experimentelle untersuchungen zur klinischen anwendung und Überwachung der inhalationsnarkose bei...

32
Zbl. Vet. Med. A, 26, 341-372 (1979) @ 1979 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0300-871 l/ASTM-Coden: ZVRAAX Aus dern Zentralen Tierlaboratorium fur Experimentelle Medizin der Universitat Essen Leiter: Priv. Doz. Dr. K. Bonath und dern Department fur Biometrie und Medizinische In formatik der Medizinischen Hochschule Hannover, Abteilung Biometrie Leiter: Prof. Dr. B. Schneider Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien Von K. BONATH und C. ZSCHEGE Mit einer Abbildung und 13 Tabellen (Eingegangen am 30. Oktober 1978) Zur Immobilisation und Narkose der Kaltbluter wird von alters her die Hypothermie eingesetzt. Temperaturen von 3 bis 5 OC fuhren in 10-15 Minuten zur Kaltestarre. Die Reaktionslosigkeit (Bewegungslosigkeit) der Tiere bei schmerzhaften EingrifFen tauscht dann Analgesie vor, obgleich das Schmerzempfinden wahrscheinlich noch weitgehend erhalten ist (BONATH, 1977). Erst Temperaturen um den Gefrierpunkt fuhren vermutlich zu einer Dampfung des Schmerzempfindens. Die Hypothermie zum Zwecke der Schmerzausschaltung ist daher abzulehnen, solange permanente pathologische Folgeschaden, wie sie durch extreme Unterkuhlung entstehen, nicht mit Sicher- heit vermieden werden konnen. Die Inhalationsnarkose ist heute die am haufigsten angewandte Narkose- form bei Reptilien. Sie ist steuerbar, so dai3 insbesondere unbekannt reagie- rende Spezies durch Gaben von Frischluft oder reinem Sauerstoff in kurzer Zeit wieder in ein anastesiefreies Stadium uberfuhrt werden konnen - ein Vorteil, der gegenuber Injektionsnarkosen (BONATH, 1977, 1975) ein schnelles Reagieren auf unvorhergesehene Narkosezwischenfalle ermoglicht. Die Narkose der Reptilien wird in der Literatur im allgemeinen nur an Hand von Einzelfallen beschrieben. Umfassende Untersuchungen uber die Inhalationsnarkose an grofleren, moglichst artenreichen Tierkollektiven gibt es bisher nicht. Die vorliegende Arbeit informiert deshalb uber Untersuchungs- U. S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0300-871 1/79/2605-0341$02.50/0

Upload: pd-dr-k-bonath

Post on 03-Oct-2016

217 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Zbl. Vet. Med. A, 26, 341-372 (1979) @ 1979 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0300-871 l/ASTM-Coden: ZVRAAX

Aus dern Zentralen Tierlaboratorium f u r Experimentelle Medizin der Universitat Essen

Leiter: Priv. Doz. Dr. K . Bonath

und dern Department fur Biometrie und Medizinische In formatik der Medizinischen Hochschule Hannover, Abteilung Biometrie

Leiter: Prof. Dr. B . Schneider

Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Uberwachung

der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Von

K. BONATH und C. ZSCHEGE

Mit einer Abbildung und 13 Tabellen

(Eingegangen am 30. Oktober 1978)

Zur Immobilisation und Narkose der Kaltbluter wird von alters her die Hypothermie eingesetzt. Temperaturen von 3 bis 5 O C fuhren in 10-15 Minuten zur Kaltestarre. Die Reaktionslosigkeit (Bewegungslosigkeit) der Tiere bei schmerzhaften EingrifFen tauscht dann Analgesie vor, obgleich das Schmerzempfinden wahrscheinlich noch weitgehend erhalten ist (BONATH, 1977). Erst Temperaturen um den Gefrierpunkt fuhren vermutlich zu einer Dampfung des Schmerzempfindens. Die Hypothermie zum Zwecke der Schmerzausschaltung ist daher abzulehnen, solange permanente pathologische Folgeschaden, wie sie durch extreme Unterkuhlung entstehen, nicht mit Sicher- heit vermieden werden konnen.

Die Inhalationsnarkose ist heute die am haufigsten angewandte Narkose- form bei Reptilien. Sie ist steuerbar, so dai3 insbesondere unbekannt reagie- rende Spezies durch Gaben von Frischluft oder reinem Sauerstoff in kurzer Zeit wieder in ein anastesiefreies Stadium uberfuhrt werden konnen - ein Vorteil, der gegenuber Injektionsnarkosen (BONATH, 1977, 1975) ein schnelles Reagieren auf unvorhergesehene Narkosezwischenfalle ermoglicht.

Die Narkose der Reptilien wird in der Literatur im allgemeinen nur an Hand von Einzelfallen beschrieben. Umfassende Untersuchungen uber die Inhalationsnarkose an grofleren, moglichst artenreichen Tierkollektiven gibt es bisher nicht. Die vorliegende Arbeit informiert deshalb uber Untersuchungs-

U. S . Copyright Clearance Center Code Statement: 0300-871 1/79/2605-0341$02.50/0

Page 2: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

342 BONATH und ZSCHEGE

ergebnisse experimenteller Inhalationsnarkosen, die mit Hilfe einfacher Unter- suchungsmethoden gewonnen wurden. Neben praxisbezogenen Narkosever- fahren werden die Moglichkeiten der Narkoseuberwachung an Hand einfach zu prufender Reflexe, Kreislauf- und Atemreaktionen geklart. Ober Narkose- nachsorge und Wiederbelebung, uber die Narkoseschlafdauer der Reptilien und Faktoren, die sie beeinflussen, wird berichtet. - Ausgenommen von dieser Arbeit sind Schildkroten, da atemphysiologische Besonderheiten bei Vertre- tern dieser Reptilienordnung eine Inhalationsnarkose unmoglich machen. Im Rahmen einer in Vorbereitung befindlichen Dissertation werden von H.- J. APELT jedoch geeignete Narkoseverfahren fur Schildkroten erarbeitet.

1. Literatur 1.1. Indikationen

Als Indikationen sind experimentell-anasthesiologische Studien zu nen- nen. Sie haben zum Ziel, allgemeine Fragen der Reptilien-Narkose sowie physiologische Reaktionen dieser Tierklasse auf verschiedene Inhalationsnar- kotika zu klaren (BONATH, 1977; SCHLEICH, 1973; CALDERWOOD, 1971; FRYE u. Mitarb., 1967; HUNT, 1964; KAPLAN u. TAYLOR, 1957; BRAZENOR u. KAYE, 1953). - Ein groi3er Anteil an publizierten Einzelerfahrungen liefert Infor- mationen uber die Anwendung der Inhalationsnarlrose bei chirurgischen Ein- griffen, wie Laparotomien, Tumor-Extirpationen, Entfernen der Giftdrusen und sonstigen tierarztlichen Eingriff en (JACKSON, 1974, 1970; STUNKARD u. MILLER, 1974; FRYE u. DUTRA, 1973; ROBINSON, 1973; ZWART u. Mitarb., 1973; FRYE, 1972; COOPER, 1971; ZWART u. LAGERWIJ, 1971; BURKE u. WALL, 1970; WALLACH, 1969; FRYE u. Mitarb., 1967; GANDAL, 1966 a, b; LUMB, 1963; TAIT, 1938).

Beim Umgang mit giftigen oder in anderer Weise gefahrlichen Reptilien wird die Inhalationsnarkose eingesetzt (KAPLAN, 1969; GANS u. ELLIOT, 1968; BELLAIRS, 1967; HACKENBROCK u. FINSTER, 1963). Das gilt auch fur schonende Zwangsfutterungen und Giftentnahmen. Nach HACKENBROCK und FINSTER (1963) liefern narkotisierte Schlangen mehr Gift als wache Tiere.

1.2. Narkosetechnik An Inhalationsnarkotika werden bei Reptilien Halothan (Hoechst ; Fluo-

thane, ICI), Ather pro narcosi, Methoxyfluran (Penthrane, Abbott), Trichlor- oethylen (Narcosoid, Heyl) und Chloroform eingesetzt. Tabelle 1 infor- miert uber Konzentration und Anwendung bei verschiedenen Reptilienspezies.

Die einfachste Moglichkeit der Verabreichung von Inhalationsnarkotika bietet die Narkosezelle (KAPLAN, 1969; WALLACH, 1969; BELLAIRS, 1967; GANDAL, 1966a, b; HUNT, 1964; HACKENBROCK u. FINSTER, 1963; KAPLAN

Abb. 1. BRAZENOR und KAYE (1953) stiilpen sedierten Reptilien eine trichterforrnige Haube uber den Kopf, die den Hals rnit einer Gurnrnirnanschette (z. B. Gumrni- fingerling) locker umschlieflt. An die Haube schliei3t sich ein Ballon an, in den auf Gaze getraufeltes Inhalationsnarkotikurn deponiert werden kann. Eine Offnung an der Haube dient der Zufuhr von Sauerstoff oder Frischluft und dem

Austritt der Exspirationsluft

Page 3: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwahung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 343

Inhalations- narkotikum [Hersteller]

lalothan Halothan

u. TAYLOR, 1957; TAIT, 1938. Katzennarkosezelle nach Hinz der Fa. H. Haupt- ner, Solingen) oder Glasglocke, in welcher das auf Gaze getraufelte Anasheti- kum deponiert oder mit einem Zerstauber verspruht wird.

BRAZENOR und KAYE (1953) sedieren Reptilien zunachst mit einem Inhala- tionsnarkotikum in einer Zelle. Sie fuhren dann die Narkose fort, indem sie dem sedierten Tier einen Trichter uber den Kopf stiilpen, der am Hals mit

Konzentration IKonz.1, Gepruft an Narkosezeiten IMittelwerte Applikation, Umgebungs - (Anzahl der gepruften und Standardabweichungen), Autoren temperatur (Temp.) Individuen, Spezies) Reaktionsbesonder heiten

Krokodile (CROCODY LlA )

BONATH (19791 Kombination von Musket- groOe Reptilien relaxans und Halothan-

Tabelle 1 Inhalationsnarkotika und ihre Anwendung bei Krokodilen, Echsen und Schlangen. Konzen- trationen, Narkosezeiten, Besonderheiten, Autoren (auszugsweise aus BONATH, 1977). A. = Aufwachdauer; DAB 7 = Deutsches Arzneibuch, 7.Ausga.be; E. = Einleitdauer; G. :

Gesamtnarkosedauer; Kgw. = Korpergewicht; T. = Toleranzdauer; Vol. = Volumen

Uber Vapor und Maske 3 Vol. % als Initialkonzen- tration. 1.5 Val.% zum

Alligator Hoechst'; Hoechst;l inhalation. S. Kap. 1.2 I I I luothan, ICI - 'harma)

Einleitungsdauer abhangig von der Atemfreqwnz

CALOERWOOO I19711

. . Fortfuhren der Narkose

Echsen (SAURIAI

ither i ther puriss. prc arcosi. Hoechst)

hloroform )A6 71

Erst Glasglocke, dann Narkosemaske. Konz. nact Wirkung

Aus Vapor in Narkose- zelle eingeblasen. Initial- konz. 20 Vol. %, Temp. 27,SOC (5. Tab. 21. Narkosefortfuhrung mi t 8 Val,%. Mit 20-25 ml auf Gazetupfer erreicht man bei einem Vol. der Narkosezelle von 30 1 eine Konz. von ca. 20 VOl . Yo

Erst Narkosezelle, in die Ather aus einem Vapor ein. geleitet wird. dann Maske; Konz. nach Wirkung. Ather ist schwer LU verabreicher da Konz. unkontrollierbar hoch.

Nach Pentobarbital - Injek- tion (22 mg I kg Kgw., i. m.) Ather uber Maske verabreicht, dann Tri- chloroethylen (5. dort)

"Einige Tropfen" auf Gaze- tupter in gcschlossenem GefaO IVol. 5,L LI verab- reicht

ieptilien

5. Tab. 2

4ustral. Dornschwanzgeckc Diplodactylus spinigurus) 4ustral. Plattschwanzgecki Gymnodactylus platurusl 4ustral. Blutsauger Amphibolurus muricatus) 3lauzungenskink Tiliqua scincoidesl -elsenskink Egernia cunninghami)

jruner Leguan Iguana iguana)

bineneidechse Lacerta sicula, adult1

I Siedleragamen Agama agamal

iustralische Echsen Spezies wie unter Ather)

i. L1,8 2 5,8 min '. 1.5 - 21 min 3. 41.5 t 69 min

:. 5 min . 7 min h. 2 min

ingeeignet, bewirkt onisch - klonische K r h p f e

BELLAIRS ( 19671

BONAlH und Z5CHEGE

BRAZENOR ur KAYE (1953)

COOPER (1971

SCHLEICH

11973)

NVRIGHT und JONES 11957

3 R A Z E N M I

m d KAYE 119531

25"

Page 4: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

344 BONATH und ZSCHEGE

Inhalations- narkotikum IHersteller)

Konzentralion IKonz.), Gepruft an Narkosezeiten IMittelwerte Applikalion. Umgebungs- IAnzahl der gepruften und Standardabweichungen), Autoren temperalur 1Temp.l Individuen, Spezies) Reaktionsbesonderheiten

ia lo t han Halothan 'Hoechst'; Hoechsl; 'luothan, ICI- 'harma)

irichloroelhyten Narcosoid, Heyl)

i ther Aether puriss. iro narcosi, ioechst)

Kombination von Muskel- relaxans und Halothan- narkose Is. Kap. 1.21

Im einzelnen geprufte Konz. u. Temp. s. Tab. 2 .

Aus Vapor in Narkosezelle eingeblasen. Geeignete Ini- tialkonz. $5 - 4 3 Vol.%, jt nach individueller und spe- zieller Reaktion auch ho- her Is. Kap. 51. Narkose- fortfuhrung mit 1.5 Val,%. Mil 5 rnl auf Gazelupfer erreicht man bei einem Vol. der Narkosezelle von 30 I eine Konz. von ca. 3,s VOl. %.

Nach Sedierung mit Kela- min I= Kelanest, Parke- Davis, 25 mg I 1,2 kg Kgw. i. m.1, lnhalationsnarkose m i l Halothan I1 %) - 0, Nach Einleitung mit Pen- lobarbital I22 m g / k g Kgw. i. m.) und Ather Is. dortl lnhalationsnarkose m i l Tri- chloroethylen uber eine Narkosemaske

Erst Glasglocke, dann Narkosemaske. Konz. nach Wirkung.

Aus Vapor in Narkosezelle eingeblasen. Initialkonz. 20 Vol.%, Temp. 27,SoC Is. Tab. 2). Narkoseforl- fuhrung m i l 8 Vol.%. Mit 20 - 25 ml auf Gazetupfer erreicht man bei einem Vol. der Narkosezelle von 30 L eine Konz. von ca. 20 VOl. %.

Erst Narkosezelle, in die Ather aus einem V a p eingeleitel wird, dann Maske; Konz. nach Wirkung Ather ist schwer zu ver- abreichen, da Konz. unkon- trollierbar hosh.

Echsen ISAURIA)

groOe Reptilien

s. Tab. 2

1 gruner Leguan I Iguana iguanal

Gruner Leguan (Iguana iguana)

tchlanqen ISERPENTES)

Reptilien

s. Tab. 2

Je 1 lndividuum der Auslralixhen Spezies Blind. schlange ITyphlops poly- grammicus), Rautenschlange (Moleria spilo!esI, Austral. Pythonart ILiasis olivaceus) Bronzenatler IDendrelaphis punctulatusl, Nachtbaum- nalter IBoiga fusca), Tiger- otter [Notechis xutatusl, Rotbauchkobn IPseudechis porphyriacusl, Braunxhlangc IDemansia textilk), Schmkl giftnatter IDenisonia super- ba), Peitschengiftnatter IDenisonia flagellum)

Schlangen

Bei Zimmertemperatur d a w r l E. 2L f 11 min 1. 9 t 10 min A. 35 f 25 min, wenn man das Halothan mit Errei- chen des Toleranzstadiumr absetzt.

