extrusion von pvc-glattrohren vor ort in 27 tagen rund um ... · der name ist programm. betreiben...

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TITELSTORY Extrusion von PVC-Glattrohren In 27 Tagen rund um die Welt Gesprächspartner des Plastver- arbeiters: Sokrates Giapapas (li.) und Jürgen Schulz (re.) von den Fränkischen Rohrwerken sowie Gerd Müller (mi.) von der Battenfeld Extrusionstechnik vor Ort 22 PLASTVERARBEITER 56. Jahrg. (2005) Nr. 4 Im Werk Schwarzheide der Fränkischen Rohrwerke betreibt man unter anderem eine Fertigungslinie der Battenfeld Extrusionstechnik zur Herstellung von Glattrohren aus PVC-U. Interessante Merkmale der Linie wie zum Beispiel das serienmäßig vertikal angeordnete Dosiergerät, die Netzwerkanbindung oder der integrierte Muffautomat verleiten zu einem näheren Blick auf die Extrusionslinie.

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Page 1: Extrusion von PVC-Glattrohren vor Ort In 27 Tagen rund um ... · Der Name ist Programm. Betreiben die Fränkischen Rohrwerke mit Hauptsitz in Königsberg doch über 200 Produkti-onsanlagen

TITELSTORY

Extrusion von PVC-Glattrohren

In 27 Tagen rund um die Welt

Gesprächspartner des Plastver-arbeiters: Sokrates Giapapas (li.) und Jürgen Schulz (re.) von den Fränkischen Rohrwerken sowie Gerd Müller (mi.) von der Battenfeld Extrusionstechnik

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22 PLASTVERARBEITER 56. Jahrg. (2005) Nr. 4

Im Werk Schwarzheide der Fränkischen Rohrwerke betreibt man unter anderem eine Fertigungslinie der Battenfeld Extrusionstechnik zur Herstellung von Glattrohren aus PVC-U. Interessante Merkmale der Linie wie zum Beispiel das serienmäßig vertikal angeordnete Dosiergerät, die Netzwerkanbindung oder der integrierte Muffautomat verleiten zu einem näheren Blick auf die Extrusionslinie.

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Der Name ist Programm. Betreiben die Fränkischen Rohrwerke mit Hauptsitz in Königsberg doch über 200 Produkti-onsanlagen auf denen täglich mehr als 1 500 km an unterschiedlichsten Rohr-typen entstehen – sei es mit einem Durchmesser von 3 mm für die Spiel-zeugindustrie oder 800 mm für die Re-genwasserbewirtschaftung und Ent-wässerungen. „Damit haben wir in we-niger als 27 Tagen die Erde mit unserer Produktion einmal umrundet“, so der gebürtige Grieche Sokrates Giapapas. Nach langjähriger leitender Tätigkeit bei den Bayern ist der Verfahrensinge-nieur und Experte in Sachen Extrudieren nach Erreichen der Altersgrenze heute in beratender Funktion für das Unter-nehmen tätig. Insgesamt verarbeiten die Bayern an allen Standorten täglich rund 220 t Kunststoffe für die Rohr-extrusion und weitere 45 t im Spritz-guss und Rotationsverfahren. Wobei das Werk Schwarzheide in der branden-burgischen Lausitz gelegen einen nicht unerheblichen Teil dazu beiträgt – nicht unbedingt in Metern, dafür umso mehr in Tonnen. Denn hier entstehen vor allem die größeren Dimensionen von 80 mm Durchmesser an aufwärts bis 700 mm. Seit Sommer 2004 steht in Schwarzhei-de unter anderem eine Extrusionslinie der Battenfeld Extrusionstechnik (BEX), Bad Oeynhausen. Darauf entstehen glatte Abwasser- und Druckrohre aus PVC-U in den Nennweiten 110 bis 400. Die Leistung beträgt bis zu 750 kg/h (technische Daten siehe Textkasten). „Die Anlage zeichnet sich durch einige interessante Merkmale aus“, erläutert Werkleiter Jürgen Schulz. „Da wäre zum einen das serienmäßig vorhan- dene Dosiergerät in vertikaler Bau- weise zu nennen. Es ermöglicht einen höheren Durchsatz und sorgt zugleich für eine bessere Homogenität beim Füllen im Vergleich zu sonst üblichen horizontalen Ausführungen.“ Zum an-deren ist für Schulz auch die Bexalit- Beschichtung erwähnenswert, erhöht sie die Standzeit der Schnecke doch spürbar. Wie sehr, darüber kann der Franke noch keine Auskunft geben, war bisher noch kein Austausch der Schnecke erforderlich. Informationen dazu kann aber Dipl.-Wirtsch.-Ing. Gerd Müller in seiner Funktion als Leiter des Produktbereiches Rohrex- trusion bei der Battenfeld Extrusions-technik in Bad Oeynhausen geben:

