drifting identidy station

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Drifting Identity Station Öffnungszeiten: Freitag u. Samstag 13.00–18.30 Uhr, zusätzlich an Werktagen nach Vereinbarung. Freier Eintritt Lassingleithnerplatz 2 1020 Wien Austria Open Space, Open Systems - Zentrum für Kunstprojekte will einen Ort grundlegender, zeitgenössischer Kunstpraxis schaffen, der sich als Beitrag zu einer neuartigen und ständig weiterentwickelten Modell- strategie für grenzüberschreitende, interregionale Projekte begreift. tel. +43 699 115 286 32 Email: offi[email protected] http://www.openspace-zkp.org Drifting Identity Station 12. Oktober – 5. November 2011 Ein Projekt unterstützt von: bm:ukk MA 7 - Interkulturelle und internationale Aktivitäten ERSTE Foundation European Cultural Foundation (ECF), STEP beyond Mondriaan Foundation Mit freundlicher Teilunterstützung von: Institut für Meteorologie und Geophysik, IMGW Wien cyberlab - Digitale Entwicklungen GmbH In Kooperation mit dem: Institut für Kunst und Gestaltung, TU Wien 12. Oktober – 5. November 2011 ERÖFFNUNG: 11. Oktober, 19.00 Uhr Drifting Identity Station Projektkurator: Stefan Rusu Teilnehmende KünstlerInnen: Marina Naprushkina Kristaps Gulbis Stefanos Tsivopoulos Société Réaliste (Ferenc Gróf und Jean-Baptiste Naudy) Tilmann Mayer-Faje Das Ausstellungsprojekt Drifting Identity Station basiert auf dem Modell ehemaliger sowjetischer Po- larstationen. In den 1950er Jahren war die Erkundung der arktischen Umgebung und die damit ver- bundene extreme Kälte ein Trend. Die Station operiert in einem rauen Klima, assoziiert mit „politischem Winter”, während die ForscherInnen, die sich für das sozio-politische Umfeld interessieren, verschiede- ne Geräte und Methoden einsetzen, um die im aktuellen Kontext relevanten Daten zu sammeln und zu überprüfen. Während der Erkundung der gefrorenen Landschaft analysieren sie alte Trajektorien (aus dem Land des ehemaligen politischen Konstrukts – der UdSSR) und die Europäische Union (eine neue, in Entwicklung begriffene Formation) im Hinblick auf Staatenbildungen und Entwicklung von Identitä- ten. Sie versuchen, Intensität, Klima und Temperatur der politischen Diskussionen zu bestimmen, die mit dem gegenwärtig fortdauernden Prozess der EU-Erweiterung einhergehen. Denn der Prozess der Bildung der Europäischen Union hat sowohl die Identität von Staaten als auch die ihrer Angehörigen in bestimmten Kontexten polarisiert. Die zugrundeliegende Idee der Arbeit Nationaltracht der Europäischen Union, entwickelt von Kristaps Gulbis, ist Ausgangspunkt einer Diskussion, welche das Thema Identität in einem europäischen Kontext verhandelt und die Anpassungsfähigkeit der EU-Direktiven und Richtlinien an ihre historisch und mental sehr unterschiedlichen Regionen. Weißrussland in Zahlen von Marina Naprushkina hingegen ist Teil der größeren Initiative „Office for Anti-Propaganda“ und befasst sich kritisch mit der Gegenwart des Staates Weißrussland, der autoritär von Alexander Lukaschenko regiert wird. Die Opposition wird un- terdrückt und marginalisiert, die Medien vereinheitlicht. Aufgrund