A. 16 h

3ei 25,L f 2,5V dauerl I . 45,O f 53 min . 16.1 f 8,L min 4. 35,L f 28,l min

BONATH (1979

BONATH und ZSCHEGE

ROBINSON 11973)

COOPER I1971

BELL AIRS

119671

BONATH und ZSCHEGE

nungen is1 zu rechnen

Giftige Schlangen i t h e r ungeeigne! CANS und

Page 5: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwahung der Inhalationsnarkose bei Reptihen 345

Inhalations- Konzentration (Konz.1 Gepruft an Narkosezeiten (Mittelwerte nafkotikum Applikation, Umgebungs- (Anzahl der gepruften und Standardabweichungen), [Herstellerl ternperatur [Temp.) Individuen, Spez ies I Reakt ionsbesonderheiten

einer Gummimanschette abschliei3t (Abb. 1). An ihn wird ein Ballon ange- schlossen, in welchem sich mit Inhalationsnarkotikum getrankte Gaze befindet.

Autwen

ither Aether puriss. iro narcosi, Ioechstl

~ hloroform 3AB 71

alothan Halothan Hoechst", Hoechst, luothan, ICI harmal

Schwer zu verabreichen

Athergetrankter Gazetupfer in Glasglocke

Athergetrankter Gazetupfer in Glasglocke. Zimmer- ternperatur

Nach Einleitung rnit Chlo- roform in Glasglocke, Intu- bation und Narkose mit Ather uber autornatisches System

Schwer zu verabreichen

s. Ather

Kombination van Muskel- relaxans und Halothan- narkose Is. Kap. 1.21

im einzelnen geprufte Konz. u. Temp. s. Tab. 2

Aus Vapor in Narkosezelle eingeblasen. Geeignete Ini- tialkonz. 3,s - 45 Vol. %. je nach individueller und spezieller Reaktion auch hoher (5. Kap. 51. Narkose- tortfuhrung mit 1,5 Vol.% Mit 5 m l auf Gazetupfer erreicht man bei einem Vol. der Narkosezelle von 30 1 eine Konz. yon ca. 3,s VOl. -1..

finleitung mit 200 mg 4etarnin I= Ketanest. 'arke-Davis), i. rn., dann ntubation und Halothan -

5enes System, bei 8 Atemzugen I rnin

jpezies - spezit ische Kon - rentrationen: ilapidae 5 ml I 2 7 1 rlarkosezellen - Volumen, /iDeridae 12 - 15 rnl I 2 7 I

- Narkose uber geschlos-

Schlanaen [SERPENTESI

Schlangen

30 Tigerottern [Notechis scutatusl

Kleine Schlangen

Klapperschlange [Crotalus sp.1

ca. 65 Ringelnattern INatrix natrixl

Australische Schlangen [Spezies wie unter Atherl

Giftige Schlangen

Schlangen

5roRe Reptilien

5. Tab. 2

I Abgottschlange Boa constrictor), juvenil.

Jattern (Colubridael, Gift- iattern Elapidael, Sce- ichlangen (Hydrophiidacl. lipern IVipcridael, ;rubenottern ICrotal idrI

Wit Atemdepressionen und Uachschlafphasen ist zu .echnen. Im Vergleich zu njektionsnarkotika kurzere Aufwachphasen

E. 15 - 30 min

i. 3 min 1. 15 min

f . 20 - L5 min nhalationsnarkose wegen 4urze der Aufwachphase 3egenuber der Injektions- iarkose bevorzugt

Jngeeignet, bewirkt to- i isch- klonische KrLmpfe

:hloroform ungeeignet

r(it Atemdepressionen is! !u rechnen. m Vergleich zu den Injek- ionsnarkotika kurzere Auf. Nachphase.

3ei Zimmertemperatur lauert i . 35 t 9 rnin '. 13 f 10 min 1. 25 t 20 min. wenn man ialothan mit Erreichen les Toleranzsladiums ab- ietzt.

me nach Dosis G. wcnigc nin b i i 1 h

KAPLAN f 19691

KELLAWAV 11937)

LUMB (19631

TAII (19381

WRIGHT und JONES 11957)

BRAZENOR und KAVE 119531

G A ~ S und ELLIOTT 11968

KAPLAN (19691

TAIT 119381

BONAIH (1979

BONAIH und ZSCHEGE

FRYE und DUIRA 119731

GANS und ELLIOII 11968

Page 6: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

inhalations- Konzentralion (Konr.1 Geprufl an Narkosezeiten IMiItelwerle narkotikum Applikalion, Umgebungs- (Anzahl der gepruflen und Standardabweichungen), iHersIeller1 I temperalur [Temp.) I Individuen. Speziesl I Reaklionsbesonderheiten I

Autoren

ilothan lalothan ioechsl': Hoechsl; .uolhan, ICi - >armal

lelhoxyflurane 'enlhrane, Abbot1 oehringer I

lalothan - gelrxnkter Gaze- upfer 15 mll in Narkose- elle lohne Angabe des larkosezellen -Volumensl, !immertemperatur

Jber eine. den Hals um- ichlieflende Narkosemaske wie Abb. 11, aus einem iarkosegerat 3 Val. % lalothan, FluOrate 1 l / m i n Jmgebungslemperalur !L - 27OC

iinleilung mil 110 mg / kg (gw. Kelamin I= Kelanesl, 'arke-Davis), i. m., dann ialolhan auf Gazelupfer in ?iner Narkoserelle oder Snschlufl an Narkosegeral: I % Halothan t L8 % .achgas L9 % 0,

ialolhan - Lachgas - 0,

qach Metornidat - Sedierung = Hypnodil vet., Janssen,

3 mg / kg Kgw. I. p.1 Intu- ,ation und Halothan 13 %) .achgas (65 %I - Sauerstoff 32 %I - Narkose m i l qarkoseaeral

jedierung m i l 8-10 ml auf Wallebausch in Narko- sezek lvolumen L1 11. )ann Intubalion und An- schlufl an Narkosegeral. 22 - 2L oc

irlelhoxyflurane- Sedierung ,m Plasliksack, dann Intu- bation Methoxyflurane -0, -Gemisct im geschlossenen System. Spezialadapter fur Klein- tiere wird vorgestellt.

5 ml in Narkosezelle (Volumen 3L 11, 2L - 27°C

Fur ranger dauernde Ein- griffe Intubalion und An- schluR an Narkosegeiat oder, je nach Grofle der Schlange, Einspruhen von 4 2 - 1 , O m l durch Trachcal- katheler in die Luflrohre

Nach Einleilung mil 110 mg/ kg Kgw. Kclamin I: Kelanesl, Parkc Davis], i. m., intubalion und Inhala tionsnarkose m i l Mcthoxy- fluran

.hlangen ISERPENTESI

6 Waldktapperschlangen Crotalus horridusl

jchlangen

Ichlangen

jtrumpfbandnallern lhamnoohis sirlalisl

I Regenbogenboa Eoicrales cenchrial

I Mangroven - Nachtbaum- natter IBoiga dendrophilal

1 Diamanl- Klapperschlangen ICrotalus adamanteusl

! Brillenschlangen (Naja najal

i Konigskobra IOphiophagus hannahl

I Tigerpython IPylhon molurusl

3 Schlangenspczics

I Tigerpython

1 Konigskobra (Python molurus)

(Ophiophagus hannahl

Schlmgen

Sul geeignet. Vach allmahlichem Anflute! dauerte E. 5, T. 5 - 20, A. 10 min. Nach sofortiger Verabrei- ehung einer hohen inilial- dosis bei 1 Crotalus dauerlc E. 28 min

E. 9 min Narkosedauer proportional der Umgebungslemperalur. In Aufwachphase mufl m i l 0, bealmel werden

Kurze Einleil- und Auf- wachphase, keine Exzila- tion

Intubation wenige min nact Injeklion. Komplikationslose Aufwac hphase

E. 20-25 min. Dauer der chirurgischen Eingriffe 45 min t

Einige h post operalionem Exilus, bei einer Umge- bungstemperalur von 27OC

Wrhrend und nach Op. 2 mal l m i n kunstl. Beal- mung, da Alemslillstand

E. 8 - 20 min. Fur 10 - 30 min leichle bis mitlel- grrdigc chirurgische Narkoi - Bei Atemdepressionen In lubalica und kunsllichc Be almung. 02-Gaben vcrkur zen Aufwachphaw.

dACKENBROCK Jnd FlNSER 119631

JACKSON 1197L, 19701

STUNKARD und MILLER 1197LI

ZWART und LAGERWEIJ (19711

Z W A R ~ el al 119731

BURKE und WALL 119701

JACO0SEN Un INGLING 11971

FRYE et rl . 119671

GANDAL 11966 a# b l

SIUNK4RO wd MILLER l197Ll

Page 7: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 347

Der Trichter ist mit einer Uffnung ausgestattet, durch die die Expirationsluft abgeleitet wird, durch die aber auch Sauerstoff oder Frischluft verabreicht und damit die Narkosetiefe reguliert werden kann.

Narkosegerate mit geschlossenem System, wie sie in der Veterinarmedi- zin ublich sind, sind nur fur die Anasthesie groi3er Reptilien geeignet. Fur die Atemkapazitat kleinerer Arten (Kgw. < 5 kg) ist nach CALDERWOOD (1971) die Anwendung halboffener Systeme ohne Ruckatmungsautomatik zu empfeh- len. Das Narkosegemisch wird dabei aktiv vom Patienten eingeatmet und die Exspirationsluft in ein AuffanggefaB oder ins Freie abgegeben.

Das Einfuhren eines Endotrachealkatheters in die Luftrohre ist nur am sedierten Tier moglich. Zur Sedierung kann ein Inhalationsnarkotikum ver- abreicht werden (BURKE u. WALL, 1970). ZWART und Mitarbeiter (1973, 1971) injizierten bei Strumpfbandnattern (Thamnophis sirtalis) und Regenbogen- boas (Epicrates cenchria maurus) zunachst Metomidat (Hypnodil vet., Fa. Janssen, Dusseldorf). Zur Intubation liei3 sich der Mund dann leicht offnen. Die Narkose konnte mit Halothan-Lachgas-Sauerstoff-Gemisch fortgesetzt werden.

Fur besonders groi3e Reptilien gibt es kaum praktische Erfahrungen. BONATH (1979) schlagt deshalb vor, die Inhalationsnarkose nach Intubation am muskelrelaxierten Tier durchzufuhren. Er stutzt sich dabei auf Erfahrun- gen von LOVERIDGE und BLAKE (1972), die bis zu 3 12 kg schweren Nilkroko- dilen (Crocodylus niloticus) Gallamin-triethiodid (Flaxedil, Abbott) i. m. ver- abreicht haben und mit Dosen zwischen 0,6 und 4,O mg/kg Korpergewicht eine solide Muskelrelaxation erzielen konnten. BRISBIN (1966) empfiehlt Suxa- methonium-Salz (Succinyl-Asta, Asta-Werke), das in einer Dosis von 3-5 mg /kg Korpergewicht i. m. bei 2-5 kg schweren Mississippi-Alligatoren (Alli- gator mississippiensis) zur volligen Muskelrelaxation fuhrte. Danach 1ai3t sich die Mundspalte leicht offnen, so dai3 nach Lokalanasthesie des Rachenraumes mit einem sprayformigen Schleimhautanasthetikum (2. B. Gingicain M, Hoechst) die Intubation und der Anschlui3 an ein Narkosegerat mit geschlos- senem System vorgenommen werden kann. Je nach Tiergroi3e wird die Inha- lationsnarkose mit 3-8 Atemzugen/Min. eingeleitet und im Toleranzsta- dium dann mit 2-5 Atemzugen fortgefuhrt. Der Beatmungsdruck ist so zu wahlen, dai3 hochstens die kranialen z/5 des Thorakoabdomens sichtbar gedehnt werden. Der Konzentrationsbedarf des Narkotikums betragt nach Muskel- relaxation nur noch etwa 50 O/O der in Tabelle 1 angegebenen Konzentrationen. - Atemdepressionen ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Sie werden durch kunstliche Beatmung mit Hilfe der Atemautomatik des Gerates behoben.

Die Narkosezeiten der Reptilien sind linger als die der Saugetiere. So konnen insbesondere tauchende Reptilien die Atmung fur langere Zeit blockie- ren (MOBERLY, 1968; ROBIN u. Mitarb., 1964), was bei der Inhalationsnarkose zu langwierigen Einleitungszeiten fuhrt. Haufig verursacht bereits der Geruch des Narkotikums Apnoe, so dai3 man nach HACKENBROCK und FINSTER (1963) sowie BRAZENOR und KAYE (1953) die Narkoseeinleitung rnit nur wenigen Tropfen des Anasthetikums beginnt und dann langsam innerhalb von Minuten auf den tatsachlichen Konzentrationsbedarf erhoht. - CALDERWOOD (1971) verabreicht zusatzlich zum Narkotikum-Sauerstoff gemisch noch 5-1 0 O / o C02, um durch Stimulation des Atemzentrums die Atemfrequenz und damit die Aufnahme des Narkotikums zu erhohen.

1.3. Narkose-Nachsorge, Wiederbelebung Nach JACKSON (1974) und CALDERWOOD (1971) kommt der Nachsorge in

der Aufwachphase der Inhalationsnarkose besondere Bedeutung zu. Atemin-

Page 8: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

348 BONATH und ZSCHEGE

suff izienzen konnen durch Gaben reinen Sauerstoff s behoben werden, der bei groi3eren Reptilienspezies uber einen Tracheotubus verabreicht wird. Bei der kiinstlichen Beatmung ist jedoch zu berucksichtigen, dai3 es bei Reptilien keine Zwerchfellatmung gibt und Erfahrungen uber Beatmungsdrucke nicht vorlie- gen. Dennoch empfehlen auch KAPLAN (1969), GANDAL (1966 a), HACKEN- BROCK und FINSTER (1963), KARLSTROM und COOK (1955) sowie BRAZENOR und KAYE (1953) in der Aufwachphase der Inhalationsnarkose zu beatmen. Ober den Tracheotubus kann die Lunge aus einem Ballon - je nach Groi3e des Tieres 2 bis 3mal/Minute - mit reinem Sauerstoff gespult werden. Auch hier gilt, dai3 der manuelle Druck auf den Ballon hochstens die kranialen zwei Funftel des Thorakoabdomens sichtbar weitet. Die Lunge wird anschliei3end manuell durch Druck auf die Korperwand des Tieres wieder ausgeprei3t. Die- ser Vorgang, der einen sehr intensiven Gasaustausch bewirkt, wird solange wiederholt, bis die Tiere Spontanatmung zeigen. Die Aufwachphase wird auf diese Weise erheblich verkiirzt.

Von JACKSON (1974) und GANDAL (1966) werden nach Absetzen der Narkose gemafligte Umgebungstemperaturen von 24-27 OC vorgeschlagen. Zur Erleichterung der Aufwachphase empfehlen auch CALDERWOOD (1971) und KAPLAN (1969) konstante gemafligte Temperaturen und Luftfeuchten, ohne jedoch Werte anzugeben. KAPLAN (1969) warnt vor der Anwendung hoher Umgebungstemperaturen zur Verkurzung der Aufwachphase. Bei Athernar- kosen sollen sie zu Ruckfallen in tiefe Narkosestadien fuhren, eine Reaktion, die auf einer erhohten Stoffwechselrate beruht. Diese geht mit einem groi3eren 0,-Bedarf einher, der jedoch infolge der in Narkose haufig auftretenden Atemstagnationen (s. Kap. 3.4) nicht gedeckt werden kann.

