fontshop 100 beste schriften

33

Upload: jcgs91

Post on 02-Mar-2016

20 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 1/32

Page 2: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 2/32

Page 3: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 3/323

Page 4: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 4/324

Lern erst mal was Richtiges …« Mit diesen Worten beendet der Vater den Streit mitseinem 16-jährigen Sohn Max, der sogerne Maler werden möchte. Stattdes-

sen tritt Miedinger Junior im Herbst 1926 eineLehre zum Schriftsetzer bei der Zürcher Buch-druckerei Jacques Bollmann an.

Mit diesem Brief bekam Helvetica 1959 ihren Namen. Das Originaldokumentist im Besitz von Erik Spiekermann.

Abendkurse bei  Johan n Kohl-mann  an der Kunstgewerbe-schule Zürich bestätigen vier

 Jahre später seine Begabung.1936 endlich kann Max Miedin-ger sein Talent beruflich nutzen:als Typograf im Wer-beatelier der Kauf-hauskette Globus. ImLaufe der folgendenzehn Jahre gestaltet erPlakate, Anzeigen undDrucksachen.

Nach dem Ende desZweiten Weltkriegsverlässt Miedinger dashektische Zürich undbewirbt sich als Verkäufer beider Haas’schen Schriftgießereiin Münchenstein nahe Basel.Dem Direktor Eduard Hoffmannimponiert die Vielseitigkeit Mie-dingers. Als der ihm sein Notiz-buch mit Schriftentwürfen zeigt,vertraut ihm Hoffmann sein»Geheimprojekt« an, mit dem er

Haas zu neuem wirtschaftlichenErfolg führen möchte.Der Konkurrent H. Berthold rolltmit seiner Akzidenz Grotesk(»AG«) den deutschsprachigenMarkt auf. Sogar die Schweizergreifen zu dem Bestseller ausBerlin. Dieser Entwicklung willHoffmann mit einer neuen Sansbegegnen, die Miedinger zeich-nen soll. Als Blaupause dientihnen eine lineare Serifenloseder Leipziger Gießerei Schelter

& Giesecke  aus dem Jahr 1880,die Scheltersche Grotesk.Nach wenigen Monaten liegenerste Probeabzüge der Neuen

Haas Grotesk  auf HoffmannsSchreibtisch. Er ist begeistert. ImSommer 1957 kommt sie auf denMarkt.

Zwei Jahre später schwapptdie Schweizer Typographie

nach Deutschland über. In derFrankfurter Hedderichstraßebeschließt die D. Stempel AG,seit 1954 Mehrheitseigner der

Haas’schen Schriftgie-ßerei, diesem Trend zufolgen. Im Juni 1959schlägt das Vertriebs-Ass Heinz Eul die Auf-nahme der Neuen HaasGrotesk ins Stempel-

Programm vor, ganzgezielt für die »Werbe-mittelgestalter«, alsWunderwaffe gegen

Futura und AG.Ein zugkräftiger Name mussteher, vielleicht mit geografischemBezug. Eines Morgens legt Eulseinem Chef Erich Schultz-Anker einen Brief mit der Namensidee»Helvetia« ins Fach. Der macht,nach kurzer Rücksprache mit Eul,»Helvetica« draus und bringt sie

Anfang 1961 heraus.Die Schrift mit dem einpräg-samen Namen tritt in den 60er

 Jahren einen bemerkenswertenTriumphzug an. Legionen vonErscheinungsbildern basierenauf Helvetica, so bei Lufthansa,Bayer, Hoechst, Deutsche Bahn,BASF und BMW. Dies liegt weni-ger an der Einfallslosigkeit derAgenturen als an der universel-len Verfügbarkeit der Schrift,in Zeiten des Bleisatzes ein ent-

scheidendes Kriterium.1983 entwirft Stempel eine Neue

Helvetica. Dabei werden die his-torisch gewachsenen Schnitteharmonisiert. Mit den Jahrenwächst die Familie auf 51 Mit-glieder an und setzt die Erfolgs-geschichte fort.

1966: das kürzestePop-Märchender Welt, gesetzt in

Helvetica Black

Page 5: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 5/325

 

oben: Diese Präsentation überzeugte 1966, die »Flughafenschrift« war geborenunten: Das Leitsystem des Pariser Flughafens Charles de Gaulle heute

Paris, Heiligabend 1534.Während sich Eltern anden leuchtenden Augenihrer Kinder erfreuen,

erlebt der 35-jährige ClaudeGaramond  am Place Maubertden bittersten Moment seinesLebens. Unter Tränen muss erzusehen, wie sein Lehrmeister

 Antoine Augereau auf dem Schei-terhaufen verbrennt,mit seinen Büchern.Es sind dramatischeZeiten zu Beginn der

französischen Renais-sance, geprägt vomGlauben an den Geist,die Schrift, das Buch,den Humanismus. DieBibel wird erstmals inder Volkssprache ge-druckt, Plakate gegen die Hei-lige Messe sind Vorboten derReformation, Luthers Thesenmachen die Runde ... ReligiöseMachtkämpfe stehen bevor.Der Drucker Antoine Augereau

soll Pamphlete gegen die katho-lische Kirche publiziert haben.Tatsächlich ist er dasBauernopfer seinerAuftraggeberin Mar-guerite von Navarra,Schwester des Königsund engagierte Luther-Anhängerin. Die mäch-tigen Theologen derSorbonne waren zu feige, gegendie Adelige vorzugehen.Die Pariser Grand-Rue Saint-Jac-

ques  war der Tummelplatz füraufgeschlossene Drucker  undVerleger. Einer davon war Auge-

reau, der die Ansicht vertrat:Neue Ansichten brauchen neueSchriften. Sein Lehrling Claude,der bereits sein Talent als Stem-pelschneider bewiesen hat, über-nahm diese Aufgabe.1530 schnitt er für den DruckerRobert Estienne eine Cicero-Type(12 Pt.), die Bewunderung aus-löste. Fast hundert Jahre später,

um 1620, wird sie unterseinem Familienna-men »Garamond« vomSchweizer Jean Jannon

nachgeschnitten underlangt bald daraufWeltruhm.Nach Garamonds Tod1561 ging ein Teil sei-nes Typenrepertoiresan die Imprimerie

Royale. Die meisten Matrizenund Stempel erwarb ChristophePlantin, sieben Antiqua-Seriengingen später an den Frankfur-ter Schriftgießer  Jacques Sabon(später Egenolff-Berner).

Unter den digitalisierten Gara-monds gilt die von Adobe als eineder besten. Als Vorlagediente Robert Slimbachein Egenolff-Berner-Muster von 1592. NachRecherchen im Plantin-Moretus-Museum inAntwerpen entschieder sich für eine Über-

arbeitung des Erstentwurfs, umden Lettern mehr Vitalität zugeben. Auch die Zierbuchstaben,

Ornamente, Ligaturen und dieTitelsatz-Lettern verdanken wirdieser Studienreise.

Anfang der 60er Jahreplatzt der Pariser Flug-hafen Orly  aus allenNähten. Am 13. Januar

1964 beschließt der französischeMinisterrat, auf dem dünn besie-delten Ackerland naheder Dorfschaft Roissy-en-France einen Groß-flughafen zu errichten.Der junge ArchitektPaul Andreu wird mitder Planung des »Aéro-ports Paris Nord«(Arbeitstitel) betraut. Er veran-staltet eine Serie von Workshopsmit Architekten, Designern, Psy-

chologen und Künstlern, denn inRoissy soll Wegweisendes ent-stehen. Unter den Experten: derSchweizer  Adrian Frutiger , dermit seiner 1957 erschienenenSchrift Univers die Beschilde-

rung entwickeln soll.Doch Univers ist ihm zu geo-metrisch und geschlossen fürdie schnelle Wahrnehmung aufWegweisern. Also greift er aufeinen 7 Jahre alten Sans-SerifEntwurf namens »Concorde«

zurück, den er mit André Gürtler für das Satzunternehmen Sofra-type gezeichnet hatte.

Farbpsychologen definierten dieKolorierung des Leitsystems:gelber Fond, französischer Textin weiß, englischer in schwarz

darunter. Für die Präsentationbastelt Frutiger aus Letraset-Farbfolien eine Attrap-pe. Das Wort »Départs«schneidet er aus einerkräftigeren Concorde,das schwarze »Depar-tures« klebt er darun-ter auf. Die bessere Les-barkeit gegenüber der

Univers begeistert Paul Andreugenauso wie die Idee einer eige-

nen »Flughafenschrift«.

Als »Charles de Gaulle« 1974eingeweiht wird, setzt auch dasLeitsystem Maßstäbe. Bald wün-schen sich Typografen aus allerWelt diese Schrift für Drucksa-chen. 1977 bringen Stempel undLinotype die Frutiger auf denMarkt.Als Frutiger Next erscheint dieSchrift 1999 komplett überarbei-tet. Unter der Aufsicht des Ori-ginalschöpfers werden alle Zei-chen neu digitalisiert, die Strich-

stärken auf 6 Stufen erweitertund sogar echte Kursivschnitte

gezeichnet.

Claude Garamondca. 1543

Die Master-Vorlage für die heutigen Garamond-Interpretationen:das Egenolff-Berner-Schriftmuster von 1592

 

Page 6: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 6/326

Im Juni 1766 sind alle Rei-sevorbereitungen getrof-fen. Der 26-jährige GraveurGiambattista Bodoni, Sohn

eines italienischen Druckers,verlässt Rom, um diezweiwöchige Fahrt zurCambridge UniversityPress  anzutreten. ImReisegepäck die aktu-elle Lieblingslektüre:das Neue Testament,gedruckt vom »Vollen-der der klassizistischen

Antiqua«  John Basker-ville, dem Direktor derUniversitätsdruckerei.Bei ihm will Bodoniseine Schriftschneider-lehre abschließen.Noch vor Erreichen derösterreichischen Grenze setztein Fieberanfall der Expeditionein abruptes Ende: Malaria! Ineinem norditalienischen Sanato-rium erholt sich Bodoni schnel-ler als die Ärzte erwarten. Dabei

schneidet er, ohne neue Pläne zuschmieden, täglich Schriften.Nach einem Aufenthalt in Parmawird er dort 1768 Leiter der Stam-peria Reale. Auf Wunsch einigerkunstfanatischer Fürsten soll erder Druckerei landesweite Be-deutung verschaffen.Um Bodoni an den Hof zu binden,erlaubt ihm Prinz Ferdinand vonBourbon-Parma 1771 die Errich-

Bis zu seinem Tode 1813 arbeitet Bodoni am Manuale Tipografico. Auflage: 250 Exemplare

Eine von 142geradestehendenBodoni-Schriften

im ManualeTipografico

tung einer privaten Buchdru-ckerei im Palast. Hier entstehenbald Folianten und Prachtausga-ben von Klassikern, die europa-weit für Aufsehen sorgen, weil

Bodoni fast jede Aus-gabe in einer neuenSchrift setzt. Seine Per-fektion – vom Schrift-schnitt bis zur Wahlder Papiere – bringtihm den Ruf »Drucker

der Könige und König

der Drucker«.

Über 40 Jahre leitetBodoni die StamperiaReale, bis zu seinemTod 1813. In den fol-genden 5 Jahren sichtetseine Witwe Marghe-rita den entstandenen

Schrift-Schatz. Die Druckerei istfast ausschließlich für das Erbeihres Mannes im Einsatz. 1817schließlich bringt sie das zwei-bändige Manuale Tipografico

(Handbuch der Typografie) her-

aus, in einer Auflage von nur 250Exemplaren. Mit 142 Alphabeten,den dazugehörigen Kursiven,Schreibschriften und Ornamen-ten beschäftigt es bis heute dieBodoni-Interpreten.Beim Setzen mit der königlichenSchrift ist zu beachten, dass ihrstarker Kontrast Sorgfalt voraus-setzt. Bodoni ist keine kleinka-rierte Bürokratenschrift.

 

Page 7: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 7/327

 

Dem Geschäftsführerder Londoner Tages-zeitung  The Times,William Lints-Smith,

ist zu Ohren gekommen, dasssich der angesehene TypografStanley Morison  (40) abfälligüber die Druckqualität sei-nes Blattes geäußert habe. Am1. August 1929 sitzen sich beideim Verlag gegenüber,um über eine Umge-staltung der Zeitungzu sprechen.

