einfluss von shared decision-making (sdm) auf die...

59
Einfluss von Shared Decision-Making (SDM) auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen mit Hilfe berufsbezogener Interventionen in der medizinischen Rehabilitation Förderkennzeichen: 01GX0723 Förderschwerpunkt zur Versorgungsnahen Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung (Modul 2: Rehabilitative Versorgung der Deutschen Rentenversicherung; Themenfeld 3: Organisation einer partizipativen Versorgungsgestaltung) Projektzeitraum: 01.04.2008 bis 31.12.2011 Christian Gerlich, Matthias Lukasczik, Silke Neuderth 28. Juni 2012 Korrespondenzadresse Christian Gerlich, Dr. Silke Neuderth E-Mail: [email protected] Tel.: 0931-31-82038 Universität Würzburg Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften Klinikstraße 3, 97070 Würzburg

Upload: phunghanh

Post on 30-Mar-2019

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Einfluss von Shared Decision-Making (SDM)

auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen

mit Hilfe berufsbezogener Interventionen in der medizinischen Rehabilitation

Förderkennzeichen: 01GX0723

Förderschwerpunkt zur Versorgungsnahen Forschung – Chronische Krankheiten und Patientenorientierung

(Modul 2: Rehabilitative Versorgung der Deutschen Rentenversicherung; Themenfeld 3: Organisation einer partizipativen Versorgungsgestaltung)

Projektzeitraum: 01.04.2008 bis 31.12.2011

Christian Gerlich, Matthias Lukasczik, Silke Neuderth

28. Juni 2012

Korrespondenzadresse Christian Gerlich, Dr. Silke Neuderth E-Mail: [email protected] Tel.: 0931-31-82038 Universität Würzburg

Abteilung für Medizinische Psychologie,

Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften

Klinikstraße 3, 97070 Würzburg

1

Inhalt

1. Hintergrund 5

1.1. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) 5

1.2. Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) 7

2. Fragestellung 8

2.1 Hauptfragestellungen 8

2.2 Nebenfragestellungen 8

3. Umsetzung 9

3.1. MBOR-Kontext in den beteiligten Rehabilitationskliniken 9

3.2. Implementierung des PEF-Ansatzes 10

4. Methode 14

4.1. Quantitativ zu beantwortende Fragestellungen 14

4.1.1. Design und Erhebungsinstrumente 14

4.1.2. Datenerhebung 17

4.1.3. Stichprobe 18

4.1.4. Auswertungsverfahren 20

4.2. Qualitativ zu beantwortende Fragestellungen 22

5. Ergebnisse 24

5.1. Ergebnisse der quantitativen Datenanalyse 24

5.1.1. Zielgrößen im Vergleich vor und nach Implementierung des PEF-Ansatzes 24

5.1.2. Formen der Patientenorientierung 30

5.1.3. Zielgrößen im Vergleich für verschiedene Formen der

Patientenorientierung

33

5.2. Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse 40

6. Diskussion 42

7. Literatur 52

8. Anhang 59

A1 Behandlerschulung

A2 Patientenbroschüren

A3 Decision communication aids

A4 Studienmaterialien

A5 Statistische Auswertungen

A6 Publikationen und Vorträge

A7 Tabellarischer Projektverlauf

2

Tabellen

Tabelle 1: Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung

Tabelle 2: MBOR-Angebote in den Kooperationskliniken

Tabelle 3: Erhebungsinstrumente

Tabelle 4: Stichprobenentwicklung

Tabelle 5: Ein- und ausgeschlossene Studienteilnehmer

Tabelle 6: Stichprobenbeschreibung

Tabelle 7: Vergleich vor und nach Implementieren des PEF-Ansatzes

Tabelle 8: Latent-Class-Analysen zur Festlegung der Rehabilitandenklassen

Tabelle 9: Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung als Grundlage

zur Differenzierung der Formen der Patientenorientierung

Tabelle 10: Verteilung der 283 Rehabilitanden auf die Formen der Patientenorientierung

Tabelle 11: Beschreibung der Rehabilitandenklassen

Tabelle 12: Vergleich nach Formen der Patientenorientierung

Abbildungen

Abbildung 1: Beispiel decision communication aids

Abbildung 2: Beispiel Patientenbroschüre (Auszug)

Abbildung 3: Ablauf der Datenerhebung

Abbildung 4: Berufsbezogene Behandlungsmotivation

Abbildung 5: Zufriedenheit mit Indikationsgespräch und Entscheidung

Abbildung 6: Zufriedenheit mit der MBOR-Behandlung

Abbildung 7: Subjektive Einschätzungen 12 Monate nach Rehabilitation

Abbildung 8: Partizipative Entscheidungsfindung

Abbildung 9: Berufsbezogene Behandlungsmotivation

Abbildung 10: Zufriedenheit mit Indikationsgespräch und Entscheidung

Abbildung 11: Zufriedenheit mit der MBOR-Behandlung

Abbildung 12: Subjektive Einschätzungen 12 Monate nach Rehabilitation

Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im gesamten Text die männliche Form in ihrer generischen Bedeutung für beide Geschlechter gebraucht. Mit Rehabilitanden sind also immer auch Rehabilitandinnen gemeint, mit Behandlern immer auch Behandlerinnen.

3

Zusammenfassung

Der Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung wurde in das Indikationsgespräch im

Rahmen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) integriert, um den Ein-

fluss auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen und die Zufriedenheit mit

dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen Entscheidung zu untersuchen. Ärzte und

Behandler wurden entsprechend den von Simon et al. (2008b) vorgeschlagenen Prozessschrit-

ten der Partizipativen Entscheidungsfindung geschult. Darüber hinaus konnten sich die Rehabi-

litanden mit besonderen beruflichen Problemlagen über die einzelnen arbeits- und berufsbe-

zogenen Maßnahmen der Klinik informieren, um sich vor dem Indikationsgespräch mit dem

Angebot auseinandersetzen und am Indikationsgespräch als informierte Partner teilnehmen zu

können.

Vor und nach Einführung des Ansatzes wurden zwei unabhängige Stichproben von Rehabili-

tanden mit besonderen beruflichen Problemlagen zu den Zielgrößen Motivation und Zufrie-

denheit sowie zur erlebten partizipativen Einbindung befragt. Es zeigten sich aber weder in

den Maßen zur berufsbezogenen Behandlungsmotivation noch in denen zur Zufriedenheit be-

deutsame Unterschiede zwischen den Erhebungskohorten. Zurückgeführt wurde dies darauf,

dass sich die Einbindung in die Behandlungsentscheidung aus Sicht der Rehabilitanden auf-

grund der Schulung für Ärzte und Behandler nicht verändert hatte.

Allerdings konnten vier patientenorientierte Interaktionsformen auf Basis einer Latent Class-

Analyse für die Antworten im Fragebogen zur Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF-FB-9,

Kriston et al. 2010) unterschieden werden:

[1] Partizipative Entscheidungsfindung. Rehabilitanden berichteten die strukturierte Ein-

bindung in die Behandlungsentscheidung entsprechend aller neun definierter Prozess-

schritte der Partizipativen Entscheidungsfindung.

[2] Eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich Rehabilitanden am Entschei-

dungsprozess beteiligt erlebten, ohne dass jedoch die strukturierte Einbindung er-

reicht wurde, wie sie für den Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung kenn-

zeichnend ist (sechs der neun definierten Prozessschritte).

[3] Eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich Rehabilitanden nicht am Ent-

scheidungsprozess beteiligt erlebten (fünf der neun definierten Prozessschritte).

[4] Keine patientenorientierte Interaktionsform (keiner der neun definierten Prozess-

schritte).

Rehabilitanden, die sich strukturiert im Sinne der Partizipativen Entscheidungsfindung in das

Indikationsgespräch eingebunden erlebten, waren am zufriedensten. Rehabilitanden, die eine

patientenorientierte Interaktion erlebt haben, waren unabhängig von der Tatsache, ob sie sich

an der Entscheidung beteiligt erlebten, zufriedener als die, die keine patientenorientierte In-

4

teraktion erlebten. Für die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen zeigten sich

allerdings auch hier keine Unterschiede.

Auch wenn der Wirknachweis dafür, dass durch Partizipative Entscheidungsfindung die Moti-

vation zur Bearbeitung der beruflichen Problemlage verbessert werden und eine höhere Zu-

friedenheit erreicht werden kann, nicht erbracht werden konnte, so lassen die Erfahrungen bei

der Durchführung der Untersuchung es dennoch empfehlenswert erscheinen, Partizipative

Entscheidungsfindung im Bereich der MBOR zu etablieren und Ärzte und Therapeuten hierin

weiterzubilden. Denn eine fundierte Wissensbasis in Bezug auf das Konzept der Partizipativen

Entscheidungsfindung und die Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Konzepten stellt die

Voraussetzung dar, Partizipative Entscheidungsfindung als Teil der Patientenorientierung im

Gesundheitswesen für den Bereich der MBOR weiter zu erschließen.

.

5

1. Hintergrund

1.1. Partizipative Entscheidungsfindung

Das Konzept der Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) ist ethisch begründet und politisch

gewollt, um mehr Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu realisieren (Braddock, 2010;

Härter, 2004). Kerngedanke des Ansatzes ist es, Patienten als gleichberechtigte Partner explizit

in den Therapieentscheidungsprozess einzubinden. Partizipative Entscheidungsfindung ist die

Übertragung des „Shared Decision-Making“-Modells zur partnerschaftlichen Arzt-Patient-

Beziehung ins Deutsche (Härter et al., 2005). In diesem in der internationalen Literatur be-

schriebenen Modell hat sich im Zuge von Bürgerrechts- und Verbraucherbewegungen die Kri-

tik am biomedizinisch fokussierten Krankheitsmodell gebündelt, verbunden mit der Forderung,

die Subjektivität des Patienten wieder stärker ins Blickfeld zu rücken (z.B. Charles et al., 1997;

Emanuel & Emanuel, 1992; Loh & Härter, 2005; Scheibler & Pfaff 2003;). Die mit dem Modell

formulierten Grundgedanken trafen auf große Resonanz und wurden von zahlreichen Autoren

in der medizinischen Literatur aufgenommen, so dass inzwischen kritisiert wird, dass die Be-

schreibungen zu Shared Decision-Making und zur Partizipativen Entscheidungsfindung zum Teil

uneinheitlich und auch inkonsistent zu den gegebenen Definitionen Verwendung finden

(Moumjid et al. 2007; Rockenbauch & Schildmann 2010). Eine konkrete Operationalisierung

des Ansatzes wurde durch den Förderschwerpunkt „Patient als Partner im medizinischen Ent-

scheidungsprozess“ des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung befördert

(Knieps, 2005) und spiegelt sich in der Definition in Form von neun umschriebenen Prozess-

schritten wider (Simon et al., 2008b). Diese Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungs-

findung sind in Tabelle 1 wiedergegeben.

Tabelle 1: Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung (Simon et al., 2008b)

1. Mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht

2. Gleichberechtigung der Partner formulieren

3. Über Wahlmöglichkeiten informieren

4. Über Vor- und Nachteile der Optionen informieren

5. Verständnis, Gedanken und Erwartungen erfragen

6. Präferenzen ermitteln

7. Aushandeln

8. Gemeinsame Entscheidung herbeiführen

9. Vereinbarung zur Umsetzung der Entscheidung treffen

6

Der Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung trifft auch auf Patientenseite allgemein

auf breite Zustimmung (Coulter & MacGee, 2006; Isfort et al., 2007). Für die im Gesundheits-

wesen Tätigen ist der Ansatz aber mit besonderen kommunikativen Anforderungen verbun-

den. Zwar verfolgt ärztliche Kommunikation immer die übergeordneten Ziele der Herstellung

bzw. Aufrechterhaltung einer guten Arzt-Patient-Beziehung, dem Austausch von Informatio-

nen und dem Treffen von Entscheidungen und erreicht es daher (mehr oder weniger gut), die

professionelle Sprachwelt des Arztes der in Laiensprache formulierten Erlebenswelt des Pati-

enten anzunähern (Hoefert, 2010). Für die Umsetzung des Ansatzes der Partizipativen Ent-

scheidungsfindung ergeben sich jedoch darüber hinausgehende kommunikative Herausforde-

rungen. So wird es u.a. notwendig, die medizinische Problemstellung, für die eine Entschei-

dung zu treffen ist, präzise und gleichzeitig verständlich definieren zu können, eine Gleichwer-

tigkeit zwischen dem nicht-professionellen (Patient) und professionellen (Arzt) Rollenstatus für

den Entscheidungsprozess vermitteln zu können, die Behandlungsalternativen (sofern gege-

ben) aufzuzeigen, dabei das Verständnis des Patienten für diese zu prüfen sowie seine Ideen,

Bedenken und Erwartungen diesbezüglich zu explorieren und den implizit kommunizierten

Beteiligungswunsch des Patienten erkennen zu können (Elwyn et al. 2005). Deswegen werden

für die Umsetzung des Ansatzes in die Versorgungspraxis Fortbildungen in ärztlicher Ge-

sprächsführungs- und Kommunikationskompetenz empfohlen (Simon et al., 2008a).

Internationale Reviews zur Evidenzbasierung der partizipativen Einbindung des Patienten in

Behandlungsentscheidungen bestätigen, dass mit diesem patientenorientierten Ansatz mehr

Krankheits- und Behandlungswissen an die Patienten vermittelt wird, die Patienten sich infor-

mierter fühlen, realistischere Erwartungen an die Behandlung haben und für die Behandlungs-

entscheidung eine größere Übereinstimmung mit eigenen Werten und Haltungen erreicht

werden kann (Auerbach, 2000; Joosten et al. 2008; Loh et al., 2007; O'Connor et al., 2003;

Stewart, 1995). Für die Annahme, dass SDM auch mit besseren Behandlungsergebnissen ein-

hergeht, zeigt sich jedoch noch kein einheitliches Bild in Bezug auf die empirische Bestätigung.

Zum einen liefern die Überblicksarbeiten empirische Hinweise darauf, dass Partizipative Ent-

scheidungsfindung positive Auswirkungen auf die Adhärenz und aktive Krankheitsbewältigung

hat. Eine generelle Wirksamkeit kann jedoch nicht als gesichert angesehen werden, da der

Nachweis für biomedizinische Krankheitsparameter noch aussteht (Joosten et al., 2008; Loh et

al., 2007;). Die genauen Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit die Einbindung des Pati-

enten in die Behandlungsentscheidung auch mit nachweisbar besseren Behandlungsergebnis-

sen einhergeht – und insbesondere die Frage, welche vermittelnden Prozesse (Loh et al., 2007)

bei den unterschiedlichen Gesundheitsproblemlagen und Behandlungsoptionen wirken – sind

noch nicht ausreichend bekannt. Empirisch gut belegt hingegen ist, dass durch Partizipative

Entscheidungsfindung die Patientenzufriedenheit gefördert werden kann. Da Patientenzufrie-

denheit für die Evaluation der Versorgungsqualität ein wichtiges Zielkriterium darstellt (Jacob,

2002), soll der Einfluss von Partizipativer Entscheidungsfindung auf diese Qualitätsdimension

untersucht werden.

7

1.2. Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR)

Partizipative Entscheidungsfindung ist im Kontext der medizinischen Rehabilitation wiederholt

beschrieben worden (Faller, 2003; Körner et al., 2011; Simon et al., 2008b). Für den Bereich

der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) liegen jedoch noch keine wissen-

schaftlichen Erkenntnisse vor. Insbesondere für die gesetzliche Rentenversicherung, für die

das Ziel der Sicherung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Rehabilitanden im

Vordergrund steht, ist es von großer Relevanz, Aspekte des Arbeitslebens als wichtige Kontext-

faktoren im Sinne der ICF (WHO, 2001) konzeptuell und therapeutisch zu berücksichtigen, da

diese die Rückkehr ins Erwerbsleben wesentlich mitbestimmen (Schott, 2005). Arbeits- und

berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation bezeichnet daher die ver-

stärkte Ausrichtung des Rehabilitationsprozesses auf gesundheitsrelevante Faktoren des Ar-

beitslebens und deren frühzeitige Identifikation sowie das Angebot an Rehabilitationsleistun-

gen, die gezielt auf den Lebensbereich Arbeit und Beschäftigung zugeschnitten sind (Lukasczik

et al., 2011).

In diesem Kontext haben sich Forschung und Praxis in den letzten Jahren nicht nur mit der

Entwicklung von Screening-Instrumenten beschäftigt, die geeignet sind, Patienten mit berufli-

chen Problemlagen zu identifizieren (Bürger & Deck, 2009; Löffler et al., 2009; Streibelt, 2009;

Streibelt & Bethge, 2008) sondern es wurden auch unterschiedliche berufsbezogene Behand-

lungsangebote entwickelt und evaluiert (Bethghe, 2010; Bethge et al., 2010; Koch & Hillert,

2009; Streibelt, 2007). Das breite Spektrum an berufsbezogenen Behandlungsangeboten kann

den Kernbereichen der Belastungserprobung, Arbeitsplatztraining und Arbeitstherapie, For-

men der Einzelberatung und Arbeits- und berufsbezogene Gruppenangebote zugeordnet wer-

den (Löffler et al., 2011). Rehabilitationseinrichtungen mit MBOR-Schwerpunkt halten in der

Regel mehrere Maßnahmen aus diesem Spektrum vor. Zum gegenwärtigen Entwicklungsstand

des MBOR-Bereichs werden diese auf Basis guter klinischer Praxis ausgewählt und dem Patien-

ten im Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme verordnet. Für die verstärkte

Ausrichtung des Rehabilitationsprozesses auf die gesundheitsrelevanten Faktoren des Arbeits-

lebens kommt der Motivation des Rehabilitanden zur Auseinandersetzung mit der eigenen

arbeits- und berufsbezogenen Problemlage eine zentrale Rolle zu. Diese Motivation kann

durch partizipativen Einbezug gefördert werden. Daher erscheint das Vorgehen, Rehabilitan-

den in der MBOR partizipativ in die Therapieentscheidung einzubinden, vielversprechend.

