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Forschung aktuell 65 Forschung Frankfurt 3/2007 E ine Stiftungsprofessur ermög- licht die konzentrierte For- schung auf einem speziellen Fach- gebiet und schafft den notwendigen Freiraum, Neues zu erproben. Ins- besondere kann sie dazu dienen, Brücken zwischen Disziplinen zu errichten. Mit diesem Ziel wurde vor fünf Jahren die Beilstein-Stif- tungsprofessur für Chemieinforma- tik an der Johann Wolfgang Goe- the-Universität eingerichtet. Geför- dert von dem in Frankfurt am Main ansässigen Beilstein-Institut zur Förderung der Chemischen Wissen- schaften, wurde sie in enger Zu- sammenarbeit mit dem Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie unter der Federführung von Prof. Dr. Michael Göbel konzi- piert. Nachdem die Förderperiode von fünf Jahren im März 2007 aus- gelaufen war, ist die Stiftungspro- fessur nahtlos in den ordentlichen Universitätsbetrieb übernommen worden. Dies gibt Anlass, ein Fazit zu ziehen. Computerbasiertes Molekül- und Wirkstoffdesign Aus der ursprünglichen Idee, erst- malig in Deutschland das Fach Che- mieinformatik durch eine Stiftung in Forschung und Lehre zu etablie- ren, hat sich inzwischen eine voll- ständige universitäre Arbeitsgruppe entwickelt, deren zentrales For- schungsgebiet das computerbasierte Molekül- und Wirkstoffdesign ist. Hier stand zum einen die Entwick- lung neuer Methoden und Softwa- re im Vordergrund, zum anderen die konkrete Anwendung der neu- en Verfahren in der Wirkstofffor- schung. Neben universitären Ar- beitsgruppen am Fachbereich Bio- chemie, Chemie und Pharmazie konnten dafür mehrere Partner in der pharmazeutischen Industrie ge- wonnen werden. Diese Zusammen- arbeit und die von der Industrie zu- sätzlich geförderten Drittmittelpro- jekte haben sich als äußerst fruchtbar erwiesen – sowohl inhalt- lich als auch speziell für die Mitar- beiter der Stiftungsprofessur, die be- reits während des Studiums und der Promotion Einblicke in die in- dustrielle Praxis und Arbeitsweise gewinnen konnten. Dies ist unver- Protease- Hemmer GPCR Liganden zichtbar für den nachhaltigen Erfolg in diesem stark anwendungsorien- tierten Forschungsgebiet. Der Freiraum zum kreativen Denken hat zu zahlreichen innova- tiven Lösungen geführt. So haben wir beispielsweise in Zusammenar- beit mit Prof. Dr. Dieter Steinhilber am Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität neue Wirkstoffkandidaten für die Bekämpfung von Entzündungsre- aktionen gefunden und über die universitäre Verwertungsgesell- schaft Innovectis GmbH bis zur Pa- tentanmeldung geführt. Ebenso hat die Arbeitsgruppe neue Software für die bioinformatische Sequenz- und Genomanalyse und das Mole- küldesign entwickelt, auf die zum Ideenschmiede mit Praxisbezug Fünf Jahre Beilstein-Stiftungsprofessur für Chemieinformatik Der Moleküldesigner navigiert in der Welt der Moleküle auf der Suche nach Aktivitätsinseln (»Schatzinseln«; R. L. Stevenson, Treasure Island, 1883). Mo- leküle werden dabei über ihre potenziel- len Wechselwirkungspunkte mit Rezep- toren beschrieben. Dies ist hier durch die farbigen Bereiche an einem Beispiel von bioaktiven Substanzen gezeigt. Die entsprechende Software zur Berechnung der Molekülcodierung wurde von Mitar- beitern der Beilstein-Stiftungsprofessur entwickelt. Links ist eine grobe Karte des chemischen Raums gezeigt, der von zirka 6000 bekannten Wirkstoffen auf- gespannt wird. Für diese Berechnung wurde eine sogenannte »selbstorganisie- rende Karte«, ein maschinelles Lernver- fahren, verwendet. Einzelne Aktivitätsin- seln sind in schwarz eingezeichnet. Die- se enthalten viele Moleküle, die eine bestimmte pharmakologische Wirkung haben. 1 Teil im Internet frei zugegriffen werden kann. Diese wird mittler- weile weltweit in Forschung und Lehre eingesetzt. Mehrere Absol- venten der Professur sind für ihre Arbeiten mit Forschungspreisen ausgezeichnet worden. Gekrönt wurde die Stiftungsprofessur durch die Verleihung der Auszeichnung »Professor des Jahres 2006« in der Kategorie Medizin und Naturwis- senschaften durch den UNICUM- Verlag. Diese und weitere Anerken- nungen zeigen, dass interdisziplinä- res Denken und Arbeiten durch entsprechende organisatorische Strukturen gefördert werden kann. Ein zentrales Forschungsthema der Chemieinformatik ist die Frage, wie Moleküle aussehen müssen, um eine pharmakologische Wirkung zu haben. Bei der Abschätzung des Wirkstoffpotenzials einer chemi- schen Substanz und dem zielgerich- teten Entwurf neuer Moleküle mit gewünschten Eigenschaften kann der Computer helfen. Methoden der »künstlichen Intelligenz« wer- den eingesetzt, um Rechner in die Lage zu versetzen, selbstständig Molekülvorschläge zu generieren. Die Stiftungsprofessur entwickel- te unterschiedliche Konzepte für

