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Exkursion nach China 2018
Exkursion nach China 2018 Peking, Changsha, Shanghai, Zhangjiaje
Excursion to China 2018
Beijing, Changsha, Shanghai, Zhangjiaje
Department of Civil and Environmental Engineering Sciences of the Technischen Universität Darmstadt
Fachbereich 13 - Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften
der Technischen Universität Darmstadt
Institute of Structural Mechanics and Design (ISM+D) Department for Steel Construction (IFSW)
Institut für Statik und Konstruktion (ISM+D)
Fachgebiet Stahlbau (IFSW)
Professoren Knaack, Lange, Schneider
Darmstadt 2018
Exkursion nach China 2018
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Eine Reise in das „Reich der Mitte“ aus der Perspektive der Fach‐gebiete Statik, Fassadentechnik und Stahlbau der Technischen Universität Darmstadt.
In der Landeshauptstadt Peking konnten neben dem Besuch von kulturel‐
len Sehenswürdigkeiten, wie der verbotenen Stadt, im Bau befindliche
Hochhausprojekte hautnah erkundet werden. Ein erster Höhepunkt war
die Besichtigung der Firma North Glass, die zusammen mit nur einem wei‐
teren Unternehmen die Weltspitze für Spezialfassadengläser bildet. Nach
dem Besuch der größten Stahlbrückenbau‐Firma Chinas und der Besichti‐
gung des „Dragon’s Head“, dem östlichsten Teil der Chinesischen Mauer
am Golf von Bohai, Qinhuangdao, stand ein Aufenthalt im Nationalpark
von Zhangjiajie auf dem Reiseplan. Die Glasbodenbrücke und die atembe‐
raubende Landschaft waren weitere Höhepunkte der gesamten Exkursion.
Workshops an der Central South University von Changsha und der Part‐
neruniversität der TU Darmstadt, der Tongji University in Shanghai, boten
die Möglichkeit, didaktische Konzepte und aktuelle Forschungsarbeiten
der beteiligten Universitäten kennen zu lernen. Die Gespräche der Studie‐
renden untereinander über den Alltag im Studienleben waren ein großer
Erfolg, da hier nicht nur das Studium betreffende Inhalte sondern auch all‐
tägliche und kulturelle Besonderheiten ausgetauscht werden konnten. Die
Besichtigung der 26 Mio. Metropole Shanghai stellt den krönenden Ab‐
schluss der Bildungsreise dar. Unter anderem wurden das Urban Planning
Museum, der Oriental Pearl Tower sowie verschiedene historische Se‐
henswürdigkeiten der Stadt besucht.
Wir danken den Firmen Goldbeck, Krebs + Kiefer, Rossmanith und Lange +
Ewald sowie den „Freunden der TU Darmstadt“ für ihre großzügige Unter‐
stützung. Dr. Xiaofeng Shen führte uns durch die Hochhauswelt Pekings,
zum Fassadenglas Hersteller North Glass sowie zu einem hervorragenden
traditionellen chinesischen Abendessen wofür wir ihm sehr dankbar sind.
Exkursion nach China 2018
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Abb. 1 Reiseplan
Exkursion nach China 2018
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... 6 1. China .................................................................................................................. 7
1.1 Geographie und Klima .............................................................................. 8 1.2 Geschichte ................................................................................................ 8 1.3 Infrastruktur und Verkehr ........................................................................ 10 1.4 Bauindustrie ............................................................................................ 10 1.5 Bildung und Wissenschaftsförderung ..................................................... 11 1.6 Architektur ............................................................................................... 13
2. Peking ............................................................................................................... 14 2.2 Geschichte .............................................................................................. 16 2.3 Wirtschaft und Wissenschaft ................................................................... 18 2.4 Kultur und Sehenswürdigkeiten .............................................................. 19
3. North Glass ....................................................................................................... 21 4. China Railway Shanhaiguan Bridge Group ...................................................... 24 5. Die Chinesische Mauer .................................................................................... 26
5.1 Geschichte .............................................................................................. 26 5.2 Baumaterialien ........................................................................................ 27 5.3 Verlust der Bedeutung ............................................................................ 28
6. Nationaler Waldpark Zhangjiajie ....................................................................... 30 6.1 Flora und Fauna ...................................................................................... 32 6.2 Sehenswürdigkeiten ................................................................................ 32
7. Grand Canyon Glass Bridge ............................................................................. 35 8. Changsha ......................................................................................................... 40
8.1 Lage und Klima ....................................................................................... 40 8.2 Geschichte und Stadtbild ........................................................................ 40 1.2 Wirtschaft und Infrastruktur ..................................................................... 41 1.3 Kultur und Sehenswürdigkeiten .............................................................. 43
9. Central South University ................................................................................... 45 9.1 Laborbesuche ......................................................................................... 47 9.2 Eindrücke und Studentenleben ............................................................... 49
10. Shanghai .......................................................................................................... 52 10.1 Geschichte und Stadtbild ........................................................................ 52 10.2 Kultur und Sehenswürdigkeiten .............................................................. 53
11. Tongji University ............................................................................................... 59 11.1 Geschichte der Tongji ............................................................................. 62 11.2 Laborbesuche ......................................................................................... 63 11.3 Eindrücke und Studentenleben ............................................................... 66
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 68
1 China
Exkursion nach China 2018
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1. China
Tabelle 1 Zahlen und Fakten
Ländername und Gründung Volksrepublik China (Zhonghua Renmin Gongheguo), unabhängig seit 01.10.1949
Nationalfeiertag 1. Oktober
Klima Im Norden kontinental, im Süden subtropisch
Fläche/Lage 9.597.995 km² Lage: Ostasien, 18° bis 53° nördliche Breite, 73° bis 135° östliche Länge
Zeitunterschied zu MEZ + 7 Stunden
Hauptstadt Peking (Beijing), Einwohner: Großraum ca. 21,5 Mio., da-runter ca. 8 Mio. Wanderarbeiter
Bevölkerung ca. 1,382 Mrd. (Quelle: IWF), davon ca. 92% Han-Chinesen, sowie 55 Minoritäten
Landessprache Standard-Hochchinesisch („Putonghua“), Dialekte des Chi-nesischen, verschied. Minderheitssprachen
Währung 1 Yuan (CNY) = 10 Jiao = 100 Fen
Religion Atheistische Staatsideologie; Buddhismus, Islam, Taois-mus, protestantische und katholische ‚Staatskirchen‘ sowie unabhängige Hauskirchen
Staats-/Regierungsform, Staatsoberhaupt und Regie-rungschef
Sozialistische Volksrepublik Staatsoberhaupt: Präsident Xi Jinping (seit März 2018) Regierungschef: Ministerpräsident des Staatsrats Li Keqi-ang (seit März 2013)
Verwaltungsstruktur
Zentralregierung in Peking, 22 Provinzen, 5 Autonome Re-gionen sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Tianjin, Shanghai, Chongqing), zwei Sonderverwaltungs-Regionen (Hongkong, Macau)
Mitgliedschaften in internati-onalen Organisationen
Vereinte Nationen und zahlreiche Sonderorganisationen, Weltbank, Internationaler Währungsfonds IWF, Welthan-delsorganisation WTO
Wichtigste Medien
Fernsehen: Chinese Central Television CCTV Radio: Zentraler Volksrundfunk Presse: u.a. Volks-, Wirtschafts-, Rechts-, Arbeiter-, Jugendzeitung, Guangming Ribao, Global Times und China Daily
Bruttoinlandsprodukt und BIP pro Kopf
2016: ca. 11.232 Mrd. USD, pro Kopf ca. 8.123 USD
Elektrischer Strom 220 Volt/50 Hertz, Mehrfachadapter notwendig
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1.1 Geographie und Klima China befindet sich in Ostasien und erstreckt sich über ein Territorium von
9.597.995 km2. Die Ausdehnung in Nord‐Süd und Ost‐West‐Richtungen ist jeweils
größer als 4.200 km. Es ist somit das drittgrößte Land der Erde. Bei einer Bevölke‐
rung von circa 1,382 Milliarden kommen so etwa 144 Einwohnern auf 1 km² Flä‐
che. Die Verteilung der Bevölkerung erfolgt aufgrund unterschiedlichster geogra‐
phischer Gegebenheiten nicht homogen.
Durch die große Ausdehnung finden sich in der VR China sehr unterschiedliche
Naturräume mit starken klimatischen Differenzen. So liegt zwar der Großteil des
Landes in der gemäßigten Zone. In Südost‐ und Zentralchina findet sich warm und
feuchtes (subtropisches), im Norden jedoch im Sommer gemäßigtes und im Winter
extrem kaltes und trockenes (kontinentales) Klima. In der Regenzeit von Juni bis
September kommt es häufig zu Überschwemmungen im Südosten sowie zu Taifu‐
nen an den Küstenregionen. Aufgrund seismischer Gegebenheiten kann es in China
jederzeit zu Erbeben kommen.
1.2 Geschichte
1.2.1. Vorindustrielle Zeit
Die Geschichte Chinas reicht bis Mitte des 18. vorchristlichen Jahrhunderts zurück.
Aus den damaligen, sich abwechselnden Dynastien ging etwa 200 v. Chr. der erste
selbst ernannte Kaiser hervor, der eine Einigung des zerspalteten Chinas sowie ei‐
ne Vereinheitlichung der Schrift und die Errichtung der Chinesischen Mauer zur
Fernhaltung nomadischer Reitervölker aus dem Norden erzielte. Machtwechsel
durch Volksaufstände und inneren Machtkämpfen führten im 5. Jahrhundert n.
Chr. zur 60‐jährigen Teilung Chinas.
Bei der Wiedervereinigung wächst China wirtschaftlich durch den Handel mit
dem Westen über die Seidenstraße. Auch das Christentum gelangt erstmals nach
China und trifft auf den bereits verbreiteten Buddhismus. Während des 13. Jahr‐
hunderts führten militärische Gefechte zu einer Fremdherrschaft der Mongolen
und einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung. Eine Bauernrevolte beendete
diese. In der nachfolgenden Dynastie wird die private Sklaverei verboten, China
entwickelt sich zu einer führenden Seenation, die Urbanisierung Chinas steigt an,
ebenso wie die Bevölkerungszahlen stetig anwachsen. Während dieser letzten,
noch über hunderte von Jahren anhaltenden Dynastie, erreicht China um 1800 sei‐
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ne größte Ausdehnung und produziert bereits etwa ein Drittel aller Waren welt‐
weit.
1.2.2. Moderne Zeit
Erst 1911 wird der letzte Kaiser gestürzt. Es wächst die Zustimmung für die Ansätze
einer Republik mit Übergangspräsident. Jedoch wird bereits 1914 das Parlament
aufgelöst und ein Diktator reagierte mit Beendigung aller demokratischen Prinzi‐
pien. Die Kommunisten erlangen nach dem ersten Weltkrieg, mit einer Kriegserklä‐
rung an Deutschland, jahrzehntelangen Gefechte mit Japan, zusätzlich verstärkt
durch innere Auseinandersetzungen mit Nationalisten die Oberhand.
Am 1. Oktober 1940 wird die Republik China von Mao Zedong, dem Vorsitzen‐
den der Kommunistischen Partei Chinas, ausgesprochen und er zum führenden Po‐
litiker gemacht. Von 1950 – 1953 kämpft China im Koreakrieg, eine große Hun‐
gersnot plagt das Land über 2 Jahre hinweg und politische Gegner werden verfolgt.
Mit dem Tod Maos 1976 beginnt der Modernisierungskurs: Friedens‐ und Freund‐
schaftsverträge mit früheren Kriegsgegnern werden unterzeichnet, durch die
Rückgabe der Kolonien Hongkong und Macau wird die Kolonialisierung Chinas be‐
endet. Zudem erhalten ausländische Investitionen Zugang nach China und Bezie‐
hung nach Russland und den USA werden aufgebaut.
1.2.3. Gegenwart
Die Führung des Landes liegt 2018 bei der kommunistischen Partei mit Staats‐ und
Parteichef Xi Jinping. Gesetze treten durch seinen Erlass in Kraft, außerdem er‐
nennt und entlässt er Ministerpräsidenten, Stellvertreter und Staatskommissare. Er
verfolgt die von seinen Vorgängern begonnen Antikorruptionskampagne weiter,
durch die unter anderem gegen 187.000 Parteifunktionäre Strafverfahren eingelei‐
tet wurden. Gewählt wird er vom Nationalen Volkskongress, das mit etwa 3.000
Mitgliedern das größte Parlament auf der Welt darstellt. Die Abgeordneten werden
für 5 Jahre in eine Legislaturperiode gewählt und je Wahleinheit einer Delegation
zugewiesen. Seit März 2018 läuft die 13. Legislaturperiode.
Zu den politischen Ausrichtungen der kommunistischen Partei zählen die natio‐
nale Souveränität, die politische Stabilität, der allgemeine Wohlstand und das ste‐
tige Wirtschaftswachstum. Unter ihrer Führung hat sich China innerhalb wenigen
Jahrzenten von einem Schwellenland zur zweitgrößten Volkswirtshaft entwickelt.
Allein ihre Agrar‐ und Industriereformen haben etwa 600 Millionen Menschen von
der Armut befreit. Seit 2002 können Vertreter aller Gesellschaftsschichten der Par‐
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tei beitreten, sodass Bauernorganisationen, Gewerkschaften und Unternehmens‐
verbände mit um die politische Linie der Partei kämpfen. In den letzten 8 Jahren
stieg die Anzahl er Neuzugänge über 10 Millionen, sodass zurzeit etwa 90 Millionen
Menschen der Partei angehören.
1.3 Infrastruktur und Verkehr Nur neun Jahre nach Eröffnung der ersten Strecke besitzt China das größte Eisen‐
bahnhochgeschwindigkeitsnetz der Erde. Auf eine Gesamtlänge des Schienennet‐
zes von rund 127.000 km, kommen 25.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken, wel‐
che alleine im Jahre 2017 um 3.038 km erweitert wurden. Zusätzlich existieren in
den Städten Shanghai und Peking gut ausgebaute, moderne U‐Bahnnetze.
Des Weiteren besitzt die VR den zweitgrößten Luftverkehrsmarkt weltweit hin‐
ter den USA. Bis Ende 2017 fanden sich in China 224 zivile Flughäfen, wovon 32 ein
jährliches Passagieraufkommen von mehr als 10 Mio. aufweisen. Landesweit stieg
im Luftverkehr das Aufkommen allein von 2016 auf 2017 um 13% auf 552 Mio.
Passagiere.
Zusätzlich stellt China in der Automobilbranche den größten Markt der Welt
dar und ist für deutsche Hersteller der wichtigste Einzelmarkt. 2017 wurden 24,7
Mio. Pkws verkauft, wobei auch hier ein Wachstumstrend zu beobachten ist. Die
Kehrseite davon stellt das immense Verkehrsaufkommen in den Städten und die
daraus resultierende Luftverschmutzung dar.
1.4 Bauindustrie Die öffentliche wie auch private Nachfrage in der Bauwirtschaft steigt ununterbro‐
chen. Gründe hierfür sind zum Beispiel das Bevölkerungswachstum, die landesweit
initiierte Urbanisierung, der große Energiebedarf und damit verbunden auch die
stark zunehmenden Umweltprobleme. Die Investition in alternative Energien führ‐
te dazu, dass China im Jahre 2013 weltweit die Hälfte aller Windenergieanlagen
aufgestellt und installiert hat.