8

2. Ziele und Fragestellung

Ziel des Vorhabens war es, den Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung in das Indikati-

onsgespräch zu berufsorientierten Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen Rehabilitati-

onsmaßnahme zu integrieren, um den Einfluss auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher

Problemlagen und die Zufriedenheit mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen

Entscheidung zu untersuchen. Da bisher keine Erfahrungen zur strukturierten Einbindung des

Rehabilitanden in die Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der MBOR vorlagen, wur-

de der Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung in den teilnehmenden Rehabilitations-

einrichtungen neu eingeführt. Dazu wurden die Ärzte und Therapeuten darin geschult, Rehabi-

litanden mit besonderen beruflichen Problemlagen strukturiert in die Entscheidungsfindung

einzubinden. Vor und nach der Einführung des Ansatzes der Partizipativen Entscheidungsfin-

dung im Bereich der MBOR wurden Rehabilitanden bezüglich der Motivation zur Bearbeitung

beruflicher Problemlagen und der Zufriedenheit nach dem Indikationsgespräch befragt. Am

Ende der Rehabilitation und sowie 12 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme wurden

Angaben zur Zufriedenheit mit der realisierten MBOR-Maßnahme erhoben.

2.1. Hauptfragestellung

Kann durch Partizipative Entscheidungsfindung die Motivation zur Bearbeitung beruflicher

Problemlagen sowie die Zufriedenheit mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen

Entscheidung im Rahmen der MBOR verbessert werden?

Hypothese 1. Rehabilitanden, die die Möglichkeit haben, als informierte, gleichberechtigte

Partner an Therapieentscheidungen bzgl. MBOR-Maßnahmen teilzunehmen, haben eine höhe-

re Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen als die Rehabilitanden, denen diese

Möglichkeit nicht geboten wird.

Hypothese 2. Rehabilitanden, die die Möglichkeit haben, als informierte, gleichberechtigte

Partner an Therapieentscheidungen bzgl. MBOR-Maßnahmen teilzunehmen, sind zufriedener

mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen Entscheidung als die Rehabilitanden,

denen diese Möglichkeit nicht geboten wird.

2.2. Nebenfragestellungen

1. Besteht ein Zusammenhang zwischen der Patientenorientierung im Indikationsgespräch

und der Behandlungszufriedenheit mit der MBOR-Maßnahme sowie den erzielten Behand-

lungsergebnissen? Kann dieser Zusammenhang durch Motivation als vermittelndem Faktor

erklärt werden?

2. Wie lässt sich ein Gesprächsstil im Sinne der Partizipativen Entscheidungsfindung bei Indi-

kationsgesprächen in geeigneter Form in der Routineversorgung umsetzen? Welche Vor-

9

und Nachteile sehen die Behandler (meist Ärzte, Psychologen oder Sozialdienstmitarbeiter)

und welche Hindernisse stehen dem partizipativen Vorgehen entgegen?

3. Ist das bei orthopädischen/rheumatologischen Patienten im Rahmen der quasiexperimen-

tellen kontrollierten Studie untersuchte partizipative Vorgehen prinzipiell auch auf Rehabi-

litanden anderer Indikationen übertragbar? Diese Frage wird am Beispiel der Neurologie

untersucht.

Für die Hauptfragestellung sowie die erste Nebenfrage wurden quantitative Daten erhoben,

während die beiden weiteren Nebenfragestellungen qualitativ untersucht wurden. Die Me-

thoden- und Ergebnisdarstellung erfolgt für eine bessere Übersicht getrennt für die beiden

unterschiedlichen Datenqualitäten.

3. Umsetzung

3.1. MBOR-Kontext in den beteiligten Kliniken.

Die quantitative Datenerhebung erfolgte in Kooperation mit vier Rehabilitationseinrichtun-

gen1. Davon waren zwei orthopädischen Rehabilitationsklinken, das Reha-Zentrum

Schömberg, Klinik Schwarzwald und das Reha-Zentrum Bad Schmiedeberg, Klinik Dübener

Heide. Zusätzlich zu diesen beiden Einrichtungen erfolgte die qualitative Datenerhebung auch

in zwei neurologischen Rehabilitationskliniken, der Neurologischen Klinik Bad Neustadt/Saale

und dem Neurologischen Rehabilitationszentrum Quellenhof, Bad Wildbad.

Das MBOR-Angebot in den vier Rehabilitationskliniken ist in Tabelle 2 aufgelistet, Einzelheiten

zu den unterschiedlichen Maßnahmen können den klinikspezifischen Patientenbroschüren im

Anhang A2 (Patientenbroschüren) entnommen werden.

1 Darüber hinaus bestand eine Kooperation für die Umsetzung der Schulungsmaßnahme mit einer weiteren or-

thopädischen Rehabilitationsklinik, der Klinik Bad Neuenahr. Allerdings gingen von der Klinik aufgrund fehlender Patienten im Heilverfahren keine Patientendaten in die Studie ein.

10

Tabelle 2: MBOR-Angebote in den Kooperationskliniken

Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald

Berufsbezogene Einzelberatung

Berufswegeplanung

EFL-Testung

Arbeitsplatztraining

Ergonomie am Arbeitsplatz

Büroarbeitsplatztraining

Arbeitsbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT)

Stressbewältigungstraining

Kinästhetik

Reha-Zentrum Bad Schmiedeberg, Klinik Dübener Heide

Berufsbezogene Beratung

Beratung durch Reha-Fachberater der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV)

EFL-Testung

Schulung zur Einrichtung eines ergonomischen Arbeitsplatzes

Anpassung von berufsbezogenen orthopädischen Hilfsmitteln

Psychologisches Stressbewältigungstraining

Einleitung von/Beratung zu stufenweiser Wiedereingliederung

Neurologische Klinik Bad Neustadt/Saale

Berufsbezogene Beratung

Beratung durch Reha-Fachberater der Rentenversicherung

Belastungserprobung

Arbeitstherapeutische Maßnahmen

Neurologisches Rehabilitationszentrum Quellenhof, Bad Wildbad

Berufsbezogene Beratung

Beratung durch den Reha-Fachberater der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV)

Beratung durch Mitarbeiter des Berufsförderungswerks

Externe Belastungserprobung

Neurologische Testung

Berufsbezogene Trainings

Einleitung von/Beratung zu stufenweiser Wiedereingliederung

3.2. Implementierung des PEF-Ansatzes

Der Studienablauf untergliederte sich in zwei Phasen, eine Datenerhebungsphase vor Einfüh-

rung des Ansatzes der Partizipativen Entscheidungsfindung in den MBOR-Kontext und eine

nach der Einführung. Dazwischen wurden in den teilnehmenden Rehabilitationskliniken im

Anschluss an die erste Datenerhebungsphase Ärzte und Behandler hinsichtlich Partizipativer

Entscheidungsfindung geschult. Darüber hinaus wurde für jede Rehabilitationsklinik individuell

11

eine Patientenbroschüre erarbeitet, anhand derer Rehabilitanden sich über die einzelnen be-

rufsbezogenen Maßnahmen der Klinik informieren konnten. Der Ärzte- und Behandler-

schulung vorgeschaltet war ein sog. Train-the-Trainer-Seminar als Weiterbildung der Projekt-

mitarbeiter und zur Vorbereitung auf die Schulungsmaßnahme in Form einer Inhouse-

Schulung.

Das Train-the-Trainer-Seminar wurde durch die Arbeitsgruppe von Dr. A. Loh von der Universi-

tät Freiburg durchgeführt, die sich seit vielen Jahren mit dem Ansatz beschäftigt und die Im-

plementierung im bundesdeutschen Gesundheitssystem aktiv unterstützt (Förderschwerpunkt

„Patient als Partner“). Trainiert wurden Fertigkeiten, um Wissen zur Partizipativen Entschei-

dungsfindung vermitteln und die praktische Umsetzung des Ansatzes lehren zu können. So

wurden die Leitung einer Inhouse-Weiterbildung, das Initiieren von Verhaltensübungen, das

Durchführen von Rollenspielen sowie das Moderieren von schwierigen Seminarsituationen mit

Video-Feedback geübt.

Inhouse-Behandlerschulungen. Es wurden insgesamt 63 Ärzte und Behandler in fünf2 Rehabili-

tationskliniken durch das Projektteam geschult (siehe Anhang A1). Eingeführt wurde in die

Thematik durch die Darstellung der Entwicklung des SDM-Ansatzes im Spannungsfeld zwischen

dem Arztideal des benevolenten Paternalismus antiker Prägung, wie er beispielsweise im Eid

des Hippokrates zum Ausdruck kommt, und dem Ideal des selbstbestimmten Patienten mo-

derner Prägung. Definiert wurde Partizipative Entscheidungsfindung nach Charles, Gafni und

Whelan (1997) als die Entscheidung zweier Personen (Arzt/Behandler und Patient), unter akti-

ver Beteiligung beider am Prozess der Entscheidungsfindung auf der Grundlage gegenseitiger

Informationen, der in die beidseitige Zustimmung zu einer Behandlungsentscheidung mündet

und die Bereitschaft zur aktiven Umsetzung beinhaltet. Die Schulungsteilnehmer wurden ange-

leitet, den Entscheidungsprozess mit Hilfe einer geeigneten Gesprächsführung explizit zu ge-

stalten. Dazu wurden die von Simon et al. (2008b) vorgeschlagenen Handlungsschritte für die

Partizipative Entscheidungsfindung vermittelt (vgl. Tabelle 1), wobei erarbeitet wurde, dass

diese jedoch nicht als streng festgelegtes Ablaufschema zu handhaben sind, sondern als Orien-

tierungshilfe dienen sollen, um in der Gesprächssituation zu den für die gemeinsame Entschei-

dungsfindung wichtigen Themen zu gelangen. Weiterhin wurden mit den Teilnehmern Fallvig-

netten von Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen, die charakteristisch für

das im Hause behandelte Klientel stehen, erarbeitet und anhand dieser die Schritte im Rollen-

spiel mit Video-Feedback eingeübt. Zudem wurde die Handhabe von sog. decision communica-

tion aids (Street, 2007) trainiert, ein für jede Klinik individuell erstellter Karteikartensatz, an-

hand derer die angebotenen berufsbezogenen Maßnahmen im Indikationsgespräch visuell

unterstützt vorgestellt und insbesondere die mit der Maßnahme verbundenen Vor- und Nach-

teile für den Patienten erörtert werden konnten (Beispiel siehe Anhang A3).

2 Zusätzlich zu den vier Rehabilitationskliniken, in den die Datenerhebung erfolgte, wurde die Schulung in der Klinik Bad Neue-

nahr durchgeführt.

12

Berufsbezogene Einzelberatung

Berufsbezogene Einzelberatung

aktuelle Arbeitsbedingungen

Ihre berufliche Zukunft (z. B. berufliche Probleme infolge von Krankheit)

Beratung zu rechtlichen Fragen (z. B. Arbeitsrecht)

Einleitung einer stufenweisen Wiedereingliederung

Vorstellung beim Rehabilitationsberatungsdienst zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. innerbetriebliche Umsetzung, Qualifizierungsmaßnahmen)

Dauer eines Beratungsgesprächs ca. 45 Minuten. Bei Bedarf kann auch ein zweites Gespräch stattfinden.

Eine individuelle Beratung zu berufsbezogenen Fragen erfolgt durch den Sozialdienst unserer Klinik.

INHALTE

UMFANG

Abbildung 1: Beispiel decision communication aids (Vorder- und Rückseite)

Patientenbroschüre. Über die Schulungsmaßnahme hinaus wurde für jede der teilnehmenden

Rehabilitationseinrichtungen eine individuelle Patientenbroschüre erstellt, die über die einzel-

nen berufsbezogenen Maßnahmen des Klinikangebots informiert (vgl. Abbildung 2). Diese wa-

ren parallel zu den decision communication aids aufgebaut und wurden in der Interventions-

phase an die Studienteilnehmer mit besonderen beruflichen Problemlagen zu Reha-Beginn

ausgegeben, so dass diese die Möglichkeit hatten, sich vor dem Indikationsgespräch mit den

angebotenen berufsbezogenen Maßnahmen auseinandersetzen und am Indikationsgespräch

als informierte Partner im Sinne der Förderung von Empowerment teilnehmen zu können (Bei-

spiel siehe Anhang A2).

13

Abbildung 2: Beispiel Patientenbroschüre (Auszug)

14

4. Methode

4.1. Quantitativ zu beantwortende Fragestellungen

4.1.1. Design und Erhebungsinstrumente

Zur Beantwortung der quantitativen Forschungsfragen wurden zwei unabhängige Stichproben

von Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen zeitversetzt vor und nach Ein-

führung des Ansatzes der Partizipativen Entscheidungsfindung in den beiden orthopädischen

Rehabilitationseinrichtungen rekrutiert3 und zu den Zielgrößen Motivation und Zufriedenheit

sowie zur erlebten partizipativen Einbindung befragt. Die Motivation zur Bearbeitung berufli-

cher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation wurde mit dem Fragebogen zur

berufsbezogenen Therapiemotivation (FBTM) von Zwerenz (2004) erfasst. Der FBTM ist ein

MBOR-spezifischer, etablierter Fragebogen zur Erfassung der Motivation (Löffler et al., 2011;

Zwerenz, 2009;). Er gliedert sich inhaltlich in die vier Skalen Veränderungsabsicht, Rentenbe-

gehren, Negative Behandlungserwartung und Aktive Bewältigungsorientierung, die sich jeweils

aus 5 bis 7 Items zusammensetzen und psychometrisch mit guten bis zufriedenstellende Güte-

kriterien hinsichtlich Struktur, Reliabilität und Validität überprüft sind. Als Antwortformat wird

die Zustimmung zu jeder Einzelaussage fünffach abgestuft erhoben und zu einem Skalenscore

verrechnet. Der Wertebereich für den Skalenscore reicht von 1 (niedrige Motivation) bis 5

(hohe Motivation). Für die vorliegende Untersuchung wurden die Subskalen zur Verände-

rungsabsicht (FBTM-VA) und zur negativen Behandlungserwartung (FBTM-NBE) betrachtet.

Für die Zielgröße der Zufriedenheit wurden Itemsets aus Erhebungsinstrumenten des For-

schungsschwerpunkts Patient als Partner (Härter et al., 2005) sowie Instrumente der medizini-

schen Qualitätssicherung eingesetzt und diese an die spezifischen Gegebenheiten der MBOR

adaptiert. Die Zufriedenheit mit dem Indikationsgespräch wurde mit Hilfe von sechs Items des

Patientenzufriedenheits-Fragebogens (Langewitz et al., 1995) erfasst, die Zufriedenheit mit

dem Entscheidungsprozess und der darin erzielten Entscheidung mit vier Items der

Satisfaction with Decision Scale (Holmes-Rovner et al., 1996) und acht Items der Post-Decision

Satisfaction Scale (Sainfort et al., 2000) erfasst. Als Antwortformat bei der Erfassung der Zu-

friedenheit stand ebenfalls jeweils das fünffach abgestufte Zustimmungsrating zur Verfügung.

Die Scorewerte wurden, orientiert am Patientenzufriedenheits-Fragebogen (Langewitz et al.,

1995) linear auf eine Skala von 0 bis 100 transformiert, wobei 0 die geringste Zufriedenheit

und 100 die höchst mögliche Zufriedenheit darstellt. Die Zufriedenheit mit der MBOR-

Behandlung wurde mittels vier Items des ZUF-8 Fragebogens zur Messung der Patientenzu-

friedenheit (Schmidt & Nübling, 2002) erhoben, die zu einem Score im Bereich von 1 bis 12

verrechnet wurden. In der postalischen Nachbefragung 12 Monate nach dem Rehabilitations-

aufenthalt wurden die Einschätzung der Vorbereitung während des Rehabilitation auf die

Rückkehr in das Berufsleben, die Einschätzung der subjektiven beruflichen Leistungsfähigkeit

3 Parallel wurden auch Daten in den neurologischen Rehabilitationskliniken erhoben, jedoch im wesentlich geringeren Um-

fang. Diese Daten wurden im Zuge der Nebenfragestellung erhoben und gingen nicht in den Datensatz zur Beantwortung der Hauptfragestellung ein.

15

und die Einschätzung, bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig sein zu können, mittels

Einzelitems erhoben.

Das Ausmaß der partizipativen Einbindung in den Entscheidungsprozess wurde mit Hilfe des

Fragebogens zur Partizipativen Entscheidungsfindung in der Version von Kriston et al. (2010),

PEF-FB-9, erhoben. Im PEF-FB-9 bilden neun Items die definierten praktischen Schritte im Pro-

zess der Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF-Schritte, z.B. Simon et al., 2008b) aus Sicht

des Rehabilitanden ab. Der Fragebogen beinhaltet als Antwortformat ein sechsfach abgestuf-

tes Zustimmungsrating, das zu einem Gesamtwert verrechnet und auf einer Skala von 0 (ge-

ringstmögliches Ausmaß) bis 100 (größtmögliches Ausmaß an Partizipativer Entscheidungsfin-

dung) dargestellt wird. Der Fragebogen ist hinsichtlich seiner Reliabilität und faktoriellen Vali-

dität überprüft, weist gute Qualitätskriterien auf (Kriston et al., 2010) und wird aktuell für ver-

schiedene Anwendungsbereiche normiert. Für den Einsatz des Instruments im MBOR-Bereich

liegen jedoch noch keine Erfahrungswerte vor.

Darüber hinaus wurden weitere Variablen erfasst: das Vorliegen einer besonderen beruflichen

Problemlage, die erlebte berufliche Belastung und das Interesse an berufsbezogen Therapie-

angeboten mit Hilfe des Würzburger Screenings (Löffler et al., 2009), das Bedürfnis nach Betei-

ligung an der Therapieentscheidung und der Wunsch nach Informationen mit Hilfe der Global-

items des Autonomie-Präferenz-Index (Ende et al., 1989) sowie soziodemographische Angaben

zur Beschreibung der teilnehmenden Rehabilitanden.

16

Tabelle 3: Erhebungsinstrumente

Bereich Fragebogen-Abkürzung

Quelle Anzahl Items

Item Beispiel

Hauptzielgrößen

berufsbezogene Therapiemotiva-tion

Veränderungsabsicht FBTM-VA Zwerenz, 2004

7 Ich möchte so schnell wie mög-lich etwas gegen meine berufli-chen Probleme tun.

Negative Behandlungserwartung

FBTM-NBE 5 Die Rehabehandlung kann mir auch nicht helfen meine berufli-chen Probleme in den Griff zu bekommen.

Zufriedenheit Gesprächsituation PZFmod Langewitz et al., 1995

6 Ich habe mich ermutigt gefühlt Fragen zu stellen.

Entscheidung(sprozess) SWDmod Holmes-Rovner et al., 1996

4 Ich bin damit zufrieden, dass ich mich an der Entscheidung betei-ligen konnte.

Entscheidung PDSSmod Sainfort et al., 2000

8 Die Entscheidung ist genau die richtige für meine Situation.

Nebenzielgrößen

Zufriedenheit MBOR-Maßnahme ZUFmod Schmitt & Wittmann, 1989

4 Haben Sie die berufsbezogenen Maßnahmen erhalten, die Sie wollten?

Vorbereitung auf Rück-kehr in Arbeit

Einzelitem 1 Wie gut wurden Sie in der Reha-Klinik auf Ihre Rückkehr ins Arbeitsleben vorbereitet?

Subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

Einzelitem 1 Wie beurteilen Sie Ihre jetzige berufliche Leistungsfähigkeit?

Einschätzung, bis Renten-alter erwerbstätig sein zu können

Einzelitem 1 Wenn Sie an Ihren derzeitigen Gesundheitszustand denken: Glauben Sie, dass Sie bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig sein können?

Kovariaten

Partizipative Entscheidungs-findung

PEF-FB-9 Kriston et al., 2010

9 Mein Arzt/Behandler hat mir ausdrücklich mitgeteilt, dass eine Entscheidung getroffen werden muss.

Beteiligungsprä-ferenz und Infor-mationswunsch

APImod Ende et al., 1989

7 Wichtige medizinische Entschei-dungen sollten vom Arzt getrof-fen werden und nicht vom Patienten

Berufliche Problemlage

Vorliegen WüScr Löffler et al., 2009

4 Glauben Sie, dass Sie nach der Reha-Maßnahme wieder an Ihrem bisherigen Arbeitsplatz tätig sein können?

Berufliche Belastung WüScr-Bela 3 Wie stark ist ihr berufliches Leistungsvermögen einge-schränkt

Interesse an berufsbezo-genen Interventionen

WüScr-Int 2 Haben Sie Interesse, berufliche Probleme im Rahmen der Reha-Maßnahme zu bearbeiten?

Anmerkungen: FBTM Fragebogen zur berufsbezogenen Therapiemotivation PZF Patientenzufriedenheits-Fragebogen SWD Satisfaction with Decision Scale PDSS Post Decision Satisfaction Scale ZUF Zufriedenheitsfragebogen API Autonomie Präferenz Index WüScr Würzburger Screening mod Fragebogen in Itemanzahl bzw. Antwortformat modifiziert für den MBOR-Bereich

17

4.1.2. Datenerhebung

Die Datenerhebung erfolgte in zwei Phasen, einer Kontrollphase vor Einführung des Ansatzes

der Partizipativen Entscheidungsfindung von Oktober 2008 bis Oktober 2009 (1-Jahres-

Katamnese bis Oktober 2010) und einer Interventionsphase nach der Einführung, die sich von

November 2009 bis Dezember 2010 (1-Jahres-Katamnese bis Dezember 2011) erstreckte. In-

nerhalb einer Erhebungsphase wurden Daten zu fünf Messzeitpunkten erhoben. Diese sind

schematisch in Abbildung 3 dargestellt und erfolgten identisch in beiden Erhebungsphasen.

Abbildung 3: Ablauf der Datenerhebung

Zunächst wurden mit Hilfe des Würzburger Screenings Patienten mit besonderen beruflichen

Problemlagen identifiziert und um Teilnahme an der Studie gebeten. Rehabilitanden, die dazu

informiert ihr Einverständnis erklärten, wurden vor dem ärztlichen Aufnahmegespräch, wel-

ches überwiegend auch das Indikationsgespräch für beruflich-orientierte Therapiemaßnahmen

darstellte, hinsichtlich der Beteiligungswunsches (APImod) befragt, ohne dass jedoch eine Aus-

wertung des Fragebogens in der Klinik erfolgte und damit auch der Arzt bzw. Therapeut im

Indikationsgespräch nicht über den erhobenen Beteiligungswunsch informiert war. Unmittel-

bar nach dem Indikationsgespräch wurden die Rehabilitanden hinsichtlich der Motivation zur

Bearbeitung beruflicher Problemlagen (FBTM) und zur Zufriedenheit mit dem Gespräch

(PZFmod) und der darin getroffenen Entscheidung (SWDmod; PDSSmod) befragt. Am Ende des Re-

habilitationsaufenthalts wurde die Zufriedenheit mit der MBOR-Maßnahme bzw. den Maß-

nahmen erfasst (ZUFmod). 12 Monate nach dem Rehabilitationsaufenthalt wurden rückblickend

die Vorbereitung auf die Rückkehr in den Beruf, die subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

sowie die Einschätzung, bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig sein zu können, erho-

ben. Dem Studienvorhaben wurde durch die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der

Universität Würzburg zugestimmt, und das Vorgehen erfolgte mit Würdigung datenschutz-

rechtlicher Belange durch den Datenschutzbeauftragten der Deutschen Rentenversicherung

Bund.

Gespräch MBOR Katamnese

Screening

Partizipations- orientierung

Motivation Zufriedenheit

Patienten- zufriedenheit Return to Work

Problemlage ja

…12 Monate…

nein

18

4.1.3. Stichprobe

Rekrutierte Teilnehmer und Umgang mit fehlenden Werten. Für die Beantwortung der quanti-

tativen Fragestellungen wurden Rehabilitanden in der orthopädischen Rehabilitation rekru-

tiert. In den beiden teilnehmenden orthopädischen Rehabilitationskliniken konnten Daten von

insgesamt 341 Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen erhoben werden,

144 im Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald und 197 im Reha-Zentrum Bad Schmie-

deberg, Klinik Dübener Heide. Sechs rekrutierte Rehabilitanden wurden nachträglich von der

Analyse aufgrund fehlerhafter Zuordnung (keine besondere berufliche Problemlage, Ruhepha-

se bei Altersteilzeit, dauerhafte Erwerbsunfähigkeitsberentung) ausgeschlossen; die Daten von

weiteren 52 Personen konnten wegen fehlender Fragebögen für die Erfassung der Motivation

und Zufriedenheit unmittelbar nach dem Indikationsgespräch (Erhebungszeitpunkt 3) nicht in

die Analyse eingeschlossen werden. Weiterhin lagen für einzelne Fragebogenitems fehlende

Werte unmittelbar nach dem Indikationsgespräch bei 72 Teilnehmern vor. Zum Zeitpunkt der

Erfassung der Zufriedenheit nach der MBOR-Behandlung lagen von 53 Teilnehmern keine oder

nur unvollständige Angaben vor. Für diese fehlenden Werte wurden multipel imputierte Da-

tensätze mit dem Statistikprogramm SPSS 18 erstellt. Bei Analysen auf Konstruktebene wurde

der FIML-Algorithmus (Enders, 2010) mit Hilfe des Programms Mplus (Muthén & Muthén,

2007) angewendet. Tabelle 4 fasst die Entwicklung der Stichprobe zusammen.

Tabelle 4: Stichprobenentwicklung

Einschluss Ausschluss vor Analy-

se

Messzeitpunkt nach Indikati-onsgespräch

MBOR-Ende Katamnese

Studieneinwilligung 341 keine BBPL 6 fehlender Fragebogen 52 42 103 fehlende Werte 72 11 7 Gesamt 58 72 53 110 Quote 17% 25% 19% 61% verfügbar verbleibend 341 283 211 173 verfügbar nach Imputation

283 180

Insgesamt konnten damit von 283 Rehabilitanden (83% der rekrutierten Rehabilitanden) die

Angaben zur Therapieentscheidung während des Rehabilitationsaufenthaltes ausgewertet

werden. Die von der Analyse ausgeschlossenen rekrutierten Teilnehmer unterschieden sich

nicht bedeutsam von den eingeschlossenen (vgl. Tabelle 5). Zur 1-Jahres-Katamnese beant-

worteten von den in die Analyse eingeschlossenen Teilnehmern 180 auch den Katamnese-

fragebogen; die Rücklaufquote liegt damit bei 63,6%.

19

Tabelle 5: Ein- und ausgeschlossene Studienteilnehmer

Ausgeschlossen Analyse Katamnese

nvalide M

Anzahl (SD)

% nvalide

M Anzahl

(SD) %

nvalide M

Anzahl (SD)

%

Anzahl 58 283 180

Alter (in Jahren) 51 50,7 9,0 271 49,9 (9,5) 175 50,6 (9,2)

Geschlecht Frauen 52 35 67,3% 271 184 67,9% 174 122 70,1%

Männer 17 32,7% 87 32,4% 52 29,9%

Erwerbstätigkeit Vollzeit 47 20 42,5% 274 123 44,9% 173 84 48,6%

Teilzeit 9 19,1% 45 16,4% 27 15,6%

Arbeitslos 17 36,2% 105 38,3% 61 35,3%

anders 1 2,1% 1 0,4% 1 0,6%

berufliche Belastung 41 12,2 (3,0) 257 12,2 (2,3) 162 12,2 (2,3)

Interesse MBOR 37 6,5 (2,8) 261 7,2 (2,6) 168 7,2 (2,6)

Autonomiepräferenz 36 21,9 (14,5) 260 25,0 (18,7) 166 25,1 (18,3)

Informationswunsch 38 95,2 (7,7) 269 92,8 (9,9) 175 93,8 (8,8)

Analysestichprobe. In die Auswertung gingen 142 Teilnehmer der ersten Erhebungsphase vor

Einführung der Partizipativen Entscheidungsfindung und 141 der zweiten Erhebungsphase

nach der Einführung ein. Die Teilnehmer waren in beiden Phasen hinsichtlich Alter, Ge-

schlecht, Erwerbsstatus, beruflicher Belastung und Interesse an beruflich orientierten Behand-

lungsmaßnahmen vergleichbar. Bedeutsame Unterschiede zwischen den beiden Erhebungs-

phasen bestanden hinsichtlich der Autonomiepräferenz, die bei den Teilnehmern in der zwei-

ten Erhebungsphase stärker ausgeprägt war als in der ersten Erhebungsphase (vgl. Tabelle 6),

der Effekt ist klein (d = 0,3).

Tabelle 6: Stichprobenbeschreibung

Kontrollphase Interventionsphase

n 142 141 Alter M (SD) 50,3 (10,0) 49,7 (9,5) n.s. Frauen n 97 68,3% 87 61,70% n.s. Männer n 41 28,9% 48 32,6% keine Angabe n 4 2,8% 8 5,7% Vollzeit tätig n 63 44,4% 60 42,6% n.s. Teilzeit tätig n 25 17,6% 20 14,2% n.s. Arbeitslos n 48 33,8% 57 40,4% n.s. keine Angabe n 6 4,2% 4 2,8% berufliche Belastung n 12,1 (2,6) 12,3 (2,3) n.s. Interesse MBOR n 7,0 (3,1) 7,5 (2,8) n.s. Informationswunsch n 92,6 (10,1) 92,7 (10,6) n.s. Autonomiepräferenz n 21,9 (18,8) 28,2 (20,5) **

20

4.1.4. Auswertungsverfahren

Die Datenauswertung erfolgte zunächst gemäß Studienantrag als quasiexperimenteller Unter-

suchungsansatz und anschließend (post hoc) im Sinne einer Beobachtungsstudie.

Quasiexperimentelles Design. Dem quasiexperimentellen Ansatz lag die Annahme zugrunde,

dass Partizipative Entscheidungsfindung einen innovativen Ansatz im Kontext der MBOR dar-

stellt, der durch die Schulungsmaßnahme neu zu implementieren war, um als Einflussfaktor

auf die Zielgrößen der Motivation und Zufriedenheit – wie in den Hypothesen formuliert –

einwirken zu können. Getestet wurde auf Mittelwertsunterschiede zwischen den beiden Erhe-

bungskohorten in den Zielgrößen der Motivation und Zufriedenheit mittels zweiseitigen t-

Tests für unabhängige Stichproben4 und einem Alpha-Niveau von 0,05. Die grafische Ergebnis-

darstellung erfolgte mittels Boxplots, d.h. der Darstellung von Median, 1. und 3. Quartil (Box)

sowie 5. und 95. Perzentil (Whiskers) der Werteverteilung innerhalb einer Gruppe. Zusätzlich

findet sich der Mittelwert in weißer Farbe eingezeichnet sowie die Darstellung der mittleren

Differenz für den Gruppenvergleich inklusive 95%-Konfidenzintervall.

Naturalistisches Design. Die zweite Auswertungsstrategie wurde post hoc aufgenommen,

nachdem die Datenerhebung und -analyse der erste Erhebungskohorte (Kontrollphase) erfolgt

war. Anlass war die Beobachtung, dass sich ein nicht unerheblicher Anteil an Rehabilitanden

im Fragebogen PEF-FB-9 als partizipativ eingebunden beschrieb hatte. Damit erschien, im Ge-

gensatz zur Annahme bei der Studienplanung, der Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfin-

dung (zumindest in Teilen) in der medizinischen Rehabilitation bereits als realisiert. Dies hatte

jedoch Auswirkungen auf die Fragestellung. Denn die Formulierung der Forschungsfrage war

auf Basis des Innovationsgedankens erfolgt und damit unter der Prämisse, dass die Schu-

lungsmaßnahme den Wirkfaktor für die Variation der untersuchten Bedingungen darstellte.

Daher war davon ausgegangen worden, dass in der ersten Erhebungsphase Rehabilitanden

nicht strukturiert in die MBOR-Therapieentscheidung eingebunden waren und Partizipative

Entscheidungsfindung erst in der zweiten Erhebungsphase angewendet werden konnte, nach-

dem das Vorgehen in der Schulungsmaßnahme erlernt worden war. Die Wirksamkeit der Schu-

lung wurde dabei vorausgesetzt. Da aber in die Hypothesenprüfung gemäß der ersten Auswer-

tungsstrategie de facto die Überprüfung der Wirksamkeit der Schulung mit eingeht, wird die

eigentlich intendierte Fragestellung nach dem Einfluss der Partizipativen Entscheidungsfindung

in Abhängigkeit dieser impliziten Prämissen untersucht. Treffen diese Prämissen nicht zu,

bleibt die eigentliche Fragestellung im Grunde unbeantwortet. Somit wurde im Unterschied

zur ersten Auswertungsstrategie die Annahme, dass Partizipative Entscheidungsfindung einen

innovativen Ansatz im Kontext der MBOR darstellte, nicht länger uneingeschränkt aufrechter-

halten. Es wurde vielmehr davon ausgegangen, dass Rehabilitanden in der medizinischen Re-

4 Für die Zielgrößen der Motivation war zunächst vorgesehen, das Interesse an beruflichen Interventionen als

näherungsweise Pretest-Variable mit einzubeziehen. Allerdings erwies sich dies nicht für beide der eingesetzten Motivationsskalen für möglich. Um Aussagen, die beide Motivationsskalen beinhalten, nicht durch eine unter-schiedliche Methodik zu beeinflussen, wurden in die Auswertung für beide Motivationsskalen keine Pretest-Variablen aufgenommen.

21

habilitation sich im unterschiedlichen Ausmaß an Therapieentscheidung beteiligt erleben (ge-

gebene Variation in der Versorgungspraxis). In der zweiten Form der Datenanalyse wurden

daher nicht die beiden Erhebungskohorten miteinander verglichen, sondern es wurde ange-

nommen, dass zwischen den Gruppen von Rehabilitanden, die in die Therapieentscheidung

eingebunden waren, und denen, die dies nicht waren, differenziert werden kann.

Die Differenzierung der beiden Gruppen sollte auf der Basis des Fragebogens zur Partizipativen

Entscheidungsfindung (PEF-FB-9, Kriston et al., 2010), mit dem das Ausmaß der partizipativen

Einbindung in den Entscheidungsprozess gemessen werden kann, erfolgen. Da jedoch noch

keine Normen und Cut-Off-Werte für den Fragebogen zur Verfügung standen und auch noch

keine Erfahrungen mit dem Fragebogen im MBOR-Bereich vorlagen, wurde alternativ zur klas-

sisch fundierten metrischen Auswertung, wie sie der Konstruktion des Instruments zugrunde

gelegt wurde, nun ein inhaltlich orientiertes Vorgehen gewählt. Möglich ist dies aufgrund der

Verankerung des PEF-FB-9 in der Prozessbeschreibung der Partizipativen Entscheidungsfin-

dung anhand der neun definierten Prozessschritte (vgl. Tabelle 1). Für jedes Item kann ent-

schieden werden, ob der darin definierte Schritt des Entscheidungsprozesses aus Sicht des

Patienten erlebt wurde oder nicht. Personen, die alle Schritte der Partizipativen Entschei-

dungsfindung erlebten und daher im PEF-FB-9 zustimmend beantworteten, können eindeutig

als partizipativ eingebunden bezeichnet werden. Die umgekehrte Aussage, dass partizipative

Einbindung immer auch das Erleben aller neu der definierten Prozessschritte beinhaltet, gilt

jedoch nicht; es müssen nicht immer unbedingt alle Schritte im Prozess realisiert werden

(Kriston et al., 2010). Unbestimmt blieb allerdings bisher, welche dieser Schritte dies sein kön-

nen und bei welcher Konstellation realisierter Schritte Rehabilitanden sich partizipativ einge-

bunden erlebten.

Deswegen wurde folgendes Vorgehen gewählt: Alle Personen wurden anhand der Ähnlichkeit5

ihres Antwortverhaltens im Fragebogen in Teilgruppen unterschieden. Personen mit sehr ähn-

lichen Antwortverhalten wurden zu einer Teilgruppe zusammengefasst, während Personen mit

sehr unähnlichem Antwortverhalten verschiedenen Teilgruppen zugeordnet wurden. Personen

innerhalb einer Teilgruppe galten als nicht differenzierbar und somit äquivalent hinsichtlich

der erlebten partizipativen Einbindung. Damit wurden den Rehabilitanden, die alle Schritte im

PEF-FB-9 zustimmend beantwortet haben, diejenigen zugeordnet, die dieses strikte Definiti-

onskriterium zwar nicht erfüllten, hinsichtlich der erlebten partizipativen Einbindung aber als

äquivalent angesehen werden können. Diese wurden wiederum unterschieden von den Reha-

bilitanden, bei denen nicht von einer partizipativen Einbindung in den Entscheidungsprozess

auszugehen war. Erreicht wurde die Differenzierung der Rehabilitanden mit Hilfe des statisti-

5 Definiert wird Ähnlichkeit durch das Klassifikationskriterium der Latent Class-Analyse und basiert auf den Ant-

wortwahrscheinlichkeiten zu allen Items eines Fragebogens (vgl. Rost 1996). Die zugrundeliegende Modellformu-lierung geht dabei davon aus, dass es strukturbildende Zusammenhänge der Items untereinander gibt und dies durch ein latentes Merkmal verursacht ist, dass im vorliegenden Fall also dann den Items zugestimmt wird, wenn Partizipative Entscheidungsfindung erlebt wurde. Die Modellierung erfolgt jedoch nicht deterministisch, sonder in probabilistischer Form.