PLEUGER (1 950) nennt Cardiazol (Fa. Knoll) als wirkungsvolles Analep- tikum zur Behandlung von Narkosezwischenfallen. 2 ml Cardiazol (entspre- chen 200 mg Pentamethylentetrazol), die wahrend unerwunscht tiefer Nembu- talnarkosen 4 Stunden lang jede '/2 Stunde i. p. verabreicht wurden, konnten bei bis zu 2270 g schweren Alligatoren Atemdepressionen und Narkosetod verhindern. - Es sollte bedacht werden, dafl narkotisierte Alligatoren ertrin- ken konnen, wenn sie ins Wasser gesetzt werden (BRISBIN, 1966).

1.4. Narkoseiiberwachung Die Narkosetiefe wird bei Reptilien im allgemeinen mit Hilfe der Mus-

kelrelaxation und der Reaktionen des Gleichgewichtsorganes beurteilt. Da prak- tische Narkoseerfahrungen kaum vorliegen, konnten Schemata fur die Nar- koseuberwachung bisher nicht erarbeitet werden.

Erste Anzeichen der Narkose bei Reptilien sind - wie auch beim hoheren Wirbeltier - Ataxien und unphysiologische Gliedmaflenhaltung, schliei3lich Gleichgewichtsverlust und Ruckgang des Muskeltonus ( WALLACH u. HOESSLE, 1970; BRISBIN, 1966).

Bei Krokodilen und Echsen ist das Toleranzstadium erreicht, wenn schmerzhafte Reize nicht mehr beantwortet werden und der Larynxreflex erloschen ist. Die Epiglottis kann nun gefahrlos nach ventral verlagert und die Intubation vorgenommen werden (CALDERWOOD, 1971).

Bei Schlangen verschwinden nach HACKENBROCK und FINSTER (1963) Muskeltonus und Reflexerregbarkeit in Narkose niemals vollig. Anzeichen fur eine tiefe Narkose ist der Verlust des Schwanzringel-(Schwanzruckzieh)-Re- flexes, der sich beim Kneifen in die Haut des Schwanzes zeigt (KAPLAN, 1969; BETZ, 1962; BRAZENOR u. KAYE, 1953). Der Zungenruckziehreflex, der durch vorsichtiges Hervorziehen der Zunge aus der Zungenscheide ausgelost wird, zeigt mit seinem Erloschen ein bereits unerwunscht tiefes Narkosestadium an

Page 9: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 349

(BETZ, 1962; TAIT, 1938). - Nach BRAZENOR und KAYE (1953) beobachtet man bei Schlangen eine Bewegung der Rippenregion, wenn man mit dem Fin- ger in Langsrichtung uber den Rudren streicht; inwieweit ihr Verschwinden in tiefer Narkose das Erreichen des chirurgischen oder aber eines bereits irre- versiblen Stadiums anzeigt, wird nicht mitgeteilt.

1.5. Exogene und endogene Einfliisse auf den Narkoseverlauf Verlauf und Ausgang der Reptiliennarkose werden nach KARLSTROM

und COOK (1 955) von Raumtemperatur, Applikationsart, Korpergrofle, kor- perliher Verfassung und physiologischen Besonderheiten bestimmt; detail- lierte Angaben zu dieser Aussage fehlen jedoch.

Temperaturdifferenzen werden von BRAZENOR und KAYE (1953) als Ursa- chen fur unterschiedlich lange Einleitungsphasen (20-60 Minuten Dauer) bei mit Ather narkotisierten Schlangen verantwortlich gemacht. HACKENBROCK und FINSTER (1 963) konnten allerdings bei Waldklapgerschlangen (Crotalus horri- dus) in Halothan-Narkose zwischen 22,6 und 30 C keinen Einflui3 der Umge- bungstemperatur auf die Dauer der Einleitungsphase ermitteln.

Speziesbedingte Reaktionsuntersdiede ergeben sich aus physiologischen Be- sonderheiten der Reptilienatmung. Das gilt insbesondere fur wasserlebende bzw. tauchende Reptilienspezies, die nach ROBIN und Mitarbeitern (1964) von aero- bem auf anaeroben Stoffwechsel umstellen und damit die Atmung fur langere Zeit blockieren konnen. Nach MOBERLY (1968) uberlebten grune Leguane (Iguana iguana) Atemstagnationen bis zu 4,5 Stunden Dauer.

Giftschlangen sind gegenuber Narkotika vermutlich resistenter, als nicht- giftige. So haben Halothan, Ather und Barbiturate - nach KAPLAN (1969) so- gar Anasthetika generell - auf Giftschlangen eine schwachere Wirkung, mussen also hoher dosiert werden als bei ungiftigen (GANS u. ELLIOT, 1968; BRAZENOR u. KAYE, 1953). Grunde dafiir sind nicht bekannt.

Ober den Einflui3 des Korpergewichtes auf die Narkose gibt es kaum Angaben. Die wenigen von BRISBIN (1966), HACKENBROCK und FINSTER (1963) sowie von PLEUGER (1950) gemachten Aussagen sprechen nicht fur eine Abhangigkeit der Narkosedauer vom Korpergewicht. Dagegen sind KAPLAN (1969), BETZ (1962), KARLSTROM und COOK (1955) der Ansicht, dai3 das Kor- pergewicht die Schlafzeiten beeinflufit. Auch d a m fehlen nahere Angaben.

1.6. Einflup der Narkose auf Herztatigkeit und Atmung Zur Beurteilung der Herztatigkeit werden narkotisierte Reptilien auf den

Rucken gelegt und die durch die Thoraxwand im Bereiche des Sternum sicht- baren Herzaktionen dann visuell beurteilt.

BONATH (1977, 1975) hat die in der Literatur gemachten Einzelangaben iiber den Einflui3 von Injekcionsnarkotika auf die Herztatigkeit zusammen- fassend geordnet. Danach zeigt sich, dai3 die narkosebedingten Anderungen der Herztatigkeit der vom Saugetier her bekannten spezifischen Wirkungsweise der Injektionsnarkotika entsprechen. Ober Kreislaufreaktionen in Inhalations- narkose fehlen Literaturangaben dagegen fast vollig. Lediglich KAIJLAN und TAYLOR (1957) berichten, da13 es bei Schildkroten unter Ather vorubergehend zu einer Tachykardie kommt.

Auch Atemfrequenzmessungen werden visuell, anhand der Bewegungen der Thorakoabdominal-Wand durhgefuhrt. - Uber Atemreaktionen in In- jektionsnarkose, die von HINSCH und GANDAL (1969) mit einem Korper- Plethysmographen ermittelt wurden, gibt es nur sparliche Angaben (vgl. BONATH, 1977, 1975). Fur inhalationsnarkotisierte Reptilien liegen dagegen keinerlei Mitteilungen aus der Literatur vor. - Auf die Fahigkeit einzelner

Page 10: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

350 BONATH und ZSCHEGE

Spezies

Reptilienspezies - insbesondere tauchender Arten - wahrend der Einleitung einer Inhalationsnarkose die Atmung fur langere Zeit zu blockieren, wurde bereits hingewiesen.

Tabelle 2 Spezies ( N = Anzahl der Individuen, Kgw. (g) = Korpergewichte in Gramm) der in der vorliegenden Arbeit narkotisierten Reptilien. Angaben uber geprufte Initialkonzentrationen und Umgebungstemperaturen, erreichte Narkosestadien und Todesfalle (vgl. Kap. 5). Halo- than bzw. ;dither wurden in allen Fallen niit Erreichen des Toleranzstadiums III/2 abgesetzt; die Narkose kann jedoch mit 1,s Vol.O/o Halothan bzw. 8 Vol.O/o ;dither fortgefiihrt werden

Geprufte

Versuchstemwratur Kgw. lg) N Narkotikurn initialkonzentratin,

Felsenpython Boa constrictor)

1700, 19L6 2 Halothan 5 Val.*/., 2L°C

2.5 V01:l.. 21.8OC

Narkosestadiurn, To&sfalle

Atlasagame I L0,7 - 58,l I 5 I Halothan I 6 Vol. 'I., 28OC (Agarna bibroniil 6 Vol. 'I., I8 'C

bei 2 Tieren Toleranz bei 2 Tieren rnittelgradige Sedierung bei 1 Tier (Kgw. 45 g) Exitus

bei 27 Tieren Toleranz hi 1 Tier oberflachliche Sedierung bei 1 Tier (Kgw. 7 g l Exitus

bei 1 Tier Toleranz bei 2 Tieren oberflachliche

bei 1 Tier rnittelgradge Sedkrung

16 Vol. *I., l 8 Y

Blutsaugaragame I I 29 I Halothan I &,I - 6,5 VOL*I., 16 - 290c (Calotes I I I $5 Vol. *I., 21,LOC

5,l Vol. %, 16,S°C

20 Vol. .I.. 27.5OC

Keilschleiche

sphempsiforrnis) [Sphenops $5 Val.%, 25OC

Walzenskink [Chalcides

Toleranz unabhangig vcn Konzen- tration u. Ternperatur w r in 16 FWen erreicht; bei IL Tieren gcring- bis mittelgradige Sedierung

bei 1 Tier (Kaw. 2 a ) Exitus

Toleranz in allen Fallen erreicht

tiefe Sedkruna

Mabuye 16 Halothan 4 2 - 6,L Vol. %, 15,s - 28,S°C (Mabuya sp. t 3 Ather 20 Vol. *I.. 27S0C

l7 - ZwerggUrtel- 1 16.9 - 22,l I 8 I Halothan schweif [Cordylus cordvlus)

6 - 10 Val.%, 18 - 28*C

6 - 10 VOL'I~, 242 - ZB0C

bei 5 Tieren Toleranz

bci 3 Tieren mittelgradige Sedierung

Zauneidechse I 11 I 1 I Halothan 13 Vol.'l., 2L°C ILacerta aail ir l

obcrflichliche Sedierung I 3 5 - 5,7 Vol. 'I-, 25 - 26OC Mauereidcchsc L - 1.7 Halothan bci 12 Tieren Toleranz

bei 3 Tieren unabhangig von Konz. und Temp. w r rnittelgradige Sedie-

oberflachliche Sedierung Bergeidechse I 8.3 I 1 I Halothan 12.5 Vol. *I., 2L°C [Lercerta vivioaral

bei 18 Tieren Toleranz 1 - r0 5,s - 6 Val.%, 24 - 25OC

5.5 VOl.%, ZLOC

Fransenfingcr [Acanthodactylus scutelhtus t Schettopusik [Ophisaurus aDOdUS)

Halothan

Halothan

bci 2 Tieren tiefe Sedierung

tiefc Sedierung -c 1.3 u. 16,8

L Val.%, 2LOC

Blindschleiche (Anquis frasilisl

Halothan I I . Tier Toleranz 2. Tier tlefe Sedieruna

$5 Val.%, ZL - 25OC

L,8 U. 5,l Val.%, 21,6OC

6 - 6,6 Vol. 'I., 23 - 33 OC

20 VO~.'/., 23 - 28%

20 vol.%. 27,EiOC

Halothan Toleranz

bei L Tieren Toleranz

bci 1 Tier gering- bis rnittelgradige Sedkrung

Konigspyt hon [Python regiusl

Cook'sche Boa ICorallus anydr is)

7 152 - 723 Halothan

Ather

I tiefe Sedierung

ob.rflichllche Scdieruna I

Page 11: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 351

Spezies Kgw. lg) N Narkotikum

Ringclnatter I 110 I 1 I Halothan (Natrix natrix)

Mexikanische Trugnatter IConophis lineatus)

Schwarz -weiRe Hutschlangc INaja rnehnolcucal

Grune Mamba (Dcndroaspis viridis)

Kreuzottcr

Vipernattcr INatrix maural

I 35 - 239 I 6 I Halothan

11.7 - 21.8 3 Halothan

620 1 Halothan

2% I Halothan

35 - 181 16 Halothan

Fischernattcr I I 9 1 Halothan INatrix piscator) 1 13,5 - L3083 1 1 Ather

IVipcra berus) I I I (Trirnercsurus ararniruus)

Gepruftc Initialkonzentrationen. Versuchsternperatur

6 Vol.%, 22,L°C

6 - 8 Val.%, 12 - 22,7OC

6 - 8 Val.%, 12OC

6 Vol. %, 17,6 - 33 'C

6 Vol. 'I., 23 O C

20 Val.%, 16 - 33OC

20 VOl. %, 180C

6.8 Vot. %, 26,2 O C

$2 Val.%, 22.5OC

$2 Val.%, 22oc

3,s - 10 Val.%, 12 - 25°C

1.1 - 3,3 v01.%. 18 - 25OC

$2 Vol. %, 21.7 O C

Narkosestadiurn. lodesfkille

Toleranz

bei L Tieren Toleranr

bei 2 Tieren mittelgradige Sedierung

bei 8 Tieren Toleranz

bei 1 Tier IKgw. 23 g) Exitus

bei 7 Tieren Toleranz

bei 1 Tier oberflachlichc Sedierung

Tolcranz

Toleranz --i Toleranz - bci 12 Tieren Toleranz

bei L Tieren mittelgradige bis tiefe Sedicrung

2. Methoden und Definitionen 2.1. Material

An 208 Individuen 23 verschiedener Reptilien-Spezies wurden experimentelle Inhala- tionsnarkosen mit Halothan, Hoechst (189 Individuen) und Xther pro narcosi (19 Indivi- duen) durchgefiihrt (Tab. 2).

Die untersuchten Tiere gehorten vorwiegend zum Bestand des Exotariums im Zoo- logischen Garten Frankfurt. Atlasagamen (Agama bibronii), Zwerggiirtelschleife (Cordylus cordylus), Cooksche Boas (Corallus enydris), Vippernattern (Natrix maura), Fischernattern (Natrix piscator) und Mexikanische Trugnattern (Conophis lineatus) wurden uber den Fach- handel erworben; Zauneidechsen (Lacerta agilis), Bergeidechsen (Lacerta vivipara), Blind- schleichen (Anguis fragilis) sowie Kreuzottern (Vipera berus) wurden in den Heide-, Moor- und Waldgebieten um Hannover und Gifhorn gefangen.

Die Reptilien wurden je nach Grode in 20 bis 560 1 fassenden Terrarien untergebracht, die den speziellen Bediirfnissen entsprechend mit Sand- oder Kies- und Wasserteil, Steinen, Pflanzen und/oder Klettermoglichkeiten ausgestattet waren und wochentlich gesaubert wur- den. Die Haltungstemperaturen lagen in der Regel zwischen 24 und 30 "C, die relative Luft- feuchtigkeit zwischen 45 und 70 O/o; der Kunstlicht-Dunkel-Rhythmus betrug 12 : 12 Stunden.

In einer vollautomatischen Klimakammer wurden unter warme-, feuchtigkeits- und belichtungskonstanten Bedingungen an 8 verschiedenen Spezies Untersuchungen uber den Ein- fluR unterschiedlicher Umgebungstemperaturen (zwischen 12" und 33 "C) auf die Narkose- schlafdauer durchgefiihrt ; dabei lag die Luftfeuchtigkeit zwischen 45 und 85 O/o. Ausgehend von einer mittleren Haltungstemperatur von 27 "C wurden die Tiere allmahlich, je nach Temperaturdifferenz im Laufe von 10-20 Stunden schrittweise an extreme Versuchstempera- turen (Tab. 5: 12", 16,9 k 0,8", 33 "C) gewohnt und unter diesen Bedingungen bis zum Narkose-Experiment noch 2-4 Stunden gehalten. An Zimmertemperaturen von 22-26 "C wurden sie bis zum Versuchsbeginn no& wenigstens 2 Stunden gewohnt.

