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GENOMXPRESSSONDERAUSGABESeptember 2005

Highlights aus der Genomforschung an MikroorganismenGenoMik 2001–2005

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Inhalt 2

GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

InhaltVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Vier Jahre Genomforschung an Bakterienzum Schutz der Umwelt, für eine nach-haltige Landwirtschaft und für die biotechnologische Produktion von Feinchemikalien und Therapeutika . . . . . .4

Die Bielefelder Softwaresuite für bakterielle Genomforschung . . . . . . . . . . . .5

Leben in Gräsern: Kooperation zwischen Pflanzen und Bakterien für einen nach-haltigeren landwirtschaftlichen Anbau . . . . . .7

Genexpressionsanalysen erlauben die Aufklärung komplexer bakterieller Differenzierungsprozesse in der Rhizo-bien-Leguminosen Symbiose . . . . . . . . . . . . . . .9

Der Beginn einer ertragreichen Partnerschaft: Bradyrhizobium japonicumund Sojabohne tauschen Signale aus . . . . .10

Auf dem Weg zum maßgeschneiderten Pflanzenschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

Identifizierung einer Genomregion von Clavibacter, die die Ausprägung der bakteriellen Welke der Tomate beeinflußt .12

Wie unterscheiden Pflanzen zwischen Krankheitserregern und nützlichen Mikroorganismen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

Genomsequenz von Alcanivorax borkumensis – einem universellen Öl-abbauenden, marinen Bakterium . . . . . .14

Kontrolle über den C-Fluss – Zwei neu entdeckte Proteine könnten die Amino-säureproduktion von Corynebacterium glutamicum steigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16

Identifizierung und Charakterisierung des globalen Regulators der Stickstoffkontrolle in Corynebakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17

Streptomyceten – eine unerschöpfliche Quelle für neue Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . .18

Neue Wirkstoffe – Concanamycin A ein interessant "garniertes" Polyketid . . . .19

Mikroben mit Mega-Genom: multizelluläreLebensweise, biologisch aktive Naturstoffeund 10.000 Gene bei Myxobakterien . . . . .21

GenoMik-Kompetenznetzwerk Göttingen

BiotechGenoMik auf dem Weg ins fünfte Jahr seiner Arbeit . . . . . . . . . .22

Gene, die als Marker für Stress dienen, helfen,die Effizienz des Waschmittelenzym-Produzen-ten Bacillus licheniformis zu steigern . . . . . .23

Dünger aus Mikroben – Gene in Bacillus amyloliquefaciens entdeckt, die Pflanzen besser wachsen lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

„Made by Ralstonia“ – Entwicklung neuer Produktionsstämme für eine auf Wasserstoff basierende Biotechnologie . . .26

Abfallstoffe als Nahrung – Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses zur Herstellung von Butanol aus billigem Synthesegas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28

Genomsequenz enthüllt das Potenzial von Gluconobacter oxydans für Biotransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29

Gluconobacter oxydans: Produzent industriell relevanter Biomoleküle . . . . . . . . .30

Umweltgenomik (Metagenomik) als nahezu unerschöpfliche Quelle für neue Biokatalysatoren, Stoffwechselwege und Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32

Die Sequenzierung und funktionelle Analyse des Genoms des säure- und hitze-beständigen Archaeons Picrophilus torridusliefert die Information für neuartige Biokatalysatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34

GenoMik-Kompetenznetzwerk Würzburg

Genomforschung an pathogenen Mikroorganismen – PathoGenoMik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36

Die erste Genomsequenz einer apathogenen Staphylokokkenspezies als Grundlage für die Identifizierung neuer Virulenzfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37

Mit Gen-Chip-Analysen und Proteom-Untersuchungen den Ursachen von chronischen, Therapie-refraktären Infektionen auf der Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . .38

Wie werden Bakterien antibiotikaresistent?Pneumokokken als Gendiebe . . . . . . . . . . . . .39

Vergleichende Genomanalyse des Genus Listeria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40

Entdeckung neuer Impf- und Diagnostika-Antigene bei der Tuberkulose 41

Entschlüsselung des Genoms des krebserregenden Bakteriums Helicobacter hepaticus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42

Spuren der Menschheitsgeschichte in den Genen eines Krankeitserregers . . . . .43

Neisseria meningitidis: harmloser Kommensale und gefährliches Pathogen . .44

Umweltkeime – ein genetisches Reservoir für Virulenzfaktoren von Krankheitserregern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45

Neue Diagnostikverfahren zur Erkennunggefährlicher Colibakterien . . . . . . . . . . . . . . . .46

Funktionelle Genomik und Dynamik pathogener Escherichia coli: Variabilität undMigration von krankheitsverursachenden Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47

Genotypisierung von ESBL verursachenden b-Laktamasen mittels DNA-Chips zur Schnelldiagnose mikrobieller Antibiotika-resistenzen in der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . .48

Oligonukleotidarray für die Diagnostik von Staphylokokken und von Enterokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49

Die Evolution der Chlamydien – Einblickein die Entwicklungsgeschichte bedeutenderbakterieller Krankheitserreger . . . . . . . . . . . .50

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3 Vorwort

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,Die signifikante Verknappung von Res-

sourcen und Energie, ein steigender Bedarf anNahrungsmitteln und eine weitere Belastungder Umwelt durch den anthropogenen Eintragvon Schadstoffen sind globale Trends, die dieweltweite Lage auf den Gebieten Gesundheit,Ernährung und Umwelt immer stärker beein-flussen. Darüber hinaus bedrohen Infektions-krankheiten die menschliche Gesundheit, dienicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Ver-breitung von Antibiotikaresistenzen nur nocheingeschränkt und unter hohen Kosten thera-pierbar sind. Um den sich abzeichnenden Pro-blemen zu begegnen, bedarf es einer frühzeiti-gen Entwicklung von Lösungsstrategien.

Mikroorganismen sind Teil dieser Pro-blemlage, insbesondere im Hinblick auf die vonihnen ausgelösten Infektionskrankheiten, de-nen jährlich ca. 17 Millionen Menschen zumOpfer fallen. Darüber hinaus verursachen sie inder Landwirtschaft durch Pflanzen- und Tier-krankheiten einen immensen volkswirtschaftli-chen Schaden.

Gleichzeitig bietet die Erforschung undNutzung der Mikroorganismen jedoch einenoch weitgehend ungenutzte Chance, um die-sen globalen Trends entgegenzuwirken und Lö-sungsansätze z.B. in den Bereichen der Verbes-serung der menschlichen Gesundheit, derSicherstellung einer nachhaltigen Ernährungs-grundlage für Mensch und Nutztiere, der Vor-beugung und Beseitigung von Umweltschädenund der Etablierung einer energie- und res-sourcenschonenden biobasierten Wirtschaftder Zukunft zu finden und umzusetzen.

Mit der vom Bundesministerium für Bil-dung und Forschung (BMBF) im Jahr 2001gestarteten Forschungs- und Förderinitiative„Genomforschung an Mikroorganismen –GenoMik“ wurden die strukturellen und inhalt-lichen Voraussetzungen für die Nutzung desPotentials von Mikroorganismen durch globalegenombasierte Forschungsansätze geschaffen.In Deutschland entstanden vernetzte, interna-tional wettbewerbsfähige Kompetenzkerne derGenomforschung an Mikroorganismen. DieForschung in diesen Kompetenznetzen grup-piert sich um drei Themen: Genomforschung an

Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirt-schaft und die Biotechnologie, für die Analyseder Biodiversität und ihre Nutzung zur Ent-wicklung neuer Produktionsverfahren und fürdie Bekämpfung menschlicher Infektionskrank-heiten. Jedes der drei Kompetenznetze wirdvon einer Universität koordiniert (UniversitätenBielefeld, Göttingen und Würzburg). An denKompetenznetzen sind insgesamt mehr als 80Arbeitsgruppen und 10 Unternehmen beteiligt.

In der vorliegenden Sonderausgabe desGenomXPress sind beispielhaft einige der For-schungsergebnisse dokumentiert, die in denletzten Jahren von den drei Kompetenznetzenerzielt wurden. Gemeinsames Anliegen war es,die genomische Sequenz wissenschaftlich, kli-nisch und wirtschaftlich bedeutsamer Bakteri-en zu entschlüsseln und darauf aufbauend diefunktionelle Genomanalyse mit dem Ziel vor-anzubringen, nutzbringende Forschungsergeb-nisse auf den verschiedensten Anwendungsfel-dern zu erzielen. Die Sequenzierung von 28bakteriellen Genomen hat dafür eine wertvolleWissensbasis geschaffen. Aus der Vielzahl dersich daraus ergebenden spannenden For-schungsergebnisse werden hier 35 exempla-risch vorgestellt. Es geht z.B. um die Entwick-lung neuer Strategien für den Pflanzenschutzund den Umweltschutz, um die Gewinnungneuer Proteine und die Entwicklung neuer bio-technologischer Produktionsprozesse oderneuer Strategien zur Diagnostik und Therapiebakterieller Infektionskrankheiten.

Diese Forschungsergebnisse belegeneindrucksvoll die internationale Wettbewerbs-fähigkeit der Genomforschung an Mikroorga-nismen in Deutschland. Dies spiegelt sich nichtzuletzt in der großen Resonanz auf die von dendrei Kompetenznetzen gemeinsam organisier-ten europäischen Konferenzreihe „EuropeanConference on Prokaryotic Genomes - PROKA-GEN“ wider, die in diesem Jahr zum zweitenMal in Göttingen stattfindet.

Die in der Forschungs- und Förderi-nitiative „GenoMik“ erzielten Erfolge müssenverstetigt und auf eine nachhaltige Grundlagegestellt werden. Deshalb wird das BMBF imkommenden Jahr die Fördermaßnahme „Geno-Mik-Plus“ starten. In „GenoMik-Plus“ sollendie etablierten Kompetenzkerne der Genomfor-

schung an Mikroorganismen erhalten, in ihrenForschungszielen fokussiert und für weiterePartner geöffnet werden. Dabei sollen insbe-sondere solche Forschungsziele berücksichtigtwerden, die bereits zur internationalen Wett-bewerbsfähigkeit des Förderschwerpunkts„GenoMik“ beigetragen haben. Von ganzwesentlicher Bedeutung ist es, dass interessier-te Wirtschaftsunternehmen einen „Industrie-verbund mikrobielle Genomforschung“ ge-gründet haben, der seine Aufgabe vor allem inder Begleitung der Forschungs- und Förderi-nitiative durch die Beförderung des Technolo-gietransfers gemeinsam mit Forschern aus„GenoMik-Plus“ sieht. Diese noch stärkereAnwendungsnähe der Forschung im Rahmenvon „GenoMik-Plus“ ist ein ganz wesentlichesZiel der vom BMBF verfolgten Forschungs- undFörderpolitik auf dem Gebiet der Lebenswis-senschaften.

Zur noch stärkeren Vernetzung der bak-teriellen Genomforschung in Deutschland mitden europäischen Nachbarn wird das BMBFdarüber hinaus im kommenden Jahr europäi-sche Forschungs- und Förderaktivitäten zurSystembiologie an Bakterien und zur Erfor-schung humanpathogener Bakterien auf denWeg bringen. Diese Fördermaßnahmen werdenflankierend zu „GenoMik-Plus“ die transnatio-nale Zusammenarbeit auf wichtigen For-schungsfeldern stärken.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnah-men in ihrer Gesamtheit ein positives Umfeld fürdie weitere erfolgreiche Entwicklung der Ge-nomforschung an Mikroorganismen in Deutsch-land schaffen. Die erste, hier präsentierte Zwi-schenbilanz jedenfalls kann sich sehen lassen.Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen

Reinhard JunkerLeiter der Abteilung Gesundheit, Biowissenschaften, Nachhaltigkeit im BMBF

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GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld 4

GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Vier Jahre Genomforschung an Bakterien zum Schutz der Umwelt,für eine nachhaltige Landwirtschaft und für die biotechnologische Produktion von Feinchemikalien und TherapeutikaAlfred Pühler und Werner Selbitschka

Das Kompetenznetzwerk "Genomforschung anBakterien für den Umweltschutz, die Landwirt-schaft und die Biotechnologie" widmet sich seitseinem Start im Jahre 2001 der Genomfor-schung an ausgesuchten Bakterien, die auf dengenannten Gebieten wichtige ökologische oderökonomische Aufgaben erfüllen. Generelles Zielist dabei, die Forschung an vorderster Front vor-anzutreiben und die erzielten Ergebnisse einerwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen.

Das Kompetenznetwerk bündelt ge-genwärtig deutschlandweit die Expertise von 22Forschungsgruppen, die an 11 Universitäten, dreiForschungszentren und in zwei Industriefirmenarbeiten. Als zentrale koordinierende Einheit desNetzwerks wurde an der Unversität Bielefeld einKompetenzzentrum installiert. Es besteht auseinem administrativen Netzwerkmanagementund einer Plattform für Technologien der bakteri-ellen Genomforschung. Die Technologieplattformhält die für bakterielle Genomforschung nötigeInfrastruktur und Expertise auf den GebietenDNA-Sequenzanalyse, Bioinformatik, Transkripto-mik, Proteomik und Metabolomik vor und stelltdiese den Netzwerkpartnern zur Verfügung.

Nach vier Jahren Forschungsarbeit, inderen Mittelpunkt die Entzifferung der geneti-schen Information von insgesamt fünf verschie-denen Bakterienstämmen stand, ergeben sichnun erste faszinierende Einblicke in das geneti-sche Potential dieser Organismen. Einen zweitenSchwerpunkt der Arbeiten des Netzwerks bilde-ten Postgenomanalysen bei Bakterien, derenGenomsequenzen bereits vorlagen. Hier wurdeninsbesondere Studien durchgeführt, mit derenHilfe die Aktivität aller Gene eines Organismusin Abhängigkeit von Umweltbedingungen ermit-telt werden kann. Diese genomweiten Analysenmittels Microarrays zeigen, welche Gene unter

gegebenen Bedingungen von dem bakteriellenOrganismus an- oder abgeschaltet werden undliefern somit wichtige Anhaltspunkte über dieBedeutung der jeweiligen Genfunktionen unterdefinierten Umweltbedingungen.

Auf dem Sektor Landwirtschaft wur-den die Genome von Bakterien analysiert, dieden Ertrag von Nutzpflanzen entscheidend be-einflussen. Dabei ist zwischen Pflanzenwuchs-fördernden Bakterien und Pflanzenwuchs-schä-digenden Bakterien zu unterscheiden. Boden-bakterien wie Sinorhizobium meliloti oder Bra-dyrhizobium japonicum können eine Lebensge-meinschaft mit wichtigen Nutzpflanzen wie So-jabohne oder Luzerne eingehen, die das Pflan-zenwachstum von Stickstoffdüngung befreit.Das im Netzwerk bearbeitete Bakterium Azoar-cus sp. kann die bedeutende Nutzpflanze Reis-pflanze endophytisch besiedeln und stimuliertauf diese Weise deren Wachstum. Im Gegensatzhierzu sind pflanzenwuchsschädigende Bakteri-en wie Xanthomonas campestris pv. vesicatoriabzw. Clavibacter michiganensis subsp. michiga-nensis für eine Ertragsminderung bei Nutzpflan-zen verantwortlich. Beide Organismen verursa-chen weltweit signifikante Ernteausfälle bei derTomate.

Auf dem Gebiet Umwelt stand einschadstoffabbauendes Bakterium im Mittel-punkt des Interesses. Hierbei handelt es sich umAlcanivorax borkumensis, ein vor der Insel Bor-kum in der Nordsee isoliertes Bakterium, das inder Lage ist Öl abzubauen.

Im Bereich der Biotechnologie stan-den Bakterien im Fokus, die seit langer Zeitanwendungsorientiert eingesetzt werden. Sowird beispielweise das Bakterium Corynebacte-rium glutamicum zur fermentativen Aminosäu-reproduktion eingesetzt. Aminosäuren werden

hauptsächlich als Futtermittelzusatz in der Tier-mast verwendet. Bakterien der Gattung Strep-tomyces sind dagegen als potente Produzentenvon Antibiotika bekannt. Diese biologisch wirk-samen Substanzen sind bei der Krankheits-bekämpfung bei Mensch, Tier und Pflanze nichtmehr wegzudenken. Ein bisher noch weitgehendunerschlossenes Potential liegt bei Myxobakteri-en. Bakterien dieser Gruppe wie Sorangium cel-lulosum sind besonders als potente Produzentenvon Naturstoffen bekannt, die auch bei Tumor-erkrankungen Verwendung finden.

Bei allen im Netzwerk bearbeitetenBakterien ist die Kenntnis der Genomsequenzder Schlüssel zum Verständnis der jeweiligencharakteristischen Stoffwechselleistungen. Dieaus den Genomanalysen resultierenden Erkennt-nisse legen somit die Grundlagen dafür, das Ver-wertungspotential der Bakterien nutzbringendauszuschöpfen. Die im folgenden beschriebenenForschungsergebnisse werfen ein Schlaglicht aufden gegenwärtigen Stand der Forschung. Sie sol-len aufzeigen, auf welchen Gebieten sich nutz-bringende Anwendungen in nächster und naherZukunft ergeben können.

KontaktProf. Dr. A. Pühler GenoMik-Kompetenznetz Bielefeld Lehrstuhl für Genetik Postfach 100 131, D-33501 Bielefeld E-Mail: [email protected]

Geschäftsstelle Dr. Werner Selbitschka E-Mail: [email protected]

www.genomik.uni-bielefeld.de

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5 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Die Bielefelder Softwaresuite für bakterielle GenomforschungAlexander Goesmann, Daniela Bartels, Thomas Bekel, Kai Runte und Folker Meyer

Der Einsatz moderner Hochdurchsatzmethodender bakteriellen Genomforschung liefert einegroße Datenfülle in kurzer Zeit. Zur Datenver-arbeitung, ihrer Analyse und Integration wirdeine Vielzahl Computer-gestützter Methodeneingesetzt. Die Anforderungen für die Bioinfor-matik liegen daher sowohl in der Softwareent-wicklung als auch in einer geeigneten Hard-ware-Infrastruktur. Darauf basierend bestehtdie Konzeption der Bioinformatik des Bielefel-der Netzwerks auf der In-house Entwicklungvon Software zur Unterstützung bakteriellerGenomprojekte.

Verarbeitung der RohdatenZu Beginn der Computer-gestützten

Auswertung großer Datenmengen steht zu-nächst die sichere Speicherung und Verwaltungder Rohdaten. Zugleich muss der Fortgang derExperimente überwacht werden, um auftreten-de Probleme schnell zu erkennen. Im Bereichder Genomsequenzierung wurden zu diesemZweck die Softwarepakete BioMake, BACCardIund SAMS entwickelt. BioMake dient der Spei-cherung und Überwachung von Sequenzdaten.Detaillierte und stets aktuelle Informationenzum Stand der Sequenzierungen der Genomewerden Projektpartnern über die Web-Ober-fläche der BioMake-Software präsentiert. In-zwischen wurde mit dem SAMS Programmpa-ket (Sequenzanalyse und Management System)eine wesentlich verbesserte und im Funktions-umfang deutlich erweiterte Software imple-mentiert. Es ist nun auch möglich, Methodenaus dem Bereich der eukaryotischen Sequenz-analyse bioinformatisch zu unterstützen.

Die genetische Information bakteriellerGenome wird heute üblicherweise mit demsogenannten Whole Genome Shotgun Verfah-

ren bestimmt. Die bei der anschließendenAssemblierung des Genoms erzielten Ergebnis-se können noch unvollständig oder fehlerhaftsein und müssen daher in der anschließendenLückenschluß-Phase bearbeitet und validiertwerden. Zu diesem Zweck wurde eine Softwarezur automatischen Generierung von BAC- bzw.Fosmid-Karten (BACCardI) für die Validierungund Unterstützung des Lückenschluß-Prozessesentwickelt (1).

GenomannotationLiegt die Genomsequenz eines Bakteri-

ums vollständig entschlüsselt vor, müssen funk-tionstragende Elemente in der Sequenz identi-fiziert werden. Diese Aufgabe wird von dem inBielefeld entwickelten AnnotationssystemGenDB (2) wahrgenommen. Dazu werden zu-nächst in einem Genvorhersage-Schritt Regio-nen identifiziert und gemäß ihrer strukturellenEigenschaften zu Genen, tRNAs etc. klassifi-ziert. Diesen Regionen werden dann im Funkti-onsvorhersageschritt ihre wahrscheinlichenFunktionen zugewiesen. Das aktuelle GenDB-Annotationssystem 2.2 erlaubt aufgrund derderzeitig vorhandenen Rechnerkapazitäteneine weitgehend automatische Annotation

eines bakteriellen Genoms durchschnittlicherGröße innerhalb von ein bis zwei Tagen. Für diemanuelle Annotation steht den Benutzern einWeb-Interface mit vollem Funktionsumfang zurVerfügung, wodurch Projektpartnern weltweitZugang zu ihren Daten ermöglicht wird.

Bioinformatische Unterstützung von Transkriptom- und ProteomforschungBei der Analyse des Transkriptoms von

Bakterien mittels der Microarray-Technik wirdeine kurze, für das jeweilige Gen charakteristi-sche DNA-Sequenz (Oligonukleotid) verwen-det, um die Transkription dieses Gens bei-spielsweise unter verschiedenen Umweltbedin-gungen zu messen. Mit dem Programm Oligo-Designer wurde in Bielefeld ein effizientes,Web-basiertes Werkzeug zur Berechnung derOligonukleotide für genomweite Microarraysentwickelt.

Mit den Softwarepaketen ArrayLIMSund EMMA (3) wurde eine Plattform zur Spei-cherung und Analyse von Microarray-Experi-mentdaten etabliert. Die zentrale Datenerfas-sung über die ArrayLIMS-Komponente zur Ver-

Abb. 1: Der BRIDGE-Layer integriert die drei spezialisierten Softwarekomponenten GenDB, EMMA und ProDB.

Heterogene Datensätze werden miteinander verknüpft, so dass domänenübergreifende Abfragen möglich sind.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

arbeitung der Microarray-Rohdaten erlaubteine strukturierte Speicherung der experimen-tellen Arbeitsschritte und Parameter. Die Analy-se der experimentellen Daten beinhaltet nebeneiner Rohdaten-Normalisierung Methoden zurIdentifizierung von regulierten Genen undGruppen von gemeinsam regulierten Genen.Durch die Kompatibilität zum MAGE-OM(Microarray Gene Expression – Object Model)-Standard wird der flexible Datenaustausch zwi-schen verschiedenen Orten und Software-Systemen ermöglicht.

Für die Unterstützung der Proteomikwurde ebenfalls ein umfangreiches System ent-wickelt (ProDB; 4). Die Software bietet diegrundlegenden Funktionen und Anforderungenzur Erfassung und Auswertung von Daten ausProteomexperimenten und kann über einebenutzerfreundliche Web-Oberfläche bedientwerden. ProDB beinhaltet eine Komponente zurSpeicherung von experimentellen Arbeitsabläu-fen sowie Bild- und Messdaten. Weiterhin wirdder Benutzer über eine Web-basierte Ober-fläche bei der Analyse von 2D Gelen unterstütztund es erfolgt eine weitgehende Automatisie-rung der verschiedenen Arbeitsschritte (z.B.Datenbanksuche zur Spot-Identifikation).

Integration der SoftwarepaketeEin wichtiges Konzept der Bielefelder

Softwaresuite ist die Integration der einzelnenKomponenten zu einem Gesamtsystem, dasaufgrund der umfangreichen DatengrundlageZugang zu neuen Analysekonzepten bietet.Eine technische Integration der entwickeltenSoftwarekomponenten wurde mittels des BRIDGE Systems (Abb. 1; 5) erreicht, so dassauch komplexe und bereichsübergreifendeAnfragen auf Gesamtsystem-Ebene auf einfa-che Weise ermöglicht werden. So wird zum Bei-spiel beim Zugriff auf die Annotation einesGens aus einer Microarray-Analyse immergewährleistet, dass dem Benutzer stets dieaktuellen Annotationsinformationen des Gensaus dem GenDB-System präsentiert werden.Gleichzeitig ermöglicht BRIDGE domänenüber-greifende Abfragen, etwa nach Genen einesbestimmten Stoffwechselweges, deren Genpro-dukte bereits in einem 2D Gel identifiziert wur-den und die unter spezifischen Bedingungenbeispielsweise verstärkt exprimiert werden. Mitdem BRIDGE-Konzept ist es auch möglich, neueSoftware zu integrieren, um die Software-Suitezu komplettieren. Ein Beispiel wäre die Inte-gration einer Metabolom-Komponente, die sichder bioinformatischen Auswertung von Meta-bolomdaten widmet.

Literatur1. Bartels et al. (2005) BACCardI – A tool for the

validation of genomic assemblies, assisting

genome finishing and intergenome comparison.

Bioinformatics 2: 853-9.

2. Meyer et al. (2003) GenDB – an open source

genome annotation system for prokaryote

genomes. Nucleic Acids Res. 31: 2187-95.

3. Dondrup et al. (2003) EMMA: a platform for

consistent storage and efficient analysis of

microarray data. J. Biotechnol. 106: 135-46.

4. Wilke et al. (2003) Bioinformatics support for

high-throughput proteomics. J. Biotechnol.

106: 147-56.

5. Goesmann et al. (2003) Building a BRIDGE for

the integration of heterogeneous data from

functional genomics into a platform for systems

biology. J. Biotechnol. 106: 157-67.

KontaktDr. Alexander Goesmann Universität Bielefeld, CeBiTec/BRFE-Mail: [email protected]

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Leben in Gräsern: Kooperation zwischen Pflanzen und Bakterien für einen nachhaltigeren landwirtschaftlichen AnbauBarbara Reinhold-Hurek und Thomas Hurek

Die Atmosphäre als Reservoir für Stickstoff-Dünger Eine anscheinend paradoxe Situation:

Pflanzen wachsen in einem „Ozean“ aus Stick-stoff, und dennoch ist der Mangel an Stickstoffeiner der wichtigsten Faktoren, die das Pflan-zenwachstum begrenzen. Pflanzen können näm-lich das Stickstoffgas der Atmosphäre nicht ver-werten, sondern benötigen ihn in Form andererVerbindungen wie Ammonium oder Nitrat. Dasindustrielle Haber-Bosch-Verfahren liefert Stick-stoff als Dünger, ist aber sehr energieaufwendig.Einige Bakterien sind in der Lage, mit Hilfe desbiochemischen Prozesses der Stickstoffixierung,Luftstickstoff in eine verwertbare Form umzu-wandeln. Mit Leguminosen zum Beispiel könnenBakterien (Rhizobien) eine Symbiose bilden, inder für eine effiziente Versorgung der Pflanze mitStickstoff spezielle bakterienhaltige Strukturen,Knöllchen, entstehen.

Stickstoff-fixierende Endophyten im Wurzelinnern von Gräsern und Getreiden Die weltweit wichtigsten Nutzpflanzen,

Reis, Weizen und Mais, bilden wie die anderenGräser keine spezifischen symbiotischen Struk-turen aus und gehen auch keine stickstoffixie-rende Symbiose mit Rhizobien ein. Trotzdemläßt sich vermutlich das Potential von Bakteri-en für Pflanzenwachstumsförderung und Stick-stoffixierung auch bei Gräsern und Getreidennutzen. Für einige Modellgräser ist bekannt,dass ein großer Teil des pflanzlichen Stickstoffsaus biologischer Stickstoff-Fixierung stammt.Zum Beispiel konnten Forscher der UniversitätBremen, Thomas Hurek und Barbara Reinhold-Hurek, zeigen, dass Bakterien der Gattung Azo-

arcus ihre Wirtspflanze Kallargras mit reduzier-tem Luftstickstoff versorgen können (1). Dabeisind sie nur sehr schwer aus den Pflanzenwur-zeln in Laborkultur zu bringen, obwohl sie inder Pflanze sehr aktiv sind, wie mRNA-Analy-sen gezeigt haben (1). Die Lebensweise dieserBakterien ist endophytisch: Sie können nichtnur die Wurzeloberfläche, die Rhizoplane, be-siedeln (Abb. 1, links). Sie dringen auch tief indas Pflanzengewebe ein, vorzugsweise in Wur-zeln, wo sie das Wurzelinnere im Apoplasten,also zwischen den Pflanzenzellen, dicht besie-deln können (Abb. 1, rechts). Ähnlich wieKrankheitserreger breiten sie sich in der Pflan-ze aus, führen aber nicht zur Ausbildung spezi-fischer Strukturen wie Knöllchen oder zu Sym-ptomen von Pflanzenkrankheiten (2). Damiterinnert ihr Lebensstil an Symbionten, aber

auch an pathogene Bakterien. Anders als zumBeispiel Rhizobien sind diese Endophyten keinetypischen Bodenbakterien; sie konnten bishernicht aus wurzelfreiem Boden isoliert oder dortmit molekularbiologischen Methoden detek-tiert werden. Daher scheinen sie in ökologi-schischer Hinsicht eng von Wirtspflanzen ab-zuhängen. Dies ist um so erstaunlicher, als ver-wandte Arten der gleichen Gattung Azoarcusals typische Boden- und Sedimentbewohnerbekannt sind.