22

schen Verfahrens der Latent Class-Analyse (LCA). Dazu wurden zunächst die Antworten im

PEF-FB-9 entsprechend der Zustimmungsrichtung dichotomisiert, indem die Antwortmöglich-

keiten „trifft eher zu“, „trifft weitgehend zu“ und „trifft völlig zu“ als Zustimmung sowie die

Antwortmöglichkeiten „trifft überhaupt nicht zu“, „trifft weitgehend nicht zu“ und „trifft eher

nicht zu“ als Ablehnung zusammengefasst werden. Für die so zusammengefassten Antworten

wurden Latent Class-Analysen mit dem den Programmen Mplus 5 (Muthén & Muthén, 2007)

und WINMIRA (v. Davier, 2000) berechnet. Die Anzahl der differenzierten Klassen wurde

explorativ anhand des minimalen BIC-Indexwerts bestimmt und sollte die geforderten Kriteri-

en erfüllen, inhaltlich sinnvoll interpretierbar zu sein, möglichst wenige sog. boundary

estimates (durch den Auswertungsalgorithmus gesetzte anstatt aus den Daten geschätzte Pa-

rameterwerte) aufweisen und eine hinreichend hohe Zuordnungsgüte erreichen6 (Geiser,

2010). Weiterhin wurden zur Absicherung der Auswahl der Anzahl differenzierter Klassen sta-

tistische Testverfahren berechnet, zum einen der sogenannte Vuong-Lo-Mendell-Rubin-Test

(VLMR) sowie der Bootstrap-Likelihood-Ratio-Differenzentest (BLR). Für diese beiden Testver-

fahren gilt die Rationale, dass ein signifikantes Testergebnis dafür spricht, dass die getestete

Klassenanzahl geeigneter erscheint als die um die Anzahl 1 verminderte Klassenzahl7.

Die auf Basis der Latent Class-Analyse differenzierten Rehabilitandenklassen wurden hinsicht-

lich der Zielgrößen der Motivation und Zufriedenheit auf Mittelwertsunterschiede hin getestet

(einfaktorielle Varaianzanalysen mit post-hoc-Testverfahren). Die grafische Ergebnisdarstel-

lung bildet die Mittelwerte (Balken) zusammen mit dem 95%-Konfidenzintervall des jeweiligen

Mittelwerts ab.

4.2. Qualitativ zu beantwortende Fragestellungen

Ergänzend zu den oben dargestellten durch quantitative Analysen zu beantwortenden Frage-

stellungen sollte mittels qualitativer Herangehensweise die Frage geklärt werden, inwieweit

der Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung in der Routine der medizinischen Rehabili-

tation (und insbesondere im Kontext der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation)

6 Als Gütemaß wird die mittlere Zuordnungswahrscheinlichkeit angesehen, die die Treffsicherheit der Klassenauf-

teilung widerspiegelt. Diese sollte größer als 0,80 sein, d.h. Personen können im Durchschnitt mit einer Sicherheit von mehr als 80% der jeweiligen Klassen zugeordnet werden (Rost 1996). Der Gefahr lokaler Maxima wurde durch die Vorgabe unterschiedlicher Startwerte (500 in der Analyseroutine in MPLUS) versucht entgegenzuwir-ken. Die dabei gefundene Lösung wurde mit dem zweiten Analyseprogramm (WINMIRA) repliziert und dabei der Modellvergleich mit dem saturierten Modell eingesetzt. Wegen der geringen Datendichte wurde für die Bestim-mung des Modellfit auf Bootstrap-Verfahren zurückgegriffen (Rost 1996). 7 Das Vorgehen besteht darin, mehrere Latent-Class-Analysen für Modelle mit unterschiedlichen Klassenanzahlen

zu berechnen und für diese Modelle jeweils die verschiedenen Kennzahlen zu ermitteln. Das signifikante Tester-gebnis p[VLMR] < 0,05 bzw. p[BLR] < 0,05, das sich bei einem Modell mit k (z.B. k=3) Klassen ergibt, wird so inter-pretiert, dass dieses Modell (mit 3 Klassen) besser zu den Daten passt als das Modell mit k-1 (2 Klassen). Ist das Testergebnis nicht signifikant, spricht dies für das Modell mit k-1 (2 Klassen), denn das Modell mit mehr (3) Klas-sen passt nicht besser zu den Daten, und das Modell mit weniger (2) Klassen beschreibt die Daten vergleichbar gut; es gilt das Sparsamkeitsprinzip.

23

umsetzbar ist und inwiefern er auf andere Indikationen übertragen werden kann. Mit Hilfe

von halbstrukturierten Interviews mit Behandlern der teilnehmenden Rehabilitationseinrich-

tungen, welche die Indikationsgespräche zu berufsorientierten Maßnahmen führten, wurden

Umsetzungsbedingungen zur Implementierung des Konzepts i. S. einer „guten Praxis von SDM“

im klinischen Alltag eruiert.

Es wurden hierzu zwischen Januar und Dezember 2011 insgesamt 13 Behandler (Berufsgrup-

pen: Ärzte, Psychologen, Sozialdienst) aus den zwei orthopädischen und zwei neurologische

Einrichtungen8 vor Ort (drei Einrichtungen) bzw. telefonisch (eine Einrichtung) befragt. Die

Leitfragen für die Interviews wurden den Befragten vorab zur Verfügung gestellt. Die halb-

strukturierten Interviews wurden nach schriftlich dokumentierter Einverständniserklärung der

Befragten auf Tonband aufgezeichnet, später transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die Interviews bezogen sich auf die Ermittlung von Bedingungen für die Umsetzung einer pati-

entenorientierten Gesprächsführung in MBOR-Maßnahmen und umfassten auch mögliche

Vor-/Nachteile partizipativer Entscheidungsfindung sowie mögliche Hinderungsgründe bei der

Umsetzung in der Routine. Im Einzelnen wurde auf folgende Fragen Bezug genommen (vgl.

Anhang A4):

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr im Klinikalltag (z. B. verändertes Patientenauf-

kommen, Änderungen von Ablauf oder Inhalten der beruflich orientierten Therapieleistun-

gen, Personalwechsel)

individuelle Definition von partizipativer, patientenorientierter Gesprächsführung nach

einem Jahr Erfahrung mit dem PEF-Ansatz

Veränderungen im Gesprächsführungsverhalten

Bewertung der einzelnen Prozessschritte des PEF-Ansatzes hinsichtlich Durchführung, Vor-

und Nachteilen/Hindernissen

Umsetzbarkeit und Praktikabilität des PEF-Ansatzes in der Routineversorgung im Kontext

der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation

Besonderheiten bei der Umsetzung des Ansatzes im MBOR-Kontext (z. B. Machbarkeit der

Diskussion von Vor- und Nachteilen von Behandlungsoptionen)

Verwendung von Entscheidungshilfen (decision communication aids) im Rahmen der Indi-

kationsgespräche in der Studie

abschließende Bewertung der Übertragbarkeit des Ansatzes oder einzelner Elemente (z. B.

Patientenbroschüre) in die Regelversorgung

8 In der Einrichtung in Bad Neuenahr wurden keine Interviews geführt, da die Einrichtung im Projektzeitraum

keine Rehabilitanden in die Studie einschließen konnte.

24

5. Ergebnisse

5.1. Ergebnisse der quantitativen Datenanalyse

5.1.1. Zielgrößen im Vergleich vor und nach Implementieren des PEF- Ansatzes

Weder in den Maßen zur berufsbezogenen Behandlungsmotivation noch in denen zur Zufrie-

denheit zeigten sich bedeutsame Unterschiede zwischen den betrachteten Erhebungskohor-

ten. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis darauf, dass sich durch die Schulung für Ärzte und

Behandler aus Sicht der Rehabilitanden die Einbindung in die Behandlungsentscheidung nicht

verändert hatte. Die einzelnen Zielgrößen sind in den Abbildungen 4 bis 7 dargestellt und in

Tabelle 7 zusammengefasst (vgl. auch Anhang A5)

Tabelle 7: Vergleich vor und nach Implementierung des PEF-Ansatzes

Fragebogen Bedingung n M SD Sig. d

berufsbezogene Therapiemotivation

Veränderungsabsicht FBTM-VA vorher 142 3,04 0,79 n.s. (0,20)

nachher 141 2,89 0,73

Negative Behandlungserwartung

FBTM-NBE

vorher 142 2,34 0,82 n.s. (0,21)

nachher 141 2,18 0,67

Zufriedenheit

Gesprächsituation PZFmod vorher 142 69,82 23,17 n.s. (0,03) nachher 141 70,53 22,68

Entscheidung(sprozess) SWDmod vorher 142 71,61 25,09 n.s. (0,03) nachher 141 72,45 23,55

Entscheidung PDSSmod vorher 142 66,48 17,63 n.s. (0,19)

nachher 141 69,71 16,84

Einschätzungen nach der MBOR-Maßnahme und 12 Monate nach Reha

Zufriedenheit mit MBOR-Maßnahme

Zufmod vorher 142 9,28 2,99 n.s. (0,23) nachher 141 9,91 2,43

Vorbereitung auf Rückkehr in Beruf

Einzelitem vorher 91 3,24 1,18 n.s. (0,05) nachher 89 3,29 1,15

Subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

Einzelitem vorher 91 2,44 1,02 n.s. (0,17) nachher 89 2,60 0,93

bis zum Rentenalter berufstätig sein können

Einzelitem vorher 91 2,50 1,32 n.s. (0,08)

nachher 89 2,60 1,28

Partizipative Entscheidungsfindung

PEF PEF-FB-9 vorher 142 142 55,72 n.s. (0,16)

nachher 141 141 60,22

25

Im Fragebogen zur berufsbezogenen Behandlungsmotivation zeigten sich in der Skala zur Ver-

änderungsabsicht (FBTM-VA) und in der Skala zur negativen Behandlungserwartung (FBTM-

NBE) geringfügige, jedoch statistisch nicht signifikante Unterschiede, die für die Verände-

rungsabsicht in Richtung geringerer Motivation nach der Ärzteschulung, für die negative Be-

handlungserwartung aber in Richtung höherer Motivation (bei niedrigeren Skalenwerten) ten-

dierten.

a) Veränderungsabsicht

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

Mo

tiv

ati

on

sw

ert

e F

BT

A-V

A (

Bo

xp

lot)

1

2

3

4

5

-0,5

0,0

0,5

Konfidenzintervall

b) Negative Behandlungserwartung

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

Mo

tiv

ati

on

sw

ert

e F

BT

M-N

BE

(B

ox

plo

t)

1

2

3

4

5

-0,5

0,0

0,5

Konfidenzintervall

Abbildung 4: Berufsbezogene Behandlungsmotivation

26

Die Zufriedenheitswerte unmittelbar nach dem Indikationsgespräch unterschieden sich nicht

wesentlich, weder in Bezug auf die Zufriedenheit mit der Gesprächssituation (PZFmod) noch mit

dem Entscheidungsprozess (SWDmod). Lediglich für die Zufriedenheit mit der Entscheidung

(PDSSmod) zeigten sich geringfügige, jedoch statistisch nicht signifikante Unterschiede (in die

angenommene Richtung; Abbildung 5).

a) Gesprächssituation

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

PZ

F-Z

ufr

ied

en

he

its

we

rte

(B

ox

plo

t)

0

20

40

60

80

100

-10

-5

0

5

10

Konfidenzintervall

b) Entscheidungsprozess

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

SW

D-Z

ufr

ied

en

he

its

we

rte

(B

ox

plo

t)

0

20

40

60

80

100

-10

-5

0

5

10

Konfidenzintervall

c) Entscheidung

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

PD

SS

-Zu

frie

de

nh

eit

sw

ert

e (

Bo

xp

lot)

0

20

40

60

80

100

-10

-5

0

5

10

Konfidenzintervall

Abbildung 5: Zufriedenheit mit Indikationsgespräch und Entscheidung

27

Am Ende der Rehabilitation sowie in der Nachbefragung nach 12 Monaten zeigten sich keine

bedeutsamen Unterschiede bezüglich der Zufriedenheit. In beiden Kohorten bejahten am Ende

der Rehabilitationsmaßnahme vergleichbar viele Rehabilitanden (68%) die Frage, ob sie die

berufsbezogene Maßnahme, die sie gewollt hatten, auch erhalten hatten. In den Zufrieden-

heitswerten hinsichtlich der arbeits- und berufsbezogenen Therapieleistungen (ZUFmod) zeigte

sich ein geringfügiger, aber statistisch nicht signifikanter Unterschied (Abbildung 6).

a) MBOR-Maßnahme erhalten „…die gewünscht?“

Kohorte 1 Kohorte 2

ufi

gk

eit

0%

20%

40%

60%

80%

100%

ja ja

neinnein

b) Zufriedenheit mit MBOR

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

ZU

F-Z

ufr

ied

en

he

its

we

rt (

Bo

xp

lot)

2

4

6

8

10

12

-1 ,5

-1 ,0

-0 ,5

0 ,0

0 ,5

1 ,0

1 ,5

Konfidenzintervall

Abbildung 6: Zufriedenheit mit der MBOR-Behandlung

12 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich

der Einschätzung der Vorbereitung auf die Rückkehr in das Arbeitsleben, der Einschätzung der

eigenen beruflichen Leistungsfähigkeit und auch nicht in der Einschätzung, bis zum Erreichen

28

des Rentenalters berufstätig sein zu können, wenn auch Rehabilitanden, die vor dem Imple-

mentieren des Ansatzes befragt worden waren, hier zum Teil weniger zuversichtliche Antwor-

ten wählten (Abbildung 7).

a) Einschätzung der Vorbereitung auf Rückkehr ins Arbeitsleben

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittle re D ifferenz

Ein

sc

tzu

ng

sw

ert

(B

ox

plo

t)

1

2

3

4

5

-0,5

0,0

0,5

Konfidenzintervall

b) Subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

Ein

sc

tzu

ng

sw

ert

(B

ox

plo

t)

1

2

3

4

-0,5

0,0

0,5

Konfidenzintervall

c) Einschätzung bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig zu sein

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

Ein

sc

tzu

ng

sw

ert

(B

ox

plo

t)

1

2

3

4

5

-0 ,5

0 ,0

0 ,5

Konfidenzintervall

Abbildung 7: Subjektive Einschätzungen 12 Monate nach Rehabilitation

29

Damit stellte sich der erwartete Effekt nicht ein, dass nach der Einführung der Partizipativen

Entscheidungsfindung im Kontext der MBOR Rehabilitanden motivierter sind für die Bearbei-

tung ihrer beruflichen Problemlagen und sie auch zufriedener mit der Indikationsstellung und

den arbeits- und berufsbezogenen Therapieleistungen sind. Dies, lässt sich darauf zurückfüh-

ren, dass sich aus Sicht der Rehabilitanden die partizipative Einbindung nicht verändert hatte.

Wie in Abbildung 6 dargestellt, gaben die Rehabilitanden nach der Ärzteschulung zwar gering-

fügig höhere Werte (d=0,16) im Fragebogen zur partizipativen Entscheidungsfindung (PEF-FB-

9) an, der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. Auffallend war allerdings, dass

sich die Werte des PEF-FB-9 in beiden Erhebungskohorten über den gesamten Wertebereich (0

bis 100) erstreckten. Daher wurde für die weitere Auswertung davon ausgegangen, dass parti-

zipative Einbindung von einem Teil der Rehabilitanden erlebt wurde.

a) Lagemaße der Werte im PEF-FB-9 (Boxplot)

Kohorte 1 Kohorte 2 M ittlere D ifferenz

PE

F-F

B-9

Sk

ale

nw

ert

(B

ox

plo

t)

0

20

40

60

80

100

-15

-10

-5

0

5

10

15

Konfidenzintervall

b) Verteilung der Werte im PEF-FB-9 (Histogramm)

Kohorte 1

051015202530

0

20

40

60

80

100

0 5 10 15 20 25 30

Kohorte 2

Anzahl

Abbildung 8: Partizipative Entscheidungsfindung

30

5.1.2. Formen der Patientenorientierung

Im Weiteren wurden vier patientenorientierte Interaktionsformen (auf Basis der LCA) unter-

schieden.

[1] Partizipative Entscheidungsfindung. Rehabilitanden berichteten die strukturierte Ein-

bindung in die Behandlungsentscheidung entsprechend aller neun definierter Prozess-

schritte der Partizipativen Entscheidungsfindung.

[2] Eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich Rehabilitanden am Entschei-

dungsprozess beteiligt erlebten, ohne dass jedoch die strukturierte Einbindung er-

reicht wurde, wie sie für den Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung kenn-

zeichnend ist (sechs der neun definierten Prozessschritte).

[3] Eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich Rehabilitanden nicht am Ent-

scheidungsprozess beteiligt erlebten (fünf der neun definierten Prozessschritte).

[4] Keine patientenorientierte Interaktionsform (keiner der neun definierten Prozess-

schritte).

Die vier Ausprägungsformen wurden wesentlich durch zwei Facetten bestimmt, zum einen

durch die kommunikative Beziehung im Arzt-Rehabilitanden-Gespräch und zum anderen durch

die Strukturiertheit der Einbindung in die Therapieentscheidung. Indikatoren für die Bezie-

hungsgestaltung finden sich vor allem in Aussagen bezüglich Bemühungen um ein vollständi-

ges Verständnis der Gesprächsinformationen und über kommunikative Asymmetrien. Die

Strukturiertheit der Einbindung in die Therapieentscheidung ist anhand der Prozessschritte der

Partizipativen Entscheidungsfindung definiert und im Fragebogen zur Partizipativen Entschei-

dungsfindung PEF-FB-9 operationalisiert. Daher bildete die Grundlage der Differenzierung die

Analyse der Antworten im Fragebogen PEF-FB-9. Die Latent Class-Analysen legten eine Auftei-

lung der Rehabilitanden in vier Klassen nahe (vgl. Tabelle 8 und Anhang A5). Für diese Auftei-

lung war die empfohlene Maßzahl (BIC-Wert), anhand derer zwischen unterschiedlichen Auf-

teilungen mit verschiedenen Klassenzahlen entschieden werden kann, relativ am kleinsten und

die Klassenbildung plausibel interpretierbar.

Die Rehabilitandenklassen differenzierten sich anhand der Konstellation, welche der für die

Partizipative Entscheidungsfindung definierten Prozessschritte (eher9) als erlebt berichtet

wurden. In Tabelle 9 sind die neun Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung

und ihre Konstellation für die vier differenzierten Rehabilitandenklassen dargestellt.