In den nächsten Jahren wird mit Wohnungen für etwa 100 Millionen neue Bür‐
ger gerechnet. Vor allem die Hochhausprojekte wuchsen im August 2016 um 12 %
an. Hierbei steigt auch die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Wohnraum für
eine größere Mittelschicht. Doch das lokale Umfeld birgt einige Risiken. Zu ihnen
gehören mangelhafte, unvollständige Lieferungen durch Unterlieferanten, Verga‐
befahren und Bürokratie. Bei kleinen und staatlichen Projekten ist eine Bevorzu‐
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gung lokaler Firmen erkennbar. Für die wenigen Projekte, die überhaupt für inter‐
nationale Anbieter in Frage kommen, gibt es einen hohen Andrang.
Bedingt durch die schlechte Bauqualität der letzten Jahrzehnte sind viele Villen
und Appartements in der gehobenen Mittelschicht und im Luxusbereich renovie‐
rungsbedürftig. Vor allem deutsche Baustoffe und Zulieferprodukte kommen hier
zum Tragen, da die Sichtbarkeit des Produktes eine entscheidende Rolle spielt und
die verbunden Mehrkosten weniger stark ins Gewicht fallen.
Abb. 2 Produktionswert der Baubranche in China in den Jahren 2000 bis 2013 in Billionen Yuan (nach National Bureau of Statistics of China, 2018)
1.5 Bildung und Wissenschaftsförderung 1996 ist in der VR China eine neunjährige Schulpflicht mit Unterricht in Ganztags‐
schulen eingeführt worden, welche jedoch aufgrund starker Unterschiede in der
Infrastruktur, bis heute nicht landesweit greift. Dadurch besteht noch immer ein
starkes Bildungsgefälle zwischen der Stadt‐ und Landbevölkerung sowie zwischen
einkommensstarken und ‐schwachen Familien. Nach erfolgreichem Bestehen der
Oberstufe beginnt ein vier‐ bis fünfjähriges Studium zum Bachelor oder ein zwei‐
bis dreijähriges Fachhochschulstudium. Für einen zusätzlichen
Graduiertenabschluss werden weitere drei Jahre benötigt.
Zwar besitzt China ein Hochschulsystem mit etwa 1050 Einrichtungen, darunter
190 Universitäten, doch die strenge Steuerung der Zulassung werden pro Jahrgang
nur circa elf Prozent der 18‐ bis 22‐jährigen Bewerberinnen und Bewerber an Uni‐
versitäten und 15 Prozent an anderen Hochschulen aufgenommen. Aufgrund des‐
sen haben viele junge Chinesen Interesse an einem Studium im Ausland. Während
2006 etwa 2,1 Millionen Studierende aus China im Ausland studierten, sollen es bis
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2020 etwa 5,8 Millionen werden. Damit stellt China nicht ohne Stolz das weltweit
größte Kontingent an ausländischen Studierenden.
Der Staat hat Interesse, durch rückkehrende Studierende Wissen ins Land und
auf den boomenden Arbeitsmarkt zu holen sowie Kooperationen mit internationa‐
len Universitäten zu etablieren. Dafür wurden im Hochschulbereich die vorhande‐
nen Kapazitäten in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet und auch quali‐
tativ aufgewertet. Es finden sich laut Auswärtigem Amt mittlerweile mehr als 1.200
bilaterale Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Hochschulen. Ne‐
ben Äquivalenzabkommen über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hoch‐
schulbereich zwischen Deutschland und China, stellt die im März 2011 gegründete
Chinesisch‐Deutsche Hochschule (CDH) an der Tongji Universität in Shanghai das
umfangreichste deutsche Hochschulprojekt in China dar. In letzter Zeit wird von
Partei und Staat strenger auf die Einhaltung politisch‐ideologischer Vorgaben im
Hochschulleben geachtet.
Um China weiter zu modernisieren und die Forschung und Entwicklung auf
Weltniveau zu bringen, wurde 1986 erstmals das staatliche "863" oder "Fackel"‐
Programm erstellt. Dieses förderte seither besonders die Grundlagenforschung zu
den Schlüsseltechnologien, um so einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensquali‐
tät sowie zur Innovation zu leisten.
Die kommunistische Partei stieß noch 1995 eine Strukturreform in Wissen‐
schaft und Technik nach Maßgabe der „sozialistischen Markwirtschaft“ an. Heute
hingegen hat die Nationale Stiftung für Naturwissenschaften (NNSFC) einen Groß‐
teil der Forschungsförderung übernommen. Die Stiftung wird von internationalen
Fachleuten beraten, ist wettbewerbsorientiert und auch freier von direkter Ein‐
flussnahme durch die Politik. Ziel ist es auch hier unterentwickelte Regionen in
Zentral‐ und Westchina zu fördern. Um internationale Forscher zu gewinnen, wirbt
China unter anderem mit besonderen Standortfaktoren, wie großzügigen Rahmen‐
bedingungen in international umstrittener Forschung oder hoch qualifizierten und
motivierten, aber niedrig bezahlten Arbeitskräften. Als herausragende Leistung ei‐
nes NNSFC geförderten Projekts ist die Entschlüsselung des Reisgenoms zu nen‐
nen, welches die Entschlüsselung des Humangenoms des Wegs ebnete.
Momentan fördert der chinesischen Regierung den Aufbau unternehmerischer
Strukturen von Forschungsinstituten. Als Schwächen des chinesischen Forschungs‐
systems gelten unterentwickelte Kontroll‐ und Überwachungsmechanismen bei
der Umsetzung von Gesetzen und Richtlinien und eine bislang unzureichende Ver‐
ankerung der Forschung in der Gesellschaft, wobei die Elite eine hohe Verantwor‐
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tung zuteil kommt. Eine Förderung potenziell kritischer Disziplinen wie den Geis‐
teswissenschaften fehlt im Moment noch.
1.6 Architektur Der traditionell chinesische Baustil zählt neben dem europäischen und islamischen
zu den drei großen architektonischen Richtungen der Welt. Von grazilen Pavillons
mit geschwungenen Dächern, gebogenen Brücken mit geschnitzten Lackgittern zu
dem größten Verteidigungsbauwerk der Welt, die Chinesische Mauer, wird ein ho‐
her Wiedererkennungswert geschaffen. Dabei kommt es bei traditionell chinesi‐
scher Architektur weniger auf einzelne, sondern vor allem auf die Komposition un‐
terschiedlicher Gebäude an, die dadurch ein einheitliches Gesamtkonzept
darstellen.
Während sich die Traditionen über mehrere Jahrhunderte wahrten, kam es ab
Mitte des 20. Jahrhunderts zum Entwickeln der modernen Chinesischen Architek‐
tur. Diese stand oftmals im Verruf ganze Gebäude aus dem Ausland zu kopieren
und maßstabsgetreu in der VR zu errichten.
2 Peking
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2. Peking Peking (Beijing) ist die Hauptstadt der Volksrepublik China und derzeit der Zentral‐
regierung unterstellt. Sie ist das politische und kulturelle Zentrum des Landes. Das
Verwaltungsgebiet umfasst eine Fläche von 16.808 km² mit 21,7 Millionen Ein‐
wohnern (2015). Die Bevölkerungsdichte liegt damit bei 1.291 Einwohnern pro
km2. In der gesamten Metropolregion ist eine dichte Besiedlung vorzufinden. Pe‐
king ist in 16 Stadtbezirke und zwei Kreise eingeteilt. Die einzelnen Viertel und
Stadtteile sind mitunter sehr unterschiedlich.
2.1.1. Lage und Klima
Die Stadt befindet sich im Nordosten Chinas. Sie ist der Nähe einer Bucht, etwa 50
m über dem Meer, im Norden der Nordchinesischen Tiefebene gelegen. Die
Hauptbestandteile dieser Ebene sind Geröll, Löß und Sand. Es besteht eine perma‐
nente Gefahr für Erdbeben. Das Klima dieser Region zeichnet sich trotz der Nähe
zur Küste durch trockene, kalte Winter und heiße, feuchte Sommer aus. Durch die
im 20. Jahrhundert andauernde schnell wachsende Bevölkerung und Wirtschaft
hat die Stadt mit einer starken Luft‐ und Wasserverschmutzung sowie Wasser‐
knappheit zu kämpfen. Die Luftverschmutzung soll durch Regulierungen der In‐
dustrie und des Verkehrs, die Wasserverschmutzung durch weitere Kläranlagen
und die Wasserknappheit durch ein Wasserumleitungsprojekt gemildert werden.
Abb. 3 Geographische Lage Pekings (freeworldmaps.net)
2 Peking
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2 Peking
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2.2 Geschichte Die Anfänge von Peking reichen bis in das 12. Jahrhundert vor Christus zurück.
Schon zu dieser Zeit war die Stadt ein Knotenpunkt für Handel zwischen verschie‐
denen Stämmen der Umgebung. Seit dem 10. Jahrhundert nach Christus ist sie un‐
ter wechselndem Namen Herrschaftssitz und seit dem 15. Jahrhundert meist die
Hauptstadt Chinas. Seither war sie auch Handels‐ und Verwaltungsmittelpunkt un‐
terschiedlicher Staatsgebilde.
Peking war von 1264‐1368 Hauptresidenz der Mongolen, ab 1421 Sitz der
Mingkaiser und nach 1644 der Mandschukaiser. Nach dem Sturz der Mandschudy‐
nastie 1912 und der Ausrufung der Republik, war Peking bis 1928 das Zentrum von
Restaurationstendenzen, die die Wiederherstellung früherer gesellschaftlicher und
politischer Verhältnisse zum Ziel hatten. In diesen Jahren wurde Peking mehrmals
umbenannt, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um eine Hauptstadt han‐
delt.
1949 nahm die kommunistische Volksbefreiungsarmee die Stadt ein. Daraufhin
erklärte sie die Führung der chinesischen kommunistischen Partei zur Hauptstadt.
Seitdem ist sie in dieser Eigenschaft das politische Zentrum der heutigen Volksre‐
publik, welche im selben Jahr ausgerufen wurde.
2.2.1. Entstehung des Stadtbilds
Im Verlauf ihrer Geschichte wurde Peking immer wieder von neuen Herrschern
erobert, dabei Teile von ihr zerstört und neu aufgebaut. So auch unter den frühen
Mingkaisern zwischen 1368 und 1420. Die ältesten Mauerreste der Stadt stammen
aus der Zeit der Jindynastie (1115‐1234). Der Stadtentwurf baute auf der
vorherigen Anlage auf und wurde als Abbild des Kosmos konzipiert. Dieser ist nach
altem chinesischem Weltbild viereckig. Dementsprechend bestand das Konzept
aus drei ineinander gestellten, rechteckigen Bezirken mit Hauptachsen in den vier
Himmelsrichtungen. Diese Bezirke, also die Kaiserstadt, Innere und Äußere Stadt
waren jeweils ummauert und durch mächtige Torbauten zugänglich.
Torbauten, Zeremoniell‐ und Palastgebäude lagen auf der von Norden nach Sü‐
den verlaufenden Hauptachse hintereinander hierarchisch gestaffelt und aufei‐
nander bezogen. Die nach Süden hin ausgerichtete, ummauerte und von einem
Graben umgebene Kaiserstadt bildete den zentralen Bezirk. Sie wird auch als „Ver‐
botene Stadt“ bezeichnet, da sie dem Volk bis zum Ende der Kaiserzeit unzugäng‐
lich war.
2 Peking
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Abb. 4 Stadtplan mit den drei historischen Bezirken (orangesmile.com)
Außerhalb der inneren Mauer befanden sich in den vier Himmelsrichtungen be‐
deutende Tempelanlagen mit dem Erdaltar (Norden), Himmelsaltar (Süden), Son‐
nenaltar (Osten) und Mondaltar (Westen). Südlich der Kaiserstadt befindet sich der
Platz des Himmlischen Friedens, auf dem sich heute die Mao‐Zedong‐Gedenkhalle
und das Denkmal der Volkshelden befinden.
Der Platz des Himmlischen Friedens ist der größte öffentliche Platz der Erde
und wird von der Großen Halle des Volkes, dem Museumskomplex, dem Tor des
Himmlischen Friedens und dem Qianmen, des früheren Tor der Südmauer der In‐
neren Stadt, umrahmt. Die verschiedenen Herrscher haben im Laufe der Zeit im‐
mer wieder Paläste und Tempel errichtet.
Seit den 50er Jahren begann unter der kommunistischen Regierung ein um‐
fangreicher städtebaulicher Umgestaltungsprozess. Mit dem Ziel einer modernen
Hauptstadt des Volkes wurde der Großteil der historischen Bausubstanz zerstört
oder zweckentfremdet. Das hatte zur Folge, dass die alten Symbole der kaiserli‐
chen Zeit verschwanden und sich die Anzahl der Tempel und Denkmäler stark re‐
duzierte.
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Unter der Anleitung von Fünfjahresplänen wurde Peking zur Industriebasis und
zum zentralen Verwaltungsstandort umgebaut. Ab den 1960er Jahren hatte Peking
hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Dieses Wachstum kam in einer anschlie‐
ßenden Phase fast zum Erliegen und normalisierte sich in den 1970ern. Die Zu‐
wanderung und andere wichtige Faktoren für das Bevölkerungswachstum wurden
seitdem in verschiedener Weise reguliert.
Durch den enormen wirtschaftlichen Aufschwung in den 1990ern setzte sich
die Migration in die Stadt dennoch fort und hatte einen Zuwachs an Verkehr,
Wohnungsbedarf und Verschmutzung zur Folge. Dadurch musste der Stadtplan
verändert werden. Er sieht im Osten der Stadt einen industriellen Gürtel vor, der
regionale Entwicklung ermöglichen und die künftige Nachfrage der Bevölkerung
und Industrie befriedigen soll. Dagegen soll im Westen ein Ökoschutzgürtel und
Standort von umweltfreundlichen High‐Tech‐Industrien entstehen. Außerhalb die‐
ser beiden Gürtel sind Satellitenstädte geplant, um die überfüllte Kernstadt Pekings
zu entlasten.
2.3 Wirtschaft und Wissenschaft In Peking entwickelte sich die Industrie erst nach 1949 in stärkerem Maße und
steht heute, vom Wert der Produktion her gesehen, nach Shanghai an zweiter Stel‐
le. Während sich die neueren Industrieanlagen vorwiegend im Osten und den neu‐
en Satellitenstädten befinden, liegen die älteren im Westen der Stadt. Die dominie‐
renden Bereiche sind die Schwerindustrie mit Eisen‐ und Stahlproduktion,
Maschinen‐, Kfz‐, Lokomotiv‐ und Wagonbau sowie die petrochemische Indust‐
rie mit einer Erdölraffinerie.
Die Leichtindustrie setzt sich vor allem aus elektrotechnischer, elektronischer,
Textil‐, polygraphischer und Nahrungsmittelindustrie zusammen. Weiterhin be‐
steht eine umfangreiche handwerkliche Produktion unter Anderem von Porzellan,
Elfenbein‐ und Jadeschnitzereien, Kupfergeschirr und Teppichen. In den Außenge‐
bieten wird Landwirtschaft in Form von Gemüse‐ und Obstbau, Baumwoll‐ und
Erdnußanbau sowie Kleintierhaltung betrieben. Infolge der Modernisierungspro‐
zesse beschleunigt sich der Strukturwandel der Wirtschaft und immer mehr Men‐
schen finden Beschäftigung im Dienstleistungssektor. Um die benötigte Energie be‐
reitzustellen, wird die Stadt neben Wasserkraftwerken von mehreren
Wärmekraftwerken auf Gasbasis versorgt.
