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Falk Gastro-Kolleg Pädiatrische Gastro- enterologie Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 20 Falk Gastro-Kolleg Pädiatrische Gastro- enterologie Durchfall bei Kindern Zusammenfassung Diarrhö ist ein bei Kindern häufig auftretendes Symptom, das durch eine Zunahme der täglichen Stuhlmenge und eine gesteigerte Wasserausscheidung mit dem Stuhl gekennzeichnet ist. Man kann nach der Pathophysiologie die osmotische von der sekretorischen Diarrhö unterscheiden. Häufige Ursachen für akute Durchfallerkran- kungen sind Infektionen mit Viren, Bakterien oder Parasiten. Hier stehen vor allem die richtige Einschätzung des Grads der Dehydratation und eine rasche Rehydratation im Vordergrund. Eine kausale Therapie steht nur für einen Teil der Erreger zur Verfügung und ist auch nur in einigen besonderen Situationen indiziert. Die Differenzialdiagnose der chronischen Diarrhö beim Kind ist außerordentlich breit und reicht von rein funktio- nellen Beschwerden bis zu schwerwiegenden angeborenen Erkrankungen. Chronische Durchfälle im Neugeborenenalter sind in der Regel Manifestationen kongenitaler Erkrankungen. Im Säuglingsalter stellen Nahrungsunverträglichkeiten die häufigste Ursache chronischer Durchfälle dar. Im Kleinkindalter steht die Kohlenhydratmalabsorp- tion im Vordergrund. Eine Sonderstellung nimmt die Zöliakie ein, die eine lebenslange Diät erforderlich macht. Die Manifestation chronisch entzündlicher Darmerkrankungen beginnt oft im Schulalter. Schlüsselwörter Diarrhö | Dehydratation | Rehydratation | osmotische Diarrhö | sekretorische Diarrhö | bakterielle Gastroenteritis | virale Gastroenteritis | Parasitosen | chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) | Zöliakie | kongenitale Diarrhö | zystische Fibrose | Endoskopie | Disaccharidasemangel | Nahrungsmittelallergie Titelbild: Endoskopischer Befund bei Zöliakie Dr. D. Scholz Dr. G. Kliemann Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Leiter: Prof. Dr. K.-P. Zimmer Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Feulgenstr. 12 35385 Gießen

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Falk Gastro-Kolleg

Pädiatrische Gastro- enterologie

Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

20

Falk Gastro-Kolleg

Pädiatrische Gastro- enterologie

Durchfall bei KindernZusammenfassung

Diarrhö ist ein bei Kindern häufig auftretendes Symptom, das durch eine Zunahme der täglichen Stuhlmenge und eine gesteigerte Wasserausscheidung mit dem Stuhl gekennzeichnet ist. Man kann nach der Pathophysiologie die osmotische von der sekretorischen Diarrhö unterscheiden. Häufige Ursachen für akute Durchfallerkran-kungen sind Infektionen mit Viren, Bakterien oder Parasiten. Hier stehen vor allem die richtige Einschätzung des Grads der Dehydratation und eine rasche Rehydratation im Vordergrund. Eine kausale Therapie steht nur für einen Teil der Erreger zur Verfügung und ist auch nur in einigen besonderen Situationen indiziert. Die Differenzialdiagnose der chronischen Diarrhö beim Kind ist außerordentlich breit und reicht von rein funktio-nellen Beschwerden bis zu schwerwiegenden angeborenen Erkrankungen. Chronische Durchfälle im Neugeborenenalter sind in der Regel Manifestationen kongenitaler Erkrankungen. Im Säuglingsalter stellen Nahrungsunverträglichkeiten die häufigste Ursache chronischer Durchfälle dar. Im Kleinkindalter steht die Kohlenhydratmalabsorp-tion im Vordergrund. Eine Sonderstellung nimmt die Zöliakie ein, die eine lebenslange Diät erforderlich macht. Die Manifestation chronisch entzündlicher Darm erkrankungen beginnt oft im Schulalter.

Schlüsselwörter

Diarrhö | Dehydratation | Rehydratation | osmotische Diarrhö | sekretorische Diarrhö | bakterielle Gastroenteritis | virale Gastroenteritis | Parasitosen | chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) | Zöliakie | kongenitale Diarrhö | zystische Fibrose | Endoskopie | Disaccharidasemangel | Nahrungsmittelallergie

Titelbild: Endoskopischer Befund bei Zöliakie

Dr. D. ScholzDr. G. KliemannAllgemeine Pädiatrie und NeonatologieZentrum für Kinderheilkunde und JugendmedizinLeiter: Prof. Dr. K.-P. ZimmerUniversitätsklinikum Gießen und Marburg GmbHFeulgenstr. 1235385 Gießen

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Durchfall bei Kindern

Akute Diarrhö

Definition

Die Stuhlfrequenz variiert bei Kindern wesentlich stärker als bei Erwachsenen. So sind beim gestillten Neugeborenen sowohl 10 Stühle/Tag bis zu 1 Stuhl in 10 Tagen noch im physiologischen Rahmen. Bei Kleinkindern sind 3–4 Stühle oder 1 Stuhl alle 2–3 Tage normal, während sich ältere Kinder dann der Stuhlfrequenz von Erwachse-nen annähern.Eine Diarrhö ist durch eine erhöhte tägliche Stuhlmenge, die vor allem durch eine gesteigerte Ausscheidung von Wasser zustande kommt, gekennzeichnet. Der Patient bemerkt eine verminderte Stuhlkonsistenz, ein erhöhtes Stuhlvolumen und eine er-höhte Stuhlfrequenz. In der Regel spricht man bei Durchfallerkrankungen, die bis zu 2 Wochen dauern, von einer akuten, danach von einer chronischen Diarrhö.

Epidemiologie

Durchfallerkrankungen zählen zu den meist verbreiteten Erkrankungen im Kindes-alter. In der Vergangenheit zählten sie in Europa zu den Hauptursachen der Kinder-sterblichkeit. Auch heute noch ist die Exsikkose bei akuter Gastroenteritis eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern in Entwicklungsländern. In den westlichen Industrienationen sind Gastroenteritiden eine der häufigsten Ursachen für eine sta-tionäre Krankenhausbehandlung.

