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Das multiple Myelom Klinik St. Georg Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige

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Das multiple Myelom

Klinik St. Georg

Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige

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Klinik St. Georg

Ein medizinischer Ratgeber mit Behandlungsempfehlungen nach neuestemStand (2014). Aus medizinischen Gründen kann davon jederzeit abgewichenwerden. Der Patient sollte sich stets mit seinem behandelnden Arztbesprechen.

Herausgeber:Asklepios Klinik St. GeorgVerantwortlich für den Inhalt:Prof. Dr. Matthias Zeis

Mitarbeit:Prof. Dr. Bertram GlaßProf. Dr. Norbert Schmitz

http://www.asklepios.com/hamburg/sankt-georg

Abteilung Hämatologie, Onkologie und StammzelltransplantationAsklepios Klinik St. Georg HamburgLohmühlenstr. 520099 Hamburg

Tel.: (0 40) 18 18-85 20 05Fax: (0 40) 18 18-85 42 26

Produktion:Asklepios Klinik St. Georg, Krankenhauskommunikation/PRLayout: Detlef Hennig05/2014 · Aktualisierte Auflage 04/2017

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ImpressumImpressum

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Liebe Patientin, lieber Patient,

die Behandlung des multiplen Myeloms hat in den letzten Jahren ganzerhebliche Fortschritte gemacht. Neue Medikamente haben es ermöglicht,die Erkrankung noch effektiver zu behandeln. Die vorliegende Broschüresoll Ihnen einen Überblick über die aktuelle Diagnostik und die Therapiedes multiplen Myeloms verschaffen. Ferner erhalten Sie Tipps, was Sie selbstmachen können, um sicher durch die Behandlungen zu kommen und ummit dieser Erkrankung im Alltag zurecht zu kommen.

Lesen Sie bitte diese Broschüre aufmerksam zu Hause durch. Machen Siesich Anmerkungen und Notizen und schreiben oder markieren Sie Text-stellen, die Sie nicht verstehen, um diese mit ihrem behandelnden Arzt zubesprechen.

Für den Fall, dass Sie bestimmte Fremdwörter, die im Text vorkommenkönnen, nicht kennen, haben wir für Sie im Anhang einige Fachbegriffeerklärt, die Sie vielleicht zum besseren Verständnis beim Lesen benötigen.Für Fragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

Sie können bei uns vorbeikommen oder erreichen uns telefonisch unter (0 40) 18 18-85 20 05.

Ihr Behandlungsteam

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VorwortVorwort

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Inhalt

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Inhalt

I Was ist ein multiples Myelom? …………………………………………………81.1 Begriffsdefinition ………………………………………………………………81.2 Häufigkeit des multiplen Myeloms ………………………………………101.3 Ursachen für das multiple Myelom ………………………………………10II Krankheitssymptome und Beschwerden beim multiplen Myelom ………11Knochenschmerzen ………………………………………………………………11III Sicherung der Diagnose………………………………………………………143.1 Blut- und Urintests …………………………………………………………143.2 Die Knochenmarkpunktion …………………………………………………163.3 Bildgebende Diagnostik ……………………………………………………163.4 Kriterien zur Diagnosestellung ……………………………………………17IV Therapie des multiplen Myeloms …………………………………………184.1 Abwarten beim schwelenden Myelom ……………………………………184.2 Ein Gewebsschaden liegt vor – die CRAB-Kriterien ……………………194.4 Die Säulen der Therapie beim multiplen Myelom ………………………204.5 Chemotherapeutika und Kortison …………………………………………214.6 Die Imide: Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid ………………234.7 Proteasomenhemmer: Bortezomib (Velcade®)……………………………274.8 Die Strahlentherapie …………………………………………………………294.9 Chirurgische Behandlung……………………………………………………31V Therapiestrategie: Welche Therapie für welchen Patienten? ……………325.1 Therapieplan für den fitten Myelompatienten ……………………………345.2 Die autologe Stammzelltransplantation……………………………………375.3 Therapieplan für den weniger fitten Myelompatienten …………………425.4 Knochenaufbau fördernde Medikamente – die Bisphosphonate ………435.5 Behandlungsmöglichkeiten im Rezidiv ……………………………………455.6 Die allogene Stammzelltransplantation ……………………………………46VI Was Sie tun können …………………………………………………………48VII Sozialrechtliche Leistungen…………………………………………………49VIII Anhang ………………………………………………………………………518.1 Glossar…………………………………………………………………………518.2 Häufig verordnete Medikamente …………………………………………538.2.1 Medikamente gegen das multiple Myelom ……………………………538.2.2 Medikamente gegen Infektionen …………………………………………568.3 Wichtige Adressen und Links ………………………………………………59

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Inhalt

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Lageplan & wichtige Telefonnummern

So finden Sie uns.

Telefonnummern

Montag bis Freitag zwischen 8.00 Uhr und 16.30 Uhr(0 40) 18 18-85 35 86/-85 20 05 (Tagesklinik G1)

Zu allen anderen Zeiten(0 40) 18 18-85 21 69(SZT - Station G3)

Fax-Nr. der Tagesklinik G1: (0 40) 18 18-85 42 24 oder -85 42 26

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Lageplan

Kontakt

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Prof. Dr. med.Norbert SchmitzLeiter der Abeilung

Prof. Dr. med.Bertram GlaßSektionsleiterStammzell-transplantation

Joachim AhrensPflegerischer Leiterder Transplanta-tionsstation

Prof. Dr. med.Matthias ZeisOberarzt

Dr. med. MaikeNickelsenOberärztin

Dr. med. ReingardStuhlmannOberärztin

Dr. med. HolgerHauspurgOberarzt

Ihr Pflegeteam

Team

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I Was ist ein multiples Myelom?1.1 Begriffsdefinition

Das multiple Myelom ist eine bösartige Vermehrung von Plasmazellen imKnochenmark (Myelon). Diese bösartigen Plasmazellen werden auchMyelomzellen genannt. Da die Myelomzellen zumeist in Zellnestern an zahl-reichen (multiplen) Stellen des Knochenmarks auftreten, trägt die Erkran-kung den Namen multiples Myelom.

Normale Plasmazellen. In einem gesunden Körper spielen Plasmazellen alswichtiger Bestandteil des Immunsystems bei der Abwehr von Infekten einefundamentale Rolle. Dabei stellen Plasmazellen sog. Antikörper her, wie einY aufgebaute Eiweiße (siehe Abb. 1), die hochspezifisch gegen Keime, wieViren oder Bakterien gerichtet sind und diese, im Zusammenspiel mitanderen Immunzellen, bekämpfen. Nachdem das Immunsystem den Keimbekämpft hat, geht die Mehrzahl der Plasmazellen, die diese Keim-spezifi-schen Antikörper hergestellt hat, auf einem natürlich Wege zugrunde.Dennoch bleiben Plasmazellen als „Gedächtniszellen“ übrig, die dann nacheinem erneuten Infekt mit demselben Keim rascher gegen diesen vorgehenkönnen.

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MultiplesMyelom

Abb. 1: Gesunde Plasmazellen bilden Antikörper gegen Keime. Nach Bekämpfung derKeime gehen die meisten Plasmazellen in den Zelltod.

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Bösartige Plasmazellen. Beim multiplen Myelom wachsen Plasmazellenunkontrolliert. Dabei entwickelt sich das multiple Myelom letztlich aus einereinzigen Plasmazelle, die sich unentwegt teilt und identische Tochterzellenentstehen lässt. Das Myelom ist somit eine klonale Vermehrung von Plasma-zellen (s. Abb. 2). Durch das unkontrollierte Wachstum breiten sich die bös-artige Plasmazellen im Knochenmark aus und verdrängen dabei Zellen dergesunden Blutbildung. Blutarmut ist die Folge. Da die entarteten Plasma-zelle funktionsuntüchtige Antikörper produziert und verbleibende gesundePlasmazellen verdrängt, ist die Immunabwehr geschwächt. Durch dieweitere Ausbreitung der bösartigen Plasmazellen im Knochengewebekommt es zum Knochenabbau. Osteoporose und vor allem Knochenbrüche(Frakturen) mit schweren Schmerzen können auftreten.

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Abb. 2: Bösartige Plasmazellen vermehren sich unkontrolliert und bildenfunktionslose Antikörper.

MultiplesMyelom

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1.2 Häufigkeit des multiplen Myeloms

Das multiple Myelom ist eine vergleichsweise seltene Krebserkrankung.Etwa vier von 100.000 Menschen erkranken pro Jahr am multiplen Myelom.Demgegenüber erkranken 10 Mal mehr Menschen an einem Darmkrebs,Frauen erkranken sogar 20 Mal mehr an Brustkrebs. Männer sind etwashäufiger betroffen als Frauen. Das multiple Myelom ist eine Erkrankung desälteren Menschen. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnose-stellung liegt zwischen 60 und 70 Jahren, obwohl auch jüngere Menschen inder 4./5.Lebensdekade betroffen sein können. Für einen Hämatologenhingegen stellt das multiple Myelom eine häufige Erkrankung dar. Daherhaben Hämatologen große Erfahrungen im Umgang mit dem multiplenMyelom und können Ihnen deshalb auch am besten helfen.

1.3 Ursachen für das multiple Myelom

Die Ursache des multiplen Myeloms ist bislang unbekannt. Man weißjedoch, dass längerfristiger Umgang mit organischen Lösungsmitteln (Tank-wart, Öltankreiniger), mit Pflanzenschutzmitteln oder mit radioaktiverStrahlung die Entwicklung des multiplen Myeloms begünstigt. In denmeisten Fällen allerdings bleibt die Ursache völlig unklar.

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MultiplesMyelom

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II Krankheitssymptome und Beschwerden beim multiplen Myelom

Knochenschmerzen

Viele Patienten mit multiplem Myelom klagen über Knochenschmerzen.Häufig suchen Patienten Wochen oder gar Monate vor der Diagnosestellungwegen Rückenbeschwerden, Schmerzen in den Armen, in den Beinen oderim Brustkorb einen Orthopäden auf. Der Schmerz wird zumeist durchBewegung verstärkt und ist nicht selten nachts abwesend, ausgenommen,wenn man seine Position ändern möchte.

Das multiple Myelom verursacht einen allgemeinen Knochenverlust imgesamten Körper und kann nicht selten zur Osteoporose oder zum Bruch(Fraktur) des Knochens führen. Viele Patienten erleiden Frakturen vonKnochen der Wirbelsäule, die mit massiven Schmerzen und einer Minderung

Abb. 3: Die häufigsten Symptome beim multiplen Myelom

SymptomeBeschwerden

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ihrer Körpergröße einhergehen. Etwa ein Drittel der Patienten entwickeltFrakturen anderer Knochen, wobei diesem häufig kein angemessenesTrauma vorausging (sog. Pathologische Fraktur).

Großes Durstgefühl und Verwirrtheitszustände durch hohe Calcium-Spiegel im Blut

Da Knochen eine große Menge Calcium enthalten, kann durch den Abbauvon Knochen, welcher von Tumorzellen des multiplen Myeloms befallen ist,eine hohe Konzentration von Calcium in die Blutbahn strömen, eine sog.Hyperkalzämie. Hohe Blut-Calcium-Werte treten bei etwa 10-15% derPatienten auf und können eine Reihe von Symptomen, wie Appetitverlust,Übelkeit, Erbrechen, häufiges Wasserlassen, starkes Durstgefühl, Verstopfun-gen, körperliche Schwäche, Verwirrtheitszustände bis hin zur Bewusst-losigkeit hervorrufen.

Müdigkeit und Schwäche durch Blutarmut (Anämie)

Etwa Zweidrittel der Patienten weisen zum Zeitpunkt der Diagnosestellungeine Anämie, also eine Verringerung der roten Blutkörperchen auf. DieZeichen und Symptome einer Anämie sind Hautblässe, Schwäche, Müdig-keit, Herzklopfen und bisweilen Luftnot und Schwindelgefühle. Ursache derAnämie ist die Verdrängung der normalen Blutbildung durch die Myelom-zellen im Knochenmark.

Verschlechterte Nierenfunktion

Die Tumorzellen des multiplen Myeloms produzieren eine große Menge vonEiweißstoffen, die zusammen mit einer hohen Calciumkonzentration im Blutden Nieren einen schweren Schaden zufügen können. So ist die Nieren-funktion in etwa der Hälfte der Fälle bei Diagnosestellung eingeschränkt.Selten ist ein komplettes Versagen der Nierenfunktion das erste Anzeichenfür ein multiples Myelom.

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Diagnose

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Verdicktes, zähflüssiges Blut

Die exzessive Produktion von Proteinen durch bösartige Plasmazellen desmultiplen Myeloms kann zu einem „Verdicken“ des Blutes führen (sog.Hyperviskositäts-Syndrom). Hierbei kann es zu Blutungen z.B. aus der Naseoder dem Mund kommen. Nicht selten klagen Patienten auch überverschwommenes Sehen, neurologische Symptome (sog. Periphere Poly-neuropathien) oder Herzschwäche.