Die wichtigsten Bildungseinrichtungen Pekings sind die verschiedenen Akade‐
mien und die zahlreichen Universitäten, Hochschulen, Institute sowie Forschungs‐
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einrichtungen. Die meisten dieser Einrichtungen befinden sich im Haidian‐Bezirk im
Nordwesten der Metropole. Im akademischen und technischen Bereich sind über
250.000 Menschen angestellt. Das macht die Stadt zu einem wichtigen Wissen‐
schaftsstandort.
2.3.1. Infrastruktur
Als Hauptstadt bildet Peking auch einen Knotenpunkt des Straßen‐ und Schienen‐
netzes und verfügt über mehrere Flughäfen. Durch einen fünffachen Stadtring wird
der Straßenverkehr entlastet. Das Autobahnnetz wird ständig erweitert. Für den
öffentlichen, innerstädtischen Verkehr dient neben Bussen seit 1969 eine U‐Bahn.
Seit einigen Jahren erlebt Peking einen Bauboom. Sowohl die bebaute Fläche, als
auch die Höhe der Gebäude nehmen immer weiter zu. Vor allem im Zusammen‐
hang mit den olympischen Spielen 2008 wurden umfassende Sanierungsprojekte
gestartet. Neben dem Ausbau der Infrastruktur sollten die Luftverschmutzung ver‐
ringert, Freiflächen begrünt und verschmutzte Kanäle erneuert werden.
Abb. 5 Eindrücke des modernen Pekings
2.4 Kultur und Sehenswürdigkeiten In Peking und Umgebung sind zahlreiche Kultureinrichtungen und Sehenswürdig‐
keiten zu finden, die in der heutigen Zeit vor allem für den Tourismus von Interesse
sind. Zu den bekanntesten zählt der ehemalige Kaiserpalast mit dem Palastmuse‐
um in der Verbotenen Stadt. Die verbotene Stadt galt als Machtsymbol des Kaisers.
Sie beherbergt viele Paläste und prunkvolle Gebäude. In der Stadt selbst ist eine
Vielzahl von Theatern und Museen vorzufinden, wie das Museum der chinesischen
2 Peking
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Geschichte, der Museum der chinesischen Revolution, sowie das Naturhistorische
Museum, die Peking Oper und der Tian’anmen‐Platz, der größte Platz der Erde mit
dem Tor des Himmlischen Friedens. Auch mehrere bedeutende Bibliotheken, ein
Planetarium und einen zoologischen sowie botanischen Garten bieten Ausflugsziele
an. Die Gegend des Sommerpalasts nordwestlich des Stadtzentrums, besteht aus
großen, teils neu angelegten Parkanlagen, die zur Erholung und Entspannung ge‐
nutzt werden. Weitere bekannte Sehenswürdigkeiten sind unter Anderem der Glo‐
ckenturm, der Trommelturm, der Himmelstempel, der Konfuziustempel, der Lama‐
tempel, der Tempel der weißen Pagode und der Beihai‐Park. Die großzügigen
Tempel‐ und Parkanlagen waren der Mittelpunkt der Stadt und Ausdruck chinesi‐
scher Herrlichkeit und Machtentfaltung. 2008 war Peking der Austragungsort der
olympischen Spiele. Das dafür eingerichtete Olympischer Gelände befindet sich
nördlich des Zentrums und hat seit Abschluss der Spiele einen ausgeprägten Park‐
charakter. Der bekannteste erhaltene Abschnitt der Chinesische Mauer ist in ca. 70
km Entfernung gelegen. Etwa 20 km westlich von Peking befinden sich die West‐
berge mit mehreren buddhistischen Tempeln.
a) b)
c) d)
Abb. 6 a) Verbotene Stadt, b) Himmelstempel, c) „Bird´s Nest“, d) Tempel im Beihai‐Park
3 North Glass
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3. North Glass Die Reisegruppe der TU Darmstadt besichtigte am 18.9.2018 das Werk in der Nähe
von Beijing. Die Besichtigung bestand aus einem Rundgang durch die Fertigungs‐
halle und die Glaslabors sowie anschließendem Vortrag über das Unternehmen
und Mittagessen. Der vorliegende Artikel schildert einige Eindrücke und Informati‐
onen der Werksführung.
Der Glasproduzent North Glass ist ein weltweit agierendes Industrieunterneh‐
men, das auf große Architekturgläser spezialisiert ist. Die Kurzform „North Glass“
steht stellvertretend für den vollständigen Name „Luoyang North Glass Technology
Co., Ltd.“. Das Unternehmen wurde 1995 als erstes staatliches, chinesisches Glas‐
industrieunternehmen gegründet. Hinter der Gründung steckte der politische Ge‐
danke, neue innovative Prozesse in China zu etablieren, um die Entwicklung des
Landes voranzubringen.
Aktuell wird an den Produktionsstandorten in Luoyang, Shanghai, Tianijn, Bei‐
jing und Guangdong Glas gefertigt. Zudem entwickelt und baut das Unternehmen
eigene Maschinen zur Glasproduktion. Das Werk in der Nähe von Beijing besteht
aus einer ca. 500 m x 200 m große Produktionshalle mit integrierten Prüflabors, in
der ca. 300 Mitarbeiter tätig sind.
a) b)
Abb. 7 a) Glasausstellung in der North Glass Fertigungshalle, b) gekrümmte Scheiben
North Glass‐Gläser sind in zweierlei Hinsicht besonders: sie weisen rekordverdäch‐
tige Abmessungen und Krümmung auf. Im Laufe der Werksführung konnte eine
der größten Glasscheiben der Welt besichtigt werden. Sie ist ca. 1,5 cm dick, 3,3 m
hoch und 18 m lang. Der Verkaufspreis einer solchen Scheibe beträgt ca. 200.000
3 North Glass
Exkursion nach China 2018
22
€. Gekrümmtes und großformatiges Glas ist in hochkarätigen architektonischen
Anwendungen eingesetzt, um die gewünschte Markenidentität zum Ausdruck zu
bringen.
a) b)
Abb. 8 a) Exkursionsgruppe und Mitarbeiter der North Glass vor der Rekordscheibe, b) Eingang des App
le Stores in Shanghai
Diese Größe von Glasscheiben ist nur herstellbar, da North Glass eine selbstentwi‐
ckelte „Tempering“‐Maschine einsetzt, die bis zu 3,6 m x 18 m große Gläser vor‐
spannen kann. Diese Maschine ermöglicht es zudem Gläser während des Vor‐
spannprozesses zu krümmen. Eine ähnliche Maschine ist weltweit nur noch beim
deutschen Glashersteller Seele zu finden. Grundsätzlich erfolgt die Glasfertigung in
8 Schritten, die alle im Werk zu sehen waren:
1) Zuschneiden der Glasplatten
2) Bohren und Fräsen von Aussparungen
3) Nachschleifen
4) Vorspannen
5) Reinigen der beiden Zwischenflächen
6) Laminieren
7) Erhitzen in einem Autoklaven unter hohem Druck
8) Prüfung von Probekörpern (intern und extern)
Die Schwierigkeit bei der Herstellung gekrümmter, tragfähiger Gläser liegt in dem
Laminieren verschiedener Schichten aufeinander. Das Laminieren ist notwendig, da
im Glasbau eine Scheibe aus verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen Funk‐
tionen zusammengesetzt wird. Eine klassische Glasscheibe besteht aus einer tra‐
genden Schicht, die in der Lage ist die Last alleine zu tragen. Diese wird ergänzt um
3 North Glass
Exkursion nach China 2018
23
eine gleichdicke Scheibe, für den Fall, dass die erste Scheibe ausfällt. Des Weiteren
wird jeweils oberhalb und unterhalb der Scheiben eine Verschleißscheibe ange‐
ordnet, die Kratzer von den tragenden Schichten abhalten sollen.
Beim Laminieren und Fertigen der einzelnen Schichten von gekrümmten Schei‐
ben ist eine sehr hohe Präzision nötig, da eine Nachbearbeitung die Glasstruktur
beschädigen würde. Die einzelnen Schichten erhalten ihre hohe Tragfähigkeit
durch Vorspannung. Dabei wird die geringe Zugfestigkeit von Glas durch einge‐
prägten Druck erst bei einer höheren Belastung erreicht. Zur Herstellung der ein‐
zelnen Schichten wird von North Glass Salzwasser‐Tempering (bei sehr dünnen
Schichten) und Heißluft‐Tempering (bei sehr großen Scheibendicken) eingesetzt.
Ein bekannter amerikanischer Technologiekonzern, dessen Logo engverbunden
ist mit einem hessischen Getränkeklassiker, ist einer der Auftraggeber von North
Glass. North Glass stellt für diesen Konzern große, fugenlose Fensterscheiben und
Treppenelemente her, die zur Einrichtung transparenter Verkaufsräume dienen. Im
Gegenzug inspiriert das amerikanische Unternehmen auch North Glass zu neuen
Produkten, auch um eine preiswertere Alternative zum deutschen Hersteller Seele
am Markt zu fördern.
Was über die Betrachtung außergewöhnlicher Glasbauteile hinaus in Erinne‐
rung bleiben wird, ist die große Gastfreundschaft, die der Reisegruppe der TU
Darmstadt zuteilwurde. Neben den ausführlichen Erläuterungen technischer De‐
tails durch den Sales Director Chunchao Li ist in diesem Zusammenhang die Einla‐
dung zum Mittag und Abendessen hervorzuheben. Deshalb war es uns eine beson‐
dere Freude Herrn Li und einige Mitarbeiter von North Glass beim Pekingente‐
Essen am Abend persönlich kennen zu lernen.
4 China Railway Shanhaiguan Bridge Group
Exkursion nach China 2018
24
4. China Railway Shanhaiguan Bridge Group
Der Besuch bei China Railway Shanhaiguan Bridge Group Company, kurz CRSBG,
am 20.9.2018 beginnt mit einer Führung durch die Zentrale des Betriebs. Dabei
wird von Mitarbeitern das Unternehmen und dessen Geschichte vorgestellt. CRSBG
stellt Brücken aus Stahl sowie Stahlträger für Verbundbrücken an fünf verschiede‐
nen Standorten in China her und verschifft diese weltweit. Unter anderem wird
von CRSBG auch die neue Rheinbrücke in Leverkusen gefertigt. In einer interessan‐
ten Führung durch das betriebseigene Museum erhält man beeindruckende Einbli‐
cke in die Geschichte des 1814 gegründeten Unternehmens.
Die Projekte, die im Museum des Unternehmens vorgestellt werden, sind sehr
eindrucksvoll. Auf anschauliche Art und Weise werden Brückenbauwerke vorge‐
stellt, die in ihrer Dimension das deutsche Denken weit übersteigen. Die Sutong‐
Bridge, welche mit 1018 m Spannweite und einer Gesamtlänge von mehr als 8 km
zu den größten Brückenbauwerken der Welt gehört und den Jangtse überquert; ist
nur eines von vielen Bauwerken, die dem Besucher als digitales oder tatsächliches
3D‐Modell präsentiert werden.
a) b)
Abb. 9 a) 3D‐Modell der Sutong‐Brücke b) Produktionshalle
Nach einer Mittagspause, in welcher gut und üppig, gemeinsam mit Mitarbeitern
des Unternehmens gespeist wurde, ging der Tag weiter mit einer Führung durch
die Produktionsstätten. Der Hauptsitz des Unternehmens in Shanghaiguan, wel‐
cher an diesem Tag besucht wurde, besteht aus mehreren Produktionshallen, in
denen alle typischen, für die Herstellung von Stahlbauteilen erforderlichen, Pro‐
duktionsschritte durchlaufen werden. Der weltweite Export erfolgt von einem Ha‐
fen, der sich auf einer künstlich angelegten Insel in Südchina befindet. An diesem
Standort werden die Bauteile, welche als Einzelteile dorthin transportiert werden,
4 China Railway Shanhaiguan Bridge Group
Exkursion nach China 2018
25
zu größeren Teilen zusammengeschweißt und verschifft. Die 5.000 Mitarbeiter am
Standort Shanghaiguan leben zu großen Teilen auch auf dem Gelände der Firma.
Über Einrichtungen wie Schulen, Sportplätze und sogar einem Krankenhaus,
schafft das Unternehmen eine gute Bindung der Mitarbeiter.
Bei der Führung durch die Betriebsstätten kann zunächst beobachtet werden,
wie der Stahl in großen Blechen durch eine Maschine geführt wird, in welcher er
von Flugrost gereinigt und ggf. mit einer Beschichtung versehen wird, die auch bei
hoher Luftfeuchtigkeit für eine gute Schweißnahtqualität sorgt. Im Anschluss daran
werden die Bleche zugeschnitten und die Schweißnähte vorbereitet. Das Auf‐
schweißen der Steifen für die Herstellung orthotroper Platten geschieht halb‐ bis
vollautomatisch. Dann folgt das Bohren oder Stanzen von Löchern und das Fräsen
von Flächen, auf denen später große Kräfte auf Druck übertragen werden müssen.
Abb. 10 Fachwerkknoten in der Produktion
Im letzten Abschnitt der Halle, wo die einzelnen Bleche zusammengeschweißt
werden, wird bereits erkennbar welchen Zweck die Bauteile in Zukunft erfüllen
werden. Besonders beeindruckend war hier die Herstellung von Stäben und Kno‐
ten einer künftigen Fachwerkbrücke, welche in Malaysia errichtet werden soll. Al‐
lein eine Diagonale dieses massiven Bauwerks ist so groß, dass Durchstiege für das
Herstellen und Warten realisiert werden müssen. Blechdicken von bis zu 10 cm
sind keine Seltenheit. Auf dem Bild sind zwei Fachwerkknoten dieser Brücke zu er‐
kennen, die noch lackiert und verschifft werden müssen.
Zum Schluss konnte noch die Halle besichtigt werden, in welcher die Bauteile be‐
schichtet werden, bevor sie schließlich auf dem Hof gelagert werden bis sie weiter‐
transportiert werden. Am Abend konnte man noch die wunderschöne Altstadt von
Shanghaiguan besichtigen bevor es am nächsten Tag zum Drachenkopf, dem Ende
der Chinesischen Mauer, und von dort aus weiter nach Zhangjiajie ging.
5 Die Chinesische Mauer
Exkursion nach China 2018
26
5. Die Chinesische Mauer Die “Wanli Chang Cheng” (“10.000 Li lange Mauer”), die auch als “Große Mauer”
bekannt ist, gilt als das größte Bauwerk der Erde. Länger als 2.000 Jahre wurde an
dieser Anlage militärischen Nutzens gebaut. Einschließlich aller Verzweigungen be‐
trug die Gesamtlänge etwa 6.330 km. Sie verläuft über Hügel, an Bergkämmen ent‐
lang und durch Täler in west‐östlicher Richtung, außerdem durch mehrere Provin‐
zen des Jiayuguan‐Pass bis zum Shanghaiguan‐Pass an der Ostküste (Abb. 11). Die
in ihrer heutigen Gestalt vor allem aus der Ming‐Epoche (1368‐1644) stammende
Mauer, wurde 1987 von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenom‐
men.
Im eigentlichen Sinne war die Mauer nie als Grenzbefestigung gedacht, son‐
dern eher als eine militärische Linie der Verteidigung. Ihr Nutzen bestand bis zur
Mitte des 17. Jahrhunderts darin, das chinesische Reich vor Angriffen von Noma‐
denvölkern aus dem Norden zu schützen. In darauf folgenden Epochen schwand
ihre strategische Bedeutung für das Kaiserreich. Die Maueranlagen verfielen zu‐
nehmend, da die chinesischen Kaiser vermehrt auf diplomatische Bemühungen
oder militärisch abschreckende Maßnahmen setzte, um ihr Reich vor Angriffen zu
bewahren.