Pathophysiologie

Die Schleimhaut des Dünndarms hat zugleich sekretorische und resorptive Funk-tionen. Diese werden durch viele unterschiedliche Faktoren reguliert. Im Rahmen akuter Durchfallerkrankungen kommt es durch verschiedene Pathomechanismen zu Verlusten von Wasser und Elektrolyten:• Schädigung des intestinalen Epithels durch Infektionserreger (Noro-, Adeno-

oder Rotavirus-Enteritis; EPEC; Salmonellen; Shigellen; Yersinien; Campylobacter; Giardien),

• Stimulation sekretorischer Zellen (Rotavirus-Enteritis; verschiedene bakterielle Enterotoxine [Choleratoxin]),

• Abnahme der Anzahl resorptiver und Zunahme der Anzahl sekretorischer Zellen (Rotavirus-Enteritis; nahrungsmittelinduzierte Enteropathie),

• Schädigung des Kolonepithels (EIEC; EHEC; Salmonellen; Campylobacter; Shigellen; Clostridium difficile; Entamoeba histolytica),

• Beeinflussung des enterischen Nervensystems (Stimulation der Kryptenzellsekre-tion durch vasoaktives intestinales Polypeptid [VIP]).

Allgemein muss die osmotische Diarrhö von der sekretorischen Diarrhö unterschie-den werden. Bei der osmotischen Diarrhö kommt es durch die Konzentrations-zunahme nicht-resorbierbarer Stoffe im Darmlumen zu einem Anstieg der Osmola-rität des Stuhls und hierdurch zu einer Verschiebung des Gleichgewichts von der Rückresorption hin zur Sekretion. Charakteristisch für eine osmotische Diarrhö ist die Abnahme des Stuhlvolumens nach oraler Nahrungskarenz von 24–48 Stunden. Ein Beispiel hierfür ist die Diarrhö bei Laktoseintoleranz.Bei der sekretorischen Diarrhö kommt es durch eine Zunahme der Sekretion in das Darmlumen zum Wasser- und Elektrolytverlust. Sie persistiert auch bei Nahrungs-karenz länger als 24 Stunden. Typisches Beispiel hierfür ist die Diarrhö bei Cholera. Mischformen der beiden genannten Arten der Diarrhö kommen vor. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Rotavirus-Enteritis.

P Osmotische und sekretorische Diarrhö haben unterschiedliche Ursachen. Die osmotische Diarrhö sistiert nach Nahrungskarenz.

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Symptome und klinische Untersuchung

Typisch für die akute Diarrhö ist ein abrupter Beginn der Beschwerden. Art, Umfang und begleitende Symptome können Hinweise auf die Ursache der Diarrhö liefern:• Fieber, blutige Stühle und krampfartige Bauchschmerzen treten häufig bei

bakteriellen Enteritiden auf.• Wässrige Stühle und heftiges Erbrechen sowie weniger starke Bauchschmerzen

sind häufig bei Virusinfektionen zu beobachten. Hier kann auch die Geschwindig-keit der Ausbreitung in der Familie oder in Gemeinschaftseinrichtungen weitere Hinweise geben.

• Durchfälle und kolikartige Bauchschmerzen vor oder nach als belastend empfun-denen Ereignissen legen eine psychosomatische Genese nahe.

• Diarrhöen, die in direktem zeitlichen Zusammenhang zur Nahrungsaufnahme stehen, treten bei Nahrungsmittelallergien und z. B. Laktoseintoleranz auf.

Bei der klinischen Untersuchung eines Kindes mit akuter Diarrhö steht neben der Ein-grenzung der Ursache vor allem die Abschätzung des Flüssigkeitsverlustes im Vorder-grund.

Hinweise für das Vorliegen einer schweren Dehydratation sind:• mehr als 10 dünnflüssige Stühle innerhalb von 24 Stunden,• anhaltendes Erbrechen,• verminderte oder fehlende Urinproduktion,• Bewusstseinsstörung, Apathie,• eingesunkene Bulbi, verminderter Hautturgor, „stehende Hautfalten“,

bei Säuglingen eingesunkene Fontanelle,• fehlende Tränenproduktion, trockene Schleimhäute,• Tachykardie, arterielle Hypotension,• metabolische Azidose.

Diagnostik

Wie bereits beschrieben, ist häufig bereits aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung eine Einschätzung des Auslösers der Diarrhö möglich. Bei unkompli-zierten akuten Gastroenteritiden ist in der Regel keine Erregerdiagnostik erforderlich, es sei denn, die Erkrankung verläuft ungewöhnlich schwer oder lang. Eine Indikation zur Erregerdiagnostik können jedoch epidemiologische Fragen, z. B. bei Betreuung in Gemeinschaftseinrichtungen oder bei nosokomialen Infektionen sein. Je nach Schwe-re des Krankheitsbildes sollte eine Labordiagnostik mit Differenzialblutbild, C-reak-tivem Protein (CRP), Elektrolyten, Blutgasanalyse (BGA) und gegebenenfalls Urinstatus erfolgen.

Differenzialdiagnostik

Die akute Diarrhö muss vor allem bei ungewöhnlichem, schwerem oder langem Krankheitsverlauf natürlich von anderen gastroenterologischen Krankheitsbildern ab-gegrenzt werden, z. B. sonografisch von einer Appendizitis. Bei Tropenheimkehrern müssen vor allem auch Infektionen mit Parasiten bedacht werden. Selbstverständlich kann es sich bei einer akut aufgetretenen Diarrhö auch um den ersten Schub einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) handeln. Hier ist nach Ausschluss infektiöser Ursachen eine endoskopische Diagnostik mit Ösophagogastroduodeno-skopie (ÖGD) und Ileokoloskopie indiziert.

Therapie der akuten Gastroenteritis

Unabhängig vom Grad der Dehydratation soll eine möglichst rasche Rehydratation erfolgen. Bei schwerer Dehydratation mit eventuell zusätzlichen Elektrolytentgleisungen muss die Rehydratation in der Regel zunächst unter stationären Bedingungen parenteral

P Art, Umfang und begleitende Symptome können wichtige Hinweise auf den Auslöser einer Diarrhö liefern.

