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  • 4Lern erst mal was Richtiges Mit diesen Worten beendet der Vater den Streit mit seinem 16-jhrigen Sohn Max, der so gerne Maler werden mchte. Stattdes-sen tritt Miedinger Junior im Herbst 1926 eine Lehre zum Schriftsetzer bei der Zrcher Buch-druckerei Jacques Bollmann an.

    Mit diesem Brief bekam Helvetica 1959 ihren Namen. Das Originaldokument ist im Besitz von Erik Spiekermann.

    Abendkurse bei Johann Kohl-mann an der Kunstgewerbe-schule Zrich besttigen vier Jahre spter seine Begabung. 1936 endlich kann Max Miedin-ger sein Talent beruich nutzen: als Typograf im Wer-beatelier der Kauf-hauskette Globus. Im Laufe der folgenden zehn Jahre gestaltet er Plakate, Anzeigen und Drucksachen.Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlsst Miedinger das hektische Zrich und bewirbt sich als Verkufer bei der Haasschen Schriftgieereiin Mnchenstein nahe Basel. Dem Direktor Eduard Hoffmannimponiert die Vielseitigkeit Mie-dingers. Als der ihm sein Notiz-buch mit Schriftentwrfen zeigt, vertraut ihm Hoffmann sein Geheimprojekt an, mit dem er Haas zu neuem wirtschaftlichen Erfolg fhren mchte.Der Konkurrent H. Berthold rollt mit seiner Akzidenz Grotesk (AG) den deutschsprachigen Markt auf. Sogar die Schweizer greifen zu dem Bestseller aus Berlin. Dieser Entwicklung will Hoffmann mit einer neuen Sans begegnen, die Miedinger zeich-nen soll. Als Blaupause dient ihnen eine lineare Serifenlose der Leipziger Gieerei Schelter & Giesecke aus dem Jahr 1880, die Scheltersche Grotesk.Nach wenigen Monaten liegen erste Probeabzge der Neuen Haas Grotesk auf Hoffmanns Schreibtisch. Er ist begeistert. Im Sommer 1957 kommt sie auf den Markt.

    Zwei Jahre spter schwappt die Schweizer Typographienach Deutschland ber. In der Frankfurter Hedderichstrae beschliet die D. Stempel AG,seit 1954 Mehrheitseigner der

    Haasschen Schriftgie-erei, diesem Trend zu folgen. Im Juni 1959 schlgt das Vertriebs-Ass Heinz Eul die Auf-nahme der Neuen Haas Grotesk ins Stempel-Programm vor, ganz gezielt fr die Werbe-mittelgestalter, als Wunderwaffe gegen

    Futura und AG.Ein zugkrftiger Name musste her, vielleicht mit geograschem Bezug. Eines Morgens legt Eul seinem Chef Erich Schultz-Ankereinen Brief mit der Namensidee Helvetia ins Fach. Der macht, nach kurzer Rcksprache mit Eul, Helvetica draus und bringt sie Anfang 1961 heraus.Die Schrift mit dem einprg-samen Namen tritt in den 60er Jahren einen bemerkenswerten Triumphzug an. Legionen von Erscheinungsbildern basieren auf Helvetica, so bei Lufthansa, Bayer, Hoechst, Deutsche Bahn, BASF und BMW. Dies liegt weni-ger an der Einfallslosigkeit der Agenturen als an der universel-len Verfgbarkeit der Schrift, in Zeiten des Bleisatzes ein ent-scheidendes Kriterium. 1983 entwirft Stempel eine Neue Helvetica. Dabei werden die his-torisch gewachsenen Schnitte harmonisiert. Mit den Jahren wchst die Familie auf 51 Mit-glieder an und setzt die Erfolgs-geschichte fort.

    1966: das krzeste Pop-Mrchen

    der Welt, gesetzt in Helvetica Black

  • 5

    oben: Diese Prsentation berzeugte 1966, die Flughafenschrift war geborenunten: Das Leitsystem des Pariser Flughafens Charles de Gaulle heute

    Paris, Heiligabend 1534. Whrend sich Eltern an den leuchtenden Augen ihrer Kinder erfreuen, erlebt der 35-jhrige Claude Garamond am Place Maubert den bittersten Moment seines Lebens. Unter Trnen muss er zusehen, wie sein Lehrmeister Antoine Augereau auf dem Schei-terhaufen verbrennt, mit seinen Bchern. Es sind dramatische Zeiten zu Beginn der franzsischen Renais-sance, geprgt vom Glauben an den Geist, die Schrift, das Buch, den Humanismus. Die Bibel wird erstmals in der Volkssprache ge-druckt, Plakate gegen die Hei-lige Messe sind Vorboten der Reformation, Luthers Thesen machen die Runde ... Religise Machtkmpfe stehen bevor.Der Drucker Antoine Augereau soll Pamphlete gegen die katho-lische Kirche publiziert haben. Tatschlich ist er das Bauernopfer seiner Auftraggeberin Mar-guerite von Navarra,Schwester des Knigs und engagierte Luther-Anhngerin. Die mch-tigen Theologen der Sorbonne waren zu feige, gegen die Adelige vorzugehen.Die Pariser Grand-Rue Saint-Jac-ques war der Tummelplatz fr aufgeschlossene Drucker und Verleger. Einer davon war Auge-

    reau, der die Ansicht vertrat: Neue Ansichten brauchen neue Schriften. Sein Lehrling Claude, der bereits sein Talent als Stem-pelschneider bewiesen hat, ber-nahm diese Aufgabe.1530 schnitt er fr den Drucker Robert Estienne eine Cicero-Type (12 Pt.), die Bewunderung aus-lste. Fast hundert Jahre spter,

    um 1620, wird sie unter seinem Familienna-men Garamond vom Schweizer Jean Jannonnachgeschnitten und erlangt bald darauf Weltruhm.Nach Garamonds Tod 1561 ging ein Teil sei-nes Typenrepertoires an die Imprimerie

    Royale. Die meisten Matrizen und Stempel erwarb Christophe Plantin, sieben Antiqua-Serien gingen spter an den Frankfur-ter Schriftgieer Jacques Sabon(spter Egenolff-Berner). Unter den digitalisierten Gara-monds gilt die von Adobe als eine

    der besten. Als Vorlage diente Robert Slimbachein Egenolff-Berner-Muster von 1592. Nach Recherchen im Plantin-Moretus-Museum in Antwerpen entschied er sich fr eine ber-

    arbeitung des Erstentwurfs, um den Lettern mehr Vitalitt zu geben. Auch die Zierbuchstaben, Ornamente, Ligaturen und die Titelsatz-Lettern verdanken wir dieser Studienreise.

    Anfang der 60er Jahre platzt der Pariser Flug-hafen Orly aus allen Nhten. Am 13. Januar 1964 beschliet der franzsische Ministerrat, auf dem dnn besie-delten Ackerland nahe der Dorfschaft Roissy-en-France einen Gro-ughafen zu errichten. Der junge Architekt Paul Andreu wird mit der Planung des Aro-ports Paris Nord (Arbeitstitel) betraut. Er veran-staltet eine Serie von Workshops mit Architekten, Designern, Psy-chologen und Knstlern, denn in Roissy soll Wegweisendes ent-stehen. Unter den Experten: der Schweizer Adrian Frutiger, der mit seiner 1957 erschienenen Schrift Univers die Beschilde-rung entwickeln soll.Doch Univers ist ihm zu geo-metrisch und geschlossen fr die schnelle Wahrnehmung auf Wegweisern. Also greift er auf einen 7 Jahre alten Sans-Serif Entwurf namens Concordezurck, den er mit Andr Grtlerfr das Satzunternehmen Sofra-type gezeichnet hatte.

    Farbpsychologen denierten die Kolorierung des Leitsystems: gelber Fond, franzsischer Text in wei, englischer in schwarz darunter. Fr die Prsentationbastelt Frutiger aus Letraset-

    Farbfolien eine Attrap-pe. Das Wort Dpartsschneidet er aus einer krftigeren Concorde, das schwarze Depar-tures klebt er darun-ter auf. Die bessere Les-barkeit gegenber der

    Univers begeistert Paul Andreu genauso wie die Idee einer eige-nen Flughafenschrift.Als Charles de Gaulle 1974 eingeweiht wird, setzt auch das Leitsystem Mastbe. Bald wn-schen sich Typografen aus aller Welt diese Schrift fr Drucksa-chen. 1977 bringen Stempel und Linotype die Frutiger auf den Markt.Als Frutiger Next erscheint die Schrift 1999 komplett berarbei-tet. Unter der Aufsicht des Ori-ginalschpfers werden alle Zei-chen neu digitalisiert, die Strich-strken auf 6 Stufen erweitert und sogar echte Kursivschnitte gezeichnet.

    Claude Garamond ca. 1543

    Die Master-Vorlage fr die heutigen Garamond-Interpretationen: das Egenolff-Berner-Schriftmuster von 1592

  • 6Im Juni 1766 sind alle Rei-sevorbereitungen getrof-fen. Der 26-jhrige Graveur Giambattista Bodoni, Sohn eines italienischen Druckers, verlsst Rom, um die zweiwchige Fahrt zur Cambridge University Press anzutreten. Im Reisegepck die aktu-elle Lieblingslektre: das Neue Testament, gedruckt vom Vollen-der der klassizistischen Antiqua John Basker-ville, dem Direktor der Universittsdruckerei. Bei ihm will Bodoni seine Schriftschneider-lehre abschlieen.Noch vor Erreichen der sterreichischen Grenze setzt ein Fieberanfall der Expedition ein abruptes Ende: Malaria! In einem norditalienischen Sanato-rium erholt sich Bodoni schnel-ler als die rzte erwarten. Dabei schneidet er, ohne neue Plne zu schmieden, tglich Schriften.Nach einem Aufenthalt in Parma wird er dort 1768 Leiter der Stam-peria Reale. Auf Wunsch einiger kunstfanatischer Frsten soll er der Druckerei landesweite Be-deutung verschaffen.Um Bodoni an den Hof zu binden, erlaubt ihm Prinz Ferdinand von Bourbon-Parma 1771 die Errich-

    Bis zu seinem Tode 1813 arbeitet Bodoni am Manuale Tipograco. Auage: 250 Exemplare

    Eine von 142 geradestehenden Bodoni-Schriften

    im Manuale Tipograco

    tung einer privaten Buchdru-ckerei im Palast. Hier entstehen bald Folianten und Prachtausga-ben von Klassikern, die europa-weit fr Aufsehen sorgen, weil

    Bodoni fast jede Aus-gabe in einer neuen Schrift setzt. Seine Per-fektion vom Schrift-schnitt bis zur Wahl der Papiere bringt ihm den Ruf Drucker der Knige und Knig der Drucker.ber 40 Jahre leitet Bodoni die Stamperia Reale, bis zu seinem Tod 1813. In den fol-genden 5 Jahren sichtet seine Witwe Marghe-rita den entstandenen

    Schrift-Schatz. Die Druckerei istfast ausschlielich fr das Erbe ihres Mannes im Einsatz. 1817 schlielich bringt sie das zwei-bndige Manuale Tipograco (Handbuch der Typograe) her-aus, in einer Auage von nur 250 Exemplaren. Mit 142 Alphabeten, den dazugehrigen Kursiven, Schreibschriften und Ornamen-ten beschftigt es bis heute die Bodoni-Interpreten.Beim Setzen mit der kniglichen Schrift ist zu beachten, dass ihr starker Kontrast Sorgfalt voraus-setzt. Bodoni ist keine kleinka-rierte Brokratenschrift.

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    Dem Geschftsfhrer der Londoner Tages-zeitung The Times,William Lints-Smith,ist zu Ohren gekommen, dass sich der angesehene Typograf Stanley Morison (40) abfllig ber die Druckqualitt sei-nes Blattes geuert habe. Am 1. August 1929 sitzen sich beide im Verlag gegenber, um ber eine Umge-staltung der Zeitung zu sprechen. Morison, seit 6 Jahren knstlerischer Berater des Satzgerteherstel-lers Monotype, beein-druckt den Zeitungsmann mit guten Argumenten, worauf der ihm spontan einen Beraterjob anbietet. Es kommt zur ersten Machtprobe, als Morison ankn-digt, dass der Punkt hinter Times im Zeitungskopf sein Redesign nicht berleben werde. Lints-Smith bert sich mit den Herausgebern und stimmt eine Woche spter zu.Ende 1930, nach unergiebigen Experimenten an den Druck-maschinen entscheidet Morison, dass die Zeitung eine eigene, neue Schrift braucht. Im Januar

    The Times im Wandel der Zeiten:1: Die erste Ausgabe vom 1. Januar 1788, gesetzt u. a. in Caslon

    2: Vor dem Redesign: gebrochene Schrift und ein Punkt hinter Times3: Einfhrung der Times New Roman durch Stanley Morison am 3. Oktober 1932

    4: Die Schrift Claritas in der Ausgabe vom 23. April 19535: Times Modern, seit 20. November 2006, entworfen von Luke Prowse

    Punkt 22:00 Uhr setzt sich der Fackelzug bei strmendem Regen in Bewegung. Zu den Klngen einer SA-Blaskapelle marschieren Studenten, Profes-soren und Verbnde der SA und SS durchs Branden-burger Tor, eskortiert von berittener Polizei. Ihr Ziel: der Opernplatz (heute Bebelplatz), wo tagsber ein Scheiter-haufen aufgeschich-tet wurde. In weni-gen Minuten werden die zersetzenden Bcher von Heinrich Heine, Erich Kstner,Karl Marx, Kurt Tu-cholsky und vielen anderen dem Feuer bergeben. Doch eine anstige Streitschrift mit dem Titel Kulturbolschewismus? steht nicht auf der braunen Liste vom 10. Mai 1933 Die leidenschaftliche Verteidi-gung der Moderne in Architek-tur und Bildender Kunst, ver-fasst von Paul Renner, erschien ein halbes Jahr zuvor bei Eugen Rentsch in Zrich. In seinem Hei-matland fand der Autor schon

    1932 keinen Verleger mehr. Bei Erscheinen des Buches hetzt der Vlkische Beobachter erwar-tungsgem gegen den Knst-ler. Im April 1933 wird Renner inhaftiert und muss die Leitung der Meisterschule fr Buch-

    drucker in Mnchen abgeben. Einen Monat spter ieht er in die Schweiz.Zum Glck hatte PaulRenner 1927 die Futuraverffentlicht. Die Tan-tiemen sicherten nun seine Existenz.Futura, deren erste Entwrfe 1924 entstanden, vom Bauhaus inspiriert, war der berzeugende Prototyp einer geo-metrischen (=konstru-ierten) serifenlosen

    Linear-Antiqua.Zwar hielt Renner bei der Erst-vorstellung an befremdlichen Formen fr a, g, n, m und r fest, doch ihren Siegeszug trat Futura ohne diese Figuren an. Im ersten Schriftmusterblatt der Bauer-schen Gieerei von 1927 wurden sie als Spezialguren angeprie-sen, das zweite von 1928 zeigte sie gar nicht mehr.