Abb. 11 Verlauf der Chinesischer Mauer (wissenmedia.com)
5.1 Geschichte Im 7. Jahrhundert v. Chr. entstanden vermutlich die ersten Vorläufer der Chinesi‐
schen Mauer. Die sieben zu dieser Zeit existierenden, unabhängigen Königreiche
errichteten jeweils eigene Wehranlagen und Mauern in militärisch gefährdeten
5 Die Chinesische Mauer
Exkursion nach China 2018
27
Regionen, z.B. auf Gebirgspässen. Anlagen waren, verglichen mit der „Großen
Mauer“ eher kurz und dienten zunächst vor allem dazu, Grenzen zwischen den
Reichen untereinander zu definieren. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. stießen zu‐
nehmend Nomadenvölker aus dem Norden gegen die nördlichen chinesischen Rei‐
che vor. Deswegen wurden die Mauern auch zu Verteidigungszwecken nach außen
hin gebraucht. Die Wehranlagen bestanden zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus
Mauersteinen im heutigen Sinne, sondern aus einem Gemisch aus Sand und Stei‐
nen. Die Anfänge der Mauer, wie man sie heute kennt, gehen auf die Zeit der Herr‐
schaft des “Ersten Kaisers” Chinas, Qin Shihuang, zurück. Nach der Unterwerfung
der anderen sechs Reiche im Jahr 221 v. Chr. gründete dieser erstmals ein großes,
geeintes chinesisches Reich. Er verband in den darauf folgenden Jahren seiner
Herrschaft einen Teil der vorhandenen Mauern zu einer großen, zusammenhän‐
genden Mauer, um sein Reich gegen Überfälle der Nomaden, welche nördlich sei‐
nes Reiches lebten, zu verteidigen.
5.2 Baumaterialien Die älteren Erdmauern bestanden überwiegend aus Lehmziegeln oder aus ge‐
stampfter Lößerde. In langen, bodenlosen Holzkästen wurde Erde, teilweise ver‐
mischt mit Kiesel und Steinen, gefüllt und dann mit Stampfern aus Holz festge‐
klopft. Hatte man auf diese Art eine mehrere Zentimeter hohe Schicht hergestellt,
wurden die Bretter an der Seite gelöst und etwas weiter oben wieder zusammen‐
gebaut, um eine weitere Schicht zu stampfen. Um die Erde schneller trocken wer‐
den zu lassen und den Wall stabilisieren, wurden zwischen den Erdschichten teil‐
weise Bambuslagen eingebracht. Es gibt noch Überreste dieser Erdmauern. Die
Erosion über die Jahrhunderte hat jedoch nur wenig davon übriggelassen. Im Ge‐
gensatz dazu sind die meisten Bruchsteinmauern bis heute verhältnismäßig gut er‐
halten. Da diese meistens in abgelegenen Gebirgsgegenden liegen, bekommt man
sie nur selten zu sehen. Rund 120 km von Peking entfernt, am Paß Huangyaguan,
gibt es noch ein gut erhaltenes Stück der Steinmauer, das aus dem 6. Jahrhundert
stammt.
Ziegel wurden für den Mauerbau erst während der Herrschaft der Ming‐
Dynastie verwendet. Der Mauerabschnitt Badaling bei Peking besteht aus einem
tonnenschweren Fundament aus quaderförmigen Stein und Wänden aus grau‐
blauen Ziegeln. Der Raum zwischen den Wänden wurde mit Kiesel‐ und Kalksteinen
sowie Erde aufgefüllt und anschließend mit 4‐5 Schichten von Ziegelsteinen be‐
deckt. Eine so hergestellte Mauer war sehr widerstandsfähig und hielt mitunter
auch stärkeren Angriffen stand. Stellenweise wurden Felsen als Wände in die Mau‐
5 Die Chinesische Mauer
Exkursion nach China 2018
28
er integriert. In Wüstengebieten wurde die Mauer durch abwechselnde Sand‐ und
Kiesschichten sowie Ruten und Schilfrohr errichtet. An steilen Felswänden, wurde
die Mauer sogar herausgemeißelt, was man als “pishan qiang” (Meißelwand) be‐
zeichnete. Auf schroffen Felshängen wurden Holzgitterwände aufgebaut, wofür
man die Bezeichnung Felsen‐Gitter‐Mauer prägte. Im waldreichen Nordosten Chi‐
nas wurden Wälle aus rohen Baumstämmen errichtet, welche untereinander zu‐
sammengebunden waren. Nur noch aus historischen Schriften sind diese Teile der
Mauer bekannt, da sie der Witterung nicht langfristig standhalten konnten.
a) b)
Abb. 12 a) Chinesische Mauer am Huangyaguan (wikimedia.org/rheins), b) in Badaling bei Peking (wikimedia.org/Dolly442)
a) b)
Abb. 13 a) Wachturm in Mutianyu (wikimedia.org/J. Samuel Burner) und b) Drachenkopf bei Qinhuangdao
5.3 Verlust der Bedeutung Ihre militärische Bedeutung verlor die Mauer mit dem Ende der Ming‐Dynastie
1644 und der Machtübernahme durch die Mandschuren, die die letzte chinesische
5 Die Chinesische Mauer
Exkursion nach China 2018
29
Kaiserdynastie der Qing (1644‐1911) begründeten. Bereits während der Ming‐Zeit
lebten die Mandschuren in Gebieten nordöstlich der Chinesischen Mauer. Immer
weiter nach Süden drangen sie ab dem 17. Jahrhundert. Die Expansion wurde
durch innere Konflikte des Ming‐Reiches begünstigt. Aufstände und Intrigen am
Kaiserhof gefährdeten den Zusammenhalt des Reiches. 1644 eroberten die Mand‐
schuren Peking. Sie überwanden die Mauer an ihrem östlichen Ende mit Hilfe des
Ming‐Generals Wu Sangui. Da die neue mandschurische Qing‐Dynastie jetzt über
Gebiete auf beiden Seiten der früheren Grenze herrschte, verlor die Mauer als Ver‐
teidigungslinie ihre Berechtigung.
Im Rahmen der Exkursion wurde der östlichste Teil der Chinesischen Mauer in
Qinhuangdao besichtigt. Hier am „Laolongtou“ (Drachenkopf) trifft die Mauer das
Meereswasser im Golf von Bohai.
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
30
6. Nationaler Waldpark Zhangjiajie Der Nationalpark Zhangjiajie ist der erste nationale Waldpark von China. Vor 60
Jahren wurde hier zunächst eine national geförderte Baumschule gegründet, bis
das Gebiet 1982 offiziell als nationaler Waldpark mit einer Größe von 48 km2 aner‐
kannt wurde. Er gehört zum Wulingyuan Landschaftsgebiet und befindet sich nörd‐
lich der chinesischen Stadt Zhangjiajie. Pro Jahr besuchen etwa 30 Mio. Touristen
den Nationalpark und generieren einen Umsatz von ca. 2,7 Milliarden US‐Dollar.
Das Wulingyuan Landschaftsgebiet, welches seit 1992 als UNESCO‐Weltnatur‐
erbe und seit 2004 als UNESCO Weltgeopark eingetragen ist, besteht neben dem
Zhangjiajie Waldpark aus drei weiteren Landschaftszonen ‐ dem Naturpark Yan‐
gjiajie sowie den Naturschutzgebieten Suoxiyu und Tianzishan. Es besitzt eine Ge‐
samtfläche von ca. 370 km2 und befindet sich in der südchinesischen Provinz Hun‐
an, 270 km von der Provinzhauptstadt Changsha entfernt.
a) b)
Abb. 14 a) Lage von Zhangjiajie (zhangjiajietourism.us), b) Übersichtskarte vom Wulingyuan‐ Landschaftsgebiet (travelchinaguide.com)
Südlich von Zhangjiajie City befindet sich noch der nationale Waldpark Tian‐
menshan, dessen größter Berg mit 1.519 m der höchste im Gebiet von Zhangjiajie
ist. Er ist vor allem wegen des Himmelstors, der zugehörigen Himmelstreppe mit
999 Stufen und der Himmelsserpentine mit 99 Kurven bekannt. Der 60 m lange
Skywalk, der direkt an der steilen Felskante verankert ist, bietet hier einen spekta‐
kulären Blick von der Westseite des Tianmenshan‐Gipfels. Im Nordosten befindet
sich der Grand Canyon von Zhangjiajie, der von einer Hängebrücke mit Glaspanee‐
len überspannt wird.
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
31
a) b)
Abb. 15 a) Das Himmelstor im Tianmenshan‐Berg (flickr.com/BORIS G), b) Skywalk (wikime‐
dia.org/Raki_Man)
Der Nationalpark ist zu 90 % bewaldet, sodass in Kombination mit dem sehr milden
Klima ein optimaler Lebensraum für viele Tiere geschaffen wird. Die Durchschnitts‐
temperatur in den Sommermonaten liegt bei moderaten 25° C, während die Tem‐
peraturen im Winter üblicherweise nicht unter null fallen. An über 200 Tagen im
Jahr herrscht entweder dichter Nebel oder starker Monsunregen. Diese relativ ho‐
hen Niederschlagsmengen resultieren in zahlreichen Bächen, Flüssen und Wasser‐
fällen. Das Gebiet wird von mehr als 3.000 dicht beieinander stehenden Quartz‐
Sandstein‐Türmen dominiert, welche bis zu 200 m hoch sind und zu beeindrucken‐
den Formationen gruppiert sind. Weiterhin sind im ganzen Wulingyuan Land‐
schaftsgebiet zahlreiche natürlich entstandene Brücken und Höhlen zu finden. Die‐
se ungewöhnliche Topografie ist aus einer Reihe von tektonischen
Plattenbewegungen in Kombination mit der Erosion durch Wasser beziehungswei‐
se Eis entstanden. Geologisch betrachtet ist das ganze Gebiet auch noch heute
nicht vollständig erschlossen und daher Gegenstand vieler Untersuchungen.
Abb. 16 Sandsteintürme im Waldpark
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
32
6.1 Flora und Fauna Der Zhangjiajie Nationalpark besitzt eine sehr große Artenvielfalt. Alleine 500 ver‐
schiedene Baumarten sind hier vertreten, unter anderem der Urweltmammut‐
baum (Metasequoia glyptostroboides), der bis zur Wiederentdeckung in 1948 als
ausgestorben galt. Auch bekannt ist der Taschentuch‐ bzw. Taubenbaum (Davidia
involucrata), dessen weißen Blüten von weiten wie ein Schwarm weißer Tauben
aussehen. Von den 116 Arten an Wirbeltieren ist der Rhesusaffe (Macaca mulatta)
mit über 3.000 Tieren am meisten vertreten. Auch andere Makaken – mit blauer,
gelber und goldener Fellfarbe – sind im Wulingyuan Gebiet stark vertreten und den
Besuchern gegenüber sehr zutraulich (insbesondere wenn Schokolade oder Süßig‐
keiten angeboten werden…).
Auch erwähnenswert ist der Chinesische Riesensalamander (Andrias davidia‐
nus), die größte Amphibie weltweit, welche akut vom Aussterben bedroht ist. Er
lebt in den kühlen, sauberen Bächen und Teichen des Nationalparks und kann nicht
an Land gehen, sodass die verschiedenen Populationen genetisch isoliert sind. Die
mit Schuppen gepanzerten Tannenzapfentiere (Manidae) sind zwar von ihrem Aus‐
sehen und ihrem Lieblingsessen (Termiten und Ameisen) mit Ameisenbären oder
Gürteltieren zu vergleichen, sind aber einer eigenen Familie zuzuordnen. Sie sind
aufgrund der Verwendung ihrer Körperteile in der traditionellen Chinesischen Me‐
dizin ebenfalls bedroht.
a) b) c)
Abb. 17 a) Rhesusaffe, b) Chinesischer Riesensalamander (wikimedia.org/Petr Hamerník) und
c) Tannenzapfentier (flickr.com/Mark Simpson)
6.2 Sehenswürdigkeiten Der Huangshizhai‐Berg (黄石寨), oder auch „Dorf der gelben Steine“, liegt im Wes‐
ten des Nationalparks und ist der Ausgangspunkt für den Pfad der Tannenwälder.
Er ist ca. 1.000 m hoch und besitzt die größte Aussichtsplattform im Zhangjiajie Na‐
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
33
tionalpark. Von dem Huagshizhai‐Berg aus kann man einige ausgefallene Felsfor‐
mationen mit noch ausgefalleneren Namen betrachten: darunter der „Kostbare
Kasten für himmlische Schriften“, die „Zaubernadel zur Beruhigung des Meeres“,
die „Ruinen des Pfahls der Himmlischen Brücke“ und die „Plattform für die Pflü‐
ckung von Sternen“. Ein Sprichwort besagt daher, dass wer nicht den Huangshiz‐
hai‐Berg bestiegen hat, nicht wirklich im Zhangjiajie Park war.
Yuanjiajie (袁家界) ist ein natürliche Felsplattform nordöstlich des Berges
Huangshizhai. Die Plattform bietet eine tolle Aussicht auf die umgebenden hohen
Gipfel und tiefe Schluchten. Hier befindet sich auch der bekannteste Felsen des
Waldparks, die „Südliche Himmelssäule“. Diese spitze, nadelförmige Felsformation
wurde als Urmuster für die im Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ schweben‐
den „Halleluja‐Berge“ verwendet. Weiterhin befindet sich hier auch der Bailong
Glass Aufzug, der auch „Aufzug der Hundert Drachen“ genannt wird. Dieser kann
als Alternative zur Wandderoute für den Aufstieg zur Plattform genutzt werden.
a) b)
Abb. 18 a) Pfad der Tannenwälder, b) Tianzishan Cableway
Der Jinbian‐Fluss (金鞭溪)‐ oder Fluss der Goldpeitsche – wird nach dem nahelie‐
genden Jinbian‐Felsen benannt, der bei Sonnenaufgang wie eine in der Erde ste‐
ckende Goldpeitsche aussieht. Der Fluss beginnt in der Nähe des Eingangs des
Zhangjiajie Nationalparks und ist 7,5 km lang. Umgeben ist der Fluss von grünen
Bergen und Felsformationen, alten Bäumen, exotischen Pflanzen und verschiede‐
nen Tieren. Bei einem 2‐3 h Spaziergang am Fluss passiert man außerdem einige
Sehenswürdigkeiten, wie z.B. den Golden Whip Crag, einen Felsen, der symbolisch
für die vielen außergewöhnlich geformten Felsen im Nationalpark steht.
Der Tianzi‐Berg (天子山), auch Berg des Himmelssohns genannt, liegt im Nord‐
osten des Nationalparks und ist besonders bei Fotografen beliebt. Durch sein Pla‐
teau auf 1182 m, das durch die beeindruckende Tianzishan Cableway erreicht wer‐
den kann, ragt er aus den Wolken heraus und bietet somit eine hervorragende
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
34
Grundlage für besondere Motive. Die größte Chance das Wolkenmeer zu fotogra‐
fieren besteht vor allem während des Frühlings und im frühen Herbst. Neben dem
Wolkenmeer gibt es drei weitere beliebte Naturphänomene auf dem Tianzi‐Berg:
das Rauschen des Windes in Felsen, Schnee im Winter und der Sonnenaufgang.
