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Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart 1 Endzeit Sind wir in der letzten Zeit? Was lehrt die Bibel über die Zeichen der Zeit und den zukünftigen Weltdiktator? Einleitung Mein Zugang zum Thema Emil Brunner schrieb schon vor ca. 50 Jahren: „Eine Kirche, die nichts über das Zukünftig- Ewige zu sagen hat, hat überhaupt nichts zu sagen, sie ist bankrott.“ 1 Ziele für unsere Themenreihe: 1. Ein Überblick über die endzeitliche Heilsgeschichte soll gewonnen werden und kann vor falschen Lehren schützen. Nur wer echte Geldscheine gut kennt, erkennt schnell die falschen. 2. Die Beschäftigung mit der Zukunft soll nicht die Neugier befriedigen, sondern Mut machen, Trost im Leiden vermitteln und fit für die Zukunft machen. Denn der Blick auf den Himmel bringt Hoffnung, Durchhaltevermögen und eine dynamische Freude ins Christenleben hinein. Zur Endzeithoffnung gehört aber auch die richtige Gegenwartsgestaltung. Vorsicht vor Endzeitspezialisten! (z. B. Hal Lindsey, Klaus Gerth, Wim Malgo usw.) Zunächst stellt sich uns die Frage, wann denn die Endzeit beginnt. 1. These: Seit 2000 Jahren leben Christen in der Endzeit. Endzeit ist nämlich die Zeitspanne zwischen Jesu Menschwerdung und seiner Wiederkunft. Diese Tage sind die letzten Tage. Messianische Zeit ist die letzte Zeit. Die Weltwende (das neue Zeitalter) hat eingesetzt. „Sein Erscheinen ist der Anfang des Endes; und mit seinem zweiten Erscheinen beginnt das Ende des Endes“ (Franz Delitzsch). Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er ein- gesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat (Hebr 1, 1-2). Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind nun schon viele Antichristen gekommen; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist(1.Joh 2, 18). Was lehrt die Bibel über Trübsal, Antichrist und Hure Babylon? Bei der Behandlung dieser Themen gehe ich davon aus, dass eine „strikt komplementäre Beziehung“ zwischen den Testamenten besteht. Dabei fügt das NT Neues zum AT hinzu (fortschreitende Offenbarung), ohne das AT zu ersetzen oder neu zu definieren. 2 1 Emil Brunner: Das Ewige als Zukunft und Gegenwart. München: Siebenstern, 1965, S. II. 2 Vgl. Darell L. Bock (Ed.), Three Views on the Millenium and Beyond. Grand Rapids: Zondervon, 199, p. 291.

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Page 1: Endzeit Sind wir in der letzten Zeit? - evangsitterdorf.ch · Offenbarung gelesen werden, die Ladd daher erst ab Kapitel 7 futuristisch auslegt (George Eldon Ladd, A Theology of the

Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart

1

Endzeit – Sind wir in der letzten Zeit? Was lehrt die Bibel über die Zeichen der Zeit und den zukünftigen Weltdiktator?

Einleitung

Mein Zugang zum Thema Emil Brunner schrieb schon vor ca. 50 Jahren: „Eine Kirche, die nichts über das Zukünftig-Ewige zu sagen hat, hat überhaupt nichts zu sagen, sie ist bankrott.“1

Ziele für unsere Themenreihe:

1. Ein Überblick über die endzeitliche Heilsgeschichte soll gewonnen werden und kann vor falschen Lehren schützen. Nur wer echte Geldscheine gut kennt, erkennt schnell die falschen. 2. Die Beschäftigung mit der Zukunft soll nicht die Neugier befriedigen, sondern Mut machen, Trost im Leiden vermitteln und fit für die Zukunft machen. Denn der Blick auf den Himmel bringt Hoffnung, Durchhaltevermögen und eine dynamische Freude ins Christenleben hinein. Zur Endzeithoffnung gehört aber auch die richtige Gegenwartsgestaltung.

Vorsicht vor Endzeitspezialisten! (z. B. Hal Lindsey, Klaus Gerth, Wim Malgo usw.) Zunächst stellt sich uns die Frage, wann denn die Endzeit beginnt.

1. These: Seit 2000 Jahren leben Christen in der Endzeit. Endzeit ist nämlich die Zeitspanne zwischen Jesu Menschwerdung und seiner Wiederkunft. Diese Tage sind die letzten Tage. Messianische Zeit ist die letzte Zeit. Die Weltwende (das neue Zeitalter) hat eingesetzt. „Sein Erscheinen ist der Anfang des Endes; und mit seinem zweiten Erscheinen beginnt das Ende des Endes“ (Franz Delitzsch).

„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er ein-gesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat“ (Hebr 1, 1-2). „Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind nun schon viele Antichristen gekommen; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist“ (1.Joh 2, 18).

Was lehrt die Bibel über Trübsal, Antichrist und Hure Babylon? Bei der Behandlung dieser Themen gehe ich davon aus, dass eine „strikt komplementäre Beziehung“ zwischen den Testamenten besteht. Dabei fügt das NT Neues zum AT hinzu (fortschreitende Offenbarung), ohne das AT zu ersetzen oder neu zu definieren. 2

1 Emil Brunner: Das Ewige als Zukunft und Gegenwart. München: Siebenstern, 1965, S. II. 2 Vgl. Darell L. Bock (Ed.), Three Views on the Millenium and Beyond. Grand Rapids: Zondervon, 199, p. 291.

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Auch für das Neue Testament gilt, dass wir es mit einer fortschreitenden Offenbarung zu tun haben. Wir beginnen daher im NT bei den eschatologischen Aussagen in den Evangelien, konkretisieren diese mit den Aussagen der Lehrbriefe und vervollständigen die gewonnene Sicht mit dem am schwersten zu verstehenden Buch der Bibel, der Apokalypse.3

Was lehrt die Bibel über die grosse Trübsal?

2. These: Die klare Aussage des Alten Testaments ist, dass es im Volk Gottes zwar immer wieder Leidens- und Trübsalszeiten (Hiob 5, 19) gab4 , aber trotzdem eine noch nie da gewesene eschatologische Zeit der „grossen Trübsal“ im Zusammenhang mit dem kommenden Tag des HERRN (Zeph 1, 14.15; vgl. Jes 13, 6-13; Jer 30, 23.24; Joel 1, 15; 2,1-11) zu erwarten sei. Das Gericht Gottes und die sich daraus ergebende Trübsal werden gleichermassen die Nationen (Hes 30, 3; Ob 15.16) und Israel (Jer 30, 5-7) treffen. Daniel schreibt im Zusammenhang mit seiner Beschreibung des Antichristen5: „Zu jener Zeit wird Michael, der grosse Engelfürst, der für dein Volk eintritt, sich aufmachen. Denn es wird eine Zeit so grosser Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit“ (Dan 12, 1)6. Der Befund des Neuen Testaments ist analog zum Alten:

3. These: Die grosse Trübsal „ist die kurze Periode der Schreckensgerichte, die dem Kommen des Herrn in seiner Herrlichkeit unmittelbar vorausgeht und mit der Herrschaft des Antichristen zusammenfällt.“7 Auch nach dem Befund des Neuen Testaments gehören Leidens- und Trübsalszeiten zum „normalen Gemeindeleben“. Schon die ersten Christen erfuhren, dass sie „durch viel Trübsale in das Reich Gottes gehen“ mussten (Apg 14, 22). Sie kannten ja schon früh Verfolgung und Märtyrertum um ihres Glaubens willen. Paulus deutete der Gemeinde in Korinth sogar einmal an, dass er ihr einen Brief „aus grosser Trübsal und Angst des Herzens unter vielen Tränen“ (2Kor 2,4) geschrieben hatte. Dieser Ausdruck darf jedoch nicht mit dem alt- und neutestamentlichen Konzept einer eschatologischen Zeit der „grossen Trübsal“ verwechselt werden, zumal Paulus im Grundtext gar nicht von „grosser“ sondern von „viel Trübsal“ (πολλής θλίψεως) spricht und dies auf eine konkrete, persönliche Zeit in seinem Leben begrenzt.

3 Die Offenbarung ist das Stiefkind der evangelischen Theologie, weil sie von Anfang an für schwer verständlich

gehalten wurde und alle drei Reformatoren mit ihr nichts anfangen konnten: Sie sei "kein christliches Buch" (Zwingli,

1528), "weil Christus darin weder gelehrt noch erkannt wird" (Luther, 1522). Auch Calvin legte aus Angst vor der

Schwärmerei die Offenbarung nicht aus. Erst der Pietismus entdeckte die Offenbarung wieder. 4 Vgl. vor allem die Ereignisse im Zusammenhang mit der Einnahme Jerusalems durch die Babylonier (587 v. Chr.) und

die Beschreibung dieses fast grenzenlosen Leidens im Buch der Klagelieder Jeremias! 5 Vgl. auch Dan 9, 27!

6 Jeremia spricht von einer Zeit der Angst für Jakob (Jer 30, 7).

7 René Pache, Die Wiederkunft Jesu Christi. Wuppertal: Brockhaus, 9. Auflage 1977, S. 190.

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4. These: In der Ölbergrede Jesu, wird – aufgrund der dreifachen Frage der Jünger (Mt 24, 3) – zugleich die nahe und ferne Zukunft beschrieben.8

Ölbergrede Jesu (Mt 24, Mk 11, Luk 21) Jesus sagte: Kein Stein wird hier auf dem andern bleiben; alles wird niedergerissen werden. „Als er auf dem Ölberg sass, wandten sich die Jünger, die mit ihm allein waren, an ihn und fragten: „Sag uns, wann wird das geschehen, und was ist das Zeichen für deine Ankunft und das Ende der Welt?“ (Mt 24, 2.3) Geschichtliche Erfüllung Zukünftige Erfüllung (Mt 24, 27-31) Fall von Jerusalem (70 n. Chr.) Wiederkunft Jesu / Ende der Welt

Geschichtliche Erfüllung Zukünftige Erfüllung

Vorderansicht Seitenansicht

nahe & ferne Zukunft nahe Zukunft ferne Zukunft zusammen geschaut schon jetzt noch nicht

Jesus greift nun den von Daniel geprägten und definierten Begriff wieder auf: „Denn es wird dann eine grosse Trübsal (θλίψις μεγάλη) sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird“ (Mt 24, 21). Der jüdisch-römische Krieg mit der Zerstörung des herodianischen Tempels (70 n. Chr.) mag den Juden wirklich wie eine „grosse Trübsal“ vorgekommen sein (geschichtliche Erfüllung der Ölbergrede). Aber auch andere schweren Zeiten in ihrer Geschichte, wie den Hintergrund des Bar-Kochba-Aufstands oder den Holocaust, empfanden sie als Erfüllung apokalyptischer Voraussagen. Die letzte und in ihrem Ausmass einmalig leidvolle Erfüllung zur Zeit des grossen Antichristen steht jedoch noch bevor (eschatologische Auslegung der Ölbergrede, Daniel, 2. Thess, Offenbarung). Sie leitet nämlich den grossen Tag des Zorns Gottes und das Kommen des Messias ein.

8 Vgl. den 7. hermeneutischen Schlüssel (“Inaugurated Eschatology) in meinen Leitlinien zur Auslegung biblischer

Prophetie!

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5. These: Ein allgemeines Prinzip wird hier sichtbar: „In den historischen Krisen wird das Eschatologische vorgeschattet. Die göttlichen Gerichte sind sozusagen Generalproben für das letzte Gericht und die aufeinanderfolgenden Inkarnationen des Antichristen sind Vorschatten der letzten, höchsten Konzentration der Rebellion des Teufels vor dem Ende“ (C. E. B. Cranfield)9. Präteristen haben dagegen behauptet, Mt 24 sei im 1. Jahrhundert n. Chr. schon vollständig erfüllt worden. Sie stützen sich dabei auf die Aussage Jesu: „Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht (γενεά) wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist“ (Mt 24, 34). Unter „γενεά“ sei nämlich „diese Generation“ der zur Zeit Jesu lebenden Juden zu verstehen, „die Summe aller Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt leben.10

1. γενεά bedeutet jedoch zunächst nicht „Generation“, sondern „Sippe, Rasse, Familie“11.

2. Das Bedeutungsfeld des Wortes umfasst den qualitativen und den temporalen Aspekt. Der Kontext macht jedoch deutlich, dass sich Jesus „dem gesamten gegenwärtigen Geschlecht (γενεά) der Juden als einer einheitlichen Masse gegenüber“ sah.12 Kennzeichnend für dieses Geschlecht war nicht seine Zeitdauer, sondern seine Unbussfertigkeit (Lk 9, 41; Mk 9, 19; Mt 12, 39.45).13 Mit γενεά ist daher die bis heute unbussfertige Sippschaft (Rasse oder Geschlecht) der Juden gemeint (vgl. auch Lk 16, 8). Darauf deuten auch die eschatologischen und noch nicht erfüllten Verse im unmittelbaren Kontext (Mt 24, 27-37) hin14.

3. Es scheint, dass die schon auslegenden Übersetzung der Vulgata (sie übersetzt γενεά mit generatio, statt mit genus oder gens) über das englische „generation“ = Generation zur oben aufgeführten verengenden Auslegung geführt hat.

Exkurs: Was lehrt die Bibel über die Zeichen der Zeit (Mt 24, Mk 13, Luk 21)?

9 C. E. B. Cranfield, St. Mark 13, zitiert nach George Eldon Ladd, A Theology of the New Testament. Grand Rapids:

Eerdmans, 1974, p. S. 198-199 10

Das behauptet z. B. der Vertreter der „Christian Reconstruction“, David Chilton, Paradies Restored. Tyler: Dominion

Press, 1987, p. 86. 11

Vgl. Liddell-Scott, Greek-English Lexicon, Oxford, 1968. 12

Bauer-Aland, Griechisch- Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen

Literatur. Berlin: Gruyter, 1988. 13

Vgl. Martin Heide, Warum noch warten? Das Reich Gottes im Wandel der Zeiten. Bielefeld: CLV, 1992, S. 113. 14

Es ist abwegig und für Bibelleser absolut nicht nachvollziehbar, dass in V. 30 die unsichtbare Wiederkunft Jesu zum

Gericht über Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. gemeint sein soll. Vgl. die Widerlegung der Position Chiltons in: Martin

Heide, a.a.O., S. 122ff.

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6. These: Die in der Offenbarung geschilderten Gerichte entsprechen ebenfalls der Zeit der grossen Trübsal.15 Etliche Ausleger identifizieren sie auch mit der 70. Jahrwoche Daniels (Dan 9, 24-27).

Der Begriff „grosse Trübsal“ taucht dann wieder in der Offenbarung auf, zuerst in warnender Hinsicht (Offb 2, 22) und dann in der Beschreibung der grossen Schar aus allen Nationen (der Gemeinde), die erlöst vor dem Thron Gottes stehen: „Diese sind's, die gekommen sind aus der grossen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes“ (Offb 7, 14). Dabei muss beachtet werden, dass Trübsalszeiten und Verfolgungen, die die Gläubigen erleiden, für sie keine Strafgerichte Gottes sind. Die ersten Christen haben das wie folgt ausgedrückt: „Sie … freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden“ (Apg 5, 41).

15

George E. Ladd sieht in seinem „Moderate Futurist View“ dabei die 7 Siegelgerichte parallel zu Mt 24 als Vorwehen

apokalyptischer Zeiten an. Erst nach der Öffnung dieser Siegel einer Buchrolle könne der prophetische Inhalt der

Offenbarung gelesen werden, die Ladd daher erst ab Kapitel 7 futuristisch auslegt (George Eldon Ladd, A Theology of

the New Testament. Grand Rapids: Eerdmans, 1974, p. 634.624).

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Was lehrt die Bibel über den Antichristen?

Über die Identität des Antichristen ist schon viel spekuliert worden. Seit Jahren soll er schon unter uns sein oder wenigstens vor der Tür stehen.16 Was lehrt die Bibel wirklich über ihn?

7. These: Wer die Aussagen der Offenbarung über den Antichristen richtig verstehen möchte, muss zunächst einmal das Buch Daniel erforschen. Die Parallelen zwischen den beiden Büchern mit ihren apokalyptischen Teilen und Visionen sind nämlich nicht zu übersehen. Daniel beschrieb mehrmals die gegenwärtigen und künftigen Weltreiche: Babylon, Medo-Persien, Griechenland, Rom und das wiedererstandene römische Reich am Ende der Tage.

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Einige Zitate dazu: Heute wird „geradezu fieberhaft daran gearbeitet, um das Erscheinen des Antichristen

vorzubereiten“ (Friedrich Heitmüller, Die kommenden Dinge, 1930). „Der Antichrist … wächst und nimmt Gestalt an vor

unseren Augen“ (Billy Graham, Friede mit Gott, 1953). „Dieser Diktator = Antichrist steht vor der Tür“ (Jakob Zopfi,

Prophetie und Endzeit, 1982). Der Antichrist soll mit Sicherheit schon leben und nur noch auf das Stichwort für seinen

Auftritt warten (Dave Hunt, Globaler Friede und Aufmarsch des Antichristen, 1991). Klaus Gerth, Hal Lindsey, Wim

Malgo und viele anderen äusserten sich ähnlich (Vgl. Franz Stuhlhofer, „Das Ende naht!“ Die Irrtümer der

Endzeitspezialisten. Giessen/Basel: Brunnen, 1992 und Franz Graf-Stuhlhofer, Wann kommt Jesus wieder? Über die

begierige Aufnahme christlicher Endzeitliteratur, in idea spektrum Nr. 50/1994, S. 15-17.

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Eine Person kann dabei jeweils als Repräsentant für eines dieser Königreiche stehen:

Nebukadnezar steht für Babylon (Dan 2, 37.38)

Alexander der Grosse für Griechenland (Dan 8, 21)

Das kleine Horn (ein König – der Antichrist) für das wiedererstandene römische Reich (Dan 7, 8; vgl. 7, 24-26; 9, 26-27; 11, 40-45)

Daniel prophezeite einen König, der den Allerhöchsten lästern und zunächst unerhörten Erfolg haben wird. Er wird einen Bund mit Israel schliessen und wieder brechen, im Tempel den Greuel der Verwüstung aufrichten und gegen Gott greulich reden. Er wird unglaubliche Verwüstungen anrichten, Palästina erobern und dort vernichtet werden (Dan 7, 24-26; 8, 23-25; 9, 26.27; 11, 36ff). Das „Greuelbild der Verwüstung“ wird in Dan 9, 27; 11, 31 und 12, 7-1317, aber später auch in Mt 24, 15.16 beschrieben.

