einfluß der produkteigenschaften auf die trocknung

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EinfluO der Produkteigenschaften auf die Trocknung* Werner Liedy** Fur die Auswahl und die Auslegung einesTrocknungsprozesses werden viele Informationen benotigt.Thermodynamische Gleichgewichte sowie Warme- und Stoffiibertragung sind die klassischen Mittel zur Beschreibung der Trocknung. In der Entwicklung eines Trocknungs- prozesses miissen noch weitere spezifische Eigenschaften des zu trocknenden Produkts bekannt sein. Diese Eigenschaften, wie beispielsweise chemische Reaktionen oder Verklebungwerhalten, reduzieren die Zahl der moglichen Trocknungsverfahren erheblich. Aus diesem Grund spielt die Messung dieser Eigenschaften eine wichtige Rolle in der Entwicklung eines Trocknungsverfahrens.Viele der dabei venvendeten Labormethoden sind nicht physikalisch fundiert, sondern empirisch entstanden. Dies liegt darin begriindet, daR die physikalischen Zusammenhange oft nicht bekannt sind. Es steht aber auch eine ganze Reihe von physikalisch definierten Untersnchuugsmethodenzur Verfiigung. In der Praxis wird eine Kombination von empirischen und wissenschaftlich definierten Methoden angewendet. 1 Einleitung Das Ziel eines verfahrenstechnischen Prozesses ist die Herstel- lung eines Produkts mit speziellen Eigenschaften,wie zum Beispiel Staubarmut, gute Dispergierbarkeit oder Farbstarke. Jeder Ver- fahrensschritt beeinfluRt diese Eigenschaften. Deshalb wird die Auswahl der Apparate und der ProzeRparameter durch die zu erzielenden Produkteigenschaften stark beeinflu&. Gleichzeitig sind die Eigenschaften der Vor- und Zwischenprodukte fur die Wahl dieser Parameter wichtig. Die Zusammenhange zwischen Produkteigenschaften und ProzeRparametern sind kaum bekannt , weil bisher auf diesem Gebiet kaum Forschung betneben wurde. In der Literatur sind nur wenige Arbeiten zum EinfluB der Trocknung auf die Produktqualitat vorhanden. Die meisten Arbei- ten auf diesem Gebiet beschaftigen sich mit der Trocknung von Papier [ 1-31 und Lebensmitteln [4-71. Der TemperatureinfluR auf die Qualitat von Lebensmitteln wurde theoretisch behandelt [%lo]. Thurner [ll] gibt in seiner Dissertation eine Literaturtiber- sicht zur Aroma-Erhaltung bei der Trocknung. Es ist bekannt, daB die Gefriertrocknung Produkteigenschaften von Lebensmitteln positiv beeinfluRt [12]. hnliches wird uber Mikrowellen- und HF-Trocknung [13,14] berichtet. Der EinfluR der Trocknungsbe- dingungen bei der Herstellung von Membranen auf deren Qualitat wurde ebenfalls untersucht [15]. Gnielinski [16] zitiert einige weitere Beitrage zu dem hier behandelten Thema. Die meisten in der Literatur vorhandenen Arbeiten zeigen, daR der Zusammenhang von Produktqualitat und ProzeRparametern fast ausschliel3lich im Bereich der Industrie behandelt wird. 2 Produkteigenschaften Zur Beschreibung des Produktverhaltens werden Information iiber das feuchte und das trockene Produkt benotigt. Die Betrach- tung von Produkteigenschaften bei der Auswahl und der Ausle- Abb. 1. lnformationsstruktur der VerfahrensstufeTrocknung. gung eines Prozesses kann mit Hilfe des Schemas in Abb. 1 verdeutlicht werden. Dieses wird von Polke [17] in der ProzeRleit- technik als Phasendiagramm bezeichnet. Zusatzlich muR das Verhalten des Produkts wahrend der Trocknung bekannt sein. Die Kenntnis all dieser Daten wird Produktcharakterisierung genannt und ist die Basis fur die Verfahrensauswahl und die Auslegung, s. Abb. 2. Gleichgewicht, Kinetik, Stoffwerte und DispersionsgroRen sind die klassischen Voraussetzungen f i r die Beschreibung der Grund- operation Trocknung. Die toxikologischen Daten sind wichtige Informationen, die die Verfahrensauswahl stark beeinflussen kon- nen. * Vortrag auf der GVC . VDI-Vortrags- und Diskussionsveran- staltung ,,Trocknungstechnik", 3./4. Dezember 1991 in Koln. ** Dr.-Ing. W Liedy, BASF Aktiengesellschaft, 6700 Ludwigsha- fen/Rh.; Anschrift 'des Autors: Schifferstadter Str. 4, 6701 Hochdorf-Assenheim 1. Abb. 2. Auswahl eines Trocknungsprozesses. ~~~ ~ Chem.-1ng.-Tech. 65 (1993) Nr. 2, S. 167-173 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1993 0009-286X/93/0202-0167 $5.00 + .25/0 167