Morison, seit 6 Jahrenkünstlerischer Beraterdes Satzgeräteherstel-lers Monotype, beein-druckt den Zeitungsmann mitguten Argumenten, worauf derihm spontan einen Beraterjobanbietet. Es kommt zur erstenMachtprobe, als Morison ankün-digt, dass der Punkt hinter»Times« im Zeitungskopf seinRedesign nicht überleben werde.Lints-Smith berät sich mit den

Herausgebern und stimmt eineWoche später zu.Ende 1930, nach unergiebigenExperimenten an den Druck-maschinen entscheidet Morison,dass die Zeitung eine eigene,neue Schrift braucht. Im Januar

The Times im Wandel der Zeiten:1: Die erste Ausgabe vom 1. Januar 1788, gesetzt u. a. in Caslon

2: Vor dem Redesign: gebrochene Schrift und ein Punkt hinter »Times«3: Einführung der Times New Roman durch Stanley Morison am 3. Oktober 1932

4: Die Schrift Claritas in der Ausgabe vom 23. A pril 19535: Times Modern, seit 20. November 2006, entworfen von Luke Prowse

P

unkt 22:00 Uhr setztsich der Fackelzug beiströmendem Regen

in Bewegung. Zu denKlängen einer SA-Blaskapellemarschieren Studenten, Profes-soren und Verbände der SA undSS durchs Branden-

burger Tor, eskortiertvon berittener Polizei.Ihr Ziel: der Opernplatz(heute Bebelplatz), wotagsüber ein Scheiter-haufen aufgeschich-tet wurde. In weni-gen Minuten werden

die »zersetzenden«Bücher von HeinrichHeine, Erich Kästner,Karl Marx, Kurt Tu-cholsky  und vielenanderen »dem Feuerübergeben«. Doch eineanstößige Streitschrift mit demTitel »Kulturbolschewismus?«

steht nicht auf der braunen Listevom 10. Mai 1933 …Die leidenschaftliche Verteidi-gung der Moderne in Architek-

tur und Bildender Kunst, ver-fasst von Paul Renner , erschienein halbes Jahr zuvor bei EugenRentsch in Zürich. In seinem Hei-matland fand der Autor schon

1932 keinen Verleger mehr. BeiErscheinen des Buches hetztder Völkische Beobachter   erwar-

tungsgemäß gegen den Künst-ler. Im April 1933 wird Rennerinhaftiert und muss die Leitungder Meisterschule für Buch-

drucker in Münchenabgeben. Einen Monatspäter flieht er in dieSchweiz.Zum Glück hatte PaulRenner 1927 dieFutura

veröffentlicht. Die Tan-tiemen sicherten nunseine Existenz.Futura,

deren erste Entwürfe1924 entstanden, vomBauhaus   inspiriert,war der überzeugendePrototyp einer geo-metrischen (=konstru-ierten) serifenlosen

Linear-Antiqua.Zwar hielt Renner bei der Erst-vorstellung an befremdlichen

Formen für a, g, n, m und r fest,doch ihren Siegeszug trat Futuraohne diese Figuren an. Im ersten

Schriftmusterblatt der Bauer-schen Gießerei von 1927 wurdensie als Spezialfiguren angeprie-sen, das zweite von 1928 zeigtesie gar nicht mehr.

Die besteRenner-Biografie

schrieb der FontFont-Designer Chris Burke:

»The Art ofTypography« (1998)

Reproduktion des berühmten B auerschen Futura-Schriftmustersmit der neuen Futura OpenType von Elsner + Flake

1931 legt er zwei Entwürfe vor:eine überarbeitete Perpetua undeine »modernisierte« Plantin.Eine Expertenrunde entscheidetsich für den zweiten Vorschlag,der kurz darauf als »Times NewRoman« weltberühmt wird unddie »Times Old Roman« ablöst.Nach Morisons Vorgaben bringtder Times-Reinzeichner Victor

Lardent  eine erste Ver-sion der neuen Schriftzu Papier. Spezialistenbei Monotype überar-

beiten den Entwurffür die Gravur und denGuss. Die Times-Aus-gabe vom 3. Oktober

1932 erscheint erstmals in derneuen Schrift, zunächst für ein

 Jahr exklusiv.Bessere Druckmaschinen undPapiere beenden in den 50er Jah-ren die Karriere der Times. EineWiedergeburt erlebt die Schriftin den 80ern durch die Laser-drucker, die sie in digitalisierter

Form enthalten. Zuletzt sichertdas U.S. State Department ihreZukunft, als es 2004 beschliesst,dass diplomatische Dokumenteab sofort aus 14 Pt. Times stattaus 12 Pt. Courier gesetzt werdenmüssen.

Page 8: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 8/328

Der große deutscheCorporate Designer

 An to n St an kowski(1906–1998) verkün-

dete 1989 in einer ganzseitigenAnzeige: »Ich akzeptiere nurfunktionale Schriften. Die Siehier lesen ist seit 60 Jahren meinebevorzugte: Akzidenz Grotesk«.Was macht eine Schrift so begeh-renswert, dass sich ihr ein eman-zipierter Gestalter lebensläng-lich unterwirft?Für die Geburt der Akzidenz

Grotesk gibt es kein Datum.Tatsächlich können sich einigeals Vater der »AG« bezeichnen,wie Kenner sie gerne abkürzen.Bereits um 1880 entwirft derdeutsche Typograf und Hiero-glyphen-Forscher FerdinandTheinhardt   (1820–1909) fürdie Publikationen der »König-lich-Preußischen Akademie derWissenschaften zu Berlin« vier

Schnitte einer Serifenlosen, dieer »Royal Grotesk« nennt. 1908übernimmt Hermann Bertholddie Theinhardtsche Schriftgie-ßerei und integriert die inzwi-schen sehr beliebte »Royal« inseine bestehende  Akzidenz-Gro-tesk-Familie unter der Bezeich-nung »AG Mager«.Der spätere Ziehvater der Akzi-denz Grotesk, Günter GerhardLange, verweist auf Quellen,nach der ihr Normalschnitt 1899bei Bauer & Co. in Stuttgart zur

Welt kam, kurze Zeit später eben-falls ein Übernahmekandidatder H. Berthold AG. Diese stelltebereits ein paar Monate vorhereine »Accidenz-Grotesk«   ineiner Anzeige vor.Das große Verdienst GG Langeswar es, als künstlerischer Direk-tor der Berthold AG zwischen1966 und 1972 die unterschied-lichen Zweige der Akzidenz-

Erik Spiekermann 1990 mit einerVorversion der ITC Officina: fettere

Punkturen, diskrete Mediävalziffern

(Foto: Hanswerner Holzwarth)

Zwei Motive bewegtenmich dazu, 1988 der In-

ternational Typeface

Corporation (ITC) eine

neue Schrift vorzuschlagen:erstens hatte ich die glatten,›hübschen‹ Schriften satt, die vonallen Herstellern auf den Marktkamen und zweitensfehlte eine moderneKorrespondenzschriftfür die weit verbrei-teten Laserdrucker.›Prima‹, sagte dieITC ›dann mach mal‹.Mein Konzept sah vor,die Schreibmaschinenschriften

Letter Gothic  und Courier  alsVorbilder zu nehmen und darausetwas Neues zu schaffen. Dabeirepräsentierte die Letter Gothicdie schmal laufende serifenloseVersion, Courier die breitlau-fende Antiqua. Ich beschäftigtemich mit der Sans, mein Freund

Gerard Unger  bot an, den Grund-stein für die Serif zu legen.Für die ersten Skizzen zur ›ITCCorrespondence‹  (Arbeitstitel)

schielte ich mit einem Augeauf die Letter Gothic, mit demanderen auf meine Post-Schrift(später: FF Meta; die Redaktion).

Gerard Unger liefertebald das Serif-Test-wort ›Hamburgefonts‹,danach kam ihm einwichtiges Projekt da-zwischen. Auch ichmusste die Schrift lie-gen lassen. Bis zum

Frühjahr 1989 hatte ich nichts

Ernsthaftes vorzuzeigen.Meine Rettung war Just van Ros-sum, der im Mai bei MetaDesign

als Praktikant anfing. Er nahmsich meine Sans, bereinigte dieIkarus-Daten und generierteruckzuck eine piekfeine Familie.Weil Gerard immer noch beschäf-

tigt war, generierten Just und ichdaraus eine Slab-Serif. Ende 1989gingen die Font-Daten zu URW,die per Automatik die abgerun-

deten Ecken einbauten.Als im Sommer 1990 die Kon-trollabzüge von ITC kamen, warich erst mal sauer, weil meinediskreten Mediävalziffern gegenTabellenziffern ausgetauschtwaren, die wohl URW gezeichnethatte. Außerdem wurde ich denVerdacht nicht los, dass jemandunsere kräftigen Punkturenleichter gemacht hatte.«

Erik Spiekermann für PAGE 03/91

Nachtrag: 2003 bringt FontShopmit Agfa und von Spiekermannautorisiert eine ITC Officina imSinne des Erfinders heraus.

Das Leitsystem der New Yorker U-Bahn entwarf Massimo Vignelli

1972 mit Akzidenz Grotesk;sie wurde nach und nach durch

Helvetica ersetzt 

Grotesk für den Fotosatz zu einerharmonischen Familie zusam-menzuführen. Dies brachte derAG neue, glühende Anhänger.Für viele ist sie auch heute dieeinzig wahre typografische Ge-liebte, neben der keine andereSchrift eine Chance hat.

 

Page 9: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 9/329

 

Am 3. Oktober 1950mustert ein Besucherdie 276 Grabsteineder Franziskanerkir-

che Santa-Croce in Florenz mitanderen Augen als die übrigenTouristen. Die großen NamenMichelangelo, Rossini, Galileioder Machivelli faszinieren ihnweniger als die in Stein gemei-ßelte Schriftenvielfalt. Weil erseinen Notizblock im Hotel ver-gessen hat, hält Hermann Zapfeinige Buchstaben auf einem1000-Lire-Schein

fest.Wieder zu Hause in FrankfurtsinddieNotizenderDurchbruchineinemSchriftprojekt,mitdemZapf von der Gießerei Stempel

beauftragt wurde: das Entwer-fen einer Gebrauchsschrift zwi-schen Grotesk und Renaissance-Antiqua. 1952 sind nach sorg-fältigen Lesbarkeitsstudien dieReinzeichnungen fertiggestellt, August Rosenb erger  schneidetdie Schrift, die zwei Jahre später

unter dem Namen Optima auf den Markt kommt.Ihr ebenso filigranes wie klaresSchriftbild ist ein Novum undmacht sie zum Liebling derWerbegestaltung, vor allem fürDüfteund Luxusgüter.50 Jahre nach ihrer Premiereerfährt die Schrift eine kom-plette Überarbeitung unter derBezeichnung Optima Nova.

Ohne technische Einschränkun-gen und Kompromisse schaffen

Hermann Zapf und  Akira Koba-yashi eine Großfamilie, endlichmitechterKursiver,Kapitälchen,Mediävalziffern sowie einerTitelsatz-SchriftmitraffiniertenLigaturen.

Als sich die Futura in

EuropaEnde der 20er Jahre zum Bestsel-ler entwickelt, sucht

Stanley Morison (siehe:6 Times)für seinen Arbeitgeber Mono-type ein britisches Äquivalent.Ende1928fälltihmderBildhauerund Zeichner Eric Gill ein, der 7 Jahre zuvor mit Edward Johnstoneine Sansserif für die Londoner

U-Bahn entworfen hat.

Morison reist in das walisischeNest Capel-y-ffin, wohin sichder 42-jährige Gill 1924 zurück-gezogen hat, um die Schrift Per-petua fertigzustellen. MorisongewinntdenKünstlerschnellfürden wichtigen Job.Zwei Wochen später liegen dieersten Skizzen auf dem Tisch.Morison ist erstaunt, dass vieleder Johnston-Buchstaben mitnur wenigen Eingriffen einevorzüglich lesbare Textschriftergeben.

Anders als Futura weisen alleGill-Sans-Schnitte einen eige-nen Charakter auf, weil sienichtmechanisch aus einem Entwurf abgeleitet sind. So spiegelt Gilldas Verständnis ihres Schöpfersvon Handwerk wider.

Eric Gill als junger Mann um 1908© Harry Ransom Center 

Die Schrift, die Fruti-ger  bekannt macht,geht a uf Übungenzurück, die er als 21-

 jähriger an der Kunstgewerbe-schule Zürich durchführte. Daseigentlich Neue an Univers istihreSystematik.Ausgangspunktist der Normalschnitt(Univers 55), von demalle weiteren hergelei-tet werden. Der Kon-trast ist so austariert,dass sich die Schriftauch für lange Texteeignet. Frutiger legtegroßen Wert auf die Abstim-

mungder Strichstärkenvon Ver-salien und Gemeinen. Für dama-lige Zeiten ist die Mittellängeungewöhnlich hoch.Univers brauchte 15 Jahre, bissie überall bekannt und auf denunterschiedlichen Geräten (vonBlei-bisFotosatz)verfügbarwar.

Dem Ende der 70 Jahre vorherr-schenden rationalistischen Stilin der Typografie kam die kühle,systematisch entwickelte Fami-

lie entgegen. Sie entsprach demAnspruch auf »Total Design«,wie Wim Crouwel und Ben Bosihr Designbüro 1964 tauften. In

Holland wurde Uni-vers eine Art National-schrift,indenUSAundDeutschland setztendie Grafiker eher auf Helvetica.Im Jahr 1997 wird dieUni vers von Adri an

Frutiger und Linotype komplett

überarbeitet , auf 63 Schnitteerweitert (unter anderem mitTypewriter-Schnitten) und drei-stellignummeriert.

Die Grundidee für seine Optimahielt Hermann Zapf 1950 in Florenz

auf einem 1000-Lire-Schein fest 

Morris Fuller Benton ca. 1915(Foto: ATF)

Weil der Drucker

und Erfinde rLinn Boyd Ben-ton die ersten

11 Jahre seines Lebens als Ein-zelkind aufwächst, wünscht ersich nach der Hochzeit mit Jessieviele Kinder. Doch die Geburtihres Sohnes Morris Fuller  am30. November 1872 kostet Jessiefast das Leben, und so beschlie-ßen beide, keine weiteren Kin-der mehr zu bekommen.SeinaußerordentlichesZeichen-

talentprädestiniertMorrisFullerBentonfüreinMaschinenbaustu-dium. NachdemAbschluss steigter1896alsAssistentseinesVatersin der New Yorker Zentraleder American Type Founders

Company (ATF) ein. ATF ent-stand vier Jahre zuvor durchden Zusammenschluß von 23kleinen amerikanischen Schrift-gießereien.Im Jahr 1900 wird Morris zumChief Type Designer bei ATF

ernannt. In den Folgejahrenentwirft er eine Vielzahl erfolg-reicher Schriften, darunter Pari-sian, Broadway, Cheltenham,Poster Bodoni, Balloon Light,NewsGothicundimJahr1903dieFranklinGothic.Letzteregenießtspäter in den USA einen ähn-lichenStellenwert wiein EuropaHelvetica oder Univers.Die große Depression der Zwi-schenkriegsjahre beschert auchATF eine schwere wirtschaft-

licheKrise.MorrisFullerBentonverlässt 1937 krankheitshalberdasUnternehmen.Er stirbt1948an einer Lungenembolie.