Kleine Reptilien wurden fur den Zeitraum der Versuche mit Mehlwurmern (Tenebrio molitor-Larven) ad libitum, mittelgrode zusatzlich einmal wochentlich mit Mausesauglingen und grode einmal wochentlich mit Mausen, Huhnerkiiken oder Froschen versorgt. Wasser stand ad libitum zur Verfiigung.

Page 12: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

352 BONATH und ZSCHEGE

2.2. Narkosedurcbfuhrung Die Inhalationsnarkotika Halothan (Fa. Hoechst) und Ather (Aether p r o narcosi)

wurden in einer Narkosezelle (Katzen-Narkosezelle nach Hinz , Fa. Hauptner , Solingen, Mane: 305 x 240 x 240 mm) verabreicht. Einzelheiten uber Narkosemittelkonzentrationcn sind Tabelle 1 und Kapitel 5 zu entnehmen. Die in die Zelle gesetzten Reptilien inhalierten ein Narkotikum-Luftgemisch, das iiber einen Halothan- bzw. Atherverdampfer eingeblasen wurde. Ein von den Draeger-Werken (Liibeck) fur die Tropen konstruierter Verdampfer erzeugte eine Halothankonzentration in der Zelle zwischen 0,3--10 V O ~ . ~ / , , wobei Um- gebungstemperaturen zwischen 15 und 43 'C berucksichtigt werden konnten. Ather wurde aus einem handelsublichen Ather-Vapor (Draeger-Werke, Liibeck) in die Narkosezelle eingeblasen. Die Narkose wurde bei allen Tieren einheitlich mit Beendigung der Einleitungsphase ab- gesetzt - zu einem Zeitpunkt, an dem das Toleranzstadium III/2 (Definitionen s. Kap. 2.4. und 3.1.) erreicht war - indem die Zufuhr des Inhalationsnarkotikums gestoppt und die Narkosezelle mit einem regulierb,aren Frischluftstrom beliiftet wurde.

Beobachtungen an den narkotisierten Tieren wurden vom Einleiten des Narkotikurns bis zum unauffalligen Benehmen der Tiere nach Absetzen der Narkose registriert.

2.3. Beurteilung der Narkosetiefe Zur Abgrenzung der einzelnen Narkosestadien gegeneinander und damit zur Beurtei-

lung der Narkosetiefe wurden bei den Reptilien verschiedene, z. T. von Saugetieren und Vogeln her bekannte Reflexe gepruft und wie folgt definiert:

Schmerzreflex. Schmerzaul3erungen nach Kneifen mit einer anatomischen Pinzette in Zchen, Zwischenzehenhaut, Korperhaut oder Schwanzende.

Corneaheflex. LidschluB bei Reptilienspezies mit beweglichen Augenlidern nach Bc- ruhren der Cornea mit einem sturnpfen Gegenstand (Glasstabchen, Pinzette usw.).

Zungenrepositionsreflex. Zuruckziehen in die Mundhohle der mit einer Pinzette vor- sichtig hervorgelagerten Zunge.

Analreflex. Analschlun nach Beruhren oder leichtem Kneifen des Analringes. Bauchstreichreflex. In Langsrichtung verlaufende Wellenbewegungen der Brust-Bauch-

wand, die auftreten, wenn man mit dem Finger in Langsrichtung iiber die Schuppen dcr ventralen Thorakoabdominalwand narkotisierter und dann auf den Rucken gelegter Schlangen streicht. Sie lassen sich je nach Spezies mehr oder weniger gut auslosen und sind unter physiologischen Bedingungen an der Fortbewegung beteiligt.

Muskelrelaxation. Grad der Muskelerschlaffung; die Priifung a m narkotisierten Tier erfolgt durch manuelles Bewegen der einzelnen Korperteile gegeneinander.

a) Kopfbebereflex. Fahigkeit des am Schwanz f u r mehrere Sekunden senkreht in die Hohe gehaltenen Tieres, den Kopf-Halsbereich anzuheben.

b) Scblungelreflex. Fahigkeit der Reptilien, insbesondere der Schlangen, auf taktile oder schrnerzhafte Reize hin, den Korper zu schlangeln. - H a l t man Schlangen senkrecht a m Schwanz in die Hohe, so schlangeln sie sich bei unvollstandiger Muskelrelaxation; bei voll- standiger hangen sie schlaff herunter.

Umkehrreflex (Gleichgewichtsverlust). Fahigkeit eines auf den Rucken gelegten Tieres, spontan wieder Bauchlage einzunehmen.

Narkosestadium und damit Narkosetiefe ergeben sich aus dem G r a d der Erregbarkeit und dem Zeitpunkt des Ausbleibens der Reflexantworten. Schmerz-, Kopfanhebe- und Um- kehrreflex galten als erloschen, wenn die Zeit vom Setzen des Reizes bis zu seiner Beantwor- tung > 10 Sekunden betrug.

Sobald die Tiere Riickenlage tolerierten, wurden die Herzfrequenzen fur die ver- schiedenen Narkosestadien anhand der auf der ventralen Thorakoabdominalwand uber dem Herzen sichtbaren Aktionen visuell ermittelt. I n gleicher Weise wurde die Starke beurteilt, rnit der das H e r z gegen die Thorakoabdominalwand schlug. - Bei 6 Kreuzottern (Vipera berus) wurden die Pulsfrequenzen Elektrokardiogrammen entnommen, die von der ventralen Thoraxwand in Herznahe, voni Halsbereich kurz hinter dem Kopf und von der kaudalen Abdominalwand mittels subkutan liegender Einstichelektroden abgeleitet und von einem Hellige-Sechskanalschreiber registriert wurden.

Atemfrequenz und -qualitat in den verschiedenen Narkosestadien wurden anhand der durch das Heben und Senken der Thorakoabdominalwand sichtbaren Atembewegungen visuell ermittelt.

Page 13: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 353

2.4 . Narkosestadien Die Dauer der verschiedenen Narkosestadien wurde mit Hilfe der Reaktionen auf die

unter 2.3. genannten Reize ermittelt. Aus der Beobachtung von Atemfrequenz und -qual i t i t (Kap. 3.4.) ergaben sich weitere Moglichkeiten zur Beurteilung der Narkosestadien.

Je nach dem Grad der Narkosetiefe lassen sich die Narkosestadien wie folgt definieren: Einleitungsphase. Sie reicht vom Anfluten des Narkotikums bis zum Beginn des chirur-

gischen (operatiansfahigen) Stadiums. Toleranzstadium. Es beginnt mit dem volligen Erloschen des Umkehrreflexes und endet

mit den ersten Versuchen des Tieres wieder Bauchlage einzunehmen. Vom Patienten werden zunachst leichte, im fortgeschrittenen, tiefen Toleranzstadium dann schwere operative bzw. experimentelle Eingriffe ohne Schmerzauderungen toleriert.

Aufwarhphase. Sie beginnt mit dem Auftreten erster Umkehrversuche und endet damit, dad die Tiere spontan Bauchlage einnehmen. Dabei wird der Umkehrreflex unmittelbar nach der ersten spontanen Berichtigung der Korperlage noch zwei weitere Male ausgelost. Der Zeitpunkt, an dem die Tiere zum drittenmal Bauchlage einnehmen, gilt als Ende der Auf- wachphase und damit als Ende der Narkose. Der Umkehrreflex ist positiv, wenn die Zeit, vom manuellen Umwenden des Tieres auf den Rucken, bis zum Einnehmen normaler Korpcr- lage 5 10 Sekunden betragt.

Gesamtnarkosedauer. Sie um fadt alle Narkosestadien, ist also die Zeit vom Anfluten des Narkotikums bis zurn 3. Einnehmen der Bauchlage nach Absetzen des Narkotikums.

2.5. Statistische Methoden Innerhalb der Klasse der Reptilien mudte bei der statistischen Auswertung des vor-

gegebenen Untersuchungsmaterials zun5chst die grode Heterogenitat des untersuchten Arten- spektrums, insgesamt 208 Individuen 23 verschiedener Spezies berudtsichtigt werden; dariiber hinaus war auch innerhalb der Arten eine groSe individuelle Variabilitat zu erwarten.

Im Untersuchungsmaterial war kein Anhalt fur eine deutliche Abweichung von der Normalverteilung gegeben, die stichprobenweise Priifung einzelner Gruppen bestltigte dann auch, dad die Variabilitat in den Verrechnungsgruppen (Tierarten) der Normalverteilung folgte. Deshalb wurde entsprechend einem vollstandig zufalligen Versuchsplan bei Mittel- wertsvergleichen rnit der Einweg-Varianzanalyse (SNEDECOR u. COCHRAN, 1967; WEBER, 1972) des SPSS-Programmsystems ( N I E u. HULL, 1973) verrechnet.

Waren mehr als 2 Stichproben zu vergleichen, wurden zusatzlich noch orthogenale Kontraste (t-Tests) gerechnet.

Die Null-Hypothese H, : X == X2 = . . . = %+ betrachten wir als widerlegt, wcnn p 5 0,05 ist.

Sollten die Mittelwerte aus zwei Stichproben von geringem Umfang (n < 20) ver- glichen werden, so wurde der parameterfreie U-Test (SNEDECOR u. COCHRAN, 1967; WEBER, 1972) von MANN und WHITNEY aus dem Programmsystem STAT 1 (HULTSCH, 1972) an- gewendet. Der Ablehnungsbereich fur die Nullhypothese H, : XI = Xz besteht aus allen Wer- ten von U, die so klein sind, dad die Wahrscheinlichkeit p fur ihr Vorkommen < 0,05 ist.

Fur den Vergleich von Haufigkeiten mehrerer Stichproben wurde der Chiquadrat-Test (12-Test) gewahlt (NIE u. HULL, 1973; SNEDECOR u. COCHRAN, 1967; WEBER, 1972).

I n den entsprechenden Tabellen im Text sind die Ausgangshaufigkeiten, der le-Wert- in seiner korrigierten und unkorrigierten Form und die dazugehorigen p-Werte angegeben.

Fur die Beurteilung der Unterschiede zwischen zwei Stichproben sollte der h2-Wert mit Yates-Korrektur immer dann herangezogen werden, wenn beobachtete Haufigkeiten < 5 vorkommen. Die Nullhypothese, dad die Haufigkeitsverteilung in den verschiedenen Stich- proben gleich ist, i. e. die Stichproben aus einer Grundgesamtheit stammen, ist widerlcgt, wenn p 5 0,05 ist.

3. Ergebnisse 3. I . Verlau fsschema der Narkosestadien, Wertung der Reflexe

Auf der Suche nach den Moglichkeiten der Narkoseuberwachung (Beur- teilung von Narkosestadien und Narkosetiefe) bei Reptilien, wurden die in Kapitel 1.4. genannten Reflexe auf ihre Eignung getestet und durch neue Vor- schlage erganzt. Das folgende Schema der Narkosestadien fur Reptilien zeigt

Page 14: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

354 BONATH und ZSCHEGE

in Verbindung mit den sich daran anschliefienden Aussagen uber die Wertig- keit der einzelnen Reflexe, dafi nicht alle diese Moglichkeiten zur Beurteilung geeignet sind.

Stadium I der Inhalationsnarkose - oberflachliche Sedierung Echsen: Beim Einstromen des Inhalationsnarkotikums in die Narkose-

zelle heftige Flucht- bzw. Schreckbewegungen, die allmahlich in langsamer werdende unkoordinierte Such- und Kriechbewegungen ubergehen. Noch posi- tiver Umkehrreflex.

Schlangen: Such- und Kriechbewegungen, die allmahlich in Ataxien iiber- gehen. Umkehrreflex noch positiv. Der Geruch des Inhalationsnarkotikum fuhrt zu haufigem Zungeln.

Stadium I1 der Inhalationsnarkose - tiefe Sedierung Echsen: Spontanbewegungen lassen nach. Umkehrreflexe stark verzogert,

Bauchlage kann trotz Korrekturversuchen nicht mehr eingenommen werden. Schlangen: Wie Echsen. Zungenruckziehreflex gering bis mittelgradig ver-

zogert.

Stadium I11 der Inhalationsnarkose - Toleranzstadium Echsen : 1. Muskulatur mittelgradig relaxiert. Umkehrreflex erloschen,

Schlangelreflex mittel- bis hochgradig gedampft, Kopfhebereflex gering- bis mittelgradig gedampft. Cornealreflex unverandert oder leicht verzogert. 2. Muskulatur vollig relaxiert. Schlangel- und Kopfhebereflex erloschen. Corneal- reflex stark verzogert, selten erloschen.

Schlangen: 1. Muskulatur gering- bis mittelgradig relaxiert. Schmerzre- flex bei stark schmerzhaften Eingriff en noch vorhanden. Umkehrreflex erlo- schen. Schlangel-, Kopfhebe- und Bauchstreichreflex gering- bis mittelgradig gedampft. Zungenruckziehreflex mittel- bis hochgradig verzogert. 2. Muskula- tur mittelgradig bis vollstandig relaxiert. Schmerzreflex auch bei stark schmerzhaften Eingriff en in der Regel nicht mehr auszulosen. Schlangel- und Bauchstreichreflex mittelgradig gedampft bis erloschen. Kopfhebereflex hoch- gradig gedampft oder erloschen. Zungenruckziehreflex stark verzogert.

Stadium IV der Inhalationsnarkose - irreversibles Narkosestadium Weiteres Vertiefen der Narkose fuhrt zum vollig reflexfreien Anasthesie-

stadium, das bei Reptilien bereits das irreversible Stadium der Asphyxie sein kann und deshalb vermieden werden mufi.

Die narkosebedingten Reaktionen von Herztatigkeit und Atmung sind den Kapiteln 3.3. und 3.4. zu entnehmen. Zwischen den verschiedenen Nar- kosestadien bestehen fliei3ende Obergange.

Im einzelnen ergibt sich erganzend zu diesem Schema fur die verschie- denen Reflexe die folgende Bewertung:

Schmerzrejlex. Die Schmerzreaktionen der Reptilien reichen von leichten Bewegungen der Reizstelle bis zu heftigen Korperbewegungen. Zur Beurtei- lung der Narkosetiefe bei Reptilien ist der unter 2.3. genannte schmerzhafte Reiz nur bedingt geeignet, da er unter Umstanden selbst dann noch eine Reak- tion auslost, wenn die ubrigen Reflexe bereits tiefe Narkose anzeigen. Anderer- seits fuhrt ein schmerzhafter Reiz auch dann nicht unbedingt zu einer Reflex- antwort, wenn andere Reflexe noch gut ausgepragt sind.

Cornealreflex. Bei Reptilien mit beweglichen Augenlidern (Echsen) reicht die Reaktion auf Beruhren der Cornea hin vom unmittelbaren bis zum stark

Page 15: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 355

verzogerten, erst Sekunden nach dem Reiz auftretenden Lidschlui3. Der Cor- nealreflex ist auch bei relaxierter Korpermuskulatur noch auszulosen und ver- schwindet in der Regel erst im irreversiblen Narkosestadium vollig.

Zungenriickziehreflex. Im fruhen Toleranzstadium kann bei Schlangen die mit einer Pinzette aui3erst vorsichtig hervorgezogene Zunge nur noch trage, irn tiefen Toleranzstadium dagegen kaum mehr reponiert werden. Der Damp- fungsgrad dieses Reflexes ist also ein Indiz fur die Narkosetiefe.

Analreflex. Er ist unzuverlassig, da er bei Reptilien in oberflachlicher Narkose haufig nicht mit Sicherheit auszulosen ist. Andererseits kann er bei fast vollig relaxierter Muskulatur noch positiv sein.