9 Das zugrundeliegende Differenzierungsverfahren wird auf probabilistischer Basis durchgeführt, so dass manifes-

te Fragebogenantworten auch von den für die Personenklassen typischen Antwortmustern abweichen können (vgl. Anhang A5).

31

Tabelle 8: Latent Class-Analysen zur Festlegung der Rehabilitandenklassen

Anzahl Klassen

BIC Klassifikations-

qualität p (VLMR) p (BLR)

1 3384 --- --- ---

2 2533 0,93 <0,01 <0,001

3 2474 0,86 0,02 <0,001

4 2443 0,91 0,04 <0,001

5 2459 0,88 n.s. <0,001

Anmerkungen BIC: Empfohlenes Maß zum Vergleich der unterschiedlichen Klassenanzahlen; es wurde die Klassenanzahl mit kleinstem BIC gewählt p (VLMR): Signifikanz im Vuong-Lo-Mendell-Rubin-Test; p (BLR): Signifikanz im Bootstrap-Likelihood-Ratio-Differenzentest signifikante Ergebnisse in den Testverfahren VLMR und BLR sprechen dafür, dass diese Klassenanzahl geeigneter erscheint als eine um die Anzahl 1 verminderte Klassezahl.

Tabelle 9: Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung als Grundlage zur

Differenzierung der Formen der Patientenorientierung

Par

tizi

pat

ive

Ents

che

idu

ngs

fin

du

ng

pat

ien

ten

ori

enti

erte

Inte

rakt

ion

in E

nts

chei

du

ng

ein

geb

un

den

pat

ien

ten

ori

enti

erte

Inte

rakt

ion

nic

ht

in E

nts

chei

du

ng

ein

geb

un

den

Kei

ne

pat

ien

ten

ori

enti

erte

Inte

rakt

ion

PEF-Prozessschritte [1] [2] [3] [4]

1. Mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht ♦ ◊ ♦ ◊ 2. Gleichberechtigung der Partner formulieren ♦ ◊ ♦ ◊ 3. Über Wahlmöglichkeiten informieren ♦ ♦ ♦ ◊

4. Über Vor- und Nachteile der Optionen informieren ♦ ◊ ◊ ◊

5. Verständnis, Gedanken und Erwartungen erfragen ♦ ♦ ♦ ◊

6. Präferenzen ermitteln ♦ ♦ ◊ ◊

7. Aushandeln ♦ ♦ ◊ ◊

8. Gemeinsame Entscheidung herbeiführen ♦ ♦ ◊ ◊

9. Vereinbarung zur Umsetzung treffen ♦ ♦ ♦ ◊

Anmerkung ♦ eher als erlebt berichtet ◊ eher nicht als erlebt berichtet

32

Kennzeichnend für die erste Klasse war, dass im Wesentlichen alle Prozessschritte der Partizi-

pativen Entscheidungsfindung von den Rehabilitanden erlebt wurden.

Kennzeichnend für die zweite Klasse war, dass die Gesprächsinformationen, insbesondere

über die verschiedenen Therapieoptionen, in verständlicher Art und Weise vermittelt wurden

(PEF-Schritte 3 und 5), sowie die Gesprächssituation als gemeinsames Abwägen und Auswäh-

len dieser Therapieoptionen (PEF-Schritte 7 und 8) erlebt wurden. Der Hauptunterschied zur

Partizipativen Entscheidungsfindung bestand darin, dass keine vollständig strukturierte Ein-

bindung erfolgte, d.h. dass nicht alle neun Prozessschritte von den Rehabilitanden erlebt wur-

den, sondern die ersten beiden PEF-Schritte, die sich auf die Mitteilung über das Anstehen der

Therapieentscheidung sowie das Formulieren der Gleichberechtigung der Partner beziehen,

nicht erlebt wurden, und auch nicht das Erklären der Vor- und Nachteile der einzelnen Thera-

pieoptionen.

Kennzeichnend für die dritte Klasse war, dass nicht nur die Information über verschiedene

Therapieoptionen in verständlicher Art und Weise vermittelt wurden (PEF-Schritte 3 und 5),

sondern auch mitgeteilt wurde, dass eine Entscheidung anstehe und die Gleichberechtigung

der Partner formuliert wurde (PEF-Schritte 1 und 2). An der eigentlichen Entscheidungsfindung

(PEF-Schritte 7 und 8) erlebten sich die Rehabilitanden in dieser Klasse nicht beteiligt, berich-

teten jedoch, in die Vereinbarung über das weitere Vorgehen einbezogen worden zu sein (PEF-

Schritt 9).

Kennzeichnend für die vierte Klasse war, dass im Wesentlichen keiner der Prozessschritte der

Partizipativen Entscheidungsfindung als erlebt berichtet wurden.

Die 283 Rehabilitanden verteilten sich auf die vier ermittelten Klassen wie es in der Tabelle 10

aufgeschlüsselt ist. Die Verteilung war für die beiden Erhebungsphasen vergleichbar ( 2 =0,71,

n.s.).

Tabelle 10: Verteilung der 283 Rehabilitanden auf die Formen der Patientenorientierung

Formen der Patientenorientierung [Rehabilitandenklasse]

Gesamt Klass.-

qualität Kohorte 1 Kohorte 2 n % n % n %

[1] Partizipative Entscheidungsfindung 119 42,0% 0,96 59 41% 60 43%

[2] Patientenorientierte Interaktionsform in Entscheidungsprozess eingebunden

44 15,5% 0,96 20 14% 24 17%

[3] Patientenorientierte Interaktionsform nicht in Entscheidungsprozess eingebunden

41 14,5% 0,97 21 15% 20 14%

[4] Keine patientenorientierte Interaktionsform 79 27,9% 0,91 42 30% 37 26%

33

Tabelle 11: Beschreibung der Rehabilitandenklassen

Klasse [1] [2] [3] [4]

n 119 44 41 79

Alter M (SD) 50,3 (10,2) 51,0 (8,0) 48,0 (12,8) 49,9 (9,0) n.s.

Frauen n 77 64,7% 35 79,5% 24 58,5% 48 60,8% n.s.

Männer n 35 29,4 8 18,2% 17 41,5% 27 34,2%

keine Angabe n 7 5,9% 1 2,3% 0 4 5,1%

Vollzeit tätig n 58 48,7% 17 38,6% 21 51,2% 27 34,2% n.s.

Teilzeit tätig n 23 19,4% 6 13,6% 5 12,2 12 15,2% n.s.

Arbeitslos n 34 28,6% 21 47,7% 14 34,1 36 45,6% *

keine Angabe n 4 3,4% 0 1 2,4% 4 5,1%

berufliche Belastung n 12,1 (2,4) 12,2 (2,5) 12,5 (2,0) 12,3 (2,3) n.s.

Interesse MBOR n 6,9 (2,8) 7,3 (2,4) 8,2 (2,5) 7,1 (2,6) n.s.

Informationswunsch n 92,7 (9,9) 95,0 (7,3) 91,2 (9,9) 92,1 (11,2) n.s.

Autonomiepräferenz n 21,8 (19,0) 27,8 (19,4) 25,2 (16,5) 29,7 (17,5) * [1]<>[4]

5.1.3. Zielgrößen im Vergleich für verschiedene Formen der Patientenorientierung

Die Differenzierung der vier Formen der Patientenorientierung zeigte für die Motivation zur

Bearbeitung beruflicher Problemlagen keine Unterschiede, jedoch für die Zufriedenheit mit

dem Indikationsgespräch, mit der darin getroffenen Entscheidung und der MBOR-Maßnahme.

Die einzelnen Zielgrößen sind in den Abbildungen 9 bis 12 dargestellt (Mittelwerte und 95%-

Konfidenzintervalle) und in Tabelle 12 zusammengefasst (vgl. auch Anhang A5).

Im Fragebogen zur berufsbezogenen Behandlungsmotivation zeigten sich weder in der Skala

Veränderungsabsicht (FBTM-VA) noch in der Skala Negative Behandlungserwartung (FBTM-

NBE) signifikante Unterschiede zwischen den Formen der Patientenorientierung (Abbildung 9).

34

a) Veränderungsabsicht

FBTM -VA M otivationsw ert (M ; Konfidenzinterva ll)

1 2 3 4 5

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

n.s.

b) Negative Behandlungserwartung

FBTM -N BE M otivationsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

1 2 3 4 5

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

n.s.

Abbildung 9: Berufsbezogene Behandlungsmotivation

Unmittelbar nach dem Indikationsgespräch zeigte sich in den drei Zufriedenheitsaspekten im

Wesentlichen ein vergleichbares Bild (Abbildung 10). Am zufriedensten äußerten sich jeweils

die Rehabilitanden, für die von Partizipativer Entscheidungsfindung ausgegangen werden kann

(Rehabilitandenklasse [1]), gefolgt von den Rehabilitanden, die eine patientenorientierte

Interaktionsform berichtet hatten (Rehabilitandenklassen [2] und [3]), während sich am unzu-

friedensten sich die Rehabilitanden äußerten, die keine Patientenorientierung berichtet hat-

ten.

Für die Zufriedenheit mit der Gesprächssituation (PZFmod) zeigte sich ein großer Unterschied

(d=0,67) zwischen der Partizipativen Entscheidungsfindung (Rehabilitandenklasse [1]) und der

entscheidungsinvolvierenden Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [2]). Hingegen un-

35

terschieden sich die beiden Formen der Patientenorientierung (Rehabilitandenklassen [2] und

[3]) nicht signifikant voneinander. Zwischen Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [3])

und „keine Patientenorientierung“ (Rehabilitandenklasse [4] zeigte sich wiederum ein großer

Unterschied (d=0,70). Auch für die Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess (SWDmod)

zeigte sich ein großer Unterschied (d=0,69) zwischen der Partizipativen Entscheidungsfindung

(Rehabilitandenklasse [1]) und der entscheidungsinvolvierenden Patientenorientierung

(Rehabilitandenklasse [2]), kein signifikanter Unterschied fand sich zwischen den beiden For-

men der Patientenorientierung (Rehabilitandenklassen [2] und [3]), jedoch wiederum ein gro-

ßer Unterschied (d=0,85) zwischen Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [3]) und kei-

ner Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [4]). In den Zufriedenheitswerten bezüglich

der Entscheidung (PDSSmod) war der Unterschied zwischen der Partizipativen Entscheidungs-

findung (Rehabilitandenklasse [1]) und der entscheidungsinvolvierenden Patientenorientie-

rung (Rehabilitandenklasse [2]) allerdings statistisch nicht signifikant, ebenso wenig der Unter-

schied zwischen den beiden Formen der Patientenorientierung (Rehabilitandenklassen [2] und

[3]). Ein großer Unterschied (d=0,73) zeigte sich zwischen der Patientenorientierung

(Rehabilitandenklasse [3]) und keiner Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [4]).

Die Tendenz des Zufriedenheitsbildes deutete sich am Ende der Rehabilitation noch an, ohne

jedoch vergleichbare Unterschiede aufzuweisen (Abbildung 11). Ein statistisch signifikanter

Unterschied zeigte sich für den Zufriedenheitswert mit den arbeits- und berufsbezogenen The-

rapiemaßnahmen (ZUFmod) zwischen der Partizipativen Entscheidungsfindung (Rehabilitanden-

klasse [1]) und fehlender Patientenorientierung (Rehabilitandenklasse [4]). Auf die Frage, die

arbeits- und berufsbezogene Maßnahme erhalten zu haben, die sie gewollt hatten, antworte-

ten mit „Ja“ am häufigsten die Rehabilitanden, für die von Partizipativer Entscheidungsfindung

ausgegangen werden kann (Rehabilitandenklasse [1]), gefolgt von den Rehabilitanden, die eine

patientenorientierte Interaktionsform berichtet hatten (Rehabilitandenklassen [2] und [3]),

während die Rehabilitanden, die über keine Patientenorientierung berichtet hatten, am we-

nigsten zustimmten. Für die Rehabilitandenklassen, die an der Entscheidung beteiligt waren

(Rehabilitandenklassen [1] und [2]) zeigte sich ein kleiner signifikanter Unterschied (w=0,14)

gegenüber denen, die nicht beteiligt waren (Rehabilitandenklassen [3] und [4]).

36

a) Gesprächssituation

PZF-Zufriedenheitsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

0 20 40 60 80 100

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

**[1 ]<>[2]

**[3 ]<>[4]

n .s.

[2]<>[3]

***[1 ]<>[4]

b) Entscheidungsprozess

SW D -Zufriedenheitsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

0 20 40 60 80 100

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

***[3 ]<>[4]

***[1 ]<>[4]

*[1 ]<>[2]

n .s.

[2]<>[3]

c) Entscheidung

PD SS-Zufriedenheitsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

0 20 40 60 80 100

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

**[3 ]<>[4]

***[1 ]<>[4]

n .s.

[1]<>[2]

n .s.

[2]<>[3]

Abbildung 10: Zufriedenheit mit Indikationsgespräch, Entscheidungsprozess und Entscheidung

37

a) Zufriedenheit

ZU F-Zufriedenheitsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

4 6 8 10 12

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

*[1 ]<>[4]

b) MBOR-Maßnahme erhalten, „…die gewünscht?“

H äufigkeit

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ] ja ne in

ja

ja

ja

nein

nein

nein

Abbildung 11: Zufriedenheit mit der MBOR-Behandlung

In der Nachbefragung nach 12 Monaten (Abbildung 12) zeigten sich keine signifikanten Unter-

schiede hinsichtlich der Bewertung der Vorbereitung auf die Rückkehr in das Arbeitsleben und

der eigenen beruflichen Leistungsfähigkeit, auch wenn sich für die Rehabilitanden, die über

keine Patientenorientierung berichteten (Rehabilitandenklasse [4]) ein leicht geringere Ein-

schätzung sowohl der Vorbereitung in der Klinik auf die Rückkehr in das Arbeitsleben wie auch

der subjektiven beruflichen Leistungsfähigkeit andeutete. Bei der Einschätzung, bis zum Errei-

chen des Rentenalters berufstätig sein zu können, zeigten sich ebenfalls keine statistischen

Unterschiede. (Hier deutete sich eine leicht höhere Einschätzung für die Rehabilitandenklasse

[2] an).

38

a) Einschätzung der Vorbereitung auf Rückkehr ins Arbeitsleben

Einschätzungsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

1 2 3 4 5

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

b) Subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

Einschätzungsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

1 2 3 4

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rein

eti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

c) Einschätzung bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig zu sein

Einschätzungsw ert (M , Konfidenzinterva ll)

1 2 3 4 5

Fo

rme

n d

er

Pa

tie

nte

no

rie

nti

eru

ng

[4 ]

[3 ]

[2 ]

[1 ]

Abbildung 12: Subjektive Einschätzungen 12 Monate nach Rehabilitation

39

Tabelle 12: Vergleich nach Formen der Patientenorientierung

Fragebogen Bedingung n M SD Sig. Post-hoc d

berufsbezogene Therapiemotivation

Veränderungsabsicht FBTM-VA [1] 119 3,01 0,80 n.s. (0,22)

[2] 44 2,85 0,71 (0,35)

[3] 41 3,09 0,72 (0,27)

[4] 79 2,90 0,72

Negative Behandlungserwartung

FBTM-NBE [1] 119 2,20 0,74 n.s. (0,07)

[2] 44 2,15 0,71 (0,48) [3] 41 2,50 0,76 (0,27) [4] 79 2,30 0,74

Zufriedenheit

Gesprächsituation PZFmod [1] 119 82,35 14,11 *** [1]<>[2] ** 0,67 [2] 44 72,27 17,77 [2]<>[3] n.s. (0,23) [3] 41 67,78 21,31 [3]<>[4] ** 0,70 [4] 79 51,79 24,05

Entscheidung(sprozess) SWDmod [1] 119 85,19 12,65 *** [1]<>[2] * 0,69 [2] 44 74,39 22,11 [2]<>[3] n.s. (0,13) [3] 41 71,66 21,78 [3]<>[4] *** 0,85 [4] 79 51,08 25,47

Entscheidung PDSSmod [1] 119 75,15 12,85 *** [1]<>[2] n.s. (0,33) [2] 44 70,93 13,12 [2]<>[3] n.s. (0,16) [3] 41 68,62 15,53 [3]<>[4] ** 0,73 [4] 79 55,73 18,91

Einschätzungen nach der MBOR-Maßnahme und 12 Monate nach Reha

Zufriedenheit mit MBOR-Maßnahme

Zufmod [1] 119 10,04 2,27 * [1]<>[2] n.s. (0,22) [2] 44 9,57 1,95 [2]<>[3] n.s. (0,00)

[3] 41 9,58 2,39 [3]<>[4] n.s. (0,24) [4] 79 8,99 2,47 [1]<>[4] * 0,45

Vorbereitung auf Rückkehr in Beruf

Einzelitem [1] 80 3,36 1,13 n.s. (0,03) [2] 29 3,33 1,11 (0,00)

[3] 26 3,33 0,95 (0,36) [4] 45 2,92 1,26

Subjektive berufliche Leistungsfähigkeit

Einzelitem [1] 80 2,57 0,98 n.s. (0,05) [2] 29 2,53 0,99 (0,01)

[3] 26 2,52 0,89 (0,11) [4] 45 2,41 0,99

bis zum Rentenalter berufstätig sein können

Einzelitem [1] 80 2,46 1,34 n.s. (0,27) [2] 29 2,81 1,18 (0,25)

[3] 26 2,53 1,11 (0,01) [4] 45 2,54 1,25

40

Damit ergaben sich keine Hinweise für den erwarteten Effekt der Partizipativen Entscheidungs-

findung, dass im Kontext der MBOR Rehabilitanden motivierter sind für die Bearbeitung ihrer

beruflichen Problemlagen. Hingegen ergaben sich deutliche Hinweise dafür, dass Rehabilitan-

den, die patientenorientierte Interaktionsformen und insbesondere Partizipative Entschei-

dungsfindung erlebten, zufriedener sind mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffe-

nen Entscheidung.

5.2. Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse

Die im Rahmen der halbstrukturierten Interviews mit Behandlern gewonnenen Einschätzungen

hinsichtlich der Bewertung des PEF-Ansatzes und seiner Umsetzbarkeit – auch für andere Indi-

kationen – im Kontext der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation können wie folgt

zusammenfassend dargestellt werden:

Patientenorientierung. Nach der individuellen Definition von Patientenorientierung nach den

Erfahrungen der Studie und dem dort realisierten PEF-Ansatz befragt, wurde erkennbar, dass

die Definition der befragten Behandler darauf fokussierte, dem Patienten alles zu erklären, ihn

explizit als Gesprächspartner wahrzunehmen, seine Eigenverantwortung zu akzeptieren (und

es damit auch zu akzeptieren, wenn der Patient eine Maßnahme ablehnt) und ihn zur Therapie

und zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Beruf“ zu motivieren. Dies schlage sich darin

nieder, häufiger den Patienten explizit zu fragen, was er möchte und sich vorstellt (was teil-

weise in dieser Form vorher nicht so gemacht worden sei) und die therapeutischen Optionen

und Angebote (soweit möglich) individuell auf den Patienten zuzuschneiden und anzupassen.

