem erstmalig vor dem Elektrofilter ein Verdampfungskiihler installiert wurde [7], der die Rauchgase von 150 auf 80°C kuhlt, konnte eine wesentliche Anhebung der Abscheidegrade erzielt werden. Die konditionierende Wirkung des Wassers besteht darin, daD durch Absenkung der Rauchgas-Temperatur die elektri- sche Durchbruchsfestigkeit des Abgases angehoben und gleichzeitig der Staubwiderstand gesenkt wird.

Em 0 prof i l ier te Eleklrode I 2,5m I

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122

Abb. 2 . Niederschlagselektrode Typ ZT.

der gleiche Abscheidegrad erzielt, liegt eine zum Gassenab- stand proportionale Erhohung des w-Wertes vor, die zu einer Senkung der Kosten fur die Innenausrustung fuhren muI3. Umfangreiche Versuche an Pilot-Anlagen und Untersuchun- gen an iiber 60 industriellen Anlagen in verschiedensten Anwendungsfallen haben gezeigt , daD diese Proportionalitat zumindest bis zu einem Gassenabstand von 400 mm vorliegt. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse einer Auswertung von Filtern rnit 400mm Gassenabstand aus dem Rauchgas- und dem Ze- mentbereich; es werden die gemessenen w-Werte mit den bei der Auslegung zugrunde gelegten w-Werten verglichen. Der Auslegungswert wurde um den Faktor der Gassenabstands- VergroRerung angehoben. In Verbindung rnit der ZT-Elek- trode ergeben sich danach leicht uberproportionale Verbes- serungen der w-Werte. Bisher 1aDt sich noch nicht ab- schlieDend sagen, wie weit der Gassenabstand unter Beibe- haltung eines linearen Anstiegs der w-Werte vergrol3ert wer- den kann; vieles deutet darauf hin, daD das Optimum zwi- schen 400 und 600 mm liegt.

2.3 SO,-Konditionierung

Konditionierungsmittel dienen dazu, das physikalisch-che- mische Abscheideverhalten von Stauben zu verbessern. Be- kannte Konditionierungsmittel sind : Wasser, Dampf, Am- moniak, Triethylamine und Schwefeltrioxid. In der Praxis haben sich vor allem Wasser und Schwefeltrioxid wegen ihres starken, reproduzier- und kalkulierbaren Einflusses auf die Abscheidung bewahrt .

Abb. 3. Messung der Beschleunigungswerte in g an Niederschlags- elektroden.

Bei der Konditionierung rnit SO, hingegen bleibt die Abgas- Temperatur unverandert. Durch Adsorption der durch die Feuchte des Rauchgases und SO, gebildeten Schwefelsaure auf der Partikeloberflache kann der Staubwiderstand in Abhangigkeit der chemischen Zusammensetzung des Staubes um bis zu zwei Zehnerpotenzen gesenkt werden [8]. Damit wird das infolge von zu hohem spezifischem Staubwi- derstand oft vorhandene Ruckspruhen unterdruckt und die Strom/Spannungs-Verhaltnisse in den einzelnen elektrischen Feldern in giinstige Bereiche verlagert.

mm w-Wert(Auslegung )

Abb. 4. Vergleich der w-Werte von Auslegung und Betrieb (400 mm Gassenbreite).

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Die SO,-Konditionierung setzt man fast ausschliefilich bei Kraftwerks-Rauchgasen ein. Als Ausgangsmedium wird im Fall kleiner Blockeinheiten flussiges SO, [9], ansonsten - da wesentlich preiswerter - Fliissigschwefel verwendet. Die erste in Europa groBtechnisch ausgefuhrte SO3- Konditionierung ging 1978 in Betrieb. Seither konnten Er- fahrungen mit uber 35 Kohlensorten und unterschiedlichen Kesselarten gesammelt werden. Die Verbesserung der Ab- scheidbarkeit von Flugaschen hangt zunachst davon ab, in welchem MaDe Faktoren vorhanden sind, die die Abschei- dung storen. Je hoher der spezifische Staubwiderstand ist, je stirker Ruckspruhen auftritt und/oder Raumladungseffekte vorhanden sind, um so groBer ist das Potential der moglichen Verbesserung. In Abb. 5 ist das Verhaltnis der an industriellen Anlagen gemessenen w-Werte mit und ohne Konditionierung uber

rnl Ausgangs-w-Wert - Abb. 5. mit SO,.