Bauchstreichreflex. Er 1a13t sich auch dann noch gering- bis mittelgradig auslosen, wenn Muskelrelaxation erreicht ist. Er verschwindet erst beim Ober- gang vom Toleranz- zum irreversiblen Stadium vollig, so dai3 der Grad seiner Dampfung zur Beurteilung tiefer Narkosestadien herangezogen werden kann.

Muskelrelaxation. Vollige Muskelrelaxation wird bei Echsen regelmagig erreicht. Sie beginnt in der Mitte des Korpers und schreitet dann nach kranial fort. Erst zuletzt relaxiert auch die Schwanzmuskulatur. Der Korper des am Schwanz hochgehaltenen Tieres hangt dann schlaff herab, alle Korperteile lassen sich ohne Widerstand nach allen Seiten frei bewegen. Bei Schlangen relaxiert dagegen die Muskulatur auch in tiefer Narkose haufig nicht ganz, so dai3 hier der Grad der Relaxation zur Beurteilung dient. - Weitere Aus- sagen uber den Grad der Muskelrelaxation ergeben sich aus den im folgenden besprochenen Kopfhebe-, Schlangel- und Urnkehrreflexen:

a) Kopfhebereflex: Am Schwanz senkrecht in die Hohe gehaltene Echsen und Schlangen zeigen in oberflachlicher Narkose ein rasches, mit zunehmender Narkosetiefe dann ein trages Heben des Kopfes in die Waage- rechte. Dieser Reflex ist fur die Beurteilung tiefer Narkosestadien geeignet, da er erst im Toleranzstadium III/2 vollig verschwindet, bei Echsen fruher als bei Schlangen. Das Tier hangt dann schlaff nach unten, Kopf und Korper bilden eine senkrechte Gerade.

b) Schlangelreflex: Entsprechend dem Verhalten der Muskelrelaxation verschwindet auch dieser Reflex bei Schlangen haufig nicht vollig. Er ist im Stadium der Narkoseeinleitung auf Reize aller Art noch gut, im tieferen Narkosestadium dann nur noch trage auszulosen. Die Schlangelung kann in den Anfangen der Einleitungsphase bei Schlangen so starr und verkrampft sein, dai3 sie auch mit angemessener Gewalt kaum zu begradigen ist. Aus dem Grad der Schlangelfahigkeit ergeben sich Anhaltspunkte fur die Beurteilung der Narkosetiefe.

c) Umkehrreflex: Im Verlaufe der Narkoseeinleitung 1ai3t bei Reptilien die Funktion des Gleichgewichtsorganes rasch nach. In der fruhen Einleitungs- phase sind auf den Rucken gelegte Tiere durchaus no& in der Lage, spontan oder auf Reize hin wieder Bauchlage einzunehmen. In fortgeschrittenen Sta- dien bewegen die Tiere nur noch den Kopf in Normal- oder Seitenlage, wah- rend der ubrige Korper bereits in Ruckenlage verharrt, Mit Beginn des ToIe- ranzstadiums schliefllich wird die Ruckenlage reaktionslos beibehalten, der Umkehrreflex ist erloschen.

Weitere Narkosereaktionen: Bei Echsen wurden in der Einleitungsphase kurz nach Anfluten des Inhalationsnarkotikums beinahe regelmagig exzita- tionsahnliche Erscheinungen in Form heftiger, unphysiologischer Lauf- und Zappelbewegungen rnit Drehen und Winden des ganzen Korpers sowie Schut- teln des Kopfes beobachtet. Sie liei3en allmahlich an Intensitat nach, gingen in unkoordinierte Kriechbewegungen uber und zeigten sich mit dem Tolerieren

Page 16: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

3 5 6 BONATH und ZSCHEGE

Anzahl der

Spezies und lndividuen

38 lndividuen aus Sauria

4 Spezies

12 lndividuen aus 9 Spezies

9 lndividuen aus 2 SDezies

Serpentes

Tabelle 3 Mittelwerte (%) und Standardabweichungen (s) der Narkosezeiten, wie sie an mit Halothan

Narkot ikum wurde mit Erreimen des

Dauer (rnin) Narkotikurn,

lnitialkonzentration, E inleitungsphase Versuchsternperatur X S

- -

10,6 5,8 ? 4 2 Vol % Halothan bei

5,7 t 0,4 Vol '1. Halothan bei

24.0 25,O 2 0,6OC

22,3 2 0,6OC 35.3 9,L

45.0 583 20 Vol % Ather bei 2% t 2SoC

von Riickenlage nur noch in schwachen Aktionen. Ahnlich heftige Bewegungen wurden bei Schlangen nur selten beobachtet.

Zum Bild der fruhen Einleitungsphase bei Schlangen gehorte das auf- geregte Ziingeln, mit dem die Tiere das Einstromen des Narkotikum-Luft- gemisches in die Zelle quittierten. Dagegen reagierten Echsen haufig mit Uffnen des Mundes, manchmal in Form von ,,Luftschnappbewegungen" oder dem Gahnen ahnlichen Reaktionen. - In 5 von 208 Fallen kam es wahrend der friihen Einleitungsphase zu Kot- und Harnabsatz, in 2 Fallen zu vermehrtem Speichelflui3.

3.2. Narkosedauer (Schlafzeiten in Narkose) Tabelle 3 zeigt, dai3 die Narkoseschlafzeiten bei Reptilien im allgemeinen

sehr lange dauern. Besonders deutlich wird das bei der Lange von Einleitungs- und Aufwachphase. Berucksichtigt man, dai3 die Inhalationsnarkotika in allen Fallen mit Erreichen des Toleranzstadiums III/2 abgesetzt wurden, so driickt sich diese, als Narkosebesonderheit anzusehende Reaktion der Reptilien auch in der Dauer der Toleranzphase aus.

Tabelle 4 Einflui3 verschiedener Halothankonzentrationen auf die Dauer der einzelnen Narkosestadicn bei Reptilien (Versuchstemperatur 24,6 + 0,6 "C). Halothan wurde mit Erreichen des Toleranzstadiums III/2 abgesetzt. Die statistische Sicherung (p) erfolgte mit dem U-Test (U)

alothan- Initial-

':.) vgl. Kap. 4. x = Mittelwert der Narkosezeiten in min. s = Standardabweichungen der Einzelwerte. N = Anzahl der Messungen

Page 17: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 357

Toleranzphase - Y S

49 945

13,l 10,3

16,l 8, L

Tabelle 3 oder idither narkotisierten Echsen (Sauria) und Schlangen (Serpentes) ermittelt wurden. 17as Toleranstadiums III/Z abgesetzt

Aufwac hp hase Gesamtnarkose Gleichgew ichtsverlust X S X S X S - - -

352 25.3 67,8 32.0 53,L 29,9

2L,5 19,5 7 1,0 19,3 56,8 19,0

35,L 28,l 91,9 29,s 65,3 35,l

Narkosestadiurn

Tabelle 4 zeigt am Beispiel des Halothan, in welcher Weise die Narkose- schlafdauer mit ansteigender Konzentration des Inhalationsnarkotikums zu- nimmt. Auch hier wurde die Narkosemittelzufuhr mit Erreichen des Toleranz- stadiums III/2 gestoppt.

Versuchs- ternperatur

I O C )

Tabelle li Einflun verschiedener Versuchstemperaturen ("C) auf die Dauer der einzelnen Stadien (min) in Halothannarkose. Die statistische Sicherung erfolgte mit der Varianzanalyse (einschliefllich orthogonaler Vergleiche). Halothan wurde mit Erreichen des Toleranzstadiums III/Z ab- gesetzt. Initialkonzentrationen: bei 12 OC: 7,7 k 0,s Vol."/o; bei 16,9 f 0,s "C : 4,9 k 0,s V O ~ . ~ / O ; bei 24,s f 0,7 OC: 5,6 f 0,6 V O ~ . ~ / O ; bei 28,4 f 0,4 OC: 6,l f 0,2 V O ~ . ~ / O ; bei

N

6 22 42 22

5

L l 6 36 19 3

6 21 41 22

5

33 "C: 6,O V O ~ . ~ / O

Verglc

F

16,62

2,86

13,98

:h

P

C0,Ol

< 0,005

e 0,o 1

Einleitungsphase 16,9 f 0,8 248 f 0,7 28,4 f 0,L

Gleich hei t

t 116,9 fO,8 gegen P 2L,8fO,70Cl

&,23 c0,Ol

1,37 >0,05

3,Ol <0,01

68,3 58,91 25,Le 31,91 43,2

5,6 21,85

442 7,3

qe3

1 16,L 92,6L 3156 23,71 93,s

Aufwachphase 16,9 f 0,8 248 f 0,7 28,L f 0,L

21,8 36,19 11,33 242 32,7

32 37,43

8,95 3 1

9,30

1L6,9 87,36 25,l 16,7 99,e

Dauer der Narkosestadien I Statistische Sicheruns

Toleranz phase bei

(rnin)

12 16,9 f 0,s 248 f 0,7

33 28.L f 0,L

Orthogonaler I Test auf

X = Mittelwerte der Narkosezeiten (min); s = Standardabweichungen der Einzelwerte; N = Anzahl der bei 11 verschiedenen Reptilien-Spezies (Sauria, Serpentes) durchgefuhrten Messungen; F = F-(Gesamt-)Wert der Varianzanalyse; p = Wahrscheinlichkeit fur das Vorkommen gleichgrofler oder groflerer F-Werte (statistische Sicherung); t = t-Wert aus den orthogonalen Vergleichen zwischen jeweils zwei der untersuchten Gruppen.

Zbl. Vet. Med., Reihe A, Bd. 26. Heft 5 26

Page 18: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

358 BONATH und ZSCHEGE

Tabelle 6 Einflufl der Narkosetiefe (gemessen an der Reflexerregbarkeit) auf die Pulsfrequenzen 4 ver- schiedener Spezies (deutsche Bezeihnung s. Tab. 2) in Halothannarkose. Die statistische Siche-

rung erfolgte mit der Varianzanalyse (einschliefllich orthogonaler Vergleiche)

Ather, 20 Vol. %

1 1 , 20 '1

1 1 , 20 11

1 1 , 20 11

1 1 , 20 11

Halothan, 8 Vol. % II , 3 II

II , 8 II

II , 3 II

Halothan -Initial-

16 OC l80C 23 O C

28 oc 33 oc 12 o c 18% 23 OC

2L.5OC - 25.5OC

Spezies konzentrat ion, Versuchs - temperatur

6 VOI. %, I 29.1 ? 2.6 O C

Corallus enydris

6 Val. *lo, I 22,l f O$OC

Natrix maura

Natrix piscator 6 Val. %,

241 f 1.1 oc

Pulsfrequenz I min I

12,96 <0,01

t (gut gegen gedampftl 2,37 P -= 405

gegen Toleranz) 2,94 P < 0.0 1

Statist.

x = Mittelwerte der Pulsfrequenzen (min). Die ubrigen Symbole entsprechen denen der Tab. 5.

Tabelle 7 Einflufl der Versuchstemperatur auf die Herzfrequenz 4 verschiedener Reptilien-Spezies

erfolgte mit der Varianzanalyse (einschliefllich

Spezies

Corallus enydris

Natrix maura

Natrix piscator

Vipera berus .

Nar kot ikum, lnitialkonzentration

Versuc hstemperatur

23 O C

I I 20 2 5 O C II 20 2 8 O C

22,5 O C

2 8 O C 33 oc

Herztrequenz

- X

LO,8

534

359

L3,O

38,O 51,O

19,6 50,3

L5.5 L1,7 68,3

30,8 31,5 59,L IL,3

112,8

22,o

01,l

16,9

37,l 53,l

~~

% = Mittelwerte der Pulsfrequenzen/min; U = Testgrol3e aus dem kleinerer U-Werte. Die ubrigen Symbole entsprechen denen der Tabelle 5

U-Test von MANN

Page 19: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 359

Die Umgebungstemperatur beinfluflt erheblich die Narkosedauer. Aus Tabelle 5 geht hervor, dai3 innerhalb des fur Reptilien als gemafligt geltenden Temperaturbereiches von 24-28 O C die Narkosezeiten relativ kurz sind. Da- gegen wurden bei niederen wie auch hohen ,,Extremtemperaturen" (12 OC, 16,9 f 0,8 O C , 33 "C) besonders lange Schlafzeiten gemessen.

3.3. Einflup der Narkose auf die Herztatigkeit Die visuelle Beurteilung des pulsierenden Herzens an der Thoraxwand

konnte nur vorgenommen werden, wenn die Tiere ruhig lagen und sichtbare Herzaktionen nicht von Atembewegungen uberlagert wurden.

Bei Cookschen Boas (Corallus enydris) und Kreuzottern (Vipera berus) wurde mit zunehmender Narkosetiefe ein Riickgang der Herzfrequenz beobach- tet (Tab. 6 ) . Die statistische Sicherung war jedoch nur bei Kreuzottern mog- lich. - Fur einen Einflufl der Narkoseschlafdauer auf die Pulsfrequenz erga- Len sich keine Anhaltspunkte.

Das Pulsieren des Herzens gegen die Thorakoabdominalwand schien beim narkotisierten Tier im allgemeinen etwas kraftiger zu sein, als beim nicht- narkotisierten. Im Narkoseverlauf war es leichten Schwankungen unterworfen, wurde zum Toleranzstadium hin geringfiigig schwacher und nahm erst in der Aufwachphase wieder an Starke zu.

Der Einflufl der Inhalationsnarkose auf die sichtbare Herztatigkeit war also nur gering. Herzrhythmusstorungen wurden weder unter Ather noch unter Halothan beobachtet. Die Wirkung der Versuchstemperatur war dagegen

Tabelle 7 (deutsche Bezeichnung s. Tab. 2) in Halothan- und Wther-Narkose. Die statistische Sicherung orthogonaler Vergleiche) oder dem U-Test

I Statistische Sicherung I

und WHITNEY (WEBER, 1972); p = Wahrscheinlichkeit fur das Vorkommen gleichgrofler odrr

26''

Page 20: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

360 BONATH und ZSCHEGE

Tabelle 8 Haufigkeit mit der bei Reptilien (deutsche Bezeichnung s. Tab. 2) Atemfrequenzen (A. Fre-

Die Atemunterschiede zwischen den Narkosestadien guter, gedampfterregbarkeit

Spezies

Agarna bibronii

Calotes versicolor

Sphenops sphenopsiforrnis

Chalcides rnionecton

Mabuya sp.

Cordylus cordylus

Lacerta rnuralis

Acantodactylus scutellatus

Corallus enydris

Natrir maura

Natrix piscator

Vipera berus

Irn Stadium gut erhaltener Reflerer reg

A. frequenz gernessen

5

35

7

20

36

2 1

15

1L

17

9

38

8

?keit

A. pause beobachtet

3

2 L

0

3

10

10

2

2

0

1

0

6

Im Stadium gedarnpfter Reflexer reabarkeit

A . frequenz gernessen

1.4

17 17

2 2 9 9 20 20 17 17 12 12 8 8 23 23

1 1

15 L5

1 1 1 1

A. pause beobachtet

7 17 17 2 2

9 9

12 12

1 1

6 6 9 9

18 18 15 15 I I

19 19

p = Wahrscheinlichkeit fur das Vorkommen eines gleihgroflen und grofleren i*-Wertes aus der Analyse nach Yates korrigiert

erheblich. Tabelle 7 zeigt, dad die Pulsfrequenzen narkotisierter Reptilien bei hohen Umgebungstemperaturen signifikant zunehmen, bei niederen dage- gen geringer sind. Parallel dazu waren die Herzaktionen Lei hohen Tempera- turen deutlich, bei niederen dagegen nur schwach sichtbar.