Modell für endophytische Interaktionen: Reis - Azoarcus Obwohl das Isolat Azoarcus sp. BH72

aus Wurzeln von Kallargras stammt, könnendiese Bakterien interessanterweise im Laborauch in Reiswurzeln eindringen (Abb. 1). An

Abb. 1. Besiedlung von Reiswurzeln durch stickstofffixierende endophytische Bakterien, Azoarcus sp. BH72,

in Laborkultur. Links, Besiedlung der Wurzeloberfläche durch Bakterien, die mit GFP (grün fluoreszierendes Protein)

markiert sind (Fluoreszenzbeleuchtung) (2). Rechts, Mikrokolonie von Azoarcus sp. BH72 (Pfeil) im Wurzelinnern

(Dunkelfeldbeleuchtung), Abbildung aus (3).

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Reiskeimlingen zeigen sie ähnliche Infektions-orte und Besiedlungsmuster wie im Wirt Kallar-gras (2). Sowohl Kallargras als auch Reis sindüberflutungstolerante Pflanzen, die Gasräumein der Wurzel ausbilden, das sogenannte Aeren-chym (Abb. 1), das zur „Belüftung“ wie einKamin Sauerstoff in den Wurzelraum führt. Wiein Kallargras bietet auch in Reis dieses Gewe-be geeignete Bedingungen für den Prozeß derStickstoffixierung. Das sauerstoffempfindlicheSchlüsselenzym der Stickstoff-Fixierung, dieNitrogenase, wird nur bei niedrigen Sauerstoff-Konzentrationen und der Abwesenheit alterna-tiver Stickstoffquellen wie Ammonium undNitrat gebildet. Seine Genexpression konntenicht nur in Kallargras, sondern auch im Aeren-chym von infizierten Reiskeimlingen gefundenwerden (3). Zudem fördert Stamm BH72 inLaborkultur auch das Pflanzenwachstum vonReiskeimlingen. Damit stellt das System Reis-Azoarcus ein gutes Modellsystem dar, um ersteSchritte der Interaktion und des molekularenZwiegesprächs der Partner zu untersuchen (4).Reis ist nicht nur eine der weltweit wichtigstenNahrungspflanzen, sondern auch genetischtransformierbar; die Genomsequenz verschie-dener Kulturreistypen konnte bereits entschlüs-selt werden, so dass Oryza die ideale Wirts-pflanze für funktionelle Genomanalyse beiderPartner darstellt.

Das Azoarcus sp. BH72 Genomprojekt Von der Forschergruppe Reinhold-

Hurek und Hurek wird in Zusammenarbeit mitdem Kompetenzzentrum der Universität Biele-feld das Genom von Azoarcus sp. Stamm BH72als Modellbakterium für stickstoffixierendeGrasendophyten entschlüsselt. Erste Sequenz-analysen weisen bereits darauf hin, dass einigeÄhnlichkeiten, aber auch viele Unterschiede inder Genausstattung zwischen diesen Bakterienund symbiontischen Rhizobien bzw. phytopa-thogenen Bakterien bestehen. Inzwischen liegtauch die Genomsequenz einer verwandten Art

der Gattung Azoarcus vor (5), Stamm EbN1, derals nicht-pflanzenassoziierter Bodenbewohnereinen anderen Lebensstil repräsentiert. ErsteAnalysen zeigten etliche Unterschiede in derGenaustattung und relativ geringe Syntheniebeider Genome (6). Genomvergleiche,Analysender Genexpression während der Stickstoffixie-rung und während des Zusammenlebens mitReiswurzeln, sowie gezielte Mutationsanalysenvon Kandidatengenen, die für die Interaktionvon Bedeutung sein können, sollen es ermögli-chen, das molekulare Zwiegespräch der Partnerbesser zu verstehen. Dies kann als Grundlagezur Entwicklung und Optimierung von bakteri-ellen „Biodüngern“ für verbessertes Pflanzen-wachstum und Kunstdüngereinsparung dienen.

Literatur1. Hurek et al. (2002) Azoarcus grass endophytes con-

tribute fixed nitrogen to the plant in an uncultura-

ble state. Mol. Plant-Microbe Interact. 15:233-242.

2. Reinhold-Hurek, B., and T. Hurek (1998) Life in

grasses: diazotrophic endophytes. Trends Microbiol.

6:139-144.

3. Egener et al. (1999) Endophytic expression of nif

genes of Azoarcus sp. strain BH72 in rice roots.

Mol. Plant-Microbe Interact. 12:813-819.

4. Hurek, T., and B. Reinhold-Hurek (2003) Azoarcus

sp. strain BH72 as a model for nitrogen-fixing grass

endophytes. J. Biotechnol. 106:169-178.

5. Rabus et al. (2005) The genome sequence of an

anaerobic aromatic-degrading denitrifying bacteri-

um, strain EbN1. Archives of Microbiology 183:27-

36.

6. Battistoni et al. (2005) Pysical map of the Azoarcus

sp. strain BH72 genome based on a bacterial artifi-

cial chromosome (BAC) library as a platform for

genome sequencing and functional analysis. FEMS

Microbiol. Lett.: In press.

KontaktProf. Dr. Barbara Reinhold-HurekLaboratorium für Allgemeine MikrobiologieUniversität BremenE-Mail: [email protected]

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9 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Genexpressionsanalysen erlauben die Aufklärung komplexer bakterieller Differenzierungsprozesse in der Rhizobien-Leguminosen SymbioseAnke Becker

Freilebende oder in Symbiose mit Pflanzenlebende Bakterien leisten einen wichtigen Bei-trag zur biologischen Bindung molekularenLuftstickstoffs. Hierbei tragen insbesondereRhizobien in der Symbiose mit Pflanzen aus derFamilie der Leguminosen mit ca. 300 kg Stick-stoff pro Hektar und Jahr zur globalen Stick-stoff-Fixierung bei. In dieser Symbiose induzie-ren die Bakterien die Bildung eines neuenPflanzenorgans und besiedeln dieses. In derPflanzenzelle differenzieren die Bakterien zueinem nicht mehr teilungsfähigen Bakteroid-stadium, das auch als transientes Organellangesehen werden kann. Erst in diesem Stadi-um sind die Bakterien in der Lage, Stickstoff zufixieren. Die Etablierung und Aufrechterhaltungdieser Symbiose erfordert eine genaue Feinab-stimmung zwischen Rhizobien und Pflanze.

An der Universität Bielefeld ist es zumersten Mal gelungen, durch Microarray-Experi-mente globale Expressionsprofile des endosym-biontischen Bakteroidstadiums und eines frei-lebenden Stadiums des Modellrhizobiums Sino-

rhizobium meliloti zu vergleichen (1). Die Ge-nomsequenz dieses Rhizobiums ist vollständigbekannt. Sie enthält ca. 6200 Protein-kodie-rende Gene. Die Microarray-Experimente habennun gezeigt, dass sich die Genexpressionprofi-le von Bakteroiden und den in Minimalmediumkultivierten Bakterien drastisch unterscheiden.

Unter den 982 differentiell exprimier-ten Genen wurden 19 stark induzierte Regula-torgene identifiziert, unter ihnen 14 Gene, diebislang noch gar nicht oder nicht im Zusam-menhang mit der Symbiose untersucht wurden.Insbesondere diese Gene sind von großemInteresse, da sie für die Steuerung der Diffe-renzierungsprozesse, die Aufrechterhaltungund den speziellen Metabolismus des Baktero-idstadiums von Bedeutung sein könnten.

Darüber hinaus wurde die Expressionvon 167 Genen, die für hypothetische Proteinekodieren, im Bakteroidstadium induziert. Auchdiese bisher noch nicht näher analysiertenGene sind von besonderem Interesse, um sichdem Ziel eines umfassenden Verständnisses der

symbiontischen Interaktion zwischen Rhizobienund ihren Wirtspflanzen weiter zu nähern. Auf-grund des Modellcharakters, den das Rhizobi-en/Leguminosen-System für Bakterien-Pflan-zen Interaktionen hat, ist die Analyse diesesSystems von großer Bedeutung für die zukünf-tige, anwendungsorientierte Nutzung in derLandwirtschaft. Die erste Beschreibung desGenexpressionsprofils von S. meliloti Baktero-iden stellt somit einen wichtigen Schritt in dieseRichtung dar.

Literatur1. Becker et al. (2004) Global changes in gene

expression in Sinorhizobium meliloti 1021

under microoxic and symbiotic conditions.

Mol. Plant-Microbe Interact. 17:292-303.

KontaktHD Dr. Anke BeckerUniversität BielefeldFakultät für BiologieE-Mail: [email protected]

Abb. 1: Microarray-Experiment zum Vergleich der Genexpression in Bakteroiden und freilebenden Zellen von S. meliloti. Microarray-Experiment zum Vergleich des Genex-

pressionsprofils von Bakteroiden (Cy5-markierte cDNA; rote Fluoreszenzmarkierung) und freilebenden, in Minimalmedium kultivierten Zellen (Cy3-markierte cDNA; grüne

Fluoreszenzmarkierung) von S. meliloti. Die kombinierten Fluoreszenzintensitäten beider Kanäle (A-Wert) wurden auf einer logarithmischen Skala (log2) gegen den Logarith-

mus (log2) des Verhältnisses der Intensitäten in beiden Kanälen (M-Wert) aufgetragen. Rot markiert sind Gene, die in Bakteroiden induziert wurden; grün markiert sind

Gene, die in freilebenden Zellen induziert wurden. Blau markiert sind Gene, deren Expression sich im freilebenden und Bakteroid-Zustand nicht unterscheidet.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Das Bakterium Bradyrhizobium japonicum ist inder Lage, seine Wirtspflanzen, darunter Sojaboh-ne, in Symbiose mit Stickstoff zu versorgen. Eswird deshalb beim Sojabohnenanbau häufig zurBeimpfung des Saatguts eingesetzt. Das verrin-gert den Düngemittelbedarf und vermeidet auchdie ökologisch bedenkliche Überdüngung mitStickstoff. Ein optimierter Einsatz in der Landwirt-schaft erfordert jedoch eine detaillierte Kenntnisder Symbiose.

Die Symbiose wird durch einen gegensei-tigen Signalaustausch eingeleitet. Die Pflanzesetzt über ihr Wurzelsystem Flavonoide frei, beider Sojabohne ist dies unter anderem Genistein.Bradyrhizobium japonicum hat zwei verschiedeneRegulationssysteme, NodD1 und NodVW, die dasSignal erkennen und die Gene für die Knöllchen-bildung (nod-Gene) aktivieren. Die Nod-Proteineproduzieren ihrerseits ein Signalmolekül, das ausder Bakterienzelle ausgeschleust wird und bei derPflanze die Bildung der Wurzelknöllchen in Gangsetzt (Abb. 1). Die Bakterien können Zellen desWurzelknöllchens besiedeln und darin Luftstick-

stoff fixieren, der in gebundener Form der Pflanzezu Gute kommt. Im Gegenzug erhalten die Bak-terien Nährstoffe und eine geschützte ökologi-sche Nische.

Um herauszufinden, welche Gene bei denBakterien durch Genistein angeschaltet werden,ist bei Genomen mit bekannter Nucleotidsequenzdie Microarray-Analyse die Methode der Wahl.Unter Verwendung eines an der ETH in Zürich ent-wickelten Genom-Chips fanden wir heraus, dassvon den rund 8300 Genen des Bakteriums etwa100 Gene innerhalb von vier Stunden nach Geni-steinzugabe verstärkt exprimiert werden. Die Her-ausforderung ist jetzt, für einige dieser Gene dieFunktion zu ermitteln.

Die NodD1- und NodVW-Proteine sindauch für die Expression eines weiteren Regulators,des TtsI-Proteins wichtig (Abb. 2; 1). Es kontrol-liert eine zweite Regulationsebene, bei der ver-mutlich noch ein weiteres, bisher unbekanntesSignal eine Rolle spielt. TtsI aktiviert bei Vorhan-densein von Genistein mehrere Gene, die für einTyp III-Sekretionssystem kodieren. Die Identifizie-

rung der zum TtsI-Regulon gehörenden Gene istgegenwärtig eines unserer Hauptziele.

Typ III-Sekretionssysteme wurden zu-nächst in tier- und pflanzenpathogenen Bakterienidentifiziert. Es handelt sich um spezialisierteTransportsysteme, die Proteine zum Teil bis in diePflanzenzelle einschleusen. Diese Proteine spielenfür die Pathogenität der entsprechenden Bakteri-en eine wichtige Rolle. Mittlerweile wurden dieseSysteme auch in einigen Rhizobien, beispielswei-se in dem von uns untersuchten B. japonicum-Stamm, gefunden. Abhängig vom Wirtssystemkönnen die Typ III-Sekretionssysteme die Symbio-seleistung positiv oder negativ beeinflussen. Unsinteressieren die durch dieses System sekretiertenProteine. Dazu haben wir Bakterien mit oder ohneGenistein angezogen, die Proteine aus dem Über-stand isoliert und mittels 2D-Polyacrylamid-Gele-lektrophorese aufgetrennt. Das gleiche Verfahrenwurde mit einem Stamm durchgeführt, bei demdas Typ III Sekretionssystem durch eine Mutationausgeschaltet wurde. Tatsächlich konnten wireinige Proteine darstellen, die Genistein-abhän-gig sekretiert werden und auf ein funktionsfähi-ges Typ III-Sekretionssystem angewiesen sind.Diese Proteine werden gegenwärtig mittels Mas-senspektrometrie in Zusammenarbeit mit demBielefelder Kompetenzzentrum analysiert.

Die von uns gewählten genomischenTranskriptom- und Proteomansätze geben unseinen bisher nicht gekannten Überblick über diebei der Symbioseentstehung beteiligten Gene undbringen uns dem Ziel eines umfassenden Ver-ständnisses der Rhizobien/Pflanzen-Interaktioneinen wichtigen Schritt näher.

Literatur1. Krause et al. (2002) Mutational and transcriptional ana-

lysis of the type III secretion system of Bradyrhizobium

japonicum. Mol. Plant-Microbe Interact. 15:1228-1235.

KontaktProf. Dr. Michael GöttfertInstitut für Genetik, TU DresdenE-mail: [email protected]

Der Beginn einer ertragreichen Partnerschaft:Bradyrhizobium japonicum und Sojabohne tauschen Signale ausMichael Göttfert

Abb. 1. Sojabohnenwurzel mit Knöllchen (links), auf-

geschnittenes Wurzelknöllchen (oben rechts) und infi-

zierte Pflanzenzellen (unten rechts). Die rote Farbe des

aufgeschnittenen Knöllchens stammt vom Leghämo-

globin, das für eine optimale Sauerstoffkonzentration

sorgt.

Abb. 2. Modell der Regulationskaskade des tts-Genclu-

sters in B. japonicum. Offene Leserahmen (ORFs), die

bisher nur in B. japonicum gefunden wurden, sind rot

dargestellt. nod-Gen-Regulatoren sind gelb markiert.

Blau gekennzeichnete ORFs zeigen entweder Ähnlich-

keit zu Genen, die bei pathogenen Bakterien ein Typ

III-Sekretionssystem kodieren oder sind bei anderen

Rhizobien konserviert. Die gelbe Pfeilspitze weist auf

die Position einer nod-Box hin. Die Pfeile zeigen das

Vorhandensein von konservierten Sequenzmotiven in

möglichen Promotorregionen an. Cm: Cytoplasma-

membran.

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11 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Pflanzenkrankheiten ziehen trotz Anbaus opti-mierter Sorten von Nutzpflanzen und der Ver-wendung von Pflanzenschutzmitteln jährlichweltweit enorme Ernteverluste nach sich. Ge-meinsames Ziel vieler aktueller Forschungspro-jekte ist es daher, die Infektionsstrategien derPathogene aufzuklären, um dadurch gezieltPflanzen besser schützen zu können.

Im Rahmen der GenoMik-Initiative wur-de das Genom des Gram-negativen BakteriumsXanthomonas campestris pv. vesicatoria (Xcv),dem Erreger der bakteriellen Fleckenkrankheitvon Paprika und Tomate, sequenziert. Es weisteine Größe von etwa 5,4 Millionen Basenpaa-ren auf. Xcv ist ein Modellorganismus aus dergroßen Familie der Xanthomonaden, die insge-samt etwa 400 verschiedene Kulturpflanzenund Wildarten befallen können. Unabdingbarfür die Auslösung der Krankheit ist ein Typ III-Proteinsekretionssystem, das in den meistenbakteriellen Pflanzen- sowie Tierpathogenenwie Yersinia pestis, dem Erreger der Pest, oderSalmonella Arten, Erregern von Durchfaller-krankungen und Typhus, konserviert ist. Überdieses wie eine molekulare Spritze arbeitendeSystem werden Effektorproteine in die Wirts-zelle injiziert. Die Funktion dieser Effektorpro-teine ist in vielen Fällen noch nicht ab-schließend geklärt, vermutlich besitzen sie einewichtige Funktion in der Unterdrückung vonAbwehrmechanismen und der Umprogrammie-rung des Stoffwechsels der Wirtszelle zum Vor-teil des Bakteriums. Das Effektorprotein AvrBs3etwa wird nach seiner Injektion in der Wirts-zelle in den Kern transportiert und verändertdort die pflanzliche Genexpression.

Homologievergleiche weiterer durchdas Xanthomonas Typ III-Proteinsekretionssy-stem sekretierter Effektorproteine haben in-teressante Ähnlichkeiten, aber auch Unter-schiede zu den Tierpathogenen ergeben. Sogibt es in Xcv neben konservierten Effektorpro-teinen - die in vielen Pathogenen mit Typ III-Proteinsekretionssystem vorzukommen schei-nen, wie XopJ, einer Protease mit Ähnlichkeitzu YopJ aus Yersinia – zahlreiche weitere Effek-toren, die vermutlich jeweils spezifisch auf dieInteraktion mit dem Wirt zugeschnitten sind.

Vergleiche der vollständigen Genomse-quenzen von nunmehr vier verschiedenen Xan-thomonaden – X. campestris pv. vesicatoria, X.

campestris pv. campestris (Xcc), X. axonopodispv. citri (Xac) und X. oryzae pv. oryzae (Xoo) –zeigen, dass die Genome von Xcv, Xcc und Xacin großen Bereichen ähnlich aufgebaut sind.Xoo hingegen besitzt eine vollkommen andereOrganisation. Alle Genome besitzen eine großePlastizität, es zeigen sich viele Hinweise aufden Austausch genetischer Information überArtgrenzen hinweg durch horizontalen Gen-transfer. Das Vorkommen endogener Plasmideist sehr unterschiedlich: Xcv enthält vier Plas-mide, Xac zwei, die beiden anderen enthaltenkeine. Neben Genen für Konjugationssystemeenthalten die Plasmide unter anderem Gene fürVirulenzfaktoren und tragen so, zusammen mitdurch horizontalen Gentransfer erworbenenGenregionen, wahrscheinlich zur Adaptationan den jeweiligen Wirt bei. Jedes der Pathoge-ne zeichnet sich durch spezifische Genregionenaus, die nur in einem der Genome vorkommen.Ob dies der Schlüssel zur Festlegung der Wirts-spezifität ist, müssen weitere Untersuchungenzeigen.

Neben neuen Effektorproteinen wer-den weitere potentielle Virulenzfaktoren ge-sucht. Die Annotation des Genoms von Xcv hatviele Ähnlichkeiten zu den anderen Xanthomo-naden aufgezeigt. So zeichnen sich alle Xan-thomonaden durch eine ungewöhnlich großeZahl von Transportproteinen für eine Vielzahlverschiedener Substanzen aus. Eine sehr großeAnzahl verschiedener Regulatoren scheint derAnpassung an diverse Umweltbedingungen zudienen. Auffällig ist, dass Xcv alle bisher fürGram-negative Bakterien beschriebenen Pro-tein-Sekretionssysteme besitzt. Das Vorhan-densein aller Protein-Sekretionssysteme wurdebisher nur in den Pflanzenpathogenen Erwiniacarotovora subsp. atroseptica und Ralstoniasolanacearum beschrieben.

Eine Besonderheit besteht darin, dassXcv neben dem Vir/Tra-Typ IV-Sekretionssystemals einziges Pflanzenpathogen ein mutmaßli-ches Icm/Dot-Typ IV-Sekretionssystem besitzt,welches in den Humanpathogenen Legionellapneumophila (Erreger der Legionärskrankheit)und Coxiella burnetii (Erreger des Q-Fiebers)charakterisiert wurde.

Ein Zeichen besonderer Anpassung andas Habitat "Pflanze" stellt sicherlich die großeAnzahl an sekretierten, Pflanzenzellwand-ab-

bauenden Enzymen dar. Dazu gehören Zellula-sen (neun Kandidaten), Glukosidasen (fünfKandidaten), Pektatlyasen (vier Kandidaten)und Xylanasen (fünf Kandidaten), die es Xan-thomonas erlauben, die Makromoleküle derpflanzlichen Zellwand abzubauen, und alsEnergiequelle zu nutzen.

Die biologische Bedeutung vieler dergenannten Befunde ist bisher noch unklar undTeil intensiver Studien.

Durch die nun vollständige Annotationder Genomsequenz und die derzeit laufendenmolekularen und genetischen Untersuchungenhoffen wir, ein besseres Verständnis der Inter-aktion zwischen Pflanzenpathogenen undihrem Wirt im Allgemeinen und der Pathoge-nitätsmechanismen von Xanthomonas im Spe-ziellen zu bekommen. Dies ist Voraussetzung,um langfristig neue Strategien im Pflanzen-schutz entwickeln zu können.

Literatur1. Büttner et al. (2003) Genomic approaches in Xantho-

monas campestris pv. vesicatoria allow fishing for viru-

lence genes. J. Biotechnol. 106:203-214.

2. Noël et al.(2003) XopC and XopJ, two novel type III

effector proteins from Xanthomonas campestris pv.

vesicatoria. J. Bacteriol. 185:7092-7102.

3. Thieme et al. Insights into genome plasticity and patho-

genicity of the plant pathogenic bacterium Xanthomo-

nas campestris pv. vesicatoria revealed by the complete

genome sequence J. Bacteriol.: in press

KontaktProf. Dr. Ulla BonasInstitut für GenetikUniversität Halle-WittenbergE-Mail: [email protected]

Auf dem Weg zum maßgeschneiderten Pflanzenschutz?Oliver Kirchner, Frank Thieme und Ulla Bonas

Abb. 1: Vereinfachtes Modell der Interaktion von

Xanthomonas campestris pv. vesicatoria mit der

Wirtszelle.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Am Lehrstuhl für Gentechnologie/Mikrobiolo-gie der Universität Bielefeld wird das Gram-positive pflanzenpathogene Bakterium Clavi-bacter michiganensis subsp. michiganensis un-tersucht. Das Bakterium verursacht die bakteri-elle Welke der Tomate, eine weltweit verbreite-te Krankheit, die zu hohen Ernteausfällen mitentsprechenden finanziellen Verlusten für dieLandwirtschaft führen kann.

Das Bakterium dringt über Wundenoder kontaminiertes Saatgut in die Tomate einund breitet sich im Xylemgefäßsystem in derganzen Pflanze aus. Typische Symptome wieWelkeerscheinungen der Blätter oder Läsionendes Sprosses treten etwa zwei bis drei Wochennach der Infektion auf (Abbildung 1). Je nachZeitpunkt und Stärke der Infektion kann dieKrankheit zum Absterben der Tomate führen. Estreten jedoch auch latente Infektionen auf, beidenen die Tomate noch zur Fruchtbildungkommt. Derartige Früchte bilden eine derHauptinfektionsquellen der bakteriellen Welke,da Clavibacter in die Samen eindringt und mitdiesen weiterverbreitet wird. Da bisher keineresistenten Tomatenkultivare vorhanden sind,ist eine Zertifizierung des Saatguts, das heißtein Test auf Clavibacter, vorgeschrieben undwesentlich für die Bekämpfung der Krankheit.

Die im Rahmen des GenoMik-Projektesfertiggestellte Genomsequenz von Clavibactererlaubt nun erstmals über Vergleiche des viru-lenten Bakteriums mit nicht-virulenten Stäm-men, die entweder aus Tomatenfeldern isoliertoder im Labor über die Konstruktion vonMutanten erzeugt wurden, die Identifizierungvon Genen, die für den erfolgreichen Befall derTomate notwendig sind. So wurde zum Beispieleine Deletionsmutante erzeugt, die avirulent istund somit die Tomate nicht mehr erfolgreichbesiedeln kann. In dieser Mutante fehlt eineetwa 120 kb große chromosomale Region.Diese Region enthält eine Reihe von Genen, diefür unterschiedliche Proteasen kodieren, sowieviele Gene, deren Produkte am Abbau vonZuckern beteiligt sind. Die gesamte Regionerinnert in mehreren strukturellen Merkmalenan sogenannte Pathogenitätsinseln Gram-negativer Bakterien, die wichtige Faktoren fürdie Ausbildung von Krankheiten kodieren.Durch gezielte Mutation einzelner Gene inner-halb dieser Region und die anschließendeUntersuchung des Phänotyps dieser Mutantenkonnten bereits drei Gene, die alle für Protea-sen kodieren, identifiziert werden, deren Aus-fall zur Störung der Kolonisationsfähigkeit derBakterien führt. Ein weiteres Gen in dieser

Region ist für den Abbau von Tomatin, einerpflanzlichen Verbindung, die zur Abwehr vonBakterien und Pilzen dient, verantwortlich.

Aufgrund der vorliegenden Genomse-quenz ist auch eine Charakterisierung von Frei-landisolaten möglich. Über Southern Hybridi-sierungen mit DNA-Proben aus der Virulenzre-gion konnte gezeigt werden, dass auch in avi-rulenten Feldisolaten die oben erwähnten Genefehlen. Somit ist es erstmalig gelungen, eineGenregion und erste einzelne Gene zu identifi-zieren, die für die Besiedlung der Tomate essen-tiell sind. In zukünftigen Arbeiten sollen weite-re Gene, die für die Ausbreitung der Bakterienin der Pflanzen nötig sind, identifiziert undgenauer untersucht werden.

Diese Arbeiten zum Mechanismus derEntstehung der bakteriellen Welke der Tomatekönnen in Zukunft neuartige Ansätze zur Ent-wicklung resistenter Tomatensorten ermögli-chen und zur Verbesserung der Saatgutdiagno-stik beitragen.

Kontakt Prof. Dr. Rudolf Eichenlaub Lehrstuhl Gentechnologie/Mikrobiologie Universität Bielefeld E-Mail: [email protected]

Identifizierung einer Genomregion von Clavibacter,die die Ausprägung der bakteriellen Welke der Tomate beeinflußtRudolf Eichenlaub

Abb. 1 Typische Symptome der durch Clavibacter ausgelösten Welkekrankheit der Tomate. Links ein Beispiel der unifacialen Fiederblattwelke, in der Mitte eine Sproßläsion

und im rechten Bild infizierte Leitbündel der Tomate, die von Clavibacter besiedelt wurden (Fotos: H. Jahr, R. Eichenlaub)

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13 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Pflanzen müssen sich permanent wehren. So-wohl in ihrer natürlichen Umwelt als auch inden vom Menschen angelegten Kulturen müs-sen sie dem ständigen Angriff von Krankheits-erregern standhalten. Im Laufe der Evolutionhaben Pflanzen jedoch effektive Abwehrme-chanismen erworben. Neben einer präformier-ten Abwehr, wie Wachsschichten auf Blätternoder resistenten Zellwänden, gibt es eine Reihevon induzierten Abwehrreaktionen. Dazu ge-hört etwa die schnelle Bildung von Sauerstoff-radikalen und die Synthese von antimikrobiel-len Substanzen, den Phytoalexinen. Als ultimaratio kann die Pflanzenzelle in einer so genann-ten hypersensitiven Reaktion (HR) den eigenenTod beschließen und so dem Krankheitserregerdie Grundlage zur Infektion entziehen.

Neben Krankheitserregern ist die Pflan-ze aber auch mit symbiontischen Mikroorga-nismen konfrontiert. So leben etwa 80 Prozentaller Landpflanzen in Gemeinschaft mit Mykor-rhizapilzen. Viele Leguminosen wie Klee, Luzer-ne, Sojabohnen und Bohnen verdanken ihrenhohen Eiweißgehalt und das gute Wachstumauf stickstoffarmen Böden der Symbiose mitBodenbakterien der Gattung Rhizobium.Würdedie Pflanze jede Infektion durch Mikrobenunterbinden, wäre dies sicherlich ein ebensogravierender Nachteil, wie wenn sie sich nichtgegen Pathogene zur Wehr setzen würde. Ent-scheidend für die Gesundheit der Pflanze ist einfrühzeitiges Erkennen und eine sichere Identifi-kation der jeweiligen Miroorganismen.

Offensichtlich verlassen sich Pflanzen beider Erkennung von Mikroorganismen nicht auf eineinzelnes Merkmal. Das Muster der von der Pflan-ze erkannten Merkmale wird als pathogen asso-ciated molecular pattern (PAMP) bezeichnet. Inden letzten Jahren wurde das PAMP des Krank-heitserregers Xanthomonas campestris pv. cam-pestris (Xcc), der an Kohlpflanzen die Schwarz-aderfäule hervorruft, genauer charakterisiert.