 

Page 10: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 10/3210

 

Eigentlich wollte Lucas

 Adri an us Wilhelmu sde Groot Maler werden.Doch seine Kreationen

waren von jeher sehr grafisch.

Das fing schon in der Schule inNoordwijkerhout an. GenervtvonderschlechtenTypografiederSchülerzeitung schob er einesTages seine Verbesserungsvor-schläge unter der Redaktionstürdurch. Einen Tag später saß ermit im Team.Von 1982 bis 1987 stu-diert de Groot an derDen Haager Schri ft-schmiede Royal Aca-demy of Fine Arts bei

Gerrit Noordzij. SeineSchwerpunkte: Schrift-gestaltung, Fotografieund Illustration. Fürdie Abschlussarbeit setzt erausschließlich selbst gestalteteSchriften ein, darunter eine Vor-version seiner späteren Erfolgs-schrift Thesis, die damals noch»Paranthesis« hieß.Zwischen 1989 und 1993 arbei-tet Luc, wie er sich selbst nennt,im angesehenen Designbüro

BRS Premsela Vonk an großenCorporate-Design-Projekten.Hier entsteht die Grundlage fürTheMix, die Halb-Serif-Varianteder Thesis. Sie wird Hausschrift

des holländischen Ministeriumsfür Transport und Wasserwirt-schaft.Als er 1993 nach Deutschlandkommt und bei MetaDesign in

Berlin anfängt, findet er endlichZeit,dieSchriftsippemitdendreiFamilien TheSans, TheSerif undTheMix zu Ende zu entwickeln:»Ich konnte die Sprache nochnicht und kannte kaum Leute ...da nahm ich mir die Zeit, Thesiszu beenden.«

Ab1994entwickeltsichThesis als Mitglied derFontFont-Bibliothekzu einem Bestsel ler.Trotz der gerade heiß

gehandelten Multiple-Master-Schriften von Adobe, mit denen jederLaie sehr einfach Zwi-

schenschnitte generieren kann,greifen viele Schriftfreunde zuder 144 Fonts großen ff Thesis.Ein Grund dafür waren sicherdie acht sorgfältig aufeinanderabgestimmten Strichstärken,diede Groot nach seiner eigenenInterpolations-Theorie typo-grafisch korrekt erstellte. Der

Zeichenvorrat der Thesis wardamals einzigartig: Neben ver-schiedenen Ziffern, Kapitälchenund Alternativzeichen enthieltsie auch Pfeile undBlätter.

Ein riesiger Zeichenvorrat mit Ligaturen und Varianten macht Thesiszu einem typografischen Leckerbissen

Nach seiner Lehre zumSchriftschneider und-gießer in Bolognaverschlägt

es Francesco Griffozu dem angesehenenDrucker  Aldus Manu-tius n ach Venedi g.Dieser steht in seinem40. Lebensjahr und vordem aufregendstenProjekt seiner Berufs-karriere.In der benachbartenMarciana-Bibliothek

hat Manutius Zugangzu einer umfangreichen Samm-lung an griechischenManuskrip-ten, eine Beute der Plünderung

Konstantinopels im Jahr 1204.Mit einem Kreis begabter Typo-

grafen macht er sich an die Ver-öffentlichung der Textschätze.Francesco Griffo schneidet ihm

die hierfür benötigtengriechischen Lettern.Im Februar 1496 ent-wickelt Griffo für denAufsatz »De Aetna«

des italienischen Kar-dinals und GelehrtenPietro Bembo eine ele-gante Schrift, die spä-ter unter dem NamenBembo berühmt wird.

1929 bringt die briti -sche Monotype Corp.eine Bembo-Familie heraus. Fürden kursiven Schnitt dient einMusterbuch des italienischenSchreibkünstlers Giovanni Tagli-ente von 1524 als Vorlage.

Pietro Bembo(1470– 1547)

G

ibt es einen besserenBeweisfürLesbarkeit?DankInterstatefinden

tagtäglich MillionenAutofahrer ihren Weg auf denUS-Highways–unddasmiteinerGeschwindigkeit von 55 Meilenpro Stunde.

Die Schrift wurde in den 70er Jahren von der United StatesFederal Highway Administrationentwickelt.DerSchriftentwerfer

Tobias Frere-Jones digitalisiertesie erstmals 1993 und baute dieFamilie in den folgenden Jahrenfür das Gestalten von Drucksa-chen aus.Zuletzt erweiterten Frere-Jonesund Cyrus Highsmith dieFamilieauf 40 Schnitte, einschließlichItalics, Condensed und Com-pressed. In Deutschland zähltInterstate zu den beliebtestenSchriften, nicht zuletzt durchihren Einsatzin TV, vielen Maga-

zinen und als Corporate-Schriftvon Quelle-Karstadt . Für vieleDesigner ist sie die lebendigereAlternative zur manchmal etwasspröden DIN-Schrift.

 

Page 11: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 11/3211

 

Den Frieden von Ami-

ens im März 1802

zwischen Frankreichund England bezahltNapoleonmitderRäumungÄgyp-tens.Esdauertnichtlangebisdieersten ägyptischen Beutestücke

in London auftauchen und eineBegeisterung für das Land derPyramiden auslösen. Auch dieSchriftgießereien lassen sichanstecken. In ihren Katalogenerscheinen so genannte »Egyp-tians«, das sind serifenbetonte

Schriften mit wenig Kontrastund linearen Endstrichen.Um1913erscheintbeiMonotypeeine Egyptienne mit der Seri-ennummer 173. Die inzwischen»Slab Serif« genannte Schrift-Klasse gehörte mittlerweilezumRepertoire einer jeden Setzerei.1932 beauftragt der Monotype-Betriebsleiter Frank HinmanPierpont sein Atelier, eine neueVersion der Egyptian 173 zuzeichnen, die als Rockwell auf den Markt kommt. Den Namen

»leiht« er sich vom US-Joint-VentureLanstonMonotype.IhreStrichstärke orientiert sich ander Memphis von Stempel. WeilRockwell bald mit mehr Schnit-ten lieferbar ist, entwickelt siesich zur erfolgreichsten Egypti-enne des 20. Jahrhunderts.

Zu Zeiten des Bleisatzes warMonotype Rockwell die erfolgreichste

Egyptienne-Schrift 

Justus Erich Walbaum(1768 – 1837) war Pfarrers-sohn und Autodidakt. Nacheiner Lehre bei einem Ge-

würzhändler und Konditorin Braunschweig fer-tigt er zunächst Back-formen an. Später wirder Noten- und Kupfer-stecher underlernt dasStempelschneiden. Ab1796 betreibt er eineeigene Schriftgieße-rei in Goslar, die er 1803 in daskunstsinnige Weimar verlegt.1828 übergibt er das Geschäftseinem Sohn Theodor, der tra-

gischerweise acht Jahre spätervor seinem Vater stirbt. Um seinLebenswerk zu sichern, verkauftWalbaum die Gießerei an F. A.

Brockhaus inLeipzig.Jahrzehntespäter, um 1917, erwirbt H. Ber-thold in Berlin die Original-Wal-baum-Matrizen. Darunter ein

Schatz:dieum1900geschnitteneWalbaum-Antiqua.Sie gilt als der bedeu-ten ds te , s pezi fi sc hdeutsche Beitrag zumSchriftklassizismus.Sie läuft etwas sch-maler als die Bodoni,besitzt weniger Kon-

trast und hat einen stärkerenGrund- und Haarstrich.Günter Gerhard Lange verhilftder Schrift bei Berthold Ende

der 70er Jahre zu neuer Blüte.Berühmte Walbaum-Benutzer:Wired unddie Berliner Zeitung.

Adieu Helvetica« lau-tet Ende 1984 dasFazit von Sedley PlaceDesign, als man Hun-

derte von Bundespost -Druck-sachen gesichtet hat, die mitechten und falschen Helveticasproduziert sind. Die Berliner

tüfteln gerade am neuen Cor-porate Design von Europasgrößtem Arbeitgeber (500.000Angestellte). Eine zweckmäßigeSchrift muss her, belastbar, öko-nomisch und unverwechselbar.Dochwohernehmen,wennnichtneu entwerfen?Erik Spiekermann übersetzt dieAnforderungen für die neueSchrift: robuste Zeichen, unter-scheidbar, schmal laufend, tech-nisch aktuell und verfügbar.

Das Ergebnis ist die serifenloseLinear-Antiqua»PT55«,diebaldin den Schnitten Regular, Italicund Bold mit Ikarus digitalisiertwird, so dass sie theoretisch bin-nen weniger Wochen auf allenSatzmaschinen verfügbar seinkönnte.Nach langen Diskussionen ent-scheidet sich die Post 1986 fürdie Beibehaltung ihrer Helveti-cas als Hausschrift. Zurück anStart und neu lesen ...

1991wirdPTmitdemProgrammIkarus M auf einem Macintoshdigitalisiert und im selben Jahrals FF Meta veröffentlicht.

AlsBram deDoes inden50er Jahren in Amster-dam Grafikdesign stu-diert, steht der Lehr-

stoff noch unter dem Einflussvon Bauhaus und Jan Tschichold.Vorlesungen zur »asymmetri-schen Typografie« wecken denRebellen in ihm: Er gestaltetseine Seiten symmetrisch, nurum es anders zu machen, als esgelehrtwird.

Nach sei nem Studium steigter als künstlerischer Leiter inder angesehenen Setzerei undSchriftgießerei  Joh. Enschede

en Zonen in Haarlem ein. SeinTalent zum SchriftentwerfenstelltdeDoeszwischen1980und1982 unter Beweis, nachdem ihnEnschede beauftragt, eine Exklu-sivschrift für ihren  Autologic-Fotosatz-Belichter zu produzie-ren. Trinité wird eine elegante,subtile Werksatzschrift, die sich

 jedoch auch für Satzaufgaben jenseits der schöngeistigen Lite-ratur nicht zu fein ist.Die digitalisierte Version derTrinité beeindruckt durch ihrenFormenreichtum. Dreifach abge-stufte Ober- und Unterlängensowie eine geschmeidige Italic,diesichsowohlmitTrinitéWideund Condensedverträgt, zeugenvon dem raffinierten typogra-fischenKonzeptderGroßfamilie.Nicht umsonst gehört Trinité zu

den beliebtesten Schriften Hol-lands, undsie bestätigt dasAnse-hen der Enschedé Font Foundryals Qualitätshersteller.

© Erik Spiekermann

 

Page 12: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 12/3212

 

Die Genialität der ame-rikanischen Designe-rinundSchriftentwer-ferin Zuzana Licko:

ausder Noteine Tugend machen.Schon i hre ersten Schri ftenbeweisendas.ApartePixel-Fonts,die sie 1985 für die dritte Aus-gabe ihrer Zeitschrift »Emigre«

benötigt,entstehenkomplettmitComputer und Nadeldrucker:eine Sensation im anspruchs-vollen Grafikdesign. Darunterauch die Bitmap-Schrift EmigreFourteen, ein Vorläufer der ein

 Jahr später ver öffentl ichtenMatrix.

Matrix ist die erste von Grundauf vektorisierte Schrift Lickos,wobei ihre Vorgabe lautet: So

wenig Stützpunkte wie mög-

lich, um Rechner und Druckernicht zu überlasten. Daher diedreieckigen Serifen, die zweiEckpunkte weniger benötigen

als rechteckige, und der 45°-Winkel als Standard, weil er amBildschirmundim Nadeldruckerdie feinsten Stufenverursacht.

Vier Jahre später finden RogerBlack und das Poynter Institut in Druckstudien heraus, dassMa tri x der Lesbarkei t ei nerTimes in nichts nachsteht. Inzwi-schen ist die Familie gewachsenund macht auch vor Kurven kei-nen Halt, wie die beliebte Mode-SchriftMatrix Script beweist.

So wenig Stützpunkte wie möglich:das war 1986 das Konstruktionsprinzip

von Matrix

Jahrzehntelang galt die DIN-Schrift als vaterlose Schöp-

fung, das Produkt einerBehörde. Recherchen von   Albert-Jan Pool, Entwerferder FF DIN, ergaben: Der Sie-mens-Ingenieur Ludwig Goller (1884 – 1 964) war ab 1925 alsVorsitzender des DIN-Komitees

für Zeichnungen verantwortlichfür die Entwicklung der SchriftDIN 1451. Mit der Publikation»Normschriften«wurdesie1936

für die Beschilderung der deut-schen Straßen vorgeschrieben.Die Idee, eine Schrift zu kon-struieren, warnicht neu. Im Des-sauer Bauhaus (1925–1931)wardas Konstruieren von Grotesk-schriften fester Bestandteil desUnterrichts von Joost Schmidt .Die FF DIN von Albert-Jan Pool(1995) berücksichtigt typogra-fische Lesbarkeitsregeln. Hori-zontale Striche sind dünner alsvertikale, die Übergänge vonKreisen auf Geraden harmoni-

siert. Evert Bloemsma brachteihren Erfolg aufdieFormel: 80 %Hi-tech,10%Unvollkommenheit(= Charme) und 10 % Statik.