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erfolgen, bei sehr schweren Verläufen oder ausgeprägter Bewusstseinsstörung auf der Intensivstation. Bei leichter (Verlust von weniger als 5% des Körpergewichts) und mittelschwerer (5–10% des Körpergewichts) Diarrhö soll eine rasche orale Rehydratation über 3–4 Stunden erfolgen. Hierfür soll eine orale Rehydratationslösung gemäß der ESPGHAN-Leitlinie eingesetzt werden. Anschließend soll die Realimentation mit normaler Nahrung und Beikost erfolgen. Die Verwendung von Spezialnahrungen ist nicht gerechtfertigt. Formelnahrungen sollen nicht verdünnt werden. Säuglinge sollen weiter gestillt werden. Weitere Flüssig-keitsverluste nach Beginn der Realimentation sollen mit zusätzlicher oraler Rehydrata-tionslösung ausgeglichen werden. Eine medikamentöse Therapie ist in der Regel nicht notwendig. Insbesondere ist eine antibiotische Therapie bakterieller Enteritiden nur sehr selten indiziert (z. B. bei Sepsis, bei schwer immunsupprimierten Patienten oder Komplika-tionen).

Chronische Diarrhö

Eine gute Differenzialdiagnose ist Grundlage einer gezielten Behandlung. Während in nicht-industrialisierten Ländern Infektionen im Zusammenhang mit Unterernährung die häufigste Ätiologie einer protrahierten Diarrhö darstellen, kommen bei uns vor allem nicht-infektiöse Ursachen infrage. Das diagnostische Vorgehen orientiert sich an den für das Alter des Kindes typischen Krankheitsbildern.

Diagnostisches Vorgehen

Anamnestische Details können unter Berücksichtigung des Alters und pathophysiolo-gischer Überlegungen wichtige Hinweise auf die zugrunde liegende Ätiologie geben. Die körperliche Untersuchung sollte nach Möglichkeit durch eine Inspektion des Stuhls ergänzt werden. Funktionstests dienen der Differenzierung von Malabsorption, Enteropathie und funktionellen Erkrankungen. Infektionen und entzündliche Darm-erkrankungen müssen durch Stuhl- und Blutuntersuchungen ausgeschlossen wer-den. So lassen sich aufwendige bildgebende Verfahren und invasive diagnostische Maßnahmen auf ein Mindestmaß beschränken.

Die Anamnese

Bei der Frage nach Häufigkeit und Konsistenz des Stuhlgangs lässt sich oftmals eine echte Diarrhö mit vermehrtem Stuhlvolumen von der für das Reizdarmsyndrom ty-pischen Pseudodiarrhö mit wechselnden Stühlen bzw. der paradoxen Diarrhö mit Stuhlschmieren oder Einkoten bei koprostasebedingter Inkontinenz unterscheiden. Die Farbe des Stuhls ist außer für die Erkennung von sichtbaren Blutbeimengungen oder Teerstuhl lediglich beim Vorliegen acholischer Stühle bedeutsam. Meteorismus und Flatulenz sind bei Zöliakie und Kohlenhydratunverträglichkeit Ausdruck der Malabsorption. Schmerzen kommen sowohl bei funktionellen als auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vor. Nächtliche Durchfälle sprechen ebenso wie Darmoperationen, ein beeinträchtigtes Wachstum und das verzögerte Erreichen von Meilensteinen der Entwicklung für eine organische Ursache. Nicht immer ist der Be-ginn der Beschwerden erinnerlich.Fragen nach dem Auftreten von Symptomen bei der Einführung bestimmter Lebens-mittel sollten durch ein detailliertes Ernährungsprotokoll über mehrere Werk- und Wochenendtage ergänzt werden. So werden am ehesten symptomauslösende Nah-rungsmittel und Fehlernährungen erkannt. Nahrungsmittelallergien sind mit anderen Erkrankungen des atopischen Formenkreises assoziiert. Allergien, CED und die Zölia-kie treten familiär gehäuft auf.Polyhydramnion, Frühgeburtlichkeit und gestörter Mekoniumabgang können Aus-druck einer kongenitalen Erkrankung sein.

P Bei der akuten Diarrhö ist die Abschätzung des Flüssigkeitsverlusts wesentlich. Bei leichter und mittel­schwerer Dehydratation soll eine orale Rehydratation erfolgen, bei schwerer Exsikkose eine Infusionstherapie.

P Bei der chronischen Diarrhö ist die Anamnese für die Planung des diagnostischen Vorgehens von zentraler Bedeutung.

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Körperliche Untersuchung

Neben den Wachstumsperzentilen gibt die Beschaffenheit der Haut und Hautanhang-gebilde (Ödem, Hautfalten, Muskelschwund, Ekzem, Rhagaden) sowie der Schleim-häute (Blässe, Aphthen, Soor) Hinweise auf einen Nährstoffmangel oder ein entzünd-liches Geschehen. Palpable Darmschlingen mit und ohne Druckschmerzhaftigkeit finden sich nicht selten bei CED, ein vorgewölbtes Abdomen eher bei Malabsorption. Ohne genaue Inspektion des Anogenitalbereichs werden Fisteln und Fissuren leicht übersehen. Bei der Inspektion des Stuhls sollte auf Schleim- oder Blutbeimengungen geachtet werden, die im Gegensatz zu unverdauten Nahrungsbestandteilen für eine entzündliche Genese sprechen. Ein saurer oder übler Geruch findet sich bei Malab-sorption.