    Die beste Renner-Biograe

    schrieb der FontFont-Designer Chris Burke:

    The Art of Typography (1998)

    Reproduktion des berhmten Bauerschen Futura-Schriftmusters mit der neuen Futura OpenType von Elsner + Flake

    1931 legt er zwei Entwrfe vor: eine berarbeitete Perpetua und eine modernisierte Plantin.Eine Expertenrunde entscheidet sich fr den zweiten Vorschlag, der kurz darauf als Times New Roman weltberhmt wird und die Times Old Roman ablst.Nach Morisons Vorgaben bringt der Times-Reinzeichner Victor

    Lardent eine erste Ver-sion der neuen Schrift zu Papier. Spezialisten bei Monotype berar-beiten den Entwurf fr die Gravur und den Guss. Die Times-Aus-gabe vom 3. Oktober

    1932 erscheint erstmals in der neuen Schrift, zunchst fr ein Jahr exklusiv. Bessere Druckmaschinen und Papiere beenden in den 50er Jah-ren die Karriere der Times. Eine Wiedergeburt erlebt die Schrift in den 80ern durch die Laser-drucker, die sie in digitalisierter Form enthalten. Zuletzt sichert das U.S. State Department ihre Zukunft, als es 2004 beschliesst, dass diplomatische Dokumente ab sofort aus 14 Pt. Times statt aus 12 Pt. Courier gesetzt werdenmssen.

  • 8Der groe deutsche Corporate Designer Anton Stankowski(19061998) verkn-dete 1989 in einer ganzseitigen Anzeige: Ich akzeptiere nur funktionale Schriften. Die Sie hier lesen ist seit 60 Jahren meine bevorzugte: Akzidenz Grotesk. Was macht eine Schrift so begeh-renswert, dass sich ihr ein eman-zipierter Gestalter lebenslng-lich unterwirft?Fr die Geburt der Akzidenz Grotesk gibt es kein Datum. Tatschlich knnen sich einige als Vater der AG bezeichnen, wie Kenner sie gerne abkrzen. Bereits um 1880 entwirft der deutsche Typograf und Hiero-glyphen-Forscher Ferdinand Theinhardt (18201909) fr die Publikationen der Knig-lich-Preuischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vier

    Schnitte einer Serifenlosen, die er Royal Grotesk nennt. 1908 bernimmt Hermann Bertholddie Theinhardtsche Schriftgie-erei und integriert die inzwi-schen sehr beliebte Royal in seine bestehende Akzidenz-Gro-tesk-Familie unter der Bezeich-nung AG Mager.Der sptere Ziehvater der Akzi-denz Grotesk, Gnter Gerhard Lange, verweist auf Quellen, nach der ihr Normalschnitt 1899 bei Bauer & Co. in Stuttgart zur Welt kam, kurze Zeit spter eben-falls ein bernahmekandidat der H. Berthold AG. Diese stellte bereits ein paar Monate vorher eine Accidenz-Grotesk in einer Anzeige vor.Das groe Verdienst GG Langes war es, als knstlerischer Direk-tor der Berthold AG zwischen 1966 und 1972 die unterschied-lichen Zweige der Akzidenz-

    Erik Spiekermann 1990 mit einer Vorversion der ITC Ofcina: fettere

    Punkturen, diskrete Medivalziffern (Foto: Hanswerner Holzwarth)

    Zwei Motive bewegten mich dazu, 1988 der In-ternational Typeface Corporation (ITC) eineneue Schrift vorzuschlagen: erstens hatte ich die glatten, hbschen Schriften satt, die von allen Herstellern auf den Markt kamen und zweitens fehlte eine moderne Korrespondenzschrift fr die weit verbrei-teten Laserdrucker. Prima, sagte die ITC dann mach mal. Mein Konzept sah vor,die Schreibmaschinenschriften Letter Gothic und Courier als Vorbilder zu nehmen und daraus etwas Neues zu schaffen. Dabei reprsentierte die Letter Gothic die schmal laufende serifenlose Version, Courier die breitlau-fende Antiqua. Ich beschftigte mich mit der Sans, mein Freund

    Gerard Unger bot an, den Grund-stein fr die Serif zu legen.Fr die ersten Skizzen zur ITC Correspondence (Arbeitstitel) schielte ich mit einem Auge auf die Letter Gothic, mit dem anderen auf meine Post-Schrift (spter: FF Meta; die Redaktion).

    Gerard Unger lieferte bald das Serif-Test-wort Hamburgefonts, danach kam ihm ein wichtiges Projekt da-zwischen. Auch ich musste die Schrift lie-gen lassen. Bis zum

    Frhjahr 1989 hatte ich nichts Ernsthaftes vorzuzeigen.Meine Rettung war Just van Ros-sum, der im Mai bei MetaDesignals Praktikant anng. Er nahm sich meine Sans, bereinigte die Ikarus-Daten und generierte ruckzuck eine piekfeine Familie. Weil Gerard immer noch beschf-

    tigt war, generierten Just und ich daraus eine Slab-Serif. Ende 1989 gingen die Font-Daten zu URW, die per Automatik die abgerun-deten Ecken einbauten. Als im Sommer 1990 die Kon-trollabzge von ITC kamen, war ich erst mal sauer, weil meine diskreten Medivalziffern gegen Tabellenziffern ausgetauscht waren, die wohl URW gezeichnet hatte. Auerdem wurde ich den Verdacht nicht los, dass jemand unsere krftigen Punkturen leichter gemacht hatte.

    Erik Spiekermann fr PAGE 03/91

    Nachtrag: 2003 bringt FontShop mit Agfa und von Spiekermann autorisiert eine ITC Ofcina im Sinne des Ernders heraus.

    Das Leitsystem der New YorkerU-Bahn entwarf Massimo Vignelli

    1972 mit Akzidenz Grotesk; sie wurde nach und nach durch

    Helvetica ersetzt

    Grotesk fr den Fotosatz zu einer harmonischen Familie zusam-menzufhren. Dies brachte der AG neue, glhende Anhnger. Fr viele ist sie auch heute die einzig wahre typograsche Ge-liebte, neben der keine andere Schrift eine Chance hat.

  • 9

    Am 3. Oktober 1950mustert ein Besucherdie 276 Grabsteineder Franziskanerkir-che Santa-Croce in Florenz mitanderen Augen als die brigenTouristen. Die groen NamenMichelangelo, Rossini, Galilei oder Machivelli faszinieren ihnweniger als die in Stein gemei-elte Schriftenvielfalt. Weil erseinen Notizblock im Hotel ver-gessen hat, hlt Hermann Zapf einige Buchstaben auf einem1000-Lire-Schein fest.Wieder zu Hause in Frankfurtsind die Notizen der Durchbruchin einem Schriftprojekt, mit demZapf von der Gieerei Stempelbeauftragt wurde: das Entwer-fen einer Gebrauchsschrift zwi-schen Grotesk und Renaissance-Antiqua. 1952 sind nach sorg-fltigen Lesbarkeitsstudien dieReinzeichnungen fertiggestellt,August Rosenberger schneidetdie Schrift, die zwei Jahre spterunter dem Namen Optima aufden Markt kommt.Ihr ebenso ligranes wie klaresSchriftbild ist ein Novum undmacht sie zum Liebling derWerbegestaltung, vor allem frDfte und Luxusgter.50 Jahre nach ihrer Premiereerfhrt die Schrift eine kom-plette berarbeitung unter derBezeichnung Optima Nova.Ohne technische Einschrnkun-gen und Kompromisse schaffenHermann Zapf und Akira Koba-yashi eine Grofamilie, endlichmit echter Kursiver, Kapitlchen,Medivalziffern sowie einerTitelsatz-Schrift mit rafniertenLigaturen.

    Als sich die Futura inEuropa Ende der 20erJahre zum Bestsel-ler entwickelt, suchtStanley Morison (siehe: 6 Times)fr seinen Arbeitgeber Mono-type ein britisches quivalent.Ende1928flltihmderBildhauerund Zeichner Eric Gill ein, der 7Jahre zuvor mit Edward Johnstoneine Sansserif fr die Londoner U-Bahn entworfen hat.

    Morison reist in das walisischeNest Capel-y-ffin, wohin sichder 42-jhrige Gill 1924 zurck-gezogen hat, um die Schrift Per-petua fertigzustellen. Morisongewinnt den Knstler schnell frden wichtigen Job.Zwei Wochen spter liegen dieersten Skizzen auf dem Tisch.Morison ist erstaunt, dass vieleder Johnston-Buchstaben mitnur wenigen Eingriffen einevorzglich lesbare Textschriftergeben.Anders als Futura weisen alleGill-Sans-Schnitte einen eige-nen Charakter auf, weil sie nichtmechanisch aus einem Entwurfabgeleitet sind. So spiegelt Gilldas Verstndnis ihres Schpfersvon Handwerk wider.

    Eric Gill als junger Mann um 1908 Harry Ransom Center

    Die Schrift, die Fruti-ger bekannt macht,geht auf bungenzurck, die er als 21-jhriger an der Kunstgewerbe-schule Zrich durchfhrte. Daseigentlich Neue an Univers istihre Systematik. Ausgangspunktist der Normalschnitt(Univers 55), von demalle weiteren hergelei-tet werden. Der Kon-trast ist so austariert,dass sich die Schriftauch fr lange Texteeignet. Frutiger legtegroen Wert auf die Abstim-mung der Strichstrken von Ver-salien und Gemeinen. Fr dama-lige Zeiten ist die Mittellngeungewhnlich hoch.Univers brauchte 15 Jahre, bissie berall bekannt und auf denunterschiedlichen Gerten (vonBlei- bis Fotosatz) verfgbar war.

    Dem Ende der 70 Jahre vorherr-schenden rationalistischen Stilin der Typograe kam die khle,systematisch entwickelte Fami-lie entgegen. Sie entsprach demAnspruch auf Total Design,wie Wim Crouwel und Ben Bosihr Designbro 1964 tauften. In

    Holland wurde Uni-vers eine Art National-schrift, in den USA undDeutschland setztendie Graker eher aufHelvetica.Im Jahr 1997 wird dieUnivers von Adrian

    Frutiger und Linotype komplett berarbeitet, auf 63 Schnitteerweitert (unter anderem mitTypewriter-Schnitten) und drei-stellig nummeriert.

    Die Grundidee fr seine Optima hielt Hermann Zapf 1950 in Florenz

    auf einem 1000-Lire-Schein fest

    Morris Fuller Benton ca. 1915 (Foto: ATF)

    Weil der Druckerund ErfinderLinn Boyd Ben-ton die ersten11 Jahre seines Lebens als Ein-zelkind aufwchst, wnscht ersich nach der Hochzeit mit Jessieviele Kinder. Doch die Geburtihres Sohnes Morris Fuller am30. November 1872 kostet Jessiefast das Leben, und so beschlie-en beide, keine weiteren Kin-der mehr zu bekommen.Sein auerordentliches Zeichen-talentprdestiniertMorrisFullerBentonfreinMaschinenbaustu-dium. Nach demAbschluss steigter1896alsAssistentseinesVatersin der New Yorker Zentraleder American Type Founders Company (ATF) ein. ATF ent-stand vier Jahre zuvor durchden Zusammenschlu von 23kleinen amerikanischen Schrift-gieereien.Im Jahr 1900 wird Morris zumChief Type Designer bei ATFernannt. In den Folgejahrenentwirft er eine Vielzahl erfolg-reicher Schriften, darunter Pari-sian, Broadway, Cheltenham,Poster Bodoni, Balloon Light,News Gothic und im Jahr 1903 dieFranklinGothic.Letztere genietspter in den USA einen hn-lichen Stellenwert wie in EuropaHelvetica oder Univers.Die groe Depression der Zwi-schenkriegsjahre beschert auchATF eine schwere wirtschaft-liche Krise. Morris Fuller Bentonverlsst 1937 krankheitshalberdas Unternehmen. Er stirbt 1948an einer Lungenembolie.