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Eine Stiftungsprofessur ermög-licht die konzentrierte For-

schung auf einem speziellen Fach-gebiet und schafft den notwendigenFreiraum, Neues zu erproben. Ins-besondere kann sie dazu dienen,Brücken zwischen Disziplinen zuerrichten. Mit diesem Ziel wurdevor fünf Jahren die Beilstein-Stif-tungsprofessur für Chemieinforma-tik an der Johann Wolfgang Goe-the-Universität eingerichtet. Geför-dert von dem in Frankfurt am Mainansässigen Beilstein-Institut zurFörderung der Chemischen Wissen-schaften, wurde sie in enger Zu-sammenarbeit mit dem Institut fürOrganische Chemie und ChemischeBiologie unter der Federführungvon Prof. Dr. Michael Göbel konzi-piert. Nachdem die Förderperiodevon fünf Jahren im März 2007 aus-gelaufen war, ist die Stiftungspro-fessur nahtlos in den ordentlichenUniversitätsbetrieb übernommenworden. Dies gibt Anlass, ein Fazitzu ziehen.

Computerbasiertes Molekül-und Wirkstoffdesign

Aus der ursprünglichen Idee, erst-malig in Deutschland das Fach Che-mieinformatik durch eine Stiftungin Forschung und Lehre zu etablie-ren, hat sich inzwischen eine voll-ständige universitäre Arbeitsgruppeentwickelt, deren zentrales For-schungsgebiet das computerbasierteMolekül- und Wirkstoffdesign ist.Hier stand zum einen die Entwick-lung neuer Methoden und Softwa-re im Vordergrund, zum anderendie konkrete Anwendung der neu-en Verfahren in der Wirkstofffor-schung. Neben universitären Ar-beitsgruppen am Fachbereich Bio-chemie, Chemie und Pharmaziekonnten dafür mehrere Partner inder pharmazeutischen Industrie ge-wonnen werden. Diese Zusammen-arbeit und die von der Industrie zu-sätzlich geförderten Drittmittelpro-jekte haben sich als äußerstfruchtbar erwiesen – sowohl inhalt-lich als auch speziell für die Mitar-beiter der Stiftungsprofessur, die be-reits während des Studiums undder Promotion Einblicke in die in-dustrielle Praxis und Arbeitsweisegewinnen konnten. Dies ist unver-

Protease-Hemmer

GPCR Liganden

zichtbar für den nachhaltigen Erfolgin diesem stark anwendungsorien-tierten Forschungsgebiet.

Der Freiraum zum kreativenDenken hat zu zahlreichen innova-tiven Lösungen geführt. So habenwir beispielsweise in Zusammenar-beit mit Prof. Dr. Dieter Steinhilberam Institut für PharmazeutischeChemie der Goethe-Universitätneue Wirkstoffkandidaten für dieBekämpfung von Entzündungsre-aktionen gefunden und über dieuniversitäre Verwertungsgesell-schaft Innovectis GmbH bis zur Pa-tentanmeldung geführt. Ebenso hatdie Arbeitsgruppe neue Softwarefür die bioinformatische Sequenz-und Genomanalyse und das Mole-küldesign entwickelt, auf die zum

Ideenschmiede mit PraxisbezugFünf Jahre Beilstein-Stiftungsprofessur für Chemieinformatik