Stuhluntersuchungen

Eine Darminfektion lässt sich leicht durch Untersuchung des Stuhls auf pathogene Keime (Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien und enterohämorrhagische E. coli) sowie Parasiten (Giardia lamblia) ausschließen. Bei hämorrhagischer Diarrhö sollte in besonderen Fällen ebenfalls auf Clostridium-difficile-Toxin (Antibio tika-anamnese) oder Entamoeba histolytica (Reiseanamnese) getestet werden. Der Nach-weis von Pilzen ist lediglich bei Immunsupprimierten bedeutsam.Der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl ist unspezifisch und kann zum Ausschluss einer funktionellen Erkrankung dienen. Calprotectin und Lactoferrin sind als Surrogat-marker von Neutrophilen sensitive Tests auf eine entzündliche Erkrankung, sind aber auch bei Infektionen, Zöliakie, Nahrungsmittelallergie, NSAR-Enteropathie und den bei Kindern seltenen Malignomen erhöht.Der Nachweis vermehrter reduzierender Substanzen im Clinitest und ein verminder-ter pH-Wert im Stuhl weisen auf unverdaute Kohlenhydrate aufgrund einer Mal-absorption oder bakteriellen Fehlbesiedlung hin. Die Bestimmung der Pankreas-elastase-1 im Stuhl ist bei Steatorrhö oder Dystrophie indiziert. Zum Ausschluss einer geringgradigen Pankreasinsuffizienz ist die Bestimmung des Fettgehalts, am ge-nauesten im Rahmen einer 72-Stunden-Stuhlsammlung, notwendig.Die Bestimmung der Elektrolyte (osmotische Lücke) und des α1-Antitrypsins (Clear-ance) im Stuhl bleiben besonderen Fragestellungen (sekretorische Diarrhö, exsu-dative Enteropathie) vorbehalten. Gegebenenfalls kann der Stuhl bei Verdacht auf Laxanzienabusus auf Magnesiumsulfat und Phosphat untersucht werden.

Blutuntersuchungen

Die Messung der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und des CRP dienen der Be-stimmung der entzündlichen Aktivität und sind wertvolle Verlaufsparameter; im Blut-bild lassen sich darüber hinaus Zeichen der Eisenmangelanämie oder Hämolyse fin-den. Während der akuten Phase des Entzündungsprozesses lässt sich ein Eisenmangel durch Messung des Ferritins und der Transferrinsättigung nicht sicher ausschließen.Elektrolytverschiebungen sind ein Hinweis auf sekretorische Prozesse. Kalzium und alkalische Phosphatase werden erst bei ausgeprägtem Kalziummangel pathologisch sein. Nützlich ist die Messung des Spiegels von Zink, das substituiert werden kann.Gesamteiweiß und Albumin sind ebenso wie das α1-Antitrypsin bei der exsudativen Enteropathie vermindert. Die Bestimmung der Immunglobuline (Ig) dient nicht nur dem Ausschluss einer Immundefizienz, da bei vermindertem IgA auch die zölia-kiespezifischen Antikörper gegen Endomysium und Transglutaminase nicht anstei-gen. Bei Kindern unter 2 Jahren wird die Bestimmung der Anti-Gliadin-Antikörper empfohlen.Bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie können in manchen Fällen erhöhte antigen-spezifische IgE im Radio-Allergo-Sorbent-Test (RAST) nachgewiesen werden, ihr Fehlen schließt eine Allergie jedoch nicht aus. Ein weiterer Surrogatmarker ist das eosinophile kationische Protein (ECP).Bei schwerer Fettmalabsorption sind die Spiegel der fettlöslichen Vitamine vermin-dert.

P Der Nachweis von Pilzen im Stuhl ist lediglich bei Immunsupprimierten bedeutsam.

P Bei Verdacht auf Nahrungsmittel­allergien können in manchen Fällen erhöhte antigenspezifische IgE im RAST nachgewiesen werden, ihr Fehlen schließt eine Allergie jedoch nicht aus.

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Funktionstests

Am einfachsten ist der Fastentest. Eine osmotische Diarrhö sistiert spätestens nach 48 Stunden Nahrungskarenz. Dies kann man sich therapeutisch bei der Behandlung der chronischen nicht-spezifischen Diarrhö des Kleinkindes („toddler’s diarrhea“) mit-tels Verminderung der Zufuhr osmotisch wirksamer Getränke zunutze machen. Auch eine Nahrungsmittelallergie wird bei Karenz der symptomauslösenden Lebensmittel besser, sodass bei entsprechendem Verdacht ein Eliminationsversuch indiziert ist.H2-Atemtests ermöglichen die nicht-invasive Bestimmung einer Kohlenhydratmalab-sorption. Nicht-resorbierte Saccharide werden von den Darmbakterien fermentiert. Ein Anstieg des Wasserstoffs in der Ausatemluft über 20 ppm nach einer Testmahlzeit von 2 g Laktose oder Saccharose/kg KG (max. 50 g) bzw. 1 g Fruktose/kg KG (max. 25 g) gilt als diagnostisch. Eine Fehlbesiedlung kann im H2-Atemtest nach Belastung mit 75 g Glukose demonstriert werden. Falsch-negative Tests entstehen bei etwa 5% der Men-schen aufgrund fehlender Wasserstoffproduktion in der Darmbiota („non-producer“). Erst beim Auftreten von Symptomen nach der Testmahlzeit sollte von einer Unver-träglichkeit gesprochen und eine entsprechende (in der Regel laktose- bzw. fruktose-arme) Diät empfohlen werden. Ebenfalls sollte eine Enteropathie ausgeschlossen sein (sekundäre Kohlenhydratmalabsorption).Zur Unterscheidung einer Enteropathie von funktionellen Beschwerden können Tests zur Bestimmung der Resorptionskapazität bzw. der Permeabilität herangezogen wer-den. Der D-Xylosetest ist von der resorptiven Oberfläche des proximalen Dünndarms abhängig. Nach Gabe von 25 g Xylose (bei Kleinkindern 5 g) in 200 ml/m2 Körper-oberfläche werden normalerweise > 16% der Xylose innerhalb der ersten 5 Stunden im Urin ausgeschieden (nach 1 Stunde Wasser nachtrinken lassen). Der Xylosespiegel im Blut sollte nach 1 Stunde über 25 mg/dl ansteigen. Verminderte Werte finden sich bei Malabsorption z. B. infolge einer Zöliakie. Der Lactulose-Mannitol-Test gibt Auf-schluss über die intestinale Permeabilität. Nach Gabe von 5 g Lactulose und 2 g Man-nitol wird die Ausscheidung über 5 Stunden im Urin gemessen. Aufgrund der erhöh-ten Permeabilität ist das Lactulose-Mannitol-Verhältnis bei einer Enteropathie wie der Zöliakie oder dem Morbus Crohn erhöht.