  • 10

    Eigentlich wollte Lucas Adrianus Wilhelmus de Groot Maler werden.Doch seine Kreationenwaren von jeher sehr grasch.Das ng schon in der Schule inNoordwijkerhout an. GenervtvonderschlechtenTypograederSchlerzeitung schob er einesTages seine Verbesserungsvor-schlge unter der Redaktionstrdurch. Einen Tag spter sa ermit im Team.Von 1982 bis 1987 stu-diert de Groot an derDen Haager Schrift-schmiede Royal Aca-demy of Fine Arts beiGerrit Noordzij. SeineSchwerpunkte: Schrift-gestaltung, Fotograeund Illustration. Frdie Abschlussarbeit setzt erausschlielich selbst gestalteteSchriften ein, darunter eine Vor-version seiner spteren Erfolgs-schrift Thesis, die damals nochParanthesis hie.Zwischen 1989 und 1993 arbei-tet Luc, wie er sich selbst nennt,im angesehenen DesignbroBRS Premsela Vonk an groenCorporate-Design-Projekten.Hier entsteht die Grundlage frTheMix, die Halb-Serif-Varianteder Thesis. Sie wird Hausschrift

    des hollndischen Ministeriumsfr Transport und Wasserwirt-schaft.Als er 1993 nach Deutschlandkommt und bei MetaDesign inBerlin anfngt, ndet er endlichZeit, die Schriftsippe mit den dreiFamilien TheSans, TheSerif undTheMix zu Ende zu entwickeln:Ich konnte die Sprache nochnicht und kannte kaum Leute ...da nahm ich mir die Zeit, Thesiszu beenden.

    Ab1994entwickeltsichThesis als Mitglied derFontFont-Bibliothekzu einem Bestseller.Trotz der gerade heigehandelten Multiple-Master-Schriften vonAdobe, mit denen jederLaie sehr einfach Zwi-

    schenschnitte generieren kann,greifen viele Schriftfreunde zuder 144 Fonts groen ff Thesis.Ein Grund dafr waren sicherdie acht sorgfltig aufeinanderabgestimmten Strichstrken,die de Groot nach seiner eigenenInterpolations-Theorie typo-grasch korrekt erstellte. DerZeichenvorrat der Thesis wardamals einzigartig: Neben ver-schiedenen Ziffern, Kapitlchenund Alternativzeichen enthieltsie auch Pfeile und Bltter.

    Ein riesiger Zeichenvorrat mit Ligaturen und Varianten macht Thesis zu einem typograschen Leckerbissen

    Nach seiner Lehre zumSchriftschneider und-gieer in Bolognaverschlgtes Francesco Griffozu dem angesehenenDrucker Aldus Manu-tius nach Venedig.Dieser steht in seinem40. Lebensjahr und vordem aufregendstenProjekt seiner Berufs-karriere.In der benachbartenMarciana-Bibliothekhat Manutius Zugangzu einer umfangreichen Samm-lung an griechischen Manuskrip-ten, eine Beute der Plnderung Konstantinopels im Jahr 1204.Mit einem Kreis begabter Typo-

    grafen macht er sich an die Ver-ffentlichung der Textschtze.Francesco Griffo schneidet ihm

    die hierfr bentigtengriechischen Lettern.Im Februar 1496 ent-wickelt Griffo fr denAufsatz De Aetnades italienischen Kar-dinals und GelehrtenPietro Bembo eine ele-gante Schrift, die sp-ter unter dem NamenBembo berhmt wird.1929 bringt die briti-sche Monotype Corp.

    eine Bembo-Familie heraus. Frden kursiven Schnitt dient einMusterbuch des italienischenSchreibknstlers Giovanni Tagli-ente von 1524 als Vorlage.

    Pietro Bembo (1470 1547)

    Gibt es einen besserenBeweis fr Lesbarkeit?DankInterstatendentagtglich MillionenAutofahrer ihren Weg auf denUS-Highways und das mit einerGeschwindigkeit von 55 Meilenpro Stunde.

    Die Schrift wurde in den 70erJahren von der United States Federal Highway Administrationentwickelt. Der SchriftentwerferTobias Frere-Jones digitalisiertesie erstmals 1993 und baute dieFamilie in den folgenden Jahrenfr das Gestalten von Drucksa-chen aus.Zuletzt erweiterten Frere-Jonesund Cyrus Highsmith die Familieauf 40 Schnitte, einschlielichItalics, Condensed und Com-pressed. In Deutschland zhltInterstate zu den beliebtestenSchriften, nicht zuletzt durchihren Einsatz in TV, vielen Maga-zinen und als Corporate-Schriftvon Quelle-Karstadt. Fr vieleDesigner ist sie die lebendigereAlternative zur manchmal etwassprden DIN-Schrift.

  • 11

    Den Frieden von Ami-ens im Mrz 1802zwischen Frankreichund England bezahltNapoleon mit der Rumung gyp-tens. Es dauert nicht lange bis dieersten gyptischen Beutestcke in London auftauchen und eineBegeisterung fr das Land derPyramiden auslsen. Auch dieSchriftgieereien lassen sichanstecken. In ihren Katalogenerscheinen so genannte Egyp-tians, das sind serifenbetonte

    Schriften mit wenig Kontrastund linearen Endstrichen.Um 1913 erscheint bei Monotypeeine Egyptienne mit der Seri-ennummer 173. Die inzwischenSlab Serif genannte Schrift-Klasse gehrte mittlerweile zumRepertoire einer jeden Setzerei.1932 beauftragt der Monotype-Betriebsleiter Frank Hinman Pierpont sein Atelier, eine neueVersion der Egyptian 173 zuzeichnen, die als Rockwell aufden Markt kommt. Den Namenleiht er sich vom US-Joint-Venture Lanston Monotype. IhreStrichstrke orientiert sich ander Memphis von Stempel. WeilRockwell bald mit mehr Schnit-ten lieferbar ist, entwickelt siesich zur erfolgreichsten Egypti-enne des 20. Jahrhunderts.

    Zu Zeiten des Bleisatzes war Monotype Rockwell die erfolgreichste

    Egyptienne-Schrift

    Justus Erich Walbaum (1768 1837) war Pfarrers-sohn und Autodidakt. Nacheiner Lehre bei einem Ge-wrzhndler und Konditor

    in Braunschweig fer-tigt er zunchst Back-formen an. Spter wirder Noten- und Kupfer-stecher und erlernt dasStempelschneiden. Ab1796 betreibt er eineeigene Schriftgiee-rei in Goslar, die er 1803 in daskunstsinnige Weimar verlegt.1828 bergibt er das Geschftseinem Sohn Theodor, der tra-gischerweise acht Jahre sptervor seinem Vater stirbt. Um seinLebenswerk zu sichern, verkauftWalbaum die Gieerei an F. A.

    Brockhaus in Leipzig. Jahrzehntespter, um 1917, erwirbt H. Ber-thold in Berlin die Original-Wal-baum-Matrizen. Darunter einSchatz: die um 1900 geschnittene

    Walbaum-Antiqua.Sie gilt als der bedeu-tendste, spezifischdeutsche Beitrag zumSchriftklassizismus.Sie luft etwas sch-maler als die Bodoni,besitzt weniger Kon-

    trast und hat einen strkerenGrund- und Haarstrich.Gnter Gerhard Lange verhilftder Schrift bei Berthold Endeder 70er Jahre zu neuer Blte.Berhmte Walbaum-Benutzer:Wired und die Berliner Zeitung.

    Adieu Helvetica lau-tet Ende 1984 dasFazit von Sedley PlaceDesign, als man Hun-derte von Bundespost-Druck-sachen gesichtet hat, die mitechten und falschen Helveticasproduziert sind. Die Berlinertfteln gerade am neuen Cor-porate Design von Europasgrtem Arbeitgeber (500.000Angestellte). Eine zweckmigeSchrift muss her, belastbar, ko-nomisch und unverwechselbar.Doch woher nehmen, wenn nichtneu entwerfen?Erik Spiekermann bersetzt dieAnforderungen fr die neueSchrift: robuste Zeichen, unter-scheidbar, schmal laufend, tech-nisch aktuell und verfgbar.Das Ergebnis ist die serifenloseLinear-Antiqua PT 55, die baldin den Schnitten Regular, Italicund Bold mit Ikarus digitalisiertwird, so dass sie theoretisch bin-nen weniger Wochen auf allenSatzmaschinen verfgbar seinknnte.Nach langen Diskussionen ent-scheidet sich die Post 1986 frdie Beibehaltung ihrer Helveti-cas als Hausschrift. Zurck an Start und neu lesen ...1991 wird PT mit dem ProgrammIkarus M auf einem Macintoshdigitalisiert und im selben Jahrals FF Meta verffentlicht.

    Als Bram de Does in den50er Jahren in Amster-dam Grakdesign stu-diert, steht der Lehr-stoff noch unter dem Einussvon Bauhaus und Jan Tschichold.Vorlesungen zur asymmetri-schen Typograe wecken denRebellen in ihm: Er gestaltetseine Seiten symmetrisch, nurum es anders zu machen, als esgelehrt wird.

    Nach seinem Studium steigter als knstlerischer Leiter inder angesehenen Setzerei undSchriftgieerei Joh. Enschede en Zonen in Haarlem ein. SeinTalent zum Schriftentwerfenstellt de Does zwischen 1980 und1982 unter Beweis, nachdem ihnEnschede beauftragt, eine Exklu-sivschrift fr ihren Autologic-Fotosatz-Belichter zu produzie-ren. Trinit wird eine elegante,subtile Werksatzschrift, die sichjedoch auch fr Satzaufgabenjenseits der schngeistigen Lite-ratur nicht zu fein ist.Die digitalisierte Version derTrinit beeindruckt durch ihrenFormenreichtum. Dreifach abge-stufte Ober- und Unterlngensowie eine geschmeidige Italic,die sich sowohl mit Trinit Wideund Condensed vertrgt, zeugenvon dem raffinierten typogra-schen Konzept der Grofamilie.Nicht umsonst gehrt Trinit zuden beliebtesten Schriften Hol-lands, und sie besttigt das Anse-hen der Ensched Font Foundryals Qualittshersteller.

    Erik Spiekermann

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    Die Genialitt der ame-rikanischen Designe-rin und Schriftentwer-ferin Zuzana Licko:aus der Not eine Tugend machen.Schon ihre ersten Schriftenbeweisen das.Aparte Pixel-Fonts,die sie 1985 fr die dritte Aus-gabe ihrer Zeitschrift Emigrebentigt, entstehen komplett mitComputer und Nadeldrucker:eine Sensation im anspruchs-vollen Grafikdesign. Darunterauch die Bitmap-Schrift Emigre Fourteen, ein Vorlufer der einJahr spter verffentlichtenMatrix.Matrix ist die erste von Grundauf vektorisierte Schrift Lickos,wobei ihre Vorgabe lautet: So wenig Sttzpunkte wie mg-lich, um Rechner und Druckernicht zu berlasten. Daher diedreieckigen Serifen, die zweiEckpunkte weniger bentigen

    als rechteckige, und der 45-Winkel als Standard, weil er amBildschirm und im Nadeldruckerdie feinsten Stufen verursacht.Vier Jahre spter nden Roger Black und das Poynter Institutin Druckstudien heraus, dassMatrix der Lesbarkeit einerTimes in nichts nachsteht. Inzwi-schen ist die Familie gewachsenund macht auch vor Kurven kei-nen Halt, wie die beliebte Mode-Schrift Matrix Script beweist.

    So wenig Sttzpunkte wie mglich: das war 1986 das Konstruktionsprinzip

    von Matrix

    Jahrzehntelang galt die DIN-Schrift als vaterlose Schp-fung, das Produkt einerBehrde. Recherchen von Albert-Jan Pool, Entwerferder FF DIN, ergaben: Der Sie-mens-Ingenieur Ludwig Goller(1884 1964) war ab 1925 alsVorsitzender des DIN-Komitees fr Zeichnungen verantwortlichfr die Entwicklung der SchriftDIN 1451. Mit der PublikationNormschriften wurde sie 1936

    fr die Beschilderung der deut-schen Straen vorgeschrieben.Die Idee, eine Schrift zu kon-struieren, war nicht neu. Im Des-sauer Bauhaus (1925 1931) wardas Konstruieren von Grotesk-schriften fester Bestandteil desUnterrichts von Joost Schmidt.Die FF DIN von Albert-Jan Pool(1995) bercksichtigt typogra-sche Lesbarkeitsregeln. Hori-zontale Striche sind dnner alsvertikale, die bergnge vonKreisen auf Geraden harmoni-siert. Evert Bloemsma brachteihren Erfolg auf die Formel: 80 %Hi-tech, 10 % Unvollkommenheit(= Charme) und 10 % Statik.