1. Erfüllung: Antiochus IV. Epiphanes 1. Makkabäer 1, 57; 6, 7 2. Erfüllung: Jüdisch-römischer Krieg (70. n. Chr.) Mt 24, 14.15

Evtl. auch beim Bar-Kochba-Aufstand (132-135 n. Chr.). Die Juden sahen in Kaiser Hadrian (Jupitertempel, Verbot der Beschneidung) einen wieder gekommenen Antiochus IV. Epiphanes).

3. Erfüllung: Antichrist in der Zeit der grossen Trübsal 2Thess 2,4: Offb 13. 6.15 Die detaillierte Vorhersage der Schandtaten des Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes (Dan 8, 9-14; 11, 21ff) ist von daher erklärbar, dass er ein Vorläufer des Antichristen ist.

Antiochus IV. Epiphanes (Typus für den Antichrist, Dan 11, 21-39):

1. Abschaffung der Gebote Gottes 2. Vorgeben, Gott zu sein 3. Feindschaft gegen den wahren Gott der Bibel 4. Himmelsstürmender Hochmut 5. Nachahmung göttlicher Zeichen und Wunder 6. Verführerische Propaganda 7. Gewaltliebend und geht gewaltsam gegen Gottes Volk vor 8. Schaffung einer neuen Religion

8. These: Auch das Neue Testament versteht unter dem Antichristen eine kommende Person, die jedoch eine ganze Reihe von Vorläufern hat. In den Evangelien spricht Jesus vom Antichristen als von einer Person: „Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5, 43). Paulus beschreibt im Weiteren den Antichristen in 2Thess 2 1-12 detailliert:

17

Dan 12 deutet an, dass es vom Greuelbild der Verwüstung also etwa 3 1/ 2 Jahre bis zum Ende seien. Diese Zeit

korrespondiert mit der zweiten Hälfte der grossen Trübsal in der Offenbarung (Offb 12,6.14; 13,5).

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1. Mensch der Gesetzlosigkeit 2. Sohn des Verderbens (vgl. Joh 17, 12) 3. Der Widersacher 4. Der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heisst, erhebt 5. Der sich in den Tempel Gottes setzt und als Gott ausgibt 6. Der Gesetzlose 7. Er wird mit grosser Macht auftreten und trügerische Zeichen und Wunder tun. 8. Er wird betrügen und zur Ungerechtigkeit verführen. 9. Jesus wird ihn bei seiner Wiederkunft töten

Auch hier ist wieder eindeutig eine Person und nicht ein System oder eine Lehre gemeint. Der Apostel Johannes ist es nun, der in seinen Briefen den Begriff „Antichrist“ geprägt hat: „Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt haben viele Antichristen zu existieren begonnen (γεγόνασιν – perfektisch). Daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist“ (1Joh 2, 18).18 Der exegetische Befund ergibt Folgendes:

1. Der Antichrist ist ein Widerchrist, ein Gegner Christi. άντί drückt in diesem Zusammenhang wohl keine Stellvertretung, sondern

Gegnerschaft aus. 2. Antichristen, die es schon vielfach zur Zeit des Johannes gab (1Joh 2, 18), stellen

eine Gattungsbezeichnung für falsche Propheten (1Joh 4, 1-6) und Irrlehrer (1Joh 2, 22; 2Joh 1, 7) dar.

3. Der antichristliche Geist (1Joh 4, 3) und das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ (2Thess 2, 7) sind also schon seit der Zeit der Urgemeinde am Werk.

4. Der Antichrist wird nur die Spitze dieses Systems und der Gipfel einer ganzen Reihe von Feinden Gottes sein. In der Prophetie gibt es ja häufig eine Interaktion von Gegenwart und Zukunft. Die Propheten gingen meist von ihrer Zeit aus, und ihre Prophetien erfüllten sich in der nahen und fernen Zukunft. Vorerfüllungen lassen dabei eine endgültige Erfüllung nicht hinfällig werden.19

Die Kirchengeschichte ist voll solcher Vorläufer des Antichristen. Römische Kaiser (von Nero bis zum letzten Christenverfolger Diokletian) wurden so empfunden. Auch später empfanden verfolgte Christen ihre Peiniger häufig als „Antichristen“ (der Diktator Hitler mit seinen Welteroberungsgelüsten, der totalen Erfassung des Lebens seiner Untertanen und unglaublichen Verfolgung der Juden wie noch nie zuvor sowie auch von Christen muss doch ganz klar als ein Antichrist bezeichnet werden! Im „dritten Reich“ fand meiner Meinung nach so etwas wie eine Generalprobe für das grosse Weltdrama statt).

„Jede Idee verkörpert sich schliesslich in einer oder mehreren Personen, die so deren vollkommene Vertreter werden. Hätte die Bibel ihn auch nicht angekündigt, ruft doch die Geschichte nach einem Antichristen, der am Zeitenende die Empörung gegen Gott bis zur letztmöglichen Grenze treibt.“ (Auberlen)20

18

Weitere Stellen zu „Antichrist(en)“ finden wir in 1Joh 2, 22; 4, 3 und 2Joh 7. 19

Vgl. Kaisers und Beechers hermeneutischen Ansatz der „generischen Prophetie“! Prophetien kennen häufig

Mehrfacherfüllungen (siehe meinen 5. hermeneutischen Schlüssel). 20

Zitiert nach: René Pache, a.a.O., S. 134.

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9. These: Das in Offb 12 und 13 geschilderte erste Tier stellt den Antichristen (Offb 12, 18 – 13, 10) und das 2. Tier den falschen Propheten (Offb. 13, 13ff) dar. Im Vergleich zwischen Christus und dem Antichristen wird das Wesen dieses teuflischen Verführers deutlich:

Christus Antichrist Jesus Christus ist Gott, der Mensch wurde (Gott geoffenbart im Fleisch; 1Tim 3, 16). Er ist der Messias, vom Vater gesandt, die Welt zu erretten (Lk 19, 10; Mk 10, 45).

Der Antichrist ist der Mensch, der sich zu Gott machen will (Satan, geoffenbart im Fleisch; 2Thess 2, 7). Er ist der falsche Messias, vom Teufel erweckt, die Menschen zu verderben (2Thess 2, 9-11; Offb 13,15; 14, 9-11).

Er ist der Sohn Gottes (Lk 1, 35). Er ist der Heilige Gottes (Joh 6, 69). Er ist Jesus, Retter von Sünden (Mt 1,21)

Er ist der Sohn des Verderbens (2Thess 2, 3). Er ist der Gesetzlose (2Thess 2,8). Er ist der Verführer zur Sünde (2Thess 2, 10).

Christus kam vom Himmel (Joh 6, 38). Er kam im Namen des Vaters (Joh 17, 2) Seine Macht kommt von Gott, dem Vater (Mt 11, 27; 28, 18).

Der Antichrist steigt aus dem Abgrund empor (Offb 11, 7). Er kommt in seinem eig. Namen (Joh 5, 43). Seine Macht kommt vom Teufel / Drachen (Offb 13, 2; 2Thess 2,9).

Christus erfüllte den Willen des Vaters (Joh 6, 38). Er gibt Gott die Ehre (Joh 17, 4).

Der Antichrist erhebt sich gegen Gott (Dan 11, 36). Er lästert gegen Gott (Offb 13, 6).

Christus ist das Ebenbild des Vaters (Kol 1, 15; Hebr 1, 3). Er ist der, der keine Sünde tat (1Petr 2, 21)

Der Antichrist ist das Ebenbild Satans (Offb 12, 3; 13, 1). Er ist der Mensch der Sünde (2Thess 2, 3).

Christus ist der Weg zum Vater (Joh 14, 6). Er ist die Wahrheit (Joh 14, 6). Er hat Worte ewigen Lebens (Joh 5, 24; 6, 68).

Der Antichrist ist der Weg zum Verderben (2Thess 2, 10). Er ist die Lüge in Person (2Thess 2, 9). Er führt zur Verlorenheit (Dan 11, 32).

Christus bestätigt und erfüllt das Gesetz (Mt 5, 17).

Der Antichrist ändert das Gesetz (Dan 7, 25).

Christus ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt (Jes 53, 7; Joh 1, 29).

Der Antichrist ist ein Ungeheuer, das alle grausamen Züge der vier Tiere gemäss Daniel 7 in sich vereinigt (Offb 13, 1.2). Darum wird er auch selber in der Offenbarung „Tier“ oder „Bestie“ (θηρίον) genannt.

Christus erniedrigte sich selbst (Phil 2, 8). Christus wurde verachtet (Jes 53, 3; Luk 23, 18). Christus fuhr in den Himmel (Apg 1, 10).

Der Antichrist erhebt sich über alles (2Thess 2, 4). Er wird bewundert (Offb 13, 3.4). Er wird in die Hölle geworfen (Offb 19, 20).

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Christus leitet an zur Anbetung des Vaters (Mt 6, 6-13).

Der Antichrist verleitet zur Anbetung des Teufels und seiner selbst (Offb 13, 4).

Das 2. Tier (Offb 13, 11ff) ist auch so etwas wie ein Antichrist, nämlich ein falscher Prophet (vgl. 1Joh 4, 1-6). Auch er ist ganz klar eine Person und nicht nur ein Prinzip oder ein System.

Der falsche Prophet ist ein Wolf in Schafskleidern (vgl. Mt 7, 15.16), äusserlich wie ein Lamm, wie Jesus, aber er spricht wie der Drache, wie Satan (Offb 13, 11).

Er wird die rechte Hand des Antichristen sein und sein Propagandaminister (Offb 13, 12).

Durch grosse Wunder wird er die Menschen verblüffen (Offb 13, 12-15).

Er wird Verfolgungen der wahren Gläubigen veranlassen (Offb 13, 14-17).

Evtl. ist er das Haupt über die „Hure Babylon“ (Offb 17, 5.6). Auch das Wesen des falschen Propheten lässt sich am besten in einem Vergleich mit dem Heiligen Geist verdeutlichen.

Der Heilige Geist Der falsche Prophet Der Heilige Geist ist die dritte Person der göttlichen Dreieinigkeit (Mt 28, 19).

Der falsche Prophet ist die dritte Person der teuflischen Dreieinigkeit; Satan (Drache), Antichrist (Tier) und falscher Prophet (Offb 16, 13).

Nach Jesu Taufe kommt der Heilige Geist auf ihn herab, um ihn während seines ird. Dienstes zu unterstützen (Mt 3, 16)

Sobald der Antichrist seine Laufbahn beginnt, stellt sich ihm der falsche Prophet zur Unterstützung zur Seite (Offb 13, 11).

Er ist der heilige Geist Gottes (Ps 51, 13).

Aus seinem Mund geht ein unreiner Geist (Offb 16, 13).

Er ist ein Geist der Wahrheit, der in alle Wahrheit leitet (Joh 16, 13).

Der falsche Prophet verführt durch sein Auftreten als "Lamm" und durch seine Zeichenwunder (Offb 13, 11.14).

Er redet nicht von sich, sondern verherrlicht Jesus Christus (Joh. 16,13-14)

Er wirkt zugunsten des Antichristen und übt alle Macht des ersten Tieres aus (Offb. 13,12f).

Der Heilige Geist lehrt uns, Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten (Joh 4, 23f).

Der falsche Prophet lehrt die Menschen den Götzendienst: Er führt zur Anbetung eines Menschen und seines Bildes (Offb 13, 12-15).

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Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart

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Aus dem Geist Gottes heraus hat Jesus seine Wunder getan, um seine Gottessohnschaft zu beweisen. (Mt 12, 28; Joh 5,36).

Der falsche Prophet tut grosse Zeichenwunder, um die Vollmacht des Antichristen zu zeigen (Offb 13, 13-14). Törichte Menschen schreiben diese Wunder Gott zu, die Wunder des Hl. Geistes aber Satan (Mt 12, 24+28).

Der Heilige Geist lässt an Pfingsten Feuer auf die Jünger herunterfallen (Apg 2,3).

Der falsche Prophet lässt sogar vor den Menschen Feuer vom Himmel fallen (Offb 13, 13).

Der Heilige Geist macht lebendig. Er vermittelt das ewige Leben (Joh 6, 63; 3,6).

Der falsche Prophet tötet (Offb 13, 15b). (W. Solowjew: Kurze Erzählung vom Antichrist)

Der Heilige Geist versiegelt alle, die an Jesus glauben mit dem Siegel Gottes (Eph 1, 13). Wer dieses Siegel nicht trägt, gehört Jesus nicht an und hat kein wahres Leben (Röm 8, 9)

Der falsche Prophet drückt den Anbetern des Antichristen das Mal des Teufels auf, ohne das jede Existenz auf Erden unmöglich wird (Offb 13, 16-17).

Der Heilige Geist schafft die Einheit des Geistes im Leib Jesu Christi (Eph 4, 3; 1Kor 12, 13).

Der falsche Prophet stellt die falsche, die äussere, die erzwungene Einheit her, indem er die Erde und alle ihre Bewohner zur gemeinsamen Anbetung des Antichristen bringt (Offb 13, 8.12.15b)

Der Heilige Geist wird in alle Ewigkeit mit dem Vater und dem Sohn so verbunden sein, dass Gott alles in allem sein wird (1Kor 15, 28).

Der falsche Prophet wird zusammen mit dem Antichristen und dem Teufel von Ewigkeit zu Ewigkeit in dem feurigen Pfuhl gequält werden (Offb 19, 20; 20, 10).

10. These: Die Bedeutung der Zahl 666 (Offb 13, 18) hat in der Vergangenheit lediglich zu end- und sinnlosen Spekulationen Anlass gegeben. Wahrscheinlich repräsentiert nämlich die Zahl 666 gar nicht den Zahlenwert eines Namens, sondern drückt lediglich die dreifache Steigerung der Zahl eines Menschen (621) aus, der niemals die göttliche Zahl 722 oder 777 erreichen wird. 6 ist fast 7. Der Versuch des Antichristen, wie Gott zu sein, misslingt. Auch in dreifacher Wiederholung ist und bleibt die Zahl die Zahl eines Menschen. 666 ist eine Ohnmachtserklärung:

Satan ist nicht Gott gleich.

Der Antichrist ist nicht Christus gleich.

Der falsche Prophet ist nicht dem Heiligen Geist gleich.

21

Die Zahl 6 bezieht sich auf alles Menschliche: 12 Stämme, 12 Apostel, 24 Älteste, 144'000. 22

Das Lamm hat 7 Hörner und 7 Augen (Offb 5, 6). Die Zahl 7 symbolisiert in der Bibel Vollkommenheit.

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Vater (7)

777 Sohn/Christus (7) Hl. Geist (7)

Antivater/ Drache / Satan (6)

666 Tier 1 /Antisohn Tier 2 / Antigeist Antichristus (6) falsch. Prophet (6)

11. These: Die Gemeinde in Thessaloniki wusste, was Paulus meinte, als er schrieb, das etwas den Antichristen noch zurückhalten würde und jemand Aufhaltender zuerst beseitigt werden müsse (2Thess 2, 6.7). Wir wissen es nicht mehr!23 Letztlich ist es ja Gott, der bestimmt, wann der Antichrist auftreten darf. Überhaupt sollte sich die Gemeinde lieber mit Jesus als mit dem Antichristen beschäftigen. Wir warten ja nicht auf die Ausgeburt des Bösen, sondern auf den wiederkommenden Christus. Wer Ihn und sein Wort liebt, kann auch Verführung erkennen – sei es heute oder in der Zukunft.24

Was lehrt die Bibel über die Hure und das Tier? (Offb 17-19)

23

Es ist total in den Text hineingelesen (Eisegese), hier von der Wegnahme des Hl. Geistes und der Entrückung der

Gemeinde zu sprechen (klass. Dispensationalismus). Genauso wenig kann ich es glauben, dass Paulus hier das Imperium

Romanum mit seinem Kaiser gemeint hat. 24

Wer Geldblüten erkennen möchte, muss ja die echten Geldscheine genau kennen lernen!

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Die Hure Babylon Die Braut Christi (Offenbarung 17ff) (Offenbarung 21,2)

1. Sie ist eine grosse Ehebrecherin. (V.1) 1. Sie ist eine keusche Jungfrau (2. Kor 11,2).

2. Sie sitzt an vielen Wassern (gross. Einfluss!) 2. Sie weiss nur um einen Quell (Joh 7,37).

3. Sie hurt mit den Königen der Erde (V.2) 3. Sie ist dem König aller Könige treu (1.Tim 6).

4. Sie macht betrunken (V.2) 4. Sie ist nüchtern (Eph 5,18; 1. Petr 1,13).

5. Sie wird von irdischen Mächten getragen(V3) 5. Sie stützt sich allein auf Jesus (3. Joh 7).

6. Die Hure herrscht (Macht ; V. 3f). 6. Die Braut dient und wartet auf Gottes Reich.

7. Sie umgibt sich mit irdischem Prunk /Geltung 7. Sie wählt Niedrigkeit & Verachtung (1 Joh3,2)

8. Sie setzt "Babylon"fort (Aberglauben,Okkult.) 8. Sie ist Gottes Tempel auf Erden (1. Kor 3,16).

9. Sie ist die Mutter der Huren und Greuel (V.5). 9. Sie ist das Salz der Erde & Licht der Welt.

10. Sie hasst und tötet die Heiligen (V. 6). 10. Die Gläubigen lieben einander (Joh 13,34f).

Vom wahren Glauben abgefallene und

götzendienerische Christenheit

(Welteinheitsreligion)

Das treue und überwindende

Volk Gottes (Gemeinde)

Europa – der neue Turm zu Babel?

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Endzeithoffung und Gegenwartsgestaltung Was lehrt die Bibel über die Entrückung und Belohnung der Gläubigen?