Endoskopische Untersuchungen

Lässt sich eine Enteropathie oder Darmentzündung nicht ausschließen, ist eine endo-skopische Untersuchung des Verdauungstrakts mit Stufenbiopsien zur histologischen Begutachtung indiziert. Neben der Zöliakie können seltene angeborene Erkran-kungen wie die intestinale Lymphangiektasie, Mikrovillusinklusionserkrankung und Tufting-Enteropathie mittels ÖGD diagnostiziert werden. In unklaren Fällen kann aus der Duodenalschleimhaut auch die Enzymaktivität der Disaccharidasen bestimmt werden. Bei älteren Kindern ist oftmals eine zusätzliche Ileokoloskopie unter der Frage einer chronischen Darmentzündung, eosinophilen oder (selten) mikroskopischen Kolitis notwendig.

Pädiatrische Krankheitsbilder mit chronischer Diarrhö

Chronische Durchfälle im Neugeborenenalter sind in der Regel Manifestationen kon-genitaler Erkrankungen. In vielen Fällen sind die genetischen Defekte bekannt. Auf-grund der raschen Flüssigkeits- und Nährstoffverluste ist eine zügige Diagnostik essenziell. Manche der früher als therapieresistent („intractable“) bezeichneten Durch-fallerkrankungen können aufgrund der Kenntnis der zugrunde liegenden Störung heute effektiv symptomatisch behandelt werden.Im Säuglingsalter stellen Nahrungsunverträglichkeiten die häufigste Ursache chro-nischer Durchfälle dar. Selbst unter reiner Muttermilchernährung können Allergien auftreten. Allergenkarenz führt zum Verschwinden der Symptomatik.Innerhalb von 1–2 Jahren bildet sich meist wieder eine Toleranz für die Nahrungsanti-gene. Im Kleinkindalter steht die Kohlenhydratmalabsorption im Vordergrund. Eine Sonderstellung nimmt die Zöliakie ein, die eine lebenslange Diät erforderlich macht.

P H2­Atemtests ermöglichen die nicht­invasive Bestimmung einer Kohlen­hydratmalabsorption. Falsch­negative Tests entstehen bei etwa 5% der Menschen aufgrund fehlender Wasser­stoffproduktion der Darmbiota („non­producer“).

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Die Manifestation chronisch entzündlicher Darmerkrankungen beginnt oft im Schul-alter. Eine wirksame multimodale Therapie ist eine wichtige Voraussetzung zur Erzielung einer normalen Entwicklung. Die Kriterien zur Diagnose funktioneller Darmerkrankungen können helfen, belastende Untersuchungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Kongenitale Diarrhö

Aufgrund der natürlichen Selektion sind Transporterdefekte mit Manifestation im Neugeborenenalter äußerst selten. Störungen des Transports von Natrium oder Chlo-ridionen können ein Polyhydramnion verursachen. Andere Ionentransportstörungen sind durch charakteristische Symptome wie Vitamin-D-resistente tetanische Krämpfe bei Hypomagnesiämie, Acrodermatitis bei Zinkmangel bzw. ineinander verwickelte Haare („kinky hair“) bei Kupfermangel gekennzeichnet. Eine Glukose-Galaktose- Malabsorption verursacht ebenso wie der seltene kongenitale Laktasemangel eine lebensbedrohliche osmotische Diarrhö mit Beginn der (Milch-)Nahrungszufuhr. Mor-phologische Veränderungen finden sich bei der Mikrovillusinklusionserkrankung, der mit anderen Dysmorphien assoziierten Tufting-Enteropathie sowie der X-chromoso-malen Autoimmunenteropathie (IPEX-Syndrom) (s. Tab. 1).

Diarrhö beim Säugling

Die allergische (Prokto-)Kolitis manifestiert sich meist in den ersten Lebensmonaten mit Blut- und Schleimauflagerungen auf normalen bis dünnflüssigen Stühlen. Sie tritt auch bei voll gestillten Säuglingen auf. Eine Karenz der stillenden Mutter bezüglich der häufigsten Nahrungsmittelallergene (Kuhmilch, Hühnerei, Nüsse und Fisch sowie gegebenenfalls Soja) oder die Umstellung auf extensiv hydrolysierte Formelnahrung (eHF) bzw. Aminosäurenformelnahrung (AF) führt zur Rückbildung der Symptomatik. Spezifische IgE sind selten nachweisbar, hingegen finden sich Eosinophile im Stuhl und in der Mukosa.

P Chronische Durchfälle im Neugebore­nenalter sind in der Regel Manifestati­onen kongenitaler Erkrankungen.

Tab. 1

Differenzialdiagnose der kongenitalen Diarrhö beim Neugeborenen

Erkrankung Defektes Molekül Diagnose Therapie

Glukose-Galaktose- Malabsorption

natriumabhängiger Glukosetransporter 1 (SGLT1)

Glukose-H2-Atemtest kohlenhydratfreie Kost

kongenitale Chloriddiarrhö DRA-Chloridtransporter Hypochlorämie, Stuhlchlorid erhöht

Natriumchlorid, Kaliumchlorid

kongenitale Natriumdiarrhö Natrium-Wasserstoff- Exchanger

Stuhlnatrium erhöht Natriumcitrat

kongenitale Hypomagnesiämie Paracellin-1 („tight junction“)

Hypomagnesiämie, Hypokalzämie

Magnesiumsulfat, Kalziumglukonat

Acrodermatitis enterohepatica Zinktransporter SCL39A4 Zink im Plasma < 6 mmol/l Zinkhistidin

Menkes-(„kinky hair“)- Krankheit

kupfertransportierendes Polypeptid ATP7A

Hypocuprämie, Coeruloplasminmangel

Kupfer nicht wirksam

primäre Gallensäuren-malabsorption

Gallensäurentransporter SLC10A2

erhöhte Gallensäuren im Stuhl mittelkettige Fettsäuren

Mikrovillusinklusions- erkrankung

unbekannt Elektronenmikroskopieparenterale Ernährung, Darmtransplantation

Tufting-Enteropathie Basalmembran? Duodenalbiopsie

IPEX-Syndrom Scurfin (FOXP3-Gen) Anti-Enterozyten-Antikörper Immunsuppression

kongenitaler Laktasemangel Laktase-Phlorizin-Hydrolase Messung der Enzymaktivität laktosefreie Kost

P Die allergische (Prokto­)Kolitis tritt auch bei ausschließlich mit Muttermilch ernährten Säuglingen auf. Der sicherste Nachweis einer Nahrungsmittelallergie ist die (doppelblinde) Nahrungsmittel­provokation.