Die deutsche Autobahnschrift DIN,auf dem Titel der tschechischen

Design-Zeitschrift Typo

David Shepard tauftden klapprigen Appa-rat auf seinem Dach-boden liebevoll »Gis-

mo«. Er kann Morsezeichen,Musiknoten und sogar Schreib-maschinentext lesen. Im April1951 registriert er das Optical

Character Recognition (OCR)unter der US-Patentnummer2,663,758 und gründet sogleichdas Unternehmen IntelligentMachines Research Corp.

Sein erster Kunde wird 1955 derVerlag Reader’s Digest , der dieVerwaltung von Millionen Abon-nenten-Daten durch die neueTechnik dramatisch vereinfacht.Die Adressen müssen allerdingsmiteinerSpezialschrift gedrucktsein, maschinenlesbaren Buch-staben und Ziffern. Unter demNamen OCR-A ziert eine Vari-antedieser Schriftennoch heuteKreditkarten und Schecks.Ende der 60er beflügelt OCR

auch in Europadie Datenströme.Weil eine neue Generation vonLesegeräten toleranter mit denZeichen umgeht, lässt sich dieEuropean Computer Manufac-turers Association (ECMA) 1968von  Adrian Frutiger  eine men-

schen- und maschinenlesbare

Schrift entwerfen, die gefälligeOCR-B.Anfang der 90er Jahre werdendie technischen OCR-Typen (imPostScript-Format)vondenCom-

puter-Designernwiederentdecktund gehören seitdem zu denbeliebtesten Schriften für Pla-kate, Zeitschriften und Covers.

Der Titelschriftzug fürdas New Yorker Kul-tur-Magazin »Avant-garde«ist eine schwe-

re Geburt. Tagelang brüten dieHerausgeberRalph Ginzburg undHerb Lubalin über Dutzendenvon Entwürfen. Eines Nachtskommt Lubalin die rettendeIdee: er konstruiert aus eng ver-schachtelten Grotesk-Versalien

diebeiden Wörter Avant Garde.Noch am selben Tag entschließter sich, für eine Promo-Bro-

schüre ein ganzesAlphabet nachdiesem Prinzip zu entwerfen. InRekordzeit enstehen 26 Buchsta-ben und noch mal so viele Liga-turen. Eine Woche später gibt ereinen Fotosatz-Prototypen der»Avant Garde« bei Photo Lette-

ring in Auftrag.NachErscheinenderErstausgabe1968 sind die Werber verrücktnachder Schrift.Lubalin gründetmit Partnern eine Satzwerkstatt,die einzige autorisierte Avant-

Garde-Setzerei. Bald könnensie sich vor Aufträgen kaummehr retten. Andere Setzereienwerden neidisch und basteln anNachahmungen.Eine logische Folge ist 1970 dieGründung der International

Typeface Corporation (ITC)durch Herb Lubalin, Aaron Burnsund Ed Rondthaler : Der ersteHardware-unabhängige Schrift-herausgeber, der neu entwor-fene Zeichensätze an die Satzge-

räte-Hersteller lizenziert.

Eines der bekanntesten Titelbilderder Schriftgeschichte:

 Avant-Garde-Magazin Nº 13, 1970(hier neu gesetzt mit der Avant Garde von E+F)

Zum Beschriften maschinenlesbarerEtikette: die Schrift OCR-B

auf einem Typenrad

 

Page 13: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 13/3213

 

Mi ll ionen Compu-terbenutzer arbei-ten mit Lucida,ohne es zu wissen.

So gehörten die Symbole ausWindings ursprünglich zurLucida, bevor die Schriftent-werfer Kris Holmes und CharlesBigelow die Sammlung an Micro-soft verkauften. Auch im AppleMacintosh-Betriebssystems wer-

kelt eine Lucida, wo sie für gutlesbareMenüs,DialogboxenundE-Mails sorgt.Seit 1985 sind Bigelow & Holmsdie Experten für Screen- und

Printerfonts. Lucida war die ers-te Schrift, die auf die schlechteAuflösung von Computerbild-schirm (72 dpi) und Laserdru-cker (300 dpi) Rücksicht nahmund dabei wichtige Schriftstileabdeckte: Sans, Serif, Script,Typewriterund mehr.Was unter schlechten Bedin-

gungen gut lesbar ist, überzeugtauch unter Idealbedingungen.Darum findet die Lucida-Sippe

bis heute neue Freunde. Und jäh rlich kom mt Nachwuch shinzu, beispielsweise LucidaCalligraphy und Bright .

Immer für eine Überraschung gut:Lucida Calligraphy im Lebensmittel-

Logo (aus: worth1000.com)

Zu Beginn der 60er Jahrefehlt in deutschen Dru-ckereien eine Buch-schrift, die sowohl auf 

Linotype-alsauchaufMonotype-Setzmaschinen läuft sowie fürden Handsatz geeignet ist. Wal-ter Cunz von der StempelschenGießerei beauftragt den Typo-grafen  Jan Tschichold mit demEntwurf einer Antiqua in derTradition Claude Garamonds,die den Forderungen des moder-nen Buchdrucks entspricht.

 Jan Tschichold lagen Original-Druckmuster der Konrad-Berner -Gießerei (Nachfahren von

 Jacques Sabon) aus dem Jahre1592 vor (siehe: 2 Garamond).Er bügelte nicht nur typischeUnschönheiten aus, wie kollidie-rende Oberlängen oder Klecks-bildungen, sondern interpre-tierte Garamonds Vorlagen zeit-gemäß neu.

Schriftentwurf der Sabon-Antiquavon Jan Tschichold 1965(Foto: Ronald Schmets, D. Stempel AG,

Frankfurt am Main)

Page 14: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 14/3214

 

DerBrief,den HermannZapf Anfang 1994 ausPalo Alto erhält, ver-heißt nichts Gutes:

»Meine Freundin hat mich ver-lassen. Ich habe kein Interessemehr an Schriften. Ich muss einneues Leben beginnen.« Zapf macht sich Sorgen um den 29-

 jähigen David Siegel. Erst als die-ser drei Jahre später sein Buch»Secrets of Successful Web Sites«schickt, ist er beruhigt.Fast 12 Monate bastelten Zapf 

und Siegel an einer Vorversionder Schrift Zapfino. Siegel hatte1993 an der Stanford-Universi-tät die Idee für ein Chaos-Pro-gramm aufgeschnappt, das auseinem gewaltigen Vorrat vonZeichenformen ein lebendiges,menschliches Schriftbild gene-rieren sollte. Hierfür griff Zapf aufeineScriptausdemJahr1944zurück. Kurz vorVollendungdesProjektes dann dieser Brief ...1998erinnertsichZapfwiederan

die Experimente, als er bei Lino-type eine Präsentation mit intel-ligentenTrueType-GX-Schriftensieht, die Zeichen modulierenkönnten.AusGXwirdzweiJahrespäter AAT (Apple AdvancedTypography), eine Komponentedes Mac-OS-X-Betriebssystems,der die raffinierte Zapfino bei-gelegt wird. Heute verrichtetsieihren Dienst– plattformüber-greifend und erweitert – perOpenType-Technik.

Die verbundene Zapfino ist eineästhetische und technischeBereicherung des Script-Angebots,

mit Ligaturen, Alternativformen undsympathischen Illustrationen

Mathematik undKalligrafie sinddie Hauptkurse,für die sich der

 junge Sumner Stone 1966 im

Reed College in Portland (Ore-gon) einschreibt. Für ihn istklar: ersteres wird sein Beruf,dieSchriftseinHobby.Eskommtumgekehrt, obwohl er zunächstein Paar Monate Mathematikunterrichtet.Stones Liebe für die Schrift ver-schlug ihn zum Grußkarten-Her-steller Hallmark. 1982 gründeteer sein eigenes Typografiebüro

 Alpha and Omega Press, wo ererste Schriften entwarf und für

den Satzgeräte-Hersteller Auto-logic arbeitete. Seinen beruf-lichen Duchbruch erlebte er von1985 bis 1989 als typografischerDirektor bei Adobe.Seine Schriften Stone Sans, Serif und Informal werden die erstenAdobe Originals. Beim Entwer-fen der drei Familien sorgt seinMathe-Faible dafür, sich voll-kommenvomPapierzulösen.Alseine der erstenSchriftentwerfer

 jener Zeit verschmilzt Sumner

Stone das Entwerfen und Pro-duzieren einer Schrift zu einemProzess, deram BildschirmeinesComputers stattfindet.

Steinzeit ade: Sumner Stonewar einer der ersten Designe r,

der eine Schriftfamilie ausschließlicham Computer entwarf

(Foto: Andreas Garrels für PAGE 12/89)

Eine große Schwäche derSchreibmaschinentypenist ihre feste Buchsta-benbreite(mono-space).

Darum wurden für den Bürobe-reich jahrzehntelang Schriftenmit Serifen entworfen. Die End-striche dienten als »Knautsch-zone«, um schmale Buchstabenzu verbreitern (i, l) und breiteschmal zu halten (m, w).Im Herbst 1958 startet der IBM-

Ingenieur Roger Roberson ein

spannendes Experiment, demseine Kollegen jedoch wenigChancen geben. Tag und Nachtzeichnet er an einem Sans-Serif-

Alphabet (Gothic) mit gleich-breiten Buchstaben für die revo-lutionäre IBM Selectric: stattHebel bringt eine drehendeKugel (»golf ball« genannt) die

Buchstaben zu Papier.IBM hielt über viele Jahre einPatent für diese Technologieund eroberte im Alleingang dieBüros. Letter Gothic, die Schriftder »Selectric«, wurde eine stil-prägende Korrespondenzschrift,beeinflussteunter anderem ErikSpiekermanns Officina (Platz 8)und FF Meta (Platz 18).Um 1995 beauftragt FSI denitali-enischenSchriftentwerfer AlbertPinggera, Letter Gothic zeitge-

mäß neu zu interpretieren. 1996kommt sie in Light, Roman undBold als FF Letter Gothic Text

heraus. Wie derName vermutenlässt,weistsiekeineeinheitlicheBuchstabenbreiteaufsondernistproportional zugerichtet.Zwei Jahre später folgten dieItalic-Schnitte, sowieeineMono-spaced-Version, ein Entgegen-kommen an die frühen Benutzerder FF Letter Gothic Text, dieden authentischen Monospace-

Charakter vermissten. Die Text-VersionbehältihreBerechtigungals angenehm lesbare Mengen-satz-Schrift.

große Abb.: IBM-Kugelkopf mit LetterGothic 12 Pitch und 96 Zeichen

kleine Abb.: FF Letter Gothic gibtes auch als Proportionalschrift 

 

Page 15: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 15/3215

 

Fred Smeijerserinnertsichimmer wieder gerne andieAha-MomenteseinerKarriere als Schriftent-

werfer. Oft betreffen sie die Les-barkeit von Schriften. Zum Bei-spiel, als es ihm erstmals Mitteder 1980er Jahre gelang, einenScreenfont durch den richtigenEinsatz von Graustufen lesbarerzumachen:»Ichwarsoglücklich,dassicheinLiedpfiffalsichnachHauseradelte.«Äh nli ch wichti g, wenn auch

nicht so weitreichend, war eineErkenntnis aus der Entwicklungder Arnhem-Familie. Sie ent-stand1998alsAuftragsarbeitfürdie holländische Regierungszei-tung »Staatscourant«. Dabeihatte er die seltene Gelegenheit,seine eigene wie auch andereSchriften intensiv auf Zeitungs-druckmaschinen und -papier zutesten. Eine der Erkenntnisse:

Die einfache dreieckige Kopf-

serife dient derLesbarkeit mehrals all die ausgeklügelten Varian-ten, die er so kannte.DiesesMerkmalistnureinesvonvielen, die Arnhem zum Senk-rechtstarter unter den Zeitungs-undWerksatzschriftenmachten.Und sie wurde zur Paradeschriftvon Fred Smeijers‘ eigenem klei-nen Label Ourtype, das er 2002gründete.

 Arnhem ist eine der besten jüngeren Zeitungs- und Buchschriften;ihr Entwerfer Fred Smeijers testete sie während

des Entwerfens an der Druckmaschine

Carol Twombly undRobert Slimbach ent-warfen Myriad 1992von Anfang an als

zweiachsige Multiple-Master-Schrift (siehe links). Es war dieersteSans-SerifunterdenAdobeOriginals. Wie ihre VerwandtenFrutigeroder Syntax klassifiziertman sie als humanistische Sans,weil sie keinen gleichstarkenStrich aufweist.Als Myriad die Hausschrift vonApple wurde, gewann sie im Cor-porateDesign enorm anPopulari-tät. Auch im Verlagswesen ist siebeliebt: Im Kleinen löst Myriad

alle typografischen Herausforde-rungen, auf den Titelseiten undSchutzumschlägenvermitteltsieSeriositätund Charakter.

Myriad ist die Titel-Schrift deswissenschaftlichen Springer-Verlagsund wurde von MetaDesign

 für diese Aufgabe ausgewählt 

Das Grundmodell fürdie Schrift Minione nt st am mt ke in ersingulären Quelle,

sondern ist eine Synthese aushistorischen Form-Ideen undden digitalen Mög-lichkeiten der späten1980er Jahre.Bei den Recherchenfür seine  Adobe Gara-mond (Platz 2) stößtRobert Slimbach ineuropäischen Museenauf reichlich Material überRenaissance-Schriften. Als beiAdobediePlanungfüreineneue

Werksatz-Schrift beginnt, trägter aus seinem Privatarchiv allebrauchbaren Ideen zusammen,um einen ersten Entwurf zu

Papier zu bringen: Das Saatgutfür Minion.Minion wird ein ästhetischesund technisches Bravourstück.