Neurologische Symptome

Frakturen von Wirbelkörpern können einen verstärkten Druck auf Nerven-wurzeln ausüben und zu erheblichen Schmerzen, Taubheit oder sogar zurLähmung von Gliedmaßen führen. Diese Komplikation des multiplenMyeloms betrifft häufig die untere Rückenpartie und die Beine, kann sichaber grundsätzlich in jedem Bereich der Wirbelsäule ausbilden. Das Plasmozytom kann, vom Wirbelkörper ausgehend, in den Rücken-markskanal (Spinalkanal) einwachsen und hierbei sehr starke Schmerzenund Gefühlsstörungen in den Gliedmaßen hervorrufen; ein akuter medizini-scher Notfall ist gegeben, wenn der Tumor das Rückenmark bedrängt. Hierdroht, wenn nicht eine sofortige Behandlung einsetzt, eine Querschnitts-symptomatik.

Allgemeinsymptome

Allgemeine Symptome des multiplen Myeloms beinhalten eine verstärkteEmpfänglichkeit für Infekte (insbesondere während einer Chemotherapie)und Gewichtsverlust. In fortgeschrittenen Stadien des multiplen Myeloms,wenn also trotz der Gabe zahlreicher Behandlungen die Krankheit nichtkontrolliert werden kann, zeigt sich eine erhöhte Blutungsneigung mitNasenbluten, Zahnfleischblutungen oder Hämatombildungen.

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Diagnose

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III Sicherung der Diagnose

Die Diagnose des multiplen Myeloms erfolgt durch Untersuchungen desBlutes, des Knochenmarks sowie durch eine Bildgebung (Abb. 4).

3.1 Blut- und Urintests

Das M-Protein. Die bösartigen, unkontrolliert wachsenden Plasmazellen desmultiplen Myeloms produzieren in großen Mengen Antikörper, die aller-dings für den Menschen keine Funktion ausüben (siehe Abb. 2). Diese Anti-körper werden beim multiplen Myelom auch als monoklonales Paraprotein(M-Protein) bezeichnet. Das Paraprotein ist im Blut und im Urin nachweis-bar und ist für jedes multiple Myelom charakteristisch und spezifisch. DasM-Protein kann, bei sehr hohen Mengen, zur Verdickung des Blutes unddamit zu Veränderungen der Fließeigenschaften führen. Symptome wieKopfschmerzen und Verwirrtheitszuständen können die Folge sein. In derAnwesenheit großer Mengen dieses M-Proteins können durch die Störungender Blutgerinnung vermehrt Blutungen und blaue Flecken auftreten. Bei

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Diagnose

Abb. 4: Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose multiples Myelom

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einigen Patienten finden sich im Blut und Urin sog. freie Leichtketten. Diessind kleinere Bausteine des M-Proteins (Abb. 5). Die freien Leichtketten, dieebenfalls von den bösartigen Plasmazellen produziert werden, können ent-weder zusätzlich mit dem größeren M-Protein auftreten, aber auch alleinnachweisbar sein. Dann wird von einem sog. Leichtketten-Myelom gespro-chen, das etwa 20% aller multiplen Myelome ausmacht und dazu neigt, denNieren einen Schaden zuzufügen.

Das M-Protein – ein Tumormarker. Weil das M-Protein spezifisch für dasMyelom ist, kann es auch als Tumormarker eingesetzt werden. So kanndurch eine einfache Blutentnahme festgestellt werden, ob Sie auf eineTherapie, die Sie von Ihrem Hämatologen erhalten haben, ansprechen.

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Diagnose

Abb. 5: Aufbau eines Antikörpers. Der Antikörper setzt sich aus zwei leichten Ketten(orange) und zwei schweren Ketten (blau) zusammen. Beim multiplen Myelom könnensowohl die leichten Ketten als auch der gesamte monoklonale Antikörper im Blut alsTumormarker gemessen werden.

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Asekretorische Myelome. Nicht alle multiplen Myelome produzieren einsolches M-Protein. Etwa 20% aller multiplen Myelome sind „asekretorisch“,d.h., es wird weder im Blut noch im Urin ein M-Protein gefunden. Auchkönnen die Plasmazellen des multiplen Myeloms im Laufe der Zeit dieFähigkeit, M-Proteine zu produzieren, verlieren. In diesen Fällen kann dasM Protein dann nicht mehr als Verlaufsparameter zur Beurteilung einesTherapieansprechens herangezogen werden.

Neben dem Nachweis des M-Proteins findet sich in den Laborunter-suchungen häufig eine Anämie, eine hohe Calzium-Konzentration oder eineerhöhtes Kreatinin, welches Ausdruck einer eingeschränkten Nieren-funktion ist.

3.2 Die Knochenmarkpunktion

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand entwickeln sich die bösartigenPlasmazellen des multiplen Myeloms aus Vorläuferzellen (Stammzellen) desKnochenmarks. Im Knochenmark werden diese Zellen nicht nur „geboren“,sie leben auch dort. Eine Entnahme von Knochenmark ist somit für die Diag-nosestellung, zur Bestimmung des Infiltrationsgrades des Knochenmarksdurch das multiple Myelom (prozentualer Anteil der Myelomzellen an allenKnochenmarkszellen) und zur Durchführung molekularbiologischer Analy-sen, die zur Einschätzung der Prognose der Erkrankung wichtig ist,unerlässlich.

3.3 Bildgebende Diagnostik

„Pariser Schema“ / Ganzkörperknochen-Computertomographie. Da dasmultiple Myelom grundsätzlich alle Knochen betreffen kann, stellen bild-gebende Untersuchungen einen wichtigen diagnostischen Baustein dar.Während das konventionelle Röntgen des Skelett-Systems mit dem sog.Pariser Schema jahrzehntelang als Standard galt, wird dieser mehr und mehrvon einer »Low-dose«-Ganzkörperknochen-Computertomographie abgelöst.Diese Untersuchung ist schneller durchführbar und weist eine geringereStrahlenbelastung auf, als die herkömmlichen Röntgenaufnahmen. Mit

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diesem Verfahren lassen sich rasch durch das multiple Myelom angegriffeneKnochen (sog. Osteolysen) sichtbar machen und es läßt sich abschätzen, obderartige Osteolysen die Knochen derart instabilisieren, dass eine Frakturdes befallenen Knochens droht.

Magnetresonanztomographie (MRT). In selteneren Fällen kann dasmultiple Myelom bereits bei Diagnosestellung seine Wirkungsstätte, dasKnochenmark, verlassen und sich außerhalb des Knochens wie ein soliderTumor ausgebreitet haben. Derartige extramedullär (außerhalb desKnochenmarks) wachsende multiplen Myelome werden besonders in denWirbelkörperknochen der Wirbelsäule bedrohlich, da hier durch dasWachstum des multiplen Myeloms in den sehr engen Spinalkanal Nerven-wurzeln oder das Rückenmark eingeengt werden können und stärksteSchmerzen resp. eine Querschnittslähmung die Folge sein können. ZurSichtbarmachung dieser weicheren extramedullären Tumoren ist dieMagnetresonanztomographie besonders hilfreich.

3.4 Kriterien zur Diagnosestellung

Zur Diagnose eines behandlungsbedürftigen multiplen Myeloms müssenfolgende Kriterien erfüllt sein:

• Nachweis von bösartigen Plasmazellen im Knochenmark, die mehr als10% aller Knochenmarkzellen ausmachen oder ein Nachweis einesPlasmazelltumors

plus

• Vorliegen eines M-Paraproteins im Blut oder im Urin

plus

• Nachweis eines Schadens des Körpers durch das Wachstum vonbösartigen Plasmazellen. Hier gelten die sog. CRAB-Kriterien (s.u.).

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IV Therapie des multiplen Myeloms

4.1 Abwarten beim schwelenden Myelom

Ist die Diagnose des multiplen Myeloms gestellt, so bedeutet dies nicht,umgehend eine Therapie einzuleiten. Denn bei etwa einem Drittel allerPatienten mit neu diagnostiziertem multiplen Myelom liegt ein langsamwachsendes, schwelendes Myelom („smouldering“ myeloma) vor. Inanderen Fällen wurde das Myelom in einem sehr frühen Stadium diagnosti-ziert. In beiden Situationen wird die „Watch and Wait“-Strategie ange-wendet, d.h., der Patient wird zunächst in regelmäßigen Intervallen vomHämatologen kontrolliert. Dabei werden vor allem Blutuntersuchungen,unter Umständen auch bildgebende Verfahren, eingesetzt um ein Fort-schreiten der Erkrankung nicht zu verpassen. Diese Watch & Wait-Periodekann unter Umständen über Jahre andauern.

Was Sie tun können:Bitte teilen Sie Ihrem behandelnden Hämatologen rechtzeitig relevantekörperliche Veränderungen mit, zum Beispiel anhaltende Knochen-schmerzen, Müdigkeit oder Schlappheit.

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Therapie

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4.2 Ein Gewebsschaden liegt vor – die CRAB-Kriterien

Wenn das multiple Myelom im Körper einen Schaden verursacht hat, somuss behandelt werden.

Liegt zumindest eines der sogenannten CRAB-Kriterien vor, also eine Erhö-hung des Calciumwertes im Blut (C), eine eingeschränkte Nierenfunktion (R,steht für das Englische renal, die Niere betreffend), eine Anämie (A) oder einKnochenbefall (B für engl. bone), sollte eine Therapie gegen das multipleMyelom eingeleitet werden (Abb. 6).

4.3 Vor der Behandlung: Überprüfung der körperlichen Fitness!

Damit Ihr Hämatologe Ihnen eine Therapie vorschlagen kann, die einerseitseine ausreichende Wirkung gegen das Myelom entfaltet, andererseits jedochIhrem Körper keinen schwerwiegenden Schaden zufügt, muss er zunächstihre körperliche Fitness überprüfen.

Hierbei werden zumeist folgende Untersuchungen vorgenommen:• Blutentnahme und Urinuntersuchungen• Untersuchung des Herzens (Ultraschall des Herzens, EKG)• Ultraschall der Bauchorgane• Untersuchung der Lunge (Röntgen, Lungenfunktion)• Evtl. Bildgebung (CT oder MRT)

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Therapie

C

R

A

B

CRAB-Kriterien

Hohe Calcium-Konzentration im Blut

Nierenschwäche (myelombedingt)

Blutarmut (Anämie)

Knochenschäden

Abb. 6: Die CRAB-Kriterien. Bei Vorliegen mindestens eines dieser Kriterien sollte dasmultiple Myelom behandelt werden.

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4.4 Die Säulen der Therapie beim multiplen Myelom

Dank der weltweiten Forschungsaktivitäten in den letzten 15 Jahren konntenneben der Strahlentherapie, Chirurgie und Chemotherapie (+ Kortison) neueWirkstoffe gegen das multiple Myelom entwickelt werden, welche dieBehandlung des multiplen Myeloms erheblich verbessert haben. So kommenzwei Wirkstoffklassen seit mehreren Jahren bereits routinemäßig zum Ein-satz: die sog. Imide (Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid) und die Pro-teasomen-Hemmer (Bortezomib, Carfilomib).

Während die Strahlentherapie und der chirurgische Eingriff nur begrenzt aneinem Ort des Körpers gegen das multiple Myelom aktiv werden können,wirken die Chemotherapie sowie die neuen Medikamente, also die Imideund die Proteasomen-Hemmer, systemisch im gesamten Körper gegen dasprinzipiell im gesamten Skelettsystem verbreitete multiple Myelom. ImLaufe der Myelom-Erkrankung kommen zumeist alle genannten Therapie-säulen einzeln oder in Kombination zum Einsatz.

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Therapie

Abb. 7: Die Säulen der Therapie beim multiplen Myelom.

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4.5 Chemotherapeutika und Kortison

Chemotherapeutika

Chemotherapeutika sind Wirkstoffe, die das Wachstum von Tumorenhemmen, indem sie einen Großteil der Tumorzellen abtöten können. Umeinen größtmöglichen Effekt von Zytostatika zu erzielen, müssen sie inregelmäßigen Abständen wiederholt werden. Beim multiplen Myelomspielen sog. Alkylantien seit etwa 50 Jahren die größte Rolle. Zu diesengehören das Cyclophosphamid und das Melphalan.

Letzteres wird in niedriger Dosis als Kombinationspartner verabreicht oderin hoher Dosis im Rahmen der Stammzelltransplantation gegeben (sieheAbschnitt Stammzelltransplantation). Des Weiteren kommen die Chemo-therapeutika Adriamycin sowie Bendamustin als Kombinationspartner zurAnwendung. Über die wichtigsten Eigenschaften der Medikamente sieheKapitel VIII.

Kortison

Kortison ist ein körpereigenes Hormon, welches, synthetisch hergestellt, alsein sehr wirksames Medikament gegen das multiple Myelom eingesetztwird. In aller Regel wird Kortison mit anderen Medikamenten, wie zumBeispiel mit Revlimid®, Velcade® oder Melphalan kombiniert. Dabei wirdKortison generell nicht längerfristig über mehrere Wochen, sondern „stoß-weise“ über nur wenige Tage verabreicht, um die Nebenwirkungen, die vomKortison ausgehen, zu minimieren.

DarreichungsformKortison wird zumeist in Tablettenform verabreicht. In selteneren Fällenkann es auch problemlos intravenös gegeben werden.