Verbesserung des w-Wertes durch eine Konditionierung

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5 15 25 vppm 35 S03-6elodung vor Filter --+

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SO3-Belodung vor Fi l ter --- m riloiU

Abb. 6. SO,- und SO,-Emissionen bei Konditionierung rnit SO,. I Saarkohle, 2 Polen, 3 USA/Ohio, 4 Siidafrika, 5 theoretisch maximaler SO,-Anstieg.

dem w-Wert des nichtkonditionierten Filters aufgetragen. Man sieht, daB bei extrem ungiinstigen Abscheideverhaltnis- sen Steigerungen des w-Wertes > 2 moglich sind. Liegen bereits hohe w-Werte vor, sind nur noch geringfiigige Verbes- serungen zu erwarten. Bei Kenntnis der unter optimalen Abscheidebedingungen erreichbaren oberen Grenze des w- Wertes, die von der Feuerungsart, der FiltergroBe und filter-

spezifischen Faktoren (z. B. dem Gassenabstand) abhangt, ist somit die durch eine SO,-Konditionierung erreichbare Erhohung des w-Wertes weitgehend kalkulierbar. Zwangslaufig ergibt sich die Frage nach der durch die SO3- Konditionierung hervorgerufenen zusatzlichen Emission an SO, und SO,. Eine Vielzahl von Messungen belegt, daB eine meBbare zusatzliche SO,-Belastung nicht auftritt. In Abb. 6 sind oben die MeBergebnisse von SO,-Emissionen eines Kraftwerkkessels mit Schmelzkammerfeuerung uber der SO,-Dosierung aufgetragen. Es wurden vier unterschiedli- che Kohlen eingesetzt, nur beim Typ 2 ist eine leichte SO,- Erhohung erkennbar. Der theoretisch maximal mogliche SO,-Anstieg wurde berechnet und ebenfalls aufgetragen (5 ) . Das untere Diagramm in Abb. 6 zeigt die fur die vier ver- schiedenen Kohlen gemessenen SO,-Erhohungen. Wie man sieht, sind diese gering und erst oberhalb der fur die meisten Falle ausreichenden SO,-Dosierraten erkennbar.

2.4 Minimierung des Energieverbrauches und ProzeOoptimierung mit Mikrocomputern

Obwohl Elektrofilter im Vergleich zu allen anderen Abschei- dern sehr niedrige spezifische Energieverbrauche aufweisen, bestehen durch den Einsatz von Mikroprozessoren vielfalti- ge Moglichkeiten der ProzeBoptimierung rnit dem Ziel, Staub-Emissionen zu senken und Energie einzusparen [lo]. So wurde bisher die Hochspannungssteuerung der einzelnen elektrischen Felder in analoger Technik ausgefuhrt. Auf Durchbruche in der Gasstrecke konnte nur rnit den einmal eingestellten MaBnahmen reagiert werden. Mit Hilfe digita- ler Technik kann man dagegen Durchschlage empfindlicher registrieren und bei Verwendung von Lernprogrammen indi- viduell darauf reagieren. Dadurch werden auch schwanken- de Betriebsbedingungen erheblich besser erfaBt und ein Opti- mum an Spannungs/Zeit-Flache erzielt, was rnit einer Erho- hung der Abscheideleistung einhergeht. Strom/Spannungs-Charakteristiken geben einen wichtigen Hinweis auf die Abscheideverhaltnisse im elektrischen Feld. Liegt Ruckspruhen infolge hochohmigen Staubes vor, kann dies zu einem sehr hohen, die Abscheidung behindernden Strom fiihren, die Strom/Spannungs-Charakteristik wird sehr steil. Moderne Steuerungen sind in der Lage, dies zu erkennen und die fur den jeweiligen Fall besten elektrischen Werte einzustellen. Der Abreinigungsvorgang des auf den Platten abgeschiedenen Staubes wird bei konventioneller Technik dadurch erschwert, da13 die elektrischen Haftkrafte sehr hoch sind. Hier 1aBt sich eine wesentliche Verbesserung erzielen, indem man wahrend des Klopfschlages die Hoch- spannung kurzfristig absenkt. Dadurch laBt sich der Staub- belag auf den Platten besser abreinigen, elektrische Uber- schlage werden unterdruckt, und die Staub-Emission wird verringert. Der Erfolg dieser MaBnahme ist aus den Abb. 7a und 7b ersichtlich. Die Abscheideverhaltnisse der gesamten Filteranlage lassen sich optimieren, indem man den einzelnen Steuerungen einen zentralen ProzeBrechner uberlagert. Abb. 8 zeigt die Gesamt- anordnung von Einzelsteuerungen (Coromatic) und ProzeB- rechner (Precicontrol). Der ProzeBrechner nimmt neben der ProzeBfiihrung, der Steuerung und Uberwachung aller Ein- zelkomponenten der Filter, der Daten-Archivierung und -Sichtbarmachung u. a. folgende Aufgaben wahr : - Koordination der Plattenklopfungen der einzelnen Zonen