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Nach der Einführung von Getreide kann sich eine Zöliakie entwickeln, die neben Durchfällen durch einen Blähbauch und eine Gedeihstörung gekennzeichnet ist. In-folge der Sensibilisierung auf in Weizen, Roggen, Gerste und Hafer enthaltene Prola-mine werden pathognomonische Antikörper gegen die im Endomysium lokalisierte Gewebstransglutaminase gebildet. Erst unter streng glutenfreier Diät bildet sich die glutensensitive Enteropathie über Wochen bis Monate zurück. Die Diagnose sollte vor Beginn der Diät durch den Nachweis der typischen nach MARSH klassifizierten Verän-derungen in der Duodenalschleimhautbiopsie bestätigt werden (Abb. 1).

Eine transiente Glutenintoleranz ist auch bei Manifestation in den ersten Lebensjah-ren äußerst selten, sodass die glutenfreie Ernährung lebenslang eingehalten werden muss, um kein erhöhtes Risiko für intestinale Malignome einzugehen. Da oligosym-ptomatische Formen der Zöliakie bei etwa 1% der Bevölkerung vorkommen, sollte in jedem Lebensalter daran gedacht werden.

Bei der zystischen Fibrose (CF) kommt es wie bei anderen Formen der exokrinen Pankreasinsuffizienz zur Steatorrhö mit Gedeihstörung. In den meisten Fällen lässt sich die Diagnose durch Messung der Chloridkonzentration im Schweißtest sichern, die Pankreaselastase im Stuhl ist erniedrigt. Je nach Genotyp sind gastrointestinale und respiratorische Beteiligung mehr oder weniger ausgeprägt. Die Substitution von Pankreaslipase ermöglicht eine hochkalorische Ernährung.Der kongenitale Saccharase-Isomaltase-Mangel ist mit einer Prävalenz von 1:200.000 100-mal seltener als die CF. Mit der Einführung kohlenhydrathaltiger Beikost kommt es zur osmotischen Diarrhö, die in schweren Fällen zur Gedeihstörung führt. Der Nachweis reduzierender Substanzen im Stuhl und der Anstieg des Wasserstoffs in der Ausatemluft nach Saccharosebelastung sind diagnostisch.Wie bei älteren Kindern ist auch beim Säugling der sekundäre transiente Mangel an Laktase im Rahmen eines postenteritischen Syndroms eine häufige Ursache der Koh-lenhydratmalabsorption. In diesem Fall kann eine laktosefreie Ernährung für einige Tage hilfreich sein.Die seltene primäre intestinale Lymphangiektasie (Morbus Waldmann) kommt durch eine Fehlbildung des lymphatischen Systems zustande und manifestiert sich meist im Kindesalter mit exsudativer Enteropathie bis hin zu generalisierten Ödemen. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt. Die Behandlung besteht in der Substitution von MCT-Fett, das unter Umgehung der Lymphe ins Pfortaderblut gelangt.

Abb. 1

Schematische Darstellung der MARSH-Klassifikation der histologischen Veränderungen bei der Zöliakie

Immunpathologie der Schleimhaut im oberen Dünndarm

P Der Nachweis von Antikörpern vom Typ IgA gegen die Transglutaminase ist der zuverlässigste serologische Marker für eine Zöliakie. Antikörper vom Typ IgA gegen Gliadin sind etwas weniger sensitiv und spezifisch. Besonders bei selektivem IgA­Mangel können die serologischen Tests auf eine Zöliakie falsch­negativ ausfallen.