Gemeinsame Entscheidungsfindung und Gleichberechtigung. Das Indikationsgespräch bzgl.

berufsbezogener Maßnahmen wird zumeist mit dem Aufnahmegespräch kombiniert. Damit

kommt die zu fordernde Entscheidung hinsichtlich spezifischer berufsorientierter Maßnahmen

für manche Patienten zu früh, da diese sich mit sehr vielen Informationen und Anforderungen

im Aufnahmegespräch auseinander setzen müssten; eine Entscheidung könne prinzipiell auch

später getroffen werden.

Bedenkenswert sei (zumindest in bestimmten Fällen) auch eine Vorselektion von Maßnahmen,

die für den Patienten aus fachlicher Sicht sinnvoll seien, auch um eine Überforderung der Re-

habilitanden mit zu vielen Informationen und Entscheidungserfordernissen zu vermeiden. Auf

diese Weise könne bezüglich ausgewählter Therapiealternativen gemeinsam mit dem Patien-

ten (gleichsam unter ärztlicher/therapeutischer Anleitung bzw. Begleitung) entschieden wer-

den. Mit Blick auf den Aspekt der Gleichberechtigung der Partner im Entscheidungsprozess

wurde von einigen Befragten betont, dass dies gleichwohl impliziere oder so realisiert werde,

dass der Patient – im Rahmen eines insgesamt patientenorientierten Vorgehens – im Gespräch

durch den Arzt/Behandler geführt werde. Auch wurde angegeben, dass Gleichberechtigung

quasi automatisch gegeben sei und nicht explizit betont oder angesprochen werden müsse.

41

Betont wurde des Weiteren, dass manche Patienten sich nicht an einer gemeinsam verantwor-

teten Entscheidung beteiligen wollten, sondern die Entscheidung über das weitere therapeuti-

sche Vorgehen dem Arzt überließen. Zudem wurde es teilweise als schwierig angesehen, die

Vor- und Nachteile der berufsbezogenen Therapieoptionen zu formulieren und entsprechend

darzustellen.

Übertragbarkeit auf den Kontext anderer Indikationen, insbesondere der Neurologie. Die in

den beteiligten neurologischen Rehabilitationseinrichtungen befragten Behandler beurteilten

die Anwendbarkeit des PEF-Ansatzes in der neurologischen Rehabilitation als teilweise gege-

ben. Als wesentlicher Vorteil wurden die Potenziale des Ansatzes für eine Strukturierung der

Interaktion und Gesprächsführung mit den Rehabilitanden gesehen. Zudem seien die im Rah-

men der Gesprächsführung verwendeten decision aids hilfreich, um die Vor- und Nachteile der

verschiedenen Behandlungsoptionen zu diskutieren und zu visualisieren. Auf der anderen Sei-

te wurde es als kritisch bzw. schwierig gesehen, Partizipative Entscheidungsfindung und eine

entsprechende Gesprächsführung bei bestimmten Subgruppen neurologischer Patienten zu

realisieren, etwa bei solchen mit gravierenden kognitiven Einschränkungen (etwa bezüglich

Konzentration, Aufmerksamkeit) oder bei Rehabilitanden mit geringer Compliance. Die Dar-

stellung und Diskussion „gleichwertiger“ Behandlungsoptionen kollidiere teilweise mit der Tat-

sache, dass bestimmte Therapiemaßnahmen notwendig und indiziert seien (und daher hier gar

keine Entscheidung darüber getroffen werden könne). Auch könne, so die Befürchtung, die

Präsentation von Behandlungsoptionen einen „Speisekarten-Effekt“ auf Seiten der Patienten

haben und unrealistische Erwartungen wecken.

42

6. Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss von Partizipativer Entscheidungsfindung (PEF)

auf die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen und auf die Zufriedenheit mit

arbeits- und berufsbezogenen Behandlungsmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation zu

untersuchen. Dabei war von der Überlegung ausgegangen worden, Partizipative Entschei-

dungsfindung als neues Konzept im Bereich der MBOR einzuführen und Auswirkungen primär

auf Seiten der Rehabilitanden quantitativ zu erfassen.

Schulungsmaßnahme. Kernelement für die Umsetzung des Ansatzes der Partizipativen Ent-

scheidungsfindung im Rahmen der MBOR stellte die Schulung von Ärzte und Therapeuten der

teilnehmenden Rehabilitationseinrichtungen in Form einer halbtägigen Fortbildungsmaßnah-

me dar. Die Ergebnisse zeigten jedoch entgegen der Erwartung weder den Effekt, dass nach

Implementierung des Ansatzes in den MBOR-Kontext Rehabilitanden motivierter waren, sich

während der medizinischen Rehabilitation mit beruflichen Problemlagen auseinander zuset-

zen, noch dass sie mit dem Indikationsgespräch zu den arbeits- und berufsbezogenen Thera-

pieelementen zufriedener waren. Hierfür können verschiedene mögliche Gründe aufgeführt

werden.

So wäre denkbar, dass die im Rahmen der Studie durchgeführte halbtägige Schulungsmaß-

nahme von den Inhalten her oder vom zeitlichen Umfang nicht ausreichend war, um eine Ver-

haltensänderung der Ärzte und Therapeuten im Indikationsgespräch zu bewirken. Inhaltlich

war die Schulungsmaßnahme an das im Förderschwerpunkt „Patient als Partner im medizini-

schen Entscheidungsprozess“ entwickelte Manual von Bieber et al. (2007) angelehnt und auch

in didaktischer Hinsicht so angelegt, dass die wesentlichen Bestimmungsstücke des Ansatzes

nicht nur theoretisch vermittelt, sondern auch die notwendigen Fertigkeiten praktisch im Rol-

lenspiel (Fischbeck et al., 2009) geübt wurden. Zum Konzept der Partizipativen Entscheidungs-

findung nach der zweiten Erhebungskohorte nachbefragt, beschrieben die geschulten Ärzte im

halbstandardisierten Interview für dieses zwar wesentliche Kernelemente (dem Patienten alles

erklären, ihn explizit als Gesprächspartner wahrnehmen, seine Eigenverantwortung akzeptie-

ren und explizit nach Wünschen und Vorstellungen fragen um zur berufsbezogenen Therapie

und zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Beruf“ zu motivieren), dies nicht jedoch unter

expliziter Benennung der einzelnen definierten PEF-Prozessschritte. In den halbstrukturierten

Interviews wurde weiterhin berichtet, dass das konkrete Kommunikationsverhalten nur teil-

weise verändert worden war. Was den zeitlichen Umfang angeht, zeigte ein Cochrane-Review

zur Wirksamkeit von Interventionen zur Förderung der Patientenorientierung (Lewin et al.,

2001) zwar auch Effekte für ärztliche Weiterbildungsmaßnahmen, die einmalig einen halben

Tag umfassten, bessere Ergebnisse konnten aber dann erreicht werden, wenn Ärzte mehrmals

und insgesamt länger an Fortbildungsmaßnahmen teilnahmen. Daher sollte zukünftig versucht

werden, die Rahmenbedingungen für Schulungsmaßnahmen so zu gestalten, dass den Ärzten

und Therapeuten die Möglichkeit geboten wird, an mehreren Fortbildungseinheiten teilzu-

nehmen, um den Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung kennen zu lernen, eigene

43

Einstellungen diskutieren und neu erworbene Fertigkeiten nicht nur im Rollenspiel üben, son-

dern auch in der Zeit zwischen den Schulungsterminen praktisch ausprobieren zu können (Bie-

ber et al., 2007, Stewart et al., 2003). Inzwischen liegt ein weiteres, speziell für den Bereich der

medizinischen Rehabilitation entwickeltes, modular aufgebautes Trainingsprogramm zur Im-

plementierung der Partizipativen Entscheidungsfindung im Bereich der medizinischen Rehabili-

tation vor (Körner et al., 2011). Auch in dieses Programm floss die Erfahrung ein (z.B.

Rockenbauch et al., 2010), dass von ärztlicher Seite der Partizipativen Entscheidungsfindung

ein hoher Stellenwert zuerkannt wird. Allgemein besteht jedoch noch großer Forschungsbe-

darf dahingehend, die geeigneten Modalitäten herauszufinden, die gegeben sein müssen, da-

mit Ärzte und im Gesundheitswesen professionell Tätige den PEF-Ansatz vollständig und dau-

erhaft in ihre Versorgungspraxis übernehmen können (Légaré et al., 2010).

Partizipative Einbindung. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten aber auch, dass sich

über die Hälfte der Rehabilitanden (58%) als in die Therapieentscheidung eingebunden be-

schrieb. Dieser Befund zeigte sich bereits für die Rehabilitanden der ersten Erhebungskohorte

und damit zum Zeitpunkt, zu dem die Ärzte und Therapeuten in den beteiligten Rehabilitati-

onseinrichtungen noch nicht im Ansatz der Partizipativen Entscheidungsfindung spezifisch ge-

schult waren. Dafür sind unterschiedliche Erklärungen möglich. Denkbar ist zum einen, dass

entgegen der ursprünglichen Annahme die Rehabilitanden in der Versorgungspraxis der medi-

zinischen Rehabilitation bereits in gewissem Umfang partizipativ in Behandlungsentscheidun-

gen eingebunden werden. Allerdings war während der Studienplanung sowie in den Anfangs-

diskussionen mit den Teilnehmern der Schulungsmaßnahme zu beobachten, dass (zunächst

noch) der Begriff der Partizipativen Entscheidungsfindung assoziiert wurde mit Aussagen der

Form „der Patient soll alles bekommen, was er möchte“ und der Vorstellung, dass sich damit

die ärztliche Tätigkeit lediglich auf das Verfügbarmachen der notwendigen Rahmenbedingun-

gen und das Ausführen der vom Patienten souverän getroffenen Entscheidung reduziere10

(Konsumentenmodell). Diese unsystematischen Beobachtungen sprechen nicht dafür, dass vor

der Schulungsmaßnahme von den Ärzten und Therapeuten Partizipative Entscheidungsfin-

dung, wie sie durch die definierten Prozessschritte operationalisiert ist, bereits realisiert wur-

de. Die Studienergebnisse machen vielmehr deutlich, dass allgemeine, patientenorientierte

Arzt-Patient-Interaktionsprozesse, in denen dem Patienten mehr Anteile in der Gesprächssitu-

ation eingeräumt werden (z.B. durch offenes Kommunikationsverhalten, verstärkte Zuwen-

dung und Ausdruck von persönlichem Interesse), die jedoch nicht spezifisch auf das Mitwirken

bei der Entscheidung ausgerichtet sind, bei der Interpretation der Befunde zu berücksichtigen

sind. So analysieren Sandman und Munthe (2009) aus einer medizintheoretischen Perspektive

die Relation der Partizipativen Entscheidungsfindung zum Modell des Paternalismus und zum

Konsumentenmodell. Sie beschreiben mehrere unterscheidbare Ausprägungsformen, die mit

der auf Charles et al. (1997, 1999) basierenden Definition der Partizipativen Entscheidungsfin-

dung vereinbar sind. Als wesentlich für die theoretische Unterscheidung zeigten sich dabei 10

Diese Auffassung konnte im Schulungsverlauf durch das Kennenlernen der Prozessschritte der Partizipativen Entscheidungsfindung revidiert werden.

44

zwei Differenzierungsmomente: zum einen die (kommunikative) Einbindung des Patienten in

den Entscheidungsprozess und zum anderen das konkrete Mitwirken an der eigentlichen Ent-

scheidung. Diese Unterscheidung kommt auch in der empirischen Untersuchung von Edwards

und Elwyn (2006) zum Tragen. Sie untersuchten Arzt-Patienten-Gespräche von Ärzten, die in

partizipativer Entscheidungsfindung erfahren waren, und differenzierten mittels qualitativer

Analysen ebenfalls zwischen dem Prozess des Einbindens (Darstellung der Behandlungsoptio-

nen, Informationsaustausch und Explorieren der Präferenzen) und der Mitwirkung an der ei-

gentlichen Entscheidung. Die Autoren schlussfolgerten, dass scheinbar der kommunikative

Einbindungsprozess und nicht die Mitwirkung am eigentlichen Entscheidungsakt Vorteile für

den Patienten mit sich bringt. Für die Partizipative Entscheidungsfindung ist in konzeptioneller

Hinsicht zu hinterfragen, welche der dem Ansatz zugeschriebenen Effekte mehr auf die (kom-

munikative) Partizipation als auf das Mitwirken an der tatsächlichen Entscheidung zurückzu-

führen sind.

Formen der Patientenorientierung. Um den Einfluss der Partizipativen Entscheidungsfindung

auf die Motivation und Zufriedenheit trotz des fehlenden Schulungseffekts dennoch weiter zu

untersuchen, wurden im Rahmen der zweiten Auswertungsstrategie vier Arzt-Patienten-

Interaktionsformen entsprechend ihrer Patientenorientierung (bzw. deren Ausmaß) unter-

schieden:

[1.] Partizipative Entscheidungsfindung, d.h. die Einbindung in die Behandlungsentschei-

dung erfolgte strukturiert entsprechend aller neun definierten PEF-Prozessschritte;

[2] eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich die Rehabilitanden am Ent-

scheidungsprozess beteiligt erlebten, ohne dass jedoch der gleiche Grad der struktu-

rierten Einbindung erreicht wurde, wie sie für den Ansatz der Partizipativen Entschei-

dungsfindung kennzeichnend war;

[3.] eine patientenorientierte Interaktionsform, bei der sich die Rehabilitanden nicht am

Entscheidungsprozess beteiligt erlebten;

[4.] keine patientenorientierte Interaktion.

Die vier differenzierten Formen ergaben sich aus zwei Grundmustern der Zustimmung zu den

neun PEF-Prozessschritten und deren Komplementärmuster (vgl. Tabelle 9). Die erste Form

(Partizipative Entscheidungsfindung) spiegelte komplementär die vierte Form (keine patien-

tenorientierte Interaktion), indem alle bzw. keiner der PEF-Prozessschritte berichtet wurden.

Die zweite Form (patientenorientierte Interaktion mit Entscheidungsbeteiligung) steht insbe-

sondere in den PEF-Schritten „Präferenzen ermitteln“ (Schritt 6), „Aushandeln“ (Schritt 7) und

„Gemeinsame Entscheidung herbeiführen“ (Schritt 8) der dritten Form (patientenorientierte

Interaktion ohne Entscheidungsbeteiligung) komplementär gegenüber, ferner in den ersten

beiden PEF-Schritten „Mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht“ (Schritt 1) und „Gleichbe-

rechtigung der Partner formulieren“ (Schritt 2). Dagegen sind die beiden Formen gleich in den

PEF-Schritten „Über Wahlmöglichkeiten informieren“ (Schritt 3), „Verständnis, Gedanken und

45

Erwartungen erfragen“ (Schritt 5) und „Vereinbarung zur Umsetzung der Entscheidung tref-

fen“ (Schritt 9). Hier liegt auch der Grund dafür, die beiden Formen als patientenorientiert zu

bezeichnen: Informieren und Sichern des Verständnisses, Erkunden persönlicher Thematiken

(Gedanken und Erwartungen) und Bemühen um eine Arzt-Patienten-Allianz sind Kernelemente

der Patientenorientierung, wie sie insbesondere im Konzept der patientenzentrierten Medizin

als bestimmende Faktoren beschrieben sind (Mead & Brown, 2000; Stewart et al., 2003). Da-

mit zeichneten sich diese beiden Formen der Patientenorientierung zusammen mit der Partizi-

pativen Entscheidungsfindung gegenüber der vierten Form aus (keine Patientenorientierung),

während wiederum die ersten beiden Formen (Partizipative Entscheidungsfindung und patien-

tenorientierte Interaktion mit Entscheidungsbeteiligung) den letzten beiden (patientenorien-

tierte Interaktion ohne Entscheidungsbeteiligung und keine Patientenorientierung) gegenüber

gestellt werden können.

Die Differenzierung der vier Formen der Patientenorientierung erfolgte auf der Basis der Fra-

gebogenangaben im PEF-FB-9 (Kriston et al., 2010). Psychometrisch ist der Fragebogen an über

2000 Patienten in der hausärztlichen Versorgung überprüft. Für ihn ist eine gute Reliabilität

und faktorielle Validität nachgewiesen und dem Verfahren kann eine hohe Patientenakzeptanz

und Augenscheinvalidität zugeschrieben werden (Kriston et al., 2010). Für den Fragebogen

lagen aber keine Normwerte vor (Scholl et al., 2011) und speziell im Bereich der MBOR gab es

bisher noch keine Erfahrungen und insbesondere keine Cut-off-Werte, um entscheiden zu

können, ob ein Rehabilitand partizipativ in die Entscheidungsfindung eingebunden war. Daher

wurden Rehabilitandengruppen mit unterschiedlichen Antwortverhalten mit Hilfe der Latent

Class-Analyse (LCA) abgeleitet. Für dieses Vorgehen ist zu bedenken, dass die Ergebnisse allein

auf den subjektiven Angaben im analysierten Rehabilitandenfragebogen beruhten. Es war kein

Außenkriterium verfügbar, anhand dessen überprüft werden konnte, ob die Rehabilitanden

tatsächlich partizipativ in den Entscheidungsprozess über eine MBOR-Maßnahme eingebunden

waren11. Die abgeleiteten Formen der Patientenorientierung sind nicht validiert und es kann

nicht ausgeschlossen werden, dass ihnen andere Faktoren zugrunde liegen. So könnten die

Klassen durch Persönlichkeitseigenschaften, die innerhalb der befragten Rehabilitanden unter-

schiedlich verteilt sind, bestimmt sein (wie z.B. durch die Eigenschaft, Ärzte als Autoritätsper-

sonen des Gesundheitssystems zu sehen und ihnen daher das erfragte Kommunikationsverhal-

ten eher zuzuschreiben) oder durch Antworttendenzen bzw. Artefakte bei der Bearbeitung des

Fragebogens (wie z.B. eine unterschiedliche Handhabung der Antwortskala). Methodisch ist

darüber hinaus die Anzahl der 283 eingehenden Personendaten kritisch zu sehen. Das ungüns-

tige Verhältnis von 94 tatsächlich beobachteten gegenüber 512 möglichen Antwortmustern,

auf dem die 4-Klassen-Lösung basiert, erlaubte keine vollständig systematische Untersuchung

11

Es war zwar ursprünglich geplant, etwa 5% der Indikationsgespräche aufzuzeichnen, um die Treatment-integrität überprüfen zu können. In der Projektdurchführung konnte die Aufzeichnung jedoch nicht realisiert werden. Da die Studie nur in zwei der geplanten fünf orthopädischen Rehabilitationskliniken durchgeführt wer-den konnte und auch weniger Rehabilitanden als ursprünglich angenommen an der Studie teilnahmen, wurde auf die Aufzeichnung verzichtet, um der Bereitschaft zur Studienteilnahme nicht eine weitere Hürde zu geben.