dieser Tatsachen steht Weißrussland exemplarisch dafür, wie eine moderne Diktatur etabliert wird und wie sich die westlichen Demokratien damit auseinandersetzen. Verlorenes Denkmal von Stefanos Tsivopoulos basiert auf einem umstritte- nen Denkmal, der Statue des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman, die im Zent- rum Athens steht. Sie wirkt wie ein noch immer nicht identifiziertes, archäologisches Fundstück. Die Truman Doctrine verlagerte die amerikanische Außenpolitik auf die Sowjetunion, und HistorikerInnen datieren mit ihr oft den Beginn des Kalten Krieges. Société Réaliste (Ferenc Gróf und Jean-Baptiste Naudy) zeigen zwei Karten, die der Sammlung „London View” entnommen sind. Auf der einen Karte werden politische Grenzen eingefügt, die an der Wende eines jeden Jahrhunderts zwischen dem Jahr 0 und 2000 auf der europäischen Halbinsel und in ihrer Umgebung existiert haben. Die andere Grafik zeigt eine kolorimetrische Karte europäischer Segmentierungen, auf der jeder Landesteil, der zwischen diesen Grenzen liegt, mit einer spezifischen Färbung assoziiert wird, wodurch umliegende transhisto- rische Grenzen verdeutlicht werden. Versüßungsmaßnahme von Tilmann Mayer-Faje untersucht, wie Menschen heutzutage in einem kolossalen Skelett des industrialisierten Urbanen leben, das noch in sowjetischen Zeiten entstand. Er analysiert, wie die Funktionen des Mikrodistrikts in das gegenwärtige Leben und die Bedürfnisse der EinwohnerInnen übertragen werden. Während die Arbeit die Ornamente reproduziert, die in die Häuser geprägt wurden, um eine lokale Identität zu indizieren, spielt der Künstler mit dem Versagen dieser Maschinerie. Das Ausstellungsprojekt Drifting Identity Station wurde als Forschungsplattform ins Leben gerufen, um Daten zu examinieren und zu erhalten, die Bezug nehmen auf eine sich entwickelnde Identität in einem gegebenen Kontext - hier im Kontext der Europäischen Union, der Ostseeregion und der benachbar- ten Länder der Östlichen Partnerschaft (Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan). Visuelle Kunstprojekte und andere Beiträge, die in der Station ausgestellt werden, kommentieren die Entwicklung des Social-Engineering-Projekts der Europäischen Union als politisches Konstrukt „in progress“ und die gegenwärtige politische Identität der Nachbarländer. Gleichzeitig nehmen die Künstle- rInnen die Haltung von FeldforscherInnen ein. Sie sammeln Beispiele, Proben, Nachweise um die noch existierenden Spuren der post-sozialistischen Strukturen der jüngsten EU-Mitglieder zu bewahren und zu re-artikulieren. Zuletzt wurde der Forschungsbereich auf das Gebiet um das Mittelmeer erweitert, das in jüngster Zeit zum fruchtbaren Boden für den Export europäischer Demokratie geworden ist. Seminar und Workshop 11.-18. Oktober 2011 DRIFTING IDENTITY STATION von Gülsen Bal und Stefan Rusu Sprache: English Institut für Kunst und Gestaltung, TU Wien Karlsgasse 11, Hochparterre, Seminarraum 2, 1040 Wien Gespräch am runden Tisch / Diskussion 3. November 2011 19.00-20.30 DE-LINKING, DE-COLONIALITY von Marina Gržinic ´ Open Space, Open Systems