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Therapie

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NebenwirkungenDie unten aufgelisteten Nebenwirkungen des Kortisons treten grundsätzlichnicht bei jedem Patienten auf. Vielmehr wird Kortison außerordentlichunterschiedlich vertragen. So gibt es eine Reihe von Patienten, die unterKortisongaben keine negativen Auswirkungen verspüren. Andere bemerkensogar eine deutliche Stimmungsaufhellung sowie eine erhebliche Appetit-steigerung

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Therapie

Nebenwirkung Kortison Was kann man dagegen tun?

Hohe Infektanfälligkeit! (Viren, Bakterien, Pilze)

Bluthochdruck

Gewissenhaft Hygiene-Regeln beachten.Prophylaktische Gaben von Medikamentengegen Viren, Bakterien und Pilze (in Abhän-gigkeit von Dauer & Dosis der Kortisonthera-pie

Tägliche Kontrolle des BlutdruckesEvtl. medikamentöse Therapie

Schlafstörungen

Blutzuckererhöhung (insbesondere beiKombination mit Tacrolimus)

Erhöhung der Blutfettwerte

Wassereinlagerung im Gewebe

Tritt gehäuft bei hohen Kortisondosen aufKortison am frühen Morgen einnehmenEvtl. Verordnung eines schlafförderndenMedikamentes

evtl. Spritzen von Insulin

Nimmt bei Dosisreduktion deutlich abEvtl. Diät

KompressionsstrümpfeBeine hochlagernLymphdrainageEvtl. Gabe eines Diuretikums („Wassertablet-te“)

Osteoporose (Langzeitwirkung)

Cushing-Syndrom (Vollmondgesicht,Stiernacken, Gesichtsrötung, brüchigeHautgefäße (bei mehrwöchiger hochdo-sierter Gabe)

Muskelschwäche

Gabe von Vitamin D & Kalzium & Fluor

Wenn möglich Dosisreduktion

Vorsichtiges Muskelaufbautraining

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4.6 Die Imide: Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid

Thalidomid, welches 1957 unter dem Handelsnamen „Contergan“ als Schlaf-und Beruhigungsmittel für Schwangere in Deutschland in den Markt einge-führt wurde und schwere Missbildungen bei den Neugeborenen zur Folgehatte, erlebte etwa 40 Jahre später eine ungeahnte Wiederentdeckung alsWirkstoff gegen das multiple Myelom.

Ausgehend vom Thalidomid wurden weitere hochaktive „Imide“ gefunden,welche die Behandlung des multiplen Myeloms erheblich bereichert haben:das Lenalidomid (Revlimid®) und das aktuell im September 2013 zugelas-sene Pomalidomid (Imnovid®).

WirkungsweiseDie Imide stellen keine Chemotherapeutika dar. Die klassischen Nebenwir-kungen von Chemotherapeutika, wie Übelkeit, Erbrechen und Haarausfalltreten nicht auf. Die Imide, im Folgenden soll auf das Revlimid® näher ein-gegangen werden, sind sog. immunmodulatorische Substanzen, d.h., siestimulieren und aktivieren Abwehrzellen des Immunsystems, welchesschließlich das Myelom angreift. Lenalidomid (Revlimid) hemmt außerdemeinen wichtigen Wachstumsfaktor, der zur Ausbildung von tumoreigenenGefäßen führt. Auf diese Weise wird das Wachstum und die Ernährung desmultiplen Myeloms unterbunden, der Tumor „verhungert“.

NebenwirkungenDie Nebenwirkungen sind in aller Regel gut beherrschbar. Ihr behandelnderHämatologe wird Ihnen weitere Informationen zu diesem Medikament zurVerfügung stellen.

Obstipation („Verstopfung“). Gerade zu Beginn der Therapie mit Revlimidkann der alltägliche Stuhlgang erschwert sein. Bitte teilen Sie dies IhremHämatologen mit. Hier kann mit einfachen Mitteln Abhilfe geschaffenwerden. Nicht selten verschwindet dieses Problem nach längerer Einnahmevon Revlimid von selbst.

Durchfall. Bei manchen Patienten kann aber auch das Gegenteil, nämlichein vermehrter oder auch flüssiger Stuhlgang auftreten. Auch hier kann,wenn erforderlich, medikamentös (z.B. Loperamid) etwas getan werden.

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Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, müsste evtl. die Revlimiddosisreduziert werden. Dies sollte jedoch niemals eigenmächtig erfolgen, sondernmuss stets mit Ihrem Hämatologen abgesprochen werden.

Neutropenie. Im Rahmen der Revlimidtherapie kann zu einer Neutropeniekommen. Unter Neutropenie versteht man eine Verminderung von weißenBlutkörperchen (speziell von sog. neutrophilen Granulozyten). Dies kann zueiner erhöhten Infektneigung führen. Durch regelmäßige Blutkontrollenwird die Neutropenie erkannt. Es hängt ganz entscheidend davon ab, wielange diese Neutropenie anhält. Kurzfristige, milde Neutropenien vonwenigen Tagen bedürfen häufig keiner Behandlung.

Thrombopenie. Bei einer Thrombopenie vermindert sich die Zahl derThrombozyten (Blutplättchen) im Blut. Blutplättchen sind für die Blut-gerinnung sehr wichtig.

Hautausschlag. In seltenen Fällen kann ein Hautausschlag auftreten. Dieserkann wenige Minuten / Stunden nach der Einnahme oder aber erst nachmehreren Tagen verzögert auftreten. Es können flüchtige kleinfleckigeRötungen, aber auch gefährliche Blasenbildungen auftreten.

Wichtig: Bitte messen Sie regelmäßig täglich Ihre Körpertemperatur undschreiben diese auf. Im Falle von Fieber, ab 38°C, sollten Sie unverzüglichIhren Hämatologen konsultieren. Ihr Arzt wird Ihnen entsprechendeVerhaltensregeln und Telefonnummern, die Sie in einem solchen Fallewählen sollten, geben.

Wichtig: Wenn Sie an Ihrem Körper Blutungen (z.B. Nasenbluten, Zahn-fleischbluten), blaue Flecke oder kleine, stecknadelkopfgroße Einblutungenan Armen und Beinen bemerken, sollten Sie sich unverzüglich bei IhremHämatologen melden.

Wichtig:Bei Hautausschlag bitte sofort Ihren Hämatologen kontaktieren.

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Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Dieses Problem tritt häufiger auf, insbesondere bei einer hohen Revlimiddosis von 25mg pro Tag.

Tipp:• Nehmen Sie Revlimid immer abends ein, auf diese Weise können Sie

einen Anteil der Müde machenden Wirkung „verschlafen“.• Versuchen Sie täglich, sich ausreichend zu bewegen. • Bitte trinken Sie ausreichend, ihr Arzt wird Ihnen die ungefähre Trink-

menge mitteilen (zumeist ca. 2,5 Liter). Auf diese Weise beugen Siemöglichen Nierenschädigungen vor.

• Bitte ernähren Sie sich gesund und ausgewogen. Vitamine und pflanz-liche Mittel sollten Sie generell nur nach Absprache mit Ihrem Hämato-logen(!) einnehmen.

Tiefe Venenthrombose. Eine tiefe Venenthrombose (TVT) ist eine gefähr-liche Nebenwirkung, die potentiell lebensbedrohlich ist. Durch die Ein-nahme von Revlimid kann die Gerinnung von Blut in den Blutgefäßenverstärkt werden. Auf diese Weise können sich Blutgerinnsel entwickeln, diehäufig in den Beinen auftreten. Ein solches Blutgerinnsel kann sich aus einerBeinvene lösen, in die Lungenstrombahn gelangen und eine gefährliche sog.Lungenembolie erzeugen.

Wichtig: Wenn Sie eine Schwellung, Rötung oder einen Schmerz in IhrenExtremitäten (häufig in den Beinen) verspüren, sollten Sie unverzüglichIhren Arzt aufsuchen, damit durch entsprechende Untersuchungen eineVenenthrombose ausgeschlossen werden kann. Revlimid hat wie Thalidomid eine fruchtschädigende, teratogene Wirkung.Dies haben Tierversuche eindeutig belegt. Lenalidomid darf daher niemals (!) während der Schwangerschaft ein-genommen werden. Die Anwendung ist ebenfalls nicht erlaubt bei gebär-fähigen Frauen, es sei denn, es werden alle Bedingungen des Schwanger-schaftsverhütungsprogramms für Lenalidomid eingehalten. Frauen imgebärfähigen Alter müssen zuvor einen Schwangerschaftstest absolvieren,bevor ihnen Revlimid® verschrieben wird. Es erfolgt durch Ihren Hämatologen ein ausführliches, schriftlich nieder-gelegtes Aufklärungsgespräch mit nachfolgender Einverständniserklärungzur Schwangerschaftsverhütung.

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Darreichungsform Revlimid® wird in Form von Kapseln oral einmal täglich in einer Dosis von25mg für 21 Tage eingenommen. In Abhängigkeit von möglichen Neben-wirkungen sowie bei der Kombination mit anderen Wirkstoffen kann sichdie Dosierung ändern. Ihr Hämatologe wird Ihnen dieses mitteilen.

Internet-Tipp:Eine hilfreiche Broschüre über die Revlimid® finden Sie im Internet unter:www.myeloma.org/pdfs/U-Rev_Ger_b1.pdf, sowie auf der Homepagewww.myelom-portal.de

Pomalidomid (Imnovid®)

WirkungsweisePomalidomid ist ein weiteres „Imid“, welches auch dann noch einen Anti-Tumor-Effekt gegen das multiple Myelom entfaltet, wenn Revlimid®unwirksam geworden ist. Pomalidomid hat eine vergleichbare Wirkungs-weise wie Revlimid. Auch das Nebenwirkungsspektrum ist ähnlich. DaPomalidomid erst jüngst (Herbst 2013) auch in Europa zugelassen wurde,sind die Erfahrungen im klinischen Alltag noch recht limitiert. Pomalidmiddarf erst dann von Ihrem Hämatologen verschrieben werden, wennRevlimid® und Bortezomib (siehe unten) gegen das Myelom unwirksamgeworden sind.

Neutropenie und Thrombopenie. Etwa die Hälfte aller Patienten ent-wickeln relevante Blutbildveränderungen im Sinne einer deutlichenVerminderung der Leukozyten (speziell der neutrophilen Granulozyten)und der Thrombozyten. In den ersten 2 Monaten der Therapie wird dahereine wöchentliche Kontrolle des Blutbildes bei Ihrem Hämatologen dringendempfohlen. Kommt es zu einer schwerwiegenden Verminderung der Leuko-zyten oder der Thrombozyten, so ist häufig eine Pausierung von Imnovid®erforderlich. Nach Abklingen der Nebenwirkungen, sollte dann die Dosisreduziert werden.

Thrombotische Ereignisse. Da auch beim Imnovid Thrombosen auftretenkönnen, sollte eine medikamentöse Blutgerinnungshemmung erfolgen. IhrHämatologe wird Ihnen daher entweder ASS (Aspirin®) oder Heparinverschreiben.

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Fieberhafte Infekte. Durch die Verminderung der Leukozyten können ge-häuft fieberhafte Infekte, u.a. Lungenentzündungen (Pneumonien) auftreten.

Empfehlung:Es gelten grundsätzlich die unter Revlimid beschriebenen Empfehlungen.Bitte teilen Sie Ihrem Hämatologen alle Beschwerden, auch jene, die hiernicht aufgeführt sind, mit!

DarreichungsformPomalidomid (Imnovid) wird als Kapsel in einer Dosis von 1 bis 4mg täglichverabreicht. Nicht selten wird Imnovid zur Verstärkung der Wirksamkeitmit Kortison (Dexamethason) kombiniert.

4.7 Proteasomenhemmer: Bortezomib (Velcade®)

WirkungsweiseBortezomib ist ein Wirkstoff, der in die entartete Plasmazelle eindringt unddabei die Funktion eines für das Überleben der Zelle fundamentalen Pro-teins hemmt. Dieses Protein, der Proteasomenkomplex, dient dazu, andereEiweißstoffe der Zelle zu „verschrotten“, indem diese in ihre Einzelbau-steine zergliedert und recycelt werden. Bortezomib bindet an diesem Protea-somenkomplex und verhindert damit die Verschrottung und Beseitigungdes Proteins. Die Zelle „vermüllt“ und stirbt.Bortezomib stellt seit mehreren Jahren einen sehr wichtigen Baustein in derBehandlung des multiplen Myeloms dar. Es wird zumeist mit Kortison(Dexamethason oder Prednison), gegebenenfalls zusätzlich mit einemChemotherapeutikum (Melphalan, Cyclophosphamid oder Daunorubicin)kombiniert.

NebenwirkungenAuch wenn Bortezomib kein Chemotherapeutikum ist, so ruft es dennochnennenswerte Nebenwirkungen hervor, die sie als Patient kennen sollten.

Müdigkeit und Erschöpfung. Bortezomib kann bei mehr als der Hälfte derPatienten zu Müdigkeit und Erschöpfungszuständen führen. Meist werdendie Beschwerden jedoch als erträglich beschrieben und lassen in der Regelwenige Tage nach der letzten Injektion nach.