    Die deutsche Autobahnschrift DIN, auf dem Titel der tschechischen

    Design-Zeitschrift Typo

    David Shepard tauftden klapprigen Appa-rat auf seinem Dach-boden liebevoll Gis-mo. Er kann Morsezeichen,Musiknoten und sogar Schreib-maschinentext lesen. Im April1951 registriert er das Optical Character Recognition (OCR)unter der US-Patentnummer2,663,758 und grndet sogleichdas Unternehmen Intelligent Machines Research Corp.Sein erster Kunde wird 1955 derVerlag Readers Digest, der dieVerwaltung von Millionen Abon-nenten-Daten durch die neueTechnik dramatisch vereinfacht.Die Adressen mssen allerdingsmit einer Spezialschrift gedrucktsein, maschinenlesbaren Buch-staben und Ziffern. Unter demNamen OCR-A ziert eine Vari-ante dieser Schriften noch heuteKreditkarten und Schecks.Ende der 60er beflgelt OCRauch in Europa die Datenstrme.Weil eine neue Generation vonLesegerten toleranter mit denZeichen umgeht, lsst sich dieEuropean Computer Manufac-turers Association (ECMA) 1968von Adrian Frutiger eine men-schen- und maschinenlesbareSchrift entwerfen, die geflligeOCR-B.Anfang der 90er Jahre werdendie technischen OCR-Typen (imPostScript-Format) von den Com-puter-Designern wiederentdecktund gehren seitdem zu denbeliebtesten Schriften fr Pla-kate, Zeitschriften und Covers.

    Der Titelschriftzug frdas New Yorker Kul-tur-Magazin Avant-garde ist eine schwe-re Geburt. Tagelang brten dieHerausgeberRalph GinzburgundHerb Lubalin ber Dutzendenvon Entwrfen. Eines Nachtskommt Lubalin die rettendeIdee: er konstruiert aus eng ver-schachtelten Grotesk-Versaliendie beiden Wrter Avant Garde.Noch am selben Tag entschlieter sich, fr eine Promo-Bro-schre ein ganzes Alphabet nachdiesem Prinzip zu entwerfen. InRekordzeit enstehen 26 Buchsta-ben und noch mal so viele Liga-turen. Eine Woche spter gibt er einen Fotosatz-Prototypen derAvant Garde bei Photo Lette-ring in Auftrag.NachErscheinenderErstausgabe1968 sind die Werber verrcktnach der Schrift. Lubalin grndetmit Partnern eine Satzwerkstatt,die einzige autorisierte Avant-Garde-Setzerei. Bald knnensie sich vor Auftrgen kaummehr retten. Andere Setzereienwerden neidisch und basteln anNachahmungen. Eine logische Folge ist 1970 dieGrndung der International Typeface Corporation (ITC)durch Herb Lubalin, Aaron Burnsund Ed Rondthaler: Der ersteHardware-unabhngige Schrift-herausgeber, der neu entwor-fene Zeichenstze an die Satzge-rte-Hersteller lizenziert.

    Eines der bekanntesten Titelbilder der Schriftgeschichte:

    Avant-Garde-Magazin N 13, 1970 (hier neu gesetzt mit der

    Avant Garde von E+F)

    Zum Beschriften maschinenlesbarer Etikette: die Schrift OCR-B

    auf einem Typenrad

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    Millionen Compu-terbenutzer arbei-ten mit Lucida,ohne es zu wissen.So gehrten die Symbole ausWindings ursprnglich zurLucida, bevor die Schriftent-werfer Kris Holmes und Charles Bigelow die Sammlung an Micro-soft verkauften. Auch im AppleMacintosh-Betriebssystems wer-

    kelt eine Lucida, wo sie fr gutlesbare Mens, Dialogboxen undE-Mails sorgt.Seit 1985 sind Bigelow & Holms die Experten fr Screen- und Printerfonts. Lucida war die ers-te Schrift, die auf die schlechteAuflsung von Computerbild-schirm (72 dpi) und Laserdru-cker (300 dpi) Rcksicht nahmund dabei wichtige Schriftstileabdeckte: Sans, Serif, Script,Typewriter und mehr.Was unter schlechten Bedin-gungen gut lesbar ist, berzeugtauch unter Idealbedingungen.Darum ndet die Lucida-Sippebis heute neue Freunde. Undjhrlich kommt Nachwuchshinzu, beispielsweise Lucida Calligraphy und Bright.

    Immer fr eine berraschung gut: Lucida Calligraphy im Lebensmittel-

    Logo (aus: worth1000.com)

    Zu Beginn der 60er Jahrefehlt in deutschen Dru-ckereien eine Buch-schrift, die sowohl aufLinotype- als auch auf Monotype-Setzmaschinen luft sowie frden Handsatz geeignet ist. Wal-ter Cunz von der StempelschenGieerei beauftragt den Typo-grafen Jan Tschichold mit demEntwurf einer Antiqua in derTradition Claude Garamonds,die den Forderungen des moder-nen Buchdrucks entspricht.Jan Tschichold lagen Original-Druckmuster der Konrad-Berner-Gieerei (Nachfahren vonJacques Sabon) aus dem Jahre1592 vor (siehe: 2 Garamond).Er bgelte nicht nur typischeUnschnheiten aus, wie kollidie-rende Oberlngen oder Klecks-bildungen, sondern interpre-tierte Garamonds Vorlagen zeit-gem neu.

    Schriftentwurf der Sabon-Antiqua von Jan Tschichold 1965

    (Foto: Ronald Schmets, D. Stempel AG, Frankfurt am Main)

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    Der Brief, den Hermann Zapf Anfang 1994 ausPalo Alto erhlt, ver-heit nichts Gutes:Meine Freundin hat mich ver-lassen. Ich habe kein Interessemehr an Schriften. Ich muss einneues Leben beginnen. Zapfmacht sich Sorgen um den 29-jhigen David Siegel. Erst als die-ser drei Jahre spter sein BuchSecrets of Successful Web Sitesschickt, ist er beruhigt.Fast 12 Monate bastelten Zapfund Siegel an einer Vorversionder Schrift Zapno. Siegel hatte1993 an der Stanford-Universi-tt die Idee fr ein Chaos-Pro-gramm aufgeschnappt, das auseinem gewaltigen Vorrat vonZeichenformen ein lebendiges,menschliches Schriftbild gene-rieren sollte. Hierfr griff Zapfauf eine Script aus dem Jahr 1944zurck. Kurz vor Vollendung desProjektes dann dieser Brief ...1998 erinnert sich Zapf wieder andie Experimente, als er bei Lino-type eine Prsentation mit intel-ligentenTrueType-GX-Schriftensieht, die Zeichen modulierenknnten. Aus GX wird zwei Jahrespter AAT (Apple AdvancedTypography), eine Komponentedes Mac-OS-X-Betriebssystems,der die rafnierte Zapno bei-gelegt wird. Heute verrichtetsie ihren Dienst plattformber-greifend und erweitert perOpenType-Technik.

    Die verbundene Zapno ist eine sthetische und technische

    Bereicherung des Script-Angebots, mit Ligaturen, Alternativformen und

    sympathischen Illustrationen

    Mathematik undKalligrafie sinddie Hauptkurse,fr die sich derjunge Sumner Stone 1966 imReed College in Portland (Ore-gon) einschreibt. Fr ihn istklar: ersteres wird sein Beruf,die Schrift sein Hobby. Es kommtumgekehrt, obwohl er zunchstein Paar Monate Mathematikunterrichtet.Stones Liebe fr die Schrift ver-schlug ihn zum Grukarten-Her-steller Hallmark. 1982 grndeteer sein eigenes TypograebroAlpha and Omega Press, wo ererste Schriften entwarf und frden Satzgerte-Hersteller Auto-logic arbeitete. Seinen beruf-lichen Duchbruch erlebte er von1985 bis 1989 als typograscherDirektor bei Adobe.Seine Schriften Stone Sans, Serifund Informal werden die erstenAdobe Originals. Beim Entwer-fen der drei Familien sorgt seinMathe-Faible dafr, sich voll-kommen vom Papier zu lsen.Alseine der ersten Schriftentwerferjener Zeit verschmilzt SumnerStone das Entwerfen und Pro-duzieren einer Schrift zu einemProzess, der am Bildschirm einesComputers stattndet.

    Steinzeit ade: Sumner Stone war einer der ersten Designer,

    der eine Schriftfamilie ausschlielich am Computer entwarf

    (Foto: Andreas Garrels fr PAGE 12/89)

    Eine groe Schwche derSchreibmaschinentypenist ihre feste Buchsta-benbreite (mono-space).Darum wurden fr den Brobe-reich jahrzehntelang Schriftenmit Serifen entworfen. Die End-striche dienten als Knautsch-zone, um schmale Buchstabenzu verbreitern (i, l) und breiteschmal zu halten (m, w).Im Herbst 1958 startet der IBM-Ingenieur Roger Roberson einspannendes Experiment, demseine Kollegen jedoch wenigChancen geben. Tag und Nachtzeichnet er an einem Sans-Serif-

    Alphabet (Gothic) mit gleich-breiten Buchstaben fr die revo-lutionre IBM Selectric: stattHebel bringt eine drehendeKugel (golf ball genannt) dieBuchstaben zu Papier.IBM hielt ber viele Jahre einPatent fr diese Technologieund eroberte im Alleingang dieBros. Letter Gothic, die Schriftder Selectric, wurde eine stil-prgende Korrespondenzschrift,beeinusste unter anderem Erik Spiekermanns Ofcina (Platz 8)und FF Meta (Platz 18).Um 1995 beauftragt FSI den itali-enischenSchriftentwerferAlbert Pinggera, Letter Gothic zeitge-m neu zu interpretieren. 1996kommt sie in Light, Roman undBold als FF Letter Gothic Text heraus. Wie der Name vermutenlsst, weist sie keine einheitlicheBuchstabenbreite auf sondern istproportional zugerichtet.Zwei Jahre spter folgten dieItalic-Schnitte, sowie eine Mono-spaced-Version, ein Entgegen-kommen an die frhen Benutzerder FF Letter Gothic Text, dieden authentischen Monospace-Charakter vermissten. Die Text-Version behlt ihre Berechtigungals angenehm lesbare Mengen-satz-Schrift.

    groe Abb.: IBM-Kugelkopf mit Letter Gothic 12 Pitch und 96 Zeichen

    kleine Abb.: FF Letter Gothic gibt es auch als Proportionalschrift

  • 15

    Fred Smeijers erinnertsichimmer wieder gerne andie Aha-Momente seinerKarriere als Schriftent-werfer. Oft betreffen sie die Les-barkeit von Schriften. Zum Bei-spiel, als es ihm erstmals Mitteder 1980er Jahre gelang, einenScreenfont durch den richtigenEinsatz von Graustufen lesbarerzu machen: Ich war so glcklich,dass ich ein Lied pff als ich nachHause radelte.hnlich wichtig, wenn auchnicht so weitreichend, war eineErkenntnis aus der Entwicklungder Arnhem-Familie. Sie ent-stand 1998 als Auftragsarbeit frdie hollndische Regierungszei-tung Staatscourant. Dabeihatte er die seltene Gelegenheit,seine eigene wie auch andereSchriften intensiv auf Zeitungs-druckmaschinen und -papier zutesten. Eine der Erkenntnisse:

    Die einfache dreieckige Kopf-serife dient der Lesbarkeit mehrals all die ausgeklgelten Varian-ten, die er so kannte.Dieses Merkmal ist nur eines vonvielen, die Arnhem zum Senk-rechtstarter unter den Zeitungs-und Werksatzschriften machten.Und sie wurde zur Paradeschriftvon Fred Smeijers eigenem klei-nen Label Ourtype, das er 2002grndete.

    Arnhem ist eine der besten jngeren Zeitungs- und Buchschriften; ihr Entwerfer Fred Smeijers testete sie whrend

    des Entwerfens an der Druckmaschine

    Carol Twombly undRobert Slimbach ent-warfen Myriad 1992von Anfang an alszweiachsige Multiple-Master-Schrift (siehe links). Es war dieerste Sans-Serif unter den AdobeOriginals. Wie ihre VerwandtenFrutiger oder Syntax klassiziertman sie als humanistische Sans,weil sie keinen gleichstarkenStrich aufweist.Als Myriad die Hausschrift vonApple wurde, gewann sie im Cor-porate Design enorm an Populari-tt. Auch im Verlagswesen ist siebeliebt: Im Kleinen lst Myriadalle typograschen Herausforde-rungen, auf den Titelseiten undSchutzumschlgen vermittelt sieSeriositt und Charakter.

    Myriad ist die Titel-Schrift des wissenschaftlichen Springer-Verlags

    und wurde von MetaDesign fr diese Aufgabe ausgewhlt

    Das Grundmodell frdie Schrift Minionentstammt keinersingulren Quelle,sondern ist eine Synthese aushistorischen Form-Ideen undden digitalen Mg-lichkeiten der spten1980er Jahre.Bei den Recherchenfr seine Adobe Gara-mond (Platz 2) sttRobert Slimbach ineuropischen Museenauf reichlich Material berRenaissance-Schriften. Als beiAdobe die Planung fr eine neueWerksatz-Schrift beginnt, trgter aus seinem Privatarchiv allebrauchbaren Ideen zusammen,um einen ersten Entwurf zu

    Papier zu bringen: Das Saatgutfr Minion.Minion wird ein sthetischesund technisches Bravourstck.Adobe hatte gerade die Multi-ple-Master-Technik erfunden,

    mit der Schriftbenut-zer ohne Zeichen-werkzeuge Zwischen-schnitte selbst generie-ren konnten, also zumBeispiel einen etwasfetteren Bold-Schnitt.Slimbach gelang es, die

    Minion-Buchstaben mit einerMinimalmenge von Sttzpunk-ten so zu konstruieren, dass sieihren Charakter ausbilden konn-ten und gleichzeitig im Multi-ple-Master-Betrieb brauchbareErgebnisse lieferten.