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The Drifting Identity Station uses a model of former Soviet Polar Stations, which was a trend in the 50's to explore the arctic environment while experiencing extreme cold. Station operates in the harsh climate associated with “political winter,” while researchers interested in the socio-political environment by deploying various devices and methodologies in order to collect and monitor the data that is relevant to the given context. While exploring the frozen landscape, researchers analyze old trajectories (derived from the former USSR political construct and a new formation in European Union progress) to identify what characterizes the mapping of states and identities in an attempt to determinate the intensity and temperature of the political debates connected to ongoing process of EU enlargement. The process of formation of European Union have polarized the issue of the identity of the states and its inhabitants in certain contexts.

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Page 1: Drifting Identidy Station

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Öffnungszeiten: Freitag u. samstag 13.00–18.30 uhr, zusätzlich an Werktagen nach Vereinbarung.Freier eintritt

Lassingleithnerplatz 21020 Wien Austria

Open Space, Open Systems - Zentrum für Kunstprojekte will einen Ort grundlegender, zeitgenössischer Kunstpraxis schaffen, der sich als Beitrag zu einer neuartigen und ständig weiterentwickelten Modell-strategie für grenzüberschreitende, interregionale Projekte begreift.

tel. +43 699 115 286 32 Email: offi [email protected]://www.openspace-zkp.org

Drifting Identity Station12. Oktober – 5. November 2011

Ein Projekt unterstützt von:bm:ukkMa 7 - interkulturelle und internationale aktivitätenerste Foundationeuropean cultural Foundation (ecF), step beyondMondriaan Foundation

Mit freundlicher Teilunterstützung von:institut für Meteorologie und Geophysik, iMGW Wiencyberlab - digitale entwicklungen Gmbh

In Kooperation mit dem:institut für Kunst und Gestaltung, tu Wien

12. Oktober – 5. November 2011ERÖFFNUNG: 11. Oktober, 19.00 Uhr

Drifting Identity Station

Projektkurator:

Stefan Rusu

Teilnehmende KünstlerInnen:

Marina Naprushkina

Kristaps Gulbis

Stefanos Tsivopoulos

Société Réaliste (Ferenc Gróf und Jean-Baptiste Naudy)

Tilmann Mayer-Faje

Das Ausstellungsprojekt drifting identity station basiert auf dem Modell ehemaliger sowjetischer Po-larstationen. In den 1950er Jahren war die Erkundung der arktischen Umgebung und die damit ver-bundene extreme Kälte ein Trend. Die Station operiert in einem rauen Klima, assoziiert mit „politischem Winter”, während die ForscherInnen, die sich für das sozio-politische Umfeld interessieren, verschiede-ne Geräte und Methoden einsetzen, um die im aktuellen Kontext relevanten Daten zu sammeln und zu überprüfen. Während der Erkundung der gefrorenen Landschaft analysieren sie alte Trajektorien (aus dem Land des ehemaligen politischen Konstrukts – der UdSSR) und die Europäische Union (eine neue, in Entwicklung begriffene Formation) im Hinblick auf Staatenbildungen und Entwicklung von Identitä-ten. Sie versuchen, Intensität, Klima und Temperatur der politischen Diskussionen zu bestimmen, die mit dem gegenwärtig fortdauernden Prozess der EU-Erweiterung einhergehen. Denn der Prozess der Bildung der Europäischen Union hat sowohl die Identität von Staaten als auch die ihrer Angehörigen in bestimmten Kontexten polarisiert.

Die zugrundeliegende Idee der Arbeit Nationaltracht der Europäischen Union, entwickelt von Kristaps Gulbis, ist Ausgangspunkt einer Diskussion, welche das Thema Identität in einem europäischen Kontext verhandelt und die Anpassungsfähigkeit der EU-Direktiven und Richtlinien an ihre historisch und mental sehr unterschiedlichen Regionen. Weißrussland in Zahlen von Marina naprushkina hingegen ist Teil der größeren Initiative „Office for Anti-Propaganda“ und befasst sich kritisch mit der Gegenwart des Staates Weißrussland, der autoritär von Alexander Lukaschenko regiert wird. Die Opposition wird un-terdrückt und marginalisiert, die Medien vereinheitlicht. Aufgrund dieser Tatsachen steht Weißrussland exemplarisch dafür, wie eine moderne Diktatur etabliert wird und wie sich die westlichen Demokratien damit auseinandersetzen. Verlorenes Denkmal von stefanos tsivopoulos basiert auf einem umstritte-nen Denkmal, der Statue des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman, die im Zent-rum Athens steht. Sie wirkt wie ein noch immer nicht identifi ziertes, archäologisches Fundstück. Die Truman Doctrine verlagerte die amerikanische Außenpolitik auf die Sowjetunion, und HistorikerInnen datieren mit ihr oft den Beginn des Kalten Krieges. société réaliste (Ferenc Gróf und Jean-Baptiste naudy) zeigen zwei Karten, die der Sammlung „London View” entnommen sind. Auf der einen Karte werden politische Grenzen eingefügt, die an der Wende eines jeden Jahrhunderts zwischen dem Jahr 0 und 2000 auf der europäischen Halbinsel und in ihrer Umgebung existiert haben. Die andere Grafi k zeigt eine kolorimetrische Karte europäischer Segmentierungen, auf der jeder Landesteil, der zwischen diesen Grenzen liegt, mit einer spezifi schen Färbung assoziiert wird, wodurch umliegende transhisto-rische Grenzen verdeutlicht werden. Versüßungsmaßnahme von tilmann Mayer-Faje untersucht, wie Menschen heutzutage in einem kolossalen Skelett des industrialisierten Urbanen leben, das noch in sowjetischen Zeiten entstand. Er analysiert, wie die Funktionen des Mikrodistrikts in das gegenwärtige Leben und die Bedürfnisse der EinwohnerInnen übertragen werden. Während die Arbeit die Ornamente reproduziert, die in die Häuser geprägt wurden, um eine lokale Identität zu indizieren, spielt der Künstler mit dem Versagen dieser Maschinerie.