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Polyneuropathie (Nervenbeschwerden). Die wichtigste Nebenwirkung, dieden Patienten auch längerfristig Probleme bereiten kann, ist die sogenannteperiphere Polyneuropathie. Die Patienten berichten über leichtes Kribbelnoder Taubheitsgefühlen in den Fingerspitzen oder einem Gefühl des„Gehens wie auf Watte“ unter den Fußsohlen. Bei längerfristiger Gabe vonBortezomib, insbesondere nach intravenöser Gabe, traten aber auch ober-flächliche, brennende Schmerzen auf, die vor allem an den Beinen lokalisiertwaren. In schweren, aber seltenen Fällen wurden auch Muskelschwächenoder Lähmungen beklagt. Diese Probleme treten erheblich seltener auf,wenn das Bortezomib in die Bauchdecke gespritzt wird. Daher wird Borte-zomib heutzutage nur noch subcutan in die Bauchdecke verabreicht undzeigt dabei kein schlechteres Ansprechen als unter der intravenösen Gabe.

Was kann ich dagegen tun?Bitte teilen Sie Ihrem Hämatologen derartige Beschwerden sofort mit. Durcheine Reduktion der Bortezomib-Dosis können die Nervenbeschwerdengemildert werden. Allerdings können mehrere Monate vergehen, bis eine fürSie spürbare Verbesserung eingetreten ist.

Entwicklung einer „Gürtelrose“. Bortezomib führt zu einer Immun-schwäche, die insbesondere die Abwehr von bestimmten Herpesvirenbetreffen kann. Varizellen (genau Varicella zoster) sind Herpesviren, welchefür die „Windpocken“, die Sie sicherlich während der Kindheit als harmloseKinderkrankheit erlebt haben, verantwortlich sind. Diese Viren verweilen inbestimmten Nervenzellen zeitlebens in unserem Körper. Unser Immun-system hindert sie allerdings daran, sich zu vermehren und Schadenanzurichten. Bei der Gabe von Bortezomib weiß man allerdings, dass dieImmunabwehr geschwächt wird und sich diese Herpesviren ausbreitenkönnen. Dabei treten Bläschen mit wasserklarem Inhalt auf, die sich entlangvon Hautnerven ausbreiten können. Darüber hinaus können bisweilen sehrunangenehme, brennende Schmerzen auf der Haut auftreten, die unterUmständen monatelang andauern können.

Das Auftreten einer Gürtelrose kann durch die vorsorgliche prophylaktischeEinnahme von Aciclovir sicher verhindert werden. Sie erhalten daher vonIhrem Arzt eine prophylaktische Gabe von Aciclovir, ein Medikament,welches generell gut vertragen wird und in der Regel keine relevantenNebenwirkungen hervorruft.

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Was Sie tun können!Führen Sie während Ihrer Behandlung mit Bortezomib (Velcade) ein Tage-buch und schreiben Sie die möglichen Probleme, die sie während derBehandlung haben, auf. Teilen Sie Ihrem Hämatologen diese Beschwerdenmit, damit er nötigenfalls reagieren kann. DarreichungsformBortezomib ist besonders aktiv gegen das multiple Myelom, wenn es inKombination mit Kortison und einem Chemotherapeutikum gegeben wird.Es wird subkutan, also in die Bauchdecke, verabreicht. In aller Regel sindmehrere Behandlungsblöcke (Therapiezyklen) vorgesehen.

Carfilzomib (KYPROLIS®)

Der „Second Generation“-Proteasomenhemmer Carfilzomib stellt einenweiteren Proteasomenhemmer dar, der im Gegensatz zum Bortezomib einedeutlich geringere Rate an Nervenschädigungen (Polyneuropathien) hervor-ruft. Carfilzomib ist auch dann noch wirksam, wenn eine Resistenz, alsoUnwirksamkeit gegen Lenalidomid und Bortezomib vorliegt. Als Kombina-tionspartner mit Lenalidomid/Dexamethason oder Melphalan/Prednisolonzeigt Carfilzomib eine noch stärkere Wirkung. Zurzeit ist Carfilzomib nur inden USA zugelassen bei Patienten, die mit Bortezomib und Thalidomid resp.Lenalidomid vorbehandelt wurden.

4.8 Die Strahlentherapie

Bösartige Zellen des multiplen Myeloms zeigen eine hohe Strahlen-sensibilität, d.h., sie sind mit einer Strahlentherapie effektiv behandelbar. ImGegensatz zur Chemotherapie, die im gesamten Körper ihre Wirkung ent-faltet, wirkt die Strahlentherapie ausschließlich am Bestrahlungsort.

Die Strahlentherapie wird beim multiplen Myelom dann eingesetzt, wennKnochenschmerzen selbst durch hochwirksame Schmerzmittel (Morphine)keine Linderung erfahren.

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Auch bei drohenden oder bereits bestehenden Knochenbrüchen kann durcheine lokale Strahlentherapie das Myelom beim Wachstum massiv gehemmtwerden, ohne dabei den gesunden benachbarten Zellen einen schwerenSchaden zuzufügen, da normale Körperzellen, wenn sie sich durch Zell-teilung nicht vermehren, relativ strahlenresistent sind. Auf diese Weisehaben Knochenbrüche eine gute Chance wieder zu verheilen.

Die Nebenwirkungen der Strahlentherapie hängen entscheidend vom Ortder Bestrahlung und der Größe des Bestrahlungsfeldes ab. Wird nur einkleiner Bereich, wie zum Beispiel ein Wirbelkörper im Lendenbereichbestrahlt, sind die Nebenwirkungen kaum spürbar. Muss allerdings eingrößerer Anteil des Beckens bestrahlt werden, so können Bauchschmerzenund Durchfälle auftreten, da sich ein Teil des Darmes im Strahlenfeldbefindet. Bei der Bestrahlung des Beckens kann auch die Blutbildung einenSchaden nehmen, wobei sich alle Blutzellreihen vermindern können undBlutarmut (Anämie) sowie Infektionen hervorrufen können. Um die Gefähr-lichkeit der Strahlen zu minimieren, wird die gesamte Strahlendosis nicht aneinem Tag, sondern fraktioniert, also in Einzelsitzungen über mehrere Tageverabreicht, so dass Sie grundsätzlich mit einer Strahlentherapiezeit vonca. 3-4 Wochen rechnen sollten.

Sobald eine Strahlentherapie notwendig wird, wird der Sie behandelndeStrahlentherapeut mit Ihnen zuvor ein ausführliches Aufklärungsgesprächführen.

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4.9 Chirurgische Behandlung

Da das multiple Myelom das Knochenmark sowie das Knochengewebeangreift, kann es beim Myelom-Patienten zum „Knochenfraß“ kommen unddamit die Stabilität des Knochens gefährden. Nicht selten treten dabeiKnochenbrüche (Frakturen) auf, die schließlich von einem Unfall-, oderWirbelsäulenchirurgen operativ behandelt werden müssen. Je nachdemwelcher Knochen befallen ist, gibt es eine Reihe von operativen Möglich-keiten, die dem Chirurgen zur Verfügung stehen, die frakturierten Knochenwieder zu stabilisieren (Abb. 8). Es sei aber betont, dass es sich hier nicht umeine spezifische Therapie des multiplen Myeloms handelt. Vielmehr dientder chirurgische Eingriff der Behandlung von Komplikationen, die imGefolge des Myeloms entstanden sind.

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Abb. 8: Beispiele für die chirurgische Versorgung von Myelom-bedingten Knochen-veränderungen.Links: Dorsale Spondylodese im Bereich der Brustwirbelsäule.Mitte: Plattenosteosynthese am UnterarmRechts: Hüft-Endoprothese

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V Therapiestrategie: Welche Therapie für welchen Patienten?

Die Wahl der richtigen Behandlung für den jeweiligen Myelom-Patientenstellt den Hämatologen angesichts der hohen Zahl von Kombinations-möglichkeiten der oben beschriebenen Wirkstoffe vor einer großen Heraus-forderung.

Je nach dem körperlichen Zustand des Patienten (Vorerkrankungen, Fitness)und der Tumorlast des Myeloms werden in der ersten Phase der Behandlungverschiedene Medikamente miteinander kombiniert. Dabei werden häufig(nicht immer!) ein Chemotherapeutikum (z.B. Melphalan, Cyclophospha-mid, Adriamycin) mit Kortison (Prednison oder Dexamethason) und einemneuen Wirkstoff (Thalidomid, Lenalidomid oder Bortezomib) kombiniert(Abb. 9).

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Abb. 9: Beispiele von Dreifach-Kombinationsbehandlungen in der Behandlung des mul-tiplen Myeloms

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Tatsache ist, dass sich die Kombinationsbehandlungen durch eine hoheWirksamkeit gegen das multiple Myelom auszeichnen. Die dabei erzieltenAnsprechraten, vorausgesetzt, die Behandlungszyklen werden mehrfachwiederholt, können durchaus jenen entsprechen, die man mit einer doppel-ten, sog. Tandem-Stammzelltransplantation erreicht (s. Abb.10).

Die autologe Stammzelltransplantation (SZT) stellt nach wie vor ein wesent-liches Therapieelement in der Behandlung des multiplen Myeloms dar,welches generell in die Therapieplanung integriert werden sollte. Liegenallerdings schwerwiegende Schädigungen von Organen vor, die nicht durch

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TandemSZT

MPThal MPR VMP VCD VTP VTD

0

20

40

60

80

100

Komplette Remission

Partielle Remission

% A

nspr

eche

n

4 x VADMelphalan

MelphalanPrednisonThalidomid

MelphalanPrednisonRevlimid

VelcadeMelphalanPrednison

VelcadeCyclo.Dexa.

VelcadeThalidomidPrednison

Studie: Garban 2006 Palumbo 2006 Palumbo 2008 San Miguel 2008 Reeder 2009 Mateos 2008

VelcadeThalidomidDexa.

Cavo 2007

Triple-Kombinationstherapien – Ansprechraten

Abb. 10: Ansprechraten von Dreifach-Kombinationsbehandlungen und der autologenTandemtransplantation mit vorangegangener Chemotherapie (4xVAD + 2xSZT).Abkürzungen:VAD: Vincristin, Adriamycin, Dexamethason, Tandem-SZT: zwei autologe Stammzell-transplantation innerh. v. 3 Monaten; Dexa.: Dexamethason; Cyclo.: Cyclophosphamid.Es ist wichtig zu erwähnen, dass es sich hier um eine Zusammenfassung einzelner Stu-dienergebnisse handelt und nicht um einen direkten Vergleich der einzelnen Kombina-tieonstherapien.

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die Myelomerkrankung verursacht worden sind, z.B. eine schwere Lungen-oder Herzerkrankung, so sollte man das Ziel einer autologen SZT verlassen.Wesentliche Voraussetzung für die Stammzelltransplantation ist die Verfüg-barkeit von Stammzellen, also die Möglichkeit, eine ausreichende Zahl vonStammzellen aus dem Blut des Patienten mit Hilfe einer Blutwäsche (sog.Stammzell-Apherese) zu gewinnen. Sollten nicht genügend Stammzellengesammelt werden können, kann auch keine Transplantation erfolgen.Selbstverständlich wird dem Wunsch des Patienten, wenn dieser eine auto-loge SZT kategorisch ablehnt, entsprochen. Hohes Patientenalter stelltgenerell kein Ausschlusskriterium für eine autologe SZT dar, vorausgesetzt,der Patient weist eine ausreichende Fitness auf.

5.1 Therapieplan für den fitten Myelompatienten

Die Induktionstherapie

Nachdem die Diagnose gestellt und Ihre gute körperliche Fitness bestätigtwurde, erhalten Sie zunächst eine sog. Induktionstherapie. Das Ziel derInduktionstherapie besteht in der massiven Reduktion der Tumorlast vor derautologen Stammzelltransplantation (Abb. 11).

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Abb. 11: Therapieweg für fitte Myelom-Patienten

InduktionstherapieAmbulante Behandlung

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Im Rahmen der Induktionstherapie erhalten Sie in unserer Klinik eineKombination von drei verschiedenen Medikamenten: das Bortezomib(Velcade), Cyclophosphamid und Dexamethason (VCD). Dieses VCD-Regime wird allgemein auch von älteren Patienten gut vertragen und zeigteine hohe Ansprechrate gegen das multiple Myelom. Übelkeit und Erbre-chen sind selten, Haarausfall wird in der Regel nicht beobachtet. Der VCD-Zyklus dauert 11 Tage und wird am Tag 22 und 43 wiederholt. Diese dreiBehandlungszyklen können, aufgrund ihrer guten Verträglichkeit in allerRegel ambulant in unserer Tagesklinik oder heimatnah bei einem nieder-gelassenen Hämatologen verabreicht werden. Über den Ablauf dieser VCD-Therapie werden wir Sie vor Beginn der Behandlung noch genau infor-mieren. Es ist wichtig zu erwähnen, dass neben der VCD-Therapie auchandere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht kommen. Die Wahl derKombinationsbehandlung, die im Rahmen der Induktionstherapie durch-geführt wird, hängt u.a. davon ab, welche Organschäden beim Patientenvorliegen. Auch die Erfahrungen, die Ihr behandelnder Hämatologe mit denjeweiligen Kombinationsbehandlungen gemacht hat, beeinflusst die Wahlder zum Einsatz kommenden Medikamente.