und Optimierung des Klopftaktes. - Energieminimierung durch gezielte Energieabsenkungen

in denjenigen Feldern, in denen sie am wirkungsvollsten ist .

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- Reduzierung des Energieverbrauches im Teillastbereich

Mit den genannten MaBnahmen lassen sich 30 bis 70% an Energie ohne EinbuDen beim Abscheidegrad einsparen, in Einzelfallen sind noch bessere Werte moglich.

durch Regelung iiber die Extinktion. - Die elektrischen Staubwiderstande verschieben sich meist

in Richtung hoherer Werte, bleiben jedoch in Bereichen, die fur die Abscheidung im Elektrofilter wiinschenswert oder noch zulassig sind.

Der Abb. 9 kann entnommen werden, daD die Staubwider-

Abb. 7. Klopfvorganges mit analoger (a) und Coromatic-Steuerung (b) .

Zeitlicher Verlauf der Hochspannung wahrend eines

3 Abscheidung von festen und gas- formigen Schadstoffen

In zunehmendem MaBe miissen neben Stauben auch gasfor- mige Schadstoffe wie SOz, HF und HCl den Abgasen entzo- gen werden. Neben den NaBverfahren haben sich trockene und quasi-trockene Verfahren in der industriellen Anwen- dung durchgesetzt. Da letztgenannte das Abscheideverhal- ten von Elektrofiltern wesentlich beeinflussen konnen, sol1 im folgenden darauf eingegangen werden. Zur Abscheidung von sauren Komponenten werden meist Calcium-Verbindungen wie CaCO,, CaO und Ca(OH), ver- wendet. Die Anwesenheit dieser Verbindungen und ihrer Reaktionsprodukte beeinflussen das Verhalten von Elektro- filtern in dreifacher Hinsicht: - Die KorngroBenverteilung kann sich abhangig vom ein-

gesetzten Verfahren in Richtung feiner Teilchen verschie- ben. So liegt beispielsweise der mittlere Korndurchmesser fur handelsiibliche Trockenhydrate zwischen 4 und 8 pm. Bei der Entschwefelung durch Kalksteinzugabe zur Kohle bzw. Einblasen in die Kessel wird der Kalkstein aus Reaktivitatsgriinden auf mittlere Korndurchmesser von 10 bis 20 pm aufgemahlen.

- Die Rohgas-Staubbeladung kann wesentlich ansteigen : bei Trockenkalkzugabe in die Kessel um etwa 50 bis loo%, bei Einsatz der Wirbelschicht-Technik auf Werte von 30 bis zu mehreren 100 gjm;.

c

Abb. 8. ProzeBrechner-System ,,Precicontrol" fur Elektrofilter, a ProzeBrechner, b Bildschirm, c Drucker, d Rauchgasdichte-MeB- gerat, e Corornatic-Mikrocomputer-Steuerungen, f speicherpro- grammierbare Steuerung, g Spannungsumsetzung.

18)107'11 t - Abb. 9. Spezifische Staubwiderstande Q yon Flugaschen mit und ohne Zugabe von Ca-Verbindungen. t Temperatur, z, Wassertau- punkt.