Das Ausstellungsprojekt drifting identity station wurde als Forschungsplattform ins Leben gerufen, um Daten zu examinieren und zu erhalten, die Bezug nehmen auf eine sich entwickelnde Identität in einem gegebenen Kontext - hier im Kontext der Europäischen Union, der Ostseeregion und der benachbar-ten Länder der Östlichen Partnerschaft (Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan).

Visuelle Kunstprojekte und andere Beiträge, die in der Station ausgestellt werden, kommentieren die Entwicklung des Social-Engineering-Projekts der Europäischen Union als politisches Konstrukt „in progress“ und die gegenwärtige politische Identität der Nachbarländer. Gleichzeitig nehmen die Künstle-rInnen die Haltung von FeldforscherInnen ein. Sie sammeln Beispiele, Proben, Nachweise um die noch existierenden Spuren der post-sozialistischen Strukturen der jüngsten EU-Mitglieder zu bewahren und zu re-artikulieren. Zuletzt wurde der Forschungsbereich auf das Gebiet um das Mittelmeer erweitert, das in jüngster Zeit zum fruchtbaren Boden für den Export europäischer Demokratie geworden ist.

Seminar und Workshop11.-18. Oktober 2011driFtinG identitY station von Gülsen Bal und stefan rusuSprache: English

institut für Kunst und Gestaltung, tu WienKarlsgasse 11, Hochparterre, Seminarraum 2, 1040 Wien

Gespräch am runden Tisch /Diskussion3. November 201119.00-20.30de-linKinG, de-colonialitY von Marina Gržinic

open space, open systems

Page 2: Drifting Identidy Station

Marina NaprushkinaBelarus in Zahlen installationen, verschiedene Medien (Wandintervention), 2010

Belarus in Zahlen beinhaltet eine Reihe von Diagrammen, die auf Zahlen des jährlich erscheinenden Nachschlage-werkes „Belarus in Zahlen“ basiert. Dieses Buch enthält Informationen über die sozio-wirtschaftliche Situation der Republik Weißrussland und wird vom Nationalen Ko-mitee für Statistik erstellt. Einer Institution die Teil des au-toritären Systems der weißrussischen Regierung ist. Die Zahlen sollen korrekte und nachweisbare Informationen über landwirtschaftliche Erzeugnisse, industrielle Pro-dukte, Bildung, Beschäftigte und die Bevölkerungsgröße liefern – kurz, den BürgerInnen ein stabiles Bild des weißrussischen Staates vermitteln. Die Diagramme Naprushkinas geben vor, die wirklichen und offiziellen zu sein, also Teil der Staatspropaganda. Sie zeigen jedoch die gefälschten Ergebnisse und wie der Staat seine Institutionen manipuliert. Die Serie gehört zum Archiv des „Office for Anti-Propaganda” und besteht aus ca. 40 Teilen, jedes Jahr wird sie auf den neuesten Stand gebracht. Das „Office” erstellt ein Archiv von Videos, Texten und Bildmaterial über das Thema der po-litischen Propaganda. Das politische Modell Weißrusslands lässt sich auf einige andere osteuropäische und lateinamerikanische Länder übertragen, die es unterstützen. Weißrussland steht exemplarisch dafür, wie eine moderne Diktatur etabliert wird und wie sich die westlichen Demokratien damit auseinandersetzen.