Zunächst zeigte sich, dass ähnlich wiebei der Erkennung Gram-negativer human-pathogener Bakterien durch das menschlicheImmunsystem, Oberflächenpolysaccharide vonder Pflanze erkannt werden. Speziell die mit der

bakteriellen Zellhülle verbundenen Lipopoly-saccharide (LPS) werden von Pflanzen, die eineResistenz gegen Xcc besitzen, erkannt undführen zur Induktion einer massiven Pflanzen-abwehr. Dank bakterieller Mutanten, derenLPS-Biosynthese gestört ist, konnten die an derErkennung beteiligten Zuckerstrukturen identi-fiziert werden (1). Interessanterweise werdendie LPS, vergleichbar den Vorgängen in einertierischen Zelle, von der Pflanze aufgenommenund in Vesikeln zur Vakuole transportiert (2).

Ein weiterer Erkennungsfaktor wird erstin der Interaktion mit der Pflanze generiert. Wieviele phytopathogene Bakterien scheidet auchXcc ein Enzym aus, das die Pektine der pflanzli-chen Zellwand abbaut. Diese Pektatlyase setztdabei jedoch Bruchstücke des Pektins frei, dievon der Pflanze erkannt werden und so dieAbwehr auslösen. Mit diesem Mechanismuskann die Pflanze sehr sensitiv einen Angriff aufdie eigene Zellwand detektieren. Offensichtlichspielen gerade die extrazellulären Proteine vonXcc eine wesentliche Rolle in dieser Interaktion.

Im Rahmen von GenoMik wurde nundas extrazelluläre Proteom von Xcc systema-tisch erfasst und in der Interaktion mit derPflanze charakterisiert. Zunächst wurden Me-thoden erarbeitet, um die extrazellulären Pro-teine in ausreichender Reinheit zu gewinnen.Dies ist bei Xcc ein nicht gerade einfacher Pro-zess, da das Bakterium bis zu 15 Gramm Poly-saccharid pro Liter Bakterienkultur produziert.Nach optimierter Reinigung wurden die Protei-ne mit Hilfe der zwei-dimensionalen Gelelek-trophorese (2D-GE) aufgetrennt und mittelsMALDI-TOF-Massenspektroskopie identifiziert.Mit dieser auf der Xcc-Genomsequenz aufbau-enden Methode konnten 87 extrazelluläre Pro-teine identifiziert werden (3). Unter den Protei-nen fanden sich auffallend viele abbauendeEnzyme, die offensichtlich für die pathogene In-teraktion charakteristisch sind, denn bei demsymbiontischen Bodenbakterium Sinorhizobiummeliloti waren diese kaum nachweisbar. Nebenden abbauenden Enzymen wurden aber auch inanderen Systemen als Induktoren der Abwehrbekannte Proteine gefunden. Dazu gehören

das Flagellin und der bakterielle Translations-Elongationsfaktor EfTu (4). Als besonders inter-essant stellte sich jedoch die bakterielle Super-oxiddismutase (SOD) heraus. Die SOD dient denBakterien zur Entgiftung von Sauerstoffradika-len, die als Nebenprodukt der Atmungsketteanfallen. Alle aeroben Bakterien besitzen eineSOD, deren Aminosäuresequenz gut konserviertist. Gleichzeitig dient die SOD von pathogenenBakterien aber auch der Entgiftung von Sauer-stoffradikalen, die von der Pflanze als Abwehrgebildet werden. Untersuchungen in Zellkultu-ren von Tabak zeigten, dass die SOD von derPflanze erkannt wird und zu einer massivenPflanzenabwehr führt. Hier zeigt sich eine„Logik“ in der Ko-Evolution von phytopathoge-nen Bakterien und Pflanzen. Die Pflanzen erken-nen also gerade jenen Faktor, der von dem infi-zierenden Pathogen gebildet wird, um sich vorder Pflanzenabwehr zu schützen. In weiter-führenden Arbeiten soll nun das Muster der vonder Pflanze erkannten Pathogenitätsfaktorenerstellt werden.

Literatur1. Braun et al. (2005) Characterization of the

Xanthomonas campestris pv. campestris lipopoly-

saccharides substructures essential for elicitation

of an oxidative burst in tobacco cells.

Mol. Plan-Microbe Interact. :in press

2. Groß et al. (2005) Endocytosis of Xanthomonas

campestris pv campestris Lipopolysaccharides in

non-host plant cells of Nicotiana tabacum New

Phytologist 165: 215-226.

3. Watt et al. (2005) Comprehensive proteome analysis

of the extracellular proteins from Xanthomonas

campestris pv. campestris. Proteomics 5: 153-167

4. Kunze et al. (2004) The N-terminus of bacterial

elongation factor Tu elicits innate immunity in

Arabidopsis plants. Plant Cell 16: 496-507.

KontaktProf. Dr. Karsten Niehaus Universität BielefeldProteom- und MetabolomforschungE-Mail:[email protected]

Wie unterscheiden Pflanzen zwischen Krankheitserregern und nützlichen Mikroorganismen?Steven Watt, Thomas Patschkowski und Karsten Niehaus

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Genomsequenz von Alcanivorax borkumensis –einem universellen Öl-abbauenden, marinen Bakterium Vítor A. P. Martins dos Santos, Kenneth N. Timmis und Peter N. Golyshin

Ölverschmutzungen stellen eine ernsthafteBedrohung für marine und küstennahe Gewäs-ser dar. Ein erheblicher Anteil des Rohöls, dasin die Umwelt gelangt, wird zwar durch Mikro-organismen abgebaut, allerdings ist die Abbau-rate nicht hoch genug, um ökologischen Scha-den zu vermeiden. Unsere Gruppe entdecktekürzlich ein neues, weltweit verbreitetes Bakte-rium, Alcanivorax borkumensis, das in großen

Mengen in ölverschmutzen Meereswasser vor-kommt. Das Bakterium baut ein breites Spek-trum von Kohlenwasserstoffen ab. Dazu produ-ziert es ein potentes Oberflächentensid, das Ölemulgiert und so die Abbaurate erhöht (1). Derneuentdeckte Organismus spielt eine wichtigeRolle dabei, Öl aus marinen Habitaten zu ent-fernen und hat großes Potential zur Entwick-lung neuer Strategien bei der Bekämpfung von

Ölverschmutzungen (2, 3). Die Nutzbarma-chung dieses Potentials erfordert allerdingseine genaue Kenntnis der einzigartigen Physio-logie diese Bakteriums. Die Genomanalyse bie-tet den erforderlichen Schlüssel dazu. DasGenom von A. borkumensis wurde nun sequen-ziert und annotiert. Es umfasst 3.120.143Basenpaare. Insgesamt wurden 2767 offeneLeseraster identifiziert, 70 Prozent davon konn-te eine Funktion zugeordnet werden, 20 Pro-zent gehörten zur Familie der „conserved hypo-thetical proteins“ und 10 Prozent stellen neue,hypothetische Proteine dar. Bezüglich der öko-logisch relevanten physiologischen Aktivitätenergab die Bioinformatik-Analyse folgendeBesonderheiten des A. borkumensis Genoms:

Biofilmbildung an der Öl-Wasser Interphase:Alcanivorax borkumensis baut Öl an

Öl/Wasser-Phasengrenzen ab (Abb 1). DieFähigkeit zur Biofilmbildung an diesen Phasen-grenzen ist hierbei von entscheidender Bedeu-tung. Es wurden Gene für die Produktion vonExopolysacchariden, Alginat und anderen Poly-meren identifiziert, die möglicherweise eineBiofilm-Matrix produzieren. WeiterführendeArbeiten unseres Labors mit entsprechendenMutantenstämmen haben ergeben, dass einigedieser neuidentifizierten Gene essentiell für dieAusbildung eines Biofilms sind.

Breites Spektrum und hohe metabolische Aktivität des Kohlenwasserstoff-Abbaus:A. borkumensis kann gewöhnliche Koh-

lenstoffquellen wie Glukose oder Fruktose nichtverwerten (1), sein Genom weist daher aucheine vergleichsweise geringe Anzahl an Genenfür die Energiegewinnung auf. Einige dieserGene spielen aber offenbar eine Rolle im Koh-lenwasserstoff-Metabolismus von A. borku-mensis und spiegeln somit die Spezialisierung

Abb1. Elektronenmikroskopische Aufnahme von A. borkumensis Bakterienzellen an der Öl-Wasser

(alcane/water) Interphase (H. Lünsdorf, GBF; A). B und C: Aufnahmen individueller Bakterienzellen.

Sterne weisen auf Speicherpolymere hin. nm = Nanometer

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15 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

dieses Organismus für den Ölabbau wider.Alcanivorax besitzt zwei Gencluster zum Abbauvon Kohlenwasserstoffen und einige weitereGene, die für Oxidoreduktasen und P450 Cyto-chrome kodieren. Auch sie sind wahrscheinlichan der Ölverwertung beteiligt. Beide Genclu-ster zum Abbau von Kohlenwasserstoffen sindin der Nähe des chromosomalen Replikations-ursprungs lokalisiert. Dies legt eine entspre-chend starke Expression der Gene aufgrundeines Gen-Dosis Effekts nahe.

Aufnahme von Nährstoffen:A. borkumensis verfügt über eine große

Anzahl von Genen für die Wahrnehmung undAufnahme von Nährstoffen und Oligoelemen-ten (N, P, Fe, Mg, Co, etc.). Besonders zahlreichund divers sind Transportsysteme für die Auf-nahme von Stickstoff-haltigen Verbindungensowie Eisen. Es ist sehr wahrscheinlich, dassAlcanivorax durch diese Kombination aus Gene-ralismus in Bezug auf Ernährung und derbemerkenswerten Fähigkeit zum Alkanabbauüber einen überlegenen Selektionsvorteil inölverschmutzten Lebensräumen verfügt.

Eigenschaften des marinen Lebenstils:Das Genom von A. borkumensis enthält

auch eine große Anzahl von Genen, die seineAnpassung an den marinen Lebensraum nahe-legen. Viele der Transport- und Energiegewin-nungssysteme sind Natrium-abhängig wie dieNADH-Quinone Dehydrogenase, die A. borku-

mensis in die Lage versetzt, den Natriumgradi-enten als Energielieferant bei der Aufnahmevon Nährstoffen zu nutzen. Darüber hinauskonnte eine Vielzahl anderer möglicher Geneidentifiziert werden, die vor nischenspezifi-schen Stressfaktoren schützen (z.B. UV-Strah-lung oder osmotischer Stress) .

"Mining" im Alcanivorax Genom: Die Entschlüsselung des Genoms berei-

tet den Weg für die Nutzung der biotechnolo-gisch wichtigen Fähigkeiten dieses Organismusmittels funktioneller Genomanalysen. EineTransposonmutantenbibliothek mit etwa 4000Mutanten wurde bereits generiert. Die Mutan-ten wurden auf verschiedene habitatspezifi-sche Parameter wie z. B. UV-Strahlung, osmoti-scher Stress, Temperatur und Adhäsion an Koh-lenwasserstoffen untersucht, wobei insgesamt40 Mutanten gegenüber dem Wildtyp einenveränderten Phänotyp aufwiesen. Im Zuge die-ser Analysen wurden beispielsweise Gene iden-tifiziert, die für einen bisher unbekanntenAdaptationsmechanismus bei der Anpassungdiese Bakteriums an Kälte kodieren.

Eine weitere wichtige Entdeckung istdie Identifizierung neuartiger Esterasen, dieweniger als 50 Prozent Sequenzhomologien zubisher bekannten Enzymen aufweisen. Dieenzymatische Aktivität einer neuidentifiziertenEsterase liegt beispielsweise etwa zwei Größe-nordnungen über der Aktivität typischer Estera-sen/Lipasen. Das weite Substratprofil, die er-

staunliche Enantioselektivität sowie die chemi-sche Resistenz dieser Esterase weisen auf einbeträchtliches Potential für biokatalytischeAnwendungen wie der Auflösung chiraler Mix-turen hin.

Das entschlüsselte Alcanivorax borku-mensis Genom erlaubt nun neue Einblicke inden marinen Lebensstil dieses Öl-abbauendenBakteriums und seine faszinierende Physiolo-gie. Die nun verfügbare Genomsequenz mar-kiert einen Meilenstein bei der Entwicklungneuer Strategien zur Vermeidung ökologischerSchäden wie sie bei Ölverschmutzung in mari-nen Systemen auftreten.

Literatur1. Yakimov et al. (1998) Alcanivorax borkumensis gen.

nov., sp. nov., a new, hydrocarbon-degrading and

surfactant-producing marine bacterium. Int. J. Syst.

Bacteriol. 48 : 339-348.

2. Harayama et al. (1999) Petroleum biodegradation in

marine environments. J. Mol. Microbiol. Biotechnol.

1: 63-70.

3. Kasai et al. (2001) Molecular detection of marine

bacterial communities on beaches contaminated by

the Nakhodka tanker oil-spill accident. Environ.

Microbiol. 3: 246-255.

KontaktProf. Dr. Kenneth N. TimmisAbteilung Umweltmikrobiologie im Bereich MikrobiologieGBF Braunschweig mbHE-Mail: [email protected]

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Kontrolle über den C-Fluss – Zwei neu entdeckte Proteinekönnten die Aminosäureproduktion von Corynebacterium glutamicum steigernBernhard Eikmanns

Corynebacterium glutamicum ist ein Gram-posi-tives Bodenbakterium mit überragender Bedeu-tung in der Biotechnologie. Es wird vor allem fürdie fermentative Herstellung von L-Aminosäurenfür den "Feed"- und "Food"-Bereich eingesetzt.Die wichtigsten Aminosäure-Biosynthesen unddie Vorstufenbereitstellung durch den Zentral-stoffwechsel wurden in den letzten Jahren mitmolekulargenetischen Methoden und mit detail-lierten Flussanalysen untersucht. Zur Vervoll-ständigung des metabolischen Modells von C.glutamicum werden nun im GenoMik-NetzwerkBielefeld die zentralen Regulationsnetzwerke,die die Physiologie in Wachstums- und Produkti-onsphase kontrollieren, analysiert. Die genom-weite Untersuchung globaler metabolischer Re-gulationsnetzwerke in C. glutamicum mit Hilfevon DNA-Chips beschreibt die wichtigsten Sti-mulons und erbringt wichtige Hinweise für dieOptimierung von industriellen Produktionsstäm-men und Verfahren.

Die Kohlenstoffquelle beeinflusst das genomweite TranskriptionsprofilIn der Abteilung Mikrobiologie und Bio-

technologie der Universität Ulm werden die zel-lulären Antworten von C. glutamicum auf dieVerfügbarkeit von verschiedenen Kohlenstoff-(C-) Substraten mit Hilfe verschiedenster Tech-niken und aufbauend auf der corynebakteriel-len Genomdatenbank der Degussa AG identifi-ziert und charakterisiert. C. glutamicum kannmit verschiedenen Zuckern, Alkoholen undorganischen Säuren wachsen und aus diesenSubstraten Aminosäuren produzieren. In Zu-sammenarbeit mit den KooperationspartnernDegussa AG, dem Forschungszentrum Jülichund dem Kompetenzzentrum Bielefeld wurdengenomweite Transkriptionsprofile von C. gluta-micum bei Wachstum auf Glucose, Glucose/Acetat-Gemisch,Acetat und auf Ethanol erstelltund vergleichend analysiert (1). Die DNA-Chip-Experimente zeigten, dass die Verfügbarkeitvon Acetat und von Ethanol zu vielfältigentranskriptionellen Reaktionen in den zentralenStoffwechselwegen der Glycolyse, des Zitro-

nensäurezyklus und der Gluconeogenese vonC. glutamicum führen und sie erlauben dieBeschreibung eines Acetat- und eines Ethanol-Stimulons. Außerdem konnten Gene identifi-ziert werden, die in Abhängigkeit der C-Quellein ihrer Expression außerordentlich stark regu-liert werden, deren Funktion jedoch bishernicht bekannt ist und die bisher nicht im Zu-sammenhang mit der Verstoffwechselung dereingesetzten Substrate gesehen wurden.

Zwei neuartige Regulatorproteine für die Kontrolle des Zentral-stoffwechselsEin weiterer Schwerpunkt der Arbeiten

in Ulm ist die Identifizierung der an der Umstel-lung des Zentralstoffwechsels beteiligten Re-gulatorproteine und die Aufklärung der Regu-lationsmechanismen.Aufgrund der Genomana-lyse und auf Basis der Analyse gezielt herge-stellter Mutanten von C. glutamicum kann da-von ausgegangen werden, dass die globalenRegulationsprozesse bei der Verwertung unter-schiedlicher C-Quellen grundsätzlich andersverläuft als in den in dieser Hinsicht gut unter-suchten Modellorganismen Escherichia coli undBacillus subtilis. Durch Identifizierung und Loka-lisierung von Operatorregionen vor durch dieC-Quelle regulierten Genen, DNA-Affinität-schromatographie und MALDI-TOF-Analysenwurden zwei neuartige Regulatorproteineidentifiziert, die RamA und RamB (Regulator ofacetate metabolism A und B) genannt wurdenund die Expression von Genen für Schlüsselen-zyme des Zentralstoffwechsels kontrollieren(2). Diese Gene umfassen einen Teil der Genedes Acetatstimulons, jedoch auch weitere Genedes Zentralstoffwechsels. Außerdem kontrollie-ren die beiden Regulatorproteine ihre eigeneSynthese und unterliegen damit einer Autore-gulation. Kürzlich konnten die Erkennungsse-quenzen für RamA und RamB vor mehreren vonden beiden Regulatorproteinen kontrolliertenGenen lokalisiert und charakterisiert werden.Damit steht nun die Möglichkeit offen, die vonRamA und/oder RamB kontrollierten Gene

gezielt in ihrer Expressions-Regulation zumodifizieren und damit den C-Fluss im Zentral-stoffwechsel umzulenken.

Die gewonnenen Erkenntnisse über dieSubstrat-abhängige Regulation von zentralenStoffwechselwegen in C. glutamicum lassensich direkt für die Optimierung der Aminosäu-reproduktion von diesem Organismus verwer-ten. Die beiden Regulatorproteine haben signi-fikanten Einfluss auf den C-Fluss in für dieLysinproduktion wichtigen Stoffwechselwegenund es lässt sich absehen, dass die Modifikati-on des C-Flusses im Zentralstoffwechsel zueiner signifikanten Verbesserung der Lysinpro-duktion führt.

Die Brücke zur Pathogenese von Mycobacterium tuberculosisDa die globalen Regulationsmechanis-

men unter den Corynebacteriaceae wahrschein-lich hochkonserviert sind, ist die in Ulm unter-suchte Regulation des Zentralstoffwechselsvon C. glutamicum auch für die Aufklärung vonRegulationsvorgängen im nahe verwandtenMycobacterium tuberculosis von Bedeutung.Dies gilt besonders, weil die beiden in C. gluta-micum gefundenen Regulatorproteine dieGene für den Glyoxylatzyklus regulieren undder Glyoxylatzyklus in M. tuberculosis für diePersistenz in Makrophagen und damit für denKrankheitsverlauf der chronischen Tuberkulosenotwendig ist.

Literatur1. Gerstmeir et al. (2003) Acetate metabolism and its

regulation in Corynebacterium glutamicum. J. Bio-

technol. 104: 99-122.

2. Gerstmeir et al. (2004) RamB, a novel transcriptio-

nal regulator of genes involved in acetate metabo-

lism of Corynebacterium glutamicum. J. Bacteriol.

186: 2798-2809.

KontaktProf. Dr. Bernhard EikmannsAbteilung Mikrobiologie und BiotechnologieUniversität UlmE-Mail: [email protected]

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17 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Identifizierung und Charakterisierung des globalen Regulators der Stickstoffkontrolle in CorynebakterienReinhard Krämer und Andreas Burkovski

Das Element Stickstoff ist von zentraler Bedeu-tung für alle lebenden Zellen. Es ist Bestandteilder Bausteine für Proteine, Zellwand und Erb-material, ohne die ein Überleben oder Wachs-tum unmöglich ist. Für jeden Organismus istdaher eine sichere und an den Bedarf ange-passte Versorgung mit Stickstoffquellen vonessentieller Bedeutung.

Identifizierung und Funktion eines globalen Stickstoff-RegulatorsIm Rahmen eines BMBF-geförderten

GenoMik-Programms wurde die globale Regu-lation des Stickstoffmetabolismus auf Ebeneder Genexpression, die Stickstoffkontrolle, inCorynebacterium glutamicum untersucht (1). Ineiner Kooperation mit der Degussa AG, demKompetenzzentrum der Universität Bielefeldund anderen Partnern wurde dabei der zentra-le Regulator der Stickstoffkontrolle in C. gluta-

micum, AmtR (2), identifiziert und funktionellcharakterisiert. Die Ergebnisse von DNA-Micro-array-Experimenten (3) und bioinformatischenAnsätzen zeigten, dass AmtR essentiell für dieAntwort der Zelle auf eine limitierte Stickstoff-versorgung ist. Der Befund, dass AmtR dabeidie Expression von mehr als 30 Genen kontrol-liert, unterstreicht seine zentrale Bedeutung fürdie Stickstoffkontrolle.

AmtR-regulierte Antwort auf StickstoffmangelUm Stickstoffmangelbedingungen zu

bewältigen, muss die Zelle gezielt neue Protei-ne bilden. Dazu werden verschiedene GeneAmtR-reguliert abgelesen und in Folge neueProteine synthetisiert. Auffällig ist, dass C.glutamicum dabei mehrere, miteinander ver-netzte Anpassungsstrategien verfolgt: So wirddie Zahl von Signalproteinen erhöht, vermutlichum die Signalweiterleitung zu beschleunigen.

Neue Transportproteine für die Aufnahme vonStickstoffquellen wie Ammonium, Creatinin,Aminosäuren und Harnstoff werden gebildet.Damit einhergehend wird auch die enzymati-sche Ausstattung der Zelle zur Nutzung dieserStickstoffquellen aktiviert (Abb. 1).

Stickstoffkontrolle in anderen CorynebakterienAmtR ist nicht nur von zentraler Bedeu-

tung für die Anpassung von C. glutamicum anMangelbedingungen, ein homologes Proteinwurde auch in der Genomsequenz des neu iso-lierten Aminosäureproduzenten Corynebacteri-um efficiens und in der des pathogenen Bakte-riums Corynebacterium diphtheriae gefunden.Untersuchungen in unserer Arbeitsgruppe zei-gen, dass AmtR auch in C. diphtheriae das glo-bale Netzwerk der Stickstoffregulation unddamit die Anpassung an Stickstoffmangel kon-trolliert.

Literatur1. Burkovski, A. (2003) I do it my way: Regulation of

ammonium uptake and ammonium assimilation in

Corynebacterium glutamicum. Arch. Microbiol.

179:83-88.

2. Jakoby et al. (2000) AmtR, a global repressor in the

nitrogen regulation system of Corynebacterium

glutamicum. Mol. Microbiol. 37:964-972.

3. Silberbach et al. (2005) Adaption of Corynebacteri-

um glutamicum to ammonium limitation : A global

analysis using transcriptome and proteome techni-

ques. Appl. Environ. Microbiol. 71:2391-2402.

KontaktProf. Dr. Andreas BurkovskiFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergE-Mail: [email protected]

Abb. 1: Der globale

Transkriptionsregulator

AmtR kontrolliert die

Antwort auf Stickstoffli-

mitation. Durch Regulati-

on der Genexpression

werden in Mangelsitua-

tionen Signalproteine,

Transporter und verwer-

tende Enzyme koordiniert

neu gebildet.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Streptomyceten – eine unerschöpfliche Quelle für neue WirkstoffeStefan Pelzer und Andreas Vente

Naturstoffe sind aus historischer Sicht die be-deutendste Quelle für neue Wirkstoffe mitmedizinischer Relevanz. Nach einer vor kurzemveröffentlichten Studie leiteten sich 61 Prozentder 877 Substanzen, die zwischen 1981 und2002 als Medikamente auf den Markt kamen,aus Naturstoffen ab (1). Hierbei waren durch-aus auch Substanzen, die sehr große Märkteadressieren, vertreten: Neun der 20 auf kleinenMolekülen basierenden Medikamente mit demgrößtem Umsatz weltweit beruhen auf Natur-stoffen oder sind Naturstoffe.

Naturstoffe, die auch als Sekundärme-tabolite bezeichnet werden, werden insbeson-dere aus Pflanzen und Bakterien isoliert.Bodenbakterien der Gattung Streptomyceszeichnen sich dabei durch die Synthese außer-gewöhnlich vieler biologisch aktiver Naturstof-fe aus. Hierbei leitet sich die enorme Vielfalt derin Streptomyceten gebildeten Naturstoffe vorallem aus den Genen des Sekundärmetabolis-mus ab. Diese Gene sind in sogenannten Clu-stern organisiert, die für die Enzyme und regu-latorischen Proteine kodieren, welche für dieNaturstoffbiosynthese benötigt werden. Meistsind in diesen Clustern auch die Resistenzme-chanismen kodiert, die den Organismus vor derbiologischen Wirkung seiner eigenen Sekun-därmetabolite schützen. Der Abschluss zweierStreptomyceten-Genomprojekte (Streptomycescoelicolor und Streptomyces avermitilis) in den

letzten Jahren zeigte, dass das genetischePotential dieser Bakterien für die Biosynthesevon Sekundärmetabolite sogar noch weit überdas bisher bekannte Maß hinausgeht. In jedemdieser Organismen wurden erstaunlicherweise20 bis 30 Gencluster identifiziert, die größten-teils für die Biosynthese bislang noch unbe-kannter Naturstoffe verantwortlich sind. Arbei-ten an anderen Organismen zeigen, dass beidiesen Bakterien dieses enorme Potential zurProduktion verschiedenster Naturstoffe eherdie Regel ist.

Im Rahmen der BMBF Fördermaßnah-me „Genomforschung an Mikroorganismen –GenoMik“ gelang es Wissenschaftlern aus Uni-versitäten, Instituten und Firmen in einem ge-meinsamen systematischen Ansatz, die Biosyn-thesegencluster für eine Vielzahl unterschiedli-cher Naturstoffe mit medizinischer Relevanzaus der Klasse der Polyketide zu identifizieren.Die Sequenz dieser Gencluster wurde ent-schlüsselt und es konnten neue Erkenntnissezur Biosynthese der Polyketide gewonnen wer-den (2). Substanzen wurden aufgereinigt, teil-weise derivatisiert und befinden sich derzeit inpräklinischen Testungen. Die strukturelle Viel-falt dieser Substanzen wird durch die Modifi-kationen der Grundstrukturen unter anderemmit Hilfe von Enzymen aus der Klasse derMethylasen, Oxygenasen, Halogenasen, Glyko-syltransferasen erzeugt, wie am Beispiel der

Polyketide durch Rix et al beschrieben (3). Inverschiedenen Arbeiten wurde bereits nachge-wiesen, dass sich diese sogenannten modifizie-rende Enzyme mit Enzymen der Grundgerüst-biosynthese aus verschiedenen Biosynthesenkombinieren lassen und dadurch neue Wirk-stoffe synthetisiert werden können. Dieses Prin-zip der sogenannten „Kombinatorischen Biosyn-these“ wird nun auch auf die neu gefundenenPolyketid-Biosynthesegencluster angewendet,um neue Wirkstoffe zu erzeugen, oder bekannteWirkstoffe zielgerichtet zu verbessern (4).

Literatur1. Newman et al. (2003) Natural products as sources

of new drugs over the period 1981-2002. J. Nat.

Prod. 66:1022-37.

2. Weber et al. (2003) Exploiting the genetic potential

of polyketide producing streptomycetes. J. Biotech-

nol. 106:221-32.

3. Rix et al. (2002) Modification of post-PKS tailoring

steps through combinatorial biosynthesis. Nat. Prod.

Rep. 19:542-80.

4. Pelzer et al. (2005) Novel natural compounds obtai-

ned by genome-based screening and genetic engi-

neering. Curr. Opin. Drug Discov. Devel. 8:228-38.

KontaktDr. Andreas VenteCombinature Biopharm AGE-Mail: [email protected]

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Viele Polyketide sind vor allem als Antibiotika oderWirkstoffe der Krebstherapie in Gebrauch oderEntwicklung. Concanamycin A (Con-A), ein 1981erstmals beschriebenes, aus dem Göttinger Na-turstoffscreening hervorgegangenes Beispieleines in Struktur und Wirkung interessanten Poly-ketides, wird von uns zusammen mit der Arbeits-gruppe S. Grond (Universität Göttingen) unter-sucht. Concanamycin A ist ein starker Inhibitorvon V-Typ ATPasen (Abb. 1), die eine wichtigeRolle beim Abbau von Knochenmaterial spielen.Dieser Abbau ist bei Osteoporose-Patienten ver-stärkt. Ein Einsatz von Concanamycin A führt zurInhibierung dieses Abbauprozesses und somitkann Con-A zur Behandlung von Osteoporoseeingesetzt werden. Das natürliche Biosynthe-seendprodukt hat jedoch noch toxische Neben-wirkungen, so dass ein Einsatz als Medikamentzur Zeit noch nicht möglich ist. Durch die Auf-klärung der Biosynthese auf Basis der DNA-Sequenz des Concanamycin A (con) –Biosynthe-segenclusters sollen Möglichkeiten zur Modifizie-rung und Verbesserung der Verträglichkeit erar-beitet werden.