Adobe hatte gerade die Multi-ple-Master-Technik erfunden,mit der Schriftbenut-zer ohne Zeichen-werkzeuge Zwischen-schnitte selbstgenerie-ren konnten, also zumBeispiel einen etwasfetteren Bold-Schnitt.Slimbachgelanges,die

Minion-Buchstaben mit einerMinimalmenge von Stützpunk-ten so zu konstruieren, dass sie

ihren Charakter ausbilden konn-ten und gleichzeitig im Multi-ple-Master-Betrieb brauchbareErgebnisse lieferten.

Der holländische SchriftentwerferFred Smeijers, 2006

Page 16: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 16/3216

 

Es war ein wunderbarerAltweibersommertagEndeOktober1991.Kurznach16:00Uhrbiegtdas

Motorrad von der LeutkircherLandstraße in den idyllischenRotisweg ab. Es sind nur wenigeKurven bis zum Haus von Inge

 Aicher-Scholl, der Schwester vonHans undSophie Scholl. IhrMannwidmetsichimVorgartengeradedem Rasen, als die Maschine inder letzten Kurve vom Wegabkommt. Sie erfasst den welt-

berühmtenDesigner.SechsTagespäter erliegt Otl Aicher seinenschweren Verletzungen.Drei Jahre zuvor schuf er seinbekanntestes Werk, die Hybrid-Schrift Rotis, benannt nach sei-nem Wohnort. Das Besondereder Schriftfamilie waren diebis dato unbekannten Stilvari-anten Semi-Antiqua und Semi-

Grotesk, sowi e eigenwi lli geEinzelformen, zum Beispiel dasgemeine e und c. Dem Sieges-

zug der Schrift schadeten ihre»Ecken und Kanten« nicht, ganzim Gegenteil: Sie hat bis heuteglühende Verehrer.Auch wer den typografischenStandpunkten von Otl Aicherkritisch gegenüber steht, mussanerkennen, dass er wie keinandererdieAuseinandersetzungmit der Typografie vorangetrie-ben hat. Seine Buch zur SchriftRotis (»Typographie«) wurde jüngst als Reprint wiederveröf-

fentlicht.

Otl Aicher bei der Endabnahmeseiner Rotis in den Ateliers desHerausgebers Agfa-Compugraphic

(Foto: Agfa)

Kurz nach Erreichen der Mond-umlaufbahn trennt Apollo-10-Kommandant Thomas Stafforddie Landefähre vom Raumschiff.Sie nähert sich bis auf 14 km der

Mondoberfläche. An der Außen-haut leuchtet das Wappen mitden Namen der 3 Astronauten,gesetzt in Eurostile.

Namensgeber für Mar-tin Majoors SchriftScala ist die Mailän-der Oper, 1778 eröff-

net von Maria Theresia. Der Ent-werfer nennt später drei Gründehierfür: FF Scala wurde einst fürein Konzertgebäude entworfen(der Vredenburg  in Utrecht),

ihre Wurzeln reichen zurück indie Zeit von MariaTheresia undScalabedeutet»Spektrum«,wasdieser Familie durchaus gerecht

wird, die Serif und Sans bietet,von Light bis Black reicht sowievon förmlich bis dekorativ.ScalaundScalaSansbasierenauf dem gleichen Formprinzip: Die»Knochengerüste« beider Fami-lien sind identisch. Die Sans ent-stand ein Jahr nach Erscheinender Serif durch Abtrennen derEndstriche und Anpassen desKontrasts.Der britischeVerlegerRobin Kin-ross (Hyphen Press) schwärmte

bei Erscheinen der Scala Sans:»Majoors Scala enthält einfachalle Merkmale einer guten hol-ländischen Schrift.«

Das Scala-Skelett:Sans- und Serif-Familie basieren

auf der gleichen Grundform

Page 17: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 17/3217

 

Zu Goethes 200. Geburtstagerschien 1949 in Frankfurt amMain das Büchlein »Von derdreifachen Ehrfurcht«. Schrif-tenfreunde zahlen heute einVermögen für diese Drucksache,

gesetzt aus einem Probegradder Palatino. Ein Jahr spätererscheint Hermann Zapfs erfolg-reichste Schrift offiziell.

 John Baskerville, geboren1706,ziehtmit20nachBir-minghamundarbeitetdortalsSchreiblehrerundStein

  metz. Ordentlich Geld ver-dient er erst ab 1738 mit einerLackiererei, die auf Japanlackspezialisiert ist.Mit denEinnah-men kann er bald seiner heim-lichen Leidenschaft nachgehen,dem Buchdruck.Da ihm die Caslon-Schriftennicht gefallen, schneidet er ab1750 eigene Entwürfe, späterals »Antiqua des Übergangs«bezeichnt. Sein erstes großesProjekt ist eine Vergil-Ausgabe

1757. Die neue Schrift findetsofort Beifall, schon 1758 wirder zum Direktor der Cambridge

University Press ernannt.AlsAtheist lässt sich Baskervillenach seinem Tod 1775 in unge-weihter Erde auf seinem Anwe-sen beisetzen. 1821 wird bei

Titelseite eines John-Baskerville-Drucksaus dem Jahr 1761

Niemand hat denUnterschiedzwischenKunst und Kommerzgeschickter

formuliert als Eric Gill1931: »Eine kommerzi-elle Arbeit  ist, besten-falls, substanziell hilf-reich und – ungeplant– elegant in ihrer Effi-zienz; ein Kunstwerkist, bestenfalls, schönin sei ner Grundsub-stanz und – ungeplant

– ebenso dienlich, wiee ine ko mm er zi el leArbeit.«So steht es im »Essay on Typo-graphy«, dem ersten in Joanna

gesetzten Buch. Gill entwarf dieSlab-Serif, zusammen mit einer

Ganze14JahrehatHans Ed Meier an der ersten »Antiqua ohneSerifen«gearbeitet,von1954bis1968. Syntax vereint dieKlarheit

der Groteskschriften mit derWärme und Lesbarkeit einerRenaissance-Antiqua. Die Groß-buchstaben leitet er aus der frü-hen Römischen Lapidarschrift

ab(2.J.v.Chr.),diekeineSerifenundkaum Kontrast kannte.

Im Dezember 1992 beginnt derLeipzigerDesigner Erhard Kaiser mit der Arbeit an einer digitalenNeuausgabe der Fleischmann-

Antiqua für DTL. Nach 4 JahrenArbeit liegen zwei vorzüglichausgebaute Varianten vor: eineText- und eine Display-Version;analog dazu zwei Kursive.

Die historische WerksatzschriftDTL Fleischmann besteht

aus insgesamt 36 Fonts

BauarbeitenseinSargfreigelegt,geöffnet und zur Schau gestellt.Erst Jahre später findet Basker-ville seine letzte Ruhe auf dem

Warstone Lane Cemetery.

wunderschönen schmalen Italic,für seine eigene kleine Verlags-druckerei Hague and Gill,dieer

1930 mit Rene Haguegründete, dem Ehe-mann seiner Tochter

 Joan, genannt Joanna.Die Schrift entstand ineiner Kleinauflage fürden Handsatz bei derGießerei Caslon.

 Joanna ähnelt Gil lsPerpetua,weistjedochweniger Kontrast auf,

und die Oberlängenüberragen die Groß-buchstaben: »... genau

richtig für den Maschinensatz,ohne ihre Eleganz zu verlieren«,wie Gill seine Lieblingsschriftcharakterisierte.

Die am besten ausgebaute Syntax istdie Linotype Syntax von 2000

Titel des ersten

von E. Gill in Joannagesetzten Buches

Page 18: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 18/3218

Paris, Holland, München, Slo-wakei, Schweiz – Fedra ist eineganzundgareuropäischeSchrift.DerSchweizer Ruedi Baur gabsieum 2000 von Paris aus bei PeterBil’ak in Auftrag: für das Cor-porate Design der Bayerischen

Rückversicherung AG. DortsolltesiedieUniversablösen,alswarme, elegante Alternative.

Bevor die Schrift fertig war,wurdedie »Bayerische Rück« voneinem multinationalen Konzerngeschluckt und das Projekt wartot. Fedra dagegen lebte auf, inPeter Bil’aks eigenem Schriften-Verlag Typotheque. Mit denersten Fedra-Kunden kamen dieerstenErweiterungswünsche.EsfolgtenmehrStrichstärken,eineMonospaced-Variante, Fremd-sprachen-Versionen u.a.2004 dann die Serif, genauer:Serif A mit den Proportionen

derSansundSerif B

miteigenenProportionen.DieSanserscheintvon Anfang an multilingual (70Sprachen),einschließlichgriechi-scher und kyrillischer Zeichen.Eine ganz und gar europäischeSchrift eben …

Die finnische Firmenzeitschrift»Tule ja katso« (Komm’ und guck’) wird

seit 2002 aus Fedra gesetzt 

Eshättediemajestätische Trajan,eine elegante Bodoni oder dieneutrale Helvetica seinkönnen…Doch die drei Zeilen auf dem20 Tonnen schweren Grundsteindes Freedom Tower auf demWorld-Trade-Center-Geländein

NewYork werden von John Gara- folo ausGothamgemeißelt,einerneuen Schrift, die nach BatmansHeimatstadt benannt ist.Michael Gericke, dessen Design-büro PentagramdenGranitblockmit den Architekten Skidmore,

Owings & Merrill entwarf, fasstdie Entscheidung für Gothamso zusammen: »... weil sie nichtaussieht wie gestern geschaffen

und morgen vergessen«. Derschwarze Koloss, aufgestelltam Unabhängigkeitstag 2004,wird von den Medien als erstessichtbares Element des FreedomTowergefeiert,der2011eröffnetwerden soll.EshättekeinepassendereSchriftgeben können. Als Inspirationdienten Tobias Frere-Jones NewYorker Gebäudebeschriftungenaus den 40er Jahren. Die Master-vorlagelieferteeineBusbahnhof-

Beschriftung der Hafenbehördein der 8th Avenue, heute Besit-zerin des Trade-Center-Areals.Und so schließt sich der Kreis.

 

Page 19: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 19/3219

 

Bevor sich Napoleon 1804 inParis zum Kaiser krönt, lässt ereine Einladung von der Offizin

Didot anfertigen, der bestenDruckerei der Stadt. Hier ent-wirftder40-jährige Firmin Didot in Rekordzeit die »Romain deL’Empereur« (Kaiser-Antiqua),die nur einmal eingesetzt, aberin den Jahrzehnten danach tau-sendfach kopiert wird.

Ganze 13 Tage hielten es Anfang2004 die Redaktion und derneue Eigentümer der SchweizerKulturzeitschrift »Du« mitei-nander aus, dann trennten sichihreWege.EinzigeÜberlebende:die frisch eingeführte SchriftLexicon.Wie keine andere vereint die1992 von Bram de Does entwor-fene Lexicon Schweizer und hol-ländischeTypografie-Ansprüche:Ökonomie,Eleganz,Qualitätund

»Sauberkeit«. Die Schrift glie-dert sich in zwei Gruppen à 12Fonts: Lexicon No. 1 mit kurzenOber- und Unterlängen, LexiconNo.2 mit gewöhnlicher Metrik.

Ende 1990 hält sich Erik van Blo-kland in NewYork auf, sein Ran-dom-Twin  Just van Rossum in

Berlin. Ihr Script-ProjektHands

entsteht per Faxgerät, Scannerund mit den ProgrammenPhoto-shop, Streamline und Fontogra-pher. Die frechen HandschriftenderLinks-/Rechtshänderbegrün-den ein neues Schriftengenre.

Ab 1927 beschäftigte sich dasgrafische Multitalent William

 Addison Dwiggins (1880 – 1956),Erfinder des Begriffs »Graphic

Designer«, mit dem Schriftent-w er fen. Di e g eom etri sch en

Groteskschriften aus Europagefielen ihm nicht, zum BeispielFutura, Erbar und Kabel. Diesensetzte er die Metroblack No. 2

entgegen, die Linotype 1929herausbrachte, gedacht für Titel-satz und Werbung.

Einst von New York nach Berlingefaxt, dann digitalisiert und nun an

der Fassade eines Bäckers am Alexanderplatz: Erikrighthand

Es war Bernd Möllenstädts ersteSchrift, 1984 veröffentlicht beider Berthold AG, nach 17 Jahrenleitender Tätigkeit im Schriften-

AtelierdesSatzgeräteherstellers.Und sie war sofort ein Erfolg.Das Besondere der serifenlosenFormata ist ihr nicht-linearerStrich. DieKonturen bilden einelesefreundliche Spannung.

Bevor William Caslon (*1692)seine erste Schrift schneidet,betreibt er in London eine Gra-vur-Werkstatt. Weil er auch Prä-gestempel für zwei benachbarteBuchbinderschneidet, kommterbaldmitdemgrafischenGewerbein Berührung.1725eröffnetCasloneineSchrift-

giesserei. Die hohe Qualität derSchriften macht sie in ganz Eng-land bekannt. 120 Jahre bleibtder Familienbetrieb führend.