stande e von Calcium-Verbindungen selbst bei Wassertau- punkten 7w von 40 "C relativ hoch liegen. In Verbindung mit Flugaschen und bei Wassertaupunkten der Abgase von 40 bis 60°C wurden bisher jedoch nur Anstiege der elektrischen

~~~ ~ ~

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Staubwiderstande bis etwa eine halbe Zehnerpotenz regi- striert. Als Beispiele fur die Abscheidung schadgasbelasteter Staube sollen im folgenden zwei Verfahren genannt werden.

3.1 Trockene Gasreinigung in Mullver- brennungsanlagen rnit der zirkulierenden Wirbelschicht

Bei der tr ockenen'schadgasbeseitigung werden die storenden Gaskomponenten an der Oberflache eines geeigneten, staub- formigen Adsorbens chemisch gebunden und nach dessen Abscheidung zusammen mit diesem ausgetragen. Besonders bewahrt hat sich fur diesen ProzeD die Kombina- tion eines Venturi-Reaktors mit einem Elektrofilter. In die- sem System werden der Flugasche- und Adsorbensmassen- strom standig umgewalzt. Den Transport vom Reaktor zum Elektrofilter ubernimmt das Betriebsgas. Der abgeschiedene Staub lauft uber Staubforderorgane in den Reaktor zuruck. Das Prinzip der zirkulierenden Wirbelschicht und deren Einsatzmoglichkeiten wurde verschiedentlich beschrieben und soll an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden

Im folgenden soll auf die Ergebnisse im Hinblick auf die staub- und gasformigen Emissionen eingegangen werden, die in Mullverbrennungsanlagen mit Hausmiillbeschickung er- zielt wurden (Abb. 10). In drei parallelen Blockeinheiten rnit einem Durchsatz von je 20 t Mull/h, entsprechend einer

[Il-131.

Kalkhydrot-Silo Venturi- Reaktor

Abb. 10. Trockene Gasreinigung in zirkulierender Wirbelschicht mit Venturi/Elektrofilter-System hinter Miillverbrennungsanlagen.

Gasmenge von je ca. 80000mi/h, durchlauft das Abgas einen Reaktor rnit stark expandierter Wirbelschicht und tritt von oben in das Elektrofilter ein. Die groben Kornfraktionen werden in einem Vorabscheider abgetrennt, das Gas aunerst gleichmal3ig mit Hilfe von Gasverteilungswanden uber den Filterquerschnitt verteilt, und der verbleibende Staubstrom in den nachfolgenden elektrischen Feldern abgeschieden. Ein kleiner Teil des Kreislaufmaterials wird standig ausge- tauscht. Hierzu wird dem Reaktor frisches Material zuge- fuhrt und dem Riicklauf eine entsprechende Menge schad- stoffbeladenen Materials entnommen. Durch Dosierung der beiden Massenstrome lassen sich die Verweilzeiten der Staubpartikeln im Betriebsgas regulieren. Der umlaufende Massenstrom und damit die Rohgas-Staubbeladung fur das Elektrofilter andern sich entsprechend. Die 1984 gemessenen Roh- und Reingaswerte der Elektrofil- ter einer vor zwei Jahren in Betrieb gegangenen Mullverbren- nungsanlage sind in Tab. 2 zusammengestellt. Die Ergebnisse zeigen, dalj Elektrofilter auch in diesem Arbeitsgebiet zur Abscheidung sehr hoher Staubbeladungen mit erheblichem Feinanteil (30% < 10 pm) bestens geeignet sind. Es werden

Tabelle 2. Gas- und staubformige Emissionen in einer Miillverbrennungsanlage.

Rohgas Rein g a s

Gas-Temperatur, "C 240 bis 280 240 bis 280 Staubbeladung, g/mi 200 bis 600 0,040 bis 0,060 HCl, mg/mi 700 bis 1500 < 5

SO,, mg/mi 400 bis 600 < 150 HF, mg/mi ca. 15 < 1