„Wir garantieren zumindest eine Ver-dopplung der Standzeit im Vergleich zu Standardschnecken. Abhängig vom Rohstoff, Füllstoff und Füllgrad sowie der Durchsatzleistung kann es aber auch mehr sein.“ Wobei die Beschichtung dem Kunden noch nicht einmal einen Mehrpreis abverlangt – bei einer Neuinvestition. Nur bei Ersatz-bestellungen sei die Schnecke geringfü-gig teurer als eine unbehandelte.

Kontinuierliche Prozessoptimierung durch

Vernetzung

Wichtig war Giapapas und Schulz bei der Entscheidung für die Battenfeld-Anlage zudem die Möglichkeit, die be-triebseigene EDV mit der Extrusionslinie vernetzen zu können. Giapapas dazu: „Durch die Vernetzung sind wir in der Lage echte Langzeitstudien durch-

ist Voraussetzung um regulierend ein-greifen zu können und den Prozess kontinuierlich zu verbessern. So lässt sich die Qualität der Produkte weiter er-höhen und auch der Anfahrausschuss reduzieren“. Nebenbei bemerkt: Wie heute allgemein bekannt lässt sich bei der PVC-Verarbeitung der Ausschuss durch den Einsatz einer speziellen An-fahrrezeptur bei Produktwechseln re-duzieren. Auch kommt man ohne ein Reinigen des Spritzkopfes zurecht. Und die Idee zu einer Anfahrrezeptur und auch die erste Entwicklung stammt von Sokrates Giapapas, erfolgt um 1966 herum. Giapapas: „Damals eine beson-dere Innovation hat diese Vorgehens-weise in der Rohrextrusion sehr schnell Einzug gehalten.“ Ein weiterer, für die Fränkischen Rohr-werke wichtiger Aspekt war die Flexibi-lität der BMCplus Steuerung in Sachen Integration, wie BEX-Mann Müller er-

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Produziert werden auf der Extrusionslinie Abwasser- und Druckrohre aus PCV-U mit Durchmessern von 110 bis 400 mm. Die Wandstärken betragen 2,2 bis 19,1 mm, die Rohrmetergewichte 1,16 bis 33,7 kg/m. In Abhängigkeit von der Rohrdimension liegt die Leistung der Anlage bei 600 bis 750 kg/h, das entspricht Abzugsgeschwindigkeiten von 0,2 bis 5,0 m/min. Die Gesamtlänge der Anlage liegt bei 45 m. Als Extruder kommt der Typ BEX 2–92–28V mit folgenden Daten zum Einsatz: Schneckendurchmesser 92 mm; Schneckenlänge 28 L/D; Motorleistung 69 KW; max. Schneckendrehzahl 35 –1/min; max. Schneckendrehmoment 1 570 daNm. An Werkzeugen finden sich zwei Stück in Steg-dornbauweise für die Durchmesserbereiche bis 160 mm (max. Durchsatzleistung 600 kg/h) und von 200 bis 400 mm (max. 1 000 kg/h). Es folgen Vakuumkalibrator, Raupen-abzug, Säge, Muffautomat und Rohrstapelanlage.

Die Extrusionsanlage

zuführen, langfristige Trends zu erfas-sen, nicht nur über ein/zwei Tage oder Wochen sondern über Monate hinweg. Das ermöglicht uns quasi in die Anlage hineinzublicken, zu verstehen was mit dem Material passiert. Das wiederum

gänzt. „Einen Korrugator oder andere Peripherie in die Steuerung des Extru-ders einzubinden ist kein größeres Pro-blem. Bei der PVC-Linie spielt das zwar keine Rolle da sie komplett von uns kommt, bei anderen Anlagen in