Die Stammzellentnahme

Nachdem es in der Regel gelungen ist, durch die ersten drei Behandlungs-zyklen ein relevantes Ansprechen gegen das Myelom zu erzielen, folgt imnächsten Schritt die Entnahme Ihrer Stammzellen aus Ihrem Blut. Dabeierhalten Sie zunächst eine vergleichsweise milde Chemotherapie. In unsererAbteilung ist es zumeist Cyclophosphamid, welches Sie bereits in den vor-angegangen VCD-Therapien in etwas geringerer Dosierung erhalten haben.Nach der zweitägigen Gabe von Cyclophosphamid über einen peripherenVenenzugang am Unterarm erhalten Sie dann einen Wachstumsfaktor, denGranulozyten-Kolonie stimulierenden Faktor (z.B. Granocyte), der Ihnen indie Bauchdecke subkutan verabreicht wird. Durch die Chemotherapie undden Wachstumsfaktor bewegen sich die Stammzellen aus dem Knochen-mark in Ihr peripheres Blut und erreichen dort etwa 8–12 Tage nach derChemotherapie ihre höchste Konzentration. Die Zählung der Stammzellenim Blut läßt sich durch eine bestimmte Laboruntersuchung bestimmen.Überschreitet die gemessene Stammzellzahl im Blut eine definierte Grenze,

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so erfolgt im nächsten Schritt die Stammzellentnahme. Zu diesem Zweckerhalten Sie einen größeren venösen Zugang. Über diesen werden nun IhreStammzellen im Rahmen einer „Blutwäsche“ entnommen und konzentriert.Diese Prozedur dauert ca. 6 Stunden. Anschließend wird die Zellzahl im ent-nommenen Transplantat bestimmt. Sollte die Zellzahl noch nicht ausreichen,so wird am nächsten Tag diese Maßnahme wiederholt werden.

Die Stammzellen werden in einem Tank mit flüssigem Stickstoff gelagert.Ziel ist es, für zumindest zwei Transplantationen ausreichende Stammzell-präparate herzustellen. Im flüssigen Stickstoff können die Transplantate überJahre schadlos gelagert werden.

Plerixafor (Mozobil®). In bestimmten klinischen Situationen, z.B. beiPatienten im höheren Alter oder durch vorangegangene Strahlenbehand-lungen im Beckenbereich, kann die Stammzellmobilisierung nach der obengenannten Prozedur fehlschlagen. Für diese schlechten Mobilisierer („badmobilizer“) kommt die Substanz Plerixafor zum Einsatz. Plerixafor ist einsog. Chemokin-Inhibitor, welches in der Lage ist die Stammzellen aus ihrerVerankerung im Knochenmark „herauszuschlagen“, um schließlich in dasperiphere Blut zu gelangen. Plerixafor wird am Vorabend der geplantenStammzellentnahme um 22.00 Uhr in die Bauchdecke verabreicht. Nötigen-falls kann diese Maßnahme am folgenden Abend wiederholt werden, um amFolgetag einen weiteren Entnahmeversuch zu unternehmen. Die Neben-wirkungen dieses Medikamentes sind geringfügig.

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5.2 Die autologe Stammzelltransplantation

Wirkprinzip: Die Wirkung der autologen, also körpereigenen, SZT beruhtauf der Gabe einer hohen Dosis eines Chemotherapeutikums. Zum Einsatzkommt der Wirkstoff Melphalan, welcher eine sehr starke Fähigkeit hat,Myelomzellen abzutöten. Allerdings wirkt Melphalan nicht tumorspezifisch.Denn gleichzeitig ist hochdosiertes Melphalan ausgesprochen knochenmark-toxisch, so dass die normale Blutbildung zerstört wird. Da der Mensch ohneKnochenmark weder ein funktionsfähiges Immunsystem noch Blutzellenherstellen kann, wäre ein solcher Eingriff mit dem Leben nicht vereinbar.Daher erhält der Myelom-Patient einen Tag nach der Behandlung mit hoch-dosiertem Melphalan eine Transfusion von körpereigenen, autologenStammzellen. Aus diesen Stammzellen entwickeln sich wieder alle notwen-digen Blut- und Immunzellen.

Voruntersuchungen vor der autologen SZTBevor Sie zur autologen SZT auf die Station kommen, sind zuvor noch zweiFragen zu beantworten:

Wie effektiv war bei Ihnen die zuvor durchgeführte Chemotherapie?Um diese Frage zu beantworten, werden Blutuntersuchungen durchgeführt.Eventuell erfolgt eine Knochenmarkpunktion oder bildgebende Verfahren,wie zum Beispiel eine Computertomographie oder eine Magnetresonanz-tomographie (MRT).

Wie fit sind Sie und gibt es Hinweise auf eine Infektion in Ihrem Körper?Wir wollen Sie sicher durch die Transplantation führen. Daher werden vorder SZT Untersuchungen Ihrer Körperorgane veranlasst: Neben einer Lun-genfunktion erhalten Sie eine Untersuchung des Herzens (Ultraschall undEKG), der Nieren, ein Ultraschall der Bauchorgane sowie eingehende Blut-untersuchungen.

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Prinzipieller Ablauf der autologen Stammzelltransplantation (s. Abb. 12)

Legen eines zentralvenösen Katheters. Zu Beginn des stationären Aufent-haltes wird Ihnen ein sog. Zentraler Venenkatheter (ZVK) unter einer lokalenBetäubung unter sterilen Bedingungen gelegt. Dieser wird zumeist an einerHalsseite (meist die rechte Seite) oder etwas unterhalb des Schlüsselbeinseingelegt. Der ZVK erfüllt viele wichtige Aufgaben: Sie erhalten über diesenZugang Ihre Chemotherapie; wir können Ihnen jederzeit Blut entnehmen,ohne Sie erneut an den Unterarmen pieksen zu müssen; wir können, wennSie Fieber oder Probleme mit dem Kreislauf haben, jederzeit wichtige Medi-kamente, wie zum Beispiel Antibiotika, verabreichen und schließlich erhaltenSie Ihre körpereigenen Stammzellen über diesen Venenzugang.

Verabreichung der Chemotherapie. Nachdem der ZVK gelegt und imRöntgenbild seine korrekte Lage überprüft wurde, erhalten Sie nun dieChemotherapie, das Melphalan. Dieses Medikament wird Ihnen über eineeinstündige Infusion an zwei aufeinander folgenden Tagen verabreicht.Zeitlich parallel dazu werden Ihnen Flüssigkeit über die Vene und Medika-mente gegeben, die Ihnen die Übelkeit, die bei der Gabe on Melphalanauftritt, zu nehmen oder zu mindern.

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Abb. 12: Ablauf der autologen Stammzelltransplantation und das Verhalten der Leuko-zyten im Blutbild

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Rückgabe der autologen Stammzellen. Zwischen dem letzten Tag derChemotherapie und der Infusion Ihrer Stammzellen liegt ein Pausentag. AmTag der Stammzellrückgabe werden Sie zu Ihrer Sicherheit an einem Kreis-laufmonitor angeschlossen. Das Transplantat, welches Sie erhalten, enthältein Frostschutzmittel, damit die Stammzellen, während sie im flüssigenStickstoff gelagert werden, keinen Schaden nehmen. Dieses Frostschutz-mittel (Dimethylsulfoxid, kurz DMSO) kann in seltenen Fällen zu Herz-rhythmusstörungen führen, die, rechtzeitig erkannt, zumeist rasch behobenwerden können. Unmittelbar nach der Rückgabe der Stammzellen werdenSie einen Geruch nach „Maggi“ an Ihrem Körper wahrnehmen. DieserGeruch ist eine typische Eigenschaft des Frostschutzmittels und ist nachwenigen Tagen wieder verflogen. Die Stammzellen nisten sich in dasKnochenmark ein und vermehren sich. Aus den Stammzellen erwachsendann wieder alle Blutzellen.

Aplastische Phase. Etwa eine Woche nach Gabe der Chemotherapie fallendie weißen Blutkörperchen stark ab und erreichen den Nullpunkt. In dieserPhase, der sog. aplastischen Phase, sind Sie infektgefährdet. Daher erhaltenSie Medikamente, die Sie vor bestimmten Krankheitskeimen schützensollen. Damit die Zahl der weißen Blutkörperchen, die sich aus IhremStammzelltransplantat entwickeln, rascher ansteigt, erhalten Sie täglich eineSpritze eines Wachstumsfaktors (Granulozyten-Kolonie StimulierenderFaktor, kurz G-CSF, z.B. Granocyte) in die Bauchdecke, bis die weißen Blut-körperchen die kritische Marke von 1/nl überschritten haben. Auch dieroten Blutkörperchen zeigen nach der Chemotherapie eine Abwärtsneigung,so dass eine Übertragung von Blutkonzentraten erforderlich werden kann.Auch Blutplättchen (Thrombozyten), die während dieser Therapie einenkritischen Wert unterschreiten können, werden Ihnen bei Bedarf verabreicht.

Nebenwirkungen der autologen Stammzelltransplantation

Anämie (Blutarmut) und Thrombopenie (Blutplättchenarmut). Wie obenbeschrieben, werden durch die Chemotherapie auch Zellen der normalenBlutbildung angegriffen, so dass die Zahl der Erythrozyten und Thrombo-zyten im Blut klinisch kritische Grenzen unterschreiten können und eineGabe von Erythrozyten- resp. Thrombozytenkonzentraten erforderlichmachen.

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Fieberhafte Infekte. In der Phase, in welcher die Zahl der weißen Blut-körperchen unter 1/nl liegt, besteht die Gefahr von fieberhaften Infekten.Sobald Fieber auftritt, also Temperaturen von >38°C unterhalb der Zungegemessen werden, wird man Ihnen Blut aus dem ZVK sowie aus einer Arm-beugevene entnehmen, um in einer angelegten Kultur herauszufinden,welcher Krankheitskeim für das Fieber verantwortlich ist. Der Befund dieserBlutkultur benötigt jedoch mehrere Tage, zudem lassen sich auch nichtimmer Keime anzüchten. Daher erhalten Sie bei Fieber umgehend ein breit-wirkendes Antibiotikum, welches intravenös in Ihren Venenzugang verab-reicht wird. Des Weiteren werden Sie vom Arzt untersucht und befragt, obSie neu aufgetretene Probleme haben, wie zum Beispiel Husten, Problemebeim Atmen, Schmerzen im Mund, im Bauch oder Genitalbereich.

Übelkeit und Appetitlosigkeit. Das Chemotherapeutikum Melphalan,welches Sie im Rahmen der Stammzelltransplantation erhalten, führt nichtselten zu Übelkeit und Appetitlosigkeit. Um Ihnen diese Beschwerden zunehmen oder zu lindern, steht uns eine Reihe sehr wirksamer Medikamentezur Verfügung.

Mukositis und Durchfall. Als Mukositis wird eine Entzündung derSchleimhaut (Mukosa) bezeichnet. Schleimhäute sind Gewebe, welche dieinneren Organe bedecken und beispielsweise in Nase, Mund, Magen undDarm zu finden sind. Sie erfüllen unterschiedliche Funktionen. Im Bereichder Mund- und Nasenhöhle sorgen sie für Befeuchtung und Schutz voräußeren Einflüssen wie z.B. vor Keimen. Im Magen- und Darmbereich sindsie zusätzlich z.B. am Transport von Nährstoffen beteiligt. Schleimhautzellenhaben eine hohe Regenerationsrate, d.h. sie teilen und erneuern sich inrelativ kurzen Abständen, wobei ihre Lebensdauer etwa 10 – 14 Tage beträgt.Dieser Umstand ist vorrangig dafür verantwortlich, dass eine Mukositis z.B.als Nebenwirkung von Chemo- und Strahlentherapien auftreten kann.

Wichtig:Bitte teilen Sie uns unverzüglich mit, wenn Sie Probleme haben, z.B. Husten,Luftnot, Durchfall, Schmerzen im Mund, beim Schlucken, Bauchschmerzen,Schmerzen im Genitalbereich, damit wir rasch das Infektionsproblembeheben können.

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Die Symptome einer Mukositis sind:• Rauhheit, Brennen und Schmerzen im Mund• Schmerzen beim Schlucken• Bauchschmerzen• Diarrhoen

Das Maximum der Mukositis tritt um den 5. bis 9. Tag nach Transplantationein. Beim Wiederanstieg der Leukozyten, also zum Zeitpunkt des Anwach-sens des Transplantats, welcher etwa zwischen Tag 9-14 erwartet wird, sinddie Beschwerden rasch rückläufig.

Was können Sie als Patient tun?• Bitte teilen Sie uns mit, ob, wo und in welcher Intensität Sie Schmerzen

beklagen, damit wir Ihnen entsprechende Schmerzmittel vorübergehendgeben können.

• Bitte spülen Sie alle 2 Stunden Ihren Mund mit der von uns bereit-gestellten Mundspüllösung.

• Bitte nehmen Sie mehrmals am Tag Ihre Zahnprothesen heraus. PflegenSie diese sorgfältig und setzen Sie diese wenn möglich nur zu den Mahl-zeiten ein.