Marina naprushkina lebt und arbeitet in Minsk und Berlin. Ihre Arbeiten waren an folgenden Orten zu sehen: Biennale Lodz in Polen, 2010; MMOMA Moskau, Russland, 2010; 11. Biennale von Istanbul, Türkei, 2009; 3. Biennale von Moskau, 2009; Kalmar Konstmuseum, Schweden, 2008; Biennale von Wien, 2008.Naprushkina arbeitet mit verschiedenen Medien, darunter Malerei, Video und Installationen, und entwickelt damit kritische Untersuchungen staatlicher Macht und Strukturen, die zeigen, inwiefern die Autorität des Staates die Gesellschaft berührt und Demokratie zu einer Illusion all jener werden lässt, die unter der rigoro-sen Hegemonie des Regierungsnetzes arbeiten.

Kristaps Gulbisnationaltracht der europäischen union gedrucktes Magazin und 9 drucke, 2009

Ziel der Initiative ist die Schaffung eines neuen Attributs der Europäischen Union – einer Nationaltracht, die für alle EU-BürgerInnen entworfen wurde. Die Europäische Union weist bereits einige Eigenschaften eines souverä-nen Staates auf: ein Parlament, eine Zentralbank, eine Währung, eine Gesetzgebung, eine Fahne und eine Na-tionalhymne. Genauso wie die Vorderseite der Euromünzen in ganz Europa bekannt ist, hat auch die Nationaltracht ein allen gemeinsames Element – gelbe Sterne auf einem blauen Hintergrund aus Stoff. Ähnlich der Rückseite der Münzen, die an wichtige Symbole eines jeden Mitglieds-staates erinnern sollen, basiert auch die Nationaltracht der Europäischen Union auf unterschiedlichen Designs für jedes Land, wobei die historischen Nationaltrachten eines jeden Landes als Basis verwendet wurden. Die Details der Kleidungsstücke sind auf stilisierte Weise den Nationaltrachten entlehnt und an die

Rhythmen des modernen Lebens angepasst. So verweisen sie auf das Land des/der TrägerIn. Die Trachten eignen sich für unterschiedliche Klimazonen und können bei wichtigen offiziellen, feierlichen Anlässen auf europäischer Ebene getragen werden.Eine freiwillige Union unterschiedlicher, historisch unabhängiger Staaten und BürgerInnen hat auf dem europäischen Kontinent nie existiert, und dieser Aspekt macht sie einzigartig. Wirtschaftlich und politisch funktioniert die EU als ein Organismus. Die verschiedenen Kulturen und Traditionen der europäischen Länder jedoch, genauso wie die unterschiedlichen Mentalitäten, bestimmen die Multi-Nationalität dieses geopolitischen Kulturraums.Angehörige der europäischen Länder waren immer stolz auf ihre nationale Zugehörigkeit und auf ihre kul-turellen Traditionen. Letztere beinhalten auch die Nationaltrachten. Auch wenn deren Aktualität und Ge-brauch sich mit der Zeit verändert haben, bleiben sie doch bei verschiedenen kulturellen Aktivitäten und Ereignissen bedeutsam und dienen auch heute noch in manchen europäischen Regionen als feierliche Bekleidung. Die offizielle Tracht der Europäischen Union, also die Nationaltracht der Europäischen Union, wird ein weiteres Symbol für die Union dieser Länder sein. Geplant ist, der Europäischen Kommission einen Ge-setzesentwurf vorzulegen, um den Gebrauch dieser Nationaltrachten zu regeln und ihr Design und ihre Muster rechtlich anzuerkennen.