Der Moleküldesigner navigiert in derWelt der Moleküle auf der Suche nachAktivitätsinseln (»Schatzinseln«; R. L.Stevenson, Treasure Island, 1883). Mo-leküle werden dabei über ihre potenziel-len Wechselwirkungspunkte mit Rezep-toren beschrieben. Dies ist hier durchdie farbigen Bereiche an einem Beispielvon bioaktiven Substanzen gezeigt. Dieentsprechende Software zur Berechnungder Molekülcodierung wurde von Mitar-beitern der Beilstein-Stiftungsprofessurentwickelt. Links ist eine grobe Kartedes chemischen Raums gezeigt, der vonzirka 6000 bekannten Wirkstoffen auf-gespannt wird. Für diese Berechnungwurde eine sogenannte »selbstorganisie-rende Karte«, ein maschinelles Lernver-fahren, verwendet. Einzelne Aktivitätsin-seln sind in schwarz eingezeichnet. Die-se enthalten viele Moleküle, die einebestimmte pharmakologische Wirkunghaben.

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Teil im Internet frei zugegriffenwerden kann. Diese wird mittler-weile weltweit in Forschung undLehre eingesetzt. Mehrere Absol-venten der Professur sind für ihreArbeiten mit Forschungspreisenausgezeichnet worden. Gekröntwurde die Stiftungsprofessur durchdie Verleihung der Auszeichnung»Professor des Jahres 2006« in derKategorie Medizin und Naturwis-senschaften durch den UNICUM-Verlag. Diese und weitere Anerken-nungen zeigen, dass interdisziplinä-res Denken und Arbeiten durchentsprechende organisatorischeStrukturen gefördert werden kann.

Ein zentrales Forschungsthemader Chemieinformatik ist die Frage,wie Moleküle aussehen müssen,um eine pharmakologische Wirkungzu haben. Bei der Abschätzung desWirkstoffpotenzials einer chemi-schen Substanz und dem zielgerich-teten Entwurf neuer Moleküle mitgewünschten Eigenschaften kannder Computer helfen. Methodender »künstlichen Intelligenz« wer-den eingesetzt, um Rechner in dieLage zu versetzen, selbstständigMolekülvorschläge zu generieren.

Die Stiftungsprofessur entwickel-te unterschiedliche Konzepte für

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Eine Auswahlneuer pharmakolo-gisch aktiver Sub-stanzen, die mitden von der Beil-stein-Stiftungspro-fessur entwickel-ten virtuellenScreeningmetho-den gefundenwurden. 1: Anta-gonist des meta-botropen Gluta-matrezeptors(mGluR1), 2: Inhibitor des En-zyms 5-Lipoxyge-nase, 3: Inhibitordes Dopaminre-zeptors D3.

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diese Aufgabe. Hierbei wird grund-sätzlich zwischen ligandenbasiertenund rezeptorbasierten Ansätzen un-terschieden. Erstere verwenden dieStrukturen bereits bekannter Wirk-stoffe als »Wissensbasis« für dieEntwicklung einer Vorhersageme-thode für neue Leitstrukturen; letz-tere beziehen die räumliche Struk-tur der Liganden-Bindetasche desRezeptormoleküls (zumeist ein Pro-tein) mit ein. Ligandenbasierte Me-thoden bieten sich besonders dannals Methode der Wahl an, wenn dieräumliche Struktur des Zielproteins(das so genannte »Target«) unbe-kannt ist, wie etwa bei G-Protein,gekoppelten Rezeptoren (GPCR).GPCR stellen derzeit neben den En-zymen die größte Klasse der in derWirkstoffforschung bearbeitetenTargets dar, da sie unter anderemdie Kommunikation von Zellen mitihrer Umgebung und somit auch eintherapeutisches Eingreifen ermögli-chen. GPCR werden beispielsweise

zur Therapie von Erkrankungen deszentralen Nervensystems sehr aktiverforscht. Hierbei sind neue Ansät-ze, um innovative chemischeGrundstrukturen potenzieller Li-ganden zu finden, unverzichtbar.