NachsorgeuntersuchungenSofern es Ihr körperlicher Zustand erlaubt, werden Sie nach einemAbschlussgespräch, welches Sie mit einem ihrer behandelnden Ärzte derjeweiligen hämatologischen Station führen, entlassen. In aller Regel erhaltenSie dann innerhalb weniger Tage einen Vorstellungstermin in unserer häma-tologischen Tagesklinik, um Sie in Ihrer Erholungsphase weiter zu unter-stützen. Dabei wird ihnen wiederholt Blut entnommen, um einerseits dieRegenerierung des Blutbildes nach Transplantation, andererseits auch denTherapieerfolg der Transplantation zu bestimmen. Des Weiteren können indiesem Kontext bildgebende Untersuchungen (MRT oder CT der Knochen)sowie eine Knochenmarkpunktion erforderlich werden. Im 4-6-wöchigenIntervall erfolgen dann in unserer Tagesklinik oder aber bei Ihrem nieder-gelassenen Hämatologen die Gaben eines knochenstärkenden Bisphospho-nates.

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5.3 Therapieplan für den weniger fitten Myelompatienten

Die heutigen unterstützenden Maßnahmen mit Antibiotika und Wachstums-faktoren haben es ermöglicht, auch älteren Patienten mit multiplem Myelomeine Stammzelltransplantation zu ermöglichen. Ob sich ein Patient für eineautologe Stammzelltransplantation eignet oder nicht, hängt vielmehr vonseiner körperlichen Fitness und der Anwesenheit von relevanten Organschä-den, wie zum Beispiel eine Herz- eine Leber- oder Lungenschwäche ab. Liegen schwerwiegende Organprobleme vor, lehnt der Patient eine Trans-plantation ab oder lassen sich trotz aller Bemühungen keine autologenStammzellen gewinnen, so gibt es dennoch eine Fülle von Therapiemöglich-keiten für den Myelompatienten, die hinsichtlich der Ansprechraten gegen-über einer autologen Stammzelltransplantation durchaus ebenbürtig seinkönnen.

Es ist wichtig anzumerken, dass je nach der körperlichen Verfassung undden vorbestehenden Begleiterkrankungen die Wahl der Medikamente sowiederen Dosierung individuell angepasst werden muss. Die Kontrollunter-suchungen beim Hämatologen sollten häufiger erfolgen, um auf eventuelleNebenwirkungen schneller reagieren zu können.

Grundsätzlich können die unter der Abbildung 9 aufgelisteten Behandlungs-kombinationen gewählt werden. In der Regel wird dabei ein Chemothera-peutikum mit einem neuen Wirkstoff und Kortison kombiniert. Dabei ent-stehen Kombinationen mit hoher Wirksamkeit. Allerdings muss bei älterenMenschen mit Begleiterkrankungen die Giftigkeit (Toxizität) der Therapieund deren Nutzen gut abgewogen werden. Sollte eine Dreifachkombinationzu hohe Komplikationen nach sich ziehen, so sollte eine Zweifachkombi-nation bevorzugt werden.

Sind die Nebenwirkungen für den Patienten akzeptabel und die Lebens-qualität ausreichend gut, so sollte dieses Therapieschema (Zyklus) mehrfach,in regelmäßigen Abständen, wiederholt werden. Bestenfalls so oft, bis einmaximales und optimales Ansprechen erreicht werden kann.

Regelmäßige Kontrollen. Die Behandlung mit einer Chemotherapie erfor-dert regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei Ihrem Hämatologen. Dabeiwerden Blutuntersuchungen und körperliche Untersuchungen durchge-

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führt. Sie erhalten in regelmäßigen Intervallen, zunächst alle vier Wochen,ein Bisphosponat (z.B. Pamidronat und Zoledronat), welches Ihnen intra-venös verabreicht wird. Je nach klinischer Notwendigkeit (z.B. bei neu auf-getretenen Schmerzen im Knochengerüst) sind bildgebende Unter-suchungen (Röntgen, CT, MRT) erforderlich (s. auch nächster Absatz).

5.4 Knochenaufbau fördernde Medikamente – die Bisphosphonate

WirkungsweiseDas Multiple Myelom breitet sich unkontrolliert im Knochengewebe ausund zerstört dieses, indem es die Knochenaufbauenden Zellen (Osteoblas-ten) in ihrer Aktivität hemmt und knochenabbauende Zellen (Osteoklasten)fördert. Das Myelom instrumentalisiert auf diese Weise seine Umgebungs-zellen für seine eigenen Zwecke, nämlich Platz zu schaffen, um weiterwachsen zu können. In der Folge löst sich das Knochengewebe auf, derKnochen wird instabil und brüchig.

Um dem Prozess des Knochenabbaus durch das Myelom entgegenzuwirken,muss zum einen eine effektive Therapie gegen das Myelom eingeleitetwerden. Zum anderen kann durch die regelmäßige Gabe von sog. Bisphos-phonaten der Knochaufbau gefördert werden, indem die Aktivität derknochenabbauenden Zellen gehemmt wird. Des Weiteren weisen Laborver-suche darauf hin, dass Bisposphonate bestimmte Immunzellen des Körpersaktivieren können, welche sich gegen das Myelom richten. Auf diese Weisewird der Knochen mehr stabilisiert. Das Auftreten von Knochenbrüchen(Frakturen), die Notwendigkeit einer Bestrahlung oder einer Operation beischweren Schmerzen wird durch die Gabe von Bisphosponaten deutlichgemindert. Auch bei Vorliegen einer gefährlich hohen Menge von Calciumim Blut (Hyperkalzämie) sind Bisphosphonate in der Lage, die Calcium-konzentration zu senken.

NebenwirkungenBisphosphonate weisen verhältnismäßig wenige Nebenwirkungen auf. So können während der ersten Infusion vorübergehend grippeähnlicheErscheinungen auftreten, die aber rasch wieder verschwinden.Bisweilen können sich Knochenschmerzen nach der ersten Anwendungkurzfristig verstärken, schwächen sich jedoch nach weiteren Gaben ab.

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Selten kann es bei Patienten, die mit Bisphosphonaten behandelt werden, zueiner sogenannten Osteonekrose kommen. Dabei kommt es zum Knochen-abbau im Kiefer. Hieraus können sich Knochenschmerzen, eine Lockerungder Zähne, aber auch ein Abbrechen kleiner Knochenanteile ergeben.

Was Sie tun können, damit Veränderungen des Kieferknochens nichtauftreten• Bitte lassen Sie Ihre Zähne vor Therapiebeginn sanieren.• Achten Sie auf eine sorgfältige Zahn- und Mundhygiene. • Lassen Sie Ihre Zähne zumindest 1x/ Jahr kontrollieren.

Schwerwiegende zahnärztliche Eingriffe (z.B. Extraktionen, Implantate)sollten nach Therapiebeginn vermieden werden. Der Zahnarzt sollte versu-chen, zahnerhaltend vorzugehen. Sollte z.B. eine Zahnentfernung notwendigwerden, sollte die Behandlung mit Bisphosphonaten vorher gestoppt werdenund diese nach kompletter Wundheilung wieder fortgesetzt werden. Darüberhinaus ist eine antibiotische Prophylaxe vor, während und nach der Zahn-operation empfehlenswert (z.B. mit Clindamycin oder Amoxicillin). Hiersollte Ihr Hämatologe mit dem behandelnden Zahnarzt in Kontakt treten.

WirkstoffeDie häufigsten verwendeten Bisphosphonate sind das Pamidronat(30–90 mg) i.v. über 4 Std. alle 4 Wochen, Zoledronat (4 mg) i.v. über 15 min.alle 4 Wochen.

Dauer der TherapieEs wird eine Therapiedauer von 2 Jahren ab Beginn der Einleitung einerChemotherapie empfohlen. Das Bisphosphonat wird dann wieder im monat-lichen Intervall gegeben, wenn die Erkrankung erneut aufgetreten, also aktivist.

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5.5 Behandlungsmöglichkeiten im Rezidiv

Das multiple Myelom ist eine unheilbare Erkrankung, d.h., auch wenn dieErkrankung zu Beginn sehr effektiv behandelt wurde und komplette Remis-sionen, also zunächst ein Verschwinden der Erkrankung erzielt werdenkann, so reicht theoretisch nur eine Zelle aus, welche die vorangegangeneBehandlungsprozedur überlebt hat, um irgendwann ein Wiederauftreten derErkrankung herbeizuführen. Wann das multiple Myelom nach erfolgreicherErstbehandlung wiederkommt, ist unklar und individuell extrem unter-schiedlich. Der Hämatologe kann Ihnen dies leider nicht mit Gewissheitvorhersagen. Daher sind die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beiIhrem Hämatologen so wichtig, um erste Anzeichen eines Wiederauftretensder Erkankung rechtzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, umdie Erkrankung wieder zu kontrollieren.

Das Spektrum von Medikamenten, die im Falle eines Rezidives zum Einsatzkommen, ist groß. Welche Behandlungen für Sie die beste ist, muss Ihr Arztmit Ihnen individuell besprechen. Die geplante Therapie hängt von verschie-denen Faktoren ab: der Art der Vortherapien, Ihrer Fitness, der Verfügbarkeitvon autologen Stammzellen, der Verfügbarkeit eines allogenen Stammzell-spenders, der Zeit, die vergangen ist zwischen dem Ende der voran-gegangenen Therapie und dem Wiederauftreten der Erkrankung.

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5.6 Die allogene Stammzelltransplantation

Die allogene SZT bleibt jenen fitten Myelompatienten vorbehalten, die einfrühes Wiederauftreten (Rezidiv) ihrer Erkrankung nach der autologen SZT(<12 Monate nach Transplantation) erfahren haben. In einigen ZentrenDeutschlands wird dieses Therapieverfahren im Rahmen einer klinischenStudie auch wesentlich früher eingesetzt.

Wirkungsweise. Das Wirkprinzip der allogenen (körperfremden) SZT unter-scheidet sich fundamental von der autologen (körpereigenen). Während beider autologen SZT die Wirkung ausschließlich von der Gabe des an zweiTagen gegebenen Melphalans ausgeht, kommt bei der allogenen SZT nebeneiner anfangs verabreichten Chemotherapie vor allem die Wirkung der imTransplantat enthaltenen Immunzellen zum Tragen (Abb. 13).

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Abb. 13: Die Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion und der Transplantat-gegen-Tumor-Effekt

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Das Immunsystem des Menschen schützt uns vor bedrohlichen Eindring-lingen wie Bakterien, Viren und Pilzen. Es hat jedoch noch eine weiterewichtige Funktion: Das Immunsystem ist in der Lage, körpereigene Tumor-zellen als fremd und gefährlich zu erkennen und diese rechtzeitig abzutöten,bevor sie sich im Körper verbreiten und für den Menschen gefährlichwerden können. Man geht heutzutage davon aus, dass diese immunolo-gische Überwachung im Menschen täglich abläuft. Leider können Tumor-zellen auch dieser Überwachung des Immunsystems entkommen, d.h., dasImmunsystem ist dann nicht mehr befähigt, die Tumorzelle als fremd undgefährlich zu erkennen. Vielmehr toleriert es diesen Tumor. Der Tumor istnicht mehr Feind, sondern ein Freund geworden. Auf diese Weise kann sichder Tumor nun im Körper ausbreiten.

Bei der allogenen Stammzelltransplantation erhalten Sie vom Spender eingesundes Immunsystem, welches in der Lage ist, die Tumorzellen als fremdund gefährlich zu erkennen und diese abzutöten. Diese Immunzellenkönnen in ihrem Körper allerdings auch gesunde, normale Zellen IhresKörpers als fremd und gefährlich erkennen und diese ebenfalls angreifen.Dabei können Zellen der Haut, des Darmes oder der Leber angegriffenwerden. Diese Reaktion, die von den Immunzellen des Spenders ausgeht,nennt man Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (englisch Graft-versus-HostReaction, kurz GvH-Reaktion).

Die GvH-Reaktion ist Fluch und Segen zugleich. Warum? Jene Immunzellen(T-Zellen) des Spenders, die gesunde Zellen des Patienten angreifen (GvH-Reaktion), attackieren auch die Myelomzellen des Patienten und töten dieseab. Diese Reaktion nennt man Transplantat-gegen-Myelom Effekt. Somit istdie GvH-Reaktion für den Patienten ein Segen, da diese Reaktion zurHeilung der bösartigen Erkrankung von wesentlicher Bedeutung ist.

Eine ausgeprägte, schwere GvH-Reaktion jedoch kann zu einer schwerenSchädigung verschiedener Organe (u.a. Haut, Leber, Darm) führen und fürden Patienten gefährlich werden. In den meisten Fällen finden wir einemäßige und gut kontrollierbare GvH-Reaktion.

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VI Was Sie tun können

Bitte den Therapieplan einhaltenSie erhalten von uns einen Therapieplan, mit der Bitte, diesen genau zubefolgen. Wenn Sie Fragen zu der Einnahme von Medikamenten haben,zögern Sie bitte nicht, Ihren Hämatologen anzusprechen!

Trinken Sie ausreichendSo beugen Sie möglichen Schäden, die das Paraprotein des Myeloms an denNieren verursachen kann, vor. Fragen Sie Ihren Arzt, wie viel Flüssigkeit Sietäglich zuführen sollen.

Bewegen Sie sich ausreichendBewegung stärkt Ihre Muskulatur und Ihre Knochen. Dabei kommt es mehrauf die Regelmäßigkeit der Bewegung als auf die Intensität an. Lassen Siesich hierbei von Ihrem behandelnden Hämatologen oder von einem erfah-renen Krankengymnasten beraten.