Gesamtabscheidegrade von 99.99 9'0 uberschritten. Wird dariiber hinaus die Rauchgas-Temperatur durch Wasserein- dusung in den Reaktor abgesenkt, lassen sich die Abscheide- verhaltnisse im Elektrofilter weiterhin verbessern, da sowohl der spezifische Staubwiderstand reduziert als auch die elek- trische Durchbruchfestigkeit des Gases und damit die Ab- scheidefeldstarke in den elektrischen Feldern angehoben werden. Die Charakteristika der zirkulierenden Wirbelschicht, wie ausgezeichneter Stoffiibergang des Schadgases an den Fest- stoff infolge maximaler Relativgeschwindigkeiten und die durch den mehrfachen Kalkumlauf gegebenen Verweilzeiten, fuhren zu hohen Abscheidegraden der Schadgase, bei gleich- zeitig sehr guter Kalkausnutzung (Molverhaltnis Ca/ (SOz + HCl) < 1,5). Dies wird insbesondere durch die hohen SO,-Abscheide- grade deutlich, die im Mittel uber 85% liegen. Daruber hinaus ist bemerkenswert, daD bei diesem Verfahren SO, vorwiegend zu CaSO, reagiert.

3.2 Abscheidung von Staub und Fluorwasserstoff aus dern Abgas von Elektrolyseofen nach dem Trocken-Gasreinigungsverfahren

In diesem Fall werden die aus mehreren hundert Elektroly- seofen stammenden Abgase uber entsprechend viele aufein- ander abgestimmte Drosselstrecken dosiert abgesaugt, das gesamte Betriebsgas zusammengefant und einem Vorschalt- Elektrofilter zugefuhrt. Dort wird der Feststoffstrom wei- testgehend abgetrennt und einer Weiterbehandlung unterzo- gen (Abb. 11).

Reinqas

m -- Abb. 11. Zirkulierende Wirbelschicht zur Reinigung von Abgasen bei der Aluminium-Herstellung. u Elektrolyseofen, b Vorschalt- Elektrofilter, c Venturi-Reaktor, d Vorabscheider, e Nachschalt- Elektrofilter, EGR elektrostatische Gasreinigung.

Das Kernstuck der Gasreinigungsanlage bildet die Kombi- nation von Reaktor mit einem Nachschalt-Elektrofilter. Der Reaktor wird nach dem Prinzip der zirkulierenden Wir- belschicht betrieben, wobei als Adsorbens ein Teilstrom des Frisch-Al,O, dem Reaktor zugegeben und hiermit die zirku- lierende Wirbelschicht aufgebaut wird. Durch intensiven Gas/Feststoff-Kontakt wird das fur den ElektrolyseprozeD

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notwendige und fur die Umwelt schadliche Fluor in Form von gasformigen Fluor-Verbindungen am Frischoxid adsor- biert und kann den Elektrolysezellen wieder zugefuhrt wer- den. Die auf diese Weise zur Abreinigung in das Elektrofilter gelangenden Gasvolumenstrome konnen rnit 300 000 bis 600000 m3/h je Einheit beachtlich groD sein. Mit einer zusatzlichen Wassereindusung in den Reaktor lassen sich optimale Abscheideverhaltnisse im Elektrofilter einstellen, was wiederum zu wirtschaftlichen BaugroBen der Filter fuhrt. Auf der Filter-Reingasseite stellen sich bei meh- reren in Betrieb befindlichen Anlagen Fluor-Werte < 1 mg/m; und Staubbeladungen < 30 mg/m; ein.

4 Staubabscheidung unter erschwerten Bedingungen

4.1 Entstaubung von kohlenstaubhaltigen Abgasen

Kohlenstaubhaltige Abgase entstehen beim Trocknen oder Mahltrocknen von Kohle in der Kohleaufbereitungs- und in der Zement-Industrie. Drehrohrofen, die in Zeiten niedriger Olpreise wirtschaftlich mit 0 1 befeuert werden konnten, werden heute zunehmend mit Kohlenstaubfeuerungen aus- bzw . umgerustet . !n friiheren Jahren wurden zur Entstaubung der Abgase von Kohlenmahlanlagen vielfach Elektrofilter in Vertikalbauweise eingesetzt. Sie stellen eine relativ einfache Konstruktion in Einfeld-Bauweise dar und sind durch den nach oben freien Gasaustritt vor Explosionsschaden gut geschutzt. Die Ein- feld-Ausfiihrung bietet jedoch kaum Moglichkeiten zur Min- derung der Staub-Emission bei weiterer Verscharfung der emissionsbegrenzenden Auflagen, daruber hinaus sind keine Reserven bei Storungen im elektrischen Feld vorhanden. Heute werden fast ausschlieDlich horizontale Elektrofilter gebaut, die rnit mindestens zwei elektrischen Abscheidefel- dern ausgestattet sind. Als Beispiel zeigt Abb. 12 die wichtig-

Reingas

Ofenobgas d p7I!2 Kohlestoub

im Umluf t