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Diarrhö beim Kleinkind

In der Mehrzahl der Fälle führt die übermäßige Zufuhr von Fruchtsäften zur Diarrhö des Kleinkindes („toddler’s diarrhea“). Durch Überschreiten der individuellen Fruktose-toleranz kommt es zu osmotischen Durchfällen, die von Bauchschmerzen und Mete-orismus begleitet sein können. Eine Gedeihstörung bleibt in der Regel aus. Die Fruk-tosemalabsorption lässt sich im H2-Atemtest nach Fruktosebelastung zeigen und ist mit einer Prävalenz von 25% weitverbreitet. Ein Zusammenhang mit Mutationen im natriumabhängigen Glukosetransporter 5 (SLGT5) wird ebenso diskutiert wie eine Assoziation mit dem Reizdarmsyndrom. Das Vermeiden fruchtzucker- und sorbitol-reicher Getränke und Nahrungsmittel hilft diagnostisch und therapeutisch. Mit 15% in Deutschland weniger häufig ist die sich ab dem Kleinkindalter manifestie-rende adulte Hypolaktasie, bei der aufgrund von Mutationen in der Promotorregion des Laktase-Phlorizin-Hydrolase-Gens (allen voran „LCT –13910C>T”) die Expression der Milchzucker-spaltenden Disaccharidase allmählich nachlässt. Man sollte daher nicht von einer Krankheit sprechen und nur beim Auftreten von Symptomen im An-schluss an die Testmahlzeit zur Reduktion der Zufuhr des entsprechenden Saccharids raten, da eine vollständige Vermeidung von Obst und Gemüse (bei Fruktosemalab-sorption) oder Milchprodukten (bei Laktoseintoleranz) schwerwiegende Vitamin- und Mineralstoffmängel verursachen kann.Bakterielle Gastroenteritiden können monatelang persistieren. Vor invasiven Unter suchungen sollte eine Infektion mit Salmonellen, Shigellen, Campylobacter und Yersinien ausgeschlossen werden. Bei Infektion mit enterohämorrhagischen E. coli kann sich ein hämolytisch-urämisches Syndrom entwickeln. Rezidivierende Infek-tionen oder solche mit ungewöhnlichen Erregern wie Cryptosporidien können in sel-tenen Fällen Ausdruck einer angeborenen oder z. B. durch Infektion mit HIV erwor-benen Immunschwäche sein. Eine antimikrobielle Therapie ist in der Regel nur bei systemischen Infektionen indiziert.Unterschätzt wird im Allgemeinen die Möglichkeit einer Parasitose. Die Inzidenz ge-meldeter Infektionen mit Giardia lamblia ist mit 11,5:100.000 in der Altersklasse der 1–5-Jährigen am höchsten. Der Nachweis einer Lambliasis bei 3 von 202 untersuchten Kindern in Berliner Kindergärten deutet jedoch auf eine sehr hohe Dunkelziffer hin. Nur weniger als ein Drittel der Infizierten haben eine periphere Eosinophilie. Die The-rapie richtet sich nach den nachgewiesenen Parasiten.Vor allem Kinder mit atopischer Diathese können eine eosinophile Gastroenteritis entwickeln. Die Erkrankung kommt mit einer Prävalenz von 1:2000–1:10.000 vor und betrifft am häufigsten den Ösophagus. Bei etwa 20% der Kinder treten aufgrund einer Beteiligung des unteren Verdauungstrakts auch Durchfälle auf. Nur bei 20–60% der Betroffenen sind die Eosinophilen im Blut oder das IgE erhöht. Die Diagnose wird durch Nachweis einer Gewebseosinophilie in der Darmschleimhaut gestellt. Kommt es durch Elimination potenzieller Allergene aus der Nahrung nicht zur Besserung, wer-den Leukotrienrezeptorantagonisten und Steroide eingesetzt.VIPome manifestieren sich ebenfalls am häufigsten in dieser Altersgruppe. Aufgrund der wässrigen Durchfälle entsteht eine hypokalämische Alkalose, sodass vom WDHA-Syndrom gesprochen wird. Neben Ganglioneuromen bzw. Ganglioneuroblastomen finden sich Phäochromozytome, Mastozytome, medulläre Thyroidea-Karzinome oder eine Non-β-Zell-Hyperplasie des Pankreas. Karzinoide können sich durch eine Flush-Symptomatik bemerkbar machen. Die Entscheidung für eine chirurgische oder medi-kamentöse Therapie richtet sich nach Art und Lokalisation der Neoplasie.Nicht nur im Kleinkindalter sollte an die Möglichkeit einer paradoxen Diarrhö ge-dacht werden. Diese zeigt sich nicht selten zum Zeitpunkt des Toilettentrainings mit Überlaufgärstühlen als Konsequenz einer durch Stuhlverhalt bedingten Koprostase. Wie beim Reizdarmsyndrom ist das Stuhlvolumen nicht vermehrt. Der rektale Unter-suchungsbefund führt zur Diagnosestellung, wenn nicht zuvor der Darm entleert wurde. Selten ist der Einsatz bildgebender Verfahren zum Nachweis der Koprostase bzw. Bestimmung der Kolontransitzeit erforderlich. Eine genaue Erläuterung des Krankheitsbildes bildet die Grundlage zur konsequenten Anwendung von Laxanzien trotz bestehender Durchfälle.Vor allem bei Vorliegen eines Eisenmangels oder einer Gedeihstörung sollte neben der Zöliakie eine CED ausgeschlossen werden (s. unten).

P Eine häufige Ursache chronischer Diarrhö beim Kleinkind sind Kohlenhy­dratmalabsorptionen.

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Diarrhö beim Schulkind

Das Reizdarmsyndrom ist in dieser Altersgruppe die häufigste Ursache chronischer Durchfälle. Die Prävalenz wird in Umfragen bei Schulkindern mit etwa 6% angegeben. Es werden die pädiatrischen Rom-Konsensuskriterien für funktionelle gastrointesti-nale Erkrankungen angewandt, die in der 3. überarbeiteten Version vorliegen:

Innerhalb der letzten 2 Monate mindestens 1x/Woche abdominelle Schmerzen oder Un-wohlsein mit wenigstens 2 der 3 Eigenschaften:1. Linderung durch Stuhlgang,2. Beginn der Schmerzen, verbunden mit einer Veränderung der Stuhlhäufigkeit,3. Beginn der Schmerzen, verbunden mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz.Die Diagnose setzt voraus, dass keine strukturelle oder biochemische Veränderung die Symptome erklären kann.Nebenkriterien, die die Diagnose unterstützen, aber für sich keine Diagnose erlauben, sind:• abnormale Stuhlhäufigkeit

(z. B. mehr als 3 Stühle pro Tag oder weniger als 3 Stühle pro Woche),• abnormale Stuhlkonsistenz,• abnormales Absetzen von Stuhl

(z. B. starkes Pressen, imperativer Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Entleerung),• schleimiger Stuhl,• Blähungen und Völlegefühl.

Wichtig ist der Ausschluss chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, deren Inzi-denz im Adoleszentenalter auf etwa 1:10.000 ansteigt. Etwa zwei Drittel der Patienten haben einen Morbus Crohn, ein Drittel eine Colitis ulcerosa, bei rund 5% gelingt die Differenzierung nicht. Mehr als 10% der Betroffenen haben einen Verwandten ersten Grades mit CED. Fast alle haben erhöhte Entzündungswerte in Blut (BSG, CRP) und Stuhl (Calprotectin, Lactoferrin), viele eine Eisenmangelanämie und Hypoalbumin-ämie. Pädiatrische Patienten mit Morbus Crohn haben meist einen verringerten Body-Mass-Index und leiden oftmals an verringertem Längenwachstum und verzögerter Pubertät. Eine Bildgebung des Dünndarms (MRT-Sellink) ist bei Erstdiagnose unab-dingbar, da die Therapie sich nach der Lokalisation der befallenen Darmabschnitte richtet. Es kommen topische und systemische antiinflammatorische Substanzen so-wie in schwereren Fällen immunmodulatorische Medikamente zur Anwendung.Die mikroskopische Kolitis zeichnet sich durch die Abwesenheit makroskopisch sicht-barer Veränderungen bei der endoskopischen Untersuchung aus. Histologisch lassen sich die kollagene und die lymphozytäre Kolitis unterscheiden. Meist manifestiert sich die Erkrankung erst im Erwachsenenalter. Die Behandlung erfolgt mit Budesonid.

Bildnachweis: Abb. 1: Coeliac_Disease_de.jpg, Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz für freie Dokumentation.

P Bei Schulkindern sind funktionelle Störungen häufig, sie werden nach den pädiatrischen Rom­Kriterien diagnostiziert.