Chemische Simulation imComputer spart Kosten

Die Mitarbeiter der Stiftungsprofes-sur entwickelten zu diesem Zweckein Konzept des »chemischenRaums«, das sie in verschiedenenProjekten in der Realität testeten.Die Idee ist dabei, eine »Landkarte«aller wirkstoffartigen Moleküle zuerstellen. Darin finden sich Aktivi-tätsinseln, also Bereiche, in denenMoleküle mit einer gewünschtenpharmakologischen Eigenschaft be-sonders häufig auftreten . DieKarte erlaubt nun das Navigierenim chemischen Raum und ermög-licht den zielgerichteten Entwurfneuer Verbindungen, die auf denAktivitätsinseln zu liegen kommen.So können Moleküle systematischausgewählt und auf ihre tatsächli-che Bioaktivität hin im Labor getes-tet werden. Mit dieser Methode istes in einer Kooperation mit dem inFrankfurt ansässigen UnternehmenMerz Pharmaceuticals unter ande-

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rem gelungen, potenzielle Kandida-ten zur Bekämpfung von neurode-generativen Erkrankungen zu fin-den, und zwar in Form neuer Anta-gonisten des metabotropenGlutamatrezeptors (ein GPCR, Sub-typen mGluR1 und mGluR5).

Darüber hinaus lassen sich po-tenzielle Nebenwirkungen von be-kannten Wirkstoffen und neuenWirkstoffkandidaten gezielt undkorrekt vorhersagen. Die Vorteileeines solchen »virtuellen Scree-nings« mithilfe des Computers sindoffensichtlich: ein deutlich redu-zierter Testaufwand im Labor undeine hohe Trefferrate . Zum Ver-gleich: Typischerweise werden inder frühen Phase der Wirkstofffin-dung moderne biochemische Hoch-durchsatz-Testverfahren eingesetzt,die bis zu einer Million Substanzenpro Tag auf einen gewünschten Ef-fekt hin untersuchen können. DieKosten liegen dabei zwischen weni-gen Cent und mehreren Euro proTest bei einer Trefferrate von durch-schnittlich etwa 0,1Prozent (abhän-gig von Testverfahren und Target).Um den Faktor 10- bis 1000fachhöhere Trefferraten können bei er-folgreichem virtuellem Screeningerreicht werden, wobei nur ein

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Neue pharmakologisch aktive Substanzen

Antagonist desmetatropen Glutamatrezeptors

(mGluR1)

Inhibitor des Enzyms5-Lipoxygenase

Inhibitor desDopaminrezeptors D3

Buchtipp

Molecular Design bietet eine Einführung in diePrinzipien und Methoden des computergestütz-ten Entwurfs bioaktiver Moleküle. Das Buchwurde speziell für Einsteiger in die medizinischeChemie und Bioinformatik konzipiert. Der Le-ser wird schrittweise von den Grundlagen bishin zur »hohen Kunst« des Moleküldesigns ge-führt. Zahlreiche praktische Anwendungsbei-spiele mit vielen, durchgehend farbigen Illustra-tionen ergänzen dieses erste englischsprachigeLehrbuch zum Thema.

Gisbert Schneider, Karl-Heinz Baringhaus Molecular Design Verlag Wiley-VCH, New York/Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-31432-4, 49,90 Euro.

Schneider, G. undBaringhaus, K.-H.(2008), MolecularDesign – Conceptsand Applications,Wiley-VCH, Wein-heim, New York.

Renner, S., He-chenberger, M.,Noeske, T., Böcker,A., Jatzke, C.,Schmuker, M., Par-sons, C. G., Weil, T.und Schneider, G.

(2007), Scaffold-hopping by 3D-pharmacophoresand neural networkensembles, Ange-wandte Chemie In-ternational Edition46, S. 5336 – 5339.

Böcker, A., Sasse,B. C., Nietert, M.,Stark, H. undSchneider, G.(2007), GPCR-tar-geted library de-

sign: Novel dopami-ne D3 receptor an-tagonists, Chem-MedChem 2, S. 1000 – 1005.

Weisel, M., Pro-schak, E. undSchneider, G. (2007),PocketPicker: Ana-lysis of ligand bin-ding-sites with sha-pe descriptors, Che-mistry CentralJournal 1, 7.

Franke, L.,Schwarz, O., Mül-ler-Kuhrt, L., Hoer-nig, C., Fischer, L.,George, S., Tanri-kulu, Y., Schneider,P., Werz, O., Stein-hilber, D. undSchneider, G.(2007), Identifica-tion of natural pro-duct-derived inhi-bitors of 5-lipoxy-genase activity byligand-based virtu-

al screening, Jour-nal of MedicinalChemistry 50, S. 2640 – 2646.

Noeske, T., Sasse,B. C., Stark, H.,Parsons, C. G.,Weil, T. undSchneider, G.(2006), Predictingcompound selecti-vity by self-organi-zing maps: Cross-activities of meta-

botropic glutamatereceptor antago-nists, ChemMed-Chem 1, S. 1066 –1068.