Einleitung: Wann beginnt die Endzeit? (Hebr 1,1.2; 1Joh 2,18)

Das letzte Mal haben wir es schon gemerkt: Es ist überhaupt nicht einfach, die prophetischen Texte der Bibel auszulegen. Doch Gott schenkt uns auch grosse Verheissungen, wenn wir das in Demut, Bescheidenheit und Selbstkritik zu tun versuchen: „In diesem Buch enthüllt Jesus Christus die Zukunft. Gott gab ihm den Auftrag, seinen Dienern zu zeigen, was schon bald geschehen wird. Christus schickte seinem Diener Johannes einen Engel, der ihm alles übermitteln sollte. Alles, was er gesehen und gehört hat, gibt Johannes hier weiter. Er bezeugt, was Gott gesagt und Jesus Christus ihm gezeigt und bestätigt hat. Glücklich ist, wer die prophetischen Worte dieses Buches liest, auf sie hört und danach handelt. Denn was hier angekündigt ist, wird sich bald erfüllen.“

Offenbarung 1,1-3 (vgl. 22,7) Und im 2. Petrusbrief heisst es: „Darüber hinaus haben wir die Botschaft der Propheten, die durch und durch zuverlässig ist. Ihr tut gut daran, euch an sie zu halten, denn sie ist wie eine Lampe, die an einem dunklen Ort scheint. ´Haltet euch an diese Botschaft,` bis der Tag anbricht und das Licht des Morgensterns es in euren Herzen hell werden lässt. In diesem Zusammenhang ist es von größter Wichtigkeit, dass ihr Folgendes bedenkt: Keine einzige prophetische Aussage der Schrift ist das Ergebnis eigenmächtiger Überlegungen ´des jeweiligen Propheten`. Anders gesagt: Keine Prophetie hat je ihren Ursprung im Willen eines Menschen gehabt. Vielmehr haben Menschen, vom Heiligen Geist geleitet, im Auftrag Gottes geredet.“

2. Petrus 1,19-21

Was lehrt die Bibel über die Entrückung der Gemeinde? Im Alten Testament finden wir inmitten eines langweiligen Geschlechtsregisters den folgenden erstaunlichen Satz: „Henoch war seinen Weg mit Gott gegangen, dann war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn aufgenommen“ (1Mo 5, 24). Der Schreiber des Hebräerbriefes hilft uns, diesen Satz besser zu verstehen: „Aufgrund des Glaubens wurde Henoch entrückt und musste nicht sterben; er wurde nicht mehr gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; vor der Entrückung (μεταθέσις = Wegnehmen) erhielt er das Zeugnis, dass er Gott gefiel“ (Hebr 11, 5). Auch Elia „fuhr im Sturmwind in den Himmel empor“ (2Kön 2, 11), was man wohl auch mit „Entrückung“ bezeichnen könnte. Im Neuen Testament ist die Auffahrt Jesu ein Bild für die Entrückung der Gemeinde. Das NT macht nämlich deutlich, dass die Gläubigen mit Christus identifiziert werden. Er ist uns den Weg in seinem Tod und in seiner Auferstehung vorausgegangen. Wir werden aber auch wie Jesus in den Himmel auffahren – bei der Entrückung.

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Die Auffahrt Jesu war der grundlegende Eintritt des Hauptes der Gemeinde in die himmlische Herrlichkeit. Doch Jesus wird auch seinen Leib (die Gemeinde) „zur Herrlichkeit führen“ (Hebr 2, 10). Er hat doch folgendes versprochen: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14, 2.3). Später sagte Jesus, der Menschensohn: „Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen, und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern.“(Matthäus 24, 30.31). Vielleicht bezieht sich der Apostel Paulus auf dieses Wort Jesu25, wenn er schreibt: „Brüder, wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. Denn dies sagen wir euch nach einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden, die noch übrig sind, wenn der Herr kommt, werden den Verstorbenen nichts voraushaben. Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen; dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt (άρπάζω)26, zur Begegnung (άπάντησις)27 mit dem Herrn. Dann werden wir immer beim Herrn sein. Tröstet also einander mit diesen Worten!“ (1Thess 4, 15-18)

1) In dem von Gott bestimmten Moment 2) wird in einem Augenblick 3) Christus vom Himmel hernieder kommen, 4) die im Glauben Entschlafenen auferwecken, 5) den Leib der zu der Zeit auf Erden lebenden Gläubigen

verwandeln 6) und werden alle Gläubigen, verwandelte wie auferweckte,

"hingerückt werden in den Wolken dem Herrn entgegen in der Luft, um ewig bei ihm zu sein."

7) Die noch lebenden Ungläubigen werden zurückgelassen werden zum Gericht.

25

„Matth. 24:31 seems to be the closest parallel“ (Leon Morris, The First and Second Epistles to the Thessalonians

(NICNT). Grand Rapids: Eerdmanns, 1979, p- 141). Vielleicht ist uns aber Jesu Wort über die Entrückung auch nicht

überliefert worden (Joh 21, 25). 26

Das griechische Wort άρπάζω wird im NT häufig auch für „rauben, wegreissen, schnell hinwegnehmen“ gebraucht. 27

Das griechische Wort άπάντησις markiert die Begegnung, das feierliche Entgegengehen und die Einholung einer

offiziellen Persönlichkeit (vgl. Apg 28,15 und Mt. 25,6). Die 10 Jungfrauen gingen im Gleichnis dem nahenden

Bräutigam entgegen, um dann mit ihm zusammen zum Haus der Braut zurückzugehen. Dieses Bild passt sehr gut für die

Entrückung: Die entrückte Gemeinde kommt Jesus im Lufthimmel entgegen, um dann mit Ihm zusammen auf die Erde

zurückzukehren. Es scheint, kein grosser Zeitraum zwischen der Entrückung und der Wiederkunft Jesu zu bestehen. Oder

können wir wissen, wie viel Zeit Jesus für das Preisgericht und für das Hochzeitsmahl des Lammes benötigt?

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1. These: Die Entrückung der Gemeinde ist der Beginn der Wiederkunft Jesu (1Thess 4,15.16). Es ist ein Kommen Jesu zum Heil für seine Heiligen in den Lufthimmel28; die Erscheinung in Herrlichkeit ist sein für alle sichtbares Kommen zusammen mit seinen Heiligen auf die Erde zum Gericht (Sach 14,4; Apg 1, 11.12; 2Thess 1, 7.8; Offb 1, 7).

Ist die Entrückung wirklich ein für die Menschen auf der Erde geheimes Ereignis? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden – plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden“ (1Kor 15, 51.52). Der plötzliche und schnelle Charakter der Entrückung deutet auf eine geheime Beschaffenheit derselben hin; die erschallende Posaune könnte ein Hinweis auf die Sicht- oder wenigstens Hörbarkeit der Entrückung sein. Das ist jedoch für uns nicht feststellbar, da wir weder wissen, um was für eine Posaune es sich hier handelt, noch für welche Ohren diese Posaune bestimmt ist. Da die Begegnung nicht auf der Erde, sondern im Lufthimmel geschieht und dazu noch in einem neuen Ewigkeitsleib, ist sie wohl kein öffentliches Ereignis. Das ist jedoch nicht die entscheidende Frage. Die Frage ist vielmehr, wann die Entrückung stattfindet, und wer genau entrückt wird.

28

Die Vereinigung von Jesus mit seiner Gemeinde findet im Lufthimmel, dem Hauptquartier der dämonischen Mächte

statt (Eph 2, 2). Was für ein Triumph wird das sein!

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2. These: Die Bibel lehrt keine Teil-Entrückung einer Elite treuer, völlig hingegebener Christen, so dass fleischliche Christen zurückbleiben müssten. Das wäre ein falsches Verständnis der Endzeitgleichnisse Jesu. „Wir glauben, dass Jesus Christus bei Seiner Wiederkunft alle Seine wahren Kinder, alle Glieder Seines Leibes, zu Sich holen wird“ (René Pache)29.

29

René Pache, Die Wiederkunft Jesu Christi. Wuppertal: Brockhaus, 1977, S. 105. Vgl. auch Joh 10, 28.29 !

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1. Die Entrückung ist vor der grossen Trübsal. Diese Lehre soll erst im 19. Jahrhundert im Umfeld der Katholisch-Apostolischen Gemeinde (Irvingianismus) entstanden sein: "In einer Geistoffenbarung empfängt die ‚Charismatikerin‘ Margaret Macdonald im Frühjahr 1830 die Einsicht einer Auswahlentrückung einzelner Gläubiger vor der anti-christlichen Zeit. Im gleichen Jahr ist Darby im Haus jener Frau zu Besuch – und kommt in der Folge zur Vorentrückungserkenntnis. Man wird davon ausgehen können, dass er dort den ersten Impuls empfangen hat. Doch dann beschäftigt er sich mit der Schrift. T. Tweedy, ein ehemaliger Pfarrer der schottisch-reformierten Kirche, hilft ihm im Blick auf das Verständnis von Matth. 24, indem er vorschlägt, dieses Kapitel allein auf die Juden zu beziehen ... Beim Studium von 2. Thess. 2 bricht bei Darby dann die Vorent-rückungserkennrnis voll durch. Er hat sie seitdem entschieden vertreten und einen Grossteil der Brüderbewegung damit geprägt. Darby vertritt allerdings die Vorentrückung der gesamten Leibesgemeinde Jesu – und nicht wie Margaret Macdonald eine Auswahl-entrückung. Die eigentliche Vorentrückungslehre geht also auf J. N. Darby zurück.“30 Dagegen spricht jedoch, dass John Nelson Darby seine Lehre der Vorentrückung schon im Januar 1927, also bereits 3 Jahre vor der „Geistoffenbarung“ von Margaret MacDonald, veröffentlichte und die charismatischen Manifestationen von 1830 als dämonisch ansah. Wieso hätte er aus solch einer Quelle etwas übernehmen sollen?31 Entrückung Wiederkunft Christi

30

Helge Stadelmann, „Die Entrückung – vor oder nach der Trübsal…“ Die Botschaft, Dez. 1983, S. 6ff; zitiert nach

Lothar Gassmann, Was kommen wird: Eschatologie im 3. Jahrtausend, Wuppertal : Verlag für Reformatorische

Erneuerung, S. 84-85. 31

https://en.wikipedia.org/wiki/Margaret_MacDonald_(visionary), 15.02.2017.

Zeitalter der Gemeinde

Millennium

3 ½ Jahre Herrschaft

des

Antichrists

Grosse Trübsal 70. Jahrwoche Daniels

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1. Die "grosse Trübsal" ist in der Heiligen Schrift die "Zeit der Angst für Jakob" (Israel): Vgl. Jer 30,6 -7; Sach 13, 8-9; Mt 24, 15-31; Offb 12, 13!

Die mit der Entrückung beginnende 70. Jahrwoche Daniels stellt Gottes endzeitliches Handeln mit Israel dar (Vgl. dagegen jedoch Dan 9, 27!).

2. Die Gemeinde ist nicht für den Zorn Gottes bestimmt, sondern für den Himmel. Vgl.: Lk 21, 28.36; Röm 5, 9; Offb 3, 10; 6, 16f! Es gibt aber auch menschlichen und satanischen Zorn in der Offenbarung!

3. Am Ende der "grossen Trübsal" gäbe es keine Entrückung lebender Christen mehr. Vgl.: 1Thess 4, 15 mit Offb 13, 7-15; 16, 2! Es werden aber auf jeden Fall Gläubige die Trübsalszeit überleben (vgl Offb 20, 4; 9, 4!).

4. Zu Beginn des Tausendjährigen Reiches werden nur die in der "grossen Trübsal" getöteten Märtyrer auferweckt: Vgl. Offb 20, 4-6! Also muss die Auferstehung der Gläubigen (Joh 5, 28-29) schon vorher geschehen sein.

5. Die Bibel kennt folgende Bilder (Typen) für die Entrückung: Lot: Er wurde vor dem Untergang Sodoms hinausgeführt (2Petr 2, 6-8). Henoch: Er wurde vor der Sintflut entrückt (1.Mo 5, 24). Noah, als Bild für Israel, musste jedoch hindurch. Johannes: Er steigt vor der Trübsalszeit zu Gott hinauf (Offb 4, 1). 24 Älteste: Sie stellen das gläubige Israel und die Gemeinde dar (Offb 5).

Aber: Mit solch allegorisierender Auslegung kann man alles beweisen!

6. Im Tausendjährigen Reich sind irdische Untertanen nötig. Da sich ganz Israel

bekehren wird, würde es ganz entrückt. Wer bliebe dann übrig? Vgl.: Sach 12,10; 13,8-9; Röm 11,26! Aber: Sie kommen wohl erst nach der Wiederkunft Jesu zum Glauben (Röm 11,26)!

7. Ein Zeitintervall ist nötig für das Preisgericht und die Hochzeit des Lammes. Erst danach wird Jesus zusammen mit seinen Heiligen wiederkommen. Vgl. Sach 14, 5; 1Thess 3, 13!

Aber: Mit „Heiligen“ sind vielleicht die Engel gemeint (Mt 13, 41; 24, 31; 2Thess 1, 7;

Offb 19, 14). Und wie lange dauert Zeit im Himmel?

8. Bei dieser Position gibt es echte Naherwartung: Jesus kann heute wiederkommen! Aber: Diese Demnächsterwartung kann aber auch gefährlich sein!

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2. Die Entrückung ist in der Mitte der 70. Jahrwoche Entrückung Wiederkunft Christi

Zeitalter der Gemeinde

Millennium

3 ½ Jahre Herrschaft

des

Antichrists

70. Jahrwoche Daniels

Grosse Trübsal

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1. Die 70. Jahrwoche Daniels beginnt damit, dass der Antichrist einen Bund mit den Juden schliesst und dauert sieben Jahre (Dan 9, 27). Die "grosse Trübsal" ist nur die zweite Hälfte dieser sieben Jahre, die der sichtbaren Wiederkunft Jesu vorausgehen.

Immer wieder ist in der Bibel von diesen letzten ungefähr 31/2 Jahren die Rede: Dan 9, 27; 12, 11; Offb 11, 2-3; 12, 6.14; 13, 5.

2. Die Siegelgerichte sind nicht direkte Gerichte Gottes, sondern stellen den Anfang der

Wehen dar (vgl. Mt 24, 8!). Diese Zeit kann daher noch nicht als "grosse Trübsal" bezeichnet werden. Die Reihenfolge bzw. Parallelität der Siegel-, Posaunen- und Zornesschalengerichte ist nicht einfach zu klären.

3. Die "letzte Posaune" (in 1Kor 15, 52; vgl. 1Thess 4, 16-17) entspricht der 7. (und

letzten) Posaune in Offb 11, 15. Beide künden die Auferstehung der Gläubigen (zu Beginn der Entrückung) an.

4. Der Tag der Rache und des Zornes Gottes, vor dem die Gemeinde verschont wird

(1Thess 1, 10; 5, 9), betrifft die 3 1/2 Jahre der "grossen Trübsal" (Zeit des antichristlichen Wütens und der Zornesschalen) und beginnt zur Zeit der 7. Posaune (Offb 11, 18).

Die Gemeinde wird nur vor dem Zorn Gottes bewahrt werden: „Ihr erwartet seinen Sohn vom Himmel her, Jesus, den er von den Toten auferweckt hat und der uns vor dem zukünftigen Zorn Gottes errettet.“ (1Thess 1,10) „Denn Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt…“ (1Thess 5,9)

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Intensität

6,16f 11,18 12,17 14,10.19 15,1.7 16,1.19 18,3 19,15

Kapitel Offenbarung

= Zorn (òργη)

= Grimm (θυμóς) 5. Verschiedene Bilder werden angeboten:

Johannes isst das Buch (Offb 10,1ff; v.a. V.7!)

Die Entrückung der zwei Zeugen (Offb 11,1 2)

Die Entrückung des Kindes zu Gott (Offb 12, 5) als Vorbedingung für das antichristliche Toben bezüglich Israel (Offb 12,12ff und 13, 1ff), und das zur Zeit der 7. (Offb 11,15ff) oder letzten (1Kor 15,52) Posaune.

6. Der Lösungsvorschlag (Offb 12)

In Offenbarung 12 schildert Johannes die Vision einer Frau, die unter grossen Schmerzen und Anfeindungen einen Sohn geboren hat: „Und sie gebar einen Sohn, ein männliches Kind, der alle Nationen hüten soll mit eisernem Stab; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron“ (V. 5). Das ist nun die einzige Stelle in der Offenbarung, an der der aus 1Thess 4, 17 bekannte Begriff „entrücken“ (άρπάζω) vorkommt.

Zeit der

7. Posaune

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René Pache legt den Text folgendermassen aus32: „Das Weib scheint das Volk Gottes aller Zeiten zu sein, das der Welt den Messias, dann die Gemeinde und zuletzt die Heiligen der grossen Trübsal geschenkt hat.“ Christus (Ps 2, 9) aber auch „die Gemeinde wird durch das Knäblein dargestellt: Vom Feinde belauert, wird sie gleich nach der Geburt (d. h. wenn sie die Vollzahl erreicht hat) zu Gott und zu seinem Thron entrückt, und der Herr gibt ihr die Vollmacht, gleich Ihm die Völker mit eisernem Stabe zu weiden. Offb 2, 26.27. Sofort nach ihrer Entrückung beginnen die dreieinhalb Jahre der Trübsal. Während dieser streitet der Drache in seiner Wut mit den ‚übrigen von des Weibes Samen, die da haben das Zeugnis Jesu Christi’ (12, 17), d. h. die aus Israel und den Völkern sich unter der Herrschaft des Antichristen zum Herrn bekehren.“ R. Pache schreibt sehr vorsichtig: So scheint das zu sein. „Doch wollen wir in diesem Punkt ganz nüchtern bleiben und es bei dem allgemeinen Eindruck belassen. Gott hat es nicht für gut befunden, uns über den Zeitpunkt der Entrückung Bestimmteres zu sagen, und dass wahrscheinlich, weil Er nicht will, dass wir in der sicheren Beruhigung einschlafen, allen Endgerichten zu entrinnen.“

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32

René Pache, a.a.O., S. 96.97

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Die Entrückung ist nach der grossen Trübsal

Entrückung = Wiederkunft Christi = 1. Auferstehung

1. Die Entrückung und das zweite Kommen Jesu bezeichnen in der Bibel dasselbe Ereignis. Die Lehre einer geheimen, von der Wiederkunft Jesu zu unterscheidenden Entrückung, ist relativ jung. Sie taucht erst ab 1788 in der Kirchengeschichte auf (Morgan Edwards, Emmanuel Lacunza, Edward Irwing und John Nelson Darby gelten als die Väter dieser Theorie)33.