3.4. Einflufi der Narkose auf die Atmung Ungleichmadige Atmung und Atempausen bestimmten das Bild der Inha-

lationsnarkose. Mit zunehmender Narkosetiefe wurden ungleichmaaige und unregelmadige Atemaktionen im allgemeinen haufiger. Auch Atempausen nah- men zunachst zu (Tab. 8) und wurden linger, was zu einem Ruckgang der Minutenfrequenzen fuhrte. Erst im Toleranzstadium wurden sie dann wieder seltener beobachtet, waren jedoch von langer Dauer (Tab. 9, vgl. mit Tab. 8).

Die Tiefe des einzelnen Atemzuges nahm im Verlaufe der Einleitungs- phase zunachst zu, ging dann aber im Toleranzstadium stark zuriick und wurde haufig so flach, da13 die Atemfrequenz nicht mehr ermittelt werden konnte. In der Regel wurden die Atemaktionen in der Aufwachphase schon unmittelbar nach Absetzen des Narkotikums wieder deutlicher sichtbar. Die Atmung wurde allmahlich gleichmaflig und regelmadig, Atempausen wurden seltener und kurzer. - Selbst unter physiologischen Bedingungen am von

Page 21: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 361

Bei guter Reflexerregbarkeit Bei gedampfter Reflexerregbarkeit Bei erloschener Reflexerregbarkeit Iloleranz)

Tabelle 8 quenz) und Atempausen (A. Pause) in den verschiedenen Narkosestadien ermittelt wurden. und Toleranz-Stadium wurden mit dem Chiquadrattest statistisch gesichert

21,1 4 4 3 29,8

I Irn Toleranzstadium Statistische Sicherung

A. frequenz gemessen

2L

L

3

29

5

21

10

13

0

36

3

0,OL

0,76 7.39

4 2 8 1,LL

6,66 0,67

2,32 0,35

466 0,73

2,31 5,68

6,07 2,lL

10,82 0,LL

18,2L 0,39

5.55 1,6L

1,63 437

P

> 405

e 401

< 0,05 > 0,005

e 0,o 1 =. 0,os

=- 0,OS

>0,05 >0,05

e 0,05 >0,05

=- 0,05 < 0,025

e 0,025 > 0,os

<0,01 >0,05

4 0,o 1 > 0,05

-= 0,025 > 0,05

>0,05 >0,05

xz Korr.

0,OS

O,L3 6,02

1,58 0,33

580 0,17

1,6 0,12

3,26 0

1,25 186

L,38

a,a7

1q3-l

383 0,86

0, 9 0,oz

1,63

0,lS

0,27

P

1 0,OS

< 0,025

== 0,os > 0,OS

< 0,05 > 0,05

> 0,05 > 405

> 0,05 =- 0,05

z 0,05

c 0.05 > 0,os

-= 401 > 405

c0,01 >0,05

>0,05 > 0,05

> 405 =-0,05

> 405

c 0,05

(statist. Sicherung); k2 = Chiquadrat-Wert aus der Analyse; leKorr. = Chiquadrat-Wert

Narkotika unbeeinfluflten Tier fie1 auf, dai3 die Atmung ungleichmai3ig und unregelmaflig war und immer wieder pausierte. - Schmerzhafte Reize wah- rend einer Atempause bewirkten haufig kurzes Spontanatmen, was als Reflex- antwort gewertet wurde.

Tltbelle 9 Anted der beobachteten Atempausen in "/o der insgesamt durchgefuhrten Atemkontrollen

bei Reptilien, in vcrschiedenen Narkosestadien

Der Anteil der Atempausen an der Haufigkeit der insgesamt durchge- fiihrten Atemkontrollen war wahrend der Narkoseeinleitung grofler als in der Aufwachphase (Tab. 10, 11). Die direkte Einwirkung von Halothan und Ather in der Einleitungsphase fiihrte demnach zu einer Steigerung, der Ein- flui3 von Frischluft nach Absetzen des Inhalationsnarkotikums in der Auf- wachphase zu einem Riickgang der Atempausen bei Reptilien.

Page 22: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

362 BONATH und ZSCHEGE

Tabelle 10 Haufigkeit rnit dcr bei Reptilien (deutsche Bezeichnung s. Tab. 2) Aternfrequenzen (A. Fre- quenz) und Aternpausen (A. Pause) in der Einleitungs- (wahrend des Einwirkens des Nar- kotikurns) und Aufwachphase (nach Absetzen des Narkotikurns) errnittelt wurden. Die Atem- unterschiede zwischen der Einleitungs- und der Aufwachphase wurden rnit dem Chiquadrat-

Test ()i*-Test) statistisch gesichert

2 3 r" c

a

Speries

Agarna bibronii Calotes versicolor Mabuya sp. Cordylus cordylus Lacerta rnuralis Corallus enydris Natrix rnaura Natrix piscator Vipera berus

Calotes versicolor Mabuya sp. Corallus envdris

Einleitunqphase I Aufwachphase

4 . frequenz aernessen

3 37 26 3 6 2 4

58 1 1

4 10 14

A. pausen A. frequenz beobachtet gemessen

1 1 21 34 63 11 70 9 38 9 34 9 18 14 8 10 L7 14 8

8 13 2 1 1 L 20

\ , pausen ieobachtet

2 1L 23 2 0 13 5 3 14

Halothan Ather

Statistische Sicherung

Einleitung Auf Wac hphase

LL,8 19,8 35 12

x2

18.64 1 L.87 0,3L 27,12 24,99 5,18

2,23

-

492

0,28

646 - 0,38 l,34

Dic Syrnbole entsprechen denen der Tabelle 8

Tabelle I 1 Anteil der beobachtetcn Aternpausen in O i o der insgesarnt durchgefuhrten Atemkontrollen bei Reptilien, in der Einleitungs- (wahrend des Einwirkens des Narkotikums) und Aufwachphase

(nach Absetzen des Narkotikurns)

Auch die Konzentration des Inhalationsnarkotikums beeinfluate das Vor- kommen von Atempausen. So wurden Atempausen unter 5,8 Vol.O/o Halothan in der Einleitungsphase zu 70 O/o der insgesamt durchgefuhrten Artenkontrol- len ermittelt, dagegen blockierten 3,4 Vol.O/o die Atmung nur zu 40 O/o.

Die Atemfrequenz ging zunachst mit zunehmender Narkosetiefe bis ins Stadium gedampfter Reflexerregbarkeit zuruck (Tab. 12). Sie stieg danach wie- der an oder fie1 weiter hin ab und erreichte dann im Toleranzstadium ihren tiefsten Stand. Ein Vergleich der einzelnen Spezies in den Tabellen 8 und 12 zeigt, dai3 der Grund dieser Frequenzschwankungen das mehr oder weniger haufige Vorkommen von Atempausen in den einzelnen Narkosestadien ist.

Den Einflua der Temperatur auf die Atemfrequenz anasthesierter Rep- tilien behandelt Tabelle 13. Danach machte sich in Inhalationsnarkose mit steigender Umgebungstemperatur im allgemeinen auch eine Zunahme der Atemfrequenz bemerkbar.

3.5. Narkosebedingte Todesfalle Wahrend der Narkose oder unmittelbar danach kam es bei Atlasagamen

(Agama bibronii), Blutsaugeragamen (Calotes versicolor), Walzenskinken (Chalcides mionecton) und Fischernattern (Natrix piscator) zu je einem Todes- fall. Einzelheiten uber angewandte Narkosemittelkonzentrationen und Ver- suchstemperaturen sind Tabelle 2 zu entnehmen.

Page 23: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 363

Histopathologische' sowie makroskopisch-pathologische, bakeriologische und parasitologische? Untersuchungen fuhrten zu keiner schlussigen Klarung der Todesursachen.

4. Diskussion Der besondere Vorteil der Inhalationsnarkose ist ihre Steuerbarkeit, WO-

durch Narkosezwischenfalle relativ einfach beherrscht werden konnen. Dieser Vorzug kommt gerade Reptilien zugute, fur die nur unzureichende Erfahrun- gen vorliegen, so dai3 mit Narkosedepressionen gerechnet werden mui3. Dage- gen werden Injektionsnarkotika auf Vermutung dosiert ; bewahrte Verfahren gibt es noch nicht, rasch wirkende Gegenmittel zur Bekampfung von Narkose- depressionen fehlen weitgehend.

Fur kleine und mittelgrofie Reptilien ist die einfache Verabreichung uber eine Narkosezelle von besonderem Interesse. Sie gestattet, die Narkose selbst an giftigen Spezies ohne Assistenz und besonderen Aufwand durchzufuhren. Fur die Inhalationsnarkose grofier Reptilien reicht die Narkosezelle im all- gemeinen nicht aus. Die Intubation am muskelrelaxierten Tier, wie sie von BONATH (1979) vorgeschlagen wird, stellt dann eine gute Moglichkeit zur Ver- abreichung von Inhalationsnarkotika uber ein Narkosegerat dar. Dagegen ist die Praemedikation mit injizierbaren Sedativa wegen unvorhersehbarer Reaktionen bei Reptilien ebenso zweifelhaft, wie die Anwendung injizierbarer Narkotika.

Die Kombination von Museklrelaxans und Inhalationsnarkotikum hat nach den bei Mensch und Saugetier gemachten Erfahrungen den Vorteil, dai3 Narkosemittel eingespart wird, so dai3 durch die kombinierte Anwendung beider Praparate keineswegs auch eine hohere Belastung entstehen mug. So kann die gleichzeitige Anwendung von Halothan und Gallamin-triethiodid als besonders gunstig angesehen werden, d a Halothan den neurornuskularen Effekt des Muskelrelaxans verstarkt und dieses wiederum die durch Halothan erzeugte Bradykardie aufhebt.

Gewii3 gehort eine Narkose bei groi3en Reptilien selbst in der zootier- irztlichen Praxis zu den Ausnahmen. Zu einem ausreichenden Erfahrungs- schatz wird es deshalb nie kommen, so dai3 auch unter gunstigen Voraus- setzungen die Narkose bei groi3en Krokodilen, Varanen und Riesenschlangen immer einem experimentellen Vorhaben gleichkommt.

Zur Uberwachung der Reptiliennarkose tragen Muskelrelaxation und Verhalten des Gleichgewichtsorgans ganz wesentlich bei. Man mui3 hier aber berucksichtigen, dai3 Schlangen kaum jemals vollige Muskelrelaxation errei- chen, eine Beobachtung, die auch von HACKENBROCK und FINSTER (1963) ge- macht wurde. Ahnliches gilt auch fur die Reflexerregbarkeit, die in der Regel nicht mit den bei hoheren Wirbeltieren ublichen Methoden gepruft werden kann. So 1ai3t sich die als Schmerzreflex getestete Reaktion unter Narkoseein- fluB selbst dann nicht immer auslosen, wenn die Tiere noch Spontanbewegun- gen zeigen und die meisten Reflexe noch gut ausgepragt sind. Man mui3 daher annehmen, dai3 es sich hierbei weniger um den cerebralen Schmerzreflex han- delt, der wie der Umkehrreflex schon in der Einleitungsphase verschwindet, sondern vielmehr um einen spinalen Reflex, der auch dann no& auszulosen ist, wenn andere Reflexe bereits erloschen sind. Auch Corneal- und Analre-

Prof. Dr. R. IPPEN, Abt. f . Zoo- und Wildtierkrankheiten der Akademie der Wissenschaften,

Priv. Doz. Dr. I. KUNSTYR, Zentrales Tierlaboratorium der Medizinischen Hochschuie, Berlin, DDR.

Hannover.

Page 24: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

364 BONATH und ZSCHEGB

Natrix piscator 6 Vol. % Halothan, 31,O t 2,8 O C

Natrix piscator 20 Vol. % Ather, 20,O r $6 O C

Mabuya sp. 45 t 0,3 Vol. % Halothan, 19.2 - 21 O C

Tabelle 12 Einflul3 der Narkosetiefe (ermittelt anhand der Reflexerregbarkeit) auf die Atemfrequcnz

Atemfrequenz-Unterschiede zwischen den verschiedenen Narkosestadien

gut 13,l 6.9 10 gedampft 6,8 4 3 15 Toleranz 4,1 2,3 17

gut 11,2 5,8 13 gedampft 8,3 4,0 16 Toleranz 6,5 2,8 10

gut 26,O 9,8 21 gedampft 244 9,L 13 Toleranz 18.1 9,7 12

Atempausen Is. Tab. 8, 9 ) wurden als Null Aternzuge I min mit in die Berechnung der Atemfrequenz einbe- zogen.

Lacerta muralis 5,l t 1,2 Vol. "1. Halothan, 25,7 t 0,5'C

~~

Atempausen wurden bei der Berechnung der Atemfrequenz nicht mit beruck- sichtigt.

gut 51,6 14,) 15 gedarnpf t 42.7 13,5 12 Toleranz 51,l 8,9 21

Aternfrequenz I min Reflexerregbarkeit (Narkosetiefe)

Spezies, Narkosemittel, lnitialkonzentration, Versuchstemperatur

2 4 2 17,l 25 gedampft I i:: I :3,; I 16 I Toleranz gut 14

Calotes versicolor 6,3 ?. 0,2 Vol. % Halothan, 29 O C

19,6 11,9 21

Toleranz 13 1 ;;; 1 ;5,; I 16

Chalcides rnionecton 3,7 t 0,s Vol. "I. Halothan, 23.8 r 0 .8OC

gedampf t I gut Toleranz

Mabuya sp. 4 5 t 0,3 Vol. "I. Halothan, 19,2 - 21 OC

Lacerta muralis 1 L I , u ; ~ ~ ~ ~ ~ 1 ;;; 1 ;;; 1 ; $ 1 ?. 1,2 Vol. '10 Halothan, 25,7 f 0,5"C Toleranz 46,s 17,3

Acanthodactylus scutellatus gut 22,8 12,l 5,7 t 0,l Vol. % Halothan, gedampft 11,4 14,3 16 24.8 ?. 0.5"C Toleranz 19.0 15.1 12

X = Mittelwerte der Atempfrequenzen/min. Die anderen Symbole entsprechen denen der

flex, die bei Saugetieren von ausschlaggebender Bedeutung fur die Nar- koseuberwachung sind, haben sich bei Reptilien haufig als ungeeignet erwiesen. Dagegen ergeben sich mit Schlangel-, Bauchstreich-, Kopfhebe- und Umkehr- reflex als Ausdrudr der Muskelrelaxation und der Funktion des Gleichgewichts- organes gute Moglichkeiten der Reflex rufung.

dai3 die einzelnen Stadien der Inhalationsnarkose bei Reptilien im allgemeinen langer dauern als bei Saugetieren und Vogeln. So werden Atempausen in der Einleitungsphase besonders haufig beobachtet (Tab. 11). Die Aufnahme der Inhalationsnarkotika wird dadurch stark verzogert und die Einleitungsphase erheblich in die Lange gezogen (Tab. 3). Bei dem hier untersuchten Tierkollek- tiv wurden extrem lange Atempausen nie beobachtet, so dai3 die konventio- nelle Form der Verabreichung von Inhalationsnarkotika uber eine Narkosezelle in allen Fallen angezeigt war. Ungewohnlich lange Atempausen - bei grunen Leguanen (Iguana iguana) wurden 4,s Stunden ermittelt (MOBERLY, 1968) - machen jedoch die Durchfuhrung einer Inhalationsnarkose unter Verwendung eines Narkosegerates mit geschlossenem System notwendig. Auch die Verab-

Besonderheiten der Atemphysio f ogie und des Stoffwechsels fiihren dazu,

Page 25: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 365

Tabelle 12 verschiedener Reptilienspezies (deutsche Bezeichnung s. Tab. 2). Die statistische Sicherung der erfolgte mit der Varianzanalyse (einschliefllich orthogonaler Vergleiche)

gut gegen Toleranz: 2,52

gut gegen Toleranz: 2,25

gut gegen gedarnpft: 1,9L gedampft gegen Toleranz: - 1,95

< 0,025

< 0,os

=. 0,os > 0,os

reichung von Injektionsnarkotika mui3 dann erwogen werden (BONATH, 1977, 1975).