Abb. 12. Kohlenmahlanlage und Staubabscheidung mittels Elek- trofilter. u Kohlenbunker, b Kohlen-Wagebunker, c Rohmehl-Wa- gebunker, d Kugelmiihle, e Sichter,fZyklon, EGR elektrostatische Gasreinigung.

sten Anlagenkomponenten und die Schaltung einer moder- nen Kohlen-Mahltrocknungsanlage im Zementbereich. Zur Trocknung und Forderung der Kohledispersion wird Ofen- abgas verwendet, von dem ein Teil durch das HeiDgasgeblase als Frischgas, ein anderer Teil als Kreislaufgas der Muhle zugefuhrt wird. Die GrieSe - das Grobgut des der Muhle nachgeschalteten Sichters - wird zur Muhle zuruckgefuhrt. Zusammen mit dem Tragergas gelangt das Feingut nach Vorabscheidung in einem Zyklon in das Zweifeld-Elektrofil- ter. Der in Zyklon und Elektrofilter abgeschiedene Kohlen- staub wird zur Befeuerung eines Zement-Drehrohrofens ver- wendet .

Die prinzipiellen Gefahren beim Betrieb von Kohlenmahlan- lagen sind Staubexplosionen und Schwelbrande. Die Explo- sionsfahigkeit eines Kohlenstaub/Luft-Gemisches wird be- urteilt nach der Staubbeladung, der Staubfeinheit, der Starke der Ziindquelle, der Sauerstoff-Konzentration im Gas, der Neigung der Kohle zum Entgasen und ihrem Aschegehalt. Schwelbrande konnen bei nicht-inerten Gaszustanden auf- treten, z. B. beim An- und Abfahren, wenn der Sauerstoff- Gehalt zu hoch und die Feuchte des Gases zu niedrig sind. Eine Reihe besonderer SchutzmaDnahmen beim Betrieb von Entstaubern sind daher erforderlich. So mussen z. B. zum Schutz vor Staubexplosionen der Sauerstoff-Gehalt und we- gen der Gefahr von Schwelbranden der CO-Gehalt und die Filtertemperaturen uberwacht werden. AuDerdem sollten Inertgas- und Wasser-Spuleinrichtungen vorgesehen wer- den. Beim An- und Abfahren kann der Kohlenmuhle Roh- mehl als Inertmaterial zugefiihrt werden. Durch eine speziel- le Ausfuhrung der Hochspannungssteuerung lassen sich elektrische Uberschlage in den Abscheidefeldern unterdruk- ken. Zur Vermeidung von Staubablagerungen sollten hori- zontale Flachen vermieden werden. Die genannten Maonahmen vermindern die Wahrscheinlich- keit fur das Auftreten einer Staubexplosion betrachtlich, sie konnen eine solche jedoch nicht rnit Sicherheit verhindern. Da die bei einer Explosion entstehenden Verbrennungsgase nicht sofort entweichen konnen, entsteht ein erheblicher DruckstoD. Mit Hilfe konstruktiver Maonahmen, wie dem Einbau von Berstelementen oder Explosionsklappen, wer- den Druckentlastungsflachen geschaffen, die je nach ihrer GroDe den maximalen DruckstoR auf einen fur das Filter berechenbaren Wert reduzieren. Durch die damit verbunde- ne niedrigere erforderliche Druckstoofestigkeit des Elektro- filters werden dessen Erstellungskosten erheblich gemindert. Seit einigen Jahren be finden sich Mehrfeld-Horizontal-Elek- trofilter hinter Kohlenmahlanlagen im Einsatz und zeichnen sich unter Berucksichtigung der zuvor genannten Punkte durch hohe Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit aus. Einige fur Elektrofilter hinter Kohlenmahlanlagen typische Betriebsdaten sind in Tab. 3 zusammengefaot.

Tabelle 3 . Betriebsdaten von Kohlenmahlanlagen.

Muhlenleistung, t/h 20 bis 60 Rauchgasvolumen, mi/h 50 000 bis 150 000 Abgas-Temperatur, "C ca. 80 bis 100 Wassertaupunkt , "C 50 bis 55 Rohgas-Staubbeladung, g/mi 50 Reingas-Staubbeladung, mg/mi < 50

4.2 Abscheidung von Stauben aus Brenngasen im Stahlwerksbereich