Dieses eine Ereignis wird im NT mit den folgenden Begriffen beschrieben:

Kommen: Mt 24, 39.42-44 (und das nach der "grossen Trübsal"!) Offenbarung: 2Thess 1, 7; 1Petr 1, 4; 4, 13 Erscheinung: 1Tim 6,1 4; 2Tim 4, 8 Ankunft (des Königs): Mt 24,2 7.37-39; 2Thess 2, 8

aber: Prophetische Texte beschreiben immer wieder weit auseinander liegende Ereignisse so, wie wenn es ein Ereignis wäre. Z.B.: Jes 61, 1-2 und der "Tag des HERRN" (über 1000 Jahre lang)

2. Die Bibel kennt keine zwei Auferstehungen für Gläubige. Vgl.: Dan 12, 1-2; 1Kor 15, 23+24; Offb 20, 1-6!

aber: In Phil 3, 11 lehrt Paulus eine "Aus-auferstehung" (exanastasis).

33

John L. Bray, Morgan Edwards and the Pre-Tribulation Rapture Teaching, 1995.

Zeitalter der Gemeinde

Millennium

3 ½ Jahre Herrschaft

des

Antichrists

Grosse Trübsal

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3. Paulus lehrte: Erst nach der Zeit des Antichristen wird Jesus kommen und sich mit seiner Gemeinde vereinigen (2Thess 2, 1-8).

aber: 2Thess 2 spricht vom Abfall, der der Wiederkunft Jesu Christi vorausgehen muss. Ein genauer Zeitpunkt für die Entrückung lässt sich aus 2. Thess 2 nicht ableiten.

4. Das Neue Testament verheisst auch der Gemeinde Leiden und Gericht. Vgl.: Mt 10, 22; 24, 9-10.21-22; Apg 14, 22; 1Petr 4, 17!

aber: In Offb 3, 10 verspricht Jesus Bewahrung vor oder besser aus (griechisch: "ek" = aus... heraus) der Stunde der Versuchung (= "grosse Trübsal").

5. Wer sind denn dann die verfolgten Heiligen in der Offenbarung? Vgl.: Offb 6, 9; 7, 3.4.13-14; 13, 7; 20,4!

aber: Nach Dan 7, 25 wäre nach der Trübsalszeit keine Entrückung mehr nötig, da der Antichrist alle Gläubigen umbringen würde. Dagegen spricht aber wieder Offb 9, 4!

6. Obwohl es Ereignisse gibt, die vor Jesu Kommen geschehen müssen (Weltevangelisation, Tod Petri, Abfall und Offenbarwerden des Antichristen), kann doch Jesus in jeder Generation wiederkommen. Denn die Erfüllung von 2Thess 2 kann jeden Moment beginnen.

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1984 vertraten drei hervorragende Professoren der Trinity International University (TEDS) in Deerfield IL diese drei Positionen in dem Buch: „Three Views on the Rapture“ (Zondervan). Ich lernte Archer (Mittribulationismus) und Feinberg (Prätribulationismus) persönlich kennen und diskutierte mit ihnen über diese Frage. Ich weiss wirklich nicht mit Bestimmtheit, welche der obigen Theorien die richtige ist.34 Die Zukunft wird es zeigen. Und Jesus hat uns ja vor allen spekulativen Berechnungen gewarnt: „Von dem Tage aber und von der Stunde weiss niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater“ (Mt 24, 36; vgl. die Wiederholungen in Mt 24, 43.44.50).

„Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde“ (Mt 25, 13). Auch nicht das Jahr und auch keinen exakten Endzeitfahrplan. Denn dann müssten wir nicht mehr wachen, sondern könnten – geistlich gesprochen – bis zum errechneten Termin schlafen. 34

Am wenigsten überzeugt mich die prätribulationistische Theorie. Da scheint der Wunsch (Leidensscheue) der Vater

des Gedankens zu sein. Ausserdem beruht m. E. diese Lehre auf einer zu starken Trennung von Israel und der Gemeinde:

Die Gemeinde muss vor der 70. Jahrwoche Daniels weg sein, da sich diese (die Zeit der „grossen Trübsal“) nur auf Israel

beziehen soll (vgl. J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft. Untersuchungen endzeitlicher Aussagen der Heiligen Schrift.

Dillenburg: CV, 1993, S. 223). Gott käme nach der Entrückung von seinem durch Israels Verwerfung des Messias

notwendig gewordenen Plan B (Dispensation der Gemeinde) wieder zu seinem ursprünglich Plan A zurück. Dann wäre ja

für Gott die Nation Israel viel wichtiger als die Gemeinde aus dem gläubigen Überrest Israels und den Nationen! Und die

Braut Christi, die Gemeinde, wäre eine eigentlich nicht vorgesehene Parenthese oder Einschaltung. Diesen seltsamen

Lehren vermag ich nicht zu folgen.

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3. These: Nach der Entrückung werden alle Gläubigen vor dem Preisrichter-stuhl Christi erscheinen (2.Kor 5,10-11; 1. Kor 3,12-15; Röm 14,10-13). Unser Lebenswerk wird dann geprüft, was zu Beschämung und/oder zu Belohnung führen wird. Dann findet für alle Gläubigen die Hochzeit mit dem Lamm statt (Offb 19, 9; vgl. Mt 25, 10; 26, 29; 2Kor 11, 2; Offb 22, 17).

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Der Richterstuhl Christi

(2Kor 5,10-11; Röm 14,10-13; 1Kor 3,12-15)

“Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“ (2Kor 5,10) 1. Der Richter: „Christus, der gerechte Richter“ (2Tim 4,8; Joh 5,22) 2. Die Zeit des Gerichts: bei Seiner Ankunft 2.1 Das Gericht über die Gemeinde (2Kor 5,10) 2.2 Das Gericht über die Völker (Mt 25,31) 2.1 Das Gericht über die Allgemeinheit (Offb 20,11ff; Joh 5,24) 3. Die Personen: „wir alle“ (2Kor 5,10) 4. Der Gegenstand der Beurteilung: „unser Lebenswerk“ (2Kor 5,10b) 5. Die Strenge des Richters: „Jesus hat Augen wie Feuerflammen“ (Offb 2,18; 2Kor 5,11; 1Kor 3,13-15) 6. Der Massstab: unsere Treue (1Kor 4,1-5) 7. Das Ergebnis: „Beschämung oder Belohnung“

(2Kor 5,10b; Mt 5,19; 25,21; Gal 6,6-8; Offb 22,12; 1Kor 15,40-42; Dan 12,3; Mt 13,43) Die treuen Überwinder bekommen besondere Siegeskränze: - die siegreichen Kämpfer: Siegeskranz der Gerechtigkeit (2Tim 4,8) - die zielbewussten Wettläufer: unvergänglichen Siegeskranz (1Kor 9,25) - die bis zum Tod Treuen: Siegeskranz des Lebens (Offb 2,19; Jak 1,12) - die Vorbilder der Herde: unverwelklicher Siegeskranz der Herrlichkeit

(1Petr 5,4) - die selbstlosen Arbeiter: Kranz des Ruhmes und der Freude (1Thess

2,19; Phil 4,1) Schluss:

Die Motivation ist wichtig. (1Kor 9,24)

Es geht um hohe Aufgaben. (Offb 22,5; 3,21; 1Kor 6,2-3; Lk 12,37!)

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Jeder von uns muss einmal vor Gott Rechenschaft ablegen! 1. Wir müssen vor dem Richterstuhl Christi erscheinen! Kein fraglicher Termin! Gottes Gerechtigkeit verlangt dies Für glaubhafte Christen ist das trostreich! (Zitat: A. Redpath S.64) 2. Wir alle müssen... erscheinen! alle, ohne Ausnahme! Vgl. Röm 14,11! 3. ... der (Preis-)Richterstuhl Christi: Die Autorität des Gerichts Keine Berufungsinstanz! Ein endgültiges Urteil! Vgl. Pred 12,14! 4. Das Individualitätsprinzip: ...damit jeder seinen Lohn empfange Es wird keine Bevorzugungen geben! Vgl. Röm 14,2 & A. Redpath S.65! 5. Unparteilichkeit: ...für alles, was er bei Lebzeiten getan hat, es sei gut – oder böse...

Gold, Silber & Edelsteine Holz, Heu & Stroh 6. Qualität, nicht Quantität entscheidet: ...von welcher Art... Vgl. 1Kor 3,13! Geht es mir um Gottes Reich und Ehre? Liebe ich...? 7. Fazit: Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann würden wir nicht gerichtet

(1Kor 11,31). Zitat: A. Redpath S.67.

Folge: In diesem Bewußtsein nun, daß der Herr zu fürchten sei, suchen wir die Menschen zu überzeugen, Gott aber sind wir offenbar; ich hoffe aber auch in eurem Gewissen offenbar zu sein (2Kor 5,11). Zitat: A. Redpath S.69!

Literaturangabe: Redpath, Alan: Segnungen durch Schläge (Das erweckliche Wort), Marburg 1982.

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Wie sollen wir im Licht der biblischen Hoffnung die Gegenwart gestalten? 4. These: „Gott hat uns den einen Tag verborgen, damit wir acht haben auf alle unsere Tage“ (Augustinus). Die eschatologischen Aussagen der Bibel dürfen jedoch nicht dazu benutzt werden, um Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Wir dürfen nicht durch irgendwelche angeblich erfüllten „Zeichen der Zeit“ und „der Antichrist ist schon unter uns“ – Geschich-ten eine Weltuntergangsstimmung35 verbreiten. Genauso wenig dürfen wir die Menschen zur Heiligung und „vollen Hingabe“ antreiben, indem wir immer wieder darauf hinweisen, dass es fünf vor zwölf sei und Jesus jeden Moment wiederkommen könne. Eine schwärmerische Demnächstgesinnung und Weltflucht hat bei all ihrer Dynamik der Gemeinde Jesu oft grossen Schaden gebracht. Wie viele Menschen haben wohl dadurch dem Glauben den Rücken gekehrt? Die angetriebenen Gläubigen resignierten ja mit der Zeit oder brannten aus. Viel wichtige Arbeit blieb liegen, weil sie als zu irdisch angesehen wurde. „Wenn Jesus Morgen wieder kommt, dann muss ich ja keine gründliche Ausbildung machen. Auch Rentenvorsorge ist ja dann nicht nötig. Mein Erspartes übergebe ich dann am besten einer Missionsgesellschaft oder – eine Bibelschule. Dann bringt es wenigstens noch Zins im Himmel, oder?“ Die Wiederkunft Jesu kommt nicht so schnell, wie unsere Ungeduld das möchte, aber auch nicht so langsam, wie unsere Gleichgültigkeit und Diesseitsorientiertheit es wollen. „Die biblische Prophetie ist mehr Wesens- als Geschichtsprophetie. Die Herrlichkeitszeit ist nahe; denn Jesus spricht: ‚Siehe, ich komme bald’ (Offb 22, 20; 2Petr 3, 8.9). Die Herrlichkeitszeit ist fern; denn Er sagt, dass der Bräutigam ‚verzog’ (Mt 25, 5). Der Edle, der das Reich empfängt, zog weit über Land (Lk 19, 11.12), und erst ‚nach langer Zeit’ kommt er wieder, um mit seinen Knechten Abrechnung zu halten ((Mt 25, 19; vgl. 24. 6-14, bes. V. 14). So verbindet sich in der prophetischen Schau Fernsicht mit unaufgehobener Kurzsicht … Gott will bei uns Naherwartung und Ewigkeitsbereitschaft“ (Erich Sauer)36. Auf der anderen Seite sind heute viele Christen in der Gefahr, nur noch diesseitige Ziele und Visionen zu pflegen. Der Megawert der Postmoderne ist nach wie vor der Materialismus:

„Wir haben es uns gut hier eingerichtet. – Der Tisch, das Bett, die Stühle stehn, der Schrank mit guten Dingen vollgeschichtet. Wir sitzen, alles zu besehn. Dann legen wir uns ruhig nieder Und löschen, müd vom Tag, das Licht Und beten laut: Herr, komm bald wieder. Und denken leise: Jetzt noch nicht“ (Manfred Siebald).

35

Z. B. durch Artikel der Zeitschrift Topic, z. B.: „Endzeit-Klima: Seit 60 Jahren läuft die Natur mehr und mehr Amok“

(Topic Nr. 10 / Oktober 2003, S. 1.2). 36

Erich Sauer, Der Triumph des Gekreuzigten. Wuppertal: Brockhaus, 1962, S. 119.120.

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32

Der emeritierte Ordinarius für Soziologie an der HSG St. Gallen, Prof. Peter Gross, schrieb 1994 in seinem Bestseller „Die Multioptionsgesellschaft“: „Mit dem Verlust der religiösen Rahmenerzählungen haben wir auch die Ewigkeit verloren, die Weltzeit ist geschrumpft auf die individuelle Lebenszeit. Wir suchen uns Ewigkeits-substitute in den Kindern, dem Laub der Erde, aber das Diesseits erfährt eine enorme Verdichtung, ein einzigen Leben muss genügen, um die Träume vom Jenseits im Diesseits zu realisieren.“37 Der Auftrag der Verkündiger des ganzen Ratschlusses Gottes ist es, immer wieder auf jenseitige Hoffnungsziele hinzuweisen. Nur das kann uns vor einer zu diesseitigen Orientierung unseres Glaubens bewahren. Sonst erfahren unsere Mitgeschwister auch keinen Trost im Leiden und Versagen. Wer jedoch die Wiederkunft Jesu erwartet, ist voll freudiger Zuversicht (Phil 4, 4.5)38. Darum: beschäftige Dich doch wieder einmal mit dem folgenden Bibeltext: „Legt euren Gürtel nicht ab, und lasst eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen“ (Lk 12, 35-37). Weiter ruft Jesus uns zu: „Auch ihr, seid bereit! Denn der Sohn des Menschen kommt in der Stunde, da ihr es nicht meint“ (Lk 12, 40). „Nicht derjenige liebt die Wiederkunft des Herrn, der sagt, sie liegt noch in weiter Ferne; auch nicht der, der sagt, sie stehe unmittelbar bevor; sondern derjenige, der sie mit ernstem Glauben, fester Hoffnung und brennender Liebe erwartet, ganz gleich, ob sie fern oder nah ist“ (Augustinus). Jesus mahnt seine Jünger: „Handelt damit (mit euren Talenten), bis ich wiederkomme!“ (Lk 19, 13) „Wach bleibt nur, wer an der Arbeit bleibt; nüchtern nur, wer sich nicht betrügen lässt. Darum ist die beste Weise, auf den wiederkommenden Herrn zu warten, der Einsatz aller gaben und Kräfte, die er uns gegeben hat. So sind Christen frei gemacht von allen selbstquälerischen Sorgen um die Zukunft“ (Theo Sorg). „Jede echte Hoffnung gestaltet die Gegenwart“ (Friedrich von Bodelschwingh).

5. These: Die Gemeinde ist eine bekennende, leidende und siegende Gemeinde. Sie hat noch einen grossen Auftrag auszuführen, bis Jesus wiederkommt.

37

Peter Gross, Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994, S. 81. 38

Johann Albrecht Bengel (1687-1752) wies einmal darauf hin, dass gerade Christen in Leid, Verfolgung und

Anfechtung die Tiefe und Kraft der Offenbarung entdecken würden: "Ohne Tränen wurde die Offenbarung nicht

geschrieben, sie wird auch ohne Tränen nicht verstanden." Man darf die Offenbarung also weder als zu dunkel

beiseiteschieben, noch ist sie zum Spekulieren und zur Befriedigung unserer Neugier bezüglich der Zukunft da. In erster

Linie ist sie ein Trostbuch und bezeugt die Souveränität Gottes und Jesu Sieg über alle Kräfte des Bösen in unserer Welt.

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33

Wer sich kompromisslos zu seinem Herrn bekennt, wird immer wieder Leiden um Jesu willen erfahren. Doch Jesus, der Sieger, ist auf unserer Seite (Apg 9, 4.5). Sein Reich, dass heute noch meist unsichtbar (Lk 17, 20.21) und menschlich gesehen schwach gebaut wird (Mt 13, 1-30: Lk 12, 32; Joh 18, 36), wird einmal in grosser Kraft aufgerichtet werden (Mt 13, 32; Lk 22, 29.30; Offb 19, 6). Der Auftrag der Gemeinde ist dabei ein zweifacher:

1. Verkündigung des ewigen Heils (Mt 24, 14; 28, 18-20; 2Kor 5, 11) 2. Sorge um das irdische Wohl (Diakonie, Gesundheitswesen, Soziales,

Umweltschutz, Politik) Die Priorität liegt dabei eindeutig auf der Erfüllung des Missionsbefehls. Denn: „Es geht darum, dass das ewige Heil nicht verweltlicht und das irdische Wohl nicht vergöttlicht werden“ (Gerhard Bergmann)39. Dabei schenkt uns Jesus immer wieder besondere Aufbruchs- und Erweckungszeiten, die zu einem lokalen Durchbruch seines Evangeliums führen. Es stimmt, bevor Jesus wiederkommt, muss der „Abfall von Gott“ geschehen (2Thess 2, 3; Lk 18, 8). Das wird ganz sicher während der kurzen Zeit des Antichristen sein. Heute können und dürfen wir jedoch noch wirken, solange es Tag ist (Joh 9, 4). Tun wir es im Vertrauen darauf, dass nicht wir es sind, die die Welt retten müssen. Jesus ist der gegenwärtige und kommende Retter und Herr der Welt! Ein schwäbischer Pietist antwortete auf die Frage „Was kommt auf uns zu?“ spontan mit zwei Worten: „Nichts Gutes!“ Eine solche „No future“ – Gesinnung hat immer mehr Christen erfasst: „Es kommt nichts Gutes auf uns zu!“ 6. These: Pessimismus ist eine menschliche Schwäche, aber im Glauben überhaupt nicht angebracht. Hier regiert das „Prinzip Hoffnung“! Der Tenor der Bibel bezüglich der Zukunft ist ja: „Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21, 28). Und: „Tröstet also einander mit diesen Worten!“ (1Thess 4, 18). Jemand fragte einmal Billy Graham, wie er bei allem Übel in der Welt immer noch optimistisch in die Zukunft schauen könne. Er antwortete: „Ich las das letzte Kapitel des Buches."