    Der hollndische Schriftentwerfer Fred Smeijers, 2006

  • 16

    Es war ein wunderbarerAltweibersommertagEndeOktober1991.Kurznach 16:00 Uhr biegt dasMotorrad von der Leutkircher Landstrae in den idyllischenRotisweg ab. Es sind nur wenigeKurven bis zum Haus von Inge Aicher-Scholl, der Schwester vonHans und Sophie Scholl. Ihr Mannwidmet sich im Vorgarten geradedem Rasen, als die Maschine inder letzten Kurve vom Wegabkommt. Sie erfasst den welt-berhmten Designer. Sechs Tagespter erliegt Otl Aicher seinenschweren Verletzungen.Drei Jahre zuvor schuf er seinbekanntestes Werk, die Hybrid-Schrift Rotis, benannt nach sei-nem Wohnort. Das Besondereder Schriftfamilie waren diebis dato unbekannten Stilvari-anten Semi-Antiqua und Semi-Grotesk, sowie eigenwilligeEinzelformen, zum Beispiel dasgemeine e und c. Dem Sieges-zug der Schrift schadeten ihreEcken und Kanten nicht, ganzim Gegenteil: Sie hat bis heuteglhende Verehrer.Auch wer den typografischenStandpunkten von Otl Aicherkritisch gegenber steht, mussanerkennen, dass er wie keinanderer die Auseinandersetzungmit der Typograe vorangetrie-ben hat. Seine Buch zur SchriftRotis (Typographie) wurdejngst als Reprint wiederverf-fentlicht.

    Otl Aicher bei der Endabnahme seiner Rotis in den Ateliers des

    Herausgebers Agfa-Compugraphic (Foto: Agfa)

    Kurz nach Erreichen der Mond-umlaufbahn trennt Apollo-10-Kommandant Thomas Stafforddie Landefhre vom Raumschiff.Sie nhert sich bis auf 14 km derMondoberche. An der Auen-haut leuchtet das Wappen mitden Namen der 3 Astronauten,gesetzt in Eurostile.

    Namensgeber fr Mar-tin Majoors SchriftScala ist die Mailn-der Oper, 1778 erff-net von Maria Theresia. Der Ent-werfer nennt spter drei Grndehierfr: FF Scala wurde einst frein Konzertgebude entworfen(der Vredenburg in Utrecht),

    ihre Wurzeln reichen zurck indie Zeit von Maria Theresia undScala bedeutet Spektrum, wasdieser Familie durchaus gerechtwird, die Serif und Sans bietet,von Light bis Black reicht sowievon frmlich bis dekorativ.Scala und Scala Sans basieren aufdem gleichen Formprinzip: DieKnochengerste beider Fami-lien sind identisch. Die Sans ent-stand ein Jahr nach Erscheinender Serif durch Abtrennen derEndstriche und Anpassen desKontrasts.Der britische Verleger Robin Kin-ross (Hyphen Press) schwrmtebei Erscheinen der Scala Sans:Majoors Scala enthlt einfachalle Merkmale einer guten hol-lndischen Schrift.

    Das Scala-Skelett: Sans- und Serif-Familie basieren

    auf der gleichen Grundform

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    Zu Goethes 200. Geburtstagerschien 1949 in Frankfurt amMain das Bchlein Von der dreifachen Ehrfurcht. Schrif-tenfreunde zahlen heute einVermgen fr diese Drucksache,gesetzt aus einem Probegrad der Palatino. Ein Jahr sptererscheint Hermann Zapfs erfolg-reichste Schrift ofziell.

    John Baskerville, geboren1706, zieht mit 20 nach Bir-mingham und arbeitet dortals Schreiblehrer und Stein metz. Ordentlich Geld ver-dient er erst ab 1738 mit einerLackiererei, die auf Japanlackspezialisiert ist. Mit den Einnah-men kann er bald seiner heim-lichen Leidenschaft nachgehen,dem Buchdruck.Da ihm die Caslon-Schriftennicht gefallen, schneidet er ab1750 eigene Entwrfe, spterals Antiqua des bergangsbezeichnt. Sein erstes groesProjekt ist eine Vergil-Ausgabe1757. Die neue Schrift findetsofort Beifall, schon 1758 wirder zum Direktor der Cambridge University Press ernannt.Als Atheist lsst sich Baskervillenach seinem Tod 1775 in unge-weihter Erde auf seinem Anwe-sen beisetzen. 1821 wird bei

    Titelseite eines John-Baskerville-Drucks aus dem Jahr 1761

    Niemand hat denUnterschiedzwischenKunst und Kommerzgeschickterformuliert als Eric Gill1931: Eine kommerzi-elle Arbeit ist, besten-falls, substanziell hilf-reich und ungeplant elegant in ihrer Ef-zienz; ein Kunstwerkist, bestenfalls, schnin seiner Grundsub-stanz und ungeplant ebenso dienlich, wieeine kommerzielleArbeit.So steht es im Essay on Typo-graphy, dem ersten in Joannagesetzten Buch. Gill entwarf dieSlab-Serif, zusammen mit einer

    Ganze 14 Jahre hat Hans Ed Meieran der ersten Antiqua ohneSerifen gearbeitet, von 1954 bis1968. Syntax vereint die Klarheitder Groteskschriften mit derWrme und Lesbarkeit einerRenaissance-Antiqua. Die Gro-buchstaben leitet er aus der fr-hen Rmischen Lapidarschriftab (2. J. v. Chr.), die keine Serifenund kaum Kontrast kannte.

    Im Dezember 1992 beginnt derLeipziger Designer Erhard Kaisermit der Arbeit an einer digitalenNeuausgabe der Fleischmann-Antiqua fr DTL. Nach 4 JahrenArbeit liegen zwei vorzglichausgebaute Varianten vor: eineText- und eine Display-Version;analog dazu zwei Kursive.

    Die historische Werksatzschrift DTL Fleischmann besteht

    aus insgesamt 36 Fonts

    Bauarbeiten sein Sarg freigelegt,geffnet und zur Schau gestellt.Erst Jahre spter ndet Basker-ville seine letzte Ruhe auf demWarstone Lane Cemetery.

    wunderschnen schmalen Italic,fr seine eigene kleine Verlags-druckerei Hague and Gill, die er

    1930 mit Rene Haguegrndete, dem Ehe-mann seiner TochterJoan, genannt Joanna.Die Schrift entstand ineiner Kleinauage frden Handsatz bei derGieerei Caslon.Joanna hnelt GillsPerpetua, weist jedochweniger Kontrast auf,und die Oberlngenberragen die Gro-buchstaben: ... genau

    richtig fr den Maschinensatz,ohne ihre Eleganz zu verlieren,wie Gill seine Lieblingsschriftcharakterisierte.

    Die am besten ausgebaute Syntax ist die Linotype Syntax von 2000

    Titel des ersten von E. Gill in Joanna

    gesetzten Buches

  • 18

    Paris, Holland, Mnchen, Slo-wakei, Schweiz Fedra ist eineganz und gar europische Schrift.Der Schweizer Ruedi Baur gab sieum 2000 von Paris aus bei Peter Bilak in Auftrag: fr das Cor-porate Design der Bayerischen Rckversicherung AG. Dortsollte sie die Univers ablsen, alswarme, elegante Alternative.

    Bevor die Schrift fertig war,wurde die Bayerische Rck voneinem multinationalen Konzerngeschluckt und das Projekt wartot. Fedra dagegen lebte auf, inPeter Bilaks eigenem Schriften-Verlag Typotheque. Mit denersten Fedra-Kunden kamen dieersten Erweiterungswnsche. Esfolgten mehr Strichstrken, eineMonospaced-Variante, Fremd-sprachen-Versionen u.a.2004 dann die Serif, genauer:Serif A mit den Proportionender Sans und Serif B mit eigenenProportionen. Die Sans erscheintvon Anfang an multilingual (70Sprachen),einschlielichgriechi-scher und kyrillischer Zeichen.Eine ganz und gar europischeSchrift eben

    Die nnische Firmenzeitschrift Tule ja katso (Komm und guck) wird

    seit 2002 aus Fedra gesetzt

    Es htte die majesttische Trajan,eine elegante Bodoni oder dieneutrale Helvetica sein knnen Doch die drei Zeilen auf dem20 Tonnen schweren Grundsteindes Freedom Tower auf demWorld-Trade-Center-Gelnde inNew York werden von John Gara-folo aus Gotham gemeielt, einerneuen Schrift, die nach BatmansHeimatstadt benannt ist.Michael Gericke, dessen Design-bro Pentagram den Granitblockmit den Architekten Skidmore,

    Owings & Merrill entwarf, fasstdie Entscheidung fr Gothamso zusammen: ... weil sie nichtaussieht wie gestern geschaffenund morgen vergessen. Derschwarze Koloss, aufgestelltam Unabhngigkeitstag 2004,wird von den Medien als erstessichtbares Element des FreedomTower gefeiert, der 2011 erffnetwerden soll.Es htte keine passendere Schriftgeben knnen. Als Inspirationdienten Tobias Frere-Jones NewYorker Gebudebeschriftungenaus den 40er Jahren. Die Master-vorlage lieferte eine Busbahnhof-Beschriftung der Hafenbehrdein der 8th Avenue, heute Besit-zerin des Trade-Center-Areals.Und so schliet sich der Kreis.

  • 19

    Bevor sich Napoleon 1804 inParis zum Kaiser krnt, lsst ereine Einladung von der Ofzin Didot anfertigen, der bestenDruckerei der Stadt. Hier ent-wirft der 40-jhrige Firmin Didotin Rekordzeit die Romain de LEmpereur (Kaiser-Antiqua),die nur einmal eingesetzt, aberin den Jahrzehnten danach tau-sendfach kopiert wird.

    Ganze 13 Tage hielten es Anfang2004 die Redaktion und derneue Eigentmer der SchweizerKulturzeitschrift Du mitei-nander aus, dann trennten sichihre Wege. Einzige berlebende:die frisch eingefhrte SchriftLexicon.Wie keine andere vereint die1992 von Bram de Does entwor-fene Lexicon Schweizer und hol-lndischeTypograe-Ansprche:konomie,Eleganz,Qualittund

    Sauberkeit. Die Schrift glie-dert sich in zwei Gruppen 12Fonts: Lexicon No. 1 mit kurzenOber- und Unterlngen, LexiconNo. 2 mit gewhnlicher Metrik.

    Ende 1990 hlt sich Erik van Blo-kland in New York auf, sein Ran-dom-Twin Just van Rossum inBerlin. Ihr Script-Projekt Handsentsteht per Faxgert, Scannerund mit den Programmen Photo-shop, Streamline und Fontogra-pher. Die frechen Handschriftender Links-/Rechtshnder begrn-den ein neues Schriftengenre.

    Ab 1927 beschftigte sich dasgrasche Multitalent William Addison Dwiggins (1880 1956),Ernder des Begriffs Graphic Designer, mit dem Schriftent-werfen. Die geometrischenGroteskschriften aus Europageelen ihm nicht, zum BeispielFutura, Erbar und Kabel. Diesensetzte er die Metroblack No. 2 entgegen, die Linotype 1929herausbrachte, gedacht fr Titel-satz und Werbung.

    Einst von New York nach Berlin gefaxt, dann digitalisiert und nun an

    der Fassade eines Bckers am Alexanderplatz: Erikrighthand

    Es war Bernd Mllenstdts ersteSchrift, 1984 verffentlicht beider Berthold AG, nach 17 Jahrenleitender Ttigkeit im Schriften-Atelier des Satzgerteherstellers.Und sie war sofort ein Erfolg.Das Besondere der serifenlosenFormata ist ihr nicht-linearerStrich. Die Konturen bilden einelesefreundliche Spannung.

    Bevor William Caslon (* 1692)seine erste Schrift schneidet,betreibt er in London eine Gra-vur-Werkstatt. Weil er auch Pr-gestempel fr zwei benachbarteBuchbinder schneidet, kommt erbaldmitdemgraschenGewerbein Berhrung.1725 erffnet Caslon eine Schrift-giesserei. Die hohe Qualitt derSchriften macht sie in ganz Eng-land bekannt. 120 Jahre bleibtder Familienbetrieb fhrend.

    Werbehochburg Chicago, 1899:Der 20-jhrige Oswald B. Cooperwird an der Frank Holme School of Illustration aufgenommen, wo erunter anderem die Schreibkursevon Frederic Goudy besucht. FnfJahre spter grndet Cooper mitseinem Freund Fred Bertsch dasWerbebro Bertsch & Cooper.Hier entwirft Oz 1921 frein Plakat eine fette Schrift mitrundlichen Serifen, die er 1922bei Barnhart Brothers & Spindlerherausbringt. Cooper Black ent-sprach dem damaligen Werbe-Zeitgeist: einfach, freundlich,krftig. Sie wurde so erfolgreich,dass Monotype ausgerechnetbei Coopers Lehrer Goudy eineKopie in Auftrag gab, die 1925als Goudy Heavyface erschien.