Die Umgebungstemperatur beeinfluat erheblich die Dauer der Narkose- stadien. So fuhren niedere Temperaturen zu einer Verlangsamung des Stoff- wechsels und damit zu einer verzogerten Aufnahme sowie Ausscheidung der Narkotika. Wie Tabelle 5 zeigt, sind deshalb Einleitungs-, Toleranz- und Aufwachphase bei einer Umgebungstemperatur von 16,9 k 0,8 OC gegenuber den bei Zimmertemperatur gemessenen Zeiten signifikant verlangert. Dagegen fuhren in hohen Temperaturbereichen um 33 OC vermutlich toxische Einflusse der Narkotika zu langwierigen Aufwachphasen; bei KADLAN (1 969) sowie BRAZENOR und KAYE (1953) finden sich Mitteilungen, die diese Vermutung stutzen. Danach fuhren hohe Umgebungstemperaturen in der Aufwachphase zu Ruckfallen in tiefere Narkosestadien. - Die Untersuchungen zeigen also, dai3 gemaaigte Umgebungstemperaturen von 24-27 O C fur die Inhalations- narkose der Reptilien am geeignetsten sind; Einleitungs- und Aufwachphase sind dann am kurzesten.

Page 26: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

366 BONATli und ZSCHEGE

Narkotikurn u. Initial- konzentration I V O l . % I

Tabelle 13 Einflufi der Versuchstemperatur auf die Atemfrequenz verschiedener Reptilienspezies (deutsche Bezeichnung s. Tab. 2) in Halothan- oder Ather-Narkose, Die statistische Sicherung erfolgte

Aternf requenz Statistische Sicherung OC Versuchs- 1 ternperatur - U x s N

Species

I Agarna bibronii

1 Calotes versicoior

Mabuya sp. I--- Cordylus cordylus I Corallus enydris

Natrix piscator

Natrix piscator tI

P

c 0,025 ~0,025

~0,025

>0,05

=-0,05 >0,05 <0,025

x = Mittelwerte der Atemfrequenzen. Die ubrigen Symbole entsprechen denen der Tabelle 4

Die Schlafdauer nimmt mit der Hohe der Konzentration des Inhalations- narkotikums zu. Tabelle 4 zeigt allerdings, dai3 auch die Einleitungsdauer unter hoheren Halothan-Konzentrationen linger dauert, als unter niederen. Der Grund fur die Verzogerung der Einleitungsphase ergibt sich aus der Haufigkeit, mit der Atempausen in Narkose beobachtet werden konnen (Tab. 10). Wahrscheinlich fuhrt der Reiz, den ein Inhalationsnarkotikum auf die Atemwege ausubt, zum Auftreten von Atempausen - bei hoher Halothan- konzentration im Narkotikumluftgemisch starker, als bei niederer (s. Kap. 3.4.). Die Folge ist dann eine verminderte Aufnahme des Narkotikums pro Zeit- einheit, so dai3 die Einleitung verzogert wird. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen BRAZENOR und KAYE (1953), Reptilien allmahlich an das Inhala- tionsnarkotikum zu gewohnen. CALDERWOOD (1 971) verabreicht zusatzlich zum Narkotikum-Sauerstoff gemisch noch CO,, um das Atemzentrum zu stimulie- ren.

Ober Kreislauf- und Atemreaktionen narkotisierter Reptilien ist nur wenig bekannt. Auch fehlen vergleichbare Normdaten fast vollig. Die vor- liegende Arbeit sol1 deshalb Grundlagen fur die praxisbezogene Oberwachung von Kreislauf und Atmung narkotisierter Reptilien schafien. Um diesem Zweck gerecht zu werden, wurde auf aufwendige Mei3verfahren weitgehend verzichtet. So wurde die Herztiitigkeit fast ausschliei3lich visuell beurteilt. Die auf der Thorakoabdominalwand sichtbaren Herzaktionen informierten uber narkosebedingte Herzfrequenzanderungen und Arhythmien, zwei fur die Kreislaufbeurteilung wesentliche Charakteristika. Vergleichsweise an

Page 27: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachuiig der Inhalationsnarkose bei Reptilien 367

Kreuzottern (Vipera berus) durchgefuhrte Elektrokardiogramme brachten demgegenuber weder diagnostische noch praktische Vorteile.

Nach dem Verhalten der aui3erlich sichtbaren Herztatigkeit war die Kreislaufbelastung durch die Inhalationsnarkose gering. Es zeigte sich, dai3 die unter Halothan ermittelten Herzreaktionen der Reptilien denen der Sauge- tiere und Vogel (BONATH, 1972) vergleichbar sind. Auch von KAPLAN und TAYLOR (1 957) gemachte Beobachtungen an mit Kther narkotisierten Schmuck- schildkroten (Pseudemys sp.) stimmen damit iiberein. Etwas zahlreicher sind die in Injektionsnarkose ermittelten Reaktionen. Auch hier zeigt sich, dai3 das Verhalten der Herztatigkeit hoher und niederer Wirbeltiere weitgehend iiber- einstimmt (Reptilien: HUNT, 1964; YOUNG u. KAPLAN, 1960; KAPLAN U. TAYLOR, 1957; Amphibien: BONATH, 1977).

Literaturangaben uber Aternreaktionen der Reptilien in Inhalations- narkose fehlen. - In der vorliegenden Arbeit wurde die Atmung ausschliei3- lich visuell, anhand der Bewegungen der Thorakoabdominalwand beurteilt. So konnten Informationen uber Atemfrequenz, -rhythmus und -tiefe bei nar- kotisierten Reptilien gesammelt und Atemdepressionen, wie Ungleichmaaig- keiten, Unregelmai3igkeiten und Atempausen, zur Beurteilung des klinischen Zustandes narkotisierter Tiere erkannt werden.

Die Atemfrequenz der Reptilien war in Narkose zum Teil deutlichen Schwankungen unterworfen. Vergleicht man die Tabellen 8 und 12, so zeigt sich, dai3 die Ursache das mehr oder weniger haufige Auftreten von Atem- pausen in den einzelnen Narkosestadien war. Besonders deutlich wurde das am Beispiel des Fransenfingers (Acanthodactylus scutellatus), bei dem die Fre- quenz zunachst abnahm (Tab. 12), weil die Haufigkeit, mit der Atempausen beobachtet wurden, zunahm (Tab. 8); danach kam es wieder zu einem Anstieg der Atemfrequenz, weil die Atempausen zuruckgingen.

Dank der hohen Schwankungen sind die Minutenfrequenzen fur die Beur- teilung narkotisierter Reptilien weniger von diagnostischem Wert. Dagegen mussen Haufigkeit und Dauer der Atempausen, die bei Saugetieren und Vogeln als Atemdepressionen anzusehen sind, bei Reptilien aber zum normalen Bild der Inhalationsnarkose gehoren konnen, besonders berucksichtigt werden.

Bei der Beurteilung der Reptilienatmung stellt sich die Frage nach der be- sonderen Empfindlichkeit der Schleimhaut der Atemwege gegenuber Inhalations- narkotika. Neben dem Auftreten von Atempausen sprechen bei Echsen hau- figes Kopfschutteln, dem Gahnen ahnliche Luftschnappbewegungen und in Ein- zelfallen vermehrter Speichelflui3 wahrend der friihen Einleitungsphase fur eine Irritation der Atemwege durch Halothan und Kther. Das haufige Pausie- ren der Atmung geschieht demnach zunachst vermutlich willkurlich, so dai3 in der fruhen Einleitung nicht von einer narkosebedingten Depression gespro- chen werden kann. - In spateren Narkosestadien auftretende Atempausen sind dagegen eher als Atemdepressionen anzusehen. So besitzen Reptilien kein Zwerchfell, welches morphologisch und funktionell dem der Saugetiere verleich- bar ware. Die Rippenbewegungen vieler Reptilienspezies, die Funktion der Becken- und Schultergiirtelmuskulatur bei Schildkroten oder des Musculus obliquus abdominis posterior bei Krokodilen, die in wachem Zustand Atem- hilfe leisten (GOODERICH, 1930), sind dann durch die Narkose wahrscheinlich blockiert. Die Folgen einer Atemdepression werden allerdings eher uberwun- den, weil Reptilien in der Lage sind, langere Atempausen zu tolerieren, als Saugetiere.

Sieht man jedoch von anatomischen und physiologischen Besonderheiten ab, so entspricht das Verhalten der Reptilienatmung, wie auch das der Vogel- (BONATH, 1972) und Amphibienatmung (BONATH, 1977) in Inhalationsnar-

Page 28: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

368 BONATH und ZSCHEGE

kose dem der Saugetiere. Von HUNT (1964) und BETZ (1962) werden in Injek- tionsnarkose bei Reptilien ebenfalls den Saugetieren vergleichbare Atemreak- tionen beobachtet. Man kann also davon ausgehen, da8 Vertreter aller Wirbel- tierklassen auf gleiche Narkotika hin auch vergleichbare Kreislauf- und Atem- reaktionen zeigen.

Nach BUDDENBROCK (1967) ist die Temperatur der wichtigste Umwelt- faktor fur die Hohe der Herzfrequenz bei Amphibien. Das gleiche gilt auch fur Reptilien. Untersuchungen von DMI’EL (1972), DMI’EL und BORUT (1972), SPRAY und BELIKN (1972), VINAGER und Mitarbeitern (1970) sowie JOHANSEN (1959 a, b) haben gezeigt, dai3 Puls- und Atemfrequenz sowie der Sauerstoff verbrauch nichtnarkotisierter Reptilien mit steigender Umgebungstemperatur zunehmen. Diese Reaktionen kann man auch bei hoheren Wirbeltieren be- obachten. Tabellen 7 und 1 3 zeigen in Ubereinstimmung mit Beobachtungen von LOVERIDGE und BLAKE (1 972), dai3 narkotisierte Reptilien entsprechend reagieren.

Daraus ergibt sich fur die Reptiliennarkose, dai3 die Kreislaufbelastung hoher Temperaturen bei der Wahl der Umgebungstemperatur besonders be- achtet werden mui3. Eine weitere Belastung stellt der mit zunehmender Umge- bungstemperatur ansteigende Sauerstoffbedarf dar. Die Sauerstoffaufnahme wird dagegen durch die Narkose reduziert, eine Feststellung, die schon von WINTERSTEIN (1905) gemacht wurde. Hohe Umgebungstemperaturen konnen deshalb in Verbindung mit in Narkose regelmai3ig auftretenden, lang anhal- tenden Atemstagnationen zum akuten Sauerstoff mange1 fuhren. Reptiliennar- kosen sind demnach bei gemai3igten Temperaturen zwischen 24’ und 27 OC durchzufuhren, eine Magnahme, die entscheidend dazu beitragt, unvorherge- sehene Narkosezwischenfalle zu vermeiden.

5. SchluG betrach tung uber Narkosemittelkonzentration und Umgebungstemperatur

Aus dem morphologischen Befund der im Narkosezusammenhang gestor- benen Reptilien (1,9 O / o ) ergaben sich keine Anhaltspunkte fur den Orga- nismus belastende Krankheiten. Die genannten Todesfalle konnen daher als Narkoseverluste angesehen werden.

Auf der Suche nach den Ursachen mu8 zunachst festgestellt werden, daf3 die Narkose der gestorbenen Tiere mit Halothankonzentrationen zwischen 4,5 und 6 Vol.O/o eingeleitet worden war. Diese liegen weit hoher, als die bei Warmblutern ublicherweise benotigten Initialkonzentrationen. Allerdings wurden 1 3 O l o der in der vorliegenden Arbeit mit Halothan narkotisierten Tiere mit wesentlich hoheren Konzentrationen (Tab. 2: 6,5 bis 10 Vol.O/o) anasthesiert, ohne pathologische Reaktionen zu zeigen.

Berucksichtigt man, dai3 von den mit 3,5 Vol.O/o und weniger narkoti- sierten Tieren nur 48 O / o das Toleranzstadium uberhaupt erreicht haben (Tab, 2), so liegt der fur die Praxis zu empfehlende Initialkonzentraions- bereich uber 3,s Vol.O/o; in Anbetracht der Todesfalle sollten jedoch 4,s VOI.~/O nicht uberschritten werden. Selbst diese Konzentration fuhrt aber nicht immer zu einem operationstuchtigen Narkosestadium. So machen speziesbedingte und - wie auch beim Saugetier - individuelle Faktoren unter Umstanden die Anwendung hoherer Konzentrationen erforderlich. Unter diesen Gesichtspunk- ten sind die hier angegebenen Konzentrationen als Richtwerte zu betrachten, die d a m je nach individueller und spezieller Reaktionsweise entsprechend zu variieren sind.

Neben der Halothankonzentration ist die Umgebungstemperatur zu berucksichtigen. Todesfalle traten nur bei Temperaturen 2 23 OC auf, bei hohe-

Page 29: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Uberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 3 69

ren Temperaturen dagegen nicht mehr. Fehlen hohe Temperaturen, so fallt der Abbaumechanismus fur Narkotika wahrscheinlich fruhzeitig aus. Anhalts- punkte dafur ergeben sich aus interessanten Untersuchungen von COWLES und BOGERT (1944), wonach die Verdauung der Reptilien erst bei hohen Tempera- turen einsetzt - bei dem in Wustengebieten lebenden Leguan Sceloporus magister z. B. erst bei 37 O bis 38 O C . Man mui3 davon ausgehen, dai3 auch der Abbau von Narkotika nur bei bestimmten Temperaturen optimal funktioniert. Diese wurden fur die Spezies, bei denen in Halothannarkose Todesfalle auf- traten, wahrscheinlich unterschritten, so dai3 das lange Verbleiben des Halothan im Organismus - u. U. im Beisein weiterer Letalfaktoren (SauerstofTmangel) - zum Exitus fuhrte.

Zusammenfassung An 208 Individuen 23 verschiedener Reptilienspezies (Tab. 2) wurden

experimentelle Halothan- oder kthernarkosen durchgefuhrt. Fur die klinische Anwendung der Inhalationsnarkose ergaben sich die folgenden Hinweise:

1. Bei Reptilien ist die Inhalationsnarkose (Dosierung nach Wirkung) der Injektionsnarkose (Dosierungsstandards fur Reptilien unbekannt) und der Kalteanasthesie (Schmerzfreiheit nicht gesichert) vorzuziehen.

2. Zur Uberwachung der Reptiliennarkose wird ein Verlaufsschema der Narkosestadien vorgestellt.

3. Initialkonzentration fur Halothan bzw. Ather 3,5 bis 4,5 Vol.O/o bzw. 20 Vol.O/o; Fortfiihren der Narkose mit 1,5 bzw. 8 Vol.O/o. Speziesbedingte und individuelle Faktoren konnen die Anwendung hoherer Konzentrationen erforderlich machen.

4. Reptiliennarkosen werden bei Raumtemperaturen von 24-27 OC durchgefuhrt. Die Narkosedauer verhalt sich umgekehrt proportional zur Umgebungstemperatur (Tab. 5 ) .

5 . Atem- und Stoffwechselbesonderheiten fuhren bei Reptilien zu lange- ren Einleitungs- und Narkoseschlafzeiten als bei warmblutigen Tieren (Tab. 3,

6. Herz- und Atemfrequenz narkotisierter Reptilien (Tab. 6, 12) verhal- ten sich entsprechend den vom Warmbluter her bekannten spezifischen Reak- tionen auf Halothan und kther und sind temperaturabhangig (Tab. 7, 13).