46

aller möglichen Antwortkonfigurationen. Zwar sprechen die Ergebnisse für einen ausreichen-

den Modell-Fit (übereinstimmende Ergebnisse in den beiden unterschiedlichen Statistikpro-

grammen MPlus und WINMIRA, integriertes Bootstrap-Verfahren), eine Replikation der

Rehabilitandenklassen mit einer größeren Stichprobe ist jedoch aus methodischer Sicht unbe-

dingt geboten. Die in der vorliegenden Studie resultierenden Formen der Patientenorientie-

rung zeigten im Übrigen den erwarteten Zusammenhang mit der Patientenzufriedenheit, nicht

jedoch mit der Motivation zur Bearbeitung der beruflichen Problemlage während der medizi-

nischen Rehabilitation.

Patientenzufriedenheit. Partizipative Entscheidungsfindung und Patientenorientierung stehen

im Zusammenhang mit der Patientenzufriedenheit. Mit dem Indikationsgespräch und der darin

getroffenen Entscheidung waren die Rehabilitanden, die sich strukturiert eingebunden erleb-

ten, am zufriedensten. Rehabilitanden, die eine patientenorientierte Interaktion erlebt haben,

waren zufriedener als die, die eine weniger patientenorientierte Interaktion erlebten; Skepsis

gegenüber den MBOR-Behandlungselementen wurde im Vergleich häufiger von den Rehabili-

tanden geäußert, die das Indikationsgespräch als weniger patientenorientiert erlebten. Auch

am Ende der Rehabilitationsmaßnahme äußerten sich wiederum die Rehabilitanden, die sich in

das Indikationsgespräch eingebunden fühlten, zufriedener als die nicht eingebundenen Reha-

bilitanden. Damit stützen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung die Annahme, dass

durch Partizipative Entscheidungsfindung die Patientenzufriedenheit gefördert werden kann.

Es zeigten sich jedoch keine eindeutigen Hinweise dafür, dass dieser Effekt spezifisch aufgrund

des konkreten partnerschaftlichen Mitwirkens an der eigentlichen Behandlungsentscheidung

bedingt wurde. Vielmehr ist von eher allgemeinen Effekten der patientenorientierten Interak-

tionselemente im Prozess der Partizipativen Entscheidungsfindung (Informieren und Abklären

des Verständnisses, Erkunden persönlicher Thematiken sowie Bemühen um eine Arzt-

Patienten-Allianz; siehe oben) auszugehen.

Unabhängig davon, welchem der beiden Aspekte (spezifischer Effekt aufgrund des konkreten

partnerschaftlichen Mitwirkens an der eigentlichen Behandlungsentscheidung bzw. eher all-

gemeiner Effekt der patientenorientierten Interaktionselemente) im Konzept der Partizipati-

ven Entscheidungsfindung konzeptionell mehr Bedeutung zuzumessen ist, kann Patientenzu-

friedenheit als Indikator für die Patientenorientierung angesehen werden. Denn Zufriedenheit

wird als kognitive Komponente des subjektiven Wohlbefindens, welche sich aus einem Abwä-

gungsprozess der positiven und negativen Umstände in der aktuellen Lebenssituation ergibt

(Mayering, 1991), bzw. als emotionale Teilkomponente in Zusammenhang mit dem Erreichen

von Verhaltenszielen (Diener, 1984; Scherer, 1987) beschrieben. Die spezifische Form der Pati-

entenzufriedenheit ist damit Indikator für das Erreichen von Behandlungszielen aus der sub-

jektiven Perspektive des Patienten bzw. Ergebnis des Urteilsprozesses aus dem Vergleich der

erwarteten und erhaltenen medizinischen Behandlung (zusammenfassend Jacob, 2002). Hohe

Patientenzufriedenheit im Rahmen der MBOR kann dann als Ausdruck einer guten Überein-

stimmung des erwarteten arbeits- und berufsbezogenen Therapieangebots und der durchge-

47

führten MBOR-Maßnahme angesehen werden. Für das Konzept Zufriedenheit wurde jedoch

von Ipsen (1974) kritisch angemerkt, dass Zufriedenheit als relatives Verhältnis von Erwartun-

gen zur wahrgenommenen Realität auch dann hoch sein kann, wenn die Erwartungen niedri-

ger als die Qualität der Gegebenheiten sind. Für den Rückschluss von der Patientenzufrieden-

heit auf eine realisierte Patientenorientierung ist im Kontext der MBOR also sicherzustellen,

dass Rehabilitanden über realistische Vorstellungen und Erwartungen bezüglich der arbeits-

und berufsbezogenen Rehabilitationsmaßnahme verfügen. Dem wurde dadurch versucht

Rechnung zu tragen, dass Rehabilitanden in der Interventionsphase eine Informationsbroschü-

re über das arbeits- und berufsbezogene Therapieangebot in der Rehabilitationsklinik zur Ver-

fügung gestellt wurde, um ihnen eine fundierte Informationsbasis im Vorfeld des Indikations-

gesprächs zu ermöglichen. Dem Einwand von Ipsen folgend ist es durchaus auch denkbar, dass

im Zusammenhang mit einer „klassischen Kurerwartung“ (d.h. die Erwartung, Rehabilitation

sei lediglich eine Erholungsmaßnahme weit weg von den – beruflichen – Alltagspflichten) auf

Seiten der Rehabilitanden nur niedrige Anforderungen an arbeits- und berufsbezogene Thera-

pieelemente gestellt werden; ein unerwartetes MBOR-Angebot in der Rehabilitationsklinik

könne dann (aufgrund des niedrigen Anforderungsniveaus) zu erhöhten Zufriedenheitswerten

führen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Rehabilitanden mit „Kurerwartung“ bei der Konfronta-

tion mit arbeits- und berufsbezogenen Therapieelementen in der Regel eher enttäuscht wer-

den, und daher eher geringere als höhere Zufriedenheitswerte angeben werden. Ähnlich ist in

diesem Zusammenhang auch ein Einwand aus der Praxis zu sehen, der im Vorfeld zum For-

schungsvorhaben wiederholt vorgebracht wurde. Das große Informationsangebot und die Dar-

stellung aller arbeits- und berufsbezogenen Therapiemöglichkeiten einer Rehabilitationsein-

richtung könne dazu führen, dass auf Seiten der Rehabilitanden Begehrlichkeiten geweckt

würden, an möglichst vielen dieser Maßnahmen teilnehmen zu wollen („Speisekarteneffekt“).

Diese Begehrlichkeiten könnten aber letztlich nur enttäuscht werden. Auch diese Enttäu-

schung bzw. Nichtbefriedigung einer unrealistischen Erwartung sollte wieder eher zu geringe-

ren als zu höheren Zufriedenheitswerten beitragen. Zudem zeigten sich keine Hinweise, die für

die geäußerte Befürchtung sprechen würden (die Rehabilitanden in der zweiten Erhebungsko-

horte sind nicht weniger zufrieden, sondern tendenziell eher zufriedener).

Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen. Für den erwarteten Effekt, dass durch

Partizipative Entscheidungsfindung die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problemalgen

gefördert werden kann, zeigten sich weder im Vergleich der beiden Erhebungskohorten, noch

im Vergleich der Formen der Patientenorientierung entsprechende Hinweise. Dieses Ergebnis

steht im Widerspruch zum augenscheinlich evidenten Zusammenhang zwischen der Beteili-

gung eines Patienten an einer Therapieentscheidung und der Motivation zur aktiven Mitarbeit

bei der Behandlung. Der Zusammenhang ist nicht nur aus der Motivations- und Psychothera-

pieforschung bekannt (z.B. Kanfer et al., 2004; Vogel et al., 1994) sondern wird auch bei der

Interpretation des Ansatzes schon immer mitgedacht, da durch Partizipative Entscheidungsfin-

dung eine verbesserte Compliance erreicht werden kann (Joosten et al., 2008; Loh et al.,

2007). Demgegenüber sind jedoch kaum empirische Studien zu finden, die den Zusammen-

48

hang von Partizipativer Entscheidungsfindung mit konkreten Motivationsmaßen untersucht

haben. In den Reviews zur Effektivität der Partizipativen Entscheidungsfindung von Joosten et

al. (2008) und Loh et al. (2007) finden sich keine Studien, in der Motivation als

Outcomeparameter direkt gemessen wurde. Eine Recherche in der Datenbank MEDLINE für

die Kombination der Suchbegriffe „shared decision making“ und „motivation“ führte zu 29

Treffern; nach Sichtung der Abstracts verblieb eine empirische Studie (Koelewijn-van Loon et

al., 2008) in der die Motivation als (sekundäres) Outcomekriterium erhoben wurde; Ergebnisse

zu diesem Kriterium wurden jedoch nicht veröffentlicht (Koelewijn-van Loon et al., 2009).

In der vorliegenden Untersuchung wurde die Motivation zur Bearbeitung beruflicher Problem-

lagen mit dem Fragebogen zur berufsbezogenen Therapiemotivation (FBTM) von Zwerenz

(2004) erfasst. Dieser Fragebogen ist ein spezifisch für den Bereich der MBOR entwickeltes

Instrument, das psychometrisch überprüft ist. So ist die vierfaktorielle Struktur

konfirmatorisch gesichert und eine ausreichend bis gute Reliabilität (Cronbach‘s Alpha zwi-

schen 0,69 und 0,87) nachgewiesen. Der Fragebogen ist änderungssensitiv, und insbesondere

die Skala „Veränderungsabsicht“ ist prädiktiv valide hinsichtlich der Vorhersage des Erwerbs-

status ein Jahr nach der Rehabilitation. Bei der Entwicklung des Fragebogens wurden die in

den Rehabilitationswissenschaften diskutierten Motivationskonzepte und die entsprechenden

Erhebungsverfahren berücksichtigt (zusammenfassend Zwerenz, 2005), so dass dem Fragebo-

gen die Annahme des Zusammenwirkens verschiedener motivationaler Bestandteile zugrunde

gelegt ist, die in die Erfassung miteingehen: die allgemeine Behandlungsmotivation im Sinne

einer Veränderungsabsicht, die Motivlage von Rehabilitanden, sich während der medizinischen

Rehabilitation überhaupt mit der beruflichen Thematik auseinanderzusetzen und eine aktive

Bewältigung beruflicher Probleme anzustreben, aktuelle berufliche Belastungen, der Stellen-

wert, der der Arbeit generell zugemessen wird, Ängste vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz,

Schonungs- und Erholungserwartungen durch Vermeidung von beruflicher Belastung sowie ein

vorhandener Rentenwunsch (Zwerenz, 2005). Diese breit angelegte Entwicklungsbasis, zu-

sammen mit den guten psychometrischen Eigenschaften, lässt es unwahrscheinlich erschei-

nen, dass das überraschende Ergebnis auf eine unzureichende Erfassung der Motivation durch

den eingesetzten Fragebogen zurückzuführen war. Es besteht weiterer Forschungsbedarf, den

Zusammenhang von Partizipativer Entscheidungsfindung und Motivation empirisch zu erfas-

sen, um aufklären zu können, inwieweit der Befund in der vorliegenden Studie spezifisch für

den Bereich der MBOR zu sehen ist oder allgemein einer Erklärung bedarf.

Kovariaten. In der vorliegenden Untersuchung unterschieden sich die beiden Erhebungskohor-

ten bereits vor dem Indikationsgespräch nicht hinsichtlich der beruflichen Belastung und dem

Interesse, an berufsbezogenen Therapiemaßnahmen während der medizinischen Rehabilitati-

onsmaßnahme teilzunehmen. Unterschiede zeigten sich jedoch hinsichtlich der Autonomie-

präferenz. Die Rehabilitanden in der zweiten Erhebungskohorte (nach PEF-Implementierung)

äußerten eine höhere Autonomiepräferenz als die Rehabilitanden in der ersten Kohorte. Im

Querschnitt über beide Erhebungskohorten hinweg betrachtet ergab sich eine negative Korre-

49

lation (r = -0,23) zwischen der geäußerten Autonomiepräferenz und der erlebten Partizipativen

Entscheidungsfindung; entsprechend gaben Rehabilitanden, die Partizipative Entscheidungs-

findung im höheren Ausmaß erlebt hatten, eher niedrigere Autonomie-Präferenzwerte an.

Dieser Befund kann am ehesten erklärt werden durch die Art und Weise, wie die Autonomie-

präferenz erfasst wurde. Gemessen wurde sie mit den vier Globalitems des Autonomie-

Präferenz-Index (Ende et al., 1989; deutsche Fassung Simon et al., 2011) in modifizierter Form.

Die vier Globalitems des Fragebogens beschreiben das Konstrukt der Autonomiepräferenz al-

lerdings indirekt; die Itemaussagen sind so formuliert, dass sie eher eine klassische (paternalis-

tische) Patienteneinstellung widerspiegeln als direkt den Autonomiegedanken zu erfragen (z.B.

„Wichtige medizinische Entscheidungen sollten von Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin getroffen werden

und nicht von Ihnen“). Als Antwortformat ist eine fünfstufige Likert-Skala vorgesehen, die die

Zustimmung zu den Itemaussagen bipolar erfasst und von „sehr dafür“ über „etwas dafür“,

„neutral“, „etwas dagegen“ bis „sehr dagegen“ reicht. Die Auswertung erfolgt unter Berück-

sichtigung der Polung der Itemaussagen, und die Antworten werden so verrechnet, dass höhe-

re Werte im Fragebogen einer stärkeren Präferenz entsprechen. In der vorliegenden Untersu-

chung war jedoch ein unipolares Antwortformat für die Zustimmung im Fragebogen vorgege-

ben12 worden („Ich stimme dieser Aussage zu: gar nicht – kaum – etwas – ziemlich – sehr“).

Die Auswertung erfolgte so, dass auch hier höhere Werte im Fragebogen einer stärkeren Prä-

ferenz entsprachen (Invertieren des Zustimmungswertes). Der negative Zusammenhang mit

den Werten des PEF-FB-9, die das Ausmaß der Partizipativen Entscheidungsfindung aus der

subjektiven Sichtweise der Rehabilitanden abbilden, könnte aus der Tendenz resultiert haben,

den klassisch und damit auch allgemein formulierten Itemaussagen eher zuzustimmen. Ver-

mutlich wurde dieser Tendenz durch das unipolare Antwortformat Vorschub geleistet, indem

die negativ konnotierten Antwortkategorien „gar nicht“ und „kaum“ eher gemieden und die

positiv konnotierten Kategorien „ziemlich“ und „sehr“ eher bevorzugt wurden13. Weiterhin

zeigte sich auch eine negative Korrelation zwischen der geäußerten Autonomiepräferenz und

den Zufriedenheitswerten mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen Entschei-

dung, nicht jedoch mit der Zufriedenheit mit der MBOR-Maßnahme am Ende der Rehabilitati-

on. Rehabilitanden, die zufriedener mit dem Indikationsgespräch und der darin getroffenen

Entscheidung waren, gaben eher niedrige Autonomie-Präferenzwerte an. Die Befunde zu den

negativen Zusammenhängen könnten beide dafür sprechen, dass sich in den

Rehabilitandenfragebögen im Wesentlichen ein (artifizieller) Faktor widerspiegelte. Rehabili-

12

In der vorliegenden Untersuchung wurde überwiegend ein einheitliches fünfstufiges Antwortformat in den Zufriedenheitsfragebögen und dem Fragebogen zur berufsbezogenen Therapiemotivation verwendet, so auch für die Items des API. Die deutschsprachigen Items stellten gegenüber der amerikanischen Originalversion von Ende (1989) bereits eine Modifikation dar und zum Zeitpunkt der Fragebogenerstellung lag die deutsche Version des API von Simon et al. (2011) noch nicht veröffentlicht vor. 13

Es kann keine Aussage getroffen werden, ob diese Tendenz sich auch in der bipolare Antwortskala manifestie-ren hätte können (indem hier die ablehnend formulierten Antwortkategorien eher gemieden und die zustimmend formulierten Kategorien eher bevorzugt worden wären). Aus methodischer Sicht erscheint es lohnenswert, die Frage der Polarität der vorgegebenen Antwortkategorien weiter zu untersuchen (vgl. Yik, Russell & Feldmann (1999) für ein Beispiel aus der Emotionspsychologie)

50

tanden könnten bei der Beantwortung der Fragebögen durch eine (selbstbestätigende)

Grundeinstellung14 geleitet sein: Für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme ist aufgrund

des Antragverfahrens eine (gewisse) Eigeninitiative notwendig; die beantragte und genehmig-

te Rehabilitationsmaßnahme wird dann wohl auch als wichtig und richtig angesehen; Aussa-

gen, die Positives bzw. Wünschenswertes in Bezug auf die Rehabilitationsmaßnahme be-

schreiben, ist ebenso zuzustimmen wie Aussagen, die das Verhalten von Rehabilitationsärzten

beschreiben („wohlwollende Zustimmung auf Basis einer paternalistischen Affinität“). Der Be-

fund, dass sich diese negative Korrelation jedoch nicht mit der Zufriedenheit mit der MBOR-

Maßnahme am Ende der Rehabilitation zeigte, und die Tatsache, dass sich auch keine Zusam-

menhänge mit den Motivationsfragebogen ergaben, lässt einen allgemein wohlwollenden, alle

subjektive Fragebogenangaben verzerrenden Generalfaktor eher unwahrscheinlich erschei-

nen. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass die hohen Zustimmungswerte, insbe-

sondere in den Zufriedenheitsfragebögen, nicht doch durch (nicht erfasste) Drittvariablen be-

einflusst sind.