    Detail aus dem Geschftsbericht der Allianz AG, gesetzt in Formata Cnd

    Diese Goldmedaille berreichte Napoleon Firmin Didot anlsslicher

    einer Industriemesse 1801 (Abb.: Firmin Didot family collection)

    Anfang 1930 versucht Cooperseine Schrift patentrechtlich zuschtzen, was misslingt, weileinige Buchstaben einem Logoentnommen sein sollen.

    Art-Director Tommy Steele verhalf Cooper Black 1966 auf dem

    wegweisenden Album Pet Sounds zu neuer Popularitt

  • 20

    Adolphe Mouron wird 1901 in derUkraine geboren. Er geht in Pariszur Schule, besteht sein Abiturmit Auszeichnung am Lyce Con-dorect und entdeckt seine Lei-denschaft fr die Plakatmalerei.Bereits 1919 belegt er den drittenPlatz bei einem Wettbewerb, aus-geschrieben von Michelin.Das 1923 entworfene Plakat Au Boucheron fr das groe PariserMbelhaus Hachard & Cie. wirdals Monumentaldruck in ganzParis ausgehngt und macht denKnstler ber Nacht berhmt.Auf den Rat eines Freundesnennt sich Mouron von diesemTag an A. M. Cassandre.Seine erste selbst entworfene,fr die Werbung bestimmteSchrift Bifur macht ihn 1929international bekannt. Anlss-lich der Pariser Weltausstellung1937 verffentlicht er eine wei-tere Erfolgsschrift, die Peignot.Danach widmet sich Cassandreder Malerei.Nach dem 2. Weltkrieg grndeter mit Freunden die Alliance Gra-phique International (AGI). Erversucht sich mit wechselndenErfolgen als Bhnenbildner,Regisseur und ab 1963 wiederals Graker. Nach einer Serie vonEnttuschungen nimmt er sich1968 in seiner Pariser Wohnungdas Leben.

    Zur Pariser Weltaustellung 1937 erscheint Cassandres

    bekannteste Schrift Peignot (Montage: FontShop)

    Es war eine Bilderbuch-Kar-riere fr den ZeitungsjungenChauncey H. Grifth, der 1879 imBundesstaat Ohio zur Welt kam.Nach der Ttigkeit als Setzer undZeitungsgestalter verschlug esihn 1906 in die Verkaufstruppeder 1890 gegrndeten Mer-genthaler Linotype Company.Hier sorgte er erfolgreich fr dieVormachtstellung des Unterneh-mens in Zeitungs- und Buchdru-ckereien.

    Am 11.4.1996 lsen Schwei-arbeiten im Flughafen Dssel-dorf eine Brandkatastrophe aus:17 Menschen sterben, die Ter-minals A und B werden zerstrt.MetaDesign entwickelt binnen6 Wochen mit FF Info ein Leit-system, das die Passagiere sicherzwischen Zelten und proviso-rischen Hallen fhrt.

    Zu den ersten Aufgaben, denensich der Nrnberger KalligrafRudolf Koch nach seiner Lehre1898 widmet, gehrt das Ent-werfen von Buchtiteln. Hier-bei entstehen erste Schriften.Parallel dazu widmet sich Kochder Erneuerung des kirchlichenKunsthandwerks. Er entwirftLeuchter und Mbel. Sein Stilund die von ihm entworfenen

    Der Name der Knstlerin in Wilhelm Klingspor (Montage: FontShop)

    Symbole prgen bis in die 60erJahre die evangelischen KirchenDeutschlands.Kurz nach dem 1. Weltkrieg hatRudolf Koch kaum noch Sinn frSchngeistiges. Erst um 1924schreibt er wieder: das Buch Hiob und die Seligpreisungen ... in einerHandschrift, die dem Frankfur-ter Schriftgieer Karl Klingsporgut gefllt. Fr die Druckvor-lage bringt Koch durch Zier-schwnge und Ligaturen Leich-tigkeit ins Schriftbild. ObwohlKoch zu dieser Zeit lieber etwasSchmuckloses gemacht htte,gelingt ihm mit Klingspor eineder beliebtesten gebrochenenSchriften. Sie wird nach Wilhelm Klingspor benannt, der kurz vorihrer Verffentlichung stirbt.

    Roger Excoffon, geboren 1910 inMarseille, wurde 1956 Art Direc-tor der Air France. Fr ein neuesLogo und Werbeposter der Flug-gesellschaft experimentierte ermit einer sehr breiten und fettenSans-Serif, die er Nord taufte.Sein Freund Marcel Olive, verf-fentlichte sie in seiner Schrift-gieerei als Alternative zu denHits seiner Wettbewerber: Uni-vers (Deberny & Peignot) undHelvetica (Haas/Stempel).

    Ein Roger-Excoffon-Poster aus dem Jahr 1965 mit dem Air-France-Logo, gesetzt in Antique Olive Nord

    Seine Zusammenarbeit mit denSchriftentwerfern William A. Dwiggins und Rudolph Ruzickatrug 1931 erste Frchte: Grifthbrachte die erfolgreiche Zei-tungsschrift Excelsior heraus.1937 trat die TelefongesellschaftAT&T an den inzwischen zumLeiter Schriftentwicklung auf-gestiegenen Grifth heran, umeine neue Telefonbuchschriftin Auftrag zu geben: Bell Gothic,erschienen 1938.40 Jahre war Bell Gothic beiAT&T im Einsatz. Anfang der90er Jahre erlebte die Schrifteine Wiedergeburt durch dieVerwendung angesehener Desig-ner (Bruce Mau, Irma Boom) undHochschulen, darunter die Cran-book Academy of Art.

    Zur FF Info gehren Hunderte passender Piktogramme

  • 21

    Der dnische Satzgerteherstel-ler Purup Electronics erkennt1987, dass Buchschriften frIndustrieformulare nicht beson-ders geeignet sind. Darum beauf-tragt man Petr van Blokland mitdem Entwurf einer neuen Anti-qua. Proforma (frei bersetztfr Formulare) wird eine weg-weisende Schrift, weil sie Platz-ersparnis mit guter Lesbarkeitvereint.Proforma ist eine der ersten frden elektronischen Satz opti-mierten Schriften. Van Bloklandgelingt es durch geschickte Kon-struktion der Zeichen, den Trep-peneffekt zu minimieren, der inLesegraden zwischen 9 und 12Punkt zu erkennen ist; trotz 2450 Linien pro Zoll Ausung.Fr die Proforma erhlt er vonder ATypI den Charles PeignotPreis, 1995 folgt die Nominie-rung fr den Rotterdam Design Award erstmals fr eineSchrift.2000 reichte van Blokland die zurProforma passende SerifenloseProductus nach.

    Als Hans Reichel wieder mal zuviel Text in einem CD-Bookletunterbringen muss, entwirft erDax Condensed: schmal, kaumKontrast, fehlende Abstriche ...eigentlich typische Merkmaleeiner Headline-Schrift. Dochdem genialen Knstler gelingtdas Unmgliche: Dax wird einegut lesbare Textschrift.

    Volker Kster (geb. 1941 in Wer-nigerode) verlie 1984 die DDR,ging nach Hamburg und wurdeLeiter des Schriftateliers vonScangraphic. Hier entstand zwi-schen 1985 und 1988 die bemer-kenswerte Today Sans, einelebendige Grotesk-Schrift, dieauf den Strukturen und Propor-tionen der Renaissance Antiquabasiert.

    Volker Kster beschftigt sich seit 1994 mit Eisenguss in verlorener Form

    Die Entwicklung der DTL Pro-kyon begann 1997 als Eigenauf-trag. Fnf Jahre arbeitete Erhard Kaiser an der Schrift, die nachdem Hauptstern des SternbildesKleiner Hund benannt ist. IhreBesonderheit ist eine Formre-duktion, z. B. durch den Wegfallder Anstriche. Prokyon ist einedurchdachte und meisterlichausgebaute Schriftfamilie zwi-schen Klassik und Lifestyle.

    Frederic W. Goudy entwarf dieKapitlchenschrift Copperplate Gothic Anfang 1901 und verf-fentlichte sie bei ATF. Tatsch-lich ist es keine echte Grotesk(Gothic): Winzige Serifen zierenihre Strichenden. Diese werdenallerdings nicht als Stilmitteleingesetzt, sondern um dieEcken im Druck zu betonen, siespitz zu Papier zu bringen.

    Ein SW-Portrait von Unger, geschossen auf der TYPO,

    Marc Eckhardt

    Offenen Formen und Haar-Serifen: auch in kleinen Gren gut lesbar

    (Abbildung: Linotype)

    Weil sie ber einen Zeitraum von12 Jahren zur Familie ausgebautwird, weisen die Trade-Gothic-Schnitte weniger Gemeinsam-keiten auf, als andere Sans-Serifs,wie zum Beispiel Helvetica oderFrutiger. Genau diese Disso-nanzen sind es, die der geer-deten Trade Gothic seit vielenJahrzehnten eine feste Fange-meinde bescheren.

    (Montage: FontShop)

    Eigentlich war Swift ein Abfall-produkt: entstanden aus einemnicht bentigten fetten Schnittder Hollander. Doch sie bekameinen ganz eigenen Charakter:spitz einlaufende Rundungenin die Vertikale, ache Bgenund offene Innenrume. Swiftbezieht ihre aktive Qualitt ausder Zwiesprache zwischen Kon-tur und Binnenraum.

  • 22

    Mit dieser Ansichtskarte wurde FF Blur 1992 von Neville Brody und

    FontShop angekndigt

    Beim Gestalten der Emigre-Web-site kommt Zuzana Licko die Idee, erst den lesbaren Screen-Font (Bitmap-Grak) zu entwer-fen und davon ausgehend die Druckerschrift (Vektor-Grak). Sie beginnt mit der weit ver-breiteten Standardgre von 12 Punkt, gibt der Mittellnge 6

    Base Nine und Twelve basieren auf der Metrik von Pixelschriften,

    die zuerst entstanden

    Zum 100. Geburtstag beschert sich die US-Telefongesellschaft AT&T (frher: Bell Telephone Company) ein Redesign ihrer Telefonbuch-Schrift Bell Gothic. Matthew Carter entwickelt 1978 die rafnierte Bell Centennial,und verbessert dramatisch die Lesbarkeit der Bcher. Extreme Einschnitte und groe Innen-rume garantierten die Unver-sehrtheit der Buchstaben, trotz Schnelldruck und schlechtem

    Papier. Mit zwei neuen Schnitten verfeinert Carter die Hierarchie von Namen und Zahlen. Als Protbringer erweist sich der Versal-Schnitt Bold Listing fr gewerbliche Kunden, die fr die Grodarstellung ihres Namens gerne eine Extra-Gebhr zahlen. Carter lsst die fetten Grobuch-staben einfach unterhalb der Grundlinie beginnen, wo sie den ungenutzten Raum fr Unter-lngen besetzen. Abba-Logo und -Plattencover,

    gesetzt in News Gothic

    Pixel und dem PostScript-Geviert die maximal mglichen 1200 Einheiten, so dass 100 Einheiten einem Pixel entsprechen. Die Metrik der Base 12 ist geboren. Danach entwarf sie Base 9, so dass beide Fonts die populren Gren 9, 12, 18, 24 und 36 Pt am Bildschirm ohne Pixelteilung abdecken. Beim Zeichnen der Printer-Fonts stellt Licko einmal mehr ihr Talent unter Beweis, aus tech-nischen Notlagen einen maxi-malen sthetischen Nhrwert zu schpfen. Base berzeugt mit ihrem eigenwilligen Duktus, der im ungewhnlichen Gestaltungs-prozess begrndet liegt und dem Bestreben der Designerin, den Freiraum richtig auszuschpfen.

    Geniestreich Bold Listing: gewerbliche Eintrge beginnen unterhalb der Schriftlinie

    Anfang der 90er sind exzen-trische Schriften angesagt: Nur wer auffllt, siegt ... beim Kampf gegen The End of Print (David Carson). Neville Brody entwirft die berstrahlte Blur, aus einer Helvetica oder AG, die er dreimal durch den Weichzeichner-Filter von Adobe Photoshop jagt.

    Am Anfang gab es nur eine Medium mit dem Namen News Gothic sowie den leichten Zwil-ling Lightline Gothic, entworfen vom Morris F. Benton. Erst 1958 wurde die platzsparende Linear-grotesk mit zwei fetteren Schnit-ten vollendet.

  • 23

    Avenir war Linotypes Antwort auf Futura (franz. avenir = Zukunft). Die Namensgebung sagt auch, dass eine von Adrian Frutiger entworfene Linear-Antiqua automatisch wohlklin-gender, weicher und menschli-

    Akira Kobayashi und Adrian Frutiger stellen 2004 einem Kreis von Experten die Avenir Next vor

    cher wird. Bei ihrer Premiere umfasste Avenir 6 Schnitte, die spter auf das Doppelte anwuch-sen. 2004 renovierten Frutigerund Akira Kobayashi die Familie meisterhaft (Avenir Next) und erweiterten sie auf 24 Schnitte.

    Als Ernder des Sachplakats ist Lucian Bernhard (1883 gebo-ren als Emil Kahn in Stuttgart) aus der Geschichte der Plakat-kunst nicht wegzudenken. Fr viele Motive entwarf er eigene Schriften, die auch vertrieben wurden. 1937 verffentlichte er bei ATF seine berhmteste Schrift, die Bernhard Modern.