7. Narkosezwischenfalle lassen sich durch Beatmung mit Sauerstoff oder Frischluft beheben. Die Aufwachphase wird durch Sauerstoffgaben verkurzt.

4, 8-11).

Summary Experimental studies on the clinical use and control

of inhalation anaesthesia in reptiles In 23 reptiles of 23 different species (Tab. 2) experimental halothane or

ether anaesthesia was carried out. For clinical evaluation of inhalation anaesthesia the following recommendations are made: -

I . Inhalation anaesthesia (dose according to its effects) is preferable i n reptiles to injection anaesthesia (dose standards in reptiles not known) or anaesthesia by cooling (freedom from pain uncertain).

2. A scheme is presented which is suitable for assessing anaesthesia stages. 3. Initial concentrations for halothane and ether are 3.5-4.5 vol."/o and

20 v01.~/0, respectively. Maintenance of anaesthesia requires 1.5 and 8 v01.~'/o, respectively. Species differences and individual variation may necessitate higher concentrations.

Page 30: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

3 70 BONATH und ZSCHEGB

4. Anaesthesia of reptiles should be carried out at a room temperature of 24-27 OC. Duration of anaesthesia is inversely proportional to environmental temperature (Tab. 5).

5. Respiratory and metabolic features of reptiles result in longer times for induction and maintenance than in warm-blooded animals (Tab. 3, 4,

6. Heart and respiration rates of anaesthetized reptiles (Tab. 6, 12) correspond to those in warm-blooded animals in their reactions to halothane and ether and are temperature-dependant (Tab. 7, 13).

7. Anaesthesia troubles can be relieved by giving oxygen or air. The phase of recovery from anaesthesia can be shortened by giving oxygen.

8-1 1) .

Resume Recherches experimentales

sur l’emploi clinique et la surveillance de la narcose par inhalation chez des reptiles

Des narcoses exPCrimentales A l’halothane et A l’kther ont CtC faites chez 208 individus de 23 espkces diffkrentes de reptiles. (Tab. 2). Les recommanda- tions suivantes concernant l’utilisation clinique des narcoses par inhalation ont ktC donnkes:

1. La narcose par inhalation (dosage selon l’action) est prkfCrable A la narcose par injection (standard de dosage inconnu pour les reptiles) et A l’anesthksie par le froid (suppression incertaine de la douleur) chez les reptiles.

2. Une surveillance de la narcose des reptiles est reprksentCe par un schema de deroulement des stades de narcose.

3. Concentration initiale pour l’halothane 3,s A 4,s vol.O/o et pour l’kher 20 vol.O/o. Maintien de la narcose avec 1,5 et 8 vol.O/o. L’espkce et des facteurs individuels peuvent ndcessiter l’emploi de concentrations plus Clevkes.

4. Les narcoses chez les reptiles sont faites A une temperature ambiante de 24-27 O C . La dude de la narcose est in inverskment proportionnelle A la tem- pkrature ambiente (Tab. 5).

5. Des particularids respiratoires et de mCtabolisme exigent des temps prkliminaires et de narcose plus longs chez les reptiles que chez les animaux A sang chaud (Tab. 3,4 ,8-11) .

6. Les frkquences cardiaques et respiratoires des reptiles sous narcose (Tab. 6, 12) correspondent A celles comme pour l’halothane et l’kther chez les animaux A sang chaud et dipendent de la tempkrature (Tab. 7, 13).

7. Les incidents de narcose peuvent &re Cvitks par respiration A l’oxygkne ou A l’air frais. La phase de reveil est kcourtCe par l’emploi d’oxygkne.

Resumen Estudios experimentales sobre la aplicaci6n clhica y el control

de la narcosis por inha lac ih en reptiles En 208 individuos de 23 especies diferentes de reptiles (Tab. 2) se llevaron

a cab0 narcosis experimentales con halotane o Cter. Para la aplicaci6n clinica de la narcosis por inhalaci6n se infirieron las indicaciones siguientes:

1. En 10s reptiles se debe preferir la narcosis por inhalacibn (dosificaci6n seghn la accibn) a la narcosis por inyecci6n (se desconocen patrones de dosifi- caci6n para reptiles) y a la crioanestesia (no se puede asegurar la ausencia de dolor).

2. Para controlar la narcosis en 10s reptiles, se presenta un esquema de curso de 10s estadios de narcosis.

3. Concentracibn inicial para halotane resp. kter 3,5 hasta 4,5 vol.O/o resp. 20 vol.O/o; pr6rroga de la narcosis con 1,5 resp. 8. vol.O/o. Factores condi-

Page 31: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

Anwendung und Oberwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien 371

cionados por la especie e individuales pueden hacer necesario el us0 de con- centraciones mayores.

4. Las narcosis de reptiles se efectlian a temperaturas ambientales de 24-27 OC. La duracibn de la narcosis es inversamente proporcional a la temperatura ambiente (Tab. 5).

5. Peculiaridades respiratorias y metab6licas conducen en 10s reptiles a tiempos de introduccibn y suefio narcbtico mbs largos que en 10s animales homeotermos (Tab. 3,4, 8-11).

6. Las f recuencias cardiacas y respiratorias de 10s reptiles narcotizados (Tab. 6, 12) se comportan de forma anbloga a las reacciones especificas cono- cidas de 10s homeotermos frente a halotane y Cter, y tienen cierta dependencia tCrmica (Tab. 7, 13).

7. Los accidentes de narcosis se pueden remediar mediante ventilaci6n respiratoria con oxigeno o aire fresco. La fase de despertamiento es abreviada por la dosis de oxigeno.

Literaturverzeichnis APELT, H.-J., 1979: Narkose der Schildkroten. Diss. Essen, Hannover, in Vorbereitung. BELLAIRS, A. D. A., 1967: Reptiles. Aus LANE-PETTER et al.: The U F A W Handbook on the

Care and Management of Laboratory Animals. 830-852. Livingstone, Edinburgh. BETZ, T. W., 1962: Surgical anesthesia in reptiles with special reference to the water snake

Natr ix rhombifera. Co eia. 2, 284-287. BONATH, K., 1979: Halottaneinhalationanaesthesia in reptiles and its clinical control.

International Zoo Yearbook, 19. Zoological Society, London. BONATH, K., 1977: Narkose der Reptilien, Amphibien und Fische. Paul Parey, Berlin und

Hamburg. BONATH, K., 1977: Tauchbadnarkose mit MS-222 und Moglichkeiten der klinischen Ober-

wachung bei Amphibien. Verh. ber. 19. Internat. Symp. Erkrankungen Zootiere 131-139. Akademie, Berlin.

BONATH, K., 1975: Zur Narkose der Reptilien. Verh. ber. 17. Internat. Symp. Erkrankungen Zootiere, 155-186. Akademie, Berlin.

BONATH, K., 1972: Zur Inhalationsnarkose von Hiihnern, Tauben, Enten und anderen Vogeln mit Halothan und igther und deren Wirkung auf Blutdruck, Herz-, Atemfrequenz und Korperteniperatur. Zbl. Vet. Med., Reihe A, 19, 639-660.

BRAZENOR, C. W., and G. KAYE, 1953: Anaesthesia for reptiles. Copeia, 3, 165-170. BRISBIN. I. L.. 1966: Reactions of the american allierator to several immobilizing drugs.

I - - Copeia, 1, 129-130.

BUDDENBROCK v. W., 1967: Vergleichende Physioloerie. 4. Blut und Herz. Birkhauser, Basel. BURKE, T. J., and B.. E. WALL, r970: Anesthetic deaths in cobras (Naja naja and Ophiophagus

CALDERWOOD, H. W., 1971: Anesthesia for reptiles. J. Amer. Vet. med. Ass., 119, 1618-1625. CLARK, H., 1937: Embryonic series in snakes. Science, 85, 569-570. COOPER, J. E., 1971: Surgery on a captive Iguana (Iguana iguana). J. Zoo Anim. Med.,

COWLES, R. B., and C. M. BOGERT, 1944: A preliminary study of the thermal requirements

DMI'EL, R., 1972: Effect of activity and temperature on metabolism and water loss in

DMI'EL, R., and A. BORUT, 1972: Thermal behavior, heat exchange and metabolism in the

FRYE, F. L., 1972: Surgical removal of a cystic calculus from a desert tortoise. J. Amer. vet.

FRYE, F. L., J. P. E. CUCUEL, and T. UNO, 1967: A gas anesthesia adapter for small

FRYE, F. L., and F. DUTRA, 1973: Fibrosarcoma in a Boa constrictor. Vet. Med. 68, 245-246. GANDAL, C. P., 1966 a: A practical anesthetic technique in snakes, utilizing rnethoxyflurane.

GANDAL, C. P., 1966 b: Snakes get sick too. Animal Kingdom, 69, 118-122. GANS. C.. a n d W. B. ELLIOTT. 1968: Snake venoms: Production. iniection. action. Advances

hannah) with methoxyflurane. J. Amer. Vet. med. Ass., 157, 620-621.

2, 29-31.

of desert reptiles. Bull. Amer. Mus. Natur . Hist., 83, 261-296.

snakes. Amer. J. Physiol., 223, 510-516.

desert snake Spalerosophis cliffordi. Physiol. Zool., 111, 78-94.

med. Ass. 161, 600-602.

animals. J. Amer. vet. med. Ass. I l l , 543-844.

J. Amer. Anim. Hosp. Ass., 4, 258-260.

. ,

'in Oral Biology, 3, 45-81. GOODRICH. E. S.. 1930: Studies on the Structure and Development of Vertebrates. McMillan

and Co., London.

Page 32: Experimentelle Untersuchungen zur klinischen Anwendung und Überwachung der Inhalationsnarkose bei Reptilien

3 72 BONATH und ZSCHEGE

HACKENBROCK, C. R., and M. FINSTER, 1963: Fluothane: A rapid and safe inhalation

HINSCH, H., and C. P. GANDAL, 1969: The effects of etorphine (M-99), oxymorphine

HULTSCH, E., 1972: ,,STAT 1 I ' . Programm-System der Medizinischen Hochschule Hannover. HUNT, T. J., 1964: Anaesthesia of the tortoise. Aus: GRAHAM-JONES, 0.: Small Animal

JACKSON, 0. F., 1974: Reptiles and the general practitioner. Vet. Rec., 95, 11-13. JACKSON, 0. F., 1970: Snake anaesthesia. Brit. J. Herpetology, 4, 172-175. JACOBSON, E. R., and A. L. INGLING, 1976: Pyloroduodenal resection in a Burmese Python.

JOHANNSEN, K., 1959 a: Heart activity during experimental diving of snakes. Amer. J.

JOHANNSEN, K., 1959 b: The influence of temperature on the electrocardiograms of some

KAPLAN, H. M., 1969: Anesthesia in amphibians and reptiles. Fed. Proc., 28, 1541-1546. KAPLAN, H. M., and R. TAYLOR, 1957: Anesthesia in turtles. Herpetologica, 13, 43-46. KARLSTROM, E. L., and S. F. COOK, 1955: Notes on snake anesthesia. Copeia, 1, 57-58. KELLAWAY, C. H., 1937: The results of the excision of the venom glands of the Australian

tiger snake (Notechis scutatus). Aust. J. Exp. Biol. Med. Sci., 15, 121-130. LOVERIDGE, J. P., and D. K. BLAKE, 1972: Techniques in the immobilisation and handling of

the Nile Crocodile, Crocod lus niloticus. Arnoldia, 5, 1-14. LUMB, W. V., 1963: Small Animar Anesthesia. Lea and Febiger, Philadelphia. MOBERLY, W. R., 1968: The metabolic responses of the common Iguana, Iguana iguana, to

walking and diving. Comp. Biochem. Physiol., 27, 21-32. NIE, N. H., and C. H. HULL, 1973: Statistical Package for the Social Sciences, Update

Manual. National Opinion Research Center, University of Chicago (Programm-System auf der IBM 360/67 in der Medizinischen Hochschule Hannover).

PLEUGER, C. A., 1950: Gastrotomy in a crocodile - A case report. J. Amer. vet. med. Ass.,

ROBIN, E. D., J. W. VESTER, H. V. MURDAUGH, and J. E. MILLEN, 1964: Prolonged anaerobiosis in a vertebrate: Anaerobic metabolism in the freshwater turtle J. cell. comp. Physiol., 63, 287-297.

ROBINSON, P. T., 1973: Surgical repair of a herniated lung in a common Iguana. J. Amer. vet. med. Ass., 163, 655-656.

SCHLEICH, H.-M., 1973: Personliche Mitteilung. SNEDECOR, and COCHRAN, 1967: Statistical Methods. 6. Aufl., The Iowa State University

SPRAY, D. C., and D. B. BELKIN, 1972: Heart rate - cloaca1 temperature hysteresis in

STUNKARD, J. A., and J. C. MILLER, 1974: An outline guide to general anesthesia in exotic

TAIT, J,, 1938: Surgical removal of the poison glands of Rattlesnakes. Copeia, 1, 10-13. VINEGAR, A., V. H. HUTCHISON, and H. G. DOWLING, 1970: Metabolism energetics, and

thermoregulation during brooding of snakes of the genus Python (Reptilia, Boidac).

anesthetic for poisonous snakes. Copeia, 2, 440-441.

hydrochloride and meperidine hydrochloride in reptiles. Copeia, 2, 404-405.

Anesthesia, 71-76. Pergamon Press, London.

J. Amer. vet. med. Ass., 169, 985-987.

Physiol., 197, 604-606.

northern reptiles. Acta Physiol. Scand. 46, 346-357.

11 7,297-299.

Press, Ames, Iowa.

Iguana is a result of thermal lag. Nature, 239, 337-338.

species. Vet. Med., 69, 1181-1186.

Zoologica, 55, 19-48. WALLACH, J. D., 1969: Medical care of reptiles. J. Amer. vet. med. Ass., III, 1017-1034. WALLACH. T. D., and C. HOESSLE. 1970: M-99 as an immobilizing agent in poikilotherms. - -

Vet.'Med. 65, 163-167. WEBER, E., 1972: GrundriB der biologischen Statistik. 7. Aufl. Fischer, Stuttgart. WINTERSTEIN, H., 1905 : Warmelahmung und Narkose. Z. allg. Physiol., 5 , 323-350. WRIGHT, A., and J. C. JONES, 1957: The adrenal gland in lizards and snakes. J. Endocr., 1 5 ,

YOUNG, R., and H. M. KAPLAN, 1960: Anesthesia of turtles with chlorpromazine and sodium pentobarbital. Proc. Anim. Care Panel, 10, 57-62.

ZWART, P. und E. LAGERWEIJ, 1971 : Pramedikation and Narkose bei Strumpfbandnattern (Thamnophis sirtalis). Verh. ber. 13. Internat. Symp. Erkrankungen Zootiere, 237-240. Akademie, Berlin.

ZWART, P., M. A. M. VERWER, G . A. DE VRIES, E. J. HERMANIDES-NIDJHOF, and H. W. DE VRIES, 1973: Fungal infection of the eyes of the snake Epicrates chenchria maurus: Enucleation under Halothane narcosis. J. small Anim. Pract., 14, 773-779.

Adresse der Autoren: PD Dr. K. BONATH, Zentrales Tierlaboratorium fur Experimen- telle Medizin, HufelandstraBe 55, D-4300 Essen. Dr. C. ZSCHEGE, De t. f. Biometrie und Medizinische Informatik, Medizinische Hochschule Hannover, Karl-Wiegert-Allee 9, D-3000 Hannover.

83-99.