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Page 1: Einfluß der Produkteigenschaften auf die Trocknung

EinfluO der Produkteigenschaften auf

die Trocknung* Werner Liedy**

Fur die Auswahl und die Auslegung einesTrocknungsprozesses werden viele Informationen benotigt. Thermodynamische Gleichgewichte sowie Warme- und Stoffiibertragung sind die klassischen Mittel zur Beschreibung der Trocknung. In der Entwicklung eines Trocknungs- prozesses miissen noch weitere spezifische Eigenschaften des zu trocknenden Produkts bekannt sein. Diese Eigenschaften, wie beispielsweise chemische Reaktionen oder Verklebungwerhalten, reduzieren die Zahl der moglichen Trocknungsverfahren erheblich. Aus diesem Grund spielt die Messung dieser Eigenschaften eine wichtige Rolle in der Entwicklung eines Trocknungsverfahrens. Viele der dabei venvendeten Labormethoden sind nicht physikalisch fundiert, sondern empirisch entstanden. Dies liegt darin begriindet, daR die physikalischen Zusammenhange oft nicht bekannt sind. Es steht aber auch eine ganze Reihe von physikalisch definierten Untersnchuugsmethoden zur Verfiigung. In der Praxis wird eine Kombination von empirischen und wissenschaftlich definierten Methoden angewendet.

1 Einleitung

Das Ziel eines verfahrenstechnischen Prozesses ist die Herstel- lung eines Produkts mit speziellen Eigenschaften, wie zum Beispiel Staubarmut, gute Dispergierbarkeit oder Farbstarke. Jeder Ver- fahrensschritt beeinfluRt diese Eigenschaften. Deshalb wird die Auswahl der Apparate und der ProzeRparameter durch die zu erzielenden Produkteigenschaften stark beeinflu&. Gleichzeitig sind die Eigenschaften der Vor- und Zwischenprodukte fur die Wahl dieser Parameter wichtig. Die Zusammenhange zwischen Produkteigenschaften und ProzeRparametern sind kaum bekannt , weil bisher auf diesem Gebiet kaum Forschung betneben wurde.

In der Literatur sind nur wenige Arbeiten zum EinfluB der Trocknung auf die Produktqualitat vorhanden. Die meisten Arbei- ten auf diesem Gebiet beschaftigen sich mit der Trocknung von Papier [ 1-31 und Lebensmitteln [4-71. Der TemperatureinfluR auf die Qualitat von Lebensmitteln wurde theoretisch behandelt [%lo]. Thurner [ l l ] gibt in seiner Dissertation eine Literaturtiber- sicht zur Aroma-Erhaltung bei der Trocknung. Es ist bekannt, daB die Gefriertrocknung Produkteigenschaften von Lebensmitteln positiv beeinfluRt [12]. hn l iches wird uber Mikrowellen- und HF-Trocknung [13,14] berichtet. Der EinfluR der Trocknungsbe- dingungen bei der Herstellung von Membranen auf deren Qualitat wurde ebenfalls untersucht [15]. Gnielinski [16] zitiert einige weitere Beitrage zu dem hier behandelten Thema.