Seinen Namen bekam der Berg durch Xiang Dakun, der in der Ming‐Zeit (1368‐
1644) am Fuß des Berges eine Bauernarmee zum Widerstand gegen die Ming‐
Monarchie versammelte. Er selbst bezeichnete sich als Tianzi – Sohn des Himmels
– und gab somit dem Berg seinen Namen.
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
35
7. Grand Canyon Glass Bridge Tabelle 2 Fakten zur Grand Canyon Glass Bridge
Länge 430 m
Breite 6 m
Höhe 300 m
Zulässige Personenanzahl 800 Personen
Eröffnung 20.8.2016
Wiedereröffnung 30.9.2016
Anzahl Glasscheiben 99
Die Grand Canyon Glass Bridge ist die höchste und längste Glasbodenbrücke der
Welt. Die Brücke liegt im Südosten Chinas in der Provinz Hunan im Nationalpark
Zhangjiajie und verläuft 300 m über das Waldgebiet Wulingyuan. Die Stahlseilkon‐
struktion ist ca. 430 m lang und 6 m breit. Der Architekt Haim Dotan aus Tel Aviv
hat sich zum Ziel gesetzt, die Brücke möglichst unsichtbar zu gestalten. Daraus ent‐
stand der Entwurf einer Hängebrücke aus Stahlseilen mit eingelegten Stahlböden.
Um die Brücke weiterhin in die Natur einzupassen, bestehen die Brückenpfeiler
aus natürlichem Sandstein. Für Haim Dotan, der sich selbst als Philosoph sieht, ist
diese Brücke weniger eine Verbindung zwischen zwei Orten als ein Ort zum Träu‐
men und eine Begegnungsstätte. Auch für Sportaktivitäten ist die Attraktion ausge‐
legt. Unter der Mitte der Brücke ist eine Bungee‐Jumping‐Plattform angebracht.
Mit einer Höhe von 280 m können Adrenalinbegeisterte einen weiteren Rekord
brechen.
a) b)
Abb. 19 Luftaufnahmen der Glasbrücke in Zhangjiajie (t‐online.de durch AP/dpa)
“For me, the Zhangjiajie Glass Bridge is a dream in nature. A dream for music in the clouds, a dance in the skies between heaven and earth.
I can hear out of the clouds, invisible music. It is a stage for dreams.“
Haim Dotan
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
36
In der ursprünglichen Planung war die Attraktion darauf ausgelegt, dass sich maxi‐
mal 800 Personen gleichzeitig auf der Brücke befinden. Erlaubt war zudem eine
maximale Besucheranzahl von 8.000 Touristen täglich, die die Brücke überqueren.
Doch schon zwei Wochen nach der Eröffnung der Brücke am 20.8.2016 überstieg
der Besucherandrang mit 10.000 Personen täglich diese Einschränkung weit, wo‐
raufhin die Brücke vorerst wieder geschlossen wurde. Die Entscheidung, die Brücke
zu sperren hatte allerdings nichts mit der Tragfähigkeit der Konstruktion zu tun.
Viel mehr war die Infrastruktur der Sehenswürdigkeit nicht auf einen so großen
Andrang ausgelegt. Nachdem die Buchungssysteme für Parkplätze und Tickets an‐
gepasst wurden, fand am 30.9.2016 die Wiedereröffnung statt. Trotz der Versiche‐
rungen, dass es keine Unfälle auf der Brücke gegeben hatte, gab es viele skeptische
Stimmen, die dies anzweifelten. Daraufhin wurden zum Vorführen der Sicherheit
Extrembelastungstests durchgeführt.
Nachdem eine vollbeladene Limousine, die Brücke überquert hatte, fuhr sogar
ein 40 t LKW über eines der 99 Glaspaneele. Die daraus resultierende Durchbie‐
gung ergab nicht mehr als 2,2 cm. Zuvor war es in China bei einer weiteren Attrak‐
tion aus Glas zu gesplitterten Scheiben gekommen. Um zu zeigen, dass selbst wenn
Risse auftreten sollten, dies keinen Einfluss auf die Sicherheit hat, durften mehrere
Männer mit Hämmern auf die Scheibe einschlagen auf denen sie standen. Zwar
zersplitterten die Scheiben unter Einwirkung der Vorschlaghämmer, doch zerbra‐
chen diese nicht. Außerdem hielten auch die gerissenen Scheiben der Belastung
von Menschen und PKWs stand.
a) b)
Abb. 20 a) Demonstration der Sicherheit der Glasscheiben (vdi‐nachrichten.de durch Haim Dotan), b)
Touristen
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
37
Bei gewöhnlicher Nutzung könnte eine Scheibe durch Temperaturschwankungen
oder Materialfehler zerbrechen, die Sicherheit ist auf Grund der drei unabhängigen
Scheiben weiterhin gegeben. Laut Prof. Schneider kann das durch den Aufbau der
Scheiben erklärt werden. Diese setzen sich aus drei Glasschichten zusammen, die
durch Polymerschichten miteinander verbunden sind. Bei den Belastungstests ist
demzufolge nur die oberste Glasscheibe zu Bruch gegangen, die Glasbruchstücke
werden weiterhin von der Klebkraft der Polymerschicht zusammengehalten. Die
zwei weiteren Scheiben bleiben intakt und konnten demzufolge weiter die Lasten
abtragen. Erst durch das Entfernen dieser Scheibe und der darunterliegenden
Polymerschicht wäre es möglich, die darunterliegende Scheibe zu beeinträchtigen.
„Eine Ausnahme wäre, wenn man alle Kanten aller Schichten von der Seite her
anschlagen würde“, so Schneider. „Da die Glasplatten bei der chinesischen Brücke
in einem Stahlrahmen liegen, scheidet dieses Szenario aus“.
a) b)
Abb. 21 a) Das geschwungene Gelände aus Stahlstäben und b) Detail der Tragstruktur aus Glasplatten
und Stahl
Ein weiterer Aspekt, der bei der Konstruktion eine wichtige Rolle spielt, ist die
Schwingungsanfälligkeit. Schwingungen werden hier sowohl durch die Verkehrslas‐
ten aus überquerenden Touristenströmen als auch durch Windlasten verursacht.
Um Probleme wie bei der Millenium‐Bridge in London zu vermeiden, die Brücke
begann durch darüber laufende Personengruppen übermäßig zu schwanken, muss‐
te eine Möglichkeit entwickelt werden, diese Schwingungen einzudämmen. Nun
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
38
befinden sich, verteilt über die Länge der Brücke, 50 Glaskugeln mit einem Gewicht
von 500 kg und zwei Wassertanks unter der Brücke um Schwingungen abzudämp‐
fen. Der Architekt hatte geschwungene Geländer aus Glas vorgesehen, die zusätz‐
lich die Transparenz der Konstruktion unterstützen sollten. Es stellte sich jedoch
heraus, dass dieses Design zu windanfällig ist. Stattdessen wurden Geländer aus
Stahlstäben eingesetzt, die den Wind hindurchlassen und so deutlich weniger
Windangriffsfläche bieten.
Prof. Schneider erklärte weiterhin, dass es sich bei der Konstruktion um keine
richtige Glasbrücke handele, da die Haupttragstruktur eine Hängeseilbrücke mit
Stahlseilen sein. Da Stahl bis zu fünfzehnmal zugfester als Glas ist, muss die Trag‐
konstruktion aus Stahl gefertigt werden. Die Glasplatten werden in die Tragstruktur
eingelegt. Bei einer solchen Brücke komplett aus Glas würde das Eigengewicht be‐
reits zum Problem werden. Daher wird die Kombination aus Stahl und Glas benö‐
tigt, ähnlich wie bei dem Werkstoff Stahlbeton, erläutert Schneider.
7 Grand Canyon Glass Bridge
Exkursion nach China 2018
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8 Changsha
Exkursion nach China 2018
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8. Changsha
8.1 Lage und Klima Die Stadt Changsha ist die Hauptstadt der chinesischen Provinz Hunan. Diese be‐
findet sich im Süden der Volksrepublik und Changsha ist im Nord‐Osten der Pro‐
vinz, am Ufer des Xiang Flusses, gelegen. Die Stadt umfasst ca. 7,9 Mio. Einwohner
(Stand 2017) und weist eine Fläche von insgesamt 11.816 km² auf. Beim Vergleich
mit den beiden Weltmetropolen Shanghai und Peking, die jeweils etwa drei Mal so
viele Einwohner aufweisen, zeigt sich, dass es sich bei Changsha um eine der klei‐
neren Städte Chinas handelt. Administrativ ist die Stadt auf Kreisebene in fünf
Stadtbezirke, drei Kreise und eine kreisfreie Stadt untergliedert.
Das Klima ist subtropisch mit einer mittleren Jahrestemperatur von 17,2 °C,
wobei kalte Winter und heiße Sommer vorliegen. Das kontinentale Monsun‐Klima
bringt weiterhin eine hohe Luftfeuchtigkeit und viel Regen mit sich. Die Landschaft
in und um Changsha ist geprägt von Wasser, Inseln und Hügeln. Changsha besitzt
vor allem wegen seiner Geschichte und Kultur eine große Bedeutung und kann da‐
her als berühmte historische Kultstädte Chinas angesehen werden. Dies macht die
Stadt zu einem der beliebtesten Urlaubsziele der Chinesen.
Abb. 22 Geographische Lage (shodopedia.com)
8.2 Geschichte und Stadtbild Die Geschichte der Stadt reicht bis in die Antike in das Jahr 1.600 v. Chr. zurück. Als
Hauptstadt des Königreichs Chu hatte Changsha bis zur Einigung Chinas im Jahre
280 v. Chr. eine große Bedeutung. Diese ging im Laufe der Zeit jedoch immer mehr
8 Changsha
Exkursion nach China 2018
41
verloren, bis die Stadt schließlich im Jahre 1903 zum Vertragshafen für den Außen‐
handel eröffnet wurde.
Der spätere Revolutionsführer Mao Zedong verbrachte die Jahre 1912‐1918
aufgrund seines Studiums am Hunan First Normal College in Changsha. In dieser
Zeit ist er auch zum Kommunismus konvertiert, sodass Changsha als Gründungs‐
stätte der Kommunistischen Partei Chinas anzusehen ist. In den Jahren 1920‐1922
hielt sich Mao als Lehrer erneut in der Stadt auf. Heutzutage erinnern viele Orte in
der Stadt an diese Vergangenheit, auf die man dort auch sehr stolz ist. Dies zeigt
sich besonders an dem gigantischen Marmordenkmal auf der Binneninsel Juzi
zhou.
a) b)
Abb. 23 a) Skyline von Changsha (pixabay.com/Jingdashu), b) City Park (flickr.com/Philip Roeland)
Während des chinesisch‐japanischen Krieges wurde die Stadt im Jahre 1944 von
den Japanern besetzt. Infolge von Luftangriffen wurden große Teile zerstört. Der
Wiederaufbau der Stadt erfolgte jedoch erst nach der Gründung der Volksrepublik
China im Jahr 1949.
1.2 Wirtschaft und Infrastruktur Nachdem die Region um Changsha sehr lange landwirtschaftlich geprägt war und
viele Einwohner als Wanderarbeiter die Stadt verließen, siedeln sich heutzutage
immer mehr namenhafte, internationale Unternehmen an. Dieser Wirtschafts‐
boom lässt sich ebenfalls am Stadtbild erkennen, das in den letzten Jahren durch
eine Vielzahl an Hochhäusern ergänzt wurde. Hervorzuheben ist dabei vor allem
der sich in der Planung befindliche Wolkenkratzer Sky City, der mit einer Höhe von
838 m nach dem Jeddah Tower in Saudi‐Arabien das zweithöchste Gebäude der
Welt werden soll.
Ebenfalls beeindruckend ist die 2016 fertiggestellte Stahl‐Fußgängerbrücke
„Lucky Knot“. Diese ist insgesamt 185 m lang und 24 m hoch. Die aufwendige Ar‐
8 Changsha
Exkursion nach China 2018
42
chitektur ist von der chinesischen Knüpfkunst und der alten chinesischen Tradition
inspiriert, nach der der Knoten für Wohlstand und Glück steht. Der westliche Ein‐
fluss zeigt sich außerdem durch Kirchen und Kindererziehungsstätten.
Auch der Außenhandel Changshas entwickelte sich in den letzten Jahren prächtig
und erreichte im Jahr 2017 sogar eine Rekordhöhe. Changsha besaß einen
Handelsumsatz von insgesamt 13,89 Milliarden US‐Dollar. Dies entspricht 40 % des
Außenhandels der gesamten Provinz Hunan. Diese positive wirtschaftliche
Entwicklung hat die Stadt vor allem dem in den letzten Jahren gut ausgebauten
Handelsnetz zu verdanken, da somit in‐ und ausländische Märkte mit der Stadt
verbunden wurden. Für den starken Exportzuwachs sind hauptsächlich
elektronische und mechanische Produkte verantwortlich, welche mit Hilfe der
insgesamt zehn China‐Europa Eisenbahnlinien schnell und einfach ihren Weg nach
Europa finden. Die Eisenbahnlinien sind für die Länder Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Polen, Russland und dem Iran von großer Bedeutung. Seit dem 27.
Mai. 2017 pendelt ein zusätzlicher Xiang Ou Express zwischen Changsha und
Budapest.
Changsha ist ebenfalls bekannt für seine Magnetschwebebahn. Im Hinblick auf
die fortschrittliche Stadtentwicklung, lässt sich erkennen, dass auch der Bereich
der Infrastruktur weiterentwickelt und ausgebaut wird. Die Stadt ist bis heute ein
Knotenpunkt von insgesamt drei Hochgeschwindigkeitsstrecken. Am 29.4.2014
ging die erste U‐Bahn Linie in Betrieb. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausbau des ge‐
samten U‐Bahn‐Systems abgeschlossen sein. Dann soll die Stadt über zwölf U‐
Bahn‐Linien mit einer Gesamtlänge von 456 km verfügen, sodass ein schnelles
Pendeln ermöglicht wird. Zudem begann Ende 2015 der Probebetrieb der Magnet‐
schwebebahn. Da die Bahntransportindustrie in Hunan in den Bereichen der For‐
schung und Entwicklung führend ist, besitzt Changsha eine Vereinbarung mit der
Nationalen University of Defense Technology, die ein Forschungszentrum für Mag‐
netschwebebahnen entwickeln und aufbauen soll. Die lokale Magnetschwebebahn
zählt bis heute zu der weltweit führenden in der gesamten Branche.
Mit 55 Hochschulen, 97 unabhängigen und 14 nationalen Forschungseinrich‐
tungen ist Changsha ebenso ein bedeutsamer Wissenschafts‐ und Forschungs‐
standort. So wurden in Changsha z.B. der Tianhe‐2 Supercomputer mit einer ma‐
ximalen Leistung von 55 Petaflops und der erste 3D‐Drucker der Welt produziert.
Zu den Universitäten zählen die Central South University, die Hunan University, die
Hunan Normal University, die Central South University of Forestry and Technology,
die Hunan Agricultural University sowie die Changsha University of Science and
8 Changsha
Exkursion nach China 2018
43
Technology. Bei letzterer handelt es sich um eine fachübergreifende Universität
mit dem Schwerpunkt auf Ingenieurwissenschaften.