Concanamycin A (Abb. 2) wird von demStamm Streptomyces sp. Gö22/15 produziert, derdaher ins genomische Screening des Actinomyce-ten-Netzwerks im Rahmen des GenoMik-Ver-bundprojektes einbezogen wurde. Der endständi-ge Zucker des Con-A (s. Abb. 2), eine 2,6-Dide-soxy-4-O-carbamoylglucose, stellt eine neueModifikation ("Garnitur") durch chemische Grup-pen in komplexen Naturstoffen dieses Typs(Makrolide; TypI Polyketide) dar und ist mögli-cherweise, wie bei vielen anderen glykosyliertenWirkstoffen, auch für das Wirkprofil entschei-dend. Daher eignen sich solche Glykosylreste ausmehreren Gründen für biokombinatorische Ansät-ze, d.h. die biochemische Veränderung bekannterWirkstoffe, insbesondere anderer makrozyklischerPolyketide wie etwa den weltweit pharmazeutisch

oder landwirtschaftlich verwendeten Erythromy-cin, Avermectin und Polyenmakroliden. In demPolyketidanteil von Concanamycin A fallen zudemzwei „ungewöhnliche“ C2-Einheiten auf. In derArbeitsgruppe unseres Kooperationspartners (S.Grond, Universität Göttingen) konnte mittlerwei-le gezeigt werden, dass diese C2-Einheit ausge-hend von Glycerin-3-Phosphat synthetisiert wird.Dies ist in den Biosynthesen von Polyketiden ehereine Ausnahme, da die Polyketidsynthasen nor-malerweise Carbonsäurensäuren wie Acetat,Butyrat oder Propionat in aktivierter Form als Vor-stufen verwenden.

Zur Identifizierung der Biosynthesegenewurden in unserer Arbeitsgruppe Gensonden ent-wickelt. Diese sollten spezifisch jene Gene detek-tieren, welche für die Enzyme kodieren, die dieSynthese und Modifikation des Zuckers katalysie-ren. Im Falle des Concanamycin A Genclustersgelang die Identifikation mit einer neuen DNA-Sonde, die das Gen für die Carbamoyltransferase(conN-Gen) identifizierte. Mit dem so identifizier-ten Gen conN wurde dann eine Cosmidgenbankdes Stammes Streptomyces Gö22/15 nach denCosmiden durchforstet, welche die entsprechen-

den genomischen Regionen des Genclusters ent-hielten. Mittlerweile wurden von vier überlappen-den Cosmiden die klonierte DNA (ca. 90.000Basenpaare) sequenziert und damit das Genclu-ster fast komplettiert. Lediglich die DNA-Informa-tionen der ersten drei PKS-Module fehlen nochund werden gerade identifiziert. Die Ergebnisseder Sequenzanalyse erbrachten, dass die spezifi-schen Gene für die "Garnierungs"-Reaktionenam Con-A Molekül auf einem gemeinsamen Sub-cluster neben den Polyketidsynthase-Genen lie-gen und für folgende Funktionen (in der genann-ten Reihenfolge) kodieren: dTDP-2,6-Didesoxy-glucose Glycosyltransferase (ConO), dTDP-6-Desoxyhexose 2,3-Dehydratase (ConF), dTDP-3,4-Keto-6-desoxyhexose 2,3-Reduktase (ConG),dTDP-4-Keto-2,6-didesoxyhexose 4-Ketoredukta-se (ConH), dTDP-2,6-Didesoxyglucose 4-Carba-moyltransfersae (ConN), dTDP-Glucose Synthase(ConD), dTDP-Glucose 4,6-Dehydratase (ConE).Zudem folgen in diesem Subcluster noch Gene füreine Transposase (ConT), eine O-Methyltransfera-se (ConM, benötigt für die O-Methylierung desMacrolidgerüstes nahe der „ungewöhnlichen“C2-Einheit,Abb. 1), eine Thioesterase (ConB), eine

19 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Abb. 1 Modell von

V-Typ-ATPasen, dem

Angriffspunkt von

Concanamycin A

Neue Wirkstoffe – Concanamycin A ein interessant “garniertes” PolyketidUdo Wehmeier

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

unbekannte Funktion (ConX), eine Phospho-panthetheinyltransferase (ConI) und einen mögli-chen Regulator (ConR). In der postulierten Bio-synthese des Con-A wird zuerst das Makrolid-gerüst mit Hilfe der Polyketidsynthasen (13 PKS-Module) synthetisiert, parallel dazu, ausgehendvon Glucose-1 Phosphat, der Desoxyzucker, an-schließend wird der Zucker an das Makrolidgerüstübertragen und danach erfolgt die Carbamoylie-rung. Auf der Basis dieser neuen Erkenntnissekann nun z.B. durch Ausschalten des in der Bio-synthese spät benutzten Gens conN das ebenfallsaktive Con-C (Descarbamoyl-Conacnamycin A)hergestellt werden, dem die Carbamoylgruppefehlt. Eine Übertragung des conN Gens oder desgesamten Subclusters conOFGHNDE auf Bakte-rienstämme, die andere ähnliche Metabolite pro-duzieren, würde so zu völlig neuen Wirkstoffklas-sen führen können, wenn der Zucker auf dieseWirkstoffe übertragen wird. Da die hierfür be-nötigten Gene auf einem isolierten Cosmid zu-sammen kloniert vorliegen, sind diese Ansätze re-lativ einfach durchführbar. Sowohl die H2NCOO-Gruppe (O-Carbamoylierung; ConN) als auch dieBeseitigung des Sauerstoffs in Position 2 (2-Desoxygenierung; ConDEFGH) des Zuckerbe-standteils sind dabei wertvolle neue Handwerks-

zeuge, die auch für die Modifikation anderer Wirk-stoffe eingesetzt werden könnten. Da Carbamoy-lgruppen durch ihre starke chemische Ladung dieEigenschaften eines Moleküls stark beeinflussen,kann die Carbamoyltransferase auch für Modifi-kationen anderer Wirkstoffe eingesetzt werden,vorausgesetzt, das Enzym erkennt andere Wirk-stoffe als Substrat. Um die Zugänglichkeit der Car-bamoyltransferase und anderer nutzbarer Mo-difikationsenzyme zu ermöglichen, werden dieseProteine heterolog überproduziert und bioche-misch charakterisiert.

Zusammenfassend können wir feststel-len, dass ohne die erworbenen Kenntnisse ausden ersten Phasen der GenoMik-Projekte die jetztbegonnenen Arbeiten nicht möglich wären. Diegewonnen Sequenzinformationen erlauben unsnun gezielte Wirkstoffmodifikationen, die Ergeb-nisse lassen sich auf andere Wirkstoffe in derZukunft übertragen.

KontaktPD Dr. Udo WehmeierBergische Universität WuppertalFachbereich C, Chemische MikrobiologieE-Mail: [email protected]

Abb. 2 Struktur von Concanamycin A. Die „ungewöhnliche“ C2-Einheit ist in blau hervorgehoben,

der Zucker in rot, die daran angefügte Carbamoylgruppe grün

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21 GenoMik-Kompetenznetzwerk Bielefeld

Myxobakterien unterscheiden sich in einer Viel-zahl von Eigenschaften von dem, was man typi-scherweise von Bakterien erwartet. Sie bewegensich gleitend in Schwärmen über ebene Ober-flächen und scheiden diverse Enzyme aus, mitdenen sie Nahrungsquellen aufschließen. Myxo-bakterien können sogar als „Raubbakterien“andere Mikroorganismen abtöten und „auffres-sen“. Am auffälligsten jedoch ist ihre Eigenschaft,unter Hungerbedingungen so genannte multizel-luläre Fruchtkörper zu bilden, von denen einigeZellen in Dauerformen umgewandelt werden, denMyxosporen. Die zum Teil baumartigen Fruchtkör-per können mehrere 100 µm groß sein und wer-den aufgrund ihrer Formvielfalt zur Klassifizierungder Bakterien herangezogen (siehe Abbildung 1).Die meisten Vertreter dieser ungewöhnlichenGram-negativen Bakterien werden aus Boden-proben, morschem Holz, Tierdung, Kompost odervon Baumrinden isoliert.

Weil sie so viele biologisch aktive Sub-stanzen produzieren können, darunter Antibiotikaund potenzielle Krebstherapeutika, sind Myxo-bakterien für den Menschen überaus nützlich. Sokonnten bereits rund 100 Naturstoffe mit etwa500 Strukturderivaten aus Myxobakterien isoliertund in ihrer Struktur aufgeklärt werden. Manchedieser Substanzen zeigen neue und überaus inter-essante Wirkmechanismen und einige myxobak-terielle Wirkstoffe befinden sich wegen ihrer viel

versprechenden therapeutischen Eigenschaftenbereits in klinischen Testphasen.

Bemerkenswert sind myxobakterielle Na-turstoffe, die mit mit dem Tubulin- oder demAktinskelett eukaryontischer Zellen interagieren.Sie wirken ähnlich wie die Pflanzensekundärstof-fe und Krebsmedikamente Taxol® oder Vinblastin.Während Tubulysin und Disorazol derzeit noch inpräklinischen Studien untersucht werden, befin-det sich ein semisynthetisches Derivat des myxo-bakteriellen Naturstoffs Epothilon bereits in klini-scher Phase III als Kerbsmedikament. Darüber hin-aus produzieren Myxobakterien auch eine Reihevon antibiotisch und fungizid wirksamen Sub-stanzen. Die Bedeutung dieser Wirkstoffgruppekann vor dem Hintergrund der brisanten Resi-stenzproblematik und dem Auftreten neuer undwiederkehrender Infektionskrankheiten in unse-ren Krankenhäusern kaum hoch genug einge-schätzt werden.

Die genannten Eigenschaften machenMyxobakterien als Naturstoffproduzenten sowohlfür die medizinische Forschung als auch für denEinsatz in der Biotechnologie überaus wertvoll.Etwa 80% der klinisch verwendeten Antibiotikaund der Krebstherapeutika basieren auf eben sol-chen Naturstoffen, die meist aus Bakterien, Pilzenoder Pflanzen gewonnen werden.

Im Rahmen der GenoMik Förderinitiativedes BMBF wird derzeit in einer Zusammenarbeitder Universität Bielefeld mit der Gesellschaft fürBiotechnologische Forschung in Braunschweigund der Universität des Saarlandes ein funktiona-les Genomprojekt des Modell-MyxobakteriumsSorangium cellulosum So ce56 durchgeführt. Bis-lang kennt man etwa 2500 Isolate von S. cellulo-sum, die für die Produktion von etwa der Hälftealler bekannten myxobakteriellen Naturstoffe,wie eben Epothilone und Disorazole, verantwort-lich sind. Durch das Genomprojekt wird nun einumfassendes Verständnis der Biologie dieserOrganismen ermöglicht. So besitzt S. cellulosumnicht nur das bei weitem größte bekannte bakte-rielle Genom, sondern auch eine wesentlich höhe-re genetische Kapazität zur Naturstoff-Bildung alsbislang ausgenutzt wird. Die bisherigen Arbeitenergaben, dass S. cellulosum So ce56 mehr als

10.000 Gene besitzt (was in etwa der Zahl derGene der Fruchtfliege und ungefähr einem Drittelder Zahl der Humangene entspricht!). Mit mehrals 13 Millionen Basenpaaren ist das Genom etwaviermal so groß wie das eines typischen Bakteri-ums. Dies spiegelt die Komplexität des Organis-mus wider und entsprechend vielfältig sind dieRegulationsmechanismen, die interessanterweisehäufig denjenigen sehr ähneln, die man allgemeinals typisch für Eukaryonten erachtet. Ebenfallserstaunlich groß ist die Zahl der Gene, die an derBildung von Naturstoffen beteiligt sind.

Zielsetzung der anstehenden Untersu-chungen ist die Herstellung neuer oder veränder-ter Naturstoffe sowie die Produktionsoptimierungmit Hilfe von genetischen Methoden. Genom-,Transkriptom- und Proteomanalytik werden eta-bliert, um die der Naturstoff-Produktion zugrun-deliegenden genetischen und biochemischen Pro-zesse in den Produzenten detailliert zu analysie-ren. Die beteiligten Arbeitsgruppen beschäftigensich mit den molekularen Mechanismen, die dengeschilderten Phänomenen zugrunde liegen, umdie Bildung und die Regulation der Biosynthesevon Naturstoffen in Myxobakterien zu optimieren.

Literatur1. Reichenbach, H. (1999) The ecology of the

myxobacteria. Environ. Microbiol., 1:15-21.

2. Reichenbach, H., and Höfle, G. (1999) Myxobacteria as

producers of secondary metabolites in Drug discovery

from nature (Eds.: S. Grabley, R. Thiericke), Springer,

Berlin, pp. 149-179.

3. Gerth, K., et al. (2003) Myxobacteria: Proficient

producers of novel natural products with various

biological activities - past and future biotechnological

aspects with the focus on the genus Sorangium.,

J. Biotechnol. 106:233-253.

4. Bode, H. B. and Müller, R. (2005) The impact of

bacterial genomics on natural product research.

Angew. Chem. Int. Ed. in press.

KontaktProf. Dr. Rolf MüllerPharmazeutische BiotechnologieUniversität des SaarlandesE-Mail: [email protected]

Mikroben mit Mega-Genom: multizelluläre Lebensweise,biologisch aktive Naturstoffe und 10.000 Genebei MyxobakterienRolf Müller

Abb.1: Fruchtkörper von Chondromyces crocatus mit

Strukturen des Fungizids Leupyrrin (links) und des

Cytostatikums Epothilon (rechts; Foto: K. Gerth)

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GenoMik-Kompetenznetzwerk Göttingen 22

GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

GenoMik-Kompetenznetzwerk Göttingen

BiotechGenoMik auf dem Weg ins fünfte Jahr seiner Arbeit

Das GenoMik-Kompetenznetzwerk „Genom-forschung an Bakterien für die Analyse derBiodiversität und die Nutzung zur Entwicklungneuer Produktionsverfahren“ mit dem Zentruman der Georg-August-Universität Göttingenwurde im Sommer 2001 gegründet. Da seinTitel zwar zutreffend, aber sehr lang ist, nennenwir es jetzt „BiotechGenoMik“; darunter sindzur Zeit 22 Projektgruppen angesiedelt, die an12 Universitäten bzw. Forschungszentren ar-beiten. Es war und ist das Ziel von BiotechGe-noMik, Mikroorganismen zu untersuchen, diefür biotechnische Produktionsprozesse interes-sant sind bzw. interessant zu werden verspre-chen. Darüber hinaus war und ist es das Ziel,wenigstens einen Teil der biotechnisch interes-santen Schätze zu heben, die nicht über kulti-vierbare Mikroorganismen zugänglich sind undnur über Genbibliotheken direkt aus der Naturerfasst und untersucht werden können.

In den ersten Jahren des Bestehens vonBiotechGenoMik standen Erfolge in der voll-ständigen Sequenzierung von Genomen z.B.von Bacillus licheniformis, Bacillus amyloliquefa-ciens, Picrophilus torridus, Gluconobacter oxy-dans und Ralstonia eutropha im Vordergrund.Indem diese Sequenzen genutzt und DNA-Microarrays verfügbar wurden sowie bestimm-te Enzymsysteme in Kenntnis der Sequenz iso-liert und untersucht werden konnten, verschobsich das Spektrum herausragender Resultate,und ein Beleg dafür sind die Highlights aus derArbeit von BiotechGenoMik, die hier präsen-tiert werden. Sie dokumentieren, dass der Wegvon der Genomsequenz zum Produkt, freilichüber eine Reihe von Schritten, der Richtige ist.Mit den heutigen Möglichkeiten der bioinfor-matischen Analyse von Sequenzen lässt sichdas für eine Mikroorganismenart charakteristi-sche Eigenschafts- und Leistungsprofil be-schreiben und für experimentelle Vorgehens-weisen mit dem Ziel der Verbesserung und Ent-wicklung von Produktionsorganismen nutzen.

Funktionelle Genomanalyse bedeutetKooperation, da ein ganzes Spektrum von ana-lytischen, biochemischen, physiologischen undbioinformatischen Methoden zur Anwendungkommen muss, um die erforderlichen Daten zugewinnen. Es wird als ein großer Vorteil gewer-tet, dass sich innerhalb von BiotechGenoMikeine Reihe von sehr produktiven Kooperationenentwickelt hat. So fließen die erwähnten Me-thoden zusammen, bei der Bearbeitung vonBacillus licheniformis durch Arbeitsgruppen inGreifswald, Göttingen und Düsseldorf; das ausdrei Replikons bestehende Genom von Ralsto-nia eutropha wird in Berlin, Göttingen undMünster bearbeitet; Arbeitsgruppen in Berlin,Göttingen und Jülich dringen in die vielfältigenOxidationsgeheimnisse von Gluconobacter oxy-dans ein; die Folgen der extremen Säuretole-ranz von Picrophilus torridus für die Beschaf-fenheit seiner Proteine werden in Hamburg-Harburg und Göttingen ermittelt. So könnenFragenstellungen, wie beispielsweise die zurRegulation der Proteinsekretion durch einge-hende Analyse der Genomsequenz verbundenmit Transkriptions- und Proteomprofilen beant-wortet werden. Entsprechende Untersuchun-gen werden an kontinuierlich wachsenden Kul-turen bzw. solchen, die möglichst industrienahim Batch-Verfahren gezüchtet werden, durch-geführt.

In den 80er Jahren erfuhren Prozessewie die Aceton-Butanol-Gärung, die in Ländernmit hoher Maisstärke-Produktion bis 1945 ingroßem Umfang zur Versorgung der chemi-schen Industrie mit Ausgangsmaterialien bei-getragen hatte, eine Renaissance. Trotz erheb-licher Fortschritte im Verständnis dieser Prozes-se und bei ihrer Optimierung konnten sie imLicht der damaligen Rohölpreise nicht auf einewirtschaftlich vertretbare Grundlage gestelltwerden. Angesichts einer Verdopplung derRohölpreise kann man jetzt an ein „zurück zurZukunft“ denken. In diesem Zusammenhang

wird der Entwicklung eines Prozesses zur Her-stellung von Butanol aus billigem Synthesegasgroße Bedeutung beigemessen, weil dadurchdie Tür geöffnet werden könnte, auch an dieWeiterentwicklung von Prozessen auf Mais-stärkebasis zu denken. Die hier zu lösendenProbleme sind andere als die für die Produkti-on von Enzymen, biologisch abbaubaren Poly-meren oder unvollständigen Oxidationsproduk-ten, die oben erwähnt wurden. Sie sind aber einwichtiger Bereich innerhalb von BiotechGeno-Mik, das sich eben noch mit anderen Proble-men auseinanderzusetzen hat als der funktio-nellen Genomanalyse, so beispielsweise mit derAuffindung von Bakterien mit einer hohen To-leranz gegenüber Kohlenmonoxid.

Schließlich wäre unser Netzwerk Bio-techGenoMik nicht umfassend genug, wennwir den Teil mikrobieller Komplexität ausge-klammert ließen, der sich nicht durch Isolierungund Kultur von Mikroorganismen erschließenlässt. Durch Metagenomik kann man in dasUnbekannte vorstoßen; man muss jedoch dasrichtige Methodenrepertoire anlegen, um anProdukte zu kommen, auf die gewartet wird,oder an solche, die gegenüber verfügbaren Pro-dukten Vorteile besitzen. Hier liegt ein großesEntwicklungspotenzial, das bei einer Fortset-zung der GenoMik-Initiative in Form von Geno-Mik-Plus noch größeres Gewicht erhalten soll.

Wir hoffen, dass unsere diesjährigenHighlights Ihr Interesse finden.

KontaktProf. Dr. Gerhard Gottschalk,Koordinator von BiotechGenomikBiotechGenoMik Netzwerk GöttingenInstitut für Mikrobiologie und GenetikGeorg-August-Universität GöttingenGrisebachstr. 8, 37077 GöttingenInternet: www.genomik.uni-goettingen.de

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Das Bakterium Bacillus licheniformis ist einerder wichtigsten Produktionsorganismen der sogenannten „weißen Biotechnologie“. Er wirdweltweit als Stamm für die Herstellung extra-zellulärer Enzyme, insbesondere Proteasen undAmylasen, eingesetzt. Für die industrielle Pro-duktion von Enzymen werden an einen Wirts-stamm sehr hohe Anforderungen gestellt: Ersoll hohe Enzymausbeuten in kurzen Fermenta-tionszeiten liefern und dabei auf möglichst kos-tengünstigen Nährmedien wachsen. Er sollteEnzyme in großen Mengen ins Medium sekre-tieren können. Zudem sollten wenig störendeNebenprodukte wie andere extrazelluläre Enzy-me, Toxine oder Schleimstoffe gebildet werden.Als Produktionsorganismus kommt B. licheni-formis diesen Anforderungen sehr nahe. Diefunktionelle Genomanalyse wird dazu beitra-gen, die Produktivität dieses bedeutenden in-dustriellen Mikroorganismus weiter zu verbes-sern sowie neue Verfahren zu etablieren. Umdie physiologischen Vorgänge während derindustriellen Fermentation von B. licheniformisauf molekularer Ebene umfassend charakteri-sieren zu können, war die Entschlüsselung derGenomsequenz durch die Göttinger Gruppevon entscheidender Bedeutung (1).

Diese Sequenzinformation dient nunals Grundlage für die funktionelle Genomana-lyse in Greifswald, die in enger Kooperation mitder Göttinger Arbeitsgruppe sowie der HenkelKGaA durchgeführt wird. So wurde in Göttin-gen ein DNA-Microarray hergestellt, mit demman die Transkription von 95% aller in derGenomsequenz von B. licheniformis annotier-ten Gene unter verschiedensten Bedingungenmessen kann. Die Göttinger Gruppe konzen-triert sich auf Untersuchungen zu prozessrele-vanten Eigenschaften des Energie- und Zen-tralmetabolismus von B. licheniformis, der sichin einigen wichtigen Aspekten vom Stoffwech-sel des gut untersuchten Modellorganismus B.subtilis unterscheidet: So kann B. licheniformis

die Endprodukte der für diese Organismen cha-rakteristischen unvollständigen Oxidation vonGlucose – Acetat und 2,3-Butandiol – in einerzweiten Wachstumsphase verwerten. Außer-dem kann dieser Organismus fermentativ unteranaeroben Bedingungen gut wachsen. DieseEigenschaften könnten entscheidend für diegute Kultivierbarkeit von B. licheniformis inHoch-Zelldichte-Fermentationen sein.

In der Greifswalder Arbeitsgruppe wur-den mit Hilfe der Proteomanalyse über diezweidimensionale Gelelektrophorese kombi-niert mit MALDI-ToF Massenspektrometrie zu-nächst Grundzüge des Stoffwechsels von B.licheniformis unter verschiedenen Modellbe-dingungen sowie unter Fermentationsbedin-gungen analysiert. Diese dadurch erhaltenenUntersuchungen unterstreichen, dass das Wis-sen um das Erbgut zwar zeigt, was die Zellenprinzipiell leisten können, die Techniken derfunktionellen Genomuntersuchungen dagegen

sichtbar machen, was physiologisch in den Zel-len wirklich passiert. Der Greifswalder Gruppegelang es im Verlauf ihrer Proteom-Untersu-chungen mehr als 500 Proteine der wachsen-den Zellen zu identifizieren, unter ihnen dieMehrzahl der Enzyme, die an den grundlegen-den metabolischen Routen beteiligt sind. Damitkonnten viele Enzyme und Stoffwechselverläu-fe, die bereits auf der Genomsequenz basierendpostuliert wurden, bestätigt werden. Die um-fassende Proteominformation macht es mög-lich, die Stoffwechselvorgänge und ihre Regu-lation vollständiger metabolischer Sequenzenin ihrer Gesamtheit zu studieren, was modell-haft für die Regulation der Glykolyse und desTricarbonsäurecyclus (TCC) erfolgreich abge-schlossen wurde (2).

Im Mittelpunkt des Interesses derGreifswalder Gruppe stehen die Identifizierungund detaillierte Analyse von prozesskritischenMarkergenen. Prozesskritische Situationen

Gene, die als Marker für Stress dienen,helfen, die Effizienz des Waschmittelenzym-Produzenten Bacillus licheniformis zu steigernMichael Hecker, Thomas Schweder, Birgit Voigt, Le Thi Hoi, Britta Jürgen, Karl-Heinz Maurer, Stefan Evers, Armin Ehrenreich, Gerhard Gottschalk

Abb. 1: Color coding

Image (Delta2D,

www.decodon.de) des

extrazellulären Proteoms

von B. licheniformis unter

Phosphat-, Glukose- und

Stickstoff-Hungerbedin-

gungen (aus Voigt et al.,

2005).

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

können beispielsweise durch Nährstofflimita-tionen (z.B. Sauerstoff-, Stickstoff-, oder Phos-phatmangel) sowie Sekretionsstress bzw. phy-sikalische Stressbedingungen (z.B. Hitzestress,oxidativer oder osmotischer Stress) ausgelöstwerden. Durch die Kombination von Proteomicsund Transkriptomanalyse kann die Gesamtheitder Gene identifiziert werden, die spezifischdurch ein bestimmtes Umweltsignal reguliertwerden. Dieser umfassende Blick auf die Phy-siologie der Zellen erlaubt es, die Gene/Protei-ne herauszufiltern, die als Indikatoren für pro-zesskritische Situationen dienen könnten.Diese Gene/Proteine bezeichnen wir als Mar-kergene oder -proteine. In Abbildung 1 sindpotentielle extrazelluläre Markerproteine vonB. licheniformis für drei ausgewählte Nähr-stofflimitationen farblich dargestellt (3).

Die Kenntnis dieser Markergene bzw. –proteine erlaubt nun eine bessere Überwa-chung von industriellen Fermentationsprozes-sen. Durch den Einsatz geeigneter Analyseme-thoden können prozesskritische Situationenwie z.B. Nährstofflimitationen in dem Fermen-tationsprozess schnell erkannt werden. Aller-dings muss dann durch Änderung der Fermen-tationsbedingungen zeitnah darauf reagiertwerden. Elektrische DNA-Chips, die mit Sondenfür prozesskritische Gene beladen sind (4),könnten in Zukunft für derartige Prozesskon-trollen eingesetzt werden (5). Darüber hinausist die Identifizierung von streng reguliertenMarkergenen mit starken Promotoren für dieEntwicklung neuer Expressionssysteme für B.licheniformis von Interesse.

Literatur1. Veith et al. (2004) The complete genome sequence

of Bacillus licheniformis DSM13, an organism with

great industrial potential. J. Mol. Microbiol.

Biotechnol. 7: 204-211

2. Voigt et al. (2004) A proteomic view of cell

physiology of Bacillus licheniformis.

Proteomics 4: 1465-1490

3. Voigt et al. (2005) The extracellular proteome

of Bacillus licheniformis grown in different media

and under different nutrient starvation conditions.

Proteomics, (im Druck)

4. Jürgen et al. (2005) Application of an electrical

DNA-chip for the expression analysis of bioprocess-

relevant marker genes of Bacillus subtilis.

Biotechnol. & Bioengin. (im Druck)

5. Feesche et al. (2003) DNA chips used

for bioprocess control. PCT/EP2003/009979

KontaktProf. Dr. Thomas Schweder und Prof. Dr. Michael HeckerErnst-Moritz-Arndt-Universität GreifswaldE-Mail: [email protected]

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Bakterien der Gattung Bacillus können durchBildung von resistenten Sporen auch unterungünstigen Bedingungen in der Umwelt nahe-zu unbegrenzt überdauern und sind in großerZahl im Boden und in der pflanzlichen Wurzel-zone verbreitet. Durch die Sekretion extrazel-lulärer Enzyme können sie sich auch makromo-lekulare Nährstoffe (Kohlenhydrate, Proteine)außerhalb der Zelle erschließen; durch die Pro-duktion antibakterieller und antifungaler Wirk-stoffe werden konkurrierende Mikroorganis-men unterdrückt. Diese „natürlichen“ Eigen-schaften werden von der Industrie für die Pro-duktion wirtschaftlich wichtiger Exoenzyme(Proteasen,Amylasen, Glucanasen),Antibiotikaund Vitamine genutzt.

In dem letzten Jahrzehnt wurden Bacil-lusstämme entdeckt, die sowohl das Wachstumvon Nutzpflanzen („plant growth promotion“)als auch die pflanzlichen Abwehrreaktionengegen phytopathogene Organismen („indu-zierte Systemresistenz“) fördern (Abb. 1).