    Werbeplakat von Lucian Bernhard mit Bernhard Antique Kursiv und

    Bernhard Modern (unten)

    Er war noch an der Hochschule, als Christian Schwartz ein Pla-kat mit Matthew Carters Bell Centennial (Platz 63) gestaltete, deren Einkerbungen in einer Gre von 10 cm sehr absurd wir-ken: Postmoderner Konstrukti-vismus. Was bei Bell Funktion war, wurde bei Amplitude zum Stilmittel.Die groe Anzahl der Ampli-tude Schnitte mag bertrieben wirken, doch jede hat ihre Auf-gabe. Book, Regular, Medium und Bold lsen alle Aufgaben im Text-Bereich, wobei die Benut-zer auf Hintergrundfarben, St-tigung und Positiv-Negativ-Satz stets die richtige Antwort nden werden. Light, Black und Ultra laufen im Headline-Bereich zu Hchstform auf; da richten auch die kleinen Innenrume der fet-ten Schnitte keinen Schaden an, ganz im Gegenteil! Beim Extra-Compressed-Schnitt jedoch hat Schwartz einen ganz speziellen Einsatzbereich im Sinn: Ich wrde sie gerne am Fu von Filmplakaten sehen, fr die Credits, die immer sehr eng gesetzt und kaum lesbar sind. Und so ndet der Stil ihre Ein-kerbungen fr Extremsituatio-nen doch wieder zum Zweck.

    Amplitude Extra Compressed ist wie geschaffen fr die Funoten

    auf Filmplakaten

    Bis zuletzt war ihre Mutter unbe-kannt. Aufgewachsen ist sie bei Erik van Blokland in Den Haag. In dem neuen Buch Made with FontFont nun die Antwort: Ihre Mutter hie Triumph Durabel,wurde um 1930 in Nrnberg geboren. 1991 hinterlie sie ihren typograschen Code auf einem DIN-A4-Blatt.

  • 24

    Quadraat ist zwar digital erstellt,jedoch nach Fred Smeijers Zeich-nungen. Die Schrift sollte neuaussehen, aber an Altbewhrtesanknpfen; die Kursive dagegenist eigenwillig. 1997 entwickelteSmeijers nach hollndischemVorbild (Jan van Krimpen, 1930)aus der Serif eine Sans.

    Eleganz und eine lineare Klar-heit kennzeichnen die Gebudedes sterreichischen Architek-ten Richard Neutra. In seinenZeichnungen wie auch denBauten tauchten hug Ziffernund Buchstaben auf, die House Industries zu einer Schriftfami-lie inspirierten. Dabei arbeitetensie eng mit Dion Neutra zusam-men, die ihnen Fotograen zurVerfgung stellte. Aus einergeringen Menge an Vorlagenschuf Christian Schwartz kom-plette Alphabete.FrKleinbuchstabengabeskeinehistorischen Vorlagen, doch einerfahrener Schriftentwerfer wieSchwartz kann die passendenGemeinen ohne Mhe herleiten.Nach Fertigstellung der umfang-reichen Familie (5 Strichstrken)war es nur eine Frage der Zeit, bisNeutraface ihren Weg zurck indie Architektur fand: als edleHausnummer.

    Sjoerd de Roos (1877 1962) giltals der erste professionelle Type-designer Hollands. Nobel ent-stand 1929 fr die AmsterdamSchriftgieerei, als Antwort aufFutura und Berthold Grotesk. Siewar landesweit erfolgreich undwurde bis in die 1960er Jahre invielen hollndischen Bleisetze-reien eingesetzt.

    Neutraface als Hausnummer, gesehen und zu bestellen bei:

    www.customhousenumbers.com

    Skizzen fr eine auergewhnliche Kursive: Quadraat Italic

  • 25

    Linotype war das erste Unter-nehmen, das drei digitalisierteSchriften von Neville Brody ineinem Paket herausbrachte:Industria, Arcadia und Insignia.Die drei Alphabete entstandeneinige Jahre zuvor fr die vonBrody wegweisend gestaltetenMagazine The Face und Arena.

    Neville Brody 2005, Sprecher auf der TYPO Berlin

    (Foto: Marc Eckardt)

    Richard Lipton (geb. 1963 in NewYork)studierteKunstundDesignam Harpur College, arbeitete ab1984 als freier Illustrator undKalligraph. Er ging fr 8 Jahrezu Bitsream, wo er die Schriftbi-bliothek aufmbelte und dieexklusiven Arrus und Cataneomitentwickelte. Seine erfolg-reichsten Schriften brachte erbei The FontBureau (Bremen, Nutcracker, Shimano, Sloop, )und Adobe (Bickham Script)heraus.

    Fago ist eine Corporate-Schrift.Sie vereint jahrelange Erfahrung,die Ole Schfer in verschiedenenCI-Projekten bei MetaDesignsammelte. Die Grofamilie decktmit 3 Breiten alle typograschenHerausforderungen ab, die imunternehmensweiten Einsatzgefragt sind.

    113 n. Chr. lie Kaiser Marcus Ulpius Traianus in Rom auf sei-nem Prachtforum eine 40 m hoheSiegessule errichten, die nochheute an gleicher Stelle steht.Der spiralfrmig aufsteigende,200 m langen Fries zeigt Szenenaus seinen beiden Kriegen gegendie Daker.

    Fake-Suppentop fr Film und TV(Design: Schein Berlin)

    Die Capitalis Monumentalis der Trajanssule in Rom lieferte die Vorlage fr Trajan

    Ein Grabstein aus dem spten19. Jahrhundert, dessen InschriftermittelseinerFrottagefesthielt,diente Morris F. Benton als Anre-gung. Er schuf Bank Gothic alsreine Kapitlchenschrift, was sienoch technischer wirken lsst.

    Ende 1987 warf kein geringererals Gnter Gerhard Lange einletztes Auge auf WeidemannsSchrift-Trilogie Corporate ASE (Antiqua, Sans, Egyptienne). Erempfahl die Verkleinerung der

    harmonisierte die Alphabeteformal und sthetisch, so dassdie Schrift perlt.Als neue Mercedes-Hausschriftzeigt sich die neutrale, statischeCorporate von ihrer besten Seite.Sie wurde exklusiv nach kono-mischen Gesichtspunkten kon-zipiert. Das ist nicht unwichtigfr einen Konzern, der jhrlichMillionenbetrge fr Satz aus-gibt. Trotzdem trgt sie Weide-manns Handschrift, der ein aus-gesprochener Gegner von allemPolierten ist.

    Weidemanns Corporate-Familie wurde die Basis fr das

    Daimler-Benz-Corporate-Designs

    Auf dem Sockel benden sichmehrere Inschriften, derenMajuskeln als die schnsten Bei-spiele rmischer Schriftkunstgelten (Capitalis Monumenta-lis). Carol Twombly von Adobedienen sie 1989 als Vorlage frihre Interpretation einer gemei-elten rmischen Schrift.

    Eiskalte Typograe mit Bank Gothic, passend zum Sujet

  • 26

    Kabel in einem Schriftmuster der Gbr. Klingspor von 1927

    Als der Freelancer Tal Lemming2000 die Schrift Bullet fr House Industries digitalisiert hat, fragtihn Rich Roat: Willst Du nichtdie fehlenden Akzentbuchsta-ben in House Gothic ergn-zen? Nachdem sich Tal die Zei-chenstze angesehen hat, feuerter eine Woche lang E-Mails mitVerbesserungsvorschlgen anRich:Hast Du was dagegen, wenn ich die Strichstrke von M und N harmonisiere?, Knnte ich den Zeichensatz berarbeiten, damit die Familie melodischer wird?,Seid ihr offen fr eine kleine Umorganisation der Familie?,Ich kann mir gut eine extended Version vorstellen .... Ein halbesJahr spter zieht Tal Leming mitseiner Frau von Louisiana in daskleine Nest Wilmington in Dela-ware, um einen Full-Time-Jobbei House anzutreten.Was ist das Geheimnis der erwei-terten House Gothic 23 mit 10Extended- und 10 Condensed-Headline-Schnitten sowie dreiText-Fonts (10 + 10 + 3 = 23)? Essind die Kombinationsmglich-keiten der Varianten, die stetszusammenpassen, auch wenn siemit unterschiedlichen Mittel-lngen oder Buchstabenbreitenauftreten. Am konsequentestenist diese Eigenschaft im Black-Schnitt realisiert, dessen Innen-rume bei Condensed und Exten-ded identisch sind.Bemerkenswert auch die Text-Schnitte: diese aus einer exzen-trischen Headline herzuleiten,ist allein das Verdienst Lemings.

    Bekanntester internationaler Auftritt der House Gothic auf Buch, Filmplakat

    und Soundtrack von About A Boy

    Wie kein anderer FontFontbelegt Kosmik das Anliegen vonFontShop International, tech-nisch und sthetisch Mastbezu setzen. Die Idee hinter Kos-mik: eine digitale Handschrift(Blockbuchstaben), die nicht wieaus dem Computer aussieht.Dazu zeichnete Erik van Blok-land fr jeden der comicartigenBuchstaben drei laufweiten-gleiche Varianten, die beimDrucken automatisch gewech-selt werden. Bei Erscheinen1993 funktionierte die Automatik nuram Macintosh. Dank OpenTypekommen endlich auch Windows-User in diesen Genuss.Wegen der Rechtschreibreformist die dreitaktige Kosmik wich-tiger als je zuvor: Schifffahrt.

    Erik van Blokland gestaltete 1993 auch die Krawatte

    zur Schrift

    Sie war die erste Schrift vonPeter Matthias Noordzij (PMN),der 1991 The Ensched Font Foundry grndete. Sein Erst-lingswerk erschien jedoch beiLinotype und entwickelte sichunter deren Fittichen zu einerder erfolgreichsten Slab-Serif-Textschriften. Erste Entwrfefr Caecilia entstanden bereits1983, im 3. Jahr seines Studiumsan der Akademie in Den Haag.

    Das kirchliche Museum Catharijneconvent in Utrecht wirbt mit

    Caecilia fr seine Ausstellungen

    Das strt Zuzana Licko an digi-talen Revivals: Trotz absoluterFreiheit beim Konstruieren derLetternpegenwirKompromisseaus den Zeiten mechanischerEinschrnkung. Und so knpftsie sich einen Klassiker vor, stu-diert das Werk John Baskervilles... und schafft Mrs Eaves, die zeit-geme Interpretation dieserJahrhundertschrift.

    Titel der 32-seitigen Einfhrungsbroschre von 1996

    Corpid (schwarz) vs. Frutiger :offener und mit diagonalem Kontrast

    Rudolf Koch war kein Freundmechanisierter Grak, wie erz. B. Paul Renners Arbeit bezeich-nete (5 Futura). Doch er war frErneuerung und akzeptierte denTrendzukonstruiertenSchriften.1926 zirkelte er ein Alphabet hin,das er Kabel taufte, nach demdamals fortschrittlichen trans-atlantischen Telefonkabel.

    Corpid entstand einst als AgroSans exklusiv fr das nie-derlndische Landwirtschafts-ministerium als Alternative zueiner unternehmensweiten Fru-tiger-Lizenz. Der grte Unter-schied in der Architektur beiderSchriften liegt in ihrer Spannung,also dem Verhltnis der innerenzur ueren Kontur.

  • 27

    Lubalin und Aaron Burns gegrn-deten International Typeface Corporation (23 Avant Garde).Seine Vorliebe fr Kalligrafieist in allen Schriftschpfungenunbersehbar. So auch bei der1977 gezeichneten Familie,die seinen Namen trgt. Siewurde zu einer der beliebtestenWerbe- und Verpackungsschrif-ten Anfang der 80er Jahre.

    James Mosley, Leiter der angese-henen St. Brides Printing Li-brary inLondonfasstdieQualittvon Miller in wenigen Wortenzusammen: Matthew CartersMiller ist keine Kopie von MillersScotch Roman, so wie Galliardnie eine Kopie von Robert Gran-jons Schriften war. Carters Leis-tung besteht darin, den gutenTon sowie den grozgigen Baueingefangen zu haben. Souvenir-Fotosatz-Scheibe

    Instant Types ist der erfolgreicheVersuch, aussterbende Beschrif-tungen zu erhalten. Dazu digi-talisierte Just van Rossum denStreifen einer Dymo-Prgepi-stole, Schablonen-Lettern aufKarton, eine Bananenkisten-Schrift und zwei Stempel-Alpha-bete. Als Dynamoe, Condential, Flightcase, Karton und Stamp Gothic leben sie digital weiter.

    Eine der Vorlagen fr die Instant Types

    Clarendon erschien schon 1845,geschnitten von Benjamin Foxfr die Londoner Fann Street Foundry. Sie war die erste Schriftmit Urheberschutz. Durch ihreenge Verwandtschaft zur klas-sizistischen Antiqua, insbeson-dere der Zeitungsschrift Cen-tury, prgt sie Zeilen deutlichaus. Tropfenserifen machen siegut lesbar. 1953 zeichnete Her-mann Eidenbenz im Auftrag vonHaas eine Clarendon-Familie.