1.3 Kultur und Sehenswürdigkeiten Besucher der Stadt steht eine umfangreiche Auswahl an Ausflugszielen und Se‐
henswürdigkeiten zur Verfügung. Die Yuelu‐Akademie wurde im Jahr 976 zur Zeit
der Song‐Dynastie gegründet und war eine der vier wichtigsten Akademien im al‐
ten China. Sie befindet sich auf der Ostseite des Yuelu‐Shan‐Hügels. Die vor mehr
als 1.000 Jahren erbaute Akademie wurde früher von Mönchen betrieben, die sich
vor allem mit philosophischen und literarischen Studien beschäftigten. Die Akade‐
mie ist seit dem Jahr 1926 ein Teil der heutigen Hunan‐Universität, wobei alte Tra‐
ditionen noch immer gepflegt werden. Diese staatliche Universität wird von ca.
46.000 Studierenden besucht. Die Akademie besteht aus einem Haupttor, einem
Hörsaal, einer Yushu‐Bibliothek sowie der Lushan‐Tempel‐Tafel. Ein Teil der Uni‐
versität ist heutzutage ein Forschungszentrum für chinesische Sprachen und Kultu‐
ren. Insgesamt ist die alte Akademie eines der wichtigsten akademischen und kul‐
turellen Zentren in ganz China, sodass diese seit 1988 zudem zum Denkmal der
Volksrepublik China gehört. Der Berg Yuelu Shan, auf dem sich die Yuelu Akademie
befindet, gehört zu den beliebtesten Ausflugszielen in Changsha und ist ein wichti‐
ges Naherholungsgebiet der Stadt. Er kann mit Hilfe einer Seilbahn erreicht wer‐
den.
Das Hunan‐Provinzmuseum befindet sich im Zentrum Changshas und ist das
bedeutendste und größte Museum der Provinz Hunan. Es kann als eine Art Regio‐
nalmuseum für Kunst‐ und Naturgeschichte sowie Erd‐ und Volkskunde angesehen
werden. In dem Museum kann man vor allem Funde aus alten Gräbern sowie alte
Werke aus verschiedenen Teilen der Provinz Hunan besichtigen. Zum Highlight des
Museums gehört die Ausstellung des Mawangdui‐Han‐Grabes mit allen dazuge‐
hörenden Reliquien. Neben alten Kleidern, Stickereien, Seidenmalerei und Porzel‐
lanfiguren ist eine 2.100 Jahre alte aber dafür gut erhaltene Mumie ausgestellt.
Die Orangenhaine Juzizhou ist eine Insel, die inmitten des Xiangjian Flusses in
unmittelbarer Nähe von Changsha und dem Berg Yuelu liegt. Auf der Insel befindet
sich ein großes weißes Marmor‐Denkmal mit vier chinesischen Schriftzeichen. Bei
dem Denkmal handelt es sich um ein 32 m hohes, 86 m langes sowie 41 m breites
Standbild, bei dem der berühmte Mao Zedong abgebildet wird. Dieser verfasste
das bekannte Gedicht „Qinyuandun Changsha“, mit dem diese Insel berühmt wur‐
de. Die vier chinesischen Schriftzeichen „Ju zi zhou tou“ bedeuten so viel wie
8 Changsha
Exkursion nach China 2018
44
„Orange Insel“. Damit kann vor allem die im Herbst vorhandene Vegetation be‐
schrieben werden. Im Frühherbst sind nämlich die Bäume mit orangenen Früchten
und Blüten bedeckt.
a) b)
Abb. 24 a) Yuelu Akademie (pxhere.com),
b) Denkmal Maos an der Orangenhaine Juzizhou (wikipedia.org)
Der Märtyrer‐Park ist ein weiterer sehr beliebter Ort für Bevölkerung und Touris‐
ten. Dabei handelt es sich um den größten Stadtpark in Changsha. Der 1953 eröff‐
nete Park erstreckt sich über eine Fläche von 138,9 ha und lässt sich in sechs Berei‐
che untergliedern. Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten innerhalb des Parks
zählen die Yingfeng‐Brücke sowie das Märtyrer‐Denkmal. Die Yingfeng‐Brücke ist
im Stil der Song‐Dynastie gebaut und erstreckt sich über eine Länge von 254,5 m.
Die Brücke wurde aus Holz und Steinen errichtet.
Der Tianxin‐Pavillon ist ein alter chinesischer Pavillon, welcher im 14. Jahrhun‐
dert während der Ming‐Dynastie errichtet wurde. Er befindet sich auf der alten
Stadtmauer von Changsha. Aufgrund von Zerstörung musste der Pavillon jedoch
bereits einige Male saniert werden.
Der Kaifu‐Tempel ist im sogenannten Kaifu District der Stadt zu besichtigen. Der
buddhistische‐Tempel zählt zu den 142 nationalen Schwerpunkttempeln, die von
chinesischen Behörden ernannt wurden. Errichtet wurde der Tempel zur Zeit der
fünf großen Dynastien. Im Herzen des Tempels befindet sich der große Buddha‐
Saal und im westlichen Bereich liegen der Predigten‐Saal sowie das Meditations‐
haus. Die Hunan‐Küche ist für ihre scharfen Gerichte bekannt. Der „Stincky Tofu“
gehört dabei zur lokalen und traditionellen Spezialität. Neben den ganzen kulinari‐
schen Besonderheiten, findet man in Changsha ebenfalls das größte Restaurant
Asiens. Das Xilhulou Restaurant hat es mit 4.000 Sitzplätzen und sogar in das Guin‐
nessbuch der Rekorde geschafft.
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
45
9. Central South University Am 25.9.2018 führte uns unsere Exkursion an die Central South University (CSU) in
Changsha. Dort wurde ein eintägiger Workshop zum Austausch zwischen der CSU
und TU Darmstadt organisiert. Im Rahmen von Vorträgen wurden zum einen die
beiden Universitäten vorgestellt und zum anderen verschiedene Forschungstätig‐
keiten erläutert. Zwischen den Vorträgen wurde eine längere Mittagspause vorge‐
sehen, um den Austausch zwischen den beiden Universitäten und Kulturen zu för‐
dern. Nachdem alle Präsentationen vorgetragen und Dankesreden gehalten
wurden, konnten auch erste Vorschläge für die weitere Zusammenarbeit der Uni‐
versitäten besprochen werden. Im Anschluss stand eine Führung durch die For‐
schungslabore der CSU auf der Agenda. Danach klang der Tag mit einem gemein‐
samen Abendessen und unzähligen hinzugewonnenen Eindrücken aus.
Abb. 25 Teilnehmer zum „Workshop on Engineering Structures“ zwischen TU Darmstadt und CSU am
25.9.2018
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
46
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
47
9.1 Laborbesuche Im ersten besichtigten Labor werden Hochgeschwindigkeitstests mit Zügen in ei‐
nem Maßstab von etwa 1:25 durchgeführt. Hier stehen die verschiedensten Hoch‐
geschwindigkeitszüge und auch Magnetschwebebahnen zur Verfügung, um die ae‐
rodynamische Form näher zu untersuchen und zu optimieren. Diese werden auf
Geschwindigkeiten von bis zu 840 km/h beschleunigt. Auf der Strecke ist ein Tun‐
nel nachgebaut, um die Interaktionen bei durchfahrendem Zugverkehr zu prüfen.
In der nächsten Forschungseinrichtung werden Crash‐Tests mit in Originalgröße
nachgebauten Zügen durchgeführt. Hierfür wurden die Züge auf einer Strecke von
8 m auf 120 km/h beschleunigt, um dann einen Aufprall zu simulieren. Mit diesem
Test werden die Sicherheit der chinesischen Züge und deren Stoßvorrichtungen
optimiert.
a) b)
Abb. 26 a) Geschwindigkeitstestschiene, b) Geschwindigkeitstestmodelle
a) b)
Abb. 27 a) Aufpralltesthalle, b) Aufpralltestmodelle
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
48
Des Weiteren werden die verschiedensten Bauwerke (Brücken, Hochhäuser,
Tunnel, Maschinen, usw.) auf deren dynamisches Verhalten bei
Erdbebenbeanspruchung untersucht. Hierfür stehen insgesamt vier Rütteltische
zur Verfügung, welche miteinander gekoppelt werden können. Die Bauwerke
werden unter möglichst realitätsnaher Berücksichtigung des Verhältnisses von
Masse zu Steifigkeit in einem bestimmten Maßstab nachgebaut. Die Rütteltische
können mit maximal 1,6‐mal der Erdbeschleunigung beschleunigen. Dennoch
wurden in China bereits Erdbeben mit einer Maximalbeschleunigung von 3‐mal der
Erdbeschleunigung gemessen. Diese treten allerdings nur sehr selten und nur im
Süd‐Westen Chinas auf. Meist ist nicht die maximale Beschleunigung kritisch
sondern deren Zeitverlauf. Aus diesem Grund wird die Eigenfrequenz der
Bauwerke im Rahmen der experimentellen Untersuchungen optimiert. Die
Anregung erfolgt mit sechs Freiheitsgraden, das heißt durch die Verschiebungen
und Verdrehungen in allen drei Raumrichtungen.
a) b)
Abb. 28 a) Erdbebentestplattform, b) Erdbebentestmodell
Zudem wird die dynamische Reaktion von Bauwerken unter Windbeanspruchung
untersucht. Hierfür stehen zwei Windkanäle zur Verfügung, welche miteinander
verbunden sind. Der Wind wird durch insgesamt sechs Ventilatoren erzeugt und
läuft im Kreis durch die beiden Kammern. Der Wind trifft gleichmäßig auf das zu
prüfende Bauteil auf, Turbulenzen werden demnach nicht simuliert. Um dies zu
gewährleisten, sind wabenförmige Gitter vor den Windkammern angeordnet. Im
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
49
kleineren Windkanal (Abmessungen: B x H x L = 3 m x 3 m x 15 m) können Windge‐
schwindigkeiten bis 94 m/s erreicht werden. Im größeren Windkanal mit Abmes‐
sungen von B x H x L = 12 m x 3,5 m x 18 m wird mit Windgeschwindigkeiten bis 20
m/s geprüft.
In dem Hochgeschwindigkeitswindkanal werden beispielsweise Eisenbahn‐
brücken mit Windbarrieren geprüft. Durch Sensoren (Druckmesser) kann der auf
den Zug auftreffende Wind bei unterschiedlichen Abmessungen und Anordnungen
der Windbarrieren untersucht werden. Im großen Windkanal hingegen wird bei‐
spielsweise die Interaktion von Zug, Brücke und Wind untersucht. Züge fahren mit
bis zu 35 m/s durch den Kanal.
a b)
Abb. 29 a) Hochgeschwindigkeitswindkanalhalle, b) Modell einer Windbarriere
9.2 Eindrücke und Studentenleben Neben dem wissenschaftlichen Hintergrund des Workshops, welcher durch die
Vorträge und Laborbesichtigung zum Tragen kam, hatte auch der kulturelle Aus‐
tausch eine große Bedeutung. Die Kaffeepausen sowie Mittag‐ und Abendessen
wurden für Gespräche genutzt.
In den Kaffeepausen gab es Obst, Kekse und diverse Küchlein, zum Mittag‐ und
Abendessen traditionelles chinesisches Essen. Bei diesen Gelegenheiten zeigten
die chinesischen Studenten und Studentinnen großes Interesse an uns und unserer
Kultur. Sie kamen direkt mit uns ins Gespräch und überraschten und mit guten
Englischkenntnissen. Insgesamt waren sie sehr freundlich und hilfsbereit. Im Ver‐
gleich studieren in China deutlich weniger Frauen Bauingenieurwesen, sodass wir
die Studenten mit unserer Frauenquote begeistern konnten. Neben dem Studium
und den verschiedenen Universitäten unterhielten wir uns auch über unsere Frei‐
zeitaktivitäten.
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
50
Viele Studierende sind sehr interessiert daran nach Deutschland zu kommen,
um hier den Master zu absolvieren oder ein Austauschsemester zu machen. Viele
wollen auch Deutsch lernen oder haben es bereits versucht, aber in den meisten
Fällen aufgrund der Komplexität der deutschen Sprache aufgehört. In der Fakultät
der CSU gib es etwa zehn ausländische Studenten. Die meisten davon kommen aus
Afrika. Die chinesischen Studenten finden es sehr schade, dass es vor Ort kaum in‐
ternationale Studenten gibt, mit denen sie Englisch sprechen können. Die junge
Generation nutzt hierfür Social Media Plattformen wie Facebook und Instagram.
a) b)
Abb. 30 a) Typisches Chinesisches Essen, b) „Gruppenselfie“
Während wir am späten Nachmittag quer über den Campus zu den Versuchshallen
gelaufen sind, sahen wir die Bibliothek, die Studentenwohnheime und viele Sport‐
anlangen inklusive eines Fitnessstudios auf dem Campus. Frauen und Männer le‐
ben dort getrennt in den Häusern. Die Wohngemeinschaften bestehen aus einem
Zimmer mit Bad, welches sich vier Personen teilen. Außerdem gibt es keine Küche
in diesen Wohngemeinschaften. Das Mensaessen in der Uni schmeckt den Studie‐
renden nicht so gut, weshalb sie öfter außerhalb essen gehen. Allerdings gibt es
hierbei nicht viele Möglichkeiten, weshalb auch oft auf Instantnudeln zurückgegrif‐
fen wird. Auf die Frage, ob sie denn auch im WG‐Zimmer ihre freie Zeit verbringen
(zum Lernen oder auch zum Entspannen), antworteten sie nur, dass das WG‐
Zimmer nur zum Schlafen genutzt wird. Sie sind die meiste Zeit des Tages unter‐
wegs, in der Uni oder in der Bibliothek, und wenn sie mal nicht lernen, dann gehen
sie außerhalb etwas essen. Manchen Studierenden gefällt es deshalb auch nicht,
dass die Bibliothek nur bis um 21.00 Uhr geöffnet hat. Teilweise leben auch Profes‐
soren mit ihren Familien auf dem Campus. Die Kinder gehen dann dort in eine
Schule.
9 Central South University
Exkursion nach China 2018
51
a) b)
Abb. 31 a) Sportplatz der CSU, b) Campus der CSU
Um in China auf eine Top‐Universität gehen zu können, gibt es landesweit Zulas‐
sungstests. Man braucht für die CSU mindestens ein Jahr Vorbereitungszeit. Den
Test bestehen nur ca. 5 %. Die Studiengebühren in der CSU betragen 8.000 Yuan,
hinzukommen 800 bis 2.400 Yuan Miete für die Wohnung. Es sind auch Stipendien
möglich. Um sich etwas Geld dazu zu verdienen, geben manche Studierenden
Nachhilfe.
Der Bachelor dauert vier Jahre und der Master drei Jahre. Im Bachelor arbeitet
jeder Studierende für einen bestimmten Professor und hilft bei Experimenten oder
Publikationen. Mit den Vorlesungen und der Arbeit kommen sie so in etwa auf eine
40‐Stunden‐Woche. Die Vorlesungen werden in Klassengrößen abgehalten (ca. 20
Studierende). Es herrscht eine Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen. Im Bauin‐
genieurwesen gibt es sehr wenige Frauen, da man sich Frauen auf der Baustelle
nicht vorstellen kann.
Nach der Labor‐Führung gab es im gleichen Hotel wie am Mittag ein Abendes‐
sen an runden Drehtischen mit circa zehn Personen pro Tisch. Das Essen wurde di‐
rekt an den Tisch gebracht, welches wir uns dann alle geteilt haben. Die Stimmung
war lustig und ausgelassen. Nach dem Abendessen haben chinesische Studierende
uns zu einer Bar geführt. Teilweise waren die Studenten noch nie in einer Bar ge‐
wesen oder nur selten, da sie eine Bar eher mit Betrinken in Verbindung setzen. Sie
fanden es super, dass wir uns hauptsächlich unterhalten, Karten gespielt und ne‐
benbei ein Bier getrunken haben. Das war neu für sie. Als wir sie gefragt hatten, ob
sie Spaß haben, fanden es alle, die dabei waren, lustig und hatten Spaß. Aber ihre
Professoren wollen nicht, dass sie abends weggehen. Es kann passieren, dass der
Professor abends anruft und spontan ein Treffen wegen eines Projekts oder ähnli‐
ches haben möchte.