Bei Allergie oder einer Unverträglichkeit bitte sofort meldenSollten Sie im Rahmen einer Medikamenteneinnahme vermehrtes Haut-jucken und einen Hautausschlag wahrnehmen, sollten Sie dies Ihrem Häma-tologen unverzüglich mitteilen.

Bitte melden Sie sich unverzüglich noch am selbigen Tage bei uns, wennfolgende Probleme auftreten:• Ausgeprägte Übelkeit und Erbrechen, so dass weder Nahrung / Flüssig-

keit noch Tabletten eingenommen werden können• Temperatur ab 38°C, unterhalb der Zunge gemessen• Schüttelfrost• Neu aufgetretene Luftnot und Kurzatmigkeit• Neu aufgetretene Hautrötungen, Blutergüsse, Juckreiz• Blutungen jeglicher Art (z.B. Zahnfleischblutungen, Blutungen aus der

Nase, Blut im Urin oder Stuhl)• Plötzlich auftretende schwere Durchfälle• Neu aufgetretene Schmerzen, insbesondere Knochenschmerzen

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Was Sie tunkönnen

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VII Sozialrechtliche Leistungen

Der Schwerbehindertenausweis

Als Patient mit einem multiplen Myelom sollten Sie die Beantragung einesSchwerbehindertenausweises erwägen. In Abhängigkeit vom Grad derBehinderung (GdB) bietet ein Schwerbehindertenausweis verschiedeneVorteile. Ab einem Grad der Behinderung von ab 50% erhalten Sie u.a.steuerliche Vergünstigungen, einen höheren Kündigungsschutz, eine WocheZusatzurlaub pro Kalenderjahr sowie Vergünstigungen im öffentlichenPersonenverkehr.

Beantragung. Die Antragsformulare erhalten Sie bei Ihrem jeweiligen Ver-sorgungsamt (siehe im Internet www.versorgungsaemter.de). Neben persön-lichen Angaben müssen Sie im Antragsformular die Sie behandelnden Ärztesowie Krankenhäuser angeben. Alle weiteren, Ihre Erkrankung betreffendenBefunde, wird Ihr behandelnder Hämatologe, sofern Sie diesen als Ihrenprimären behandelnden Arzt angeben, dem Versorgungsamt, nach einerschriftlichen Anforderung, senden. In aller Regel wird der Ausweis zunächstfür fünf Jahre ausgestellt.

Krankengeld

Als Berufstätiger wird Ihnen der Arbeitgeber, ab Beginn des Arbeitsausfalls,für 6 Wochen das Gehalt weiterzahlen. Anschließend erhalten Sie von Ihrergesetzlichen Krankenversicherung für maximal 78 Wochen in drei JahrenKrankengeld. Die Höhe des Geldes beläuft sich auf 70% Ihres Bruttogehal-tes. Bitte beachten Sie, dass die Zeit der Lohnfortzahlung des Arbeitgeberssowie die Zeit eines stationären Reha-Aufenthaltes von den 78 Wochenabgezogen werden! Bei den Privatversicherten wird diese Leistung Kranken-tagegeld genannt.

In einem weiteren Drei-Jahres-Zeitraum haben Sie wegen derselben Krank-heit nur dann wieder Anspruch auf erneutes Krankengeld, wenn Sie in derZwischenzeit zumindest sechs Monate wieder erwerbstätig waren oder aberbeim Arbeitsamt zur Vermittlung gemeldet waren.

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Rente auf Zeit, Erwerbsminderungsrenten

Nach Beendigung der Krankengeldzahlung (nach 78 Wochen) erfolgt dieAussteuerung, d.h., sollten Sie die Arbeitsfähigkeit bis zu diesem Zeitpunktnicht erreicht haben, sollten Sie rechtzeitig (!) einen Antrag auf eine zeitlichbefristete Rente resp. eine Erwerbsminderungsrente stellen. Sie erhalten einevolle Erwerbminderungsrente, wenn Sie, unabhängig vom erlernten Beruf,weniger als drei Stunden arbeiten können. Eine Teilrente kann gewährt wer-den, wenn Sie noch 3 – 6 Stunden täglich arbeiten können.

Es ist wichtig anzumerken, dass Erwerbsminderungsrenten zumeist auf dreiJahre befristet sind. Danach wird von der Rentenversicherung geprüft, obder Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente weiterhin besteht.

Wiedereingliederung am Arbeitsplatz – das Hamburger Modell

Wenn Sie sich in der Lage fühlen, Ihre berufliche Tätigkeit wieder aufzu-nehmen, empfehlen wir generell dies stufenweise im Rahmen des sog.Hamburger Modells zu tun. Dabei werden Sie, zusammen mit Ihrem Häma-tologen, einen abgestuften Arbeitszeitplan erstellen, damit Sie behutsameran Ihre gewohnte Arbeitsstätte zurückkehren können. Diese Phase dauertetwa 6 Wochen bis 6 Monate an.

Bitte bedenken Sie, dass Sie als Patient mit multiplem Myelom generell keineschweren Lasten tragen sollten, da unter Umständen auch viele Monate nachabgeschlossener Behandlung unter schwerer Belastung Knochenbrüche auf-treten können. Sollten Sie also vor Ihrer Erkrankung einer schweren körper-lichen Arbeit nachgegangen sein (z.B. als Bauarbeiter oder Packer), solltenSie mit Ihrem Arbeitgeber das Gespräch suchen, um über Umschulungs-maßnahmen oder andere Tätigkeitsfelder im Unternehmen zu reden.

Tipp: Von der Deutschen Krebshilfe erhalten Sie aus der Reihe „Der blaueRatgeber“ in der Broschüre „Wegweiser zu Sozialleistungen“ viele hilfreicheInformationen zu diesem Thema.

Siehehttp://www.krebshilfe.de/wir-informieren/material-fuer-betroffene/blaue-ratgeber.html

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VIII Anhang

8.1 Glossar

Allogene Stammzelltransplantation: Bei einer allogenen Stammzelltrans-plantation erhält der Patient Stammzellen sowie ein neues Immunsystemvon einem anderen (gesunden) Menschen, dem Stammzellspender.

Antibiotika: Sind Medikamente, die gegen Bakterien wirken. Vor und nachder Transplantation werden eine Reihe verschiedener Antibiotika eingesetzt,z.B. in Form von Tabletten, Kapseln, Säften oder als Infusionen. Sie dienenzur Vorbeugung und Behandlung von bakteriell verursachten Entzündun-gen (Infektionen).

Aplasie: Absinken der Blutwerte, in diesem Zusammenhang spricht manauch von der Leukopenie (Absinken der weißen Blutkörperchen) oderThrombopenie (Absinken der Blutplättchen)

Autologe Stammzelltransplantation: Der Patient erhält eigene Stammzellen,die ihm vor der Hochdosistherapie abgenommen, tiefgefroren und nach derHochdosistherapie über den Venenkatheter zurückgegeben werden.

Blutstammzelltransplantation: Das gleiche Prinzip wie die Knochen-marktransplantation, nur dass die Knochenmarkzellen nicht direkt aus denMarkräumen entnommen werden, sondern erst mit einem Medikament (G-CSF) ins Blut ausgeschwemmt und dort dann gesammelt werden. Auch dieBlutstammzelltransplantation kann mit dem eigenen Blut (autologe Trans-plantation) oder mit dem Blut eines anderen Spenders (allogene Transplan-tation) durchgeführt werden. Die Blutstammzelltransplantation hat gegen-über der Knochenmarktransplantation den Vorteil, dass die Stammzellenleichter zu gewinnen sind und schneller anwachsen.

Chemotherapie: Ist die Behandlung mit Stoffen, die das Zellwachstum hem-men. Ziel dieser Behandlung ist, bösartige Zellen (Tumorzellen) abzutöten.

Erythrozyten: (kurz Erys) Sind die roten Blutkörperchen, die den Sauerstoffim Blut transportieren. Erythrozytenkozentrate: (kurz EK) Sind Blutkonser-ven, die ausschließlich rote Blutkörperchen enthalten. Sie werden bei einem

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AnhangGlossar

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Mangel an roten Blutkörperchen, gemessen durch den Hämoglobinwert,gegeben.

GVHD: Ist die Abkürzung des englischen Begriffs “graft-versus-host-disea-se”, auf deutsch „Transplantat-gegen-Wirt- Reaktion” oder umgangssprach-lich Abstoßungsreaktion. Gemeint ist eine Art Unverträglichkeitsreaktion,die das neue Immunsystem im Patienten bewirkt. Sie tritt nur bei einem Teilder allogen transplantierten Patienten auf und kann kurz nach der Trans-plantation (=akut) oder aber Monate später (=chronisch) beginnen und kannleicht oder schwer verlaufen. Zeichen der akuten GVHD sind vor allemHautausschläge, Durchfälle und Gelbsucht, Zeichen der chronischen GVHDsind Augenbrennen, Mundtrockenheit, und manchmal Husten und Luft-knappheit. Zur Behandlung steht eine Reihe wirksamer Medikamente zurVerfügung.

Hämoglobin: (kurz Hb): So bezeichnet man den roten Blutfarbstoff. Erbefindet sich in den roten Blutkörperchen und bindet den Sauerstoff im Blut.Die Menge an Hämoglobin im Blut gibt Aufschluss über die Sauerstofftrans-portkapazität des Blutes und somit über die Frage, ob eine Bluttransfusionerforderlich ist.

Intravenös (kurz i.v.): bezeichnet die intravenöse Gabe von Medikamenten.

Konditionierung: Die Konditionierung verläuft über 3-6 Tage und bestehtentweder aus einer Ganzkörperbestrahlung und Chemotherapie oder auseiner alleinigen Chemotherapie. Das Ziel der Kondtionierung ist zum einen,alle bösartigen Zellen im Körper zu vernichten. Zum anderen dient dieKonditionierung dazu, das Immunsystem des Empfängers auszuschaltenund somit das Anwachsen des allogenen Transplantats zu ermöglichen. Beimanchen Formen er allogenen Transplantation steht dieser Effekt ganz imVordergrund („dosisreduzierte Konditionierung”).

Leukapherese: Blutwäsche zur Sammlung von Blutstammzellen. Hierzuwird Blut vom Spender in eine Art Zentrifuge geleitet, wo ein Teil derweißen Blutkörperchen abgetrennt wird, während alle anderen Blutbestand-teile (Plasma, rote Blutkörperchen, Blutplättchen) direkt wieder zumSpender zurückgeleitet werden. Insgesamt werden bis zu 20 Liter Blut inner-halb von 6 Stunden pro Sitzung „gewaschen”.

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Leukozyten: (kurz Leukos): Sind weiße Blutkörperchen. Ihre Aufgabebesteht hauptsächlich in der Abwehr von Krankheitserregern und sie stellensomit eine Art „Körperpolizei“ dar.

PBSCT oder PBPCT: englisch, Abkürzung für Blutstammzelltransplantation.

Subkutan (s.c.): in die Bauchdecke gespritzt.

Thrombozyten (kurz Thrombos): So bezeichnet man die Blutplättchen. Siespielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung und -stillung.

Thrombozytenkonzentrate (kurz TK): Sind Thrombozytenpräparationenaus Thrombozytenspenden. Die Thrombozyten werden entweder direktdurch eine Blutwäsche gewonnen oder von frischen Vollblutspenden abge-trennt. Während Ihres Aufenthaltes bei uns werden Sie mehrere TKserhalten.

Transplantat: So bezeichnet man die Stammzellmenge, die wir dem Patien-ten bzw. dem Spender entnehmen. Es wird entweder (bei autologen Trans-plantationen immer) in unserem Labor aufbereitet und bis zur Verwendungeingefroren oder dem Empfänger am Tag der Entnahme umgehend(„frisch“) über den Katheter infundiert, ähnlich einer Bluttransfusion.

8.2 Häufig verordnete Medikamente

8.2.1 Medikamente gegen das multiple Myelom

Bendamustin: Bendamustin ist ein Chemotherapeutikum, welches im Jahre1963 in Jena erstmalig hergestellt wurde und von Hämatologen der ehemali-gen DDR erfolgreich in der Behandlung des multiplen Myeloms eingesetztwurde. Gegenwärtig ist das Medikament beim Wiederauftreten (Rezidiv)des multiplen Myeloms in der Zweitlinientherapie zugelassen. Es wirdintravenös an zwei aufeinander folgenden Tagen verabreicht und wirdhäufig mit Kortison (Prednison) kombiniert. Nebenwirkungen: Bendamus-tin wird insgesamt gut vertragen. Hauptnebenwirkung ist eine zumeist gutbeherrschbare Übelkeit, eine Minderung der Blutzellen sowie eine erhöhtesInfektrisiko. Haarausfall tritt nicht auf.

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Bortezomib (Velcade®): Ist ein sog. Proteasomen-Inhibitor, der sehr wirk-sam gegen das multiple Myelom eingesetzt wird. Bortezomib wird häufigmit anderen Medikamenten, wie Dexamethason und Cyclophosphamidkombiniert. Bortezomib wird s.c. verabreicht. Nebenwirkungen: Diehäufigsten Nebenwirkungen beinhalten Nervenschäden im Sinne einer peri-pheren Polyneuropathie (z.B. Brennen/Kribbeln der Finger und Fußsohlen)sowie Müdigkeit, Blutbildveränderungen und Immunschwäche (s.a. Kapitel4.7).