Die meisten in der Literatur vorhandenen Arbeiten zeigen, daR der Zusammenhang von Produktqualitat und ProzeRparametern fast ausschliel3lich im Bereich der Industrie behandelt wird.

2 Produkteigenschaften

Zur Beschreibung des Produktverhaltens werden Information iiber das feuchte und das trockene Produkt benotigt. Die Betrach- tung von Produkteigenschaften bei der Auswahl und der Ausle-

Abb. 1. lnformationsstruktur der Verfahrensstufe Trocknung.

gung eines Prozesses kann mit Hilfe des Schemas in Abb. 1 verdeutlicht werden. Dieses wird von Polke [17] in der ProzeRleit- technik als Phasendiagramm bezeichnet. Zusatzlich muR das Verhalten des Produkts wahrend der Trocknung bekannt sein. Die Kenntnis all dieser Daten wird Produktcharakterisierung genannt und ist die Basis fur die Verfahrensauswahl und die Auslegung, s. Abb. 2.

Gleichgewicht, Kinetik, Stoffwerte und DispersionsgroRen sind die klassischen Voraussetzungen f i r die Beschreibung der Grund- operation Trocknung. Die toxikologischen Daten sind wichtige Informationen, die die Verfahrensauswahl stark beeinflussen kon- nen.

* Vortrag auf der GVC . VDI-Vortrags- und Diskussionsveran- staltung ,,Trocknungstechnik", 3./4. Dezember 1991 in Koln.