Kristaps Gulbis ist Bildhauer. Er lebt und arbeitet in Lettland und hat an zahlreichen zeitgenössischen Kunstprojekten in mehr als 20 Ländern teilgenommen, darunter an einer Einzelausstellung im Leitrim Sculpture Centre in Irland und an Gruppenausstellungen wie der Lodz Biennale in Polen und im Newhouse Center for Contemporary Art, Staten Island. Er war außerdem mit einem Künstlerstipendium in Sapporo, Ja-pan. Sein Projekt „Pink House" (zusammen mit A. Bikse) wurde bei der 51. Biennale in Venedig präsentiert. Gulbis produziert zeitgenössische Interventionen im öffentlichen Raum, die vor allem die Zugänglichkeit der Kunstwelt und das Verschwimmen der Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Bereichen hervorhe-ben. Seine Projekte beinhalten schlicht humoristische, soziale Interaktionen.

Stefanos TsivopoulosVerlorenes denKMal einkanalvideo, hd cam, 16:9 Farbe, 27 Min., 2009

Die Arbeit Verlorenes Denkmal bezieht sich auf ein umstrittenes Denkmal, die vier Meter hohe Statue des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman. Das Denkmal befindet sich im Zentrum Athens in Griechen-land, neben dem historischen Dreieck der Akropolis, dem griechischen Parlament und dem Panathinaiko Stadium. Seit seiner Errichtung 1963 zum Gedenken der Truman Doctrine ist das Denkmal beliebtes Ziel jener BürgerInnen, die ihren Protest äußern wollen, in Opposition gegen die Statue eines US Präsidenten, die ausgerechnet in der Hauptstadt eines Landes steht, dessen Bürgerkrieg mittels der Intervention eben die-ses Präsidenten entschieden wurde.Im Film wird die Statue von zwei Bauern in einem Feld entdeckt. Es ist scheinbar unmöglich zu identifizie-ren, wen sie darstellt. Außerdem ist sie wertlos, weswegen sie ganz offensichtlich weggeworfen wurde. Von diesem Augenblick an beginnt die Figur eine Reise, fast wie ein zweiter Odysseus, welche sie in mehrere unterschiedliche Szenarien in Griechenland und der Türkei führt, wo die Menschen nichts über sie wissen und sie zuletzt loswerden wollen. Die Menschen und die Landschaften, die wir in Trumans homerischen Wanderungen erleben, sind absolut und grenzen an Stereotype. Sie markieren die metaphysische Dimen-sion der Dislokation, welche die vier Sichtweisen, die den Film ausmachen, antreibt und schließlich wieder miteinander verbindet.

Verlorenes Denkmal bezieht sich nicht nur auf eine Schlüsselperiode in der griechischen Geschichte, sondern auch in einem weiteren Sinn auf einen Augenblick nach dem Krieg in Europa, welcher zweifellos immer noch mit der Gegenwart verbunden ist. Der symbolische Beginn des Kalten Krieges durch die Intervention von Truman 1947 und seine Historisierung, nicht einmal zwanzig Jahre später, durch den Bau eines Denkmals, das ihm auf einem öffentlichen Platz in Athen gewidmet ist, beides begünstigt die Intenti-on, antagonistische Erinnerungen sich überlagern zu lassen. Dies geschieht in einem Areal des Diskurses, in dem der Konflikt intakt und offen bleibt, und wo, per definitionem, das Artefakt der Macht die Zeichen seiner visuellen Ineffizienz zeigt.