Schneider, G. undFechner, U. (2005)Computer-based denovo design of dru-glike molecules,Nature Reviews inDrug Discovery 4,S. 649 – 663.

Literatur:

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Bruchteil an Substanzen experi-mentell getestet werden muss. DieChemieinformatik ergänzt auf dieseWeise etablierte Verfahren.

Eine neu entwickelte strukturba-sierte Methode zum Finden vonneuen Wirkstoffkandidaten beruhtdarauf, potenzielle Liganden-Binde-taschen auf der Oberfläche derWirkstofftargets ausfindig zu ma-chen. Hierbei werden Oberflächender makromolekularen Rezeptoren(Protein oder RNA) mit einemComputerverfahren gerastertund gefundene Vertiefungen extra-hiert. Diese »Taschen« werden an-

schließend beschrieben, beispiels-weise, wie tief sie »vergraben« sindund welche Merkmale als poten-zielle Wechselwirkungspunkte fürdas Einpassen von Liganden in dieTasche infrage kommen. Aufgrundder strukturellen und physikoche-mischen Beschreibung können diegefundenen Vertiefungen systema-tisch klassifiziert und gruppiert wer-den. Diese Analysemethode unter-stützt das rechnerbasierte »Design«neuer Moleküle mit entsprechen-den Algorithmen. Die Beilstein-Pro-fessur hat dafür verschiedene Ver-fahren erdacht und implementiert.

Kreatives, vernetzendes Denken

Bemerkenswert ist, dass bei der Ent-wicklung all dieser neuen Metho-

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den Bioinformatiker, Chemiker undBiochemiker, Pharmazeuten undInformatiker beteiligt waren. Diesebesondere Mischung von Köpfenmit unterschiedlichen individuellenFertigkeiten und konzeptionellenAnsätzen schaffte eine anregendeAtmosphäre, die zwischen Phasendes »kreativen Chaos« und zielori-entierter Projektarbeit oszillierte.Selbstredend mussten zu Anfangauch Sprach- und Verständnisbar-rieren wissenschaftlicher Art über-wunden werden. Dies funktionier-te, weil die Beteiligten mit gegen-seitigem Respekt und Akzeptanz

aufeinander zugingen. Die Beil-stein-Stiftungsprofessur hat dabeiden entscheidenden Fachbereicheübergreifenden organisatorischenRahmen geliefert, der diese Zusam-menarbeit ermöglichte und kreati-ves, vernetzendes Denken und Ar-beiten außerhalb der traditionellenDisziplinen stimulierte.

Aber auch in der Lehre hat dieStiftungsprofessur Brücken geschla-gen. So wurden neue Lehrveranstal-tungen konzipiert und das Beilstein-Computerzentrum eingerichtet, dasfür alle Naturwissenschaftler amStandort Riedberg leicht erreichbarist. Es ermöglicht die fachorientierteAusbildung in einer modernenHard- und Softwareumgebung undsteht den Studierenden rund umdie Uhr zur Verfügung. Besonders

beliebt ist die Veranstaltung »Mole-küldesign«, die regelmäßig von derStiftungsprofessur als zweiwöchigerWorkshop angeboten wird. Hierkommen Studierende verschiede-ner naturwissenschaftlicher Diszip-linen zusammen und bearbeiten inkleinen Gruppen eine aus der in-dustriellen Praxis entnommene Auf-gabe. Auf diese Weise wird nicht al-lein Fachwissen vermittelt, sonderndie Teilnehmer erfahren auch»Teambuilding« hautnah und trai-nieren verschiedene »Soft Skills«,die sie für die erfolgreiche wissen-schaftliche Projektarbeit benötigen.

Modell für praxisorientierteForschung

Wie kann man die Leistung einerStiftungsprofessur qualitativ mes-sen? Zur Beurteilung der Ergebnis-se von fünf Jahren Forschung undLehre in der Chemie- und Bioinfor-

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PocketPicker-Analyse

1 (n = 142)2 (n = 186)3 (n = 198)