** Dr.-Ing. W Liedy, BASF Aktiengesellschaft, 6700 Ludwigsha- fen/Rh.; Anschrift 'des Autors: Schifferstadter Str. 4, 6701 Hochdorf-Assenheim 1. Abb. 2. Auswahl eines Trocknungsprozesses.

~~~ ~

Chem.-1ng.-Tech. 65 (1993) Nr. 2, S. 167-173 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1993 0009-286X/93/0202-0167 $5.00 + .25/0

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Page 2: Einfluß der Produkteigenschaften auf die Trocknung

Tabelle 1. Technische Eigenschaften. Tabelle 2. Labormethoden zur Produktcharakterisierung.

Anwendungstech- Trocknungstechni- Sicherheitstechnische nische Eigenschaf- sche Eigenschaften Eigenschaften ten

FlieBverhalten FlieBverhalten Zundtemperatur Staubverhalten Verklebungsverhal- Staubexplosionsfahig- Farbstarke ten keit Instant-Eigen- Kristallmodifika- Mindestzundenergie schaften tionsumwandlung Druckanstiegsge- FreiSetzung von Krustenbildung schwindigkeit ect. Wirkstoffen etc. Schrumpfen

Schaumen etc.

Zusatzlich zu diesen Eigenschaften mussen jedoch noch weitere Informationen uber das zu trocknende Produkt bekannt sein. Diese werden ,,Technischen Eigenschaften" genhnnt. Im weiteren sollen hier wegen ihrer Bedeutung fur die Verfahrensauswahl vonviegend die ,,Technixhen Eigenschaften" behandelt werden. Diese sind in Tab. 1 aufgelistet.

Die ,,Technischen Eigenschaften" konnen in 3 Gruppen unter- teilt werden: Die erste Gruppe sind die anwendungstechnischen Eigenschaften des Endprodukts. Dies sind z. B. FEeBeigenschaften und Staubgehalt von Schuttgutern, Farbstarke von Pigmenten sowie definierte Freisetzung von Wirkstoffen. Die Messung dieser Eigenschaften ist sehr produktspezifisch und muB in vielen Fallen mit den Methoden der Kunden durchgefuhrt werden. Daher wird im weiteren nicht auf die Messung dieser Eigenschaften eingegan- gen. Es sol1 jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daB viele anwendungstechnische Eigenschaften erst im Trocknungs- prozeB erzeugt werden mussen, wie dies am Beispiel der Staubar- mut von Produkten offensichtlich ist. Vielfach sind anwendungs- technische Eigenschaften bereits im Feuchtprodukt vorhanden und diirfen bei der Trocknung nicht geschadigt werden (Beispiel: Farbstarke von Pigmenten). Die angestrebten anwendungstechni- schen Eigenschaften spielen also als ZielgroBe des Gesamtverfah- rens eine wesentliche Rolle, da sie Verkaufsfahigkeit und Preis der. Produkte stark mitbestimmen. Sie sind damit ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl eines Trocknungsverfahrens.

Die zweite Gruppe sind die trocknungstechnischen Eigenschaf- ten. Es sind alle die Produkteigenschaften, die den Betrieb des Trockners und seiner Peripherie direkt betreffen. Beispiele sind FlieBverhalten, Verkleben und Verbacken von Produkten, aber auch Schrumpfen und Schaumen. Man sieht, daB die trocknungs- technischen Eigenschaften auch auf die anwendungstechnischen wirken konnen, wie dies beim Schrumpfen von Formkorpern mit einhergehender RiBbildung deutlich wird. Die Bestimmung trock- nungstechnischer Eigenschaften wird im folgenden eingehend behandelt .

Die dritte Gruppe sind die sicherheitstechnischen Eigenschaften wie Zundtemperaturen, Mindestziindenergien, Staubexplosions- fahigkeit usw. Auch diese Eigenschaften konnen die Gestaltung eines Trocknungsverfahrens weitgehend beeinflussen. Da zur Messung in der Literatur beschriebene und standardisierte Metho- den [18] vorliegen, sol1 auf die Bestimmung sicherheitstechnischer Eigenschaften hier nur am Rande eingegangen werden.

3 Labormethoden zur Erfassung trocknungstechnischer Eigenschaften

Aus Kosten- und Zeitgriinden ist es wiinschenswert, die Pro- duktcharakterisierung mit Labormethoden durchzufiihren. Zur Charakterisierung der trocknungstechnischen Eigenschaften gibt es eine Reihe von Methoden [19-211. Einige von ihnen sind in Tab. 2 angegeben.