So werden heute langlebige Sporen-präparate, z.B. von Bacillus amyloliquefaciens,mit Erfolg für die Ertragssteigerung im Gemüse-und Gartenbau sowie für Kartoffeln, Getreideund andere landwirtschaftliche Nutzpflanzen

eingesetzt. Der ökologische Vorteil dieser biolo-gischen Formulierungen, die die Einsparungbeträchtlicher Mengen chemischer Dünger so-wie von Herbiziden und Insektiziden erlaubt, istoffensichtlich. Heute erlebt der Einsatz derarti-ger Präparate in der Landwirtschaft, insbeson-dere in den U.S.A., einen regelrechten Boom. Lei-der sind die komplexen, molekularen Mechanis-men, die diese Effekte in der Bakterienzelle regu-lieren, immer noch wenig verstanden. Ausge-hend von einer strukturellen Genomanalyse gibtuns heute die Anwendung des von der Genom-forschung entwickelten Methodenspektrums dieMöglichkeit, die globalen Reaktionsnetze zel-lulärer Antworten in ihrer Gesamtheit zu unter-suchen. Auf dieser Basis können neue hochpro-duktive Stämme für den jeweiligen Anwen-dungszweck entwickelt werden.

Die Genomsequenz des direkt aus derpflanzlichen Wurzelzone isolierten Bacillus amy-loliquefaciens-Stammes, der mit Erfolg für dieFörderung des Pflanzenwachstums eingesetztwird, wurde mit der bekannten Sequenz einesverwandten „Modell“-Organismus, Bacillussubtilis 168, der seit ca. 150 Jahren im Laborkultiviert wird, verglichen. Es zeigte sich, dassdas genetische Potential des „Wildisolats“dem des Laborstammes überlegen ist. So wur-den im B. amyloliquefaciens-Genom großeDNA-Bereiche identifiziert, die für die Produk-tion von antifungalen und antibakteriellenWirkstoffen verantwortlich und nicht im – mög-licherweise „degenerierten“ – Laborstamm an-zutreffen sind. Beispielsweise produziert B.amyloliquefaciens die cyclischen LipopeptideBacillomycin D und Fengycin, die Pflanzen vorphytopathogenen Pilzen in der Wurzelzoneschützen (1), fördert durch die Synthese desPflanzenhormons Indol-3-Essigsäure das Pflan-zenwachstum (2) und erlaubt durch die Sekre-tion einer spezifischen Phosphatase („Phyta-se“) die Erschließung neuer Nährstoffquellen(3).

Die Verfügbarkeit der kompletten Ge-nomsequenz erlaubt die Identifizierung aller ander Exoenzym-Synthese und der für die Inter-aktion mit der pflanzlichen Rhizosphäre betei-ligten Wirkstoffe und ebnet damit den Weg fürdie Optimierung von hochproduktiven Bacillus-Produktionsstämmen. Ein besonderer Vorteildes untersuchten B. amyloliquefaciens Stam-mes ist seine Fähigkeit, DNA auf natürlichemWege aufzunehmen („Kompetenz“), eine Ei-genschaft, die nicht nur die funktionelle Analy-se mit Gen-„knock-out“-Mutanten ermöglicht,sondern auch die Etablierung eines Methoden-spektrums für die weitere Untersuchung derkomplexen Wechselbeziehungen zwischenPflanzen und Wurzelbakterien in einer Weiseerlauben wird, wie es exemplarisch für die bak-terielle Grundlagenforschung mit den Modell-organismen E. coli und B. subtilis seit Jahrzehn-ten existiert.

Literatur1. Koumoutsi et al. (2004) Structural and functional

characterization of gene clusters directing nonribo-

somal synthesis of bioactive cyclic lipopeptides in

Bacillus amyloliquefaciens FZB42. J. Bacteriol. 186:

1084-1096

2. Idris et al. (2004) Screening and detection of plant-

growth promoting substances produced by Bacillus

subtilis/Bacillus amyloliquefaciens. Plant Disease

Protection 111: 583-597

3. Idriss et al. (2002) Extracellular phytase activity of

Bacillus amyloliquefaciens FZB45 contributes to its

plant-growth-promoting effect. Microbiology 148:

2097-2109

KontaktProf. Dr. Rainer BorrissInstitut für BiologieHumboldt-Universität BerlinE-Mail: [email protected]

Dünger aus Mikroben – Gene in Bacillus amyloliquefaciens entdeckt,die Pflanzen besser wachsen lassen Rainer Borriss

Abb. 1: Pflanzenwuchsfördernder Effekt von Bacillus-

Stämmen: Wachstum von Maiskeimlingen ohne (links)

bzw. mit (rechts) Kulturfiltrat von B. amyloliquefaciens

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Der Einsatz von Wasserstoff (H2) als umwelt-freundlicher Energieträger wird gegenwärtigintensiv vorangetrieben. H2 kann nicht nur imtechnischen Bereich verwendet werden, wieetwa in Synthesegas oder als alternativer Kraft-stoff für Fahrzeuge, sondern ist auch eine her-vorragende Energiequelle für viele Mikroorga-nismen. So kann eine Vielzahl autotropher Bak-terien diese Energie zur Assimilation von Koh-lendioxid (CO2) als alleinige Kohlenstoffquellezum Aufbau ihrer Biomasse nutzen. Das Gram-negative, fakultativ chemolitho-autotropheBakterium Ralstonia eutropha Stamm H16 isteiner der am besten untersuchten Organismen

aus der Gruppe dieser sogenannten Knallgas-bakterien. Es oxidiert H2 in Gegenwart von Sau-erstoff, wobei unterschiedliche Hydrogenasenfür die Aktivierung des Gases verwendet wer-den. Ähnlich wie in Pflanzen und Algen wirdCO2 über die Reaktionen des Calvin-Benson-Bassham (CBB)-Cyclus fixiert. Neben H2-CO2verwertet es auch eine Fülle organischer Sub-strate als Kohlenstoff- und Energiequellen.Nicht zuletzt hat es sich über die mittlerweilemehr als vier Jahrzehnte seiner wissenschaftli-chen Erforschung als physiologisch äußerst fle-xibler und robuster Organismus erwiesen. Bio-technologisch ist R. eutropha H16 bereits als

Produzent von Polyhydroxyalkanoaten (PHA)etabliert. Diese thermoplastischen Polyesterwerden als Speicherstoff in den Zellen ange-häuft und liegen dort in Form von Grana vor.PHA finden als biokompatible und biologischabbaubare Plastikstoffe in der Medizin und alsVerpackungsmaterial Verwendung, wenn auchgegenwärtig aus Kostengründen in noch sehrgeringem Umfang.

Die Perspektiven für eine weitergehen-de biotechnologische Nutzung von R. eutrophaH16 sind somit vielversprechend. Zu derengrundsätzlicher Einschätzung wurde die Ge-nomsequenzierung des Organismus im Rah-men des BMBF-Förderprogramms "Genomfor-schung an Mikroorganismen", Kompetenz-netzwerk Göttingen (BiotechGenoMik), inZusammenarbeit mit dem Göttinger Labor fürGenomanalyse (Leiter: Prof. Dr. Gerhard Gott-schalk) durchgeführt. Sie hat zum Ziel, biotech-nologische Anwendungen dieses Stammes aufeine rationale genetische Grundlage zu stellen.Davon ausgehend soll das physiologischeGesamtpotential von R. eutropha H16 neubewertet werden.

Ein besonderes Augenmerk zukünftigerAnwendungen des Stammes wird auf der Pro-duktion weiterer Biopolymere wie Cyanophy-cin, Polyglutamat und Polyaspartat sowie vonMetaboliten wie organischen Säuren und Ami-nosäuren liegen, die für die chemisch-pharma-zeutische Industrie von Interesse sind (AG

Steckbrief: Ralstonia eutropha H16 (ß-Proteobacteria, Familie Burkholderiaceae)

Das Genom des Stammes hat eine Größe von 7,45 Mb und besteht aus drei sich unabhängig voneinander replizierenden, ringförmigenDNA-Molekülen (1). Die Sequenz des kleinsten Replikons, des Megaplasmids pHG1 (0,452 Mb), wurde bereits aufgeklärt (2). Das Mega-plasmid ist für die Lithoautotrophie des Organismus mit H2 essentiell, weil darauf seine Hydrogenasen codiert sind. Außerdem trägt esGene des CBB-Cyclus sowie Gene für die anaerobe Respiration und die Reduktion von Ribonucleotiden (2, 3). Nahezu alle Gene des Grundstoffwechsels befinden sich auf Chromosom 1 (4,1 Mb). Dagegen codiert Chromosom 2 (2,9 Mb) vor allem zusätzliche Stoffwechsel-leistungen und hat damit eher Plasmidcharakter. Es weist Duplikationen der Genregionen des CBB-Cyclus und der Nitratreduktion auf.

„Made by Ralstonia“ – Entwicklung neuer Produktionsstämme für eine auf Wasserstoff basierende BiotechnologieBotho Bowien, Bärbel Friedrich und Alexander Steinbüchel

Abb.1: Konversion von

nachwachsenden Roh-

stoffen und von Wasser-

stoff mit Hilfe von R.

eutropha H16 als Produk-

tionsplattform.

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Steinbüchel). Lithoautotroph kultivierte Pro-duktionsstämme bieten die Möglichkeit, hoch-reine Produkte zu erhalten. Seine Lithoautotro-phie macht R. eutropha H16 auch zu einembesonders geeigneten Organismus für Markie-rung und Produktion von Biomolekülen mit sta-bilen Isotopen (2H, 13C, 15N), die zunehmend inspektroskopischen Strukturanalysen sowie beimetabolischen Untersuchungen in der Medizinzur Anwendung kommen. Der IndustriepartnerSilantes GmbH, München, schaffte dazu dietechnologischen Vorraussetzungen durch dieEntwicklung sicherer Fermentersysteme, die fürdie Anzucht von R. eutropha mit H2 unter Pro-duktionsbedingungen unerlässlich sind.

Der gegenwärtige Stand des Projektserlaubte bereits die Identifizierung einer Reiheinteressanter Gene in der Genomsequenz vonR. eutropha H16. So wurden neue, an der Bil-

dung von PHA-Grana beteiligte Gene entdeckt,deren gezielte Kontrolle die Produktion vonPHA-Grana definierter Größe ermöglichen undsomit eine Chance zur Anwendung dieserGrana in der Nanotechnologie eröffnen. Auchsind an Biosynthese und Wiederverwertung vonPHA ganz offensichtlich wesentlich mehr Pro-teine beteiligt als bisher bekannt. Dies betrifftnicht nur die Polymerisation und Depolymerisa-tion von PHA selbst, sondern auch die Über-führung von Intermediären des Zentralstoffwe-chels in Substrate der PHA-Synthase. DieKenntnisse der entsprechenden Gene ist unab-dingbare Voraussetzung, um durch 'metabolicengineering' zu verbesserten Produktionsver-fahren für bereits bekannte Polymere oder garzu neuen Polymeren wie den kürzlich entdeck-ten Polythioestern zu gelangen (AG Stein-büchel) (4, 5). Für das Verständnis der autotro-phen CO2-Fixierung und des allgemeinen CO2-Stoffwechsels in R. eutropha ist das Auffindenverschiedener Gene von Carboanhydrasen vonBedeutung. In diesem Zusammenhang wirdnach mutmaßlichen Transkriptionsregulatorender beiden cbb-Operone von R. eutropha H16gesucht. Gene dieser Operone codieren Enzymedes CBB-Cyclus (AG Bowien).

Bereits erfolgreich abgeschlossen wur-de die Sequenzierung des MegaplasmidspHG1, auf dem die Gene für die Synthese derdrei H2-oxidierenden NiFe-Hydrogenasen desOrganismus lokalisiert sind. Diese Hydrogen-asen sind durch eine hohe Toleranz gegenüberSauerstoff und Kohlenmonoxid gekennzeich-net. Damit besitzen sie Eigenschaften, die fürden technologischen Einsatz dieser Enzyme vonBedeutung sind, z. B. für die photobiologischeProduktion von H2 und die Entwicklung einerbiologischen Brennstoffzelle. Basierend auf derSequenzauswertung wurden außerdem mole-kularbiologische Arbeiten zur Etablierung vonExpressionsystemen und zur Stammentwick-lung für geplante Produktionsverfahren durch-geführt (AG Friedrich). Darüber hinaus wurdeein Abhängigkeitssystem zur stabilen Expressi-on von Fremdgenen in R. eutropha H16 bei

hohen Zelldichten entwickelt, welches auf einerMutante mit defekter 2-Keto-3-desoxy-6-phos-phogluconat (KDPG)-Aldolase und einem Ex-pressionsvektor mit intakter KDPG-Aldolaseberuht (AG Steinbüchel).

Literatur1. Schwartz et al. (2001) A physical map of the

megaplasmid pHG1, one of the three genomic

replicons in Ralstonia eutropha H16. FEMS

Microbiol. Lett. 201: 213-219

2. Schwartz et al. (2003) Complete nucleotide

sequence of pHG1. A Ralstonia eutropha H16

megaplasmid encoding key enzymes of H2-based

lithoautotrophy and anaerobiosis.

J. Mol. Biol. 332: 369-383

3. Bowien et al. (2002) Genetics and control of

CO2 assimilation in the chemoautotroph Ralstonia

eutropha. Arch. Microbiol. 178: 85-93.

4. Steinbüchel A. (2001) Perspectives for biotech-

nological production and utilization of biopolymers:

Metabolic engineering of polyhydroxyalkanoate

biosynthesis pathways as a successful example.

Macromol. Bioscience 1: 1-24.

5. Lütke-Eversloh et al. (2001) Biosynthesis of a

new class of biopolymer: Bacterial synthesis of a

sulfur containing polymer with thioester linkages.

Microbiology 147: 11-19.

KontaktProf. Dr. Botho BowienInstitut für Mikrobiologie und GenetikGeorg-August-Universität GöttingenE-Mail: [email protected]

Abb. 2: Bioreaktor (500 L-Fermenter) im Biotechnikum

des Instituts für Molekulare Mikrobiologie und Bio-

technologie der Universität Münster zur Anzucht von

R. eutropha. Insert: Zelle des Stammes H16 mit einge-

lagerten PHA-Grana (Aufnahme: A. Steinbüchel).

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Der Einsatz von Fermentationen zur Synthesevon Grundchemikalien, die bislang kostengün-stig nur auf petrochemischer Basis herzustellenwaren, eröffnet völlig neue Perspektiven. DieAbhängigkeit von Erdöl wird reduziert, und inindustriellen Verfahren häufig anfallende Ab-fallprodukte wie Schlämme, Maischen oderauch Synthesegas werden in den Produktions-prozess zurückgeführt. Die modernen Möglich-keiten des „metabolic engineering“ erlaubenes, Mikroorganismen für diese Aufgabe zu opti-mieren.

Die Ulmer Arbeitsgruppe erarbeitetderzeit ein biotechnologisches Verfahren zureinstufigen Erzeugung von Butanol aus Synthe-segas. Dieses könnte das bisher übliche 2-stu-fige, chemisch-technische Verfahren zur Buta-nolsynthese auf Erdölbasis ersetzen (Abb. 1).

Synthesegas ist eine Mischung ausetwa gleichen Teilen Kohlenmonoxid (CO) undWasserstoff (H2) mit Spuren anderer Gase. Esentsteht beispielsweise aus Steinkohle oderbeim Thermorecycling von Abfällen und ist ein

seit langem eingesetztes, weil in großen Men-gen vorhandenes und billiges Ausgangssub-strat für viele Syntheseprozesse.

Nach aufwendigen Screening-Pro-grammen ist es gelungen, einen anaeroben Or-ganismus zu finden, der das hochtoxische Koh-lenmonoxid im Synthesegas sehr gut als Sub-strat verwerten kann. In dieser Tatsache liegtaber wiederum die besondere Eleganz diesesAnsatzes: Energieaufwendige Sterilisationspro-zesse wären für einen derartigen Prozess wahr-scheinlich nicht notwendig, da „normale“ Mi-kroorganismen die eingesetzten CO-Konzen-trationen nicht überleben würden. Aufschlussüber die biochemischen Details, die die hoheToleranz gegenüber CO ermöglichen, liefert diemomentan im Göttinger Laboratorium fürGenomanalyse durchgeführte Sequenzierungdes entsprechenden bakteriellen Genoms.

Durch den Ansatz des „metabolicengineering“ wird ein Stoffwechselweg für dieSynthese von Butanol konstruiert und in dasCO-verwertende Bakterium eingebracht. Die

entsprechenden Arbeiten zur Übertragung undExpression des Butanolsynthese-Operons ste-hen kurz vor Beendigung. Parallel werden wei-tere Bakterien wie beispielsweise Butyribacteri-um methylotrophicum und auch Umweltgenda-tenbanken bezüglich der Gene zur Butanolsyn-these untersucht. Ziel ist es, eine Butanoldehy-drogenase mit hoher Aktivität zu finden, um dieButanol-Ausbeuten in einem späteren Produk-tionsprozess zu steigern.

Der schnelle Transfer der entwickeltenStämme aus dem Labor in einen Produktions-prozess soll durch Kooperation mit der FirmaEuropean Oxo GmbH sichergestellt werden, dieein großes Interesse an den Möglichkeiten desVerfahrens hat.

KontaktProf. Dr. Peter Dürre Mikrobiologie und Biotechnologie, Universität UlmE-Mail: [email protected]

Abfallstoffe als Nahrung – Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses zur Herstellung von Butanol aus billigem SynthesegasPeter Dürre

Abb. 1: Chemische und

biotechnologische Buta-

nolproduktion

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Essigsäurebakterien wie Gluconobacter oxy-dans dienen den Menschen seit Jahrtausenden,bereits die alten Babylonier und Ägypter nutz-ten sie unwissentlich. Sie ließen Wein und Biereinfach offen stehen, mischten ein paar Kräu-ter hinzu und wie von selbst versäuerten dieGetränke zu Essig. Heute weiß man, dass kei-nesfalls die Kräuter oder überirdische Mächtefür die Verwandlung verantwortlich sind. Essig-säurebakterien sind auf pflanzlichem Materialweit verbreitet, daher genügen ein paar Kräu-ter um die so genannte oxidative Fermentation

zuverlässig zu starten. In ihrem Verlauf wirdEthanol nicht zu Kohlendioxid sondern zuEssigsäure oxidiert – eine unvollständige Oxi-dation.

Die Einsatzmöglichkeiten der unvoll-ständigen Oxidationen der Essigsäurebakterienwie G. oxydans beschränken sich jedoch nichtauf die Essigproduktion. Unvollständige Oxida-tionsprozesse von Zuckern und Alkoholen, dievon G. oxydans durchgeführt werden, sind inder chemischen und pharmazeutischen Indu-strie von großem wirtschaftlichem Interesse. G.oxydans kann nicht nur Ethanol zu Acetat, son-dern auch eine sehr große Zahl von Zuckernund anderen Polyolen regio- und stereoselektivzu den entsprechenden Zuckersäuren oder Ke-tonen oxidieren. Der Organismus ist dahergleichsam als lebender, hochspezifischer Kata-lysator für eine unüberschaubare Zahl von Oxi-dationsreaktionen anzusehen. So wird G. oxy-dans inzwischen vermehrt für die Produktionvon Feinchemikalien oder zur Synthese vonZwischenprodukten bei der Herstellung vonPharmazeutika eingesetzt. Ein Beispiel hierfürist die Synthese von L-Sorbose aus D-Sorbit,das als wichtige Zwischenstufe zur Herstellungvon Vitamin C verwendet wird.

Um den höchst außergewöhnlichenStoffwechsel der Essigsäurebakterien zu ver-stehen und ihr ganzes Potential für Oxidations-reaktionen abschätzen zu können, wurde dasGenom von G. oxydans durch die Arbeitsgrup-pe von Uwe Deppenmeier in enger Zusammen-arbeit mit dem Göttinger Labor für Genomana-lyse vollständig sequenziert. Die Kenntnis derGenomsequenz trägt zum grundlegenden Ver-ständnis des ungewöhnlichen Metabolismusder Essigsäurebakterien bei und ist Grundlagefür eine funktionelle Genomanalyse. Darauf

aufbauend kann eine gezielte Veränderung desStoffwechsels durch so genanntes „metabolicengineering“ vorgenommen werden. Dabeisollen vorhandene, auf Essigsäurebakterienberuhende Produktionsprozesse verbessertund vor allem neue biotechnologische Einsatz-gebiete für diese Organismen erschlossen werden.

Die bisherigen Untersuchungen erga-ben eine ganze Reihe von Überraschungen inBezug auf den Energie- und Biosynthesestoff-wechsel dieses Bakteriums. Besonders wichtigfür die Arbeiten, die im Verbund mit denArbeitsgruppen um Hermann Sahm (Jülich) undHelmut Görisch (Berlin) durchgeführt werden,sind die neuartigen Erkenntnisse über Proteine,die die erwähnten unvollständigen Oxidatio-nen von Glukose und vieler anderer Substratesteuern. So konnten allein 75 Gene identifiziertwerden, die für biochemisch nicht charakteri-sierte Dehydrogenasen kodieren. Die Kenntnisdieser Gene erlaubt die Entwicklung neuartigerStrategien zur maßgeschneiderten Konstrukti-on von besonders geeigneten Produktions-stämmen, woran das Unternehmen BASF AG(Ludwigshafen), welches diese Untersuchun-gen finanziell gefördert hat, besonders interes-siert ist.

Literatur1. Prust et al. (2005) Complete genome sequence of

the acetic acid bacterium Gluconobacter oxydans.

Nat. Biotechnol. 23:195-200

KontaktDr. Armin EhrenreichInstitut für Mikrobiologie und GenetikGeorg-August-Universität Göttingen E-Mail: [email protected]

Genomsequenz enthüllt das Potenzial von Gluconobacter oxydans für BiotransformationenArmin Ehrenreich, Marc Hoffmeister, Birgit Veith, Tina Prust, Uwe Deppenmeier

Steckbrief Gluconobacter oxydans 621H (a-Proteobacteria, Familie: Acetobacteraceae)

Das Genom von G. oxydans 621 H besteht aus einem ringförmigen Chromosom von 2,7 Mb Größe, sowie fünf Plasmiden von 163 kb,26,6 kb, 14,5 kb, 13,2 kb und 2,7 kb Größe. Auf dem Genom sind insgesamt 2.668 Gene identifiziert worden.

Abb. 1: Austretende, stark zuckerhaltige Pflanzensäfte

an Früchten sowie Nektar oder der Darm von Bienen

sind die typischen Habitate von Gluconobacter, dessen

Zellen (siehe kleines Bild oben) eine charakteristische,

zitronenförmige Morphologie aufweisen. Das Genom

dieser Organismen (siehe kreisförmige Darstellung)

codiert für eine Vielzahl von stereo- und regioselekti-

ven Dehydrogenasen.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Gluconobacter oxydans, ein auf Blumen undFrüchten lebendes Essigsäurebakterium, ist einso genannter „unvollständiger Oxidierer“. DieBesonderheit dieses Organismus liegt darin,dass er so verschwenderisch mit den zur Verfü-gung stehenden Nährstoffen umgeht und nurwenig für sein eigenes Wachstum verwendet.Eine Vielzahl der Stoffwechselprodukte, die erausscheidet, sind Biomoleküle, die wegen ihrerWirksamkeit als Vitamine oder Arzneimittelbe-standteile von großem wirtschaftlichem undmedizinischem Interesse sind. Neben Dihydro-xyaceton (Bräunungsmittel) aus Glyzerin undGlukonsäure (Spülmittelzusatz) aus Glukosewird G. oxydans auch zur Herstellung von Ami-nosorbose (diabetisches Therapeutikum) ausAminosorbit eingesetzt.

WeinsäureDurch unvollständige Oxidation kann

G. oxydans aus Traubenzucker 5-Ketoglukon-säure, ein Vorläufer der Weinsäure, bilden.Weinsäure ist ein gefragtes Säuerungsmittel fürFruchtsäfte, Bonbons und andere Lebensmittel,eignet sich zudem als Säure und Reduktions-mittel beim Färben und Drucken und wird in derGlasversilberung eingesetzt.

Zwei separate Enzymsysteme regelnden Umbau von Traubenzucker in 5-Ketoglu-konsäure: Eines arbeitet im Inneren der Bakte-rienzellen, das andere ist in die Zellmembranintegriert (Abb. 1). Die Gene, welche für die be-teiligten Enzyme kodieren, untersuchen Her-

mann Sahm und Kollegen vom Institut für Bio-technologie des Forschungszentrums Jülich so-wie Helmut Görisch und Mitarbeiter vom Insti-tut für Biotechnologie der TU Berlin. Die Ar-beitsgruppen versuchen G. oxydans so zu ver-ändern, dass 5-Ketoglukonsäure im Übermaßgebildet wird (1,2). Neben der erwünschten 5-Ketoglukonsäure produziert G. oxydans jedochauch noch eine weitere Säure aus dem Trau-benzucker, die verwandte 2-Ketoglukonsäure.Um das zu verhindern, wurde das Gen, dessenProtein für die Bildung der 2-Ketoglukonsäurenotwendig ist, im Genom von G. oxydans inak-tiviert. Auf diese Weise wurde tatsächlich die 2-

Ketoglukonsäurebildung vollständig unterbun-den und die Produktion der 5-Ketoglukon-säure begünstigt, weil sich der Produktstromnicht mehr auf zwei Wege verteilt (2). Im An-schluss wurde die Synthese der Proteine für die5-Ketoglukonsäure-Bildung verstärkt, so dassdie 5-Ketoglukonsäure-Konzentration auf biszu 60 g/l stieg.

Für die Industrie sind diese Ergebnissedeshalb so interessant, weil bislang Weinsäureausschließlich aus Weinstein (Rückstand beider Weinherstellung) hergestellt wird und da-her nur beschränkt verfügbar ist. Dabei entste-hen außerdem organisch verunreinigter Gips

Gluconobacter oxydans:Produzent industriell relevanter BiomoleküleUte Herrmann, Tina Hölscher, Helmut Görisch und Hermann Sahm

Abb. 1: Produktion von Weinsäure mit Hilfe von Gluconobacter oxydans

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und organische Abfälle aus der Weinhefeauf-bereitung, die als Sondermüll entsorgt werdenmüssen.

Vitamin C & PQQNach erfolgreichem Abschluss des

Weinsäure-Projektes wird in Jülich derzeit einG. oxydans-Stamm entwickelt, der D-Sorbit,bzw. Traubenzucker zu einem direkten Vorläu-fer des Vitamin C, der 2-Ketogulonsäure, um-setzt. An der Umsetzung von D-Sorbit zu 2-Ketogulonsäure sind drei Enzyme beteiligt. Her-mann Sahm und Mitarbeitern ist es mittlerwei-le gelungen einen G. oxydans-Stamm zu kon-

struieren, der alle für die Umsetzung von Sorbitzu 2-Keto-L-gulonsäure essentiellen Genefunktionell exprimiert.

In Berlin hingegen steht das neue Vita-min Pyrrolochinolinchinon (PQQ), das alsKofaktor vieler Quinoprotein-Dehydrogenasendient, im Zentrum der Untersuchungen (3).Erste Ergebnisse zur Überexpression des pqq-Genclusters waren erfolgreich und führtennach Kultivierung der rekombinanten G. oxy-dans-Stämme zur Anreicherung von PQQ imMedium.

Literatur1. Herrmann U, et al. 2004. Biotransformation of

glucose to 5-keto-D-gluconic acid by recombinant

Gluconobacter oxydans DSM 2343.

Appl. Microbiol. Biotechnol. 64:86-90.

2. Elfari M, et al. 2005. A Gluconobacter oxydans

mutant converting glucose almost quantitatively

to 5-keto-D-gluconic acid.

Appl. Microbiol. Biotechnol. 66:668-674.

3. Kay CW, et al. 2005. Substrate-binding in quino-

protein ethanol dehydrogenase from Pseudomonas

aeruginosa studied by electron paramagnetic

resonance at 94 GHz. J. Am. Chem.

Soc. 127:7974-7975.

KontaktHermann SahmInstitut für Biotechnologie 1,Forschungszentrum Jülich GmbHE-Mail: [email protected]

Abb. 2: Produktion von Vitamin C mit Hilfe von Gluconobacter oxydans

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Umweltgenomik (Metagenomik) als nahezu unerschöpfliche Quelle für neue Biokatalysatoren, Stoffwechselwege und WirkstoffeWolfgang Streit, Karl-Erich Jaeger, Rolf Daniel und Ken Timmis

Es sind nicht die Menschen, die Tiere oder – wieman vielleicht annehmen möchte – die Insek-ten, die die Welt dominieren – die Wahrheit istmikroskopisch klein. Mikroorganismen domi-nieren die Biosphäre und besitzen eine erstaun-lich hohe physiologische, metabolische undgenetische Vielfalt. Die Gesamtzahl der ver-schiedenen prokaryotischen Arten auf der Erdewird auf etwa 1 bis 100 Millionen geschätzt,wobei bisher jedoch nur ein Bruchteil (<1%)dieser Mikroorganismen mit Standardmetho-den kultiviert werden kann. Dies liegt unteranderem daran, dass die meisten Organismenunter Laborbedingungen nicht wachsen, daihre Nährstoffansprüche zu komplex sind. DieForscher im Netzwerk verlassen sich dahernicht länger auf die etwa 6.000 Mikroorganis-men, die in den letzten 100 Jahren Biologie inden Labors kultiviert wurden, oder die 600 Ein-zelorganismen, deren Genome bisher ent-schlüsselt wurden. Vielmehr haben die Autorenhier einen eigenen Weg entwickelt, um die Viel-falt der Mikroorganismen zu erschließen. DieForscher im Netzwerk nutzen die Metageno-mik als eine neue Stufe der Genomforschung,um die Vielfalt der Mikroorganismen in mikro-biellen Habitaten zu erschließen. Die biologi-

sche Vielfalt, die dabei genutzt werden kann, istnahezu unerschöpflich und auch kaum vorstell-bar: Wie groß diese biologische Diversitättatsächlich ist, lässt sich am Besten abschät-zen, wenn man sich das Leben in einem GrammGartenerde anschaut. Man muss davon ausge-hen, dass in einem Gramm Erde einige tausendunterschiedliche prokaryotische Mikroorganis-men leben. Dies bedeutet im Vergleich deutlichmehr Gesamtgenominformation in einem GrammErde als im menschlichen Genom. Diese enor-me Informationsfülle war wegen fehlender Kul-tivierungstechniken bisher jedoch nicht odernur geringfügig für biotechnologische oderpharmazeutische Fragestellungen nutzbar. Die-ses Problem konnte im Wesentlichen durch diekonsequente Anwendung und Weiterentwick-lung von Metagenomtechnologie gelöst werden.