39

Gerhard Bermann, Was kommt auf uns zu. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1974, S. 114.

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Die Wiederkunft Jesu Christi – der Höhepunkt der Geschichte Was lehrt die Bibel über Wiederkunft und Tausendjähriges Reich? Einleitung Ausgehend von den der bisher gewonnenen Erkenntnissen wollen wir uns nun mit der Wiederkunft Jesu Christi und dem Tausendjährigen Reich befassen. Bei der Behandlung dieser Themen gehe ich wieder davon aus, dass eine „strikt komplementäre Beziehung“ zwischen den Testamenten besteht. Dabei fügt das NT Neues zum AT hinzu (im Sinn von fortschreitender Offenbarung), ohne das AT zu ersetzen oder komplett neu zu definieren. 40 Auch für das Neue Testament gilt, dass wir es mit einer fortschreitenden Offenbarung zu tun haben.

Was lehrt die Bibel über die Wiederkunft Jesu Christi?

1. These: „Das Wichtigste, was die Bibel über die letzten Dinge lehrt, ist, dass Christus wiederkommt. Darum allein geht es. Das allein bietet dem Christen die Zukunft – das Kommen des Herrn. Christliche Hoffnung ist letztendlich ganz einfach die Hoffnung auf ihn“ (Bruce Milne).41 „Das Hauptereignis, das die Propheten ankündigten, ist nicht das Weltgericht, nicht die Wiederherstellung Israels, nicht einmal der Sieg der Gemeinde. Es ist das Kommen des Sohnes Gottes in Herrlichkeit“ (René Pache).42 Die Wiederkunft Jesus Christi ist der Höhepunkt der Geschichte und das heilsgeschichtliche Ereignis, auf das alles zu steuert (1Thess 1, 9.10).

Woher wissen wir, dass Jesus tatsächlich wiederkommt?

Autorität und Inspiration der Hl. Schrift (2Tim 3,16; 2Petr 1,19-21)

Über 300 Prophezeiungen bezüglich dem 1. Kommen Jesu wurden exakt erfüllt

(z. B. Ps 22 und Jesaja 53; vgl. Jes 41,23; 42,9).

Die Prophezeiungen über das 2. Kommen Jesu im Alten Testament werden sich auch erfüllen (Ps 98,9; Jes 40, 10; Dan 7,13-14; Sach 12,10; 14,3-5).

Die Prophezeiungen über das 2. Kommen Jesu im Neuen Testament werden sich erfüllen. Wir haben folgende Zeugen dafür:

40

Vgl. Darell L. Bock (Ed.), Three Views on the Millenium and Beyond. Grand Rapids: Zondervon, 199, p. 291.

Biblische Prophetie kann sich wörtlich und/oder im übertragenen Sinn einmal oder mehrfach beim 1. und/oder dem 2.

Kommen Jesu erfüllen. Oft spiegeln dabei geschichtliche Ereignisse das Eschatologische wieder, da die nahe und die

ferne Zukunft („schon jetzt“ – „noch nicht“) zusammen vorausgesagt wurden. Prophetie sollte „buchstäblich ausgelegt

werden, wenn nicht die implizite oder explizite Lehre des Neuen Testaments typologische Interpretation erfordert.“

(Bernhard Ramm, Biblische Hermeneutik. Asslar: ICI, 1991, S. 280.) Beachte auch den „sensus plenior“ mancher atl.

Prophezeiungen! Z. B.: „Samen“ in 1Mo 12, 7 und Gal 3, 29. 41

Bruce Milne, Das Ende der Welt. Eine biblische Orientierung. Marburg: Francke, 1981, S. 23. 42

René Pache, Die Wiederkunft Jesu Christi. Wuppertal: Brockhaus, 1977, S. 271.

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35

Jesus: Joh 14,1-3; 16,22; Mt 16,17; 24,29ff; 26,64; Offb 3,11; 16,15; 22,7.12.20 Engel: Apg 1,9-11

Paulus: 1Kor 1,7-9; 11,26; Phil 3,20; Kol 3,4: Tit 2,13

Petrus: 1Petr 1,7.13; 2Petr 3,9-10

Judas: Jud 14-15

Johannes: Offb 1,7-8

Die vielen noch unerfüllten Prophezeiungen lassen die Wiederkunft Jesu absolut unerlässlich werden. Dass Jesus bisher noch nicht als Richter wiederkam, zeigt seine Gnade und Geduld mit der Menschheit (2Petr 3,9.15).

Wie wird Jesus wiederkommen? Jesus kommt:

persönlich Apg 1, 11

als Menschensohn Dan 7, 13.14; Mt 24, 30

sichtbar Offb 1, 7

plötzlich, wie ein Dieb o. Blitz Mt 24, 26.27; 1Thess 5, 2.3

in Herrlichkeit u. grosser Macht Mt 24, 30; Offb 19, 11-16

mit allen Engeln Mt 25, 31; 2Thess 1, 7.8; Jud 14.15; Offb 19, 14

mit allen Heiligen (Gemeinde) Sach 14, 5; Kol 3, 4; Offb 19, 14

auf den Ölberg (Jerusalem) Sach 14, 3.4

Was wird Jesus bei seiner Wiederkunft tun? Nach all den in der Offenbarung berichteten furchtbaren Taten der antigöttlichen Dreiheit, der Hure Babylon und der unbussfertigen Menschen, wird nun in Offb 19, 11-21 das Kommen des Richters auf die Erde geschildert. Der Tag des Zornes Gottes (Dies Irea) und des Gerichts ist gekommen.

1. Eben noch war die Hochzeit des Lammes ausgerufen worden (Offb 19, 7-9). 2. Da erscheint der kommende Richter und Kriegsheld, Jesus (Offb 19, 11-13). 3. Die Himmelsheere folgen ihm, ebenfalls auf weissen Pferden (Offb 19, 14). 4. Er kommt, um die Nationen zu schlagen, mit grossen Zorn (Offb 19, 15). 5. Der Antichrist will mit seinen Verbündeten bei Harmagedon gegen Jesus kämpfen

(Offb 19, 19; vgl. 16, 16). 6. Der Antichrist und der falsche Prophet werden getötet (2Thess 2, 8) und in den

Feuersee geworfen (Offb 19, 20). 7. Und die übrigen werden durch den Mund Jesu getötet (Offb 19, 21). 8. „Dann sah ich…“ (das Tausendjährige Reich; Offb 20, 1-15)

„Dann sah ich einen Engel vom Himmel herabsteigen; auf seiner Hand trug er den Schlüssel zum Abgrund und eine schwere Kette. Er überwältigte den Drachen, die alte Schlange – das ist der Teufel oder der Satan –, und er fesselte ihn für tausend Jahre.

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36

Er warf ihn in den Abgrund, verschloss diesen und drückte ein Siegel darauf, damit der Drache die Völker nicht mehr verführen konnte, bis die tausend Jahre vollendet sind. Danach muss er für kurze Zeit freigelassen werden“ (Offb 20, 1-3).

2. These: „Es besteht kein Grund, warum man das alles nicht als eine Aufzählung tatsächlicher Ereignisse verstehen soll“ (James Montgomery Boice).43 „Offenbarung 19 – 20 ist also eine fortlaufende Erzählung“ (Georg . E. Ladd).44 Offb 19, 11 bis Offb 21, 8 muss literarisch gesehen als ein zusammenhängender Abschnitt verstanden werden, der die Überleitung von der Vision Babylons zur Vision des Neuen Jerusalems herstellt.45 Wir finden hier eine einheitliche Folge von Abläufen, ohne einen wirklichen Bruch. Zusammengehalten wird der Abschnitt durch den häufigen Gebrauch der Formulierung „und ich sah“ (Offb 19,11.17.19; 20,1.4.11.12; 21,1.2). Damit ergibt sich aus der literarisch-grammatikalisch-kontextuellen Interpretation des Textes die folgende Reihenfolge der Ereignisse:

Was lehrt die Bibel über das Millennium46?

3. These: Die Bibel lehrt, dass erst der wiederkommende „König der Könige und Herr der Herren“ (Offb 19, 16), nach seiner Vernichtung des Antichristen und dessen Heer, ein tausendjähriges Friedensreich auf der Erde aufrichten wird. Um das tun zu können, wird Jesus den Urheber der antichristlichen Empörung, Satan, aus dem Verkehr ziehen. Genau davon lesen wir in Offb 20, 1-15.

43

James Montgomery Boice, Die letzte und die zukünftige Welt. Frutigen: msd, 1975, S. 37. 44

Georg Eldon Ladd, Die Sicht des historischen Prämillenialismus, in: Robert Clouse (Hrsg.), Das Tausendjährige

Reich: Bedeutung und Wirklichkeit. Marburg: Francke, 1983, S. 29. 45

Vgl. Craig A. Blaising, Premillenialism, in Darell L. Bock (Ed.), a.a.O., p. 212ff. 46

Von Lateinisch: mille= 1000; annus = Jahr, zu deutsch: Tausendjähriges Reich

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Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart

37

Die Beschreibung des Millenniums

1. Die Dauer (Offb 20, 2-7: 6x: 1000 Jahre!)

2. Die Freude: Satan wird gebunden!47 (Offb 20,1-3)

3. Das Nationengericht (Offb 20,4; 1Kor 6,2-3)

4. Die erste Auferstehung der Gläubigen (Offb 20,4-5)

5. Die letzte Empörung (Offb 20,7-9)

6. Das Gericht über Satan (Offb 20,10)

7. Der Weltuntergang (Offb 20,11; 2Petr 3,12-13)

8. Die zweite Auferstehung der Ungläubigen (Offb 20,5+13)

9. Das Weltgericht (Offb 20,12-13)

10. Der neue Himmel und die neue Erde (Offb 21)

Verschiedene Theorien bezüglich des Millenniums

47

Wer die Welt- und Kirchengeschichte der letzten 2000 Jahre und unsere Zeit genau betrachtet, kommt niemals auf die

Idee, dass der Teufel jetzt schon gebunden ist, wie das z. B. von Amillenialisten behauptet wird.

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38

Definitionen

Prämillenialisten glauben im allgemeinen, dass der Wiederkunft Christi gewisse Zeichen

vorausgehen werden, wie z. B. die Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern, der

große Abfall, Kriege, Hungersnöte, Erdbeben, das Auftreten des Antichristen und die große

Trübsal. Nach dieser Vorstellung folgt auf die Wiederkunft eine Zeit des Friedens und der

Gerechtigkeit, und zwar noch vor dem Ende der Welt. Während dieser Zeit regiert Christus

persönlich als König, übt jedoch diese Herrschaft nach Meinung einiger Prämillenialisten

durch eine bestimmte Gruppe von auserwählten Jüngern aus. Diese Christusherrschaft

wird nicht über lange Jahre hinweg durch die Bekehrung von Einzelnen bewirkt, sondern

sie entsteht plötzlich und durch ein überwältigendes göttliches Eingreifen. Die Juden

werden sich zu dieser Zeit zu Christus bekehren und spielen danach eine wichtige Rolle.

Auch die Natur hat an dieser Segenszeit Anteil, denn die Erde wird im Tausendjährigen

Reich besonders fruchtbar. Sogar die wilden Tiere werden in dieser Zeit gezähmt. Christus

herrscht »mit eiserner Rute«, um das Böse fernzuhalten. Am Ende dieses Tausendjährigen

Reiches findet jedoch eine Rebellion antigöttlicher Kräfte statt, die die auserwählten

Heiligen überrascht und beinahe überwältigt. Eine beträchtliche Zahl von Prämillenialisten

glaubt ausserdem noch, dass während dieses goldenen Zeitalters die auferstandenen

Gläubigen sich unter die restliche Bevölkerung mischen. Die ungläubig Verstorbenen

werden erst nach dem Millennium auferweckt, und erst zu diesem Zeitpunkt tritt die

Ewigkeit in Form von Himmel und Hölle auf den Plan.

Der Postmillenialist erklärt, im Gegensatz zum Prämillenialisten, dass das Reich Gottes

schon aufgerichtet worden ist und dass es sich in dieser Zeit schon durch Evangelisation

und christliche Unterweisung ausbreitet. Als Ergebnis dieser Aktivität wird die ganze Welt

eines Tages »christianisiert« sein, was zu einer langen Zeit des Friedens und des

Wohlstandes führt, die man »Tausendjähriges Reich« nennen könnte. Dieses neue

Zeitalter wird sich nicht wesentlich vom gegenwärtigen unterscheiden; es wächst einfach

aus den jetzigen Verhältnissen, indem sich eine immer grössere Anzahl Menschen zum

Christentum bekehrt. Das Böse wird im Millennium nicht ausgerottet, sondern auf ein

Mindestmaß reduziert, weil der moralische und geistliche Einfluss der Christen so

allgegenwärtig sein wird. Die Kirche übernimmt in dieser Zeit wichtige Aufgaben, und viele

wirtschaftliche, gesellschafts- und bildungspolitische Probleme werden gelöst.

Dieses Zeitalter schliesst mit der Wiederkunft Christi, der allgemeinen Auferstehung der

Toten und dem Jüngsten Gericht.

Amillenialisten sind hingegen nicht davon überzeugt, dass die Bibel eine Zeit weltweiten

Friedens und universaler Gerechtigkeit vor dem Ende der Welt voraussagt. Sie glauben

vielmehr, dass Gut und Böse beide kontinuierlich wachsen bis zur Wiederkunft Jesu, der

die Toten auferweckt und das Jüngste Gericht ausruft. Amillenialisten sind der Meinung,

dass das Reich Gottes insofern in unserer jetzigen Welt anwesend ist, als der siegreiche

Christus durch sein Wort und seinen Geist über sein Volk regiert.

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Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart

39

Allerdings erwarten sie ein zukünftiges, herrliches, vollendetes Königreich für die Zeit der

Ewigkeit auf der neuen Erde. Amillenialisten verstehen die tausendjährige Herrschaft von

Offenbarung 20 als Bezugnahme auf die gegenwärtige Herrschaft der Seelen verstorbener

Christen mit Christus im Himmel.

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Was bringt uns die Zukunft? Teil 1-4 Jürgen Neidhart

40

Sechs Mal kommt in Offb. 20,2-7 der Ausdruck "tausend Jahre" vor. Ich verstehe dies wörtlich (trotz Ps. 90,4). Denn wenn der Begriff „Jahr“ in der Bibel in Verbindung mit einer „Zahl“ verwendet wird, ist er immer wörtlich und nicht symbolisch gemeint48.1000 Jahre lang wird Satan gebunden sein und kann deshalb die Menschen nicht mehr verführen (V. 2-3). Die Verse 4-6 enthalten einige Probleme:

a) Was für ein Gericht wird hier beschrieben? Es geht darum festzustellen, wer der ersten Auferstehung gewürdigt wird.

b) Wer sind die, die auf den Thronen sitzen? Die Richter, die in V. 4a nicht näher beschrieben werden, sollten meiner Meinung nach mit den zuvor entrückten (zugleich 1. Etappe der ersten Auferstehung; 1Kor15, 23) Heiligen, die Jesus bei seiner sichtbaren Wiederkunft begleiten werden (Sach 14, 5), identifiziert werden (1Kor6, 2-3; Lk 22, 30).

c) Wer darf auch noch mit Christus im Millennium regieren? Die Märtyrer und die standhaften Konfessoren der antichristlichen Zeit (V. 4b+c) "lebten auf" (έζησαν), und zwar in der "ersten Auferstehung" aus den Toten. Etwas anderes kann das Wort nicht bedeuten (Offb2, 8; 13,14; Mt 9,1 8; Röm 14, 9).49 Denn die erste Auferstehung kann nicht geistlich und die zweite körperlich verstanden werden. Das wäre „das Ende allen sinnvollen Gebrauchs menschlicher Sprache“ (Henry Alford)50.

48

Vgl. John MacArthur, Studienbibel. Bielefeld: CLV 2003, S. 1949 (Anm. zu Offb. 20,2). 49

Vgl. Hans Bietenhard, Das Tausendjährige Reich. Eine biblisch-theologische Studie. Bern: BEG Verlag, 1944, S. 23;

Robert Mounce, The Book of Revelation. NICNT, Grand Rapids: Eerdmans, 1997, p. 356 und Georg Ladd, a.a.O., S.

31.32. 50

Henry Alford, The Greek New Testament, zitiert in Ladd, a.a.O., S. 32.

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41

d) Wo sind diese Throne aufgestellt? Ganz klar auf der Erde! Vgl. Offb 20, 1 und die Struktur des Buches:

Aufbau der Offenbarung

A / 1: EINLEITUNG

B / 2+3 : Die Menschen auf der Erde C HIMMEL / 4 + 5: Der Thron, das Buch und das Lamm ERDE / 6,1-7,8: Die sechs Siegelgerichte HIMMEL / 7,9-8,6: Die grosse Schar und das 7. Siegel ERDE /8,7-11,14: Die sechs Posaunengerichte HIMMEL / 11,15-19: Die 7. Posaune ERDE / 11,19: Das Erdbeben usw. HIMMEL / 12,1-12: Weib, Kind und Drache ERDE / 12,13-13,18: Der Drache und die zwei Bestien HIMMEL / 14,1-5: Das Lamm und die 144'000 ERDE / 14,6-20: Die sechs Engel HIMMEL / 15,1-8: Die sieben Zornesschalenengel ERDE / 16,1-18,24: Die sieben Zornesschalen HIMMEL / 19,1-16: Die Hochzeit des Lammes usw. ERDE / 19,17-20,15: Die letzten fünf Gerichte B / 21,1-22,5: Die Menschen auf der neuen Erde

A / 22,6-21: SCHLUSSERMAHNUNGEN

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4. These: Offenbarung 20 ist jedoch nicht der einzige neutestamentliche Text, der ein zwischenzeitliches Königreich Jesu vor der Ewigkeit beschreibt. Denn in 1Kor 15, 23-26 wird der Triumph des Reiches Christi in mehreren Stufen (τάγμα) beschrieben.51

3. Stufe Danach (είτα) das Ende (τέλος), wenn Jesus sein Reich dem Vater übergibt

Tausendjähriges Reich 2. Stufe Danach (έπειτα) die Auferstehung der Gläubigen bei der Parusie Jesu

Zeitalter der Gemeinde 1. Stufe Zuerst die Auferstehung des Erstlings, Christus

Zwischen der ersten und der zweiten Stufe liegt das Zeitalter der Gemeinde, zwischen der zweiten und der dritten Stufe das Tausendjährige Reich. „Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (1Kor 15, 25.26). „Die Lehre vom Tausendjährigen Reich ist also ein Beispiel für die fortschreitende Offenbarung“ (George Ladd)52.