Labormethode Trocknungstechnische Eigen- schaften

Schalentest beheizte Platte

Kofler-Bank

Reagenzglastest

Sorptionswaage

Differentielle Thermoanalyse, DSC (DTA) Differentielle Thermogravi- metrie, DTG Lichtmikroskop, Elektronen- mikroskop SEM Kernspinresonanz NMR Rontgen-Beugung

Verbackungseigenschaften Filmbildung, Kristallisation, Haf- ten von Schichten Verkleben, Verbacken, Zerset- zungsreaktionen Verklebungstemperatur als Funk- tion der Produktfeuchte Sublimation, Kristallmodifikatio- nen spezifische Warme, Phasenuber- gange, Reaktionen Gewichtseffekte bei Phasenuber- gangen und Reaktionen GroBe, Form und Oberflachen- struktur von Partikeln Bindungsverhaltnisse Kristallstruktur, Kristallmodifika- tions-Umwandlungen

Mit Hilfe eines Schalentestes 1aBt sich dasverbackungs- bzw. das Verkrustungsverhalten feuchter Produkte wahrend der Trocknung an heiBen Flachen untersuchen. Die Methode erlaubt eine Aussa- ge uber die Gefahr der Krustenbildung in Kontaktapparaten. Dazu wird Feuchtprodukt in eine dunnwandige metallische Schale gebracht und im Umluft- oder Vakuumtrockenschrank getrocknet. Zusatzlich kann das Produkt noch mit einem Gewicht belastet werden, um den Produktdruck im groBen Apparat zu simulieren. Bei Produkten, die geloste Anteile enthalten, konnen diese wahrend der Trocknung auskristallisieren und zur Bildung von Krusten fuhren. Tritt Krustenbildung beim Schalentest auf, so ist ein Kontaktapparat wahrscheinlich ungeeignet.

Die beheizte Platte dient zur Beurteilung des Kristallisations- verhaltens und der Filmbildung von Losungen. Hierzu wird das Feuchtprodukt auf der Platte dunn aufgestrichen und der Trock- nungsvorgang sowie die Bildung von Kristallen beobachtet. Die Methode erlaubt eine Beurteilung, ob eine Spruhtrocknung oder eine Spriihgranulation in der Wirbelschicht in Frage kommt . Haften nacheinander aufgestrichene und getrocknete Schichten aneinander, so ist wahrscheinlich eine Spruhgranulation des Pro- duktes moglich.

Aufstreichen einer zweiten Schicht eines anderes Materials auf eine bereits getrocknete laBt erkennen, ob das zweite Material als Hullmaterial zum Coaten des ersten (z.B. in einem Spruhwirbel- bett) geeignet ist. Haften nach Antrocknen die Schichten gut aneinander, so ist das Material fur den beschriebenen Zweck wahrscheinlich geeignet.

Die Kofler-Bank ist ein Gerat zur Erfassung des Enveichungs- und Verklebungsverhaltens als Funktion der Temperatur sowie zum schnellen Erkennen VonTemperaturgrenzen der Produktscha- digung. Sie stellt im wesentlichen eine beheizte Platte mit einem Temperaturgradienten dar, auf die das Produkt aufgebracht wird. Veranderungen des Produkts durchTemperatureinwirkung werden visuell festgestellt. Die jeweilige Temperatur kann an einem MaBstab abgelesen werden.

Der Reagenzglastest kann zum Quantifizieren des Erweichungs- bzw. Verklebungsbereiches als Funktion von Feuchte und Tempe- ratur dienen. Diese Untersuchung wird in der in Abb. 3 dargestell- ten Apparatur durchgefuhrt: In einem mit Warmetragerol gefiill- ten und mittels eines Bunsenbrenners beheizten Glaskolbens wird ein Reagenzglas getaucht, dessen Spitze mit dem zu untersuchen- den Produkt gefullt ist. Der Versuchsdurchfuhrende bewegt das Produkt mit einem Fadenthermometer. Wahrend des Aufheizvor- ganges wird das Produktverhalten beobachtet und das Beginnen

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Thermometer

Reagenzglas

Testprodukt

1 160

140

6lbad

Bunsenbrenner

\

Abb. 3. Apparatur zur Bestimmung des Verklebungsverhal- tens.

60

40

20

des Verklebens der Temperatur zugeordnet, die an dem in das Produkt eingetauchten Fadenthermometer abgelesen wird.