Der Trick, den die Metagenomik an-wendet, ist, dass sie die Genominformation -also das Erbgut aller Mikroorganismen einesStandortes – erschließt ohne diese zu kultivie-ren. Dazu wird die gesamte DNA direkt ausUmweltproben, Biofilmen oder Anreicherungs-kulturen isoliert und als Genbibliothek in hete-rologen Wirten - typischerweise dem Darmbak-

terium Escherichia coli - hinterlegt. Bei der Aus-wahl der Umweltproben sind die Forscher sehrwählerisch und scheuen auch keine Kosten undMühen, um an viel versprechende Probenmate-rialien von allen Teilen der Erde zu gelangen.Die Umweltproben, die bisher bearbeitet wur-den, reichten von einfachen Trinkwasserbiofil-men, Proben aus Gartenteichen, Gletschereisvon der Zugspitze, über eher exotische Probenaus Erzabbaugebieten oder heißen Quellen, bishin zu Sedimentproben aus dem Wattenmeer.Im Idealfall enthält eine Metagenombank denHauptanteil der gesamten genomischen Infor-mation der analysierten mikrobiellen Lebens-gemeinschaft. Die so hinterlegte Erbinformati-on kann dann beliebig vermehrt, untersuchtund letztendlich auch wirtschaftlich genutztwerden.

Die bisher in dieser Forschungsrichtungdurchgeführten Arbeiten belegen, dass in derKlonierung von Umwelt-DNA und der anschlie-ßenden Durchmusterung der daraus resultie-renden Metagenombanken ein enormes Poten-tial zur Entdeckung von neuartigen Biokataly-satoren und Wirkstoffen liegt. Bisher wurdendurch diese Art der Arbeiten in den Labors derAutoren eine Reihe von sehr außergewöhnli-chen und für eine Industrieanwendung viel ver-sprechende Enzyme isoliert. Beste Beispielehierfür sind die Identifizierung von Lipasen undalkaliphilen Proteasen, die als Waschmittelzu-satz zur Entfernung von Fett- bzw. Eiweißver-schmutzungen eingesetzt werden können. Eini-ge der bisher gefunden Lipasen und Esterasenzeichnen sich darüber hinaus auch durch hoch-interessante Substratspektren aus und werdenderzeit vom Industriepartner, der BRAIN AG(Zwingenberg), auf eine mögliche Verwertunghin geprüft. Eine der gefundenen Esterasenkönnte beispielsweise für die Herstellung vonParfums Verwendung finden oder für dieGewinnung des Pfefferminzgeschmackstoffs imKaugummi. Eine große ökonomische Bedeu-tung und einen breiten Anwendungsbereichhaben auch die isolierten amylolytischen Enzy-

Abb 1.: Metagenomik erhellt die “black box” der prokaryotischen Welt. Dabei bezeichnet der Begriff ‚Meta-

genom’ die gesamte Erbinformation aller Mikroorganismen eines Standortes.

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me, die in der Stärkeverzuckerung, im Brauwe-sen, in der Alkoholproduktion und in der Tex-tilindustrie verwendet werden können. Hiersind sehr temperaturstabile und salztoleranteEnzyme gefunden worden, deren Einsatz der-zeit unter extremen und industrienahen Bedin-gungen getestet wird. Darüber hinaus eröffnendie in Zusammenarbeit mit einem Industrie-partner isolierten Oxidoreduktasen undHydratasen den Zugang zur Synthese von indu-striell-relevanten chiralen Alkoholen, die mitHilfe der organischen Chemie nur schwer her-stellbar sind.

Die bisher durchgeführten Untersu-chungen belegen, dass die verwendeten meta-genomischen Verfahren in Kombination miteffektiven Durchmusterungstechnologien zurIsolierung von neuen robusten Biokatalysato-ren mit hohem Anwendungspotential führen.Diese Vorgehensweise wird sich daher in denkommenden Jahren als Standardmethode fürdie Suche nach neuen industriell-relevantenBiokatalysatoren und Verbindungen durch-setzen.

Zusätzlich zu diesen schon fast klassi-schen Durchmusterungen der Umweltgenban-ken nach Biokatalysatoren machen sich dieAutoren nun auch auf die Suche nach neuarti-

gen Wirkstoffen und Therapeutika. Dabei sinddie Autoren sehr daran interessiert, Wirkstoffebzw. neue Gene für Wirkstoffe zu finden, die zurVermeidung von mikrobiellen Biofilmengenutzt werden können. Biofilme, sind mikro-bielle Aufwüchse, die ubiquitär vorkommen,jedoch in unserem unmittelbaren Umfeld uner-wünscht sind. In industriellen Prozessen störensie meist Produktionsprozesse und im klini-schen Bereich sind sie häufig Auslöser vonInfektionen und müssen daher frühzeitigerkannt und bekämpft werden. Ein Problemdabei ist jedoch, dass Mikroorganismen in Bio-filmen sehr resistent gegenüber klassischenAntibiotika und Bioziden sind. Daher möchtendie Metagenomforscher nun neue Wirkstoffeaus Metagenomen gewinnen. Da Biofilm-wachstum als solches sehr geordnet abläuftund Mikroorganismen miteinander kommuni-zieren, um im Biofilm zu wachsen, suchen dieForscher jetzt mit Hilfe der Metagenomik nachMöglichkeiten, die Kommunikation von Mikro-organismen zu stören. Dieses Wissen wollendie Wissenschaftler dann einsetzen, um gezieltWirkstoffe zur Vermeidung der Biofilmbildungzu entwickeln.

Neben der Isolierung von neuen Bioka-talysatoren und Anti-Biofilmwirkstoffen wur-

den auch neue molekulare Werkzeuge undMethoden entwickelt, die eine effiziente undschnelle Durchmusterung von Genbanken mithoher Komplexität erlauben. Dazu gehört bei-spielsweise die Nutzbarmachung neuer Wirts-stämme für das Anlegen der Metagenom-Gen-bänke. Hier arbeiten die Autoren mit Hochdruckan zwei neuen Wirten: Escherichia blattae undBurkholderia glumae. Für diese Arbeiten wur-den die kompletten Genome beider Organis-men entschlüsselt, und für beide Organismenwerden derzeit Vektoren und andere geneti-sche Werkzeuge erstellt.

Zusammenfassend lässt sich sagen,dass die Metagenomik als neue und junge For-schungsrichtung bereits heute eine Schlüssel-technologie darstellt, die schon jetzt bewiesenhat, dass sie brauchbare Lösungen für biotech-nologische und darüber hinausgehende Fra-gestellung liefern kann.

Literatur1. Daniel, R. (2005) The metagenomics of soil. Nat.

Rev. Microbiol. 3: 470-478

2. Steele et al. (2005) Metagenomics: Advances in

ecology and biotechnology. FEMS Microbiol. Lett.

247: 105-111

3. Streit et al. (2004) Metagenomics - the key to the

uncultured microbes. Curr. Opin. Microbiol. 7: 492-

498

4. Daniel, R. (2004) The soil metagenome - a rich

resource for the discovery of novel natural produc-

ts. Curr. Opin. Biotechnol. 15: 199-204

5. Streit et al. (2004) Prospecting for biocatalysts and

drugs in the genomes of non-cultured microorga-

nisms. Curr. Opin. Biotechnol. 15: 285-290

6. Voget et al. (2003) Prospecting for novel biocata-

lysts in a soil metagenome. Appl. Environ. Microbi-

ol. 69: 6235-6242

KontaktProf. Dr. W. StreitAG Molekulare Enzymtechnologie, FB Chemie, Universität Duisburg-EssenE-Mail: [email protected]

Abbildung 2: Neue Biokatalysatoren und Wirkstoffe aus Umweltproben, Biofilmen und Anreicherungen.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Steckbrief Picrophilus torridus (Archaeon, Ordnung Thermoplasmales, Familie Picrophilaceae)

Das ringförmige Genom von P. torridus besitzt eine Größe von 1.545.900 Basenpaaren mit einem G+C-Gehalt von 36% und einer Gesamt-zahl von 1539 ORFs. 92% des Genoms stellen kodierende Sequenzen dar, womit P. torridus die höchste Kodierungsdichte unter den Geno-men von Thermoacidophilen besitzt.

Manche prokaryotische Mikroorganismen (Bak-terien und Archaeen) können unter höchsterstaunlichen, aus menschlicher Sicht extremenBedingungen gedeihen: etwa in extrem sauremoder alkalischem Milieu (um pH 0 bzw. bis etwapH 13, Acidophile bzw. Alkaliphile), bei hohenSalzkonzentrationen (Halophile), bei extremhohem Druck (Piezophile) oder bei sehr tiefenoder hohen Temperaturen (nahe 0°C bzw. bisetwa 110°C, Psychrophile bzw. extrem Thermo-phile). Die molekularen Mechanismen, die eserlauben, unter derart widrigen Bedingungen

zu leben, beinhalten spezifische Anpassungenauf den Ebenen von · Struktur und Funktion von Biomolekülen

und (sub)zellulären Strukturen,· Physiologie und Stoffwechsel· Regulation von Genexpression und

Bewahrung der Integrität der genetischenInformation.

Der Wunsch, die Mechanismen der extremophi-len Anpassung zu verstehen, sowie die Suchenach neuen, stabilen Biokatalysatoren für bio-technologische Anwendungen sind die Triebfe-

dern der derzeitigen Forschung an extremophi-len Mikroorganismen.

Im Rahmen des Göttinger BiotechGe-noMik-Netzwerkes führen wir Genomsequenz-basierte Untersuchungen an Picrophilus torri-dus durch, einem Organismus, der gleich zweiExtreme in sich vereint, nämlich extreme Aci-dophilie und (moderate) Thermophilie. DiesesArchaeon wächst optimal bei pH 0,7 und damitam äußersten Rande des pH-Spektrums desLebens und ist gleichzeitig mit einer optimalenWachstumstemperatur von 60°C auch noch

Die Sequenzierung und funktionelle Analyse des Genomsdes säure- und hitzebeständigen Archaeons Picrophilus torridus liefert die Information für neuartige BiokatalysatorenWolfgang Liebl und Garo Antranikian

Abb. 1: Heißer, saurer Standort beim Vulkan Mount

Yo, Japan, nahe der Stelle, an der Picrophilus torridus

(elektronenmikroskopische Aufnahme von in Teilung

befindlichen Zellen unten links) erstmals isoliert wurde.

Fotos: C. Schleper, M. Hoppert.

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thermophil. Das intrazelluläre Milieu in Picro-philus-Zellen weist mit pH 4,6 sogar den nied-rigsten pH-Wert auf, der je in lebenden Zellengefunden wurde.

Gemeinsam mit dem Göttinger Laborfür Genomanalyse (G2L) wurde die vollständi-ge Nukleotidsequenz des Genoms von P. torri-dus ermittelt (1). Die erhaltenen Sequenzinfor-mationen wurden editiert und umfassend an-notiert, um den aufgefundenen offenen Lese-rahmen (ORFs) mögliche Funktionen zuzuord-nen und die wesentlichen Stoffwechselwegepostulieren zu können.

Möglicherweise haben die extremenLebensbedingungen im Fall von Picrophilus imLaufe der Evolution zu einem relativ kleinenGenom mit hoher Informationsdichte geführt.Aus der Genomanalyse ergaben sich diverseweitere Hinweise auf mögliche Strategien derthermoacidophilen Anpassung dieses Archae-ons. Einen Schwerpunkt des Projektes bildet dieUntersuchung von ausgewählten P. torridusProteinen. Vor allem Enzyme mit niedrigem pH-Optimum und hoher Stabilität sind für dieLebensmittelindustrie (z.B. Proteasen, Polysac-charid- und Oligosaccharid-abbauende Enzy-me) und für die chemische Industrie (z. B.Esterasen, Lipasen, Dehydrogenasen) von In-teresse. Ein beeindruckendes Beispiel für einextrem angepasstes Enzym von P. torridus istdessen Glucoamylase, die optimal bei pH 2arbeitet und zudem bei hohen Temperaturenaktiv und stabil ist (2). Für die rekombinanteHerstellung von P. torridus Enzymen werden

verschiedene heterologe Expressionssystemeerprobt. Dabei werden nicht nur diverse Expres-sionsvektoren sondern auch andere Wirtsorga-nismen als E. coli wie Hefe, Sulfolobus, Ther-mus, Gluconobacter, Corynebacterium oderBacillus einbezogen. Verschiedene Gene fürGlycosidasen, Esterasen und Dehydrogenasen(3) konnten inzwischen erfolgreich exprimiertwerden, die entsprechenden Biokatalysatorenwerden derzeit biochemisch charakterisiert, umanschließend in Kooperation mit Industriepart-nern ihr biotechnologisches Potential auslotenzu können.

Literatur1. Fütterer et al. (2004) Genome sequence of

Picrophilus torridus and its implications for life

around pH 0. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A.

101: 9091-9066

2. Serour et al. (2002) Novel thermoactive

glucoamylases from the thermoacidophilic

Archaea Thermoplasma acidophilum, Picrophilus

torridus and Picrophilus oshimae.

Antonie van Leeuwenhoek 81: 73-83

3. Angelov et al. (2005) Properties of the recombinant

glucose/galactose dehydrogenase from the extreme

thermoacidophile, Picrophilus torridus.

FEBS J (Eur J Biochem) 272: 1054-62

KontaktProf. Dr. Wolfgang LieblInstitut für Mikrobiologie und Genetik,Georg-August-Universität E-Mail: [email protected]

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

GenoMik-Kompetenznetzwerk Würzburg

Bakterien sind allgegenwärtige Begleiter desMenschen und von nicht zu unterschätzenderBedeutung für die verschiedensten Aspektemenschlichen Lebens. Bakterien sind die Ursa-che für eine nach wie vor riesige Zahl vonKrankheits- und Todesfällen weltweit und kön-nen – wie die verheerenden Pestepidemien imEuropa des ausgehenden Mittelalters gezeigthaben – durchaus zur Verwüstung und Entvöl-kerung ganzer Landstriche beitragen.

Im Mittelpunkt der Forschung des vonder Universität Würzburg koordinierten Kompe-tenznetzwerks „Genomforschung an pathoge-nen Mikroorganismen – PathoGenoMik“ ste-hen eine ganze Reihe von Bakterien die – trotzaller Fortschritte der modernen Medizin – nachwie vor bedeutende Auswirkungen auf diemenschliche Gesundheit haben. Gerade auchdurch das immer häufigere Auftreten von bak-teriellen Krankheitserregern die gegen dieheute vorhandenen Antibiotika resistent ge-worden sind, werden pathogene Bakterienauch in Zukunft eine Herausforderung für diemedizinische Forschung darstellen. Als zweiBeispiele aus der langen Liste der im Rahmenvon PathoGenoMik bearbeiteten pathogenenBakterien seien hier nur Mycobacterium tuber-culosis und Helicobacter pylori genannt. M.

tuberculosis, der Erreger der Tuberkulose, ist einschon sehr lange bekanntes Bakterium, dasnach wie vor etwa ein Drittel aller Menschenweltweit infiziert und für weit mehr als eineMillion Todesfälle jährlich verantwortlich istund auch bei uns in den vergangenen Jahrenwieder verstärkt aufgetreten ist. H. pylori, einBakterium, das etwa die Hälfte der Weltbevöl-kerung infiziert, wurde erst vor zwei Jahrzehn-ten entdeckt. H. pylori ist ein Besiedler derMagenschleimhaut, deren Infektionen zu-nächst relativ mild verlaufen, aber nach Jahr-zehnten der Persistenz schließlich Magenge-schwüre und sogar Magenkarzinome verursa-chen können.

Um dem nach wie vor aktuellen Problemder bakteriellen Infektionserkrankungen zukünf-tig noch besser begegnen zu können, sollen dievon den Wissenschaftlern des KompetenznetzesPathoGenoMik gemachten Entdeckungen nichtnur der Grundlagenforschung dienen. Es ist einbesonderes Ziel aller Netzwerke, durch eine engeKooperation mit kleinen und großen Industrie-unternehmen, diese Ergebnisse gezielt und rascheiner praktischen Verwertung zuzuführen undsomit nicht nur den Forschungsstandort sondernauch den Wirtschaftsstandort Deutschlandnachhaltig zu fördern.

Die folgenden vierzehn Highlights ge-ben einen Überblick über das in der ersten undzweiten Förderphase vom Netzwerk Patho-GenoMik bisher Erreichte. In der jetzt laufen-den zweiten Förderperiode soll ganz besondersdie Verwertung der bisher erzielten Erkenntnis-se intensiviert werden, um neben dem schonjetzt sichtbaren wissenschaftlichen auch denmedizinischen und wirtschaftlichen Erfolg derInitiative zu belegen. Im Rahmen einer erwar-teten zukünftigen Förderung der Genomfor-schung an Bakterien durch das BMBF innerhalbder Initiative „GenoMik-Plus“ wird auch dieweitere Erforschung pathogener Bakterien unddie Nutzbarmachung der zu erwartendenErgebnisse eine zentrale Rolle spielen.

KontaktProf. Dr. Werner Goebel, SprecherLehrstuhl für MikrobiologieUniversität WürzburgE-mail: [email protected]

PD Dr. Michael Kuhn, GeschäftsführerKompetenzzentrum PathoGenoMikUniversität WürzburgE-mail: [email protected]

GenoMik-Kompetenznetzwerk Würzburg:Genomforschung an pathogenen Mikroorganismen – PathoGenoMikWerner Goebel und Michael Kuhn

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37 GenoMik-Kompetenznetzwerk Würzburg

Innerhalb der Gattung Staphylococcus kommenmit S. aureus und S. epidermidis zwei der pro-minentesten Verursacher nosokomialer Infek-tionen vor. Die Bekämpfung dieser Erregerdurch Antibiotika wird durch die rasche Aus-breitung multiresistenter Keime zunehmendschwieriger. Damit zeichnet sich eine äußerstbedrohliche Situation ab, die die Suche nachneuen Antiinfektiva und alternativen Möglich-keiten der Behandlung von durch Staphylokok-ken verursachten Infektionen zu einem dringli-chen Ziel macht. Die Grundlage für die Identifi-zierung neuer Angriffspunkte für Antiinfektivaliegt in einer umfassenden Charakterisierungder Faktoren, die an der Ausprägung der Viru-lenz beteiligt sind.

Dies erklärt, warum die Staphylokokkenbei den bis dato publizierten bakteriellenGenomsequenzen überproportional häufig ver-treten sind: mittlerweile sind die Genome vonsechs S. aureus-Stämmen, zwei Vertretern derSpezies S. epidermidis und von S. haemolyticussequenziert worden. Trotz dieser großen Daten-basis wurde eine umfassende Lokalisierung vonKandidaten für neue Pathogenitätsgene durchkomparative Analysen bislang dadurch verhin-dert, dass ausschließlich Genomsequenzenvirulenter Staphylokokken bekannt waren.

Deshalb haben wir uns entschlossen,erstmals die Genomsequenz einer apathoge-nen Spezies zu bestimmen. Die Wahl fiel mitStaphylococcus carnosus TM300 auf einenStamm, der als GRAS – für „generally recogni-zed as safe“, als allgemein als sicher bekann-

ter Organismus klassifiziert wurde (1). DieSequenzierung des Genoms wurde im Rahmendes PathoGenomik-Netzwerkes finanziert undin Kooperation mit der MWG Biotech AG durch-geführt.

Das Genom von S. carnosus TM300umfasst 2,56 Millionen Basenpaare und weisteinen durchschnittlichen GC-Gehalt von 34,6%auf. In der Sequenz wurden 2474 offene Lese-rahmen (ORF) lokalisiert. Der Vergleich der ab-geleiteten Genprodukte ergab, dass ca. 30%der im Genom von S. aureus N315 kodiertenProteine keine homologen Äquivalente in S.carnosus TM300 aufweisen, und dass in dieserGruppe nahezu 80% aller für S. aureus anno-tierten Virulenzfaktoren vorkommen. Diesbelegt die Validität der differentiellen Genom-analyse von pathogenen und apathogenen Ar-ten. In der Gruppe der für S. aureus N315 spe-zifischen Genprodukte finden sich mehr als einDrittel der in dieser Spezies gefundenen hypo-thetischen Proteine. Diese sind damit vorrangigals Kandidaten für bis dato unentdeckte Viru-lenzfaktoren anzusehen.

Die Adhäsion an medizinische Implan-tate kann zu chronischen, Polymer-assoziiertenInfektionen durch Biofilm-bildende S. aureus-oder S. epidermidis-Stämme führen. Damitstellt die Fähigkeit zur Bildung von Biofilmenein prominentes Pathogenitätsmerkmal darund steht im Fokus der Entwicklung neuer Anti-infektiva.

In unserer Arbeitsgruppe wurde einevergleichende Transkriptomanalyse durchge-

führt, um herauszufinden, welche Gene von S.aureus während der Bildung von Biofilmen sig-nifikant stärker exprimiert werden (2). Von die-sen während der Biofilmbildung induziertenGene fallen 11 in die Gruppe der durch unsereGenomvergleiche postulierten Kandidatengenefür neue Virulenzfaktoren und sind somit be-sonders interessant bezüglich der experimen-tellen Aufklärung ihrer Rolle bei der Biofilmbil-dung sowie ihrer Eignung als mögliche Targetsfür neue Behandlungsverfahren.

Dieses Beispiel zeigt die Bedeutungvon komparativen Genomvergleichen auf derBasis des S. carnosus-Genoms als nützlichesWerkzeug für die Vorauswahl von Virulenz-assoziierten Kandidatengenen, die neue An-satzpunkte für die Entwicklung von Antiinfekti-va darstellen können.

Literatur1. Götz. (1990) Staphylococcus carnosus:

a new host organism for gene cloning and

protein production.Soc. Appl. Bacteriol.

Symp. Ser. 19: 49S-53S

2. Resch et al. (2005) Differential gene expression

profiling of Staphylococcus aureus cultivated

under biofilm and planktonic conditions.

Appl. Environ. Microbiol. 71: 2663-2676.

KontaktProf. Dr. Fritz GötzLehrstuhl für Mikrobielle GenetikUniversität TübingenE-mail: [email protected]

Die erste Genomsequenz einer apathogenen Staphylokokkenspezies als Grundlage für die Identifizierung neuer Virulenzfaktoren.Ralf Rosenstein, Christiane Nerz, Alexandra Resch, Guenter Raddatz, Stephan C. Schuster und Friedrich Götz

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Nach bisherigem Verständnis ist der ErregerStaphylococcus aureus ein sich primär extrazel-lulär vermehrender Erreger mit hohem patho-genen Potential und verantworlich für einegroße Bandbreite von akuten Infektionen. S.aureus-Infektionen können jedoch auch ausge-prägt chronisch-persistierend mit begrenzterEntzündungsreaktion verlaufen. Durch dieBeobachtung, dass bestimmte Infektionsver-läufe mit der Isolierung phänotypischer Varian-ten, sogenannter „Small Colony Variants“(SCVs), assoziiert sind, konnte ein neues Kon-zept im Verständnis chronisch-persistierenderStaphylokokken-Infektionen erarbeitet werden.

Aufgrund ihres atypischen Aussehens,inklusive veränderter biochemischer Reaktio-nen, werden SCVs im mikrobiologischen Laboroft nicht als solche erkannt und werden des-halb vermutlich in ihrer Bedeutung und Häufig-keit unterschätzt. Da die zur intrazellulären Per-sistenz befähigten SCVs häufig eine verminder-te Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika zei-gen und sich der Wirtsimmunabwehr entziehenkönnen, tragen Fehl- und Mißidentifizierungder SCVs zu einem möglichen Therapieversagenbei. Unter bestimmten Umständen revertierenSCVs wieder zum virulenten Wildtyp, wodurchsie experimentellen Untersuchungen schwerzugänglich sind.

Im Rahmen des PathoGenoMik-Netz-werkes untersuchen wir die Ursachen der SCV-Enstehung. Wir nutzen dazu DNA-Chips und

Proteom-Analysen, um einen Einblick in diemolekularen Vorgänge zu gewinnen, die cha-rakteristisch für SCVs sind. So konnten wir zei-gen, dass eine Mutante im hemB-Gen, die allesichtbaren Eigenschaften eines SCV-Phänotypszeigt, ein gutes Modell zum Studium der Phy-siologie der SCVs darstellt (1). Mit Hilfe desProteomansatzes wurden Unterschiede in derGenexpression zwischen der hemB-Mutanteund dem isogenen Wildtyp herausgearbeitet.Dabei zeigte sich, dass in der Mutante glykoly-tische Enzyme sowie Enzyme des Fermentati-onsstoffwechsels verstärkt synthetisiert wer-den, während Proteine des Tricarbonsäure-Zyklus kaum nachweisbar waren. Da die Mu-tante aufgrund des ausgeschalteten hemB-Gens keine funktionelle Atmungskette besitztund weder Sauerstoff noch Nitrat als termina-len Elektronenakzeptor nutzen kann, kann ATPnur über Substratphosphorylierung in der Gly-kolyse synthetisiert werden, was sich in deut-lich niedrigeren ATP-Konzentrationen wider-spiegelt. Analysen der Fermentationsproduktezeigten, dass in der Mutante hauptsächlichLaktat gebildet wird. Trotz der Anwesenheit derPyruvat-Dehydrogenase und der Pyruvat-Formi-at-Lyase waren weder Ethanol noch Acetat insignifikanten Mengen nachweisbar. Weiterhinwar in der Mutante eine deutliche Induktionder Arginin-Deiminase und der Ornithin-Carb-amyltransferase festzustellen. Diese beidenEnzyme sind am fermentativen Abbau von Argi-

nin beteiligt, der eine weitere Möglichkeit zurATP-Gewinnung für die Mutante darstellt.Untersuchungen zum extrazellulären Proteomzeigten außerdem, dass eine Vielzahl von Viru-lenzfaktoren nicht oder kaum gebildet wurden.

Mit der Nutzung der DNA-Chip- undProteom-Technologie ist es erstmals gelungen,ein umfassendes Bild der veränderten Stoff-wechsellage dieser besonderen Lebensformvon Staphylokokken aufzuzeigen. Die Identifi-zierung einzelner Enzyme und Synthesewegeist der erste Schritt, für die Entwicklung neuerTherapieansätze gegen diese Bakterien.

Literatur1. Kohler et al. (2003) Characterization of a

Heme-Deficient Mutant of Staphylococcus

aureus by a Proteomic Approach. J. Bacteriol.

185: 6928-6937.

KontaktProf. Dr. Michael HeckerDr. Susanne EngelmannInstitut für MikrobiologieUniversität [email protected]

Prof. Dr. Christof von EiffInstitut für Medizinische MikrobiologieUniversität Mü[email protected]

Mit Gen-Chip-Analysen und Proteom-Untersuchungen den Ursachen von chronischen, Therapie-refraktären Infektionen auf der SpurSusanne Engelmann, Michael Hecker und Christof von Eiff

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Der Vormarsch antibiotikaresistenter Bakteri-en, der in den letzten Jahrzehnten dramatischzugenommen hat, fordert schnelle Testsystemezum Erfassen der Resistenzmuster, um einegezielte Therapie möglichst schnell zu erlau-ben. Bei einer Meningitis sind resistente Keimebesonders gefährlich, da sich im Gehirn längstnicht so hohe Konzentrationen der Wirkstoffeerzielen lassen wie in anderen Organen. Pneu-mokokken, die für ein ganzes Arsenal vonKrankheitsbildern verantwortlich sind wie Hirn-hautentzündung, Mittelohr- und Lungenent-zündung, sind eines der Paradebeispiele fürdiese Entwicklung: waren 1970 noch alle Iso-late weltweit als sensitiv gegen Penicillin ein-gestuft (dem Antibiotikum, das gerade gegenPneumokokken besonders gut wirkt), sind dieZahlen derzeit auf 30 bis über 50 % resistenteIsolate in europäischen Ländern wie Spanien,Frankreich und Ungarn, und in allen anderenKontinenten – den USA, Südafrika, Taiwan,Japan – angestiegen. Rätselhaft war diese Ent-wicklung zunächst schon, da sich der Trend inLaborversuchen so schnell gar nicht nachvoll-ziehen ließ.