5. These: Auch die Evangelien und die Apostelgeschichte deuten nicht nur eine gegenwärtige unsichtbare Königsherrschaft Christi, sondern auch ein kommenden sichtbares Königreich an. Ich denke da z. B. an: Mt 6, 10; 8, 11; 19, 28; Lk 19, 11; 22, 29.30, aber auch an die Apg:

„Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1, 6.7). Jesus sagte in seiner Antwort nicht, dass er dieses Reich nicht wieder herstellen würde. Er sitzt heute zwar – bildlich gesprochen – schon auf dem Thron Davids im Himmel, doch auf dem irdischen Thron Davids ist er noch nie gesessen (Mt 23, 38.39). Und dann heisst es: „Ihn (den Messias) muss freilich der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung von allem, die Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten verkündet hat.“ (Apg 3, 21). Ein Begriff aus der biblischen Hermeneutik (der Wissenschaft vom Verstehen biblischer Texte):

51

Vgl. George Ladd, a.a.O., S. 33. 52

George Ladd, a.a.O., S. 33.

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43

Das Gesetz des doppelten Bezugs:

Erfüllung im übergeordnet-geistlichen

Bereich im Zeitalter der Gnade

(vgl. 2Kor 3, 7-11) Prophetische Erfüllung Aussage irdisch- sichtbar

in Israel (im Millenium)

6. These: Um die vielen noch unerfüllten Prophezeiungen für Israel und die Nationen zu erfüllen, muss es ein zwischenzeitliches, irdisches Königreich vor dem Beginn der Ewigkeit geben.

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44

Ich glaube an ein real irdisches "Tausendjähriges Reich" aufgrund der Aussagen des Wortes Gottes53. Die von Gott mit Israel geschlossenen "Bündnisse ohne Bedingungen" (Abraham, David, Neue Bund) werden dann zur vollen Erfüllung kommen. Viele im AT gemachten Prophezeiungen bezüglich eines messianischen Reiches in Israel werden dann erfüllt werden. Welche das genau sein werden, kann ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Doch nicht nur Prämillenialisten haben ihre liebe Mühe mit der Auslegung von Hesekiel 40-48. Denn Hesekiels neues Jerusalem mit seinem wunderbaren Tempel gab es noch nie auf dieser Erde. Wird das der Tempel des Millenniums sein? Oder ist dieser Tempel im Himmel? Sein Gnadenstrom mit den Bäumen und deren heilenden Blättern (Hes 37) begegnet uns ja tatsächlich in Offb. 22,1.2 wieder. Manche Fragen bleiben hier einfach offen.

53

Der Prämillenialismus entspricht der Selbstaussage der Heiligen Schrift und herrschte in den ersten drei Jahrhunderten

der christlichen Zeitrechnung vor. Papias, Irenäus, Justin der Märtyrer, Tertullian, Hippolyt, Methodius, Commodianus,

Lactantius u. a. vertraten ihn. Lächerliche Übertreibungen von Papias führten zur allegorisiereden Gegenreaktion der

Alexandriner Schule (Origines). Und dann änderte das Ende der Christenverfolgungen und das Staatschristentum die

Theologie: Fortan meinten Christen wie Augustin, schon im Millennium zu leben. Vgl. die sehr hilfreichen

Ausführungen über die Verlagerung vom „New Creation Model“ (Irenäus) zum „Spiritual Vision Model“ (seit Origines)

von Craig A. Blaising, Premillenialism, in Darell L. Bock (Ed.), a.a.O., p. 157-227.

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45

Welche Bedeutung haben Israel und die Gemeinde im Plan Gottes? Bundestheologen (Calvinisten) lehren in der Regel, dass Israel von Gott verworfen und durch die neutestamentliche Gemeinde ersetzt wurde (Substitutionstheorie). Die Gemeinde sei nun das einzige, wahre, neue und geistliche Israel, das "Israel Gottes" (Gal 6,16; vgl. Röm 9,6ff) und damit Erbe aller an Israel gemachten Verheissungen Gottes.

7. These: Auch wenn es richtig ist, dass in der Gemeinde zahlreiche an Israel verheissene Versprechen erfüllt wurden, ist die Gemeinde doch nicht das „neue“ oder „wahre Israel“.

Der Name "Israel" (73 mal im NT) wird nie auf die Gemeinde angewandt. Calvinisten kommen mit drei Versen, zwei davon (Röm 9, 6 + 11, 26) werden von einigen von ihnen selbst auf die Nation Israel angewandt. Es bleibt schlussendlich nur noch Gal 6,16 übrig.

In Gal. 6,16 bezieht sich "Israel Gottes" auf den gläubigen Überrest in der Gemeinde Jesu (vgl. Röm 11, 1+5). Nach allen Aussagen gegen die judaistische Unterwanderung der galatischen Gemeinden, grüsst Paulus das wahre Israel Gottes, die messianischen Juden, die er damit speziell neben den Heidenchristen erwähnt. Da Paulus den Ausdruck mit "und" (verbindendes oder emphatisches και) einleitet, geht es ihm offensichtlich um eine zweite Gruppe in den Gemeinden, nämlich um die Judenchristen.

Der biblische Ausdruck "Israel" meint also entweder die Nation als Ganzes oder den glaubenden Überrest, aber niemals im NT die Gemeinde aus Juden und Heiden.

Die Gemeinde wird als "neuer Mensch" von Israel und den Heiden unterschieden (Eph 2, 15; vgl. 1Kor 10, 32!).

Israel wurde nicht gänzlich verworfen (Röm 11,1+2+24-32). Ein gläubiger Überrest existiert zu jeder Zeit.

Der Ölbaum und der Überrest Israels (Römer 9-11) Römer 9-11 ist kein (unwichtiger) Einschub im Römerbrief. Diese drei Kapitel bilden eine Brücke zwischen der Theologie der Gerechtigkeit Gottes (Kap. 1-8) und den praktischen Anweisungen seiner Gerechtigkeit (Kap. 12-16): Gottes Gerechtigkeit bezüglich seiner Beziehung zu Israel wird darin aufgezeigt. Paulus beantwortet zunächst drei Fragen:

1. Warum werden so wenige Juden gerettet, wenn diese "vornehmlich" gerettet werden sollen (Röm 1,16)?

Antwort: Sie lehnten Gottes Gerechtigkeit ab (Röm 9,30 - 10,21), dadurch kam das Heil zu den Heiden (11,11-22). Jedoch existiert zu jeder Zeit ein gläubiger Überrest aus Israeliten (11,1-10). In Zukunft wird einmal ganz Israel gerettet werden (11,23-32).

2. Wie können die Heiden wissen, dass sie Gott vertrauen können, wo doch seine Verheissungen an Israel nicht erfüllt wurden?

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46

Antwort: Trotz der Ablehnung des Messias hat Gott Israel nicht verworfen. Ein Überrest geniest heute schon geistliche Segnungen. Einmal wird ganz Israel an ihren Messias glauben und die Erfüllung aller Verheissungen erleben. Die Bündnisse ohne menschliche Bedingungen wurden von Gott nicht fallen gelassen!

3. Hat das Evangelium Gottes Verheissungen an Israel für null und nichtig erklärt?

Antwort: Nein! Römer 11 wäre der ideale Text, um eine entgültige Verwerfung Israels zu lehren. Dies ist jedoch nicht der Fall. Paulus macht dagegen deutlich: Nicht Gott versagte, sondern Israel. Die geistlichen Segnungen kommen nicht durch Verdienste oder aufgrund natürlicher Abstammung, sondern immer durch Gottes Gnade zu uns. Für Paulus gibt es zwei Israels (Röm 9, 6ff): Israel als Volk (momentan verstockt) und den gläubigen Überrest (11,5), die messianischen Juden (Judenchristen) in der Gemeinde.54 Paulus argumentiert also nur gegen die Judaisten (und nicht gegen Israel), die sich auf ihre jüdische Abstammung (anstatt auf den Glauben) abstützten. Ich schliesse mit diesem eindrücklichen Text aus dem Römerbrief, der von der zukünftigen Wiederherstellung Israels spricht:

„Wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum herausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, dann werden erst recht sie als die von Natur zugehörigen Zweige ihrem eigenen Ölbaum wieder eingepfropft werden. Damit ihr euch nicht auf eigene Einsicht verlasst, Brüder, sollt ihr dieses Geheimnis wissen: Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller Zahl das Heil erlangt haben; dann55 wird ganz Israel gerettet werden, wie es in der Schrift heißt: Der Retter wird aus Zion kommen, er wird alle Gottlosigkeit von Jakob entfernen. Das ist der Bund, den ich ihnen gewähre, wenn ich ihre Sünden wegnehme“ (Röm 11,24-27). Der reformierte Theologe, John Murray, hat in seinem Römerbriefkommentar56 bewiesen, dass mit „ganz Israel“ viel mehr als nur die Gemeinde oder der Überrest gemeint sei. Das bisher verstockte Volk Israel wird einmal zum Glauben finden und gerettet werden. Der Heilsweg für Israel ist dabei derselbe wie der Weg zum Heil in der Gemeinde: sich zu Jesus bekehren (2Kor 3, 16). Und so werden viele ausgerissene Zweige (ungläubige Juden) wieder in den edlen Ölbaum eingepfropft werden (V. 24).

8. These: Die grosse Masse der Juden wird nach dem Wort des Paulus (Röm 11,26) gerettet werden und zwar, wenn Jesus auf die Erde zurück kommen wird (V. 26: „Der Retter wird aus Zion kommen“). Und das ist genau das, was die alttestamentlichen Propheten in Bezug auf den neuen Bund (vgl. V. 27) und die messianische Zeit schon immer verheissen hatten (Jes 59,20f; Jer 31,31-33; Hes 36,24-27; 37; Joel 3,1-5; Sach 12,10 etc.). Paulus verbürgt, dass Gott diese Prophezeiungen in Zukunft erfüllen werden. Soli deo gloria!

54

Wie die progressiven Dispensationalisten glaube ich jedoch nicht, dass die Gemeinde nur ein Einschub (Parenthese) in

Gottes Heilsplan ist und finde keine zwei getrennten Heilslinien in der Bibel. 55

Im Griechischen heisst es hier “καί ούτως“ (und auf diese Art und Weise). 56

John Murray, The Epistle to the Romains. NICNT, Grand Rapids: Eerdmans, 1968, p. 96-100.

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47

9. These: Der Versuch der Menschen, ein Paradies auf Erden aufzurichten, scheiterte jedes Mal. Das antichristliche Reich, Satans Versuch, sein Reich aufzurichten, endete in einer riesigen Katastrophe. Nun zeigt Gott, wie wunderbar es die Menschen auf der Erde haben können, wenn sie sich Seiner Königsherrschaft unterstellen.

Die Merkmale des Messianischen Reiches (v. a. AT-Stellen)

1. Die Wandlung der Weltmoral

Satan ist gebunden (Offb 20,1-3) Satans Zeit ist zu Ende (1Joh 5,19), der Tag des HERRN ist da.

Gerechtigkeit herrscht (Jes 9,6; 11,1-10) Die Menschen bekommen ein neues Herz (Hes 36,26.27; Joel 3,1ff). Es gibt keine Verführung mehr. Jesus herrscht zusammen mit den Seinen. Die Bergpredigt wird ausgelebt. Jetzt wird Gottes Name geheiligt und sein Wille geschieht auf der Erde.

2. Die Wandlung im politischen Raum Ungerechtigkeit führte immer zu Kriegen. Doch jetzt herrscht:

Der Völkerfrieden (Ps 85,11; Jes 2,4) Der Friedefürst (Jes 9,5; Micha 5,1) bringt „Frieden auf Erden“ (Luk 2,14). Es ist ein Reich ohne Waffen!

Israels priesterliche Voranstellung (1Mo 12,3; Jes 61,6; Sach 8,23) Hes 45,17: Werden trotz Hebr 8,13 + 9,26 wieder Opfer gebracht werdenh? Ja, vielleicht zum Gedächtnis an Jesu Tod am Kreuz!

Bekehrte Völker und ihre neue Disziplin (Jes 11,10; Sach 8,20.21; 14,16.17) Das Evangelium wird den Völkern verkündigt (Jes 12,4.5).

3. Die Wandlung im Bereich der Natur Der Fluch ist von der Erde genommen.

Gesteigerte Fruchtbarkeit (Jes 30,26; Amos 9,13.14; Joel 2,19f; Sach 8,12)

Die Tierwelt lebt im Frieden (Jes 11,6-9)

Langes Leben und Gesundheit (Jes 65,20-23) Adam wurde 930 und Methusalah 969 Jahre alt. Palästinensische Bäume werden bis 800 Jahre alt.

Materieller Wohlstand (Amos 9,13-14; Ps 72,16) Es wird keine Naturkatastrophen mehr geben!

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48

4. Der Schatten des Tausendjährigen Reiches

Es ist noch möglich zu sündigen (Jes 11,4; Sach 14,17-19)

Der Tod – trotz langer Lebensdauer möglich (Jes 65,20; 66,24)

Jesus wird mit eisernem Stab regieren (Offb 2,27; 19,15)

Der unfassbare Ausgang des Tausendjährigen Reiches (Offb 20,3.7.8) Der Aufstand unter den Rebellen Gog und Magog (Hes 38,39)

5. Was lehrt uns der Schatten des Tausendjährigen Reiches?

Das Millennium wird den letzten Beweis für die totale Verderbtheit des Menschen und seine volle Verantwortung liefern. Gott muss alles neu machen.

Die Welterlösung kommt nicht von Menschen oder durch Menschen.

Die Hoffnung auf das Millennium lehrt uns Geduld und befreit von der Utopie, wir Menschen würden selbst wieder paradiesische Verhältnisse auf Erden schaffen.57

Fazit: 10. These: Es muss einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, in denen absolute Gerechtigkeit wohnen (2Petr 3,13). Dann ist das Problem des Bösen und der menschlichen Sünde für alle Ewigkeit gelöst.

Jürgen Neidhart

57

Vgl. James Montgomery Boice, a.a.O., S. 40.41.

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49

Das Schönste kommt noch! Was lehrt die Bibel über das Jenseits, die Weltvollendung und den Himmel? Einleitung Wir kommen nun zum Finale unserer Themenreihe. Das letzte Mal haben wir Offenbarung 19-20 betrachtet und uns Gedanken über die Wiederkunft Christi und das Tausendjährige Reich gemacht. Nicht einfach fällt uns die Vorstellung, dass die Gemeinde wieder eine Aufgabe (vgl. auch Lk 19,17!) auf der Erde im Millennium bekommen wird, obwohl sie im Himmel ist. Am besten können wir das mit der heutigen Aufgabe der Engel vergleichen. Sie sind im Himmel zuhause und beten dort Gott an. Gleichzeitig sind sie als Seine Boten und „dienstbaren Geister“ (Hebr 1,14) auf der Erde tätig (Hebr 13,2). Im drittletzten Kapitel der Bibel ist auch noch die Rede von Tod und Auferstehung, ja sogar von zwei Auferstehungen und einem ersten und zweiten Tod. Daher müssen wir, bevor wir zum grossen Finale, der Weltvollendung und dem Himmel, kommen, zu klären versuchen, was die Bibel über den Tod, das Jenseits und über die Auferstehung der Toten sagt.

Was lehrt die Bibel über das Jenseits?

1. These: Der Tod ist für alle Menschen bestimmt (Hebr 9,27), da er die Folge der Sünde ist (1Mo 2,17; Röm 6,23; 5,12.14).

Das ist sicherlich unbestritten. Die Bibel lehrt jedoch drei Arten von Tod:

Den geistlichen Tod – die Trennung von Gott durch die Sünde Nach dem Sündenfall trat der geistliche Tod für die ersten Menschen ein. Durch ihre Eigenmächtigkeit ist die Verbindung zu Gott „abgestorben“. Der leibliche Tod folgte erst viele Jahre später. Der geistliche Tod ist nichts anderes als das Aufhören der Verbindung zu Gott (Eph 2,1).

Den leiblichen Tod – das Sterben (Röm 5,12-14)

Den zweiten oder endgültigen Tod – die ewige Trennung von Gott (Offb 20,6.14; 21,8)

2. These: Während der Leib der Verwesung verfällt und zum Staub der Erde zurückkehrt (1Mo 3,19), kehrt der Lebensodem zu Gott zurück (Pred 12,5.7). Was passiert jedoch mit der (Geist-)Seele des Menschen, mit seiner Persönlichkeit, nach dem Sterben? Die Zukunft des Menschen nach dem Tod Die Seele des Menschen ist nicht unsterblich (1Tim 6,16), das ist eine aus der griechischen Philosophie (von Plato) gekommene Vorstellung, die schon früh im Christentum Fuss gefasst hat. Doch der Mensch lebt weiter nach dem Tod, seine Seele kann nicht von Menschen getötet werden (Mt 10,28).

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50

Aber wo und wie lebt die Seele der Gläubigen weiter?

Der wiedergeborene Gläubige ist nach seinem Tod unmittelbar im Himmel.

Folgende Begriffe bestätigen diese Aussage:

Abrahams Schoss (alttestamentliches Bild für den Himmel58): Lk 16,22

Paradies59: dreimal im NT: Lk 23,43; 2Kor 12,2.4 (also auch 3. Himmel60 genannt!); Offb 2,7

Bei Christus zuhause sein: 2Kor 5,8; Phil 1,21-23; die Seelen der Gläubigen treten also unmittelbar in die Gegenwart Gottes ein. Darauf deutet auch Jesu Wort an den Schächer (Lk 23,43) und die Vision, die Stephanus hatte (Apg 7,55-59), hin. Ausserden werden die Seelen der Märtyrer unten am Altar im Himmel beschrieben (Offb 6,7).