    Clarendon Typograk des New Yorker Designers Andrew Kueneman

    Triplex ist Zuzana Lickos ersteSans-Serif-Schrift. Sie entstandaus geometrischen Buchstabenund enthlt Anlehnungen an diezuvor erschienene Citizen. Beiihrem Erscheinen war Triplexeine der ersten Neuentwrfe frdie digitale Generation. DiesenAnspruch unterstrich sie miteiner extravaganten Geometrie.Nach ihrer Premiere wurde dieSchrift kontinuierlich ausge-baut, John Downer lieferte eineskurrile Italic.

    Triplex entstand aus geometrischen Pixel-Buchstaben

    Eigentlich ist Ed Benguiat Schlag-zeuger, mit einem Diplom desBrooklynCollegeofMusic.Unterdem Pseudonym Eddie Benartspielte er mit berhmten Musi-kern wie Stan Kenton und Woody Herman. Sein Vater war Anzei-gendirektor bei Bloomingdalesund machte ihn mit der Welt desDesigns bekannt.Nach einem Studium an derColumbia University und derWorkshop School of AdvertisingArt in New York, wird Benguiat1953 Associate Art Director vonEsquire und erffnet im glei-chen Jahr sein eigenes Design-studio. Ab 1962 arbeitet er beiPhotolettering Inc. als Typogra-phic Design Director. 1970 wirder Vizeprsident der von Herb Auch in Moskau eine beliebte Schrift:

    ITC Benguiat (Foto: Paratype)

    Eine der wenigen Exklusiv-schriften der Scangraphic Dr. Bger GmbH in Hamburg (56Today Sans). Hermann Zapf schuf sie als technische mage-schneiderte Lsung fr derenCRT-Fotosatz-Belichter. Sie isteine enge Verwandte der Pala-tino (Platz 38), mit zustzlichenkalligraschen Schnitten.

    Schwungbuchstaben und Aldusbltter der Zapf Renaissance

    Sie wurde zunchst nur als Ein-zelschnitt von Morris F. Bentongezeichnet. Als Anregung dienteihm Schelter Antiqua. Rund 50Jahre spter erweckte Photo-lettering die Schrift zu neuemLeben und machte sie fotosatz-tauglich. Als 1970 die ITC ge-grndet wurde (siehe 23 AvantGarde), mit Hilfe von Photolette-ring, war ITC Souvenir Bestand-teil der Start-Kollektion.

  • 28

    Zu Zeiten des Fotosatzes warBodoni (Platz 4) Zuzana LickosLieblingsschrift. Beim Textsatzmusste sie sich gegen die Schriftentscheiden, weil ihre Kontrastezu stark waren. 1996 beschlosssie, eine eigene Interpretationder Bodoni zu schaffen. Filosoahat weniger Kontrast, abgerun-dete Serifen und berrascht mitder Unicase-Version.

    Einfhrungsposter fr Filosoa, die von Bodoni inspiriert ist

    Fr die drei Schriften des Chalet-Pakets Spielarten bekannterKlassiker wie Helvetica, Futura und Avant Garde erfindenHouse Industries eine Entste-hungsgeschichte um einen k-tiven Designer namens Ren Albert Chalet. Er soll in den 40erJahren sein Geld mit Mode ver-dient haben, nebenbei schuf erein paar Schriften. House fhrtdie internationale Designweltaufs Glatteis.Das Mrchen wird so berzeu-gend inszeniert, z. B. mit Zitatenprominenter Designer, dass vieledie Geschichte glauben. Zeit-schriften stellen die Chalet-Schriften inklusive ihrer skur-rilen Entstehungsgeschichtevor, ohne zu ahnen, dass sie freierfunden ist.Es gibt auch Kritik. Rudy Van-derlans von Emigre hlt ber-haupt nichts von diesem Coup:Man kann den Menschen allesber das Entstehen einer Schrifterzhlen, weil diese Disziplinweitgehend unter Ausschlussder ffentlichkeit stattndet.

    Die Chalet-Silhouetten knpfen an die (erfundene) Geschichte

    ihres Entwerfers an

    Quay Sans war ein Vorbotejener funktionalistischen Sans-Serifs aus Europa, die bis zumJahrtausendwechsel die Neuer-scheinungen dominierten. Siebesteht aus einfachen, fast kon-trastlosen Buchstaben mit mini-mal ausgestellten Strichenden ...bestens geeignet fr Texte undHeadlines. Kritiker bemngelnbisweilen die geschlossenen For-men und kleinen Punzen.

    Inspiriert von der HandschriftPaul Czannes entstand dieseScript 1995 fr das Philadelphia Museum of Art. Czanne wurdemehrfach erweitert und jngstins OpenType-Format transpo-niert, was ihre Lebendigkeit dra-matisch steigerte: 1200 Zeichenbieten Sprachuntersttzung frOsteuropa sowie automatischeBuchstabenwechsel.

    Die Schrift Czanne auf einem Sting-Cover von 2003

    Als Carlos Winkow (eigentlichCarl Winckow) 1938 Reporterfr die Ingolstdter GieereiJohannes Wagner schuf, rech-nete niemand mit einem jahr-zehntelangen Erfolg. Doch als(vereinfachte) Reporter No. 2berlebte die trockene Pinsel-schrift mehrere Technologie-wechsel. Sie hat Charme undwirkt wie ein Zeitzeuge aus einerEpoche, in der Pressefotografennoch Blitzlichtpulver zndeten.

    Im Schriftunterricht der Yale-Universitt studierte Ronald Arnholm ein Buch von Eusebius,1470 gesetzt in einer SchriftNicolas Jensons. Er war so faszi-niert von den Lettern, dass er indenfolgendenJahreneineeigeneFamilie daraus entwickelte,die ITC Legacy. Fr die Kursivediente eine Garamond aus dem16. Jahrhundert als Vorlage. DasGrundgerstist sotragfhig,dasser dazu die passende Sans schuf.

    ITC Legacy Sans auf dem Cover eines dnischen Taschen-

    buchs (Design: Klaus E. Krogh)

  • 29

    Font Bureau nennt sie High-style-Alternative zur Schwei-zerischen Sans. Die Inspirationzu Agenda lieferte bereitsEdward Johnstons LondonerUnderground-Schrift aus demJahre 1916. Greg Thompson baute daraus eine 54-schnittigeFamilie, einschlielich vitalerItalics und jeder Menge schmallaufender Versionen.

    Eine unglaublich einprgsame,stmmige Pinselschrift vonUnderware mit zwei kontras-tierenden Stilen: verbundenoder als Blockbuchstaben. Diesorgfltige Metrik und ein aus-geklgeltes Kerning lassenBello-Wrter wie aus einem Gusserscheinen. Dazu leisten ber 60Ligaturen sowie Anfangs- undEndstriche ihren Beitrag, dieunter OpenType automatischgesteuert werden. Bei den Arbeiten fr die Beschil-

    derung eines historischen Muse-ums stie Frank Heine auf eineHandschrift aus dem Jahre 1799,die ihn faszinierte. Er versuchtesie zu digitalisieren, startete miteiner stark geneigten Script, zuder spter eine Antiqua kam. Dasich die heterogenen Schnitte

    Die Mistral gehrt genauso wiedie von Excoffon geschaffenenBanco und Choc zu den immerwieder gern verwandten Wer-beschriften der 50er Jahre. Siehaben Charme und verkrperneine optimistische Typograe.In den USA wird Mistral nochheute viel fr Logos eingesetzt.

    Logo des Kulturveranstalters Lamar Arts

    Made with Agenda: Logo des Online-Weinhndlers Brix (Singapur)

    gleichwohl mischen lassen, ldtDalliance zu spannenden typo-grafischen Experimenten ein nicht zuletzt durch Alternativ-und Schwungbuchstaben sowieLigaturen und Zierrat. Wie alleSchriften Heines zeichnet sichauch Dalliance durch die Liebezu Detail und Qualitt aus.

  • impressumHerausgeber: FontShop AG, Berlin, Januar 2007Redaktion, Texte: Jrgen Siebert, Claudia GuminskiGestaltung: Moniteurs, www. moniteurs.deSchriften: FF Parable, Dispatch, Stainless

    Angebot nur fr Industrie, Handel und Gewerbe Preise zzgl. MwSt. + Versandnderungen vorbehalten

    Antique Olive, Avenir, Bell Gothic, Clarendon, Frutiger, Helvetica, Kabel, Metroblack, Mistral, News Gothic, OCR A, Optima, Palatino, PMN Caecilia,Peignot, Trade Gothic, Sabon, Syntax, Swift Times, Univers, Wilhelm Klingspor Gotisch, Zapno are trademarks of Linotype GmbH and may be registered in certain jurisdictions.

    literaturTruong, Siebert, Spiekermann: FontBook, FSI, Berlin 2006Middendorp, Spiekermann: Made with FontFont, BIS, Amsterdam 2006Klein, Schwemer-Scheddin, Spiekermann: Typen & Typografen,

    Edition Stemmle, Schaffhausen 1991Blackwell: 20th Century Type, Laurence King, London 1992 Friedl, Ott, Stein: Typo wann, wer, wie, Knemann, Kln 1998Anne Cuneo: Garamonds Lehrmeister, Limmat Verlag, Zrich 2004Frank Heine: Type & Co., Gmeiner Verlag, Mekirch 2003Cruz, Barber, Roat: Hosue Industries, Die Gestalten, Berlin 2004Bertheau, Hanebutt-Benz, Reichardt:

    Buchdruckschriften des 20. Jahrhunderts, TH Darmstadt 1995Baines, Haslam: Lust auf Schrift, H. Schmidt, Mainz 2002Binder: Ein typograsches Handbuch, Diplomarbeit, Wrzburg 1995Gnter Schuler: Body-types, Smart Books, Kilchberg (CH) 2003Ralf Herrmann: Index Schrift, mitp, Landsberg 2003Leslie Cabarga: Logo Font & Lettering Bible, How, Cincinnati 2004Adobe Systems: Adobe Type Library Reference Book, San Jose 1999Adobe Systems: Minion, Einfhrungsbroschre, Mountain View 1990Max Caisch: Schriftanalysen Band 1 u. 2, Typotron, St. Gallen 2003-05

    zeitschriftenPAGE 1989 2001 DE:BUG 2000 2001

    onlinewww.linotype.comwww.identifont.comwww.typograe.infowww.typolexikon.dewww.wikipedia.orgwww.klingspor-museum.dewww.sabon.orgwww.graphic-design.com/Typejournal.aiga.org

    bildnachweiseS. 1: FontShop (F), Moniteurs (M) S. 2/3: studio adhoc, M S. 4/5: M (3), Linotype (2), F (2), Erik Spiekermann, Jrgen Siebert S. 6/7: Jan Middendorp (3), Octavo/Bridwell Library (2), M (2), amazon, The Times S. 8/9: m (3), New York City Transit Authority, Hanswerner Holzwarth, Harry Ransom Center, Linotype, ATF S. 10/11: M (3), LucasFonts, Wikipedia, F, Erik Spiekermann (2), Mayo Nissen S. 12/13: Typo Magazine Nr. 17, Emigre, Wikipedia, F, Rob Hunter, worth1000.com, D. Stempel S. 14/15: M (3), F, Jrgen Siebert, Andreas Garrels, Ourtype, Springer S. 16/17: M (2), FSI, Agfa, Amazon, Linotype (2), Nasa, Bertram Schmidt-Friderichs S. 18/19: M (3), Stephen Coles, Raision Seurakunta, Pentagram, Jrgen Siebert, Firmin Didot Family Collection, Allianz, Capitol Records S. 20/21: M (3), F (4), Linotype, Air France, Armin Pelzer, Purup, Marc Eckardt, FSI S. 22/23: FSI, F, Jrgen Siebert, Emigre, Veronika Elsner, ifa, Polydor, Disney S. 24/25: Fred Smeijers, Ralf Herrmann, M (2), customhouse-numbers, Marc Eckardt, 20th Century Fox, Schein Berlin, Jrgen Siebert, URW S. 26/27: M (3), Klingspor, Universal, Emigre, LucasFonts, F, Paratype, Andrew Kueneman, FSI, ITC S. 28/29: M (4), House Industries, Emigre, Gerhard Kassner, A&M Reco, brix, Lumar Arts S. 30/31 M (2), S. 32 FSI, M

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    15 Jahre nach der Erstausgabe erscheint das FontBook in der vierten, von Grund auf ber-arbeiteten Auflage. Zwei Jahre dauerte die redaktionelle und technische Vorarbeit.

    100 Beste: Titel100 Beste: TYPO 2007100 Beste: Intro100 Beste: Platz 1100 Beste: Platz 2-3100 Beste: Platz 4100 Beste: Platz 5-6100 Beste: Platz 7-8100 Beste: Platz 9-12100 Beste: Platz 13-15100 Beste: Platz 16-19100 Beste: Platz 20-23100 Beste: Platz 24-25100 Beste: Platz 26-28100 Beste: Platz 29-31100 Beste: Platz 32-34100 Beste: Platz 35-39100 Beste: Platz 40-41100 Beste: Platz 42-48100 Beste: Platz 49-53100 Beste: Platz 54-60100 Beste: Platz 61-64100 Beste: Platz 65-67100 Beste: Platz 69-70100 Beste: Platz 72-77100 Beste: Platz 78-83100 Beste: Platz 84-90100 Beste: Platz 91-96100 Beste: Platz 97-100100 Beste: Index100 Beste: EditonFontBook