Werbehochburg Chicago, 1899:Der 20-jährige Oswald B. Cooper wirdander Frank Holme School ofIllustrationaufgenommen,woer

unter anderem die SchreibkursevonFrederic Goudy besucht.Fünf  Jahre später gründet Cooper mitseinem Freund Fred Bertsch dasWerbebüro Bertsch & Cooper.

Hier entwirft »Oz« 1921 fürein Plakat eine fette Schrift mitrundlichen Serifen, die er 1922bei Barnhart Brothers & Spindler herausbringt. Cooper Black ent-sprach dem damaligen Werbe-Zeitgeist: einfach, freundlich,kräftig. Siewurde so erfolgreich,

dass Monotype – ausgerechnetbeiCoopersLehrerGoudy–eineKopie in Auftrag gab, die 1925als Goudy Heavyface erschien.

Detail aus dem Geschäftsbericht der Allianz AG, gesetzt in Formata Cnd

Diese Goldmedaille überreichteNapoleon Firmin Didot anlässlicher

einer Industriemesse 1801(Abb.: Firmin Didot family collection)

Anfang 1930 versucht Cooper

seine Schrift patentrechtlich zuschützen, was misslingt, weileinige Buchstaben einem Logoentnommen sein sollen.

 Art-Director Tommy Steele verhalfCooper Black 1966 auf dem

wegweisenden Album »Pet Sounds«zu neuer Popularität 

Page 20: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 20/3220

 

 Adolphe Mouronwird1901inderUkrainegeboren.ErgehtinParis

zur Schule, besteht sein Abiturmit Auszeichnungam Lycée Con-dorect und entdeckt seine Lei-denschaft für die Plakatmalerei.Bereits1919belegterdendrittenPlatzbeieinemWettbewerb,aus-geschrieben von Michelin.Das1923 entworfene Plakat»AuBoucheron«fürdasgroßePariserMöbelhaus Hachard & Cie. wirdals Monumentaldruck in ganzParis ausgehängt und macht denKünstler über Nacht berühmt.

Auf den Rat eines Freundesnennt sich Mouron von diesemTag an A. M. Cassandre.Seine erste selbst entworfene,für die Werbung besti mmteSchrift Bifur macht ihn 1929international bekannt. Anläss-lich der Pariser Weltausstellung1937 veröffentlicht er eine wei-tere Erfolgsschrift, die Peignot.Danach widmet sich Cassandreder Malerei.Nach dem 2. Weltkrieg gründet

ermitFreundendie Alliance Gra-phique International (AGI). Erversucht sich – mit wechselndenErfolgen – als Bühnenbildner,Regisseur und ab 1963 wiederalsGrafiker.NacheinerSerievonEnttäuschungen nimmt er sich1968 in seiner Pariser Wohnungdas Leben.

Zur Pariser Weltaustellung 1937erscheint Cassandres

bekannteste Schrift »Peignot«(Montage: FontShop)

Es war ei ne Bilderbuch-Ka r-riere für den ZeitungsjungenChauncey H. Griffith,der1879imBundesstaat Ohio zur Welt kam.NachderTätigkeitalsSetzerundZeitungsgestalter verschlug esihn 1906 in die Verkaufstruppeder 189 0 gegründeten Mer-

genthaler Linotype Company.HiersorgteererfolgreichfürdieVormachtstellung des Unterneh-mens in Zeitungs- und Buchdru-ckereien.

Am 11.4.1996 lösen Schweiß-arbeiten im Flughafen Düssel-

dorf eine Brandkatastrophe aus:17 Menschen sterben, die Ter-minals A und B werden zerstört.MetaDesign entwickelt binnen6 Wochen mit FF Info ein Leit-

system,das diePassagiere sicherzwischen Zelten und proviso-rischenHallenführt.

Zu den ersten Aufgaben, denensich der Nürnberger Kalligraf Rudolf Koch nach seiner Lehre1898 widmet, gehört das Ent-werfen von Buchtiteln. Hier-bei entstehen erste Schriften.Parallel dazu widmet sich Koch

der Erneuerung des kirchlichenKunsthandwerks. Er entwirftLeuchter und Möbel. Sein Stilund die von ihm entworfenen

Der Name der Künstlerin in WilhelmKlingspor (Montage: FontShop)

Symbole prägen bis in die 60er Jahre die evangelischen KirchenDeutschlands.Kurz nach dem 1. Weltkrieg hat

Rudolf Koch kaum noch Sinn fürSchöngeistiges. Erst um 1924schreibterwieder:das Buch Hiobund die Seligpreisungen ... ineinerHandschrift, die dem Frankfur-ter Schriftgießer Karl Klingspor gut gefällt. Für die Druckvor-lage bringt Koch durch Zier-schwünge und Ligaturen Leich-tigkeit ins Schriftbild. ObwohlKoch zu dieser Zeit lieber etwasSchmuckloses gemacht hätte,gelingt ihm mit Klingspor eine

der beliebtesten gebrochenenSchriften.Siewirdnach WilhelmKlingspor benannt, der kurz vorihrer Veröffentlichung stirbt.

Roger Excoffon, geboren 1910 inMarseille, wurde 1956Art Direc-torder Air France.FüreinneuesLogo und Werbeposter der Flug-gesellschaft experimentierte ermiteinersehrbreitenundfetten

Sans-Serif, die er »Nord« taufte.Sein Freund Marcel Olive, veröf-fentlichte sie in seiner Schrift-gießerei als Alternative zu denHits seiner Wettbewerber: Uni-vers (Deberny & Peignot) undHelvetica (Haas/Stempel).

Ein Roger-Excoffon-Poster aus dem Jahr1965 mit dem Ai r-France-Logo,gesetzt in Antique Olive Nord

Seine Zusammenarbeit mit denSchriftentwerfern William A.Dwiggins und Rudolph Ruzickatrug 1931 erste Früchte: Griffithbrachte die erfolgreiche Zei-tungsschrift Excelsior heraus.1937 tratdie TelefongesellschaftAT&T an den inzwischen zumLeiter Schriftentwicklung auf-gestiegenen Griffith heran, umeine neue Telefonbuchschriftin Auftrag zu geben: Bell Gothic,erschienen 1938.40 Jahre war Bell Gothic bei

AT&T im Einsatz. Anfang der90er Jahre erlebte die Schrifteine Wiedergeburt durch dieVerwendung angesehener Desig-ner(BruceMau,IrmaBoom)undHochschulen, darunter die Cran-book Academy of Art.

Zur FF Info gehören Hundertepassender Piktogramme

Page 21: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 21/3221

 

Der dänische Satzgeräteherstel-ler Purup Electronics erkennt1987, dass Buchschriften fürIndustrieformulare nicht beson-dersgeeignetsind.Darumbeauf-tragt man Petr van Blokland mitdem Entwurf einer neuen Anti-qua. Proforma (frei übersetzt»für Formulare«) wird eineweg-weisende Schrift, weil sie Platz-ersparnis mit guter Lesbarkeitvereint.Proforma ist eine der ersten für

den elektronischen Satz opti-mierten Schriften. Van Bloklandgelingt es durch geschickte Kon-struktion der Zeichen, den Trep-peneffekt zu minimieren, der inLesegraden zwischen 9 und 12Punktzuerkennenist;trotz 2450Linien pro Zoll Auflösung.Für die Proforma erhält er vonder ATypI den Charles Peignot

Preis, 1995 folgt die Nominie-rung für den Rotterdam Design

Award – erstmals für eine

Schrift.2000reichtevanBloklanddiezurProforma passende SerifenloseProductus nach.

Als Hans Reichel wieder mal zuviel Text in einem CD-Bookletunterbringen muss, entwirft erDax Condensed: schmal, kaumKontrast, fehlende Abstriche ...eigentlich typische Merkmaleeiner Headline-Schrift. Dochdem genialen Künstler gelingtdas Unmögliche: Dax wird einegut lesbare Textschrift.

Volker Küster (geb. 1941 in Wer-nigerode) verließ 1984 die DDR,ging nach Hamburg und wurdeLeiter des Schriftateliers vonScangraphic

. Hier entstand zwi-schen 1985 und 1988 die bemer-kenswerte Today Sans, einelebendige Grotesk-Schrift, dieauf den Strukturen und Propor-tionen der Renaissance Antiquabasiert.

Volker Küster beschäftigt sich seit 1994mit Eisenguss in verlorener Form

Die Entwicklung der DTL Pro-

kyon begann 1997 als Eigenauf-trag.FünfJahrearbeitete ErhardKaiser  an der Schrift, die nach

dem Hauptsterndes SternbildesKleiner Hund benannt ist. IhreBesonderheit ist eine Formre-duktion, z. B. durch den Wegfallder Anstriche. Prokyon ist einedurchdachte und meisterlichausgebaute Schriftfamilie zwi-schen Klassik und Lifestyle.

Frederic W. Goudy entwarf dieKapitälchenschrift Copperplate

Gothic Anfang 1901 und veröf-fentlichte sie bei ATF. Tatsäch-lich ist es keine echte Grotesk(Gothic):WinzigeSerifenzierenihre Strichenden. Diese werden

allerdings nicht als Stilmitteleingesetzt, sondern um dieEcken im Druck zu betonen, sie»spitz« zu Papier zu bringen.

Ein SW-Portrait von Unger,geschossen auf der TYPO,

© Marc Eckhardt 

Offenen Formen und Haar-Serifen:auch in kleinen Größen gut lesbar

(Abbildung: Linotype)

WeilsieübereinenZeitraumvon12 Jahren zur Familie ausgebautwird, weisen die Trade-Gothic-Schnitte weniger Gemeinsam-keitenauf,alsandereSans-Serifs,wie zum Beispiel Helvetica oderFrutiger . Genau diese »Disso-

nanzen« sind es, die der »geer-deten« Trade Gothic seit vielen Jahrzehnten eine feste Fange-meindebescheren.

(Montage: FontShop)

Eigentlich war Swift ein Abfall-produkt: entstanden aus einemnicht benötigten fetten Schnittder Hollander . Doch sie bekam

einen ganz eigenen Charakter:spitz einlaufende Rundungenin die Vertikale, flache Bögenund offene Innenräume. Swiftbezieht ihre aktive Qualität ausder Zwiesprache zwischen Kon-tur und Binnenraum.

 

Page 22: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 22/3222

 

Mit dieser Ansichtskarte wurdeFF Blur 1992 von Neville Brody und

FontShop angekündigt 

Beim Gestalten der Emigre-Web-site kommt Zuzana Licko  dieIdee, erst den lesbaren Screen-Font (Bitmap-Grafik) zu entwer-fen und davon ausgehend die

Druckerschrift (Vektor-Grafik).Sie beginnt mit der weit ver-breiteten Standardgröße von12 Punkt, gibt der Mittellänge 6

Base Nine und Twelve basierenauf der Metrik von Pixelschriften,

die zuerst entstanden

Zum 100. Geburtstag beschertsich die US-TelefongesellschaftAT&T (früher: Bell TelephoneCompany) ein Redesign ihrerTelefonbuch-Schrift Bell Gothic.Matthew Carter  entwickelt 1978

die raffinierteBell Centennial

,und verbessert dramatisch dieLesbarkeit der Bücher. ExtremeEinschnitte und große Innen-räume garantierten die Unver-sehrtheit der Buchstaben, trotzSchnelldruck und schlechtem

Papier. Mit zwei neuen Schnittenverfeinert Carter die Hierarchievon Namen und Zahlen.Als Profitbringer erweist sich derVersal-Schnitt Bold Listing  fürgewerbliche Kunden, die für die

Großdarstellung ihres Namensgerne eine Extra-Gebühr zahlen.Carter lässt die fetten Großbuch-staben einfach unterhalb derGrundlinie beginnen, wo sie denungenutzten Raum für Unter-längen besetzen.  Abba-Logo und -Plattencover,

gesetzt in News Gothic

Pixel und dem PostScript-Geviertdie maximal möglichen 1200Einheiten, so dass 100 Einheiteneinem Pixel entsprechen. Die

Metrik der Base 12 ist geboren.Danach entwarf sie Base 9, sodass beide Fonts die populärenGrößen 9, 12, 18, 24 und 36 Pt amBildschirm ohne Pixelteilungabdecken.Beim Zeichnen der Printer-Fontsstellt Licko einmal mehr ihrTalent unter Beweis, aus tech-nischen Notlagen einen maxi-malen ästhetischen Nährwertzu schöpfen. Base überzeugt mitihrem eigenwilligen Duktus, der

im ungewöhnlichen Gestaltungs-prozess begründet liegt und demBestreben der Designerin, denFreiraum richtig auszuschöpfen.

Geniestreich »Bold Listing«:gewerbliche Einträge beginnen unterhalb der Schriftlinie

Anfang der 90er sind exzen-trische Schriften angesagt: Nurwer auffällt, siegt ... beim Kampfgegen »The End of Print« (DavidCarson). Neville Brody entwirftdie überstrahlte Blur, aus einerHelvetica oder AG, die er dreimaldurch den Weichzeichner-Filtervon Adobe Photoshop jagt.

Am Anfang gab es nur eineMedium mit dem Namen News

Gothic sowie den leichten Zwil-ling Lightline Gothic, entworfenvom Morris F. Benton. Erst 1958wurde die platzsparende Linear-grotesk mit zwei fetteren Schnit-ten vollendet.