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
52
10. Shanghai
10.1 Geschichte und Stadtbild An den Ufern des Huangpu, nahe der Mündung des gewaltigen Yangzi, liegt Shang‐
hai, die bedeutendste Industriestadt der Volksrepublik China und eine der größten
Städte der Welt.
Zu Shanghai gehören außer der Innenstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern,
zahlreiche umliegende, bis 50 km entfernte, Stadtbezirke mit weiteren etwa 8 Mil‐
lionen Einwohnern. Von den ungefähr 23 Millionen Einwohnern, haben ungefähr
16 Millionen einen ständigen Wohnsitz dort und die restlichen 7 Millionen nur eine
befristete Aufenthaltsgenehmigung. Während die Innenstadt eine hohe Bebau‐
ungsdichte und geschlossene Siedlungsform hat, dominiert in den Randbezirken
eine ländliche, eher provinzielle Siedlungsstruktur.
Mit ihren vielen Theatern, Museen, zahlreichen Universitäten, Hochschulen
und Forschungseinrichtungen ist die Stadt nicht nur wirtschaftlich bedeutend son‐
dern auch ein wichtiges Kultur‐ und Bildungszentrum. Des Weiteren besitzt Shang‐
hai einen der größten Häfen der Welt und ist somit auch ein wichtiger Verkehrs‐
knotenpunkt.
Shanghai ist eine regierungsunmittelbare Stadt, das heißt, sie ist direkt der
Zentralregierung unterstellt, und ihr Status entspricht dem einer Provinz. Durch
ihre jüngste explosionsartige wirtschaftliche Entwicklung ist sie zu einer der am
schnellsten wachsenden und vitalsten Städte der Welt geworden.
Der Name Shanghai setzt sich aus zwei chinesischen Zeichen zusammen: shàng
im Sinne von „auf“, „hoch gelegen“, „oberhalb platziert“ und hǎi, das „Meer“.
Sinngemäß übersetzt bedeutet Shanghai also „[Stadt] über dem Meer“. Umgangs‐
sprachlich wird Shanghai auch „Tor zur Welt“, „Paris des Ostens“ „Drachenkopf‐
Metropole“ oder „Perle des Orients“ genannt.
Shanghai war bis Mitte des 19. Jahrhunderts (1842) Verwaltungssitz einer Pro‐
vinz und hatte einen Flusshafen, aber ansonsten eine unbedeutende Stadt. 1842
jedoch kapitulierte China im Krieg gegen die Briten um wirtschaftliche Interessen
und gab den westlichen Forderungen nach Handelskonzessionen nach. Die Regie‐
rung öffnete einige Hafenstädte an der Ostküste unter anderem Shanghai.
Ab diesem Zeitpunkt wurde Shanghai zu einem exterritorialem europäischen
Außenposten, das heißt ausländische Bürger unterlagen nur den Gesetzen ihres
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
53
Heimatlandes. Amerikaner, Franzosen und Briten hatten ihre eigenen Stadtgebie‐
te, in denen sie über eigene Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt verfügten. Diese Si‐
tuation zog aber nicht nur Geschäftsleute sondern auch Flüchtlinge, kriminelle und
Revolutionäre an. Vor allem in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen erlangte
Shanghai den Ruf als Stadt der Exzesse und des Glamours, wurde jedoch auch zum
drittgrößten Finanzzentrum der Welt. Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts,
als die Kommunisten an die Macht kamen, gaben die Ausländer ihre Vorrechte auf
und das „glanzvolle“ Zeitalter hatte ein Ende.
Erst 1990 wurde der Stadtteil Pudong (gegenüber der Uferpromenade Bund ge‐
legen) wieder zu einer gesonderten Wirtschaftszone deklariert. Dies führte zur
Wiederbelebung der Stadt. Investitionen flossen in ungeahntem Ausmaß und führ‐
ten Shanghai zu einer boomenden Wirtschaftsmetropole mit einem pulsierenden
Leben zurück. Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung und dem Ruf als Standort der
Entwicklung bleiben viele Probleme bisher ungelöst, wie zum Beispiel die hoff‐
nungslose Überbevölkerung und schwere Umweltprobleme (Smog, Lärmbelästi‐
gung, Verschmutzung). Außerdem kehrten viele soziale Probleme wie Arbeitslosig‐
keit, Drogenmissbrauch, etc. zurück.
Abb. 32 Karte von Shanghai (lonelyplanet.com)
10.2 Kultur und Sehenswürdigkeiten Der Bund und der östliche Teil der Nanjing Lu bilden das touristische Zentrum der
Stadt. Die Uferpromenade gilt als die berühmteste Promenade Chinas. Hier bieten
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
54
sich die schönsten Stadtansichten Shanghais. Abends werden die historischen Ko‐
lonialbauten angestrahlt und man hat einen wunderbaren Ausblick auf die Hoch‐
häuser in Pudong auf der anderen Uferseite.
Die Nanjing Lu ist eine der berühmtesten Shoppingmeilen des ganzen Landes.
Unzählige Restaurants mit nationaler, aber auch internationaler Küche, Bars und
Clubs sind hier ebenfalls zu finden. Der Renmin Guangchang beziehungsweise Pe‐
ople’s Park ist die größte Grünanlage im Zentrum der Stadt. Direkt an den Park
grenzt der People’s Square (Volksplatz). Er ist der größte öffentliche Platz der Stadt
und stellt das neue kulturelle und kommerzielle Zentrum Shanghais dar. An diesem
Platz befinden sich einige architektonisch bemerkenswerte Bauten der Stadt, bei‐
spielsweise das Grand Theatre, das Stadtplanungsmuseum und das Shanghai Mu‐
seum. Der 320 m² große Springbrunnen vor dem Shanghai Museum ist ein belieb‐
ter Treffpunkt für viele Einheimische.
a) b)
c) d)
Abb. 33 a) Shanghais Uferpromenade mit Blick auf dem alten Bund, b) Ausblick auf Pudong und
c) Nanjing Lu, d) Teehaus im People´s Park
Im Stadtplanungsmuseum ist ein riesiges Modell Shanghais auf über 600 m² darge‐
stellt, das die stadtplanerischen Visionen für die Expo 2010 sowie sämtliche ge‐
plante Wolkenkratzer der nächsten Jahre zeigt. Außerdem ist das alte Shanghai mit
Hauseingängen, Pflasterstraßen, Geschäften und Teehäusern originalgetreu im
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
55
Maßstab 1:1 nachempfunden. Das Shanghai Museum ist eines der bekanntesten
Museen für klassische chinesische Kunst und Kultur in China. Berühmt ist das Mu‐
seum unter anderem wegen seiner Bronze‐Galerie, der Steinskulpturen sowie der
Malereien der einzelnen chinesischen Epochen.
a) b)
Abb. 34 a) Stadtplanungsmuseum, b) Grand Theatre mit Blick auf dem neuen Bund
Im Stadtteil Puxi sind zwei Tempel sehr sehenswert, der Jing’an Tempel und der Ja‐
de Buddha Tempel. Die Attraktionen des Jing‘an Tempels sind die riesige Kupfer‐
glocke mit 3.175 kg sowie zahlreiche steinerne Buddhastatuen. Die Anlage stammt
aus dem Jahr 247 n.Chr. und hat die längste Geschichte aller Schreine in Shanghai.
Der Jade Buddha Tempel ist der berühmteste (und somit auch der touristischs‐
te) Tempel Shanghais. Er besteht aus 3 Haupthallen: die Halle der Himmelskönige,
die große Halle und die Halle der Weisheit. Hier gibt es zwei Statuen, die man sich
anschauen sollte. Der sitzende Buddha mit einer Höhe von 1,95 m und einem Ge‐
wicht von mehr als einer Tonne in der Halle der Weisheit und die kleinere Statue
des liegenden Buddhas, welche dessen Tod darstellt.
In französichen Viertel kann man einen guten Eindruck der kolonialen Atmosphäre
gewinnen. Die Gebäude erinnern an französische Städte aus der Zeit des frühen
20. Jahrhunderts. Viele der alten Häuser wurden mithilfe von Firmen aus Hongkong
restauriert. Hier sind viele Cafés, Restaurants, Bars und Biergärten, wie beispiels‐
weise auch das Paulaner Brauhaus, zu finden. Bummeln lässt sich besonders gut
auf der Changle Lu. Außerdem befindet sich das Shanghai Museum of Arts and
Crafts in dem Stadtteil. Dort sind Handwerksarbeiten der letzten 100 Jahre ausge‐
stellt, unter anderem Jade‐, Elfenbein‐ und Holzschnitzereien, aber auch kunstvoll
bemalte Vasen.
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
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a) b)
Abb. 35 a) Stimmung im französischen Viertel, b) chinesische Altstadt
In Stadtteil der chinesischen Altstadt lässt sich durch die gewundenen Gassen, die
alten traditionellen Häuser und die kleinen lokalen Märkte noch einiges vom alten
Shanghai entdecken. Die ringförmig angelegten Straßen Renmin Lu und Zhonghua
Lu bildeten früher die Stadtmauer, die den Stadtkern des alten Shanghais vor japa‐
nischen Piraten schützen sollte. Auf dem Antiquitätenmarkt findet man, neben An‐
tiquitäten und Souvenirs, chinesisches Kunsthandwerk. Besonders abends ist es
hier besonders schön, da die rekonstruierten Bauten im Lichterglanz erstrahlen.
Ein weiteres Highlight der Altstadt ist der Yu Garten. Er vereint auf engstem
Raum alle Elemente der klassisch‐chinesischen Gartenbaukunst. Er umfasst mehr
als 40 Gebäude, alte Bäume, Teiche, Brücken und Skulpturen. Der Yu Garten ist
von einer großen weißen Mauer umgeben. Innerhalb der Anlage gibt es weitere
Mauern, die den Garten in verschiedene Bereiche unterteilen, die alle unterschied‐
lich gestaltet sind. Die inneren Mauern sind in Form eines „fliegenden Drachen“
gebaut, das heißt die mit schwarzen Ziegeln gedeckten Mauern verlaufen wellen‐
förmig auf und ab. Der Eingang des Parks liegt nördlich der Neun‐Biegungen‐
Brücke. Vor dem Haupteingang steht das berühmte Huxing Ting‐Teehaus mit ei‐
nem schönen Blick auf den Yu‐Garten. Es ist das älteste Teehaus der Stadt und liegt
mitten in einem Teich. Man erreicht es nur über eine Zickzackbrücke, welche böse
Geister abhalten soll, denn die Chinesen glauben, dass Geister nur geradeaus ge‐
hen.
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
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a) b)
Abb. 36 a) Huxing Ting‐Teehaus, b) Drachenmauer
Pudong bedeutet wörtlich übersetzt „neuer Stadtbezirk östlich des Huangpu“. Vor
1990 gab es östlich des Huangpu Flusses lediglich Reis‐ und Gemüsefelder, Lager‐
hallen und einfache Wohnhäuser. Heute ist dieses Viertel das neue Wirtschafts‐
und Hightechzentrum Shanghais. Innerhalb von nur 10 Jahren entstanden etliche
Wolkenkratzer, ein moderner internationaler Flughafen, die weltweit einzige
Transrapid‐Strecke, die Börse Shanghai und vieles mehr. Mehr als zwei Millionen
Einwohner leben heutzutage in dem östlichen Distrikt. Vier der beeindruckendsten
Wolkenkratzer sind der Oriental Pearl Tower, das Shanghai World Financial Center,
der Jin Mao Tower und der Shanghai Tower.
Der Oriental Pearl Tower (auch genannt: „Perle des Orients“) ist mit einer Höhe
von 468 Metern der derzeit dritthöchste Fernsehturm Asiens und eines der Wahr‐
zeichen der Stadt. Die Konstruktion besteht aus elf verschieden großen Kugeln auf
unterschiedlichen Höhen. Im Sockel des Turms befindet sich das Museum für
Stadtgeschichte. Man kann alle drei Hauptkugeln besuchen. Sie liegen in 90, 265
und 350 Metern Höhe.
Das Shanghai World Financial Center (auch genannt: Flaschenöffner) enthält ein
Hotel, Büroräume, luxuriöse Restaurants, Bars und einen überdachten Übergang ‐
die Skybridge. Hier können Besucher in einer Höhe von 472 Metern zwischen zwei
Gebäudeteilen pendeln und die Aussicht genießen. Dieses Projekt hat mehr als 850
Millionen US‐Dollar gekostet.
Der Jin Mao Tower wurde nach traditionellen chinesischen Formen gestaltet. In
einer Höhe von 340 Metern, beziehungsweise im 88. Stockwerk, befindet sich ein
Aussichtsdeck. In den oberen Stockwerken befindet sich das Grand Hyatt Hotel.
Das Hotelatrium beginnt im 54. Stock und endet erst im 87. Somit ist es eines der
höchsten Atrien der Welt mit 152 Metern Höhe und 27 Metern Durchmesser.
10 Shanghai
Exkursion nach China 2018
58
Der Shanghai Tower gilt als zweithöchster Turm der Welt mit 632 m. Er weist
128 Etagen über und 5 Etagen unter der Erde auf und ist insgesamt 420.000 m²
groß. Im Inneren des Gebäudes wurden Hallengärten in verschiedenen Höhen an‐
gelegt, um als öffentliche Plätze für die Bewohner Shanghais zur Verfügung zu ste‐
hen. Bei dem Gebäude wurde großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Die Fassade
wurde so konstruiert, dass sie die Windbelastung des inneren Rings um 24% redu‐
zieren kann, wodurch Baumaterial eingespart werden konnte. Außerdem soll die
Verdrehung auch dazu verwendet werden, um Regenwasser für die Klimaanlage
und Heizung zu sammeln. Durch ein Doppelwandsystem der Fassade ist das Ge‐
bäude quasi wie eine Thermoskanne aufgebaut und soll dadurch Energie sparen.
a) b)
Abb. 37 a) Oriental Pearl Tower, b) Shanghai World Financial Center, Jin Mao Tower und Shanghai Tower
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11. Tongji University Am 27. und 28. September 2018 besuchten Studenten des Fachbereichs Bauinge‐
nieurwesen der Technischen Universität Darmstadt die Tongji‐Universität. Sie ist
eine der renommiertesten und ältesten Universitäten der Volksrepublik China und
befindet sich in Shanghai; sie ist bekannt für Ingenieur‐ und Wirtschaftswissen‐
schaften. Außerdem besitzt die Tongji‐Universität hochqualifizierte Studenten, bes‐
tens ausgerüstete Labore mit den weltbesten Prüfeinrichtungen und viele Koope‐
rationen mit Industrien.
Im nationalen Ranking wird die Tongji‐Universität seit zehn Jahren auf Platz 1
gewertet. Nach dem globalem Ranking ARWU (Academic Ranking of World Univer‐
sities) liegt die Uni auf Platz 1 (in 2018 und 2017) und Rang 5 im Jahr 2016. Im Be‐
reich Bauingenieurwesen liegt die Universität im Jahr 2018 auf Platz 31 weltweit
und ist die Beste für den Bereich in China.