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Bei den 1906 als Isolierrohr- und Metallwaren-Werk in Schweinfurt gegründeten fränki-schen Rohrwerken mit Hauptsitz in Königsberg/Bayern sind heute über 1 300 Mitarbei-ter an sieben Standorten in Deutschland, Europa, den USA und seit April auch in China beschäftigt. Der Umsatz liegt bei ungefähr 200 Mio. Euro. Durch ständige Innovationen und kontinuierliches, gesundes Wachstum besteht heute bereits in 3. Generation ein un-abhängiges Unternehmen unter Leitung der Geschäftsführer Helmut Kirchner und Otto Kirchner. Entwickelt und produziert werden Well- und Kunststoffrohr-Systeme für die Be-reiche Drainage, Elektro, Haustechnik und Industrie. Komplexe Entwässerungs-Systeme sowie umfangreiche Elektro-Installationsrohr-Systeme im Hoch-, Tief- und Anlagenbau, Heizungs- und Trinkwasserversorgung in der Haustechnik oder Kabelschutz und Fluidlei-tungen für die Automobilindustrie sind einige Beispiele für Systemlösungen. Insgesamt betreibt man über 200 Extrusionsanlagen. Im Werk Schwarzheide sind derzeit 82 Mitarbeiter beschäftigt, hier entstehen Rohrsyste-me für Regenbewirtschaftung und -nutzung, Straßen- und Verkehrswegebau, Kabel-schutztechnik, Kanalisation, Drainung und Versickerung. Mit modernen Kunststoffwell-rohranlagen, einem Team hoch motivierter Mitarbeiter aus der Region, kontinuierlichen Produkt- und Personalentwicklungskonzepten und gesellschaftlichen Engagement wur-de ein für Brandenburg wichtiger Standort geschaffen.

Integriert in die Extrusionslinie ist auch ein Muffautomat zur Herstellung von gummiringgedichteten Steckmuffen sowie Klebemuffen an Druck- und Kanalrohren. (Bilder: SMS)

auf der Anlage Rohre nur bis zur Nenn-weite 400 produziert werden, „möglich wäre aber auch ein Durchmesser von 450 mm“, ergänzt Jürgen Schulz. Wo-bei die Köpfe nicht allzu häufig zu wechseln sind. „Da wir auch auf Lager fertigen, laufen die einzelnen Produkte eine Woche bis hin zu einem ganzen Monat.“ Dementsprechend sind Tech-nologien zum kontinuierlichen Dimen-sionswechsel für Giapapas und Schulz noch kein Thema. Außerdem gibt es die Systeme derzeit nur für Rohrdurchmes-ser bis 250 mm. Für die BEX sind Syste-me zum kontinuierlichen Dimensions-wechsel in der Rohrextrusion jedoch sehr wohl ein Thema. Gerd Müller: „Heute beschäftigt sich ein jeder damit so auch wir. Dementsprechend wird es ein Thema unseres Open-House im Juni des Jahres sein. Wir werden gemeinsam mit Inoex die erste vollautomatisch ver-stellbare Advantage-Rohrlinie präsen-tieren.“ (mehr zu kontinuierlichem Di-mensionswechsel siehe Fußnote)

Bei der Extrusionslinie kommen Extru-der, Werkzeuge sowie die Nachfolge-einrichtungen von BEX. Schulz: „Auch ein positiver Aspekt, sind die einzelnen Aggregate doch optimal aufeinander abgestimmt.“ Dem Extruder folgen an Peripherie der Vakuumtank in Doppel-kammerausführung – dadurch lässt sich bei Produktionsstart sehr schnell das Vakuum erzeugen was den Anfahraus-schuss reduziert – dann der Raupen-abzug, Säge, Muffautomat und die Rohrstapelanlage. Die Maximalleistung von 750 kg/h lässt sich übrigens ohne eine zusätzliche Kühlstrecke nach dem Vakuumtank erreichen. Das spart eini-ges an Platz ein, ist die Anlage doch im-merhin 45 m lang. Nicht alltäglich ist auch der Muff-automat, versieht er doch Rohre bis 500 mm vollautomatisch mit gummiringge-dichteten Steckmuffen oder mit Klebe-muffen. Dazu wird das Rohr durch eine angetriebene Rollenbahn in die Trans-porteinheit eingezogen, von einem Endschalter gestoppt und in die Anwär-mebene gefördert. Am Rohr haftende Späne bläst eine Drucklufteinrichtung ab. Anschließend fährt der Infrarotofen vor und erwärmt das Rohr auf eine be-stimmte Temperatur. Ist sie erreicht fährt der Ofen zurück und ein Hubbal-ken fördert das Rohr in die Muffebene. Ein Werkzeug fährt dann in das Rohr