Page 23: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 23/3223

 

Avenir war Linotypes Antwortauf Futura (franz. avenir =

Zukunft). Die Namensgebungsagt auch, dass eine von  AdrianFrutiger   entworfene Linear-Antiqua automatisch wohlklin-gender, weicher und menschli-

 Akira Kobayashi und Adrian Frutiger stellen 2004einem Kreis von Experten die Avenir Next vor 

cher wird. Bei ihrer Premiereumfasste Avenir 6 Schnitte, diespäter auf das Doppelte anwuch-sen. 2004 renovierten Frutiger und Akira Kobayashi die Familiemeisterhaft (Avenir Next) underweiterten sie auf 24 Schnitte.

Als Erfinder des Sachplakats istLucian Bernhard  (1883 gebo-ren als Emil Kahn in Stuttgart)

aus der Geschichte der Plakat-kunst nicht wegzudenken. Fürviele Motive entwarf er eigeneSchriften, die auch vertriebenwurden. 1937 veröffentlichteer bei ATF seine berühmtesteSchrift, die Bernhard Modern.

Werbeplakat von Lucian Bernhardmit Bernhard Antique Kursiv und

Bernhard Modern (unten)

Er war noch an der Hochschule,als Christian Schwartz ein Pla-kat mit Matthew Carters Bell

Centennial (Platz 63) gestaltete,deren Einkerbungen in einer

Größe von 10 cm sehr absurd wir-ken: »Postmoderner Konstrukti-vismus«. Was bei Bell Funktionwar, wurde bei Amplitude zumStilmittel.Die große Anzahl der Ampli-tude Schnitte mag übertriebenwirken, doch jede hat ihre Auf-gabe. Book, Regular, Mediumund Bold lösen alle Aufgaben imText-Bereich, wobei die Benut-zer auf Hintergrundfarben, Sät-tigung und Positiv-Negativ-Satz

stets die richtige Antwort findenwerden. Light, Black und Ultralaufen im Headline-Bereich zuHöchstform auf; da richten auchdie kleinen Innenräume der fet-ten Schnitte keinen Schaden an,ganz im Gegenteil!Beim Extra-Compressed-Schnitt jedoch hat Schwartz einen ganzspeziellen Einsatzbereich imSinn: »Ich würde sie gerne amFuß von Filmplakaten sehen, fürdie Credits, die immer sehr eng

gesetzt und kaum lesbar sind.«Und so findet der Stil – ihre Ein-kerbungen für Extremsituatio-nen – doch wieder zum Zweck.

 Amplitude Extra Compressedist wie geschaffen für die Fußnoten

auf Filmplakaten

Bis zuletzt war ihre Mutter unbe-kannt. Aufgewachsen ist sie beiErik van Blokland in Den Haag.In dem neuen Buch »Made withFontFont« nun die Antwort: IhreMutter hieß Triumph Durabel,

wurde um 1930 in Nürnberggeboren. 1991 hinterließ sieihren typografischen Code aufeinem DIN-A4-Blatt.

Page 24: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 24/3224

 

Quadraat istzwardigital erstellt, jedoch nach Fred Smeijers’ Zeich-

nungen. Die Schrift sollte neuaussehen, aber an Altbewährtesanknüpfen; die Kursive dagegenisteigenwillig. 1997 entwickelteSmeijers nach holländischemVorbild (Jan van Krimpen, 1930)aus der Serifeine Sans.

Eleganz und eine lineare Klar-heit kennzeichnen die Gebäudedes österreichischen Architek-ten Richard Neutra. In seinenZeichnungen wie auch denBauten tauchten häufig Ziffernund Buchstaben auf, die House

Industries zu einer Schriftfami-lieinspirierten.Dabeiarbeitetensie eng mit Dion Neutra zusam-men, die ihnen Fotografien zurVerfügung stel lte. Aus einergeringen Menge an Vorlagenschuf  Christian Schwartz kom-

pletteAlphabete.FürKleinbuchstabengabeskeinehistorischen Vorlagen, doch einerfahrenerSchriftentwerferwieSchwartz kann die passendenGemeinen ohne Mühe herleiten.Nach Fertigstellung der umfang-reichenFamilie(5Strichstärken)waresnureineFragederZeit,bisNeutraface ihren Weg zurück indie Architektur fand: als edleHausnummer.

Sjoerd de Roos (1877– 1962) giltals der ersteprofessionelle Type-designer Hollands. Nobel ent-stand 1929 für die Amsterdam

Schriftgießerei, als Antwort auf FuturaundBertholdGrotesk.Siewar landesweit erfolgreich undwurde bis in die 1960er Jahre invielen holländischen Bleisetze-reien eingesetzt.

Neutraface als Hausnummer,gesehen und zu bestellen bei:

www.customhousenumbers.com

Skizzen für eine außergewöhnlicheKursive: Quadraat Italic

 

Page 25: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 25/3225

 

Linotype war das erste Unter-nehmen, das drei digitalisierte

Schriften von Neville Brody ineinem Paket herausbrachte:Industria, Arcadia und Insignia.Die drei Alphabete entstandeneinige Jahre zuvor für die vonBrody wegweisend gestaltetenMagazine The Face und Arena.

Neville Brody 2005,Sprecher auf der TYPO Berlin

(Foto: Marc Eckardt)

Richard Lipton (geb.1963inNewYork)studierteKunstundDesignam Harpur College, arbeitete ab1984 als freier Illustrator undKalligraph. Er ging für 8 Jahrezu Bitsream, wo er die Schriftbi-bliothek »aufmöbelte« und dieexklusiven  Arrus und Cataneomitentwickelte. Seine erfolg-reichsten Schriften brachte erbei The FontBureau (Bremen,Nutcracker, Shimano, Sloop, …)und Adobe (Bickham Script )heraus.

Fago ist eine Corporate-Schrift.SievereintjahrelangeErfahrung,die Ole Schäfer in verschiedenenCI-Projekten bei MetaDesign

sammelte.DieGroßfamiliedecktmit3 BreitenalletypografischenHerausforderungen ab, die imunternehmensweiten Einsatzgefragt sind.

113 n. Chr. ließ Kaiser MarcusUlpius Traianus in Rom auf sei-nemPrachtforumeine40mhoheSiegessäule errichten, die nochheute an gleicher Stelle steht.

Der spiralförmig aufsteigende,200 m langen Fries zeigt SzenenausseinenbeidenKriegengegendie Daker.

Fake-Suppentop für Film und TV (Design: Schein Berlin)

Die Capitalis Monumentalis der Trajanssäule in Rom lieferte die Vorlage für Trajan

Ein Grabstein aus dem späten19.Jahrhundert,dessenInschriftermittelseinerFrottagefesthielt,diente Morris F. Benton als Anre-gung. Er schuf Bank Gothic alsreineKapitälchenschrift, wassienoch technischer wirken lässt.

Ende 1987 warf kein geringererals Günter Gerhard Lange ein

letztes Auge auf  WeidemannsSchrift-Trilogie Corporate ASE

(Antiqua, Sans, Egyptienne). Erempfahl die Verkleinerung der

harmonisierte die Alphabeteformal und ästhetisch, so dassdie Schrift»perlt«.Als neue Mercedes-Hausschriftzeigt sich die neutrale, statischeCorporatevonihrerbestenSeite.Sie wurde exklusiv nach ökono-mischen Gesichtspunkten kon-

zipiert. Das ist nicht unwichtigfür einen Konzern, der jährlichMillionenbeträge für Satz aus-gibt. Trotzdem trägt sie Weide-manns Handschrift, der ein aus-gesprochener Gegner von allemPolierten ist.

Weidemanns Corporate-Familiewurde die Basis für dasDaimler-Benz-Corporate-Designs

Auf dem Sockel befinden sichm ehr er e In sc hr if ten, d erenMajuskeln als die schönsten Bei-spiele römischer Schriftkunstgelten (Capitalis Monumenta-

lis). Carol Twombly von Adobedienen sie 1989 als Vorlage fürihre Interpretation einer gemei-ßelten römischen Schrift.

Eiskalte Typografie mit Bank Gothic,passend zum Sujet 

 

Page 26: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 26/3226

 

Kabel in einem Schriftmuster derGbr. Klingspor von 1927 

Als der Freelancer Tal Lemming 2000dieSchrift Bullet fürHouse

Industries digitalisierthat,fragtihn Rich Roat: »Willst Du nichtdie fehlenden Akzentbuchsta-ben in ›House Gothic‹ ergän-zen?« Nachdem sich Tal die Zei-chensätze angesehen hat, feuerter eine Woche lang E-Mails mitVerbesserungsvorschlägen anRich:»Hast Du was dagegen, wennich die Strichstärke von M und Nharmonisiere?«, »Könnte ich den

Zeichensatz überarbeiten, damitdie Familie melodischer wird?«,»Seid ihr offen für eine kleineUmorganisation der Familie?«,»Ich kann mir gut eine extendedVersion vorstellen ...«. Ein halbes Jahr später zieht Tal Leming mitseiner Frau von Louisiana in daskleine Nest Wilmington in Dela-ware, um einen Full-Time-Jobbei Houseanzutreten.Was istdas Geheimnis der erwei-terten House Gothic 23 mit 10

Extended- und 10 Condensed-Headline-Schnitten sowie dreiText-Fonts (10 + 10 + 3 = 23)? Essind die Kombinationsmöglich-keiten der Varianten, die stetszusammenpassen,auchwennsiemit unterschiedlichen Mittel-längen oder Buchstabenbreitenauftreten. Am konsequentestenist diese Eigenschaft im Black-Schnitt realisiert, dessen Innen-räume beiCondensed undExten-ded identisch sind.

Bemerkenswert auch die Text-Schnitte: diese aus einer exzen-trischen Headline herzuleiten,ist allein das Verdienst Lemings.

Bekanntester internationaler Auftrittder House Gothic auf Buch, Filmplakat

und Soundtrack von »About A Boy«

Wie kein anderer FontFontbelegt Kosmik das Anliegen vonFontShop International, tech-nisch und ästhetisch Maßstäbezu setzen. Die Idee hinter Kos-mik: eine digitale Handschrift(Blockbuchstaben),dienichtwieaus dem Computer aussieht.Dazu zeichnete Erik van Blok-land für jeden der comicartigenBuchstaben drei laufweiten-

gleiche Varianten, die beimDrucken automatisch gewech-selt werden. Bei Erscheinen1993

funktioniertedieAutomatiknuram Macintosh. Dank OpenType

kommen endlich auch Windows-User in diesen Genuss.Wegen der Rechtschreibreformist die dreitaktige Kosmik wich-tiger als je zuvor: Schifffahrt.

Erik van Blokland gestaltete1993 auch die Krawatte

zur Schrift 

Sie war die erste Schrift vonPeter Matthias Noordzij (PMN),der 1991 The Enschedé Font

Foundry gründete. Sein Erst-

lingswerk erschien jedoch beiLinotype und entwickelte sichunter deren Fittichen zu einerder erfolgreichsten Slab-Serif-Textschriften. Erste Entwürfefür Caecilia entstanden bereits1983, im 3. Jahr seines Studiumsan der Akademie in Den Haag.

Das kirchliche MuseumCatharijneconvent in Utrecht wirbt mit

Caecilia für seine Ausstellungen

Das stört Zuzana Licko an digi-talen Revivals: »Trotz absoluterFreiheit beim Konstruieren derLetternpflegenwirKompromisseaus den Zeiten mechanischerEinschränkung.« Und so knöpftsie sich einen Klassiker vor, stu-

diertdasWerkJohnBaskervilles... undschafft Mrs Eaves,diezeit-gemäße Interpretation dieser

 Jahrhundertschrift.

Titel der 32-seitigenEinführungsbroschüre von 1996 

Corpid (schwarz) vs. Frutiger :offener und mit diagonalem Kontrast 

Rudolf Koch war kein Freund»mechanisierter Grafik«, wie erz.B.PaulRennersArbeitbezeich-nete (5 Futura). Doch er war fürErneuerungundakzeptierte denTrendzukonstruiertenSchriften.1926zirkelteereinAlphabethin,das er Kabel taufte, nach demdamals fortschrittlichen trans-atlantischen Telefonkabel.

Corpid entstand einst als »AgroSans« – exklusiv – für das nie-derländische Landwirtschafts-ministerium als Alternative zu

einer unternehmensweiten Fru-tiger-Lizenz. Der größte Unter-schied in der Architektur beiderSchriftenliegtinihrerSpannung,also dem Verhältnis der innerenzur äußerenKontur.

 

Page 27: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 27/3227

 

Lubalin und Aaron Burnsgegrün-deten International Typeface

Corporation (23 Avant Garde).Seine Vorliebe für Kalligrafie

ist in allen Schriftschöpfungenunübersehbar. So auch bei der1 97 7 g ezeic hn eten Fa mi li e,die seinen Namen trägt. Siewurde zu einer der beliebtestenWerbe- und Verpackungsschrif-ten Anfang der 80er Jahre.

 James Mosley, Leiter der angese-henen St. Bride’s Printing Li-

brary inLondonfasstdieQualitätvon Miller in wenigen Wortenzusammen: »Matthew Carters

MilleristkeineKopievonMillersScotch Roman, so wie Galliardnie eine Kopie von Robert Gran-

 jons Schriften war. Carters Leis-tung besteht darin, den ›gutenTon‹ sowie dengroßzügigen Baueingefangen zu haben.« Souvenir-Fotosatz-Scheibe

Instant Types istdererfolgreicheVersuch, aussterbende Beschrif-tungen zu erhalten. Dazu digi-talisierte  Just van Rossum den

Streifen einer Dymo-Prägepi-stole, Schablonen-Lettern auf Karton, eine Bananenkisten-Schrift und zwei Stempel-Alpha-bete. Als Dynamoe, Confidential,Flightcase, Karton und StampGothic leben sie digitalweiter.