Im folgenden sol1 auf die Losung eines Staubabscheidepro- blems aus dem Stahlwerksbereich eingegangen werden, bei dem die Gefahr einer Staubexplosion ausgeschlossen, jedoch die Moglichkeit der Bildung eines explosiblen Gasgemisches gegeben ist. In modernen Oxigenstahlwerken rnit Teilver- brennung (2 <0,1) tritt die Besonderheit auf, dal3 sich in enger zeitlicher Sequenz die Abgasbedingungen hinsichtlich Gaszusammensetzung, Temperatur, Staubbeladung und Vo- lumenstrom stark andern [14, 151. Abb. 13 stellt den zeitlichen Verlauf der Gaszusammenset- zung vor, wahrend und nach dem FrischprozeD dar. Neben hohen CO-Gehalten entsteht Wasserstoff beim OBM-Ver- fahren aus organischen Kuhlmedien der Dusen bzw. beim

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LD-Verfahren aus Sperrdampf, was zu einer Aufweitung des Explosionsbereiches fiihrt. Anstelle der sonst iiblichen Wa- scher wurden fur diesen Anwendungsfall in den letzten Jah- ren fast ausschlieDlich trocken betriebene Rund-Elektrofifter

181207131 Biaszeit +

Abb. 13. Abhangigkeit von der Blaszeit. 3. Luftfaktor.

Zusammensetzung des trockenen Konverter-Abgases in

P L I

Abb. 14. Trockene Gasreinigung rnit Stahlgas-Gewinnung (Lurgi- Thyssen-Verfahren). a Konverter, b Verdampfungskiihler, c Elektro- filter, d Gasumschaltstation, e Fackelkamin, f’Gassgttiger, g Gaso- meter.

eingesetzt, die eigens hierfiir entwickelt wurden. Bei der Filterkonzeption mul3ten insbesondere folgende Besonder- heiten beachtet werden: - Wegen der Moglichkeit des Auftretens eines explosiblen

Bereiches in der prozeflbedingten Ubergangsphase von Luft zu Brenngas und umgekehrt niuR das Filtergehause druckstonfest ausgelegt werden.

- Das Gas ist aunerst gleichformig unter Vermeidung von Totzonen uber den gesamten Filterquerschnitt zu vertei- len, damit die Grenzschicht, in der CO, H,, CO,, N, und 0, gleichzeitig vorliegen konnen, so klein wie moglich gehalten wird.

- Da der im Filter anfallende Staub aufgrund seines hohen Metallisierungsgrades pyrophor ist, muB ein Staubaus- tragssystem verwendet werden, das noch wahrend der

Frischphase den Staub aus dem Filter transportiert. - Das Filter mul3 dergestalt dimensioniert werden, daD eine

auBerst effiziente Abscheidung feinster metallischer, aus der Gasphase rekondensierter Partikeln gewahrleistet ist.

Abb. 14 stellt das Konzept von Filter- und Gasgewinnungs- anlage dar. Das den Kiihlkamin mit 800 bis 1000°C verlas- sende Abgas wird in einein Verdampfungskiihler auf 150 bis 200°C abgekiihlt und im Elektrofilter gereinigt. Enthalt das Gas mehr als z. B. 30% CO, wird durch eine eigens hierfiir entwickelte Umschaltstation der Weg uber den Kamin ins Freie geschlossen und das Gas zum Gasbehalter gefordert.

Der geschilderte ProzeD ist im Vergleich zur konventionellen NaDentstaubung besonders umweltfreundlich. Die ublicher- weise bei einem Wascher erforderliche Abwasseraufberei- tung entfallt vollstandig. Das erzeugte Stahlgas ersetzt groBe Mengen an Primarenergie ; bei einer Charge eines Konver- ters (200 t ) werdenca. 9 t Kohlenstoffin weiter verwendbares Gas umgewandelt. Die zur Entstaubung mit dem Elektrofilter benotigte Energie ist im Vergleich zum Wascher aurjerst gering ( < 10%). Das Stahlgas enthalt wenig Schadstoffe, da mit dem Elektro- filter Reingas-Staubbeladungen < 20 mg/mi erzielt werden. Der im Filter abgeschiedene Staub kann weitestgehend in den ProzeD zuruckgefuhrt werden.

Eingegangen am 11. Januar 1985 [B 52071

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(111 Reh, L.: Chem.-1ng.-Tech. 56 (1984) Nr. 3, S. 1971202. [I21 Wittmann, E.: Chem.-1ng.-Tech. 56 (1984) Nr. 9, S. 6921694. [13] Graf, R.; Wittmann, E.: Rauchgasreinigung rnit einer zirkulie-

renden Wirbelschicht hinter dem Miillkraftwerk Schwandorf, Vortrag auf der GVC’VDI-Tagung, 14. 5. 1984 in Koblenz.

[14] Rennhack, R.: Stahl Eisen 98 (1978) S. 59/65. [15] Steinbacher, K.: Stahl Eisen 98 (1978) S. 54/58.

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