Bald gab es Hinweise, dass die geneti-schen Veränderungen, die für Penicillinresi-stenz wichtig sind, sich gar nicht durch Muta-tionen in den Bakterien selber erklären lassen,sondern man vermutete, dass veränderte Geneaus anderen, nahe verwandten Bakterien die-jenigen der sensitiven Pneumokokken ersetzthaben. Dieser Prozess ist bei Pneumokokkendurchaus möglich, da sie – wie auch andereverwandte Streptokokken, zu denen sie ge-hören – über eine perfekte Maschinerie verfü-gen, die es ihnen erlaubt fremde DNA aufzu-

nehmen und in ihr eigenes Chromosom zu inte-grieren. Unsere Abteilung an der TU Kaisers-lautern, beschäftigt sich mit Antibiotikaresi-stenzen, dem Gentransfer zwischen verschie-denen Bakterien, und der Regulation von bak-teriellen Komponenten, die für die Auslösungvon Krankheiten von Bedeutung sind. Dafürbietet die Genomforschung jetzt völlig neuePerspektiven.

Inzwischen konnten die Forscher der TUKaiserslautern im Rahmen des Kompetenznetz-werks PathoGenoMik weitere Beweise für dieseStrategie darlegen. Interessanterweise werdenvon den Krankheitserregern Bakterien als 'Spen-der' der Gene benützt, die als harmlose Besied-ler in jedem Menschen vorkommen und dortauch ständig nachweisbar sind. Eben diese Bak-terien sind aber jeglicher Antibiotikatherapieausgesetzt, die ihr Wirt durchmacht, und stehensomit unter permanent wiederholtem Selekti-onsdruck. Kein Wunder, dass diese Bakterien, diein den Kliniken keine Beachtung finden undderen Resistenzspektrum auch nie in Routine-tests erfasst werden, ein umfassendes Arsenalpotenter Resistenzgene angesammelt haben.

Die gesamte Information eines solchenmultipel und hoch Antibiotika-resistentenharmlosen, 'kommensalen' Bakteriums Strep-tococcus mitis wurde in Kooperation mit derFirma AGOWA (Berlin) von den Forschern inKaiserslautern – der Abteilung Mikrobiologie inenger Kooperation mit dem Nano-Bio-Centerder TU Kaiserslautern – im Rahmen des Kom-petenznetzwerks PathoGenoMik analysiert. DieAnzahl von Resistenzgenen, die in dem Genomdes harmlosen Streptococcus von ihnen gefun-den wurde, zeigt neuartige raffinierte Strategi-

en, möglichst viele solcher Resistenzgene alskompaktes Paket zu versammeln und auchmöglichst effizient in andere Bakterien ein-schleusen zu können, zeigen aber auch gleich-zeitig das breite Arsenal an Abwehrmechanis-men, die den Pneumokokken zur Verfügungstehen. Die Herkunft der Gene in dem Genomdes S. mitis Stammes läßt auf ein ungeahntbreites Spektrum von Bakterien schließen, de-ren Gene sich die Streptokokken einverleibenkönnen,

Der Vergleich der Genominformationeines Krankheitserregers mit dem eines harm-losen engen Verwandten eröffnet ganz neuePerspektiven. So können 'eigene' und 'fremde'Gene in einer Bakterienart differenziert wer-den, Ergebnisse, die dazu beitragen spezifischeSonden zu entwickeln, mit denen eindeutigsowohl die Bakterienart als auch deren Anti-biotikaresistenzen innerhalb kurzer Zeit gete-stet werden können. Außerdem kann die Geno-minformation für epidemiologische Untersu-chungen ausgenützt werden, die helfen Aus-breitung und Resistenzentwicklung in Krank-heitserregern verfolgen zu können. Die For-scher versprechen sich auch über die Identifi-kation der Gene, die für die Virulenz von Pneu-mokokken verantwortlich sind, also in denharmlosen Keimen nicht vorkommen, die Ent-wicklung neuer Strategien zur Bekämpfung desKrankheitserregers.

KontaktProf. Dr. Regine HakenbeckAbteilung für MikrobiologieTechnische Universität KaiserslauternE-mail: [email protected]

Wie werden Bakterien antibiotikaresistent? Pneumokokken als GendiebeRegine Hakenbeck

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Vergleichende Genomanalyse des Genus ListeriaMichael Kuhn und Torsten Hain

Das Genus Listeria umfasst sechs Arten, vondenen zwei krankheitserregend (pathogen)sind. Von den in der Natur weit verbreitetenListerien infiziert Listeria ivanovii vorwiegendTiere wie Rinder und Schafe; Listeria monocyto-genes kann auch den Menschen befallen undist hier für relativ seltene, aber häufig tödlichverlaufende Erkrankungen verantwortlich. Mitden Bakterien kontaminierte Lebens- oder Fut-termittel lösen immer wieder kleinere Listerio-se-Epidemien aus. Das Krankheitsbild reicht da-bei von milden Magen-Darmbeschwerden bishin zu Entzündungen des Gehirns und der Hirn-häute, die vor allem bei Neugeborenen undimmungeschwächten Patienten oft tödlich ver-laufen. Meist wird die Verunreinigung vonLebensmitteln mit Listerien rechtzeitig, dasheißt vor Auslieferung an den Verbraucher,erkannt; die dann notwendigen Rückrufaktio-nen führen jedoch zu erheblichen wirtschaftli-chen Verlusten. Außer den genannten Krank-heitserregern umfasst das Genus Listeria nochdie Arten L. innocua, L. welshimeri, L. seeligeriund L. grayi, alles harmlose (apathogene) Um-weltkeime.

Um zu verstehen, welche Eigenschaf-ten die Listerien zu gefährlichen Lebensmittel-oder harmlosen Umweltkeimen machen, hatein Team aus Forschergruppen aus Gießen,Würzburg und Braunschweig zusammen mitdem Institut Pasteur in Paris und einigen wei-teren europäischen Gruppen bereits die gesam-ten Erbinformationen von L. monocytogenesund der nahe verwandten, aber harmlosen ArtL. innocua entschlüsselt und veröffentlicht (1,2). Im Rahmen des Kompetenznetzes PathoGe-noMik werden nun von den Gruppen in Gießen,Würzburg, Braunschweig und Paris die Genomevon fünf weiteren Vertretern der Gattung Liste-ria komplett sequenziert. Die Sequenzierungenvon L. ivanovii, L. welshimeri und L. seeligerisind bereits abgeschlossen, die Auswertung derDaten hat begonnnen und die Publikation derSequenzen wird gegenwärtig vorbereitet. DieSequenzierung von L. grayi – an letzterer istauch das Kompetenznetz mit Zentrum in Göt-tingen beteiligt – und eines weiteren L. mono-

cytogenes Stammes des Serovars 4a befindetsich in der Endphase.

Nach Abschluss der Arbeiten werdendamit erstmals überhaupt die Genomsequen-zen aller Mitglieder einer Bakteriengattung beiGram-positiven Bakterien bekannt sein. Zu-sätzlich wird neben den Vergleich der einzelnenListerienarten untereinander auch eine Analyseder drei Hauptgruppen der Spezies L. mono-cytogenes vertreten durch die Serovare 1/2a, 4aund 4b durchgeführt, um art- wie auch stamm-spezifische Markergene des humanpathogenenErregers zu identifizieren.

Die umfassende Auswertung der Ge-nomdaten wird die weitere Erforschung derPathogenitätsmechanismen von L. monocyto-genes – und besonders das Verständnis derenstammesgeschichtlicher Entwicklung – einengroßen Schritt nach vorne bringen und schließ-lich auch eine bessere Kontrolle dieses relativseltenen, aber sehr gefährlichen Bakteriumserlauben.

In der laufenden zweiten Förderperiodevon PathoGenoMik sollen nun die erzielten For-schungsergebnisse dazu benutzt werden, neueIdentifizierungsverfahren durch Verwendungvon diagnostischen DNA-Chips zu entwickeln,

die sowohl eine schnelle und sichere Unter-scheidung zwischen harmlosen und pathoge-nen Listerienarten erlauben und zusätzlichdazu eingesetzt werden, um neue Targets fürMedikamente zu finden, die eine schnelleBekämpfung von Infektionen mit L. monocyto-genes ermöglichen.

Literatur1. Glaser et al. (2001) Comparative genomics

of Listeria species. Science 294:849-852.

2. http://genolist.pasteur.fr/ListiList/index.html

3. Ghai et al. (2004) GenomeViz: visualizing

microbial genomes. BMC Bioinformatics 5:198.

KontaktPD Dr. Michael KuhnKompetenzzentrum PathoGenoMikUniversität WürzburgE-mail: [email protected]

Dr. Torsten HainInstitut für Medizinische MikrobiologieUniversität GießenE-mail:[email protected]

Abb: Gesamtgenom-Alignments des

Erbguts von fünf Listeria-Arten. Von

außen nach innen betrachtet: L. mono-

cytogenes EGDe Serovariante 1/2a COG

Kategorien (beide äußere Ringe), L.

monocytogenes F6854 Serovariante

1/2a (blau, 133 Contigs), L. monocyto-

genes F2365 Serovariante 4b (rot,

Gesamtgenom), L. monocytogenes

H7858 Serovariante 4b (orange,

180 Contigs) und L. innocua (grün,

Gesamtgenom). Alle Genome wurden

einzeln in Bezug auf L. monocytogenes

EGDe mit dem Software-Paket AVID

angeordnet (3). Die Sequenzdaten der

Stämme L. monocytogenes F6854 und

H7858 wurden vom Institute for

Genomic Research erhalten.

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Forscher aus der Abteilung Immunologie desMax-Planck-Instituts für Infektionsbiologie inBerlin konnten neue Erkenntnisse zur Auf-klärung der Lungentuberkulose auf molekula-rer Ebene gewinnen. Gegenwärtig erfolgt dieVerwertung der Ergebnisse zur Identifikationneuer Impf- und Diagnostika-Antigene sowieneuer, chemotherapeutisch wirksamer Stoff-klassen und Substanzen.

Die Entschlüsselung der Erbinformationvon Mycobacterium tuberculosis, dem Erregerder Tuberkulose, im Jahr 1998 ermöglichte diechemische Synthese von kurzen Abschnittender durch Computeranalyse vorhergesagtenGene. Durch die Verwendung genspezifischerPrimer-Paare und der isolierten Erbsubstanz –der chromosomalen DNA – aus M. tuberculosisH37Rv wurden über 99% der vorhergesagtenoffenen Leseraster mittels Polymerase-Ketten-reaktion als ca. 300 Basenpaar lange Genab-schnitte synthetisiert und anschließend damitDNA-Arrays hergestellt. Mit den Arrays wurdenGenomvergleiche zwischen M. tuberculosis undanderen Mykobakterienarten unterschiedlicherPathogenität durchgeführt. So konnten Geneidentifiziert werden, die nur im Tuberkulose-Erreger vorkommen und in allen anderen unter-suchten Mykobakterienarten fehlen. DieseGene kodieren wahrscheinlich nicht nur wichti-ge Pathogenitätsfaktoren, sondern auch poten-zielle Impf- und ganz besonders Diagnostik-Antigene.

Außerdem wurden ausführliche Trans-kriptom-Analysen des Tuberkulose-Erregersdurchgeführt. Hierzu wurde Lungenmaterialvon Tuberkulosepatienten verwendet, die anmultiresistenter Tuberkulose leiden und dahereiner chirurgischen Lungenresektion unterzo-gen werden mussten. Auf diese Weise konntendiejenigen Gene von M. tuberculosis identifi-ziert werden, die während der Lungentuberku-lose differenziell reguliert werden. Zahlreichedieser Gene mit bislang unbekannter Funktionwurden mit Hilfe computergestützter bioinfor-matischer Analysen in Proteinnetzwerke einge-

ordnet. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die wahr-scheinliche Funktion der Gene im Infektions-prozess. Diese Untersuchungen ermöglichtendie Erstellung von Signaturen des Tuberkulose-Erregers während der Infektion und bildendaher die Grundlage für die Identifizierungneuer Impfantigene und von Zielstrukturen fürneue Chemotherapeutika.

Weiter wurde am Max-Planck-Institutfür Infektionsbiologie in Kooperation mit Com-binature Biopharm AG der Einfluss chemothe-rapeutischer Substanzen auf die Expression my-kobakterieller Gene zur Identifizierung potenzi-eller Zielstrukturen und neuer chemotherapeu-tisch wirksamer Stoffklassen untersucht. Hierzuwurde ein Verfahren etabliert, mit welchemSubstanzen aus vermutlich Antibiotika produ-

zierenden Actinomyceten-Stämmen parallel aufantibakterielle Aktivität analysiert werdenkonnten. Mit Hilfe dieses Untersuchungsver-fahrens konnte aus der Vielzahl von ca. 1000Testsubstanzen eine Gruppe von etwa 40 Kan-didaten-Substanzen eingeengt werden. DieseSubstanzen werden nun mittels der Trans-kriptom-Analyse mit den zurzeit in der Tuber-kulose-Therapie verwendeten Antibiotika verg-lichen, um die molekularen Wirkmechanismenaufzuklären.

KontaktProf. Dr. Stefan H.E. KaufmannMax-Planck-Institut für Infektionsbiologie BerlinE-mail: [email protected]

Entdeckung neuer Impf- und Diagnostika-Antigene bei der TuberkuloseStefan H. E. Kaufmann und Helmy Rachman

Abb: Strategische Vorgehensweise bei der Entdeckung neuer Impf- und Diagnostika-Antigene bei der Tuberkulo-

se. Aufbauend auf Transkriptom- und Proteom-Untersuchungen werden differenziell exprimierte Proteine des

Tuberkulose-Erregers identifiziert und dann in einem sequenziellen Durchsatzverfahren ihr Wert als Impf- und

Diagnostika-Antigene ermittelt.

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Entschlüsselung des Genoms des krebserregenden Bakteriums Helicobacter hepaticusSebastian Suerbaum

Helicobacter pylori ist der zweithäufigste Krank-heitserreger des Menschen. Die Infektion mit die-sem Bakterium erhöht das Risiko, an Magenkrebsoder bösartigen Magenlymphomen zu erkrankenund H. pylori ist daher seit 1994 als Krebserregereingestuft.Aber H. pylori ist nicht das einzige Bak-terium, das Krebserkrankungen hervorrufen kann.Helicobacter hepaticus ist ein mit H. pylori eng ver-wandtes Bakterium, das bei Mäusen Leberent-zündungen (Hepatitis), Leberkrebs und entzündli-che Darmerkrankungen hervorruft. Gemeinsammit Wissenschaftlern vom Massachusetts Institu-te of Technology, USA, der deutschen Firma MWG

Biotech AG und der Schweizer BioinformatikfirmaGeneData® hat meine Arbeitsgruppe die komplet-te Genomsequenz dieses Bakteriums entschlüs-selt (1).

Da jetzt sowohl das Genom des bakte-riellen Krankheitserregers als auch das desWirtsorganismus (Maus) vollständig bekanntsind, eröffnet die Genomsequenz von H. hepa-ticus die Möglichkeit, die Ursachen der karzi-nogenen Potenz dieses Bakteriums im Maus-modell systematisch zu untersuchen. Von be-sonderem Interesse sind hierbei zum einenGemeinsamkeiten mit H. pylori und außerdemeine neue Gruppierung von Virulenzgenen, einesogenannte „Pathogenitätsinsel“, die die For-scher im Genom von H. hepaticus entdeckten.

Dieses Projekt wäre ohne das erhebli-che Engagement der Firmen MWG Biotech und

GeneData nicht realisierbar gewesen. Die Zu-sammenarbeit hat unsere langjährige Expertiseauf dem Gebiet der pathogenen Helicobacter-arten mit der industriellen Kompetenz vonMWG Biotech und GeneData auf den Gebietender Hochdurchsatzsequenzierung und Bioinfor-matik zusammengebracht und war dadurchaußerordentlich fruchtbar. Es bleibt zu hoffen,dass solche Zusammenarbeiten in der ZukunftSchule machen, weil sie für alle Beteiligten –universitäre Partner und Industrieunternehmen– von großem Vorteil sein können.

Literatur1. Suerbaum et al. (2003) The complete genome

sequence of the carcinogenic bacterium Helicobacter

hepaticus. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 100:7901-

7906.

KontaktProf. Dr. Sebastian SuerbaumInstitut für Medizinische Mikrobiologie und KrankenhaushygieneMedizinische Hochschule HannoverE-mail: [email protected]

Abb. 2: Zirkuläre Darstellung des H. hepaticus Genoms und seine Beziehung mit den Genomen von H. pylori

und Campylobacter jejuni. Von außen nach innen repräsentieren die ersten beiden Ringe die Positionen der

codierenden Sequenzen die mit oder gegen den Uhrzeigersinn transkribiert werden. Die Farben repräsentieren

die funktionalen Kategorien der codierten Proteine. Der dritte Ring stellt Regionen des Chromosoms dar, die

einen mehr als 5% höheren (pink) oder niedrigeren (blau) G+C Gehalt aufweisen. Der vierte und der fünfte

Ring repräsentieren Genes mit Orthologen in H. pylori (schwarz) und C. jejuni (rot). Die Länge der Linien

welche die Orthologen darstellen ist proportional zur Sequenzähnlichkeit. Die Position der HHGI1 genomischen

Insel ist auf dem innersten Ring vermerkt. (aus Suerbaum et al., 2003).

Abb. 1: Transmissionselektronenmikroskopische

Aufnahme von Helicobacter hepaticus

(copyright: C. Josenhans)

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Das im Magen des Menschen lebende patho-gene Bakterium Helicobacter pylori offenbart,auf welchen Wegen unsere Vorfahren die Weltbesiedelt haben (1).

Helicobacter pylori besiedelt die Ma-genschleimhaut von mehr als der Hälfte derWeltbevölkerung. Dies kann oft über Jahrzehn-te andauern und zu Magen- und Zwölffinger-darm-Geschwüren führen, wenn keine Behand-lung erfolgt. Durch die Infektion erhöht sichaußerdem das Risiko, an bösartigen Magentu-moren zu erkranken, H. pylori ist als Krebserre-ger (Karzinogen) anerkannt. Das Bakteriumwird vorwiegend innerhalb von Familien über-tragen und verbreitet sich nicht epidemisch. Eszeichnet sich durch eine sehr starke genetischeDiversität aus, die etwa fünfzig Mal höher istals beim Menschen. Seine DNA-Sequenzen sindin Abhängigkeit von der geographischen Regi-on, in der die Bakterien isoliert wurden, sehrunterschiedlich.

Zusammen mit unseren Kooperations-partnern von sechs weiteren Universitäten inden USA und Frankreich konnten wir zeigen,dass Helicobacter den Menschen bereits seitUrzeiten bei seinen Wanderungen begleitet.Wir untersuchten den Krankheitserreger in 27Menschengruppen unterschiedlicher ethnischerZugehörigkeit und geographischer Herkunftund klärten seine weltweite Populationsstruk-tur mit genetischen Methoden auf.

Die detaillierte Analyse des Erbguts

ergab, dass sich die Bakterien sieben Gruppenund Untergruppen zuordnen lassen. Dann ent-wickelten wir eine neue mathematische Metho-de, um die Vorfahren zu rekonstruieren undkamen auf vier Helicobacter-Populationen, dieihren Ursprung in Afrika und dem Nahen Ostensowie in Zentral- und Ostasien hatten. Durchden Vergleich zwischen diesen und den heuti-gen Populationen lässt sich nun rekonstruieren,wie das Magenbakterium sich zusammen mitdem Menschen auf der Erde verbreitet hat.

Jeder heutige Helicobacter Typ trägt dieSpuren seiner Vorfahren. Denn treffen imMagen verschiedene Helicobacter-Stämme auf-einander, dann können sie untereinander Erbin-formationen austauschen. So sind die heute inEuropa nachweisbaren Bakterien das Ergebniseiner genetischen Verschmelzung zweier Popu-lationen, die unabhängig voneinander aus Zen-tralasien und dem Nahen Osten nach Europaeingewandert sind. Andere Populationen ent-wickelten sich während der mehrere tausendJahre langen Isolation der Polynesier im Pazifik,der Wanderung der sibirischen Vorfahren derIndianer über die Beringstraße nach Amerikaoder der Expansion der Bantu in Afrika.

In vielen Gegenden der Erde herrschtheute durch die Vermischung der Bevölke-rungsgruppen eine heftige Konkurrenz zwi-schen den ursprünglich ansässigen Bakterienund solchen, die in den vergangenen Jahrhun-derten einwanderten. Zu Stande kam diese

Situation beispielsweise durch die von Europaausgegangene Kolonialisierung von Nord- undSüdamerika oder durch den Sklavenhandel.

Unsere Forschungsergebnisse habenmöglicherweise auch wichtige Auswirkungen aufdie Behandlung von Infektionen mit Helicobacter.Der Grund: Genetische Unterschiede können eineunterschiedliche Aggressivität der Erreger zurFolge haben. Sie können auch die Effizienz vonAntibiotika beeinflussen.Außerdem müssen dieseUnterschiede bei der Entwicklung eines Impfstoffsin Betracht gezogen werden, wenn dieser Schutzgegen Helicobacter-Stämme aus allen Regionender Welt verleihen soll.

Literatur1. Falush et al. (2003) Traces of human migrations

in Helicobacter pylori populations.

Science 299:1582-1585.

KontaktProf. Dr. Sebastian SuerbaumInstitut für Medizinische Mikrobiologie und KrankenhaushygieneMedizinische Hochschule HannoverE-mail: [email protected]

PD Dr. Mark AchtmanMax-Planck-Institut für InfektionsbiologieBerlinE-mail: [email protected]

Spuren der Menschheitsgeschichte in den Genen eines KrankeitserregersSebastian Suerbaum und Mark Achtman

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Meningokokken (Neisseria meningitidis) kom-men ausschließlich beim Menschen vor. Siekönnen als Kommensalen die Schleimhaut desNasen-Rachen-Raumes für Tage bis Monatebesiedeln ohne eine Erkrankung auszulösen.Die Keimträgerraten schwanken altersabhän-gig und können mehr als 30% betragen. Dieeigentliche Erkrankung beginnt erst, wenn dieMeningokokken die Schleimhautbarriere über-wunden haben und sich über die Blutbahn aus-breiten. Invasive Meningokokken-Erkrankun-gen treten in Form von Hirnhautentzündungen,Blutvergiftungen oder Mischformen auf undsind wegen der schweren Verläufe, der nichtseltenen Todesfälle (10%) und der Spätschä-den von erheblicher Bedeutung. Besondersgefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder undJugendliche. Mittels molekularer Feintypisie-rungsmethoden ist es möglich, die genetischeVerwandtschaft von Meningokokkenisolatenzu bestimmen und diese in sogenannte klona-le Gruppierungen einzuteilen. Klonale Gruppie-rungen, die bei Erkrankten gefunden werden,sind äußerst selten bei gesunden Keimträgernzu finden.

Ziel der Meningokokken-Arbeitsgruppeim Kompetenznetzwerks PathoGenoMik ist esdaher, durch vergleichende und funktionelle Ge-nomanalysen infektiologisch relevante Genfunk-tionen bei Meningokokken zu identifizieren.

Im ersten Schritt wurden hierfür inKooperation mit der Firma MWG Biotech

(Ebersberg) Genomsequenzen ausgewählterapathogener Meningokokkenisolate erstellt. Eshandelte sich um einen konstitutiv unbekapsel-ten Stamm ohne Kapselsynthesegene (cnl) desSequenztyps (ST) 53 (1, 2) sowie um einenbekapselten Stamm der Serogruppe B (ST-136).Stämme dieser Sequenztypen wurden bishernahezu ausschließlich von Trägern isoliert (3).Für den ST-53 Stamm wurde nach dem Ring-schluss der Sequenz eine Annotation mit Hilfedes Programmes GenDB in Kooperation mitdem Zentrum für Biotechnology (CeBiTec) derUniversität Bielefeld durchgeführt. Basierendauf dieser Annotation wurde in Kooperation mitder Firma Operon (Köln) ein auf 70mer-Oligo-nukleotiden basierender Meningokokken-Mi-croarray konzipiert und produziert, der Oligo-nukleotide für die publizierten pathogenenMeningokokkengenome und den apathogenenST-53 Stamm umfasst. Dieser Array ist kom-merziell erhältlich und wird derzeit von uns fürvergleichende Genomhybridisierungen einge-setzt, die Meningokokkenstämme aus mehre-ren klonalen Komplexen umfassen.

Der Vergleich der ST-53 Sequenz mitden bereits publizierten Genomsequenzenpathogener Meningokokkenisolate zeigte, dassdas Genom des apathogenen ST-53 Stammesmit 2146 kb deutlich kleiner ist und dass imVergleich zu den publizierten Sequenzen meh-rere Gene fehlen. Hierzu zählen Gene, die zugravierenden Veränderungen der äußeren

Struktur der Bakterien führen, und auch Gene,die für die Adhäsion der Meningokokken anhumane Zellen unerlässlich sind. Es ist anzu-nehmen, dass das Zusammenspiel dieser undggf. weiterer Faktoren von Bedeutung für dieAttenuierung apathogener Meningokokken ist.

Die Ergebnisse der Sequenzvergleichewerden zu neuen Erkenntnissen über die Patho-genität der Meningokokken führen. DieSequenzinformationen können die Basis fürneue diagnostische Ansatzpunkte, aber auchfür die Entwicklung neuer Impfstoffe sein. Sol-che Impfstoffe werden dringend benötigt, daeine umfassende Impfung gegen alle Meningo-kokken zurzeit noch nicht möglich ist. EinePublikation der Genomsequenz ist in Vorberei-tung.

Literatur1. Claus et al. (2002) Many carried meningococci lack

the genes required for capsule synthesis and trans-

port. Microbiology 148:1813-1819.

2. Claus et al. (2005) Genetic analysis of meningococci

carried by children and young adults. J. Infect. Dis.

191:1263-1271.

3. http://pubmlst.org/neisseria/

KontaktProf. Dr. Matthias FroschInstitut für Hygiene und MikrobiologieUniversität WürzburgE-mail: [email protected]

Neisseria meningitidis: harmloser Kommensale und gefährliches PathogenMatthias Frosch

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Einer der wichtigsten Fortschritte der Mensch-heit in der Neuzeit lag sicherlich in der Erkennt-nis, dass einfache hygienische Maßnahmen, wiezum Beispiel die Bereitstellung von sauberemTrinkwasser, den Gesundheitszustand der Bevöl-kerung drastisch verbessern konnten.Tatsächlichführte eine verbesserte Hygiene bereits vor derEinführung von Antibiotika zu einem deutlichenRückgang von durch infektiöse Keime verur-sachter Morbidität bzw. Mortalität. Allerdingsführte dies in weiten Teilen der Bevölkerungauch zur falschen Ansicht, dass Bakterien gene-rell gefährlich seien und deswegen immer undüberall bekämpft werden müssten.

Heute wissen wir, dass nur ein ver-schwindend kleiner Teil aller Mikroben für unsMenschen gefährlich werden kann, während diemeisten Mikroorganismen für uns harmlos odersogar nützlich sind. Andererseits sind vieleKrankheitserreger wie zum Beispiel der vor allemfür Kleinkinder so gefährliche Erreger des Keuch-hustens Bordetella pertussis eng mit harmlosenUmweltkeimen wie dem kürzlich von uns erst-mals beschriebenen Bakterium Bordetella petrii(1) verwandt. Diese enge Verwandtschaft vonKrankheitserregern und harmlosen Umweltbak-

terien bietet uns durch den sorgfältigen Ver-gleich der Eigenschaften dieser Bakterien dieMöglichkeit zu erforschen, warum der eineMikroorganismus gefährlich ist, der andere abernicht.

In unserem Projekt im Rahmen des Kom-petenznetzwerks PathoGenoMik haben wir des-halb die vollständige genetische Information desUmweltkeims B. petrii entziffert, um sie mit derkürzlich entschlüsselten Genominformation vonB. pertussis und anderen pathogenen Bordetel-la Arten zu vergleichen. Erste Ergebnisse unsererUntersuchungen ergaben überraschenderweise,dass auch der Umweltkeim B. petrii über eineganze Reihe wichtiger Eigenschaften des gefähr-lichen Keims verfügt. So kann er Faktoren pro-duzieren, die essentiellen Virulenzfaktoren desKeuchhustenerregers sehr ähneln, wie z.B. dassog. Filamentöse Hämagglutinin, die Fimbrien,das Tracheale Zytotoxin und das virulenzregula-torische BvgAS Signaltransduktionssysstem. Zu-dem finden sich weitere Gene mit Ähnlichkeitenzu Virulenzfaktoren anderer Pathogene, derenFunktion noch nicht bekannt ist.

Das bedeutet, dass Umweltkeime eingenetisches Reservoir für wichtige Virulenzfak-

toren darstellen können, und dass sie bereits zurEvolution von Kranhkeitserregern wie z.B. B. per-tussis beigetragen haben oder künftig an derEntstehung neuartiger Krankheitserreger Anteilhaben könnten. Die Charakterisierung von engmit Krankheitserregern verwandten apathoge-nen Keimen bzw. Umweltbakterien stellt deshalbein wichtiges neues Arbeitsgebiet dar, das unserVerständnis von bakterieller Pathogenität erheb-lich erweitern, wichtige Beiträge zur Risikoab-schätzung von bislang noch wenig charakteri-sierten Bakterien leisten und zur Entwicklungvon neuen diagnostischen, präventiven und the-rapeutischen Ansätzen führen wird.