Eine der Vorlagen für die Instant Types

Clarendon erschien schon 1845,geschnitten von Benjamin Foxfür die Londoner Fann Street

Foundry.SiewardieersteSchriftmit Urheberschutz. Durch ihreenge Verwandtschaft zur klas-

sizistischen Antiqua, insbeson-dere der Zeitungsschrift Cen-

tury, prägt sie Zeilen deutlichaus. Tropfenserifen machen siegut lesbar. 1953 zeichnete Her-mann Eidenbenz im Auftrag vonHaas eine Clarendon-Familie.

Clarendon Typografik des New YorkerDesigners Andrew Kueneman

Triplex ist Zuzana Lickos ersteSans-Serif-Schrift. Sie entstandaus geometrischen Buchstabenundenthält Anlehnungen an diezuvor erschienene Citizen. Beiihrem Erscheinen war Triplexeineder ersten Neuentwürfe fürdie digitale Generation. DiesenAnspruch unterstrich sie miteiner extravaganten Geometrie.

Nach ihrer Premiere wurde dieSchrift kontinuierlich ausge-baut,  John Downer  lieferte eineskurrile Italic.

Triplex entstand aus geometrischenPixel-Buchstaben

Eigentlichist Ed Benguiat Schlag-zeuger, mit einem Diplom desBrooklynCollegeofMusic.UnterdemPseudonym»EddieBenart«

spielte er mit berühmten Musi-kernwieStan Kenton und WoodyHerman. Sein Vater war Anzei-gendirektor bei Bloomingdale’s

undmachteihnmitderWeltdesDesigns bekannt.Nach einem Studium an derColumbia University und derWorkshop School of AdvertisingArt in New York, wird Benguiat1953 Associate Art Director vonEsquire und eröffnet im glei-chen Jahr sein eigenes Design-

studio. Ab 1962 arbeitet er beiPhotolettering Inc. als Typogra-phic Design Director. 1970 wirder Vizepräsident der von Herb  Auch in Moskau eine beliebte Schrift:

ITC Benguiat (Foto: Paratype)

Eine der wenigen Exklusiv-schriften der Scangraphic Dr.

Böger GmbH in Hamburg (56Today Sans). Hermann Zapfschuf sie als technische maßge-schneiderte Lösung für deren

CRT-Fotosatz-Belichter. Sie isteine enge Verwandte der Pala-tino (Platz 38), mit zusätzlichenkalligrafischen Schnitten.

Schwungbuchstaben und Aldusblätter  der Zapf Renaissance

Sie wurde zunächst nur als Ein-zelschnitt von Morris F. Bentongezeichnet.AlsAnregungdienteihm Schelter Antiqua. Rund 50

 Jahre später erweckte Photo-

lettering die Schrift zu neuemLeben und machte sie fotosatz-tauglich. Als 1970 die ITC ge-gründet wurde (siehe 23 AvantGarde), mitHilfevonPhotolette-ring, war ITC Souvenir Bestand-teil der Start-Kollektion.

 

Page 28: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 28/3228

 

Zu Zeiten des Fotosatzes warBodoni (Platz 4) Zuzana LickosLieblingsschrift. Beim Textsatzmusste sie sich gegen die Schrift

entscheiden,weilihreKontrastezu stark waren. 1996 beschlosssie, eine eigene Interpretationder Bodoni zu schaffen. Filosofiahat weniger Kontrast, abgerun-dete Serifen und überrascht mitder Unicase-Version.

Einführungsposter für Filosofia,die von Bodoni inspiriert ist 

FürdiedreiSchriftendesChalet-Pakets – Spielarten bekannterKlassiker wie Helvetica, Futura

und Avant Garde – erfindenHouse Industries eine Entste-hungsgeschichte um einen fik-tiven Designer namens René

 Albert Chalet. Er soll in den 40er Jahren sein Geld mit Mode ver-dient haben, nebenbei schuf erein paar Schriften. House führtdie internationale Designweltaufs Glatteis.

Das Märchen wird so überzeu-gend inszeniert, z. B. mitZitatenprominenterDesigner,dassvieledie Geschichte glauben. Zeit-schriften stellen di e Chalet -Schriften inklusive ihrer skur-rilen Entstehungsgeschichtevor, ohne zu ahnen, dass sie freierfunden ist.Es gibt auch Kritik. Rudy Van-derlans von Emigre hält über-haupt nichts von diesem Coup:»Man kann den Menschen alles

über das Entstehen einer Schrifterzählen, weil diese Disziplinweitgehend unter Ausschlussder Öffentlichkeit stattfindet.«

Die Chalet-Silhouetten knüpfenan die (erfundene) Geschichte

ihres Entwerfers an

Quay Sans war ei n Vorbote jener funktionalistischen Sans-Serifs aus Europa, die bis zum

 Jahrtausendwechsel die Neuer-scheinungen dominierten. Siebesteht aus einfachen, fast kon-trastlosen Buchstaben mit mini-mal ausgestellten Strichenden ...bestens geeignet für Texte undHeadlines. Kritiker bemängelnbisweilen die geschlossenen For-men und kleinen Punzen.

Inspiriert von der HandschriftPaul Cézannes entstand dieseScript 1995 für das PhiladelphiaMuseum of Art . Cézanne wurdemehrfach erweitert und jüngstins OpenType-Format transpo-niert, was ihre Lebendigkeit dra-

matisch steigerte: 1200 Zeichenbieten Sprachunterstützung fürOsteuropa sowie automatischeBuchstabenwechsel.

Die Schrift Cézanne auf einemSting-Cover von 2003

Als Carlos Winkow (eigentlichCarl Winckow) 1938 Reporter

für die Ingolstädter Gießerei Johannes Wagner schuf, rech-

nete niemand mit einem jahr-zehntelangen Erfolg. Doch als(vereinfachte) Reporter No. 2

überlebte die »trockene Pinsel-schrift« mehrere Technologie-wechsel . Sie hat Charme undwirktwieeinZeitzeugeauseinerEpoche, in der Pressefotografennoch Blitzlichtpulver zündeten.

Im Schriftunterricht der Yale-Universität studierte Ronald Arnholm ein Buch von Eusebius,1470 gesetzt in einer SchriftNicolas Jensons. Er war so faszi-niert von den Lettern, dass er indenfolgendenJahreneineeigeneFamilie daraus entwickelte,die ITC Legacy. Für die Kursive

diente eine Garamond aus dem16. Jahrhundert als Vorlage. DasGrundgerüstist sotragfähig,dasser dazu die passende Sans schuf.

ITC Legacy Sansauf dem Cover einesdänischen Taschen-

buchs (Design:Klaus E. Krogh)

 

Page 29: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 29/3229

 

Font Bureau nennt sie »High-style-Alternative« zur Schwei-zerischen Sans. Die Inspirationzu Agenda l ieferte bereitsEdward Johnstons LondonerUnderground-Schrift aus dem

 Jahre 1916. Greg Thompsonbaute daraus eine 54-schnittigeFamilie, einschließlich vitalerItalics und jeder Menge schmallaufender Versionen.

Eine unglaublich einprägsame,s tä mm ige P ins els ch ri ft v onUnderware mit zwei kontras-tierenden Stilen: verbunden

oder als Blockbuchstaben. Diesorgfältige Metrik und ein aus-gekl ügeltes Kern in g la ss enBello-WörterwieauseinemGusserscheinen. Dazu leistenüber 60Ligaturen sowie Anfangs- undEndstriche ihren Beitrag, dieunter OpenType automatischgesteuert werden. Bei den Arbeiten für die Beschil-

derung eines historischen Muse-ums stieß Frank Heine auf eineHandschrift aus dem Jahre 1799,die ihn faszinierte. Er versuchte

sie zu digitalisieren, startetemiteiner stark geneigten Script, zuder später eine Antiqua kam. Dasich die heterogenen Schnitte

Die Mistral gehört genauso wiedie von Excoffon geschaffenenBanco und Choc zu den immerwieder gern verwandten Wer-

beschriften der 50er Jahre. Siehaben Charme und verkörperneine optimistische Typografie.In den USA wird Mistral nochheute viel fürLogos eingesetzt.

Logo des KulturveranstaltersLamar Arts

Made with Agenda: Logo des Online-Weinhändlers Brix (Singapur)

gleichwohl mischen lassen, lädtDalliance zu spannenden typo-grafischen Experimenten ein– nicht zuletzt durch Alternativ-und Schwungbuchstaben sowie

Ligaturen und Zierrat. Wie alleSchriften Heines zeichnet sichauch Dalliance durch die Liebezu Detail undQualität aus.

 

Page 30: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 30/32

impressum

Herausgeber: FontShop AG, Berlin, Januar 2007Redaktion, Texte: Jürgen Siebert, Claudia GuminskiGestaltung: Moniteurs, www. moniteurs.deSchriften: FF Parable, Dispatch, Stainless

Angebot nur für Industrie, Handel und Gewerbe

Preise zzgl. MwSt. + VersandÄnderungen vorbehalten

Antique Olive, Avenir, Bell Gothic, Clarendon, Frutiger, Helvetica,Kabel, Metroblack, Mistral, News Gothic, OCR A, Optima, Palatino,PMN Caecilia,Peignot, Trade Gothic, Sabon, Syntax, Swift Times,Univers, Wilhelm Klingspor Gotisch, Zapfino are trademarks ofLinotype GmbH and may be registered in certain jurisdict ions.

literatur

Truong, Siebert, Spiekermann: FontBook, FSI, Berlin 2006Middendorp, Spiekermann: Made with FontFont, BIS, Amsterdam 2006Klein, Schwemer-Scheddin, Spiekermann: Typen & Typografen,Edition Stemmle, Schaff hausen 1991Blackwell: 20th Centur y Type, Laurence King, London 1992Friedl, Ott, Stein: Typo wann, wer, wie, Könemann, Köln 1998Anne Cuneo: Garamonds Lehrmeister, Limmat Verlag, Zürich 2004Frank Heine: Type & Co., Gmeiner Verlag, Meßkirch 2003Cruz, Barber, Roat: Hosue Industries, Die Gestalten, Berli n 2004Bertheau, Hanebutt-Benz, Reichardt:Buchdruckschriften des 20. Jahrhunderts, TH Darms tadt 1995Baines, Haslam: Lust auf Schrift, H. Schmidt, Mainz 2002Binder: Ein typografisches Handbuch , Diplomarbeit, Würzburg 1995Günter Schuler: Body-types, Smart Books, Kilchberg (CH) 2003Ralf Herrmann: Index Schrift, mitp, Landsberg 2003Leslie Cabarga: Logo Font & Lettering Bible, How, Cincinnati 2004Adobe Systems: Adobe Type Library Reference Bo ok, San Jose 1999Adobe Systems: Minion, Einführungsbroschüre, Mountain View 1990Max Caflisch: Schrif tanalysen Band 1 u. 2, Typotron, St. Gallen 2003-05

zeitschriften

PAGE 1989 – 2001DE:BUG 2000 – 2001

online

www.linotype.comwww.identifont.comwww.typografie.info

www.typolexikon.dewww.wikipedia.orgwww.klingspor-museum.dewww.sabon.orgwww.graphic-design.com/Type

 journal .aig a.org

bildnachweise

S. 1: FontShop (F), Moniteurs (M)S. 2/3: studio adhoc, MS. 4/5: M (3), Linotype (2), F (2), Erik Spiekermann, Jürgen SiebertS. 6/7: Jan Middendorp (3), Octavo/Bridwell Library (2),M (2), amazon, The TimesS. 8/9: m (3), New York City Transit Authority,Hanswerner Holzwarth, Harry Ransom Center, Linotype, ATFS. 10/11: M (3), LucasFonts, Wikipedia, F,Erik Spiekermann (2), Mayo Nissen

S. 12/13: Typo Magazine Nr. 17, Emigre, Wikipedia,F, Rob Hunter, worth1000.com, D. StempelS. 14/15: M (3), F, Jürgen Siebert, Andreas Garrels, Ourtype, SpringerS. 16/17: M (2), FSI, Agfa, Amazon, Linotype (2),Nasa, Bertram Schmidt-FriderichsS. 18/19: M (3), Stephen Coles, Raision Seurakunta,Pentagram, Jürgen Siebert, Firmin Didot Family Collection,Allianz, Capitol RecordsS. 20/21: M (3), F (4), Linotype, Air France,Armin Pelzer, Purup, Marc Eckardt, FSIS. 22/23: FSI, F, Jürgen Siebert, Emigre,Veronika Elsner, ifa, Polydor, DisneyS. 24/25: Fred Smeijers, Ralf Herrmann, M (2), customhouse-numbers,Marc Eckardt, 20th Century Fox, Schein Berlin, Jürgen Siebert, URWS. 26/27: M (3), Klingspor, Universal, Emigre, LucasFonts,F, Paratype, Andrew Kueneman, FSI, ITCS. 28/29: M (4), House Industries, Emigre,

Gerhard Kassner, A&M Reco, brix, Lumar ArtsS. 30/31 M (2), S. 32 FSI, M

Page 31: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 31/32

Page 32: FontShop 100 Beste Schriften

7/18/2019 FontShop 100 Beste Schriften

http://slidepdf.com/reader/full/fontshop-100-beste-schriften 32/32

Bei Unzustellbarkeit oder Mängeln in der Anschrift –

Anschriftenberichtigungskarte senden an

FontShopag, Bergmannstraße 102, 10961 Berlin

15 Jahre nach der Erstausgabe

erscheint das FontBook in der

vierten, von Grund auf über-