3. These: Nach den Aussagen der Bibel sind Gläubige nach dem Tod bei Bewusstsein und geniessen das ewige Leben bei Jesus im Himmel (Lk

9,30; 16,19-31; Offb 6,9ff). Die Vorstellung, dass die Seele beim Tod in einen Zustand bewusstloser Ruhe versinkt und schläft („Seelenschlaf“), finden wir in der sektiererischen Lehre der Zeugen Jehovas und STA, jedoch nicht in der Bibel. Nach Jesu Worten ist „der Schlaf“ ein Bild für den toten Körper (Mk 5,39.40; Lk 8,52.52; Joh 11,11), jedoch nicht für die Seele. Sehr oft werden im NT Verstorbene „Entschlafene“ genannt (z. B. 1Kor 15,6.18.20.51). Gleichzeit wird ihnen bescheinigt, dass sie leben (Mt 17,3; Lk 20,38; Joh 11,25.26).61

58

Vgl. John MacArthur, Studienbibel. Bielefeld: CLV: 2003, S. 1458, zur Stelle. 59

„Paradies“ und „Abrahams Schoss“ sind also derselbe Daseinsraum, das eine Mal vom Alten, das andere Mal vom

neuen Bunde her gesehen. (Paul Le Seur, Nach dem Sterben. Wuppertal: Hochweg-Verlag, 1950, S. 47.48. 60

Im biblischen Sprachgebrauch ist der 1. Himmel der Lufthimmel und der 2. Himmel das Weltall oder Universum

(darum heisst es oft im Plural „die Himmel“, hebräisch Schamajim). Der 3. Himmel ist der transzendente Wohnort

Gottes und der Engel. 61

Calvins erste Schrift theologischen Inhaltes war Psychopannychia („Nachtwache der Seele“), Orléans, 1534, in der er

die Lehre vom Seelenschlaf zwischen Tod und Jüngstem Gericht verurteilte.

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Wann werden die Seelen der Gläubigen auferstehen? Sie sind in der Ruhe und Freude (LK 16,25; 23,43; Offb 14,13) und werden bei Jesu Wiederkunft zur Entrückung seiner Gemeinde auferstehen (1Thess 4,13-18). Das ist die erste Auferstehung (Offb 20,5.6), die „bessere Auferstehung“ (Hebr 11,35), die „Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,14) oder die „Auferstehung des Lebens“ (Joh 5,29; vgl. Dan 12,2).

Wo und wie lebt die Seele der Ungläubigen weiter?

Die Seelen der Ungläubigen kommen ins Totenreich, in den Hades. Das ist ein sehr unangenehmer Ort und auch sie sind bei Bewusstsein (Lk 16,23-31).

Falsche Lehren sind:

Fegfeuer (Purgatorium): katholische Lehre von der Läuterung unvollkommener Christen im Jenseits Die römisch-katholische Kirche lehrt, - daß es außerhalb von Himmel und Hades einen „Reinigungsort“ gibt, - daß verstorbene Gläubige im Fegefeuer zeitliche Sündenstrafen abbüßen müssen,

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- daß die Reinigungszeit der Seele im Fegefeuer durch Verdienste der noch lebenden Gläubigen oder bereits verstorbenen Heiligen verkürzt werden kann. Die Erlösung des Menschen wird so von menschlichen Werken abhängig gemacht, was zum unseligen Ablasshandel führte. Doch nirgends ist in der Bibel davon die Rede!62 Im Gegenteil: Röm 3,28; 4,4.5; 8,1! Auch unsere „guten Werke“ bedürfen der Vergebung und Luther traf den Kern der Sache, wenn er sagte: „In jedem guten Werk sündigt der Gerechte.“

Zweite Chance: Können Verstorbene noch zum Glauben kommen? (1Ptr 3,19; 4,6)

Der Apostel Petrus schreibt, dass Jesus «im Geist» zu den «Geistern im Gefängnis» ging, die zur Zeit der Sintflut Gott ungehorsam gewesen waren (1Petr 3,19). Ihnen «verkündete» er, später heisst es sogar, dass er die Toten «evangelisierte» (4,6). Ich verstehe das jedoch so, dass Jesus durch Noah und durch seinen Geist denjenigen damals lebenden Menschen predigte, die nun tot sind (3,19). Den jetzt Toten ist also das Evangelium verkündet worden, als sie noch lebten (4,6). Auf einem so unklaren und umstrittenen Bibeltext will ich keine neue Lehre mit so grosser Tragweite aufbauen. Auch von einer „Höllenfahrt Jesu“ („hinabgestiegen in das Reich des Todes“) berichtet uns die Bibel nichts. Denn Jesus sagte zum Schächer am Kreuz: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Lk 23,43), also im 3. Himmel!

Sterbeerlebnisse, esoterische Erfahrungen über das sog. „Leben nach dem Tod“

(Thanatologie) Die aktuelle Bezauberung durch sog. Nahtoderfahrungen zeigt uns, wie weit die Kirchen der Reformation vom Prinzip des „sola scriptura“ („die Schrift allein“) abgekommen sind: „Wenn wir glauben, dass die Schrift Gottes Wort ist, müssen wir jeden Erfahrungs-bericht ablehnen, der dem, was die Bibel lehrt, widerspricht oder darüber hinaus geht. Wir dürfen uns auch nicht fangen lassen von irgendeiner Art Spekulation, einem Anspruch auf Wahrheit oder einer angeblich neuen Offenbarung, die die Menschen vom einfachen Vertrauen auf Gottes Wort abbringen.“63

Wann werden die Seelen der Ungläubigen auferstehen?

4. These: Die Ungläubigen bleiben bis nach dem Tausendjährigen Reich im Hades, im Totenreich (Lk 16,23; Offb 20,11-15). Dann werden sie zum jüngsten Gericht auferstehen (Off 20,5).

Die Bibel nennt das die zweite Auferstehung, die „Auferstehung zum Gericht“ (Joh 5,29) oder die „Auferstehung der Ungerechten“ (Apg 24,15). Es ist eine Auferstehung „zu ewiger Schmach und Schande“ (Dan 12,2).

62

2.Makkabäer 12,42-46 gehört zu den nicht inspirierten atl. Apokryphen. In der Hebräischen Bibel ist dieser

Text, der im Gegensatz zu vielen biblischen Aussagen steht, nicht enthalten. Vgl. auch die unüberwindliche

Kluft zwischen Totenreich und Paradies in Lk 16,26! 63

John MacArthur, Die Herrlichkeit des Himmels. Die Wahrheit über Himmel, Engel und ewiges Leben. Dübendorf:

Verlag Mitternachtsruf, 2016, S. 56.57.

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Was ist das für ein Gericht vor dem grossen, weissen Thron Gottes? Hier wird das letztendliche Gericht über alle Ungläubigen aller Zeiten beschrieben (Mt 10,15; 11,22.24; 12,26.41.42; Lk 10,14; Joh 12,48; Apg 17,31; 24,25; Röm 2,5.16; Hebr 9,27; 2Petr 2,9; 3,7; Jud 6). Der „Tag des Zornes“ Gottes ist gekommen (Röm 2,5-11)64. Gott wird einmal jedem nach dem vergelten, was er getan hat (Mt 7,21; 16,27; Offb 20,12). Nicht alle werden das Gleiche empfangen, denn Gottes Gericht ist absolut gerecht (Mt 10,15; 11,21-24; 12,41.42). Neben den Büchern der Schuld und Anklage wird nachgeschaut, was für Namen im „Buch des Lebens“ oder „des Lammes“ aufgeschrieben wurden (Lk 10,20; Phil 4,3; Offb 3,5; 13,8; 20,12.15; 21,27). Nicht alle werden in diesem Gericht verurteilt werden; die im Tausendjährigen Reich zum Glauben gekommenen Menschen sind ja noch nicht gerichtet und werden auch vor dem grossen, weissen Thron erscheinen.

64

Paul Le Seur, a.a.O., S. 150, schrieb schon 1950: „Es ist vielleicht die ärgste Not, in der sich die Menschheit gerade in

den sogenannten christlichen Ländern heute befindet, dass sie die Botschaft vom Gericht nicht mehr ernst nimmt. Kann

man eigentlich Gott mehr verachten?“

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Was lehrt die Bibel über den Weltuntergang und die Weltvollendung? Im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht wird berichtet, dass das verunreinigte Universum vor dem Angesicht Gottes floh und zu existieren aufhörte (Offb 20,11). Manche denken hier eher an eine Befreiung (Röm 8,18-22) statt an eine Vernichtung der alten Schöpfung.65

5. These: Jesus hat es vorausgesagt: „Himmel und Erde werden vergehen“ (Mt 24,35). Unser Universum wird einmal durch Gottes Feuergericht zerstört werden (2Petr 3,7-12)66. Exakt davon berichtet uns der Apostel Petrus: „Doch der Tag, an dem der Herr sein Urteil spricht, wird so plötzlich und unerwartet da sein wie ein Dieb. Krachend werden dann die Himmel zerbersten, die Elemente werden sich auflösen und im Feuer verglühen, und die Erde wird verbrennen mit allem, was auf ihr ist… So erwartet ihr diesen Tag, an dem Gott kommt, und tut alles dazu, dass er nicht mehr lange auf sich warten lässt. Dann werden die Himmel im Feuer verbrennen und die Elemente in der Glut zerschmelzen. Wir alle aber warten auf den neuen Himmel und die neue Erde, die Gott uns zugesagt hat. Wir warten auf diese neue Welt, in der es endlich Gerechtigkeit gibt.“ (2Petr 3,10-13). Für mich sind das keine Bilder oder Symbole, die Petrus hier gebraucht, sondern die Schilderung des Weltuntergangs. Zweimal berichtet der Apostel davon, dass die „Elemente“67, die Grundstoffe, aus denen unser Weltall besteht, in einer unglaublichen Glut zerschmelzen. Und so wird unser Universum einmal mit gewaltigem Krachen oder Geprassel vergehen. Es wird zusammengerollt wie eine Buchrolle (Jes 34,4; Hebr 1,12; Offb 6,14). Gott wird dann ein neues Universum und eine neue Erde erschaffen, auf denen keine Spur von Sünde und des Bösen mehr zu finden sind: eine neue gerechte Welt!

65

Vgl. Randy Alcorn, Der Himmel. Was uns dort wirklich erwartet. Holzgerlingen: SCM Hännsler, 2013, S. 115-119

und Roland Hardmeier, Zukunft. Hoffnung. Bibel. Evangelikale und das Ende. Hamburg: mein Buch, 2005, S. 504ff. 66

Spöttern entgeht, „dass diese damalige Welt vernichtet wurde, und zwar ebenfalls auf Gottes Wort hin und ebenfalls

mit Hilfe von Wasser – dem Wasser der großen Flut. Genauso sind auch der jetzige Himmel und die jetzige Erde durch

dasselbe göttliche Wort zur Vernichtung bestimmt, allerdings zur Vernichtung durch das Feuer. Sie bleiben nur noch so

lange bestehen, bis der Tag des Gerichts da ist und die gottlosen Menschen dem Verderben ausgeliefert werden.“ (2Petr

3,6.7). 67

Das griechische Wort „stoicei/a“ muss laut Gerhard Delling, in: Gerhard F. Kittel (Hrsg.), Theologisches Wörterbuch

zum NT. Stuttgart: Kohlhammer, 1964, Bd. VII, S. 686.687, so übersetzt werden. Die Grundelemente waren damals

Erde, Wasser, Luft und Feuer. Atome kannte man ja noch nicht. Der Begriff kann auch Himmelskörper bedeuten.

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Was lehrt die Bibel über den Himmel? Wer ein spannendes Buch liest, sehnt sich nach dem Schluss – Wie geht alles aus? Betrachten wir das letzte Bild des spannendsten Buches der Menschheitsgeschichte (Offb 21,1-8)!

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. 8 Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.

6. These: Mit dem Paradies fängt die Heilige Schrift an, mit dem Paradies endet sie wieder.68 Doch der Abschluss ist viel gewaltiger als der Anfang. Dabei ist das zukünftige Paradies nicht nur das wiedergefundene alte, sondern das himmlische und ewig verklärte Paradies. Endlich sind wir am Ziel angekommen! Der Schreiber des Hebräerbriefs schildert das so: „Ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln, und zu der Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten“ (Hebr 12,22.23). Offb 21,1-8 ist ein Überblick über den „neuen Himmel und die neue Erde“ und Offb 21,9-22,5 eine detailliertere Schilderung der Herrlichkeit des neuen Jerusalems69.

68

So wie 1Mo 1 ein Gesamtüberblick über die ganze Schöpfung und 1Mo 2 eine detaillierte Schilderung des Garten

Edens sind. 69

Vgl. auch Jes 65,17-19!

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1. Was ist auf diesem Bild und was nicht (Offb 21,1-4)?

Was auf diesem Bild zu sehen ist:

Der weiteste Kreis: der „neue Himmel und die neue Erde“ (V. 1):

das Universum (nicht der 3. Himmel!)

Der nächstengere Kreis: „die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus

dem Himmel von Gott herabgekommen“ (V. 2)

Der innerste Kreis: Der Mittelpunkt der neuen Welt: „Siehe, das

Zelt Gottes bei den Menschen“! (V. 3)

Was auf diesem Bild nicht mehr zu sehen ist:

Der erste Himmel und die erste Erde und das Meer (V. 1)

Tränen, Tod, Trauer, Geschrei und Schmerz (V. 4)

2. Wer garantiert dafür, dass dies keine Utopie ist (21, 5.6)?

Gott selber spricht: „Siehe, ich mache alles neu!“ (V. 5a)

Gottes Worte sind „zuverlässig und wahrhaftig“ (V. 5b)

Garant ist der „Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“

(V. 6)

Daher ist sein Wort auch seine Tat: „Es ist geschehen“ (V. 6).

3. Wer ist auf diesem herrlichen Schlussbild und wer nicht (21,6b-8)?

Wer sich auf diesem Bild befindet:

Die nach Lebenswasser Dürstenden (V. 6b)

Die überwindenden Söhne Gottes (V. 7)

Wer ist nicht auf diesem Bild:

„Furchtbar aber wird es denen ergehen, die mich feige verleug-nen und mir den Rücken gekehrt haben, den Mördern und denen, die sexuell zügellos leben, allen, die Zauberei treiben und anderen Göttern nachlaufen, den Lügnern und Betrügern. Sie alle werden in den See aus brennendem Schwefel geworfen. Das ist der zweite, der ewige Tod." (V. 8; 22,14-17)

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4. Wie wird das neue Jerusalem aussehen? (21,9-22,5)?

Def.: Jerusalem, ist eine Stadt, aber auch die Tochter Zion, die Geliebte Jahwes. So war es im Alten Testament (Hos 1; 2; Jer 2; 3; Hes 16,23 u.a.). Das neue Jerusalem, das aus dem Himmel auf die Erde kommt, ist die Braut selbst, die Brautgemeinde der Erlösten (Offb 21,2.9.10), aber auch ein Ort, wo Menschen leben. Und dann ist Neu-jerusalem Gottes Wohnung bei den Menschen (Offb 21,3). Im gewissen Sinn ist sie auch die Welthauptstadt der neuen Welt.70 Wir haben es mit atl. geprägten Bildern zu tun!

Mauer und Tore (21,12-14): s. o.!

Die Grösse der Stadt: 2200 km in Würfelform (21,16); wie Tempel Sal. (1Kön 6,20)! Das ist allein eine Grundfläche von 5 Mio km2 ! Jesus versprach: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Joh 14,2)

Das Baumaterial (21,18-21): unvorstellbar schön!

Die Frage des Tempels (21,22.23) und seine Beziehung zu Hesekiel 40-48

Die Völker ausserhalb der Stadt (21,24-27; vgl. Jes 60,11!): Sind das gläubige Menschen, die nicht zu Israel und zur Gemeinde gehörten? Menschen wie Noah, Melchisedek, Naemann oder die zum Glauben gekommenen Völker aus dem Tausendjährigen Reich? Es sind keine „Heiden“: Sie sind ja auf der neuen Erde angekommen (21,1)!

Der Lebensstrom (22,1-3a); vgl. 1Mo 2,8-10 & Hes 47! V. 2: Heilen oder um Gesundheit und Energie zu behalten?71

Die Bürger der Stadt (22,3b-5): „Und der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt sein, und seine Knechte werden ihm dienen und sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein. Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie bedürfen keiner Leuchte und nicht des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

70 Vgl. dazu die Auslegung von Hans-Jörg Ronsdorf: Gottes Lamm, Golgota und die Ewigkeit. Eine

Verteidigung des Sühnetodes Christi und des ewigen Gerichts, Höfen: Distomos 2015, S. 96ff. Ronsdorf denkt hier an

„mixed metaphors“ (vielfältiges und mehrdeutiges Bild). „Weil es ein Drinnen und Draußen gibt, ist das neue Jerusalem

gleichfalls ein Bild für die neue Schöpfung selbst.“ 71

Randy Alcorn, a.a.O., S. 179.

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Das Schönste kommt noch: Das wird das Allerherrlichste von allem sein!

„Das Licht des Himmels wird das Angesicht Gottes und des Lammes sein, die Freude des Himmels die Gegenwart des Herrn, die Schönheit des Himmels die Vollkommenheit Gottes, die Dauer des Himmels die Ewigkeit Gottes, die Wärme des Himmels die Liebe Gottes, die Harmonie des Himmels der Lobpreis des Herrn, die Melodie des Himmels der Name Jesu, das Thema des Himmels das Werk Jesu, die Arbeit des Himmels der Dienst Jesu, die Fülle des Himmels der unergründliche Gott in Person.“72

72

Capt. R. Wallis, Heaven, Home of the Redeemed; zitiert nach René Pache, Das Jenseits. Wuppertal: Brockhaus, 1973,

S. 203.

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7. These: Die himmlische Herrlichkeit sprengt unser Vorstellungs-vermögen total. Uns fehlen einfach die Worte und Begriffe dafür. „Der Himmel ist das Ziel aller Ziele, der höchste aller Gipfel, die allertiefste Befriedigung der allertiefsten Sehnsüchte.“ (C. S. Lewis) Immer wenn die Propheten der Bibel einen Blick in den Himmel tun durften, sahen sie eine unvorstellbare Herrlichkeit. Jesaja, Hesekiel und Daniel waren davon völlig überwältigt, genauso der Apostel Johannes.73

Paulus schreibt: „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (1Kor 2,9).