Carfilzomib (Kyprolis®): Ist ein Nachfolgepräparat von Bortezomib. Esentfaltet auch dann noch eine Wirkung, wenn a Übelkeit und Thrombozyto-penie). Carfilzomib wird intravenös, häufig in Kombination mit Dexametha-son, verabreicht und ist zurzeit nur in den USA zugelassen (s.a. Kapitel 4.7).

Cyclophosphamid, Niedrige Dosierung. Cyclophosphamid ist ein Chemo-therapeutikum, welches niedrig-dosiert, häufig in Kombination mit anderenWirkstoffen, z.B. Bortezomib (Velcade®) und Dexamethason (VCD-Schema)oder mit Lenalidomid (Revlimid®) und Dexamethason (RCD-Schema)verabreicht wird. Nebenwirkungen: Die Nebenwirkungen sind in derniedrigen Dosierung recht mild: Es können Übelkeit und Appetitlosigkeitund eine erhöhte Infektanfälligkeit auftreten. Diese Nebenwirkungen sindjedoch in aller Regel gut beherrschbar.Höhere Dosierung. In höherer wird Cyclophosphamid im Rahmen derMobilisierung körpereigener (autologer) Stammzellen eingesetzt. Dabei wirdCyclophosphamid an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in zwei Stundeninfundiert. Nebenwirkungen: Cyclophosphamid kann zu Übelkeit undErbrechen führen. Sie werden deshalb mehrere Medikamente dagegen inregelmäßigen Abständen und auch zusätzlich bei Bedarf erhalten. ZurVermeidung der akuten Schädigung der Harnblase erhalten Sie kontinuier-lich intravenös ein Medikament namens Uromitexan (MESNA®). Der Haar-verlust ist eine weitere Nebenwirkung von hochdosiertem Cyclophospha-mid.

Doxorubicin: Ein Anthrayzyklin, ein Chemotherapeutikum von roter Farbe,welches streng intravenös gegeben werden muss. Er ist ein häufiger Kombi-nationspartner mit anderen Medikamenten, wie Dexamethason, Lenalido-mid oder Bortezomib. Nebenwirkungen: Doxorubicin kann zu schwerstenGewebsschäden führen, wenn es nicht streng intravenös gegeben wird,

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sondern in das umgebende Gewebe gelangt. Es kann überdies Blutzell-minderungen, eine erhöhte Infektneigung sowie Herzschäden verursachen.

Lenalidomid (Revlimid®): Ein Immunmodulator, der zum einen dasImmunsystem zur Bekämpfung des Myeloms stimuliert, zum anderen dieGefäßversorgung des Tumors hemmt und diesen aushungern lässt. Lenali-domid ist strukturell ein Abkömmling des Thalidomids und wird als Kapselverabreicht. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Blutbild-veränderungen, eine erhöhte Rate von Thrombosen, wenn es mit Kortisonund Chemotherapeutika kombiniert wird (s.a. Kapitel 4.6).

Kortison (Dexamethason, Prednison): Kortison ist ein wichtiger Kombina-tionspartner in der Behandlung des multiplen Myeloms. Siehe ausführlicheBeschreibung im Kapitel 4.5.

Melphalan: Melphalan ist ein Chemotherapeutikum, welches seit mehrerenJahrzehnten erfolgreich in der Behandlung des multiplen Myeloms einge-setzt wird.In niedriger Dosierung wird Melphalan in der Regel mit anderen Medika-menten, z.B. mit Bortezomib und Kortison (Prednison) verabreicht. Nebenwirkungen: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Verminderung von Blutzellen(Anämie, Leukopenie, Thrombopenie), erhöhte Infektneigung.In hoher Dosis wird Melphalan im Rahmen der autologen Stammzelltrans-plantation verwendet. Es zeigt eine starke Wirkung gegen das multipleMyelom, zerstört jedoch auch den überwiegenden Anteil der normalenKnochenmarkzellen, so dass eine Stammzellrückgabe, aus der sich dann dienormale Blutbildung entwickelt, obligat erfolgen muss. Nebenwirkungenkönnen Übelkeit, Unwohlsein und Erbrechen sein. Sie werden deshalbmehrere Medikamente dagegen in regelmäßigen Abständen und auchzusätzlich bei Bedarf erhalten. Eine weitere Nebenwirkung stellt auch diemögliche Schädigung der Mund-, Magen- und Darmschleimhaut dar (s.a.Kapitel 5.2).

Pomalidomid: Ein Nachfolgepräparat des Lenalidomid, welches ebenfallsals Kapsel eingenommen wird. Pomalidomid ist seit September 2013 inDeutschland für Myelompatienten zugelassen, die nicht mehr auf Lenalido-mid oder Bortezomib ansprechen. Die Nebenwirkungen entsprechen etwajenen des Lenalidomids (s.a. Kapitel 4.6).

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Thalidomid: Gehört wie das Lenalidomid und das Pomalidomid zurGruppe der „Imide“. Dabei bildete Thalidomid die Ausgangssubstanz fürdie Entwicklung von Lenalidomid. Thalidomid, welches vor allem eine starkhemmende Wirkung auf die Gefäßversorgung des Myeloms hat, wird inKombination z.B. mit Dexamethason (Kortison) oder als Einzelsubstanz inder Erhaltungstherapie verabreicht. Da Thalidomid häufig relevanteNervenveränderungen im Sinne von peripheren Polyneuropathien (z.B.Kribbeln und Brennen der Füße und Unterschenkel) und eine schlaf-fördernde Wirkung aufweist, wird dieser Wirkstoff seltener eingesetzt undstattdessen Lenalidomid verschrieben (s.a. Kapitel 4.6).

8.2.2 Medikamente gegen Infektionen

Medikamente gegen Herpesviren

Aciclovir (Handelsnamen: Acic®, Zovirax®, Aciclostad® u.a.): Aciclovirschützt Sie vor Infektionen durch bestimmte Viren der Herpes-Familie. Diesbetrifft vor allem die Herpes simplex-Infektion (z.B. Lippenherpes, Mund-schleimhautinfektionen) und die Varizella zoster-Infektion („Gürtelrose“). Nebenwirkungen: Aciclovir wird in aller Regel sehr gut vertragen. In sehrseltenen Fällen treten Kopfschmerzen, Übelkeit und Juckreiz auf.

Medikamente gegen Pilzerkrankungen

Amphotericin B (z.B. Ampho-Moronal® Suspension / Lutschtabletten): Eshandelt sich hierbei um ein Medikament, welches sie vor einer Pilz-besiedelung im Magen-Darm-Trakt schützt. Amphotericin B wid allerdingsnicht vom Darm aufgenommen. Daher hat es keine systemische, sondernnur eine lokale Wirkung. Einnahme nach den großen Mahlzeiten, 3-4 mal täglich. Zahnprothesenzuvor herausnehmen, die Flasche vor Gebrauch kräftig schütteln. TropfenSie dann Ampho-Moronal Suspension mit der beigefügten Pipette in denMund. Verteilen Sie die Flüssigkeit im Mund mindestens eine Minute lang,so dass eine gute Benetzung der gesamten Mundhöhle erreicht wird. Alter-nativ können Lutschtabletten, die man in die Wangentasche legt, verwenden.

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Die Tolerabilität von Ampho-Moronal ist allerdings gering. Nebenwirkungen: Übelkeit, die vor allem nach mehrtägiger Einnahme auf-treten kann,

G-CSF (z.B. Neupogen®, Granocyte®, Filgrastim®): Wirkung: Beschleuni-gung der Vermehrung der weißen Blutkörperchen nach Chemotherapie oderStammzelltransplantation. G-CSF wird außerdem zur Mobilisierung vonBlutstammzellen verabreicht. G- CSF wird unter die Haut injiziert. Nebenwirkungen: Bei jüngeren Patienten können Knochenschmerzen auf-treten, die nach Stopp der Injektion rasch rückläufig sind; ansonsten sindNebenwirkungen in der Regel nicht zu erwarten.

Fluconazol (z.B. Diflucan®): Ein Medikament zur Prophylaxe oder Behand-lung bestimmter Pilzinfektionen (Infektion mit Candidapilzen, nichtwirksam gegen Candida glabrata). Als gute Alternative zur Gabe vonAmpho-Moronal zu sehen. Fluconazol ist nicht ausreichend zur Behand-lung/Prophylaxe sog. Aspergilluspilzen (s. Posaconazol/Voriconazol).Fluconazol wird in der Regel gut vertragen. Selten können Appetitlosigkeitund Übelkeit auftreten.

Posaconazol (z.B. Noxafil®): Es handelt sch um einen Wirkstoff, der zurBehandlung/Prophylaxe gefährlicher Pilzinfektionen eingesetzt wird. DiesePilzinfektionen können bei stark immunsupprimierten Patienten lebens-bedrohliche Infektionen hervorrufen. Die wichtigsten Erreger sind verschie-dene Aspergillusarten, Candida glabrata, Zygomyceten u.a.. Posaconazolwird als Flüssigkeit eingenommen. Nebenwirkungen: Posaconazol wird i.d.R. gut vertragen. Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit (6%) und Kopf-schmerzen (8%). Darüber hinaus traten bei der Behandlung schwerkrankerPatienten auch Hautausschläge und Erbrechen sowie erhöhte Leberwerteauf.

Voriconazol (VFend®): Dieses Arzneimittel wird zur Behandlung einer Viel-zahl von Pilzinfektionen angewendet. Vfend wirkt durch Abtötung bzw.Hemmung des Wachstums der Pilze, die Infektionen verursachen. Es wirdzur Behandlung folgender Pilzinfektionen eingesetzt: schwere Pilz-infektionen, die durch Aspergillus, Scedosporium und Fusarium hervor-gerufen werden, schwere Candida-Infektionen, die auf Fluconazol nichtansprechen.

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Nebenwirkungen: Sehstörungen, Albträume, Halluzinationen, Schwitzen,Fieber, Hautausschlag, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen,Schwellung der Gliedmaßen und Magenschmerzen.

Medikamente gegen Bakterien und andere Erreger

Ciprofloxacin (Handelsnamen z.B. Cipro Hexal®, Ciprobay®):Ciprofloxacin ist ein breit wirksames Antibiotikum, welches während undnach der Transplantation zum Schutz vor bakteriellen Infektionen eingesetztwird. Da unter einer Ciprofloxacin-Therapie auch Resistenzen gegenüberbestimmten Bakterien auftreten können oder aber Darmkeime (z.B. Clostri-dium difficile) vermehrt wachsen und schwere Durchfälle hervorrufenkönnen, wird die Gabe Ciprofloxacin nach Transplantation zeitlich begrenzt.Nebenwirkungen: Ciprofloxacin wird im Allgemeinen gut vertragen. Eskönnen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel auftreten.

Cotrimoxazol (Handelsnamen: z.B. Cotrim forte®, Krepinol®): DiesesAntibiotikum wird zur Prophylaxe einer gefährlichen Lungenentzündung(Pneumocysctis jirovecii Pneumonie, PCP) eingesetzt, die von einem Pilznamens Pneumocystis jirovecii verursacht wird. Während dieser Pilz, dersich in der Lunge des Menschen aufhält, dem gesunden Menschen keineProbleme bereitet, kann er bei immunsupprimierten Patienten lebensbedroh-liche Lungenentzündungen hervorrufen. Daher muß jeder Patient, der eineStammzelltransplantation erhält, zum Schutz vor dieser LungenentzündungCotrimoxazol einnehmen. In aller Egel erhalten die Patienten 1 x 1 Tbl.Cotrim forte® montags, mittwochs und freitags. Der Vorteil dieses Medika-mentes besteht darin, dass er darüber hinaus auch gegen den Toxoplasmose-erreger wirksam ist. Nebenwirkungen: Haureaktionen (3-4%), Übelkeit,Erbrechen, Entzündung der Mundschleimhaut oder der Zunge.

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8.3 Wichtige Adressen und Links

Arbeitsgemeinschaft multiples Myelomwww.myelom.org/

Arbeitskreis Gesundheit e.v.http://www.arbeitskreis-gesundheit.de/bietet einen Überblick über alle Rehakliniken Deutschlands

Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfehttp://www.leukaemie-hilfe.de/broschueren.htmlThomas-Mann-Straße 4053111 BonnTel.: 0228 33 88 9-200

Deutsche Krebshilfehttp://www.krebshilfe.deBuschstr. 3253113 BonnTelefon: 02 28/7 29 90–0Telefax: 02 28/7 29 90–11

Deutsche Rentenversicherunghttp://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/enthält alle notwendigen Formulare u.a. für die Beantragung einer Rehabili-tationsmaßnahme

Kompetenznetz für Leukämienhttp://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/e20/

Kompetenznetz für Lymphomehttp://www.lymphome.de/

Leukämie Phoenixhttp://www.leukaemie-phoenix.de/home.html?&L=0Erfahrungsberichte von BetroffenenVerschafft einen guten Überblick über die möglichen Langzeitfolgen derallogenen Stammzelltransplantation

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