Der griechische Künstler stefanos tsivopoulos lebt und arbeitet in Athen und Amsterdam. Seine Arbeit wurde bei Ausstellungen wie der Manifesta 8 in Murcia, der 1. Bienniale in Athen, im Witte de With Rotter-dam, in der BFI Southbank London, im Friedericianum Kunstverein Kassel, bei der ev+a Bienniale in Lime-rick, im Centre Pompidou Paris, im Museum of Contemporary Art Belgrade, im Museum of Contemporary Art Heidelberg, im Centre Photographique d’Isle Paris sowie in der Essl Stiftung Klosterneuburg gezeigt. Er war Artist-in-Residence an der Rijksakademie Amsterdam, Platform Garanti Istanbul, IASPIS Stockholm und 2011 Artist-in-Residence am ISCP NY.

Société Réaliste (Ferenc Gróf und Jean-Baptiste Naudy, HU/FR)transitioners: BlicK auF london 2 große drucke, 2009

2006 rief die Société Réaliste „Transitioners” ins Le-ben, eine „Trend-Design-Agentur”, die auf politische Übergänge spezialisiert ist. Sie transferiert die Prinzi-pien der Trendvorhersage, die von der Modeindustrie verwendet werden, auf den Bereich der Politik und hin-terfragt so in ihrem Projekt die „Revolution” als zentra-le, operative Kategorie westlicher Gesellschaften. Mit Blick auf die gegenwärtige politische Atmosphäre, und um ihre Effizienz zu steigern, definiert „Transitioners” formale Klimata, in denen soziale Transformationsbe-wegungen stattfinden werden. Jedes Jahr basiert so eine aktuelle Trendsammlung auf einem bestimmten historischen Ereignis als Bezugspunkt.2009 entwickelte „Transitioners” die Sammlung „London View” für Ausstellungen in London, Berlin und Novi Sad. Angeregt durch die europäischen Revolutionen von 1848 nähert sich diese Sammlung dem „Revolutionsjahr” und dem neuen politischen Paradigma, welches damals erlebbar war: dem Schema eines synchronen, kontinentalen, revolutionären Vorstoß. Von den ersten Studenten- und Arbeiterdemons-trationen in Paris im Februar 1848 bis zum Ende des ungarischen Bürgerkriegs im Dezember 1849 fanden überall in Europa Revolutionen statt. Vierzig europäische Städte waren die Schauplätze kollektiver Ereig-nisse, mit denen auch heute in ähnlicher Form der politische Kontext hinterfragt wird: kollektive Sponta-nität, polyzentrische Organisation, internationale Zusammenarbeit durch Kommunikation und horizontal organisierte Strategien.Im Februar 1848 publizierten Marx und Engels das „Manifest der Kommunistischen Partei”, einen Essay, welcher den Beginn der theoretischen Führungsrolle des hegelianischen Marxismus der europäischen revolutionären Kräfte markierte. Das Projekt „Transitioners: Blick auf London" hinterfragt spezifische Ana-lysen der politischen Situation von Marx & Engels, besonders die mangelnde Präzision ihrer Londoner Sichtweise im Hinblick auf die komplexe Multiplizität der Revolutionen, die zeitgleich auf dem europäi-schen Kontinent statt fanden.

société réaliste ist eine Pariser Kooperative, die von Ferenc Gróf und Jean-Baptiste naudy im Juni 2004 ins Leben gerufen wurde. Die Kooperative arbeitet mit politischem Design, experimenteller Wirtschaft,

territorialer Ergonomie und Social Engineering Consulting. Auf einer polytechnischen Basis werden durch Ausstellungen, Veröffentlichungen und Konferenzen Produktionsschemata entwickelt. Die Société Réa-liste wird von der Galerie Martine Aboucaya (Paris) und Kisterem (Budapest) vertreten. 2010 präsentierte sie ihre Arbeit im Rahmen verschiedener Gemeinschaftsausstellungen (Rennes Bienniale, FR; Fondazi-one Pistoletto,Biella, IT; Mucsarnok/Kunsthalle, Budapest, HU; Walter und McBeanGalleries, SFAI, San Francisco, USA). Derzeit arbeiten die KünstlerInnen an einer Reihe von Einzelausstellungen, die im Sep-tember in der Platform3 in München und in der Škuc Gallery in Ljubljana eröffnet werden.