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass das menschliche Auge nur ein begrenztes Farbspektrum der Millionen von verschiedenen Farben im Lichtstrahl wahrnehmen kann. Dasselbe gilt auch für unser Gehör. Selbst die schönsten Konzerte enthalten nur eine begrenzte Klangbreite, die unser Ohr wahrnehmen kann. Es gibt noch unzählige Töne, die wir nicht hören. „In diesem Sinn darf das Wort aus 1. Korinther 2,9 ganz real genommen werden, dass die himmlische Herrlichkeit einmal alles bei weitem sprengt, was wir auf dieser Erde an den schönsten Klang- und Farbtönen kennen.“74

Was es im Himmel nicht mehr geben wird!75

Der Himmel ist nicht nur wegen all dem Guten, das darin ist, wunderbar, sondern auch deshalb, weil es nichts Böses mehr geben wird, das das Gute verdunkeln kann.

Im Himmel gibt es:

- Keine Tränen (Offb 21,4) - Keinen Schmerz (21,4) - Keine Sonne (21,23) - keinen Mond (21,23) - Kein Meer (21,1) - Keine Nacht (21,25) - Keine Unsicherheit (21,25) - Keine Sünde (21,27) - Keine Krankheit (22,2) - Kein Verbanntes (22,3) - Keinen Tod (21.4)

- Kein Leid (21,4) - Kein Geschrei (21,4) - Keine Leuchte (22,5) - Kein irdisches Licht (22,5) - Keinen Versucher (20,10) - Keinen Hunger (7,16) - Keinen Durst (7,16) - Keine Hitze (7,16) - Keine Verdammnis (Röm 8,1) - Keine Trennung (Röm 8,18.39) - Keine Zeit, alles ist ewig (Offb 10,6)

73

Z. B. in Jes 6, Hes 1, Dan 7 und die Offenbarung, in der mehr als 50 mal das Wort „Himmel“ auftaucht. 74

Johannes Pflaum, Himmel und Hölle – was lehrt die Bibel? Bibel und Gemeinde 1/2017; S. 14. 75

Siehe zum Folgenden: René Pache, a.a.O., S.220!

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Und niemand wird all das vermissen!

Im Himmel wird alles vollkommen sein, auch die Erlösung!

Vollkommene, heilige und reine Erlöste (Offb 6,11; 7,14)

Vollkommen frei vom Bösen und der Sünde (Offb 21,27)

Vollkommene Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm (1Joh 1,3; Offb)

Vollkommene Erkenntnis (1Kor 13,12)

Vollkommene Freude (Ps 16,11; Mt 25,23)

Vollkommener, ewiger Trost (Lk 16,25; Offb 21,4)

Vollkommene Liebe (1Kor 13,13)

Vollkommener, verherrlichter Körper (1Joh 3,2)

Vollkommene Beziehungen zu Gläubigen aller Zeiten Usw.

Im Himmel wird es uns nie langweilig werden!

Der Theologe A. A. Hodge schreibt76: „Der Himmel, die ewige Heimat des Gottmenschen und aller erlösten Menschen, muss in seiner Struktur, seinen Bedingungen und Tätigkeiten notwendigerweise durch und durch menschlich sein. Seine Freuden und Tätigkeiten müssen alle zweckmäßig, moralisch, emotional, freiwillig und aktiv sein. Alle Fähigkeiten müssen eingesetzt, jeder Geschmack befriedigt, alle Begabungen entwickelt und alle Ideale verwirklicht werden. Der Verstand, die geistige Wissbegierde, die Vorstellungskraft, das Empfinden für Schönheit, heilige Ergriffenheit, gesellschaftliche Beziehungen, die unerschöpflichen Kraftquellen der menschlichen Seele, all das muss im Himmel ausgeübt und befriedigt werden. Auch müssen wir immer ein Ziel vor Augen haben, auf das wir hinarbeiten, eine Zukunft… Der Himmel wird sich als die vollendete Blume und Frucht der gesamten Schöpfung und der ganzen Geschichte des Universums herausstellen."

Freust Du dich jetzt schon auf den Himmel?

76

A. A. Hodge, Evangelical Theology; zitiert nach: Randy Alcorn, a.a.O., S. 80.

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Was lehrt die Bibel über die Hölle? Weil Jesus der Herr über den Tod ist und den Tod überwunden hat (Offb 1,18), dürfen auch die Ungläubigen am letzten Tag dieser alten Erde vom Tod auferstehen. Im „jüngsten Gericht“ wird ihnen aber klar, warum sie verlorene Menschen sind: Sie haben das Angebot der Errettung durch Jesu Gnade nicht annehmen wollen und sich dadurch dafür entschieden, ihre Ewigkeit ohne den Sohn Gottes zu verbringen.77

8. These: „Die Hölle ist der Ort, aus dem sich Gott vollständig zurückgezogen hat und es keine Spur mehr von dem wahren Leben, welches in Christus ist, geben wird.“78 Niemand kommt in die Hölle, weil er gesündigt hat. Denn alle Menschen haben gesündigt (Röm 5,12). Doch die an Christus Glaubenden haben sich mit dem ewigen Leben beschenken lassen (Röm 6,24), jedoch andere nicht. Für sie ist es nun „furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes (ihres Richters) zu fallen“ (Hebr 10,31).

Das Los der Verlorenen Die Bibel schildert den Zustand der Verlorenen folgendermassen: Sie spricht von „äusserster Finsternis“ (Mt 8,12) und „ewigem Verderben“ (2Thess 1,9), von „Bedrängnis und Angst“ (Röm 2,9) und von „Heulen und Zähneknirschen“ (Mt 12,13; 25,30). Sie redet von einem „Feuerofen“ (Mt 13,42.50), einem „Gefängnis“ (Mt 5,25) oder „Abgrund“ (2Petr 2,4), von einer „Hölle“ und von „ewiger Strafe“ (Mt 25,46). Sie redet von einem „Wurm, der nicht stirbt“ (Mk 9,48), einem „Feuer, das nicht erlischt“ (Mt 25,41; Mk 9,44.46) und von einem „See, der mit Feuer und Schwefel brennt“ (Offb 19,20; 20,10-15): „Der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Offb 14,11; 20,10).

Falsche Vorstellungen über die Hölle Natürlich haben wir es hier mit Bildern zu tun, die das Unbeschreibliche veranschaulichen sollen. Wenn Jesus Christus (und zwar 11 Mal79) von der Hölle spricht, dann gebraucht er im Griechischen das Wort „Gehenna“, das für das Hinnomtal (Ben-Hinnom) im Südwesten von Jerusalem steht. Dort erlaubten die Könige Ahas und Manasse während ihrer Regierungszeit Menschenopfer (2Kön 23,10; 2Chron 28,3; 33,6), für die Götzen Baal und Moloch (Jer 32,35). Deshalb wurde es auch das „Tal des Schlachtens“ genannt (Jer 7,31.32; 19,6). Zur Zeit Jesu war es eine Müllgrube, in der ständig Feuer brannte und wo es furchtbar stank.

77

Was ist mit den Menschen, die nie das Evangelium gehört haben? Gott wird sie aufgrund der Erkenntnis und des

Lichts, das sie hatten, beurteilen. Sie konnten den Schöpfer in der Schöpfung erkennen (Röm 1,20ff). Suchten sie den

Schöpfergott? Ausserdem hatten sie von Gott ein Gewissen erhalten, das sie auf das Gute und Böse aufmerksam machte

(Röm 2,13-16). Gehorchten sie ihrem Gewissen? Gott weiss ja auch in seiner Allwissenheit, wie sie reagiert hätten, wenn

sie das Evangelium gehört hätten. Ausserdem ist klar, dass Gott über die „Zeit der Unwissenheit“ hinweg sieht (Apg

17,30). Daher ist es für mich auch klar, dass unmündige Kinder, die gestorben sind, einmal bei Jesus im Himmel sein

werden (vgl. auch Mk 10,14). 78

Johannes Pflaum, a.a.O., S. 18. 79

Mt 5,22.29.30; 10,28; 18,9; 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; im NT sonst nur noch in Jak 3,6!

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Die ganze Halde war manchmal von Maden befallen und die Leichen von Verbrechern warf man einfach dorthin80. Ein passendes Bild für die Hölle, das man nicht wörtlich nehmen darf! Leider wurden aufgrund dieser Bildsprache in der Vergangenheit Schindluder getrieben. Man hat im Mittelalter die Höllenqualen ausgemalt, um Menschen für den Ablasskauf und die Kirche gefügig zu machen. Diese Angstmacherei stellte nicht nur ein Missbrauch der biblischen Aussagen dar, sondern führte auch dazu, dass die Menschen die Existenz der Hölle in Frage stellen und mitleidig die belächeln, die noch an so etwas Veraltetes und Falsches glauben würden. Genauso wurde der gefallene Lichtengel Luzifer fälschlicherweise als Chef der Hölle dargestellt, denn er wir dort erst in Zukunft zusammen mit anderen gequält werden (Offb 20,10). Im christlichen Mittelalter wurde das Bild des griechischen Hirtengottes Pan für die Darstellung des Teufels übernommen. Dabei erfuhren auch die bis dahin positiven Attribute der Bocksfüße und der Kopfhörner als Zeichen des dionysischen Rausches und der Lust eine Umdeutung im Sinne einer negativ gedeuteten „Wollust“.81 Fakt ist: „Die Verdammten führen ein qualvolles Leidensleben ohne Hoffnung des Entrinnens und ohne die Möglichkeit der Befriedigung oder Betätigung ihrer sündlichen Lüste und Triebe, Das ‚Heulen‘ ist ein Ausdruck des übermässigen Leidens, das ‚Zähneknirschen‘ der ohnmächtigen Angst und Wut der Verdammten.“82

Falsche Lehren in Bezug auf die Hölle

Universalismus, Allversöhnung Der christliche Universalismus (auch bekannt als Allversöhnung), macht geltend, dass Liebe das höchste Attribut Gottes ist, das alle anderen übertrumpft. Seine Liebe reicht über das Grab hinaus, um alle jene zu retten, welche Christus während ihres Lebens zurückweisen. Sogar gefallene Engel und der Teufel selbst werden eines Tages Buße tun, von der Hölle befreit werden und in den Himmel hineinkommen. Es darf kein Wesen im Universum übrig gelassen werden, das von der Liebe Gottes nicht erobert wird; daher der Begriff Allversöhnung.

Dagegen spricht83:

Gottes Liebe und Helligkeit, seine Gnade und sein Gericht schliessen einander nicht aus, sondern gehören in seiner göttlichen Person zusammen.

Gott ist ein Gott der Liebe und hat daher für eine ewige Erlösung gesorgt, wer sie jedoch ablehnt, geht ohne Rettung in das ewige Verderben.

Wer zeit seines Lebens Gottes Einladung ausschlägt, kann nach dem Tod

80

Vgl. John MacArthur, Studienbibel, S. 1313 und Johannes Pflaum, a.a.O., S. 18. 81

Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Pan_(Mythologie) 82

Theodor Haarbeck: Biblische Glaubenslehre. Giessen/Basel: Brunnen-Verlag 1956, S. 224. Der gleiche Verlag brachte

2011 das Buch von Rob Bell, Das letzte Wort hat die Liebe. Über Himmel und Hölle und das Schicksal jedes Menschen,

der je gelebt hat, heraus. Seine Argumentation läuft letztlich auf einen christlichen Universalismus, auf die

Allversöhnung, hinaus. 83

Vgl. : http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/bibel/allversoehnung.html

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seine Entscheidung nicht mehr korrigieren.

Das Wort "ewig" (aionios) im Blick auf Verdammnis und Hölle grundsätzlich nur als begrenzte Zeitspanne anzusehen, ist biblisch nicht zu begründen! Allein schon Mt 25,46 (vgl. Röm 16,26; Hebr 9,14) verbietet diese willkürliche Auslegung. „Ewig“ ist das Leben Gottes (Röm 16,26), das Leben Jesu (Joh 12,34; Offb 1,18) und das ewige Leben der Glaubenden (44 Mal bei Johannes). „Ewig“ ist jedoch auch die Verdammnis (Offb 14,11; 20,10), also ohne Ende.

Wir tun der Bibel Gewalt an, wenn wir konstruieren, dass Paulus tiefere Erkenntnisse zuteil geworden seien, die die klaren Aussagen über die ewige, endgültige Verlorenheit – von Matthäus bis Offenbarung bezeugt – aufheben.

Die unbedingte Dringlichkeit des Heilsangebots wird so enorm abgeschwächt. Die Bibel lehrt: "Jetzt ist der Tag des Heils"; die Zeit der Gnade und Umkehr ist begrenzt (2Kor 6,1-2; 2.Petr 3,9).

Annihilationslehre (Konditionalsmus) Da der Mensch nicht unsterblich sei und Sündern mit Tod und Vernichtung gedroht wird (Ps 73,27; Mal 3,19; 2Petr 2,12), würde Gott in seiner Liebe keine ewige Strafe vollziehen, sondern schlussendlich die Sünder für immer vernichten oder sie verlieren wenigstens ihr quälendes Bewusstsein. Doch wir haben es soeben schon bewiesen, dass Sünder weiterleben (Mt 25,46; Offb 14,11; 20,10). Ausserdem werden die Gottlosen unterschiedlich hart bestraft werden (Lk 12,47.48; Röm 2,12).84

Es gibt keine ewige Verdammnis! 1. Die Lehre von der ewigen Verdammnis widerspricht dem Gedanken, dass Gott Liebe ist. Dagegen sprechen: 1. Mose 34,6-7; 2. Petrus 3,9; 1. Timotheus 2,3-4 2. Es ist ungerecht, wenn Gott Menschen ewig für zeitliche Sünden bestraft. Dagegen spricht Offenbarung 20,14-15 3. Wie nur können Menschen im Himmel glücklich sein, wenn sie daran denken, dass ihre Angehörigen im Feuersee sind? Dagegen spricht: Offenbarung 21,3-4 4. Wie kann ein liebender Gott den Menschen erschaffen, obgleich er weiss, dass viele Menschen die Ewigkeit in schrecklicher Gottesferne zubringen werden? Dagegen spricht 1. Mose 1,31 5. Wie könnte ein liebender Gott die Menschen in der Verdammnis belassen, obwohl sie ihre Gesinnung geändert haben? Dagegen sprechen: Offenbarung 6,12-17; Johannes 14,6

84

Vgl. dazu Louis Berkhof, Grundriss der biblischen Lehre, Waldems-Esch: 3L-Verlag, 2012, in seine Lehre von den

letzten Dingen

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Himmel oder Hölle – einen dritten Ort gibt es nicht!

9. These: In diesem Leben entscheiden wir, wo wir unsere Ewigkeit verbringen werden – bei Gott oder in der Gottverlassenheit.

Heute noch gilt Jesu Angebot klipp und klar:

„Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber nicht auf ihn hört, wird nie zum Leben gelangen, sondern Gottes Zorn wird für immer auf ihm lasten“ (Joh 3,36).

„Ich sage euch die Wahrheit: Wer meine Botschaft hört und an den glaubt, der mich gesandt hat, der wird ewig leben. Ihn wird das Urteil Gottes nicht treffen, denn er hat die Grenze vom Tod zum Leben schon überschritten.“ (Joh 5,24)

"Geht durch das enge Tor! Denn das Tor zum Verderben ist breit und ebenso der Weg dorthin! Viele Menschen gehen ihn. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dorthin ist schmal. Deshalb finden ihn nur wenige." (Mt 7,13)

„Die Tür ist eng. Setzt alles dran, hineinzukommen! Denn ich sage euch: Viele werden es versuchen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“ (Lk 13,24)

Können wir es wissen, ob wir in den Himmel kommen oder nicht?

„Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“ (1Joh 5,12.13)

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Die Pascalsche Wette85: Pascals Argument lautet, dass eine Analyse der Optionen hinsichtlich des Glaubens an Gott zu folgenden Resultaten führt:

Man glaubt an Gott, und Gott existiert – in diesem Fall wird man belohnt (Himmel – Man hat gewonnen).

Man glaubt an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man nichts (verliert aber auch nichts).

Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man ebenfalls nichts (verliert aber auch nichts).

Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert – in diesem Fall wird man bestraft (Hölle – Man hat verloren).

Aus dieser Analyse der Möglichkeiten folgerte Pascal, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben.

Wir werden einmal darüber staunen, wer im Himmel sein wird, aber auch darüber, wer nicht da sein wird! Ich schliesse mit einem Lied von Manfred Siebald:

Das wird ein Staunen geben, ein Köpfeverdrehn, wenn wir nach diesem Leben vor Jesus stehn und wenn wir – voll Hoffnung und doch beklommen – dann endlich zu sehn bekommen, wer von ihm verstoßen wird, wer angenommen. Da werden wir manche finden, die wären nicht mehr zu retten und stürben in ihren Sünden, wenn wir zu richten hätten. Doch Gott wird auf jene sehen, die seine Vergebung wollten, und mancher wird zu ihm gehen, auch wenn ihm die Menschen grollten. Und manche, die immer dachten, sie könnten mit guten Werken sich Plätze im Himmel pachten, werden ihren Irrtum merken. Denn Gott wird nach jenen schauen, die sich ganz auf ihn verließen, doch denen, die sich vertrauen, wird er dann die Tür verschließen. Dann werden wir plötzlich schweigen und nicht mehr nach andern fragen; auf uns wird dann Jesus zeigen und uns selbst das Urteil sagen. Auf einmal wird klein und nichtig, wie gut wir uns selber fanden. Dann ist nur das eine wichtig: Wie wir hier zu Jesus standen. Das wird ein Staunen geben, ein Köpfeverdrehn, wenn wir nach diesem Leben vor Jesus stehn und wenn wir – voll Hoffnung und doch beklommen – dann endlich zu sehn bekommen, wer ihn hier verstoßen hat, wer angenommen.

Jürgen Neidhart 85

Blase Pascal (1623-1662), Gedanken über die Religion, 1669.