Fränkische Rohrwerke

Schwarzheide ist diese Offenheit je-doch umso wichtiger.“ So finden sich BEX-Extruder in weiteren Extrusionslini-en wieder, die Nachfolgeeinrichtungen stammen jedoch von den Fränkischen Rohrwerken selbst – und zwar die Kor-rugatoren und die Nachfolgeeinrich-tungen für die Wellrohrproduktion, die die Bayern selbst entwickelt haben und auch bauen. „Umso wichtiger sind pas-sende Schnittstellen, um die Aggregate in die Steuerung einbinden zu kön-nen“, betont Gerd Müller.

Zu hundert Prozent ausgelastet

Wichtig bei der Investitionsentschei-dung war zudem eine möglichst hohe Verfügbarkeit der Linie. Immerhin läuft sie an rund 360 Tagen im Jahr rund um die Uhr, ist zu hundert Prozent aus-gelastet. Längere Stillstandzeiten durch Fehler an der Linie wären nicht akzepta-bel. Battenfeld hat diesbezüglich eine 98 prozentige Verfügbarkeit garantiert. Um Rohre in den Nennweiten 110 bis 400 fertigen zu können, setzt man zwei Spritzköpfe ein – einer für den Durch-messerbereich bis 160 mm, der andere für die Nennweiten 200 bis 450. Wobei

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www.fraenkische.de

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ein und formt die Muffe aus. Nach Ab-lauf der Kühlzeit erfolgt der seitliche Auswurf des fertigen Rohres auf den Rohrwender zur Stapelanlage. Gerd Müller dazu: „Das Ausformen der Muf-fe in einer Druckkammer sorgt für eine hohe Maßhaltigkeit bei schwankenden Rohrwanddicken, ermöglicht ein exak-tes Ausformen kleiner Innenradien und sorgt für geringe Umrüstkosten bei wechselnden Druckstufen.“ Gesteuert wird die Linie mittels der schon kurz angesprochenen BMCplus Steue-rung, weiter findet sich eine gravimetri-sche 3-Komponenten Dosierung und ein hochgenaues Ultraschall-Wanddicken-messgerät. „Letzterem kommt in Zeiten stark gestiegener Rohstoffpreise eine be-sondere Bedeutung bei, kann man mit der exakt arbeitenden Regelung doch si-cher an die untere Toleranzgrenze fahren, was den Materialverbrauch etwas redu-ziert“, so Jürgen Schulz.

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Mehr zum Thema kontinuierlicher Dimen-sionswechsel in der Rohrextrusion findet sich in der vorliegenden Ausgabe auf Seite 26 im Beitrag über Inoex sowie im Internet unter www.plastverarbeiter.de, Suchbegriff Dimensionswechsel.

Alles in allem scheint man mit der Extru-sionslinie der BEX bei den Fränkischen Rohrwerken im Werk Schwarzheide sehr zufrieden. „Ein nicht unwesentli-ches Kriterium bei der Investitionsent-scheidung, die komplette PVC-Rohr-linie von Battenfeld zu erwerben waren die guten Erfahrungen mit den einzel-nen Extrudern des Maschinenbauers“, so Jürgen Schulz. „Zumal auch der technische Service stimmte“, ergänzt Sokrates Giapapas, „und Hilfe bei Pro-blemen gegeben war und ist, die nicht unbedingt mit den Extrudern zu tun hatten – etwa in der Produktentwick-lung“. Die spielt bei den Fränkischen Rohrwerken wie Giapapas und Schulz betonen eine immens wichtige Rolle, lasse sich nur durch innovative Produkte an Hochlohnstandorten wettbewerbs-fähig produzieren. Und Innovative Pro-dukte erfordern den Einsatz moderner Fertigungstechniken. „Wir produzieren

stets nach dem neuesten Stand der Technik“, so Giapapas. „Auch greifen wir neue Erkenntnisse aus Material- und Produktforschung so bald als mög-lich auf und setzen sie um, ebenso wie die Erfahrungen und das Feedback aus unserer laufenden Produktion. Damit entsprechen unsere Produktionsanla-gen wie auch die darauf produzierten Rohrtypen immer dem Stand der Tech-nik.“ Werner Götz