Tilmann Mayer-FajeVersüssunGsMassnahMe installation, verschiedene Medien (tisch, cookies, ofen, plasma-Monitor), 2011

Tilmann Meyer-Faje sucht nach individuellen Aus-drucksformen innerhalb dominanter Strukturen. Er er-forscht, wie Menschen heutzutage in dem kolossalen Skelett des industrialisierten Urbanen leben, das noch zu Sowjet-Zeiten entstand. Er analysiert, wie die Funk-tionen des Mikrodistrikts in das gegenwärtige Leben und die Bedürfnisse der EinwohnerInnen übertragen wurden. So entdeckt er eine Menge Ähnlichkeiten, vor allem aus jüngster Zeit, selbst wenn es schon einige Zeit her ist, dass das dominante System versagte. Er unterhält eine Bilderdatenbank mit einer eindrucksvollen Anzahl austauschbarer Aufnahmen vom Terri-torium der ehemaligen Sowjetunion (wie Menschen sich verhalten, was sie tragen, die Werbetafeln, die Mikrogeschäfte, die Garagen und so weiter). Er selbst hat für dieses Phänomen keine Erklärung. Viel-leicht wirkt die sowjetische Doktrin noch immer in den Genen der Menschen, oder eine neue souveräne Macht übernahm sie, um für die Alltagsinfrastruktur zu sorgen? In seinen Performances und Installati-onen verbindet Tilmann Meyer-Faje den Alltag mit der Massenproduktion vorgefertigter Wohnungen. Er reproduziert die Ornamente, die den Häusern appliziert wurden, um auf etwas wie eine lokale Identität zu verweisen. Er spielt mit dem Versagen dieser Maschinerie. Diese Dekorationen, die Identität produzieren sollten, werden zum austauschbarsten Teil des Gebäudes, die Risse, die von den Baumeistern stammen, dominanter als das tatsächliche Design. Im European Ceramic Work Centre EKWC in Den Bosch stellte er eine ganze Manufaktur aus, in der ArbeiterInnen standardisierte Wohnungen produzierten.

tilmann Mayer-Faje wurde in Deutschland geboren. Er lebt und arbeitet in Amsterdam. Dort studier-te er audiovisuelle Kunst an der Gerrit Rietveld Academy und bildende Kunst am Sandberg Institut. Meyer-Faje untersucht, inwiefern Versprechen des Marktes eingehalten werden, und lässt diese in seinen Performances Gestalt annehmen. Seine Arbeit fokussiert die Ironie die aus der Diskrepanz zwischen der Sprache des Marketing und der tatsächlichen Erfahrung resultiert. Er verzerrt bewusst Fiktion und Realität. So präsentiert er die sezierten Stücke seiner genauen Untersuchungen aus Archiven oder dem Internet. Seine Mischung aus Realem und Fiktion enthält jedoch weniger Fiktives, als der/die BetracherIn erwartet. Einige wichtige Projekte sind: Universität Ulrichsberg, eine Ein-Personen-Universität in einem Dorf, Installation und Performance, Festival der Regionen, Ulrichsberg, Österreich 2005. Rembrandt thuis, ein Magazin, das den Geburtstag Rembrandts feiert, im Rahmen der Mercury in Retrograde/CTP Ausstellung in De Appel, Amsterdam, Niederlande 2006. Portrait of an exciting city, Video-Collage aus-tauschbarer Werbungsphrasen, Museum Abteiberg, Mönchengladbach, Deutschland 2007. Portrait of an exciting country, Video-Collage austauschbarer Werbungsphrasen, RO-MD/Moldova in Two Scenarios, organisiert vom KSAK Center for Contemporary Art, Chisinau, Moldawien 2008. Huisstijl de luxe, Innen-einrichtung einer Heilanstalt, RGC Doetinchem beauftragt von SKOR, Amsterdam, Niederlande 2009.