Die Durchfuhrung dieser Untersuchung mit Proben verschiede- ner Feuchten ergibt einen Zusammenhang, der als Verklebungs- oder Enveichungskurve bezeichnet wird. In Abb, 4 ist ein Beispiel fiir eine Verklebungskurve gezeigt. An der Ordinate ist die Produkttemperatur, an der Abszisse die Feuchte der Produktprobe aufgetragen. Die eingezeichnete Kurve gibt hier den Grenzbereich zwischen frei rieselfahigem Produkt (Bereich unterhalb der Linie) und dem Bereich von festem, verklebten Produkt wieder. In diesem Falle ist ein starker FeuchteeinfluB auf die Verklebungs- temperatur erkennbar. Im Bereich der Anfangsfeuchte des Pro- duktes ist demnach bei Temperaturen von ca. 40 "C mit Verkleben zu rechnen.

Bei der Festlegung der Temperaturbedingungen der Trocknung ist also darauf zu achten, daB fur das Produkt nur Zustande unterhalb der Grenzkurve auftreten konnen. Fur das vorliegende Produkt bietet sich eine Betriebsweise mit einem Temperaturpro- gramm an: niedrige Temperatur zu Beginn der Trocknung und Steigerung auf hohe Temperaturen bei kleinen Restfeuchten.

Auf der Sorptionswaage lassen sich auch Sublimationserschei- nungen erfassen, die sich in einem standigen Driften bei der Gewichtsmessung auBern. Bei manchen Produkten lassen sich mit Hilfe der Sorptionsisothermen verschiedene Kristallmodifikatio- nen unterscheiden. Unterschiedliche Kristallmodifikationen eines Stoffes ergeben unterschiedliche Oberflachenstrukturen, da sich die Orientierung der Molekiile unterscheidet. Damit ergeben sich unterschiedliche Bindungsenergien fur die zu absorbierenden Molekule. Dies wiederum fuhrt zu unterschiedlichen Isothermen- formen.

Die differentielle Thermoanalyse (Differential Scanning Calori- metry) dient zur Analyse kalorischer Effekte wie Phasenumwand- lungen, Reaktionen, Zersetzungen, Glaspunkte, spezifische War- me usw. Hierbei werden die Warmestrome zu bzw. von einer Probe

\

' 0 -

t 4 -- - 0 - -

frei fli?flend

T 120 I \ I I I I verklebend ,

I I I N I I I \ . I ' I I I I

" b 20 ;o 60 80 100 120 14'0 Produktfeuchte - X I %

Abb. 4. Verklebungstemperatur als Funktion der Produktfeuch- te.

Abb. 5. Therrnoanalyse (MeOgroOen: Warmestrom Q bei DSC bzw. Masse M bei DTG als Funktion der Ternperatur T bei festgelegtern TernperatudZeit-Programm T(t)).

Wiirmestrom

WmW exptherm 20 -

t '0-

0-

50 100 150 200

Temperatur - 2 "C

Abb. 6. DSC-Kurve.

gemessen. Bei der differentiellenThermogravimetrie (Differential Thermo-Gravimetry) werden alle Gewichtseffekte als Funktion der Temperatur registriert.Wie in Abb. 5 gezeigt, kann bei beiden Methoden das Produkt den gleichen Bedingungen untenvorfen werden, so daB sich diese sehr gut erganzen.

Das Produkt wird dabei einem festgelegten TemperaturlZeit- Programm untenvorfen. Meist wird es mit konstanter Geschwin- digkeit aufgeheizt. Oft schlieBen sich eine Temperaturhaltephase und eine anschliel3ende Abkuhlung an, um zwischen reversiblen und irreversiblen Veranderungen des Produktzustandes unter- scheiden zu konnen.Wahrend der Untersuchung kann das Produkt in einem geschlossenen oder offenenTiege1 in Kontakt mit einem wahlbaren Spulgas gehalten werden. Damit sind Untersuchungen von GasFeststoff-Reaktionen moglich.

Abb. 6 zeigt das Ergebnis eines DSC-Analyse. Aufgetragen ist der Warmestrom zu bzw. von einer Probe, die mit konstanter Geschwindigkeit aufgeheizt wurde. Der endotherme Verlauf zu Beginn der Untersuchung resultiert von der spezifischen Warme des Produktes.

Eine Probe wurde mit Luft gespiilt. Oberhalb von 115 "C tritt eine starke exotherme Warmetonung auf. Der Vergleichsversuch mit Stickstoff als Spiilgas zeigt diese Warmetonung nicht. Offen- sichtlich reagiert das Produkt mit dem Sauerstoff der Luft ab ca. 115 "C.

Zur Beurteilung von Produktform und GroBe sowie von Ober- flachenstrukturen werden optische Methoden wie Lichtmikroskop und Rasterelektronenmikroskop (Scanning Electron Microscopy) benutzt. Kernspinresonanz (Nuclear Magnetic Resonance) wird neuerdings ebenfalls benutzt [20], urn den Bindungszustand der Feuchte zu bestimmen. Rontgenbeugungsuntersuchungen konnen zur Produktidentifi-