Alles in allem lassen die Erfahrungen des Projekts es dennoch empfehlenswert erscheinen,

Partizipative Entscheidungsfindung im Bereich der MBOR zu etablieren und Ärzte und Thera-

peuten hierin weiterzubilden, auch wenn der Wirknachweis für eine bessere Motivation zur

Bearbeitung der beruflichen Problemlage und für eine höhere Zufriedenheit noch aussteht.

Die systematischen Reviews zu internationalen und nationalen Studien zum Ansatz der Partizi-

pativen Entscheidungsfindung (Joosten et al., 2008; Loh et al., 2007) zeigen, dass der Wirk-

nachweis nicht immer gelingt und Effekte eher für „weiche“ Faktoren wie z.B. die Patientenzu-

friedenheit als für „harte“ biomedizinische Faktoren nachgewiesen werden können. Auch sind

für den Ansatz im Bereich der MBOR spezifische Bedingungen zu bedenken, wie z.B. die Tatsa-

che, dass Teile der Arzt-Patienten-Interaktion auch implizit erfolgen können (und damit explizit

in den Fragebögen berichtet werden; Kasper et al., 2003). Dies erscheint im Bereich der statio-

nären Rehabilitation und der MBOR plausibel, da dem Indikationsgespräch an sich bereits ein

Aufforderungscharakter zu Entscheidungen zugeschrieben werden kann: Es steht in der Regel

ganz am Anfang eines stationären Rehabilitationsaufenthaltes, der mit einem Ortswechsel weg

von der gewohnten häuslichen und beruflichen Umgebung und hinein in den noch ungewohn-

ten Klinikalltag der medizinischen Einrichtung verbunden ist. Damit wird es notwendig, sich auf

viele neue Gegebenheiten einstellen zu müssen (z.B. Behandlungspersonal, Mitpatienten, The-

rapiezeiten), was an sich schon mit vielerlei Entscheidungen verbunden ist. In diesem Kontext

erscheint es nicht unbedingt notwendig, in der Gesprächsituation explizit auf die Notwendig-

keit weiterer Entscheidungen hinzuweisen. Auch könnte die Formulierung der Gleichberechti-

gung der Kommunikationspartner davon beeinflusst sein, dass den Ärzten in der medizinischen

Rehabilitation durch gesetzlichen Auftrag die Doppelfunktion zukommt, sowohl Behandler als

auch „sozialmedizinischer Gutachter“ zu sein und am Ende des Rehabilitationsaufenthalts im

Entlassungsbericht eine formalisierte Stellungnahme zur sozialmedizinischen Leistungsfähig-

14

im Sinne der Theorie der kognitiven Dissonanzreduktion von Festinger (Herkner, 1983)

51

keit abzugeben (Cibis et al., 2010). Die Doppelfunktion könnte gerade in der MBOR zu Rollen-

konflikten beitragen, da die besondere berufliche Problemlage eines Rehabilitanden durch

problematische sozialmedizinische Verläufe definiert ist und der sozialmedizinischen Leis-

tungsfähigkeit in der MBOR die zentrale Stellung in der Behandlung und Dokumentation zu-

kommt. Dieser Rollenkonflikt könnte die Formulierung der Gleichwertigkeit der Partner erheb-

lich erschweren bzw. unmöglich erscheinen lassen.

Trotz dieser Besonderheiten ist eine fundierte Wissensbasis in Bezug auf das Konzept der Par-

tizipativen Entscheidungsfindung und die Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Konzepten

nicht lediglich als Vermittlung von rein akademisch-theoretischem Wissen zu werten, sondern

stellt die Voraussetzung dar, Partizipative Entscheidungsfindung als Teil der Patientenorientie-

rung im Gesundheitswesen für den Bereich der MBOR weiter zu erschließen. Dabei können in

Zukunft neben Maßnahmen zur Förderung der ärztlich-professionellen Kommunikationskom-

petenz auch solche Maßnahmen, bei denen der Rehabilitand bzw. die Förderung des

Patientenempowerment im Mittelpunkt steht, wie etwa das „Ask 3 Questions“-Konzept

(Shepherd et al., 2011) verstärkt Berücksichtigung finden.

52

7. Literatur

Auerbach, S.M. (2000). Should patients have control over their own health care? Empirical

evidence and research issues. Annals of Behavioral Medicine, 22, 246-259.

Bethge, M. (2010). Patientenorientierung und Wirksamkeit einer multimodalen medizinisch-

beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation. Lengerich: Pabst.

Bethge, M., Herbold, D., Trowitzsch, L. & Jacobi, C. (2010). Berufliche Wiedereingliederung

nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation: Eine clus-

terrandomisierte Studie. Die Rehabilitation, 49, 2-12.

Bieber, C., Loh, A., Ringel, N., Eich, W. & Härter, M. (2007). Patientenbeteiligung bei medizini-

schen Entscheidungen. Manual zur Partizipativen Entscheidungsfindung (Shared

Decision-Making). Heidelberg: Universitätsklinikum Heidelberg Selbstverlag.

Braddock, C.H. (2010). The emerging imprtance and relevance of shared decision making to

clinical practice. Medical Decision Making, 30, 5S-7S.

Bürger, W. & Deck, R (2009). SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des Be-

darfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation.

Rehabilitation, 48, 211 – 221.

Cibis, W., Paulus, E.-M., Mai, H. & Gehrke, J. (2011). Die sozialmedizinische Begutachtung. In

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.). Sozialmedizinische Begutachtung für die ge-

setzliche Rentenversicherung (S. 77-112). Berlin: Springer-Verlag.

Charles, C. Gafni, A. & Whelan, T. (1997). Shared decision-making in the medical encounter:

What does it mean? (Or it takes at least two to tango). Social Science and Medicine, 44,

681-692.

Charles, C. Gafni, A. & Whelan, T. (1999). Decision-making in the physician-patient encounter:

revisiting the shared treatment decision-making model. Social Science and Medicine, 49,

651-661.

Coulter, A. & Magee, A. (2003). The European Patient of the Future. London: McGraw Hill.

Diener, E. (1984). Subjective well-being. Psychological Bulletin, 95, 542-575.

Elwyn, G., Edwards, A. & Rhydderch, M. (2005). Shared Decision Making: das Konzept und sei-

ne Anwendung in der klinischen Praxis. In M. Härter, A. Loh & C. Spies (Hrsg.). Gemein-

sam entscheiden – erfolgreich behandeln (S. 3-12). Köln: Deutscher Ärzteverlag.

Emanuel, E. J. & Emanue, L. L. (1992). Four models of the physician-patient relationship. Jour-

nal of the American Medical Association, 267, 2221-2226.

53

Ende J., Kazis, L., Ash, A. & Moskowitz, M. (1989). Measuring patients’ desire for autonomy:

decision making and information seeking preferences among medical patients. Journal of

General Internal Medicine, 4, 23-30.

Enders, C. (2010). Applied missing data analysis. New York: Guilford Press.

Faller, H. (2003). Shared Decision Making: Ein Ansatz zur Stärkung der Partizipation des Patien-

ten in der Rehabilitation. Rehabilitation, 42, 129-135.

Fischbeck, S., Deister, T. & Schneider, S. (2009). Qualifizierung Medizinstudierender zur patien-

tenorientierter Kommunikation: Pilotprojekt zur Entwicklung und Anwendung einer

Kompetenzprüfung. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 18, 5-12.

Geiser, C. (2010). Datenanalyse mit Mplus. Wiesbaden: VS Verlag.

Härter, M, (2004). Partizipative Entscheidungsfindung. (Shared Decision Making) – Ein von Pa-

tienten, Ärzten und der Gesundheitspolitik geforderter Ansatz setzt sich durch. Zeit-

schrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 98, 98-92.

Härter, M., Loh, A. & Spies, C. (2005). Gemeinsam entscheiden – erfolgreich behandeln. Köln:

Deutscher Ärzteverlag.

Hoefert, H.-W. (2010). Psychologie in der Arztpraxis. Göttingen: Hogrefe.

Holmes-Rovner, M., Kroll, J., Schmitt, N., Rovner, D., Breer, M., Rothert, M., Padonu, G. &

Tlarczyk, G. (1996). Patient satisfaction with health care decisions: the satisfaction with

decision scale. Medical Decision Making, 16, 58-64.

Ipsen, D. (1978). Das Konstrukt Zufriedenheit. Soziale Welt, 29, 44-53.

Isfort, J., Redaèlli, M. &Butzlaff, M. E. (2007). Die Entwicklung der partizipativen Entschei-

dungsfindung: Die Sicht der Versicherten und der Ärzte. In J. Böcken, B. Braun & R.

Amhof (Hrsg.), Gesundheitsmonitor 2007 (S. 76-94). Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stif-

tung.

Jacob, G. (2002). Patientenzufriedenheit in der medizinischen Rehabilitation. Regensburg:

Roderer Verlag.

Joosten, E., DeFuentes-Merillas, L., de Weert, G., Sensky, T., van der Staak, C. & de Jong, C.

(2008). Systematic review of effects of shared decision-making on patient satisfaction,

treatment adherence and health status. Psychotherapy and Psychosomatics, 77, 219-

226.

Kasper, J., Köpke, S., Mühlhauser, I., Nübling, M. & Heesen, C. (2008). Imformed shared deci-

sion making about immunotherapy for patients with multiple sclerosis (ISDIMS): a ran-

domized controlled trial. European Journal of Neurology, 15, 1345-1352.

54

Kieps, F. (2005). Der Förderschwerpunkt “Patient als Partner im medizinischen Entscheidungs-

prozess“ des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. In M. Härter, A.

Loh & C. Spies (Hrsg.), Gemeinsam entscheiden – erfolgreich behandeln (S. 139-143).

Köln: Deutscher Ärzteverlag.

Koch, S., & Hillert, A. (2009). Therapeutische Interventionen auf psychosozialer Ebene – Kon-

zeption, Durchführung und Wirksamkeit psychotherapeutisch fundierter berufsbezoge-

ner Interventionen. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Medi-

zinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis (S. 141-159).

Köln: Deutscher Ärzte-Verlag.

Koelewijn-van Loon, M. S., van der Weijden, T., van Steenkiste, B., Ronda, G., Winkens, B.,

Seversen, J. L., Wensing, M., Elwyn, G. & Grol, R. (2009). Involving patients in cardiovas-

cular risk management with nurse-led clinics: a cluster randomized controlled trial. Ca-

nadian Medical Association Journal, 181, 267-274.

Koelewijn-van Loon, M. S., van Steenkiste, B., Ronda, G., Wensing, M., Winkens, B., Stoffers, H.

E., Elwyn, G., Grol, R. & van der Weijden, T. (2008). Improving patient adherence to life-

style advice (IMPALA): a cluster-randomised controlled trial on the implementation of a

nurse-led intervention for cardiovascular risk management in primary care (protocol).

BMC Health Services Research, 8, 9.

Körner, M., Ehrhardt, A. & Steger, A.-K. (2011). Entwicklung eines interprofessionellen Train-

the-Trainer-Programms zur Implementierung der partizipativen Entscheidungsfindung in

Rehabilitationskliniken. Rehabilitation, 50, 331-339.

Kriston, L., Scholl, I., Hölzel, L., Simon, D., Loh, A. & Härter, M. (2010). The 9-item Shared Deci-

sion Making Questionnaire (SDM-Q-9). Development and psychometric properties in a

primary care sample. Patient Education and Counseling, 80, 94-99.

Langewitz, W., Keller, A., Denz, M., Wössmer-Buntschu, B. & Kiss, A. (1995). Patienten-

zufriedenheits-Fragebogen (PZF): Ein taugliches Mittel zur Qualitätskontrolle der Arzt-

Patient-Beziehung? Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie, 45,

351-357.

Légaré, F., Ratte, S., Stacey, D., Kryworuchko, J., Gravel, K., Graham, I. D. & Turcotte, S. (2010).

Interventions for improving the adoption of shared decision making by healthcare pro-

fessionals. Cochrane Database of Systematic Reviews, 5, Art. No. CD006732.

Lewin, S., Skea, Z., Entwistle, V. A., Zwarenstein, M. & Dick, J. (2001). Interventions for provid-

ers to promote a patient-centred approach in clinical consultations. Cochrane Database

of Systematic Reviews, 4, Art. No. CD003267.

Löffler, S., Gerlich, C., Lukasczik, M., Wolf, H.D. & Neuderth, S. (2011). Praxishandbuch Arbeits-

und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation (2. Aufl.). Berlin:

Deutsche Rentenversicherung Bund.

55

Löffler, S., Wolf, H.-D., Neuderth, S. & Vogel, H. (2005). Screening-Verfahren in der medizini-

schen Rehabilitation. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Me-

dizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis (S. 133-

140). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag.

Loh, A. & Härter, M. (2005). Modellentwicklungen zur Partizipativen Entscheidungsfindung. In

M. Härter, A. Loh & C. Spies (Hrsg.). Gemeinsam entscheiden – erfolgreich behandeln (S.

13-24). Köln: Deutscher Ärzteverlag.

Loh, A., Simon, D., Kriston, L. & Härter, M. (2007a). Patientenbeteiligung bei medizinischen

Entscheidungen. Deutsches Ärzteblatt, 104, 1483-1488

Loh, A., Simon, D., Willis, C. E., Kriston, L., Niebling, W. & Härter, M. (2007b). The effects of a

shared decision-making intervention in primary care of depression: a cluster-randomized

controlled trial. Patient Education and Counseling, 67, 324-332.

Lukasczik, M., Wolf, H.-D., Gerlich, C., Löffler, S., Vogel, H., Faller, H. & Neuderth, S. (2011).

Current state of vocationally oriented medical rehabilitation – a German perspective.

Disability and Rehabilitation, 33, 2646-2655.

Mead, N. & Brown, P. (2000). Patient-centeredness: a conceptual framework and review of the

literature. Social Science and Medicine, 51, 1087-1110.

Mayering, P. (1991) Psychologie des Glücks. Stuttgart: Kohlhammer.

Moumjid, N., Gafni, A., Brémond, A. & Carrére, M.-O. (2007). Shared decision making in the

medical encounter: are we all talking about the same thing? Medical Decision Making,

27, 539-546.

Muthén, L.K. & Muthén, B.O. (2007). Mplus Version 5.

O'Connor, A.M., Stacey, D., Entwistle, V., Llewellyn-Thomas, H., Rovner, D., Holmes-Rovner,

M., Tait, V., Tetroe, J., Fiset, V., Barry, M. & Jones, J. (2003). Decision aids for people fac-

ing health treatmant or screening decisions (Cochrane Review). In: The Cochrane Library,

Issue 3. Oxford: Update Software.

Rockenbauch, K., Geister, C. & Appel, C. (2010). PatientInnenbeteiligung aus ÄrztInnensicht –

eine qualitative Studie. Psychotherapie, Psychosomatik Medizinische Psychologie, 60,

156-163.

Rockenbauch, K. & Schildmann, J. (2011). Partizipative Entscheidungsfindung (PEF): eine sys-

tematische Übersichtsarbeit zu Begriffsverwendung und Konzeptionen. Gesundheitswe-

sen, 37, 399-408.

Rost, J. (1996). Testtheorie und Testkonstruktion. Bern: Verlag Hans Huber.

Sainfort, F. & Booske, B. C. (2000). Measuring post-decision satisfaction. Medical Decision

Making, 20, 51-61.

56

Scheibler, F. & Pfaff, H. (2003). Shared Decision-Making. München: Juventa Verlag.

Scherer, K. R. (1987). Toward a dynamic theory of emotion: The component process model of

affective states. Geneva Studies in Emotion and Communication,1:1.

http://www.unige.ch/fapse/emotion/publications/geneva_studies.html

Schmidt, J. & Nübling, R. (2002). ZUF-8. Fragebogen zur Messung der Patientenzufriedenheit.

In E. Brähler, J. Schumacher & B. Strauß (Hrsg.), Diagnostische Verfahren in der Psycho-

therapie (S. 392-396). Göttingen: Hogrefe.

Scholl, I., Kriston, L. & Härter, M. (2011). PEF-FB-9 – Fragebogen zur Partizipativen Entschei-

dungsfindung (revidierte 9-Item-Fassung). Klinische Diagnostik und Evaluation, 4, 46-49.

Schott, T. (2005). Eingliedern statt Ausmustern . Weinheim: Juventa.

Simon, D., Loh, A. & Härter, M. (2008a). Die Entwicklung und Evaluation von Interventionen

zur Förderung Partizipativer Entscheidungsfindung – Rahmenkonzept und Messinstru-

mente. Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 17, 149-159.

Simon, D., Loh, A. & Härter, M. (2008b). Grundlagen der partizipativen Entscheidungsfindung

und Beispiele der Anwendung in der Rehabilitation. Rehabilitation, 27, 84-89.

Simon, D. Kriston, L. & Härter, M. (2011). Die deutsche modifizierte Fassung des Autonomie-

Präferenz-Index (API-Dm). Klinische Diagnostik und Evaluation, 4, 5-14.

Steward, M.A. (1995). Effective physician-patient communication and health outcomes: a re-

view. Canadian Medical Association Journal, 152, 1423-1433.

Stewart, M., Brown, J. B., Weston, W. W., McWhinney, I. R., McWilliam, C. L. & Freeman, T. R.

(2003). Patient-Centered Medicine. Transforming the clinical method. Oxon: Radcliffe

Medical Press.

Street, R. L. (2007). Aiding medical decision making: a communication perspective. Medical

Decision Making, 27, 550-553.

Streibelt, M. (2007). Aktivität und Teilhabe. Wirksamkeit berufsbezogener Maßnahmen in der

medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Lengerich: Pabst Science Publis-

hers.

Streibelt, M. (2009). Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennung be-

sonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Rehabilitati-

on; 48, 135 – 144.

Streibelt, M. & Betghe, M. (2008). Return to Work? Identifikation besonderer beruflicher Prob-

lemlagen in der medizinischen Rehabilitation. Lengerich: Pabst Science Publishers.

v. Davier, M. (2000). WINMIRA – A programm system for analysis with the Rasch model, with

the latent class analysis and the mixed Rasch model. Progamma.

57

World Health Organization. (2001). International Classification of Functioning, Disability and

Health. Genf: WHO.

Zwerenz, R. (2005). Psychotherapie und Motivation – Motivation zur psychotherapeutischen

Bearbeitung beruflicher Belastungen und Konflikte bei Patienten mit psychosomatischen

Erkrankungen. Hamburg: Dr. Kovac.

Zwerenz, R. (2009). Psychologische Grundlagen der arbeits- und rehabilitationsbezogenen Mo-

tivation. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Medizinisch-

beruflich orientierte Rehabilitation. Grundlagen und klinische Praxis (S. 91-109). Köln:

Deutscher Ärzte-Verlag.