P M. Crohn, Colitis ulcerosa und die mikroskopische (kollagene, lymphozytäre) Kolitis sind wichtige Differenzialdiagnosen.

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Zu empfehlende Literatur

1 Füeßl HS.Chronische Durchfallerkrankungen. Ursachen und Diagnostik. Med Klin 2005; 100: 569–576.

2 Guarino A, Albano F, Ashkenazi S, Gendrel D, Hoekstra JH, Shamir R, Szajewska H; ESPGHAN/ESPID Evidence-Based Guidelines for the Management of Acute Gastroenteritis in Children in Europe Expert Working Group. European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition/European Society for Paediatric Infectious Diseases evidence-based guidelines for the management of acute gastroenteritis in children in Europe: executive summary. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2008; 46: 619–621.

3 Hauer AC.Akute Diarrhö und Dehydration. In: Rodeck B, Zimmer KP: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. Springer-Verlag, Heidelberg 2008: 149–153.

4 Keating JP.Chronic diarrhea. Pediatr Rev 2005; 26: 5–14.

5 Keller KM.Chronische Diarrhö. In: Rodeck B, Zimmer KP: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. Springer-Verlag, Heidelberg 2008: 153–157.

6 Leung AK, Robson WL.Evaluating the child with chronic diarrhea. Am Fam Physician 1996; 53: 635–643.

7 Ozdemir O, Mete E, Catal F, Ozol D.Food intolerances and eosinophilic esophagitis in childhood. Dig Dis Sci 2009; 54: 8–14.

8 Sagebiel D, Weitzel T, Stark K, Leitmeyer K.Giardiasis in kindergartens: prevalence study in Berlin, Germany, 2006. Parasitol Res 2009; 105: 681–687.

Literatur

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Pädiatrische Gastro- enterologie

Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragebeantwortung unter

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Fragen zum Durchfall bei Kindern

Frage 1:Was ist die häufigste Ursache der chronischen Diarrhö beim Kleinkind?

Ew Kongenitale LaktosemalabsorptionEw ZöliakieEw LambliasisEw FruchtzuckermalabsorptionEw Colitis ulcerosa

Frage 2:Welcher Test ist ein Maß für die intestinale Resorption?

Ew H2-AtemtestEw XylosetestEw Lactulose-Mannitol-TestEw 13C-AtemtestEw Fastentest

Frage 3:Welche Verdachtsdiagnose lässt sich endoskopisch-bioptisch nicht sichern?

Ew MikrovillusinklusionserkrankungEw ZöliakieEw Morbus CrohnEw Colitis ulcerosaEw Fruktosemalabsorption

Frage 4:Mit welcher Untersuchung lässt sich eine Nahrungsmittelallergie am sichersten beweisen?

Ew RAST auf allergenspezifisches IgEEw Gewebseosinophilie in der SchleimhautbiopsieEw NahrungsmittelprovokationEw Die Antworten A und B sind richtigEw Mit keinem der oben genannten Tests

Frage 5:Welche Aussage über die Zöliakie trifft nicht zu?

Ew Die Prävalenz beträgt etwa 1:1000Ew Das Fehlen von Anti-Endomysium-Antikörpern schließt die Erkrankung nicht ausEw Die glutenfreie Diät ist auch bei Verschwinden der Symptome fortzusetzenEw Das Risiko für Lymphome des Intestinaltrakts ist unter glutenreicher Kost erhöhtEw Die Gabe glutenfreier Kost vor der endoskopischen Untersuchung verzögert

oftmals die Diagnose

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Pädiatrische Gastro- enterologie

Frage 6:Welche Aussage über akute Diarrhö trifft zu?

Ew In jedem Alter ist eine Stuhlfrequenz > 3/Tag pathologischEw Durchfallerkrankungen führen bei uns praktisch nie zu einem schweren

KrankheitsbildEw Typisch für die osmotische Diarrhö ist, dass sie nach Nahrungskarenz sistiertEw Gastroenteritiden durch Rotaviren führen bei Kindern meist zu blutiger DiarrhöEw Häufig ist nur ein einzelnes Familienmitglied betroffen

Frage 7:Welche Aussage ist falsch? Hinweise für das Vorliegen einer schweren Dehydratation sind

Ew Verminderte oder fehlende UrinproduktionEw Bewusstseinsstörung, ApathieEw Tachykardie, arterielle HypotensionEw Metabolische AzidoseEw Vorgewölbte Fontanelle

Frage 8:Welche Aussage zur Rehydratation bei Exsikkose trifft zu?

Ew Cola und Salzstangen sind das Mittel der WahlEw Bei leichter Dehydratation besteht die Therapie aus oraler RehydratationEw Die Rehydratation muss immer parenteral erfolgenEw Kinder sollen bei akuter Gastroenteritis mit einer Schonkost ernährt werdenEw Bei gestillten Säuglingen soll eine „Teepause“ durchgeführt werden

Frage 9:Welche Aussage zu Erregern der akuten Diarrhö trifft zu?

Ew Rotaviren werden per Tröpfcheninfektion übertragenEw Salmonellosen sollten immer antibiotisch behandelt werdenEw Ein hämolytisch-urämisches Syndrom ist eine häufige Folge von Campylobacter-

InfektionenEw Bei allen akuten Gastroenteritiden ist ein Erregernachweis erforderlichEw Der Nachweis einer Norovirus-Infektion ist meldepflichtig

Frage 10:Welche Aussage zur Diagnostik bei Diarrhö bei Kindern trifft zu?

Ew Eine sorgfältige Anamnese mit Ernährungsprotokoll kann sehr häufig die wahrscheinlichste Ursache der Diarrhö aufdecken

Ew Eine rektale Untersuchung ist bei Kindern nicht notwendigEw Bei Nachweis von Gliadin-Antikörpern im Stuhl ist die Diagnose „Zöliakie“

gesichert, sodass sofort eine glutenfreie Diät begonnen werden sollteEw Beim H2-Atemtest zeigt ein Abfall der H2-Konzentration in der Atemluft eine

Kohlenhydratmalabsorption anEw Auch bei kleinen Kindern ist für eine Koloskopie keine Analgosedierung

erforderlich.