Insgesamt besuchen 54.000 Studenten die Universität, davon belegen 4.000
Studenten den Bereich des Bauingenieurwesens. Von den 4.000 Studenten sind
1.900 Bachelor‐ und 1.500 Masterstudenten sowie 600 Promotionsstudenten.
Weiterhin hat der Fachbereich Bauingenieurwesen 126 Professoren, 109 außeror‐
dentliche Professoren, 81 Assistenzprofessoren, 87 technische und administrative
Mitarbeiter und 42.000 ehemalige Studenten. Es wird im Bereich Hochbau, Brü‐
ckenbau, Geotechnik, Wasserbau, Katastrophenschutz/‐verminderung, Sicherheits‐
und Risikomanagement geforscht. Die Forschungsmittel kommen zu 46 % vom
Staat und zu 54 % von der Industrie. Es sind gemeinsame, internationale For‐
schungsarbeiten im Bereich Erdbeben‐ und Windingenieurwesen vorhanden; in
Kooperation mit Japan, Korea, Vietnam, Deutschland, Frankreich, Kanada, Australi‐
en und vielen anderen Ländern.
Der Fachbereich Bauingenieurwesen besitzt u.a. ein Brandlabor, eine Um‐
weltsimulationsanlage (Extremklimalabore, Korrosionsprüfkammer, Alterungsbe‐
schleunigung), eine Versuchsanstalt für Hydrologie, ein Katastrophenschutzlabor,
mehrere Windtunnel und ein multifunktionales Erdbebentestlabor mit einem Rüt‐
teltisch.
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11.1 Geschichte der Tongji Das Wappen der Universität hat die literarische Bedeutung, dass man in einem
Boot am besten gemeinsam einen Fluss überquert. Die übertagende Bedeutung
besteht in der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe, der engen Zusammenarbeit
zur Bewältigung der Schwierigkeiten und den gemeinsamen Interessen.
a) b)
Abb. 38 a) Wappen der Tongji‐Universität, b) Zentrales Tor der Tongji‐Universität
Die Geschichte der Universität reicht bis ins Jahr 1907 zurück, als die Deutsche
Medizinschule von Erich Paulun, einem deutschen Arzt, gegründet wurde. Erst im
darauf folgenden Jahr bekam sie den Namen „Tongji, deutsche Medizinschule“. Im
Jahr 1912 gründete ein deutscher Ingenieur namens Bernhard Berrens die Deut‐
sche Ingenieurschule, die sich die gleiche Sprachschule mit der Medizinschule teil‐
te; anschließend wurden sie zur Deutschen Medizin‐ und Ingenieurschule. Die
deutschen Lehrmethoden der Medizin‐ und Ingenieurwissenschaft prägten damals
diese Institution mit deutschen Lehrern, dem deutschen Schulsystem, den deut‐
schen Lehrbüchern, aber auch der deutschen Sprache.
Die Chinesische‐Deutsche Hochschule in Qingdao, die von Chinesen und Deut‐
schen gegründet wurde, war gezwungen, aufgrund des Ersten Weltkrieges im Jah‐
re 1914, zu schließen. Einige Lehrkräfte und Studenten wurden somit an die
„Tongji Medizin‐ und Ingenieurschule“ versetzt, darunter auch 34 Studenten mit
dem Schwerpunkt Bauingenieurwesen und neun Studenten mit dem Schwerpunkt
Politikwissenschaften. Somit kamen der Fachbereich des Bauingenieurwesens und
die Politikwissenschaften in den Lehrplan der heutigen Tongji‐Universität hinzu. Ein
besonderes Merkmal dieser Institution ist, dass sehr viel Wert auf praktische Erfah‐
rungen sowohl im medizinischen als auch im ingenieurwissenschaftlichen Bereich
gelegt wurde. Es wurden externe Besuche außerhalb des Campus getätigt, um den
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Horizont der Studenten zu erweitern und deren soziale Bedingungen mit der Arbeit
in den Gewerken vertraut zu machen und zu stärken. Der Erste Weltkrieg prägte
das Verhältnis zwischen China und Deutschland; die Schule zog nach Wusong um
und wurde von den Chinesen übernommen.
Anschließend erhielt sie den Namen „Tongji, private Medizin‐ und Ingenieur‐
schule“. Erst später und durch weiteren Unruhen im und außerhalb des Landes zog
die heutige Universität Tongji an den jetzigen Standort Shanghai. Durch die Zerstö‐
rung des Campus in Wusong durch Japan im Jahre 1937, musste die damalige
Schule wieder umgesiedelt werden, worauf sie dann im Winter 1938 ihren Stand‐
ort in Kunming hatte. Auch dieser Campus wurde von Japan zerstört (im Jahre
1940), sodass man gezwungen war, den Standort wieder zu wechseln. Auch der
Zweite Weltkrieg hinterließ nicht wenige Spuren. Somit wurde nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Sieg über die Japaner im Jahre 1945 die Universität für ein letz‐
tes Mal zurück nach Shanghai umgesiedelt, wo sie bis heute noch mit ihren 16 ver‐
schiedenen Fachbereichen, darunter auch medizinische, ingenieur‐, politik‐ und
humanwissenschaftliche Fakultäten besteht. Über die Jahre hat sich die Universität
beträchtlich entwickelt, sodass sie heute eine der führenden und hochangesehe‐
nen Universitäten in China ist.
11.2 Laborbesuche Das Katastrophenschutzlabor und mehrere Windtunnel wurden während des Be‐
suchs der Universität besichtigt. Im Katastrophenschutzlabor werden die Auswir‐
kungen von Feuer und Erdbeben mit Hilfe eines Rütteltisches auf Gebäude und
Gebäudeteile untersucht und die Widerstandsdauern ermittelt. Die Tongji‐
Universität besitzt den größten und, mit rund 1.000 Tests, auch den am meisten
genutzten Rütteltisch der Welt. Das Labor ist eines der Ersten dieser Art in China
und der Rütteltisch an der Universität der Erste in China. 1983 wurde der Rüttel‐
tisch aus Amerika importiert und 1991 an der Tongji‐Universität installiert.
11.2.1. Erdbebentests am Rütteltisch
Weiterhin wird im Labor an neuen erdbebensicheren Konstruktionen gearbei‐
tet und der Widerstand von neu geplanten Hochhäusern getestet. Jedes Hochhaus
muss aufgrund der chinesischen Norm getestet werden und die Begrenzung der
Stockwerkverschiebungen untereinander bei Erdbeben nachgewiesen werden. Die
maximale Verschiebung bei Hochhäusern darf 1 % betragen.
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Erst wenn dieser Grenzwert an den Modellen nachgewiesen wurde, darf das
geplante Hochhaus gebaut werden. Somit sind die Erdbebentests für Hochhäuser
eine Grundlage der chinesischen Norm und für die Realisierung dieser Gebäude.
Vor dem Labor sind die getesteten Hochhausmodelle ausgestellt. Die Modelle
sind mit einem Maßstab von 1:50, 1:75 oder 1:100 den Originalen nachgebaut. Das
Shanghai‐Tower‐Modell wurde 2005 getestet und aufgrund der Größe des Modells
wurde das 12,00 m hohe Dach des Labors abgebaut, um den Test durchführen zu
können.
Aufgrund dessen, dass man den Maßstab bei den Testmodellen um ein Vielfa‐
ches reduziert, würden sich die Steifigkeiten der Materialien erhöhen. Es soll aber
eine gleichbleibende Eigenfrequenz erreicht werden und daher muss die Masse,
durch Verwendung von z.B. Kupfer als Bewehrungsmaterial (statt Baustahl, da die‐
ser ein höheres E‐Modul aufweist), reduziert werden.
a) b)
Abb. 39 a) Modelle von Hochhäusern, b) Windtunnel
Der Rütteltisch ist für 25 Tonnen ausgelegt und kann eine maximale Beschleuni‐
gung von 4 G (4‐mal die Kraft der Erdbeschleunigung) in Längsrichtung und 2 G (2‐
mal die Kraft der Erdbeschleunigung) in Querrichtung aufnehmen. Sensoren zeich‐
nen die Beschleunigungen auf und die Messwerte werden an die Computer gesen‐
det und ausgewertet. Am Rütteltisch können die Modelle durch Löcher fixiert wer‐
den.
Um das Erdbebenverhalten einzelner Gebäudeteilen zu testen, gibt es neben
dem Rütteltisch eine weitere Vorrichtung. Hier wird die Statik z.B. einer Wand
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durch Druck/Zug‐Versuche getestet. Diese Tests können nicht auf dem Rütteltisch
durchgeführt werden, da die Modelle zu groß für den Rütteltisch sind.
11.2.2. Windströme im Windkanal
Es stehen insgesamt fünf Windtunnel für den Fachbereich Bauingenieurwesen an
der Tongji‐Universität zur Verfügung. In den Windtunneln wird u.a. am Windwider‐
standsdesign von Strukturen und Gebäude geforscht; dabei werden die drei Frei‐
heitsgrade und Rotationsgrade durch Federn vereinfacht dargestellt. An Brücken‐
modellen können die kritischen Windgeschwindigkeiten, bei denen Windwirbel
entstehen, ermittelt werden. Auf Grundlage der Messwerte wird das Design der
Brücke geändert und verbessert, sodass die Auswirkungen der Änderungen schnell
ermittelt werden können. Dadurch kann das Design der Brücke, damit es nicht zu
großen Schwingungen mit katastrophalen Folgen kommt, getestet und verbessert
werden.
Der TJ1‐Windtunnel ist ein offener gerader Windtunnel mit einem quadratischen
Querschnitt von 1,80 m x 1,80 m, einer Länge von 12,00 m und mit einer Testsek‐
tion von 2,00 m Länge. Die maximale Geschwindigkeit beträgt 30,00 m/s und mit
Hilfe einer großen Turbine wird ein gleichmäßiges Windprofil erzeugt. Bei Tests
wird eine Geschwindigkeit von 20,00 m/s angewendet, da höhere Geschwindigkei‐
ten in der Umwelt nicht plausibel sind. Des Weiteren kann in diesem Tunnel auch
Wind und Regen simuliert werden. Die Messungen mit Regen sind aber sehr grob
und es ist keine akkurate Simulation möglich.
Der TJ2‐Windtunnel ist ein horizontaler ringförmiger Tunnel. Hier beträgt die
Größe des Versuchsbereichs 3,00 m in Breite, 2,50 m in Höhe und 15,00 m in Län‐
ge. Bei diesem Windtunnel wird mit Hilfe von Reibungselementen (roughness ele‐
ments) aus Holz das Terrain nachgestellt und die dadurch entstehenden verwirbel‐
ten Windprofile simuliert. Der Tunnel besitzt außerdem einen Drehtisch für
Modelle, wodurch unterschiedliche Windangriffspunkte simuliert werden können.
Es kann eine maximale Geschwindigkeit von 68,00 m/s erzeugt werden. Für Ge‐
bäude sind so hohe Geschwindigkeiten nicht relevant und werden nie ausgenutzt.
Diese hohen Geschwindigkeiten wurden nur in früheren Jahren u.a. zum Testen
vom windgünstigen Design von Autos durch den Maschinenbaufachbereich ge‐
nutzt. Der Fachbereich besitzt heutzutage einen eigenen Windtunnel auf einem
anderen Campus und nutzt diesen Windtunnel nicht mehr.
Der TJ3‐Windtunnel wird gerade renoviert und ist ein Grenzschichtwindtunnel
in vertikaler kreisförmiger Form. Außerdem besitzt der Tunnel wie der TJ2 einen
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Drehtisch in der Mitte und besitzt den größten Testbereich von allen Windtunneln
mit 15,00 m Breite, 2,00 m Höhe und 14,00 m Länge. Durch den großen Testbe‐
reich können komplette Modelle getestet werden. Die Geschwindigkeit kann bis zu
17,80 m/s betragen.
Im TJ4‐Windtunnel können die Windströmungen durch Farbpartikel sichtbar
gemacht werden (particle image velocimetry, kurz PIV). Dieser Tunnel wird eher
selten bis gar nicht genutzt.
Der TJ5‐Windtunnel ist der modernste und neuste Windtunnel und besitzt eine
aktive Steuerung durch 121 kleine Gebläsen. Jedes dieser 121 Gebläse kann ein‐
zeln angesteuert werden; somit können verschiedene Windrichtungen und ‐
geschwindigkeiten eingestellt und unterschiedliche Turbulenzen durch Verwirbe‐
lungen erzeugt werden. Der Versuchsbereich ist 1,80 m breit, 1,80 m hoch und
10,00 m lang. Es kann eine maximale Geschwindigkeit von 18,00 m/s erzeugt wer‐
den.
11.3 Eindrücke und Studentenleben Die zwei Campus der Tongji‐Universität, die sich über die gesamte Stadt verteilen,
sind einzelne geschlossene Areale in und um der Stadt Shanghai. Diese Bereiche
werden von einer Mauer umgeben, die an bestimmten Punkten mit Toren verse‐
hen ist. Nachts wird die Universität von Sicherheitsbeamten bewacht und an den
vorgesehenen Toren werden Kontrollen durchgeführt, ob die Personen beim Be‐
treten des Campus Studenten oder Mitarbeiter der Tongji‐Universität sind. Handelt
es sich bei den Personen um Besucher, also keine Studenten oder Mitarbeiter, wird
ihnen der Eintritt verwehrt.
Auch an der Technischen Universität Darmstadt befinden sich zwei Campus, die
sich einerseits in der Stadt und andererseits weiter außerhalb befinden; auch in
der gesamten Stadt sind weiterhin vereinzelt einzelne Gebäude der TU‐Darmstadt
vorzufinden. Der Unterschied zur Tongji‐ Universität liegt darin, dass die Campus
weder von Mauern umgeben noch von Sicherheitsbeamten kontrolliert werden.
Ein weiterer Unterschied der beiden Universitäten liegt in den Öffnungszeiten
der Bibliotheken. Während an der TU Darmstadt die Bibliothek in der Prüfungspha‐
se täglich 24 Stunden und an anderen Tagen von 8:00 – 1:00 Uhr geöffnet hat, ist
die Bibliothek an der Tongji‐Universität täglich von 6:00 bis 22:00 Uhr geöffnet.
Durch die längeren Öffnungszeiten an der TU Darmstadt wird gewährleistet, dass
der Student, egal zu welche Uhrzeit er möchte bzw. Zeit hat, lernen kann; somit
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können zum Beispiel auch berufstätige Studenten eine Zeit finden, zu der sie in die
Bibliothek gehen um zu lernen.
Derzeit besuchen circa 26.000 Studenten die TU Darmstadt, wobei mehr als
doppelt so viele Studenten, circa 54.000 an der Tongji‐Universität studieren. Die
Größe der Universität in Shanghai geht mit der Größe der Stadt einher. Somit bie‐
ten sich mehrere Möglichkeiten an Räumlichkeiten für mehrere und größere Labo‐
ratorien für Forschungszwecke an, in denen Studenten arbeiten und forschen kön‐
nen. Dazu zählen u.a. auch ein Windkanal zum Untersuchen vom Verhalten der
Brücken in Tälern, eine große Rüttelplatte zum Simulieren von Erdbeben an Ge‐
bäude‐Modellen und ein Labor, das Zusammenstöße von Zügen und deren Ge‐
schwindigkeiten erforscht.
Im Großen und Ganzen lässt sich über die beiden Universitäten folgende Aus‐
sage machen: Egal an welcher Universität man studiert oder immatrikuliert ist, der
Student gewinnt in allen Fällen beim Besuch der jeweils anderen Universität neue
positive Eindrücke in jeglicher Hinsicht und findet Gefallen und große Interesse in
den Forschungen und Arbeiten.
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