De novo Ligandendesign

Mithilfe einer neuen Rechenmethode (»PocketPicker«) können potenzielle Liganden-Bindetaschen in biologischen Makromo-lekülen (Proteine, RNA) systematisch erfasst und hinsichtlich ihrer Eignung für das strukturbasierte Wirkstoffdesign bewertetwerden. Diese Analyse stellt eine wichtige Grundlage für die frühzeitige Auswahl geeigneter Wirkstofftargets dar und ermöglichtden rechnergestützten Entwurf potenzieller neuer Liganden (de novo Design). Das Beispiel zeigt die PocketPicker-Analyse desEnzyms Angiotensin Converting Enzyme (ACE) (links), das bei der Regulierung des Blutdrucks von zentraler Bedeutung ist.Rechts sind einige vom Computer neu entworfene potenzielle ACE-Liganden gezeigt (bunt). Der bekannte ACE-Hemmer Lisino-pril, ein Blutdruck senkender Wirkstoff, ist grau dargestellt und mit einem Pfeil markiert. Solche Strukturvorschläge des Com-puters helfen unter anderem bei der Syntheseplanung in der medizinischen Chemie.

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Links

Professur für Chemie- und Bioinformatik (Beilstein Stiftungsprofessur):www.modlab.de

Beilstein-Institut zur Förderung der Chemischen Wissenschaften:www.beilstein-institut.de

Fachgruppe Chemie-Information-Computer (CIC) der Gesellschaft Deutscher Chemiker:www.gdch.de/strukturen/fg/cic.htm

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Chemieinformatik hat zweifellosModellcharakter für ähnliche zu-künftige Einrichtungen. Ein solcher»offener Think-Tank«, eine Ideen-schmiede auf Zeit, kann ein Modellspeziell für die praxisorientierteuniversitäre Forschung und Lehresein. Ein derartiges Vorhaben ge-lingt jedoch nur, wenn alle beteilig-ten Institutionen und Personendem Wunsch auch Taten folgen las-sen. Großes persönliches Engage-ment einzelner Entscheidungsträgerhat ebenso zum Gelingen der Beil-stein-Professur beigetragen wie dieAnsiedlung der Professur über dieFakultätsgrenzen hinweg – auchwenn dies ein bisweilen schmerz-hafter Prozess war. Insbesonderehaben jedoch die vorab festgelegtenRichtlinien zum Auslauf der Förde-rung und die erforderlichen Maß-nahmen für eine nahtlose Über-nahme der Stiftungsprofessur inden ordentlichen Universitätsbe-trieb den Grundstein für dieNachhaltigkeit der Stiftung gelegt. ◆

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Der Autor

Prof. Dr. Gisbert Schneider, 42, ist Inhaber der Beilstein-Stiftungsprofessur für Che-mieinformatik. Er studierte Biochemie, Medizin und Informatik an der Freien Uni-versität Berlin. Nach seiner Promotion zum Thema »evolutionäres Peptiddesign« ar-beitete er als Post-Doktorand in Berlin, Stockholm und Cambridge (USA). 1996 kamSchneider erstmals nach Frankfurt, zunächst an das Max-Planck-Institut für Biophy-sik, wo er sich mit Proteinstrukturvorhersagen beschäftigte. 1997 erfolgte ein Wech-sel zur Firma Hoffmann-La Roche AG in Basel, wo er im Rahmen der präklinischenPharmaforschung den Bereich Chemieinformatik leitete. Während dieser Zeit habili-tierte er sich an der Universität Freiburg für Biochemie und Bioinformatik. Seit 2002forscht und lehrt der Spezialist für Wirkstoffdesign wieder in Frankfurt als ordentli-cher Professor für Chemie- und Bioinformatik an der Goethe-Universität. E-Mail: [email protected]; Internet: www.org.chemie.uni-frankfurt.de/arbeitskreise/schneider

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matik sind bei der Einrichtung derStiftungsprofessur zunächst klareKriterien und Rahmenbedingungenfestgelegt worden. Jahresberichtean die Stifterin ergänzten den eben-falls zu Beginn der Förderung er-stellten Projektplan, der die Grund-lage für Forschung und Lehre derProfessur darstellte. Diese Maßnah-men haben – zusammen mit einernach der Hälfte der Förderperiodedurchgeführten externen Evaluie-rung – dazu beigetragen, Entwick-lungspotenziale zu erkennen undeine Risikoanalyse durchzuführen.Bereits über 60 Fachpublikationenund ein neues Lehrbuch sind unmit-

telbar aus der Arbeit der Stiftungs-professur hervorgegangen. Auchdies ist ein messbares Ergebnis. DieBeilstein-Stiftungsprofessur für

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der Universität innerhalb und außerhalb des Rhein-Main-Gebiets.

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