kation und Kristallstruktur-Bestimmung benutzt werden. Das physikalische Prinzip ist in Abb. 7 schematisch dargestellt. Ein Rontgenstrahl mit der Wellenlange I , der in einer Rohre erzeugt wird, fallt unter einem definierten Winkel auf einen Kristall, der

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Page 4: Einfluß der Produkteigenschaften auf die Trocknung

Intensitat

2d sin O=nl n = 1, 2, 3....

reflektierter Strahl

I + = = = = * * I dsin 13

Abb. 7. Physikalisches Prinzip der Rontgenbeugung.

hier stark vergroRert dargestellt ist. Die dicken Punkte markieren die Lage der Atomkerne. Die gleichmaBige Anordnung der Atome markiert sog. Gitterebenen, die hier durch Linien ange- deutet sind. Der Rontgenstrahl fallt unter dem Winkel 0 auf diese Gitterebenen, deren Abstand d betragt. An jeder der vielen Gitterebenen eines Kristalls wird ein kleiner Teil der Intensitat des einfallenden Strahls reflektiert. Die reflektierten Teilstrahlen verlassen den Kristall und interferieren miteinander.

Der Wegunterschied zwischen zwei benachbarten reflektierten Wellen ist 2 d sin 0. 1st dieser Wegunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlangc der Rontgenstrahlung, so tritt ein Maximum an reflektierter Gesamtintensitat auf.

Diese Maxima sind - bedingt durch Interferenzerscheinungen des gesamten Kollektivs - sehr scharf (analog zum optischen Gitter). Das vom Kristall erzeugte Interferenzmuster kann auf einem Film aufgefangen werden. Derartige Untersuchungen an Einkristallen werden in der chemischen Forschung zur molekula- ren Stukturbestimmung verwendet. Dem Verfahrensingenieur stehen in der Regel aber keine Einkristalle, sondern Pulver zur Verfugung. Auch bei fein pulverisierten Substanzen treten Inter- ferenzbilder auf, die jedoch (im Sinne einer Strukturbestimmung) schwer zu interpretieren sind, da sich die Bilder vieler Einkristalle unterschiedlicher Orientierung iiberlagern. Treten jedoch Um- wandlungen in der kristallinen Struktur einer Probe oder unter- schiedliche kristalline Strukturen zweier Proben eines Produkts auf, so laRt sich dies sofort erkennen, da unterschiedliche Interfe- renzmuster auf dem Film registriert werden. Die Rontgenbeugung kann daher in der Trocknungstechnik zur vergleichenden Bewer- tung von Produktproben sehr gut eingesetzt werden. Es stehen zu diesem Zweck Heizkameras zur Verfugung, die es gestatten, das Produkt den gleichen TemperaturlZeit-Programmen und Spulgas- bedingungen wie bei der Thermoanalyse zu unterwerfen, wie in Abb. 8 gezeigt. Der Film, auf dem das Rontgenbeugungsbild aufgenommen wird, lauft dabei kontinuierlich durch die Kamera.

Abb. 8. Rontgenbeugung in der Heizkamera (MeOgroOe: Ront- genbeugungsbild als Funktion der Temperatur T bei festgelegtem TernperatudZeit-Programm T(t)).

Chem.-1ng.-Tech. 65 (1993) Nr. 2, S. 167-173 171

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Zeit , 20 Ternperatur 40 T I " C

0 90 Beugungswinkel 4 8 I Grad

Abb. 9. Rontgenbeugungsbild von der Heizkamera.

Abb. 9 zeigt ein Beispiel. Auf der Abszisse ist der Beugungs- winkel und auf der Ordinate die Zeit aufgetragen. Es wurde dabei folgendes TemperatudZeit-Programm gefahren: - Aufheizen mit konstanter Geschwindigkeit von 20 auf 120 "C, - Halten auf 120 "C, - Abkuhlen mit konstanter Geschwindigkeit von 120 auf 20 "C, - Halten auf 20 "C. Man erkennt deutlich zwei Umwandlungspunkte von Kristallmo- difikationen am Verschwinden von Linien und gleichzeitigem Erscheinen von neuen Beugungslinien wahrend des Aufheizens. Die oberhalb von 106 "C entstehende Modifikation bleibt auch bei Abkuhlung auf Raumtemperatur erhalten. Sie ist folglich die thermodynamisch stabile Modifikation.

4 Ergebnis der Produktcharakterisierung