Literatur1. von Wintzingerode et al. (2001). Bordetella petrii

sp. nov., isolated from an anaerobic bioreactor,

and emended description of the genus Bordetella.

Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 51:1257-1265.

KontaktProf. Dr. Roy GrossLehrstuhl für MikrobiologieUniversität WürzburgE-mail: [email protected]

Umweltkeime – ein genetisches Reservoir für Virulenzfaktoren von Krankheitserregern?Roy Gross

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GenoMik-Kompetenznetzwerk Würzburg 46

GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Das Darmbakterium Escherichia coli gehört zurnormalen Darmflora des Menschen. Dennochwerden eine Vielzahl bedrohlicher Infektions-krankheiten, wie Harnwegsinfekte, Hirnhaut-entzündungen und Blutvergiftungen, aber auchschwere Durchfallerkrankungen bei Kindernvon Colibakterien verursacht. Nach Schätzungder Weltgesundheitsorganisation (WHO) wer-den jährlich weltweit ca. 200 Mio. Erkrankun-gen von E. coli verursacht.

Während der letzten Dekade hat diemolekularbiologische Analyse von E. coli ausPatientenproben deutlich gemacht, dass die „E.coli-Familie“ sich aus einer großen „Mann-schaft von Spezialisten“ zusammensetzt, dienicht nur Menschen sondern ganz unterschied-liche Wirte infizieren und unterschiedlicheKrankheiten verursachen können. Diese „Spe-zialisten“ können anhand des charakteristi-schen Profils ihrer krankheitsverursachendenFaktoren (Pathogenitäts-faktoren), bzw. deszugehörigen Gen-Repertoirs verschiedenenPathotypen zugeordnet werden. Bislang kenntman von diesen Gen-Repertoir nur die Spitzedes Eisbergs (1). So ist eine Unterscheidung vonharmlosen und gefährlichen E. coli Bakterienund eine Differenzierung nach Pathotypendurch konventionelle Methoden bisher nichtmöglich gewesen.

In diesem von BMBF geförderten For-schungsverbund werden durch Einsatz moder-

ner molekularer Methoden (DNA-Arrays) erst-mals die verschiedenen genetischen Ausstat-tungen, die für die unterschiedlichen Erkran-kungen verantwortlich sind, umfangreich erfas-st und zudem neue Pathogenitätsgene charak-terisiert.

Die Arbeiten zeigen, dass den harmlo-sen und pathogenen E. coli eine genetischeBasisausstattung gemeinsam ist. Etwa ein Drit-tel des genomischen Bauplans ist aber variabelund genau dort liegt die Grundlage der patho-genen Eigenschaften von E. coli (2). Die Analy-se dieser genetischen Zusatzausstattung zeigteden interessanten Aspekt, dass ein Instrumentzur Schädigung der Wirtszellen - der molekula-re Injektionsapparat „Typ III-Sekretionssys-tem“ – gleichartig bei vielen Pathotypen vor-handen ist, dass jedoch diese molekulare„Spritze“ bei den verschiedenen Pathotypenmit unterschiedlichen Effektorproteinen „gela-den“ wird (3, 4). Offensichtlich bestimmen dieEigenschaften dieser „injizierten“ Effektorpro-teine das Krankheitsbild.

Die Kenntnis dieser molekularen Grund-lagen ermöglicht die Entwicklung eines schnel-len, hochspezifischen und differenzierten Dia-gnostikverfahrens auf der Basis neuartiger mo-lekularer DNA-Chips, die eine umfassende Risi-kobewertung von E. coli Isolaten erlauben. Aufdiese Art können E. coli Isolate aus so ver-schiedenen Bereichen wie Umwelt, Nahrung

und Gesundheit charakterisiert werden, um„Nützlinge“ von „Ganoven“ zu unterscheiden.Zusätzlich können so erstmals vorausschauen-de Untersuchungen von Proben bei Risikopati-enten durchgeführt werden, um mögliche In-fektionsrisiken bereits im Vorfeld zu erkennenund ausschalten zu können.

Literatur1. Dobrindt et al. (2003) Analysis of genome plasticity

in pathogenic and commensal Escherichia coli

isolates by use of DNA arrays. J. Bacteriol.

185:1831-1840.

2. Sorsa et al. (2004). Identification of novel

virulence-associated loci in uropathogenic

Escherichia coli by suppression subtractive

hybridization. FEMS Microbiol. Lett. 230:203-208.

3. Gärtner and Schmidt. (2004) Comparative analysis

of locus of enterocyte effacement pathogenicity

islands of atypical enteropathogenic Escherichia

coli. Infect. Immun. 72:6722-6728.

4. Herold et al. (2004) Shiga toxin-encoding

bacteriophages--genomes in motion.

Int. J. Med. Microbiol. 294:115-121.

KontaktDr. S. SchubertMax-von-Pettenkofer-Institutfür Hygiene und MikrobiologieUniversität MünchenE-mail: [email protected]

Neue Diagnostikverfahren zur Erkennung gefährlicher ColibakterienSören Schubert

Die Projektgruppe 7 des PathoGenoMik Netzwerks:

Die Arbeitsgruppen von S. Schubert (München) und U. Dobrindt (Würzburg) setzen sich mit den E. coli Erregern von Blutvergiftung (Sepsis)und Harnswegsinfektionen auseinander während in Münster Durchfall-E. coli in den Arbeitsgruppen von H. Karch (enterohämorrhagischeE. coli (EHEC)) und M. A. Schmidt (enteropathogene E. coli: persistierende Durchfälle) untersucht werden.

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Funktionelle Genomik und Dynamik pathogener Escherichia coli: Variabilität und Migration von krankheitsverursachenden FaktorenM. Alexander Schmidt und Helge Karch

Die meisten Menschen kennen Escherichia colials harmlosen Vertreter der normalen Darm-flora. Leider wird häufig übersehen, dasAngehörige der Art E. coli für eine Vielzahllebensbedrohlicher Infektionskrankheiten ver-antwortlich sein können, wie z.B. Hirnhautent-zündungen (Meningitiden), Sepsis, Harnwegs-infekte, aber auch schwere Durchfall-erkran-kungen, die zum Teil auch mit akutem Nieren-versagen einhergehen können. Molekularbio-logische Analysen haben es in den letzten Jah-ren ermöglicht, den ’Werkzeugkasten’ der Erre-ger, der zur Entwicklung der speziellen Krank-heitsbilder beiträgt, mit einiger Genauigkeit zubeschreiben.

Durch die Verwendung moderner mole-kularer Methoden konnten Wissenschaftler desKompetenznetzwerks PathoGenoMik erstmalsauch die Dynamik der jeweiligen genetischenAusstattungen erfasst, die für die verschiede-nen Krankheitsbilder verantwortlich zeichnen.

Enterohämorrhagische E. coli könneneine hämorrhagische Kolitis und das sichextraintestinal manifestierende hämolytisch –urämische Syndrom (HUS) hervorrufen. DasHUS, ist die häufigste Ursache des akuten Nie-renversagens im Kindesalter. Eine kausale The-rapie der durch EHEC verursachten Krankheits-bilder gibt es bisher nicht und Impfstoffe sindnicht verfügbar. Antibiotika, die während derDurchfallerkrankung verabreicht werden, er-höhen das Risiko, ein HUS zu entwickeln. We-gen der Schwere der Erkrankungen ist die Dia-gnostik der EHEC/EPEC und die Klärung derÄtiopathogenese, des Erregerreservoirs und derÜbertragungswege sowie die Identifizierungweiterer Virulenzfaktoren von sehr großer Be-

deutung. Die bisherigen Arbeiten zeigen, dasseine an beiden intestinalen Krankheitsbildernessentiell beteiligte Pathogenitäts-insel (LEE:’locus of enterocyte effacement’) in Aufbau,Organisation und Abfolge der Gene hoch kon-serviert ist. Proteine, die zum charakteristi-schen Sekretions- und Injektionsapparat gehö-ren, zeigen eine weitgehende Übereinstim-mung, während sezernierte und injizierte Effek-torproteine eher variabel erscheinen (1-3). Diehäufig ausgedehnten flankierenden Bereicheder eigentliche Insel geben gewissermaßen als’Reisesouvenir’ Aufschluß über die zurücklie-genden ’Wanderungen’ der Pathogenitätsinseletwa durch andere Erreger und Wirte.

Diese Untersuchungen führten bereitszur Entwicklung eines ersten einfachen undschnellen Verfahrens zur diagnostischen Identi-fizierung von Durchfall-erregenden Escherichiacoli. Darüber hinaus wurden zahlreiche neuepotentielle Virulenzgene bei EHEC – Stämmenidentifiziert und charakterisiert. Hierzu zählenAdhäsine, Varianten der Shiga Toxine, diePathogenitätsinsel SRL (Shigella ResistanceLocus) und ein neues, phagenkodiertes Toxinaus der Familie der „Cytolethal distendingToxins (4-6). Durch Genomvergleiche im Patho-array konnte eine Kombination verschiedenerEHEC-spezifischer Determinanten identifiziertwerden, die eine schnelle und sichere Diagno-stik erlauben. Diese Determinanten werden be-reits jetzt als molekulare Targets bei der kli-nisch-mikrobiologischen Untersuchung vonEHEC herangezogen. Hierdurch konnten wirinnerhalb der EHEC verschiedene Subtypen mitunterschiedlicher Assoziation zum Schwereg-rad des Krankheitsbildes nachweisen.

Literatur1. Ide et al. (2003) Differential modulation by Ca2+

of type III secretion of diffusely adhering ente-

ropathogenic Escherichia coli. Infect. Immun.

71:1725-1732.

2. Knappstein et al. (2004) a1-Antitrypsin binds to

and interferes with functionality of EspB from

atypical and typical enteropathogenic Escherichia coli

strains. Infect. Immun. 72:4344-4350.

3. Gärtner and Schmidt. (2004) Comparative analysis of

locus of enterocyte effacement pathogenicity islands

of atypical enteropathogenic Escherichia coli. Infect.

Immun. 72:6722-6738.

4. Janka et al. (2003) Cytolethal distending toxin

gene cluster in enterohemorrhagic Escherichia

coli O157:H- and O157:H7: Characterization

and evolutionary considerations.

Infect. Immun. 71:3634-3638.

5. Friedrich et al. (2004) Phylogeny, clinical associations,

and diagnostic utility of the pilin subunit gene (sfpA)

of sorbitol-fermenting, enterohemorrhagic Escheri-

chia coli O157:H-. J. Clin. Microbiol. 42:4697-4701.

6. Zhang et al. (2005) Transcriptional analysis of

genes encoding Shiga toxin 2 and its variants

in Escherichia coli.

Appl. Environ. Microbiol. 71:558-561.

KontaktProf. Dr. M. Alexander SchmidtZMBE, Institut für InfektiologieUniversität MünsterE-mail: [email protected]

Prof. Dr. Helge KarchInstitut für HygieneUniversität MünsterE-mail: [email protected]

Die Projektgruppe 7 des PathoGenoMik Netzwerks: Die Arbeitsgruppen von S. Schubert (München) und U. Dobrindt (Würzburg) setzen sich mit den E. coli Erregern von Blutvergiftung (Sepsis)und Harnswegsinfektionen auseinander während in Münster Durchfall-E. coli in den Arbeitsgruppen von H. Karch (enterohämorrhagischeE. coli (EHEC)) und M. A. Schmidt (enteropathogene E. coli: persistierende Durchfälle) untersucht werden.

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Neue Genomdaten in Kombination mit derDNA-Chipanalyse ermöglichen völlig neueAnsätze in der mikrobiellen Diagnostik. Wäh-rend der Nachweis mikrobieller Antibiotikaresi-stenzen in der klinischen Routine in der Regelüber kulturabhängige, mehrere Tage dauerndeVerfahren erfolgt, sind molekularbiologischeVerfahren schneller und zuverlässiger. Ein Bei-spiel hierfür sind die diagnostischen Genotypi-sierungs-Chips der Projektgruppe 8 des Patho-GenoMik Netzwerkes. Diese liefern Testergeb-nisse in weniger als vier Stunden und benöti-gen prinzipiell keine Kultivierung oder Isolationder Mikroorganismen. Sie ermöglichen damiteine prospektive Therapie und geben darüberhinaus wertvolle Daten für die Epidemiologieund Kontrolle der Antibiotikaresistenz. Die Re-sistenz von Enterobakterien gegenüber Cepha-losporinen der neusten Generationen (z.B.Cefotaxim) ist eine der folgenschwersten Anti-biotikaresistenzen und wird durch bakterielleb-Laktamasen mit einem erweiterten Spektrum

(extended spectrum beta lactamase (ESBL))verursacht. ESBLs entstehen hauptsächlichdurch Punktmutationen in den Genen der b-Laktamasen mit Namen TEM, SHV, CTX-M undOXA. In vielen Kliniken wird gegenwärtig einAnstieg der ESBL-Nachweise beobachtet. Da-mit verbunden treten vermehrt therapeutischewie krankenhaushygienische Probleme auf mitder Folge verlängerter Patientenliegezeiten undzusätzlicher Kosten.

Unsere Forschergruppe hat eine ganzeSerie neuer DNA-Chips zur Genotypisierungvon b-Laktamasen entwickelt und erreicht da-mit wesentliche Meilensteine in der Komplet-tierung eines gesamten ESBL-Chips, welcherdurch den Industriepartner Eppendorf AG ver-wertet werden soll. Die DNA-Chips für denESBL-Nachweis verwenden die so genanntenSingle Nucleotid Polymorphism (SNP)-spezifi-sche Oligonukleotidsonden, die in einem 30-minütigen allelspezifischen Hybridisierungsan-satz eine Aussage über die Sequenz einer flu-oreszenzmarkierten Ziel-DNA zulassen. DieStärke dieser Antibiotikaresistenzbestimmungliegt auch darin, dass in klinischen Probengleichzeitig sensitive und resistente Bakterienidentifiziert und mehrere Resistenzgene paral-lel nachgewiesen werden können. In Mi-schungsversuchen wurde gezeigt, dass dies jenach Variante bis zu einem zehn- bis hundert-fachen Überschuss möglich ist.

Zur Evaluierung der DNA-Chips wurdenklinische Isolate des Robert Bosch-Kranken-hauses Stuttgart sowie von Kliniken in Moskauund Zadar (Kroatien) untersucht und die Ergeb-nisse mit Standardmethoden der Resistenzbe-stimmung und DNA-Sequenzierung validiert. Inallen 79 klinischen Isolaten konnten die vor-handenen TEM und SHV Gene mittels DNA-Chip identifiziert werden. Dabei wurden TEM-

1, -2, -3, -7, -8 und -116 sowie SHV-1, -2, -3, -4, -5, -7 und SHV-8 Gene nachgewiesen. Inter-essanterweise konnten neben Einzelresisten-zen auch SHV-5 oder SHV-12 Varianten inGegenwart der parentalen SHV-1 nachgewie-sen und bestätigt werden.

In unseren laufenden Chip-Entwicklun-gen greifen wir verstärkt auf die wachsendeMenge von Genominformationen zurück undintegrieren neben Resistenz- und Spezies-Mar-kern auch Virulenzgene auf diagnostischenChips. Darüber hinaus wird das zukünftige Zieldie vollständige Integration der einzelnen Ar-beitsschritte in ein Komplettsystem sein, dasdann einen erfolgreichen Einzug in die Routineder klinischen Mikrobiologie findet.

Literatur1. Leinberger et al. (2005) Development of a DNA

Microarray for the detection and identification of

fungal pathogens involved in invasive mycoses. J.

Clin. Microbiol. (im Druck).

2. Yu et al. (2004) Development and validation of a

diagnostic DNA microarray to detect quinolone-resi-

stant Escherichia coli among clinical isolates. J. Clin.

Microbiol. 42:4083-4091

3. Grimm et al. (2004) Use of DNA microarrays for

rapid genotyping of TEM beta-lactamases that con-

fer resistance. J. Clin. Microbiol. 42:3766-3774

KontaktPD Dr. Till T. BachmannInstitut für Technische BiochemieUniversität StuttgartE-mail: [email protected]

Prof. Dr. Cornelius KnabbeRobert-Bosch-Krankenhaus StuttgartE-mail: [email protected]

Genotypisierung von ESBL verursachenden b-Laktamasen mittels DNA-Chips zur Schnelldiagnosemikrobieller Antibiotikaresistenzen in der Medizin

Till T. Bachmann, Verena Grimm, Milorad Susa, Cornelius Knabbe und Rolf D. Schmid

Abb: Beispiel eines TEM-8 Nachweises (ESBL)

mit dem TEM-Chip

Derzeit sind DNA-Chips zur Genotypisierung von TEM (~ 650 Spots), SHV (~ 600 Spots) und CTX-M b-Laktamasen (~ 500 Spots) verfügbar und wurden bereits zu einem Gesamtchip inklusive einer Multiplex-PCR integriert. Weitere DNA-Chips für AmpC und OXA vermittelte Resistenzen gegen b-Laktamantibiotika sind derzeit in der Entwicklung.

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Beide Erregergruppen, Staphylokokken und En-terokokken, stehen an vorderer Stelle bei Kran-kenhausinfektionen und haben besondere Be-deutung wegen ihrer Antibiotikaresistenz (me-thi-cillinresistente S. aureus [MRSA] und gly-kopeptidresistente Enterokokken [GRE]). Hinzukommt die zunehmende Verbreitung von com-

munity MRSA mit besonderer Invasivität außer-halb von Krankenhäusern. Die schnelle Diagno-stik senkt Kosten durch Verkürzung von Kran-kenhaus-aufenthalten sowie die Letalität beischweren Infektionsverläufen.

Auf der Basis der Kenntnis aus der Ge-nom-Sequenzierung wäre theoretisch mittelsDNA-Mikroarrays (3000-4000 Oligocaptureprobes) das Erstellen umfassender Erregerpro-file möglich. Hier setzt jedoch die Zielstellungder Entwicklung von Mikroarrays für die kli-nisch-bakteriologische Diagnostik Grenzen, dabisherige Verfahren der Markierung von Ge-samtzell-DNA nicht die dafür erforderliche Sen-sitivität (Erfassen von 103-104-Bakterien) er-reichen. Dies ist aber möglich durch eine Mar-kierung ausgewählter Resistenz- und Virulenzassoziierter Gene mittels Multiplex-PCR undnachfolgender random-primed PCR mit high-prime labelling.

Die Array-Module für Staphylokokkenenthalten verschiedene DNA-Sonden um genaudie Gene zu detektieren, die für die Resistenzgegen verschiedene Antibiotika verantwortlichsind. Außerdem wurden solche Sonden hinzu-gefügt, die in Beziehung zu verschiedenenKrankheiten stehen und auch solche die für

eine eindeutige Bestimmung der Bakterienartnotwendig sind.

Bei den Arrays, mit denen die Entero-kokken auf Resistenzen geprüft werden sollen,werden neben den für die verschiedenen Anti-biotikaresistenzen verantwortlichen Genen,wiederum auch solche aufgenommen, die eineBestimmung der Bakterienart erlauben und einweiteres Gen, das Stämme mit einer besonde-ren Epidemizität charakterisiert.

Literatur1. Strommenger et al. (2003) Multiplex PCR assay for

simultaneous detection of nine clinically relevant

antibiotic resistance genes in Staphylococcus

aureus. J. Clin. Mirobiol. 41: 4089-4094

2. Werner et al. (2004) Molecular detection of

linezolid resistance in Enterococcus faecium and

Enterococcus faecalis by use of 5'nuclease

real-time PCR. J. Clin. Microbiol. 42: 4327-4331

KontaktProf. Dr. Wolfgang WitteRobert Koch InstitutWernigerodeE-mail: [email protected]

Oligonukleotidarray für die Diagnostik von Staphylokokken und von EnterokokkenBirgit Strommenger, Guido Werner, Ulrich Nübel und Wolfgang Witte

Konzeption der Enterokokken-MaikroarraysDie Array-Module für Enterokokken enthalten toxonomisch-relevante Sonden für die Species-Identifizierung (D-Ala-D-Ala-Ligasen), sowiefür die folgenden Resistenzgene: vanA, vanB (Glykopeptidresistenz), ermB (Streptogramin-B-Resistenz), vatD, vatE (Streptogramin-A-Resi-stenz), aacA-aphD (Aminoglykosid-Hochresistenz), aadE (Aminoglykosidresistenz), SNP's in der V-loop der 23S rRNA (Linezolidresistenz)sowie die Virulenz-assozierten Gene esp (enterococcal surface protein) und hyl (Hyaluronidase). Als Marker für die CC17-Population mitbesonderer Epidemizität (definiert über Multilocus-Sequenz-Typisierung) wurde das purK-1-Allel aufgenommen.

Konzeption der Staphylokokken-MaikroarraysDie Array-Module (Oligo-arrays mit capture probes von 22 – 26 Basenpaaren) für Staphylokokken enthalten neben capture probes für 16SrDNA weitere Sonden (probes) für folgende Resistenzgene: mecA (Methicillinresistenz), ermA, ermB, ermC (Makrolid-Lincosamidin-Strepto-gramin-B-Resistenz), aacA-aphD (Aminoglykosidresistenz), vatA, vatB, vatC (Streptogramin-A-Resistenz), tetK, tetM (Oxytetrazyklinresi-stenz), mup (Mupirocinresistenz), fur1 (Fusidinsäureresistenz) sowie für SNP's in rpoB (Resistenz gegen Rifampicin), in der V-loop der 23SrRNA (Linezolidresistenz) und in gyrA (Chinolonresistenz). Weiterhin wurden Multiplex-PCR und Arraymodule für folgende Virulenz-asso-ziierten Gene etabliert, bei denen eine Beziehung zu bestimmten Krankheitsbildern (prädiktive Aussage) erwiesen ist: tst (Toxic-Schock-Syndrom), eta, etb (exfoliative Dermatitis), lukS-lukF (Panton-Valentin-Leukozidin bei nekrotisierenden Infektionen).

Abb: Beispiel für das Mikroarray-Modul für die Empfind-

lichkeitsprüfung von Staphylokokken gegen Antibiotika

und dem Ergebnis mit Signalen der Hybridisierung.

Positive Signale für mecA (Methicillinresistenz), ermC

(MLS_Resistenz) und die Punktmutation in gyrA (Chino-

lonresistenz).

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GenomXPress · Sonderausgabe · September 2005

Chlamydien gehören mit jährlich über 60 Mil-lionen Infektionen zu den bedeutendsten bak-teriellen Krankheitserregern. Deren erst kürz-lich entdeckten, nächsten Verwandten leben alsSymbionten in frei lebenden Amöben und tei-len ihren einzigartigen, intrazellulären Entwick-lungszyklus. Die vergleichende und phylogene-tische Untersuchung des Genoms eines dieserChlamydien-verwandten Symbionten erlaubtenun neue Einblicke in die Evolution der Chlamy-dien und deren intrazellulären Lebensstils (1).

Symbiontische Chlamydien besitzenmit 2,4 Mb im Vergleich zu pathogenenChlamydien (1-1,2 Mb) ein deutlich größeresGenom, das keine Anzeichen eines andauern-den Prozesses der Reduktion der Genomgrößeund - mit einer Ausnahme - keine Hinweise aufden kürzlichen Erwerb neuer Gene aufweist.Daher erlaubt der Vergleich des Genoms sym-biontischer Chlamydien mit den Genomen derhumanpathogenen Chlamydien Rückschlüsseauf die genetische Ausstattung und somit denLebensstil des letzten gemeinsamen Vorfahrensaller Chlamydien, der im Präkambrium, vor et-wa 700 Millionen Jahren, gelebt haben dürfte.

Auffällig erscheint zunächst die großeZahl an im Genom symbiontischer Chlamydiencodierter Proteine, die Ähnlichkeit zu Proteinenvon pflanzlichen Plastiden oder Cyanobakteri-en aufweisen (9,4% aller Proteine). Diese deu-tet auf eine komplexe evolutionäre Beziehungzwischen Chlamydien und Cyanobakterien(oder Plastiden) hin und lässt vermuten, dassChlamydien im Laufe ihrer Evolution – zumin-dest vorübergehend - mit Pflanzen assoziiertwaren.

Trotz des größeren Genoms fehlen densymbiontischen wie den pathogenen Chlamydi-en Gene zur Durchführung einer Reihe essenti-eller Stoffwechselwege. Daher sind sie auf dieAufnahme entsprechender Metabolite(Nukleotide, einige Aminosäuren und Kofakto-ren) aus ihren eukaryotischen Wirtszellen ange-wiesen, ein Schicksal, das moderne Chlamydi-en offenbar mit ihrem letzten gemeinsamenVorfahren teilen, der, wie phylogenetischeUntersuchungen belegen, bereits an intrazel-

luläres Leben in frühen Eukaryoten angepasstwar. Bezüglich einiger Aspekte (wie etwa demZitronensäurezyklus und der oxidativen Phos-phorylierung) war der letzte gemeinsame Vor-fahre der Chlamydien jedoch deutlich unab-hängiger von seiner Wirtszelle.

Neben speziellen Membranprotei-nen, die den Import von ATP (im Austauschgegen ADP) in die Bakterienzelle katalysieren(2), waren bereits weitere Mechanismen zurInteraktion mit eukaryontischen Wirtszellen imgemeinsamen Vorfahren der symbiontischenund pathogenen Chlamydien angelegt. Sostammt unter anderem das Typ-III-Sekretions-system, eine Art molekulare Spritze, die Effek-torproteine in die Wirtszelle schleust, aus die-ser Zeit. Auch eine spezifische Protease, mitderen Hilfe pathogene Chlamydien die Signal-kaskade der Wirtszelle zur MHC-Expressionunterbrechen, findet sich im Genom der symbi-ontischen Chlamydien und war bereits imGenom des Chlamydien-Urahnen codiert.Grundlegende Strategien intrazellulärer Bakte-rien zur Interaktion mit eukaryotischen Wirts-zellen wurden also lange vor der Entstehunghöherer Tiere und Pflanzen im Zusammenspielmit frühen Einzellern entwickelt. DieselbenMechanismen werden noch heute von moder-nen pathogenen Chlamydien bei der Infektiondes Menschen verwendet.

Die vergleichende und pyhlogenetischeGenomanalyse von humanpathogenen Bakteri-en und deren apathogenen Verwandten liefer-te am Beispiel der Chlamydien neue Einblickein die Evolution dieser bedeutenden Krankheit-serreger. Wie das durch das Bundesministeriumfür Bildung und Forschung der BundesrepublikDeutschland im Rahmen des KompetenznetzesPathogenomik geförderte Projekt zeigt, bietensich Chlamydien-verwandte Symbionten freilebender Amöben als hervorragendes Modelsy-stem zur Untersuchung der Interaktion zwi-schen intrazellulären Bakterien und ihrenWirtszellen an. So bildeten diese Untersuchun-gen unter anderem die Grundlage für die kürz-liche Entdeckung und Charakterisierung desersten Membranproteins, das intaktes NAD+

importiert und somit integraler Bestandteileiner einzigartigen Anpassung symbiontischerChlamydien an ihren intrazellulären Lebensstilist (3).

Literatur1. Horn et al. (2004) Illuminating the evolutionary

history of chlamydiae. Science 304:728-730.

2. Schmitz-Esser et al. (2004) ATP/ADP translocases: a

common feature of obligate intracellular amoebal

symbionts related to chlamydiae and rickettsiae. J.

Bacteriol. 186:683-691.

3. Haferkamp et al. (2004) A candidate NAD+ trans-

porter in an intracellular bacterial symbiont related

to chlamydiae. Nature 432:622-625.

KontaktDr. Matthias HornDepartment für Mikrobielle Ökologie Universität WienE-mail: [email protected]

Prof. Dr. Michael WagnerDepartment für Mikrobielle Ökologie Universität WienE-mail: [email protected]

Die Evolution der Chlamydien – Einblicke in die Entwicklungsgeschichte bedeutender bakterieller KrankheitserregerMatthias Horn und Michael Wagner

Abb: Symbiontische Chlamydien innerhalb ihrer natür-

lichen Wirtszellen, frei lebenden Amöben. Chlamydien

und Amöben wurden mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybri-

disierung und spezifischen Gensonden angefärbt; dar-

gestellt ist ein optischer Schnitt durch die Wirtszelle (©

Science/AAAS).

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ImpressumGenomXPress Sonderausgabe · September 2005

Herausgeber Die wissenschaftlichen Koordinierungsstellen des Förderprogramms Genomforschung an Mikroorganismen (GenoMik)

RedaktionDr. Werner Selbitschka (GenoMik Bielefeld)Universität Bielefeld, Lehrstuhl für Genetik Postfach 100131, 33501 Bielefeld [email protected]

Dr. Petra Ehrenreich (GenoMik Göttingen)Universität Göttingen, Institut für Mikrobiologie und Genetik Grisebachstrasse 8, 37077 Göttingen [email protected]