InTab. 3 ist das Ergebnis der Produktcharakterisierung aus den drei gezeigten Beispielen dargestellt. Die Produktcharakterisie- rung ist zwar nicht vollstandig, laRt aber bereits eine ganze Reihe wichtiger Aussagen iiber das fur dieses Produkt geeignete Trock- nungsverfahren zu: Die Verklebungstemperatur des Produkts hangt stark von der Feuchte ab. Hohe Verklebungstemperaturen werden erst bei kleinen Feuchten erreicht. Das Produkt mu13 zunachst schonend getrocknet werden.

Das Produkt reagiert rnit Luftsauerstoff ab ca. 115 "C, so daR bei Temperaturen oberhalb von 65 bis 90 "C ein konvektiver Trockner inertisiert werden muR. Diese Temperaturgrenze ergibt sich aus dem Reaktionsbeginn und einem Sicherheitsabstand, der von der Reaktionswarme und der Verweilzeit des Produktes abhangt.

Das Produkt kann erst durch Tempern oberhalb von 106 "C in eine thermodynamisch stabile Modifikation iibergefuhrt werden. In vielen Fallen ist dies aus Grunden der Produktqualitat bzw. Spezifikation erforderlich, so dal3 das Produkt gegen Ende der

Tabelle 3. Produktcharakterisierung.

Verklebungsverhalten - Bei hohen Feuchten (X > 80%): niedrige Verklebungstempera-

tur (T = 32 "C) - Bei kleinen Feuchten (X < 5%): Verklebungstemperatur steigt

(T > 160 "C)

Thermoanalyse - Das Produkt reagiert mit Sauerstoff (T > 115 "C)

Rontgenbeugung - Das Produkt liegt in einer metastabilen Modifikation vor - Das Produkt kann durch Tempern bei T > 106°C in eine

thermodynamisch stabile Modifikation ubergefuhrt werden

Trocknung auf Temperaturen oberhalb von 106 "C erhitzt werden muB.

Es kommt daher entweder ein diskontinuierlicher Trockner in Frage, der mit einem TemperatudZeit-Programm gefahren werden muB, oder aber ein kontinuierlicher Trockner mit mindestens zwei Temperaturstufen. Denkbar ware auch ein Trocknungsverfahren mit zwei hintereinander geschalteten Trocknern, bei dem nur der zweite, bei hoheren Temperaturen betriebene Trockner inertisiert werden muB.

Eine solche Kombination ware zum Beispiel ein mit Luft betriebener Stromtrockner, dem ein rnit Stickstoff inertisiertes Wirbelbett zum Tempern nachgeschaltet ist. Eine Entscheidung, ob diese Anordnung weiter verfolgt werden sollte, kann erst dann getroffen werden, wenn die Produktcharakterisierung hinreichend vollstandig ist. Es fehlen z.B. Informationen iiber dieTrocknungs- kinetik (Eignung des Stromtrockners), das Wirbelverhalten sowie die Sorptionsisotherme,

Man sieht aber anhand der drei vorgestellten Untersuchungser- gebnisse, daB mit Hilfe der Produktcharakterisierung bereits weitgehende Aussagen uber das geeignete Trocknungsverfahren gemacht werden konnen, bevor der erste Trocknungsversuch durchgefuhrt wird. Die Produktcharakterisierung ermoglicht es, die Zahl der Verfahrensvarianten fur ein bestimmtes Trocknungs- problem stark einzuengen. Nur die verbleibenden Varianten mussen noch weiter untersucht werden, um das optimale Trock- nungsverfahren zu finden.

5 SchluOfolgerungen

Die groBe Bedeutung der Produktcharakterisierung bei der Entwicklung von Trocknungsverfahren liegt darin begrundet , daB die Vielzahl der am Markt vorhandenen Trocknertypen fur ein bestimmtes Produkt und eine bestimmte Aufgabenstellung dra- stisch eingeengt werden kann. Da ein versuchstechnisches Durch- probieren aller Trocknertypen fur ein bestimmtes Produkt nicht realisiefbar ist, fiihrt die konsequente Benutzung der Produktcha- rakterisierung unmittelbar zu kiirzeren Entwicklungszeiten, gerin- geren Entwicklungskosten, besserenverfahren und oft zu besseren Produkten.

Eingegangen am 24. Marz 1992 [B 57101

Formelzeichen

d I M n Q t T X 0

[ml Lange [ml Wellenlange [kgl Masse [-I natiirliche Zahl [ WI Warmestrom [SI Zeit ["CI Temperatur [kg/kg] Gutsfeuchte [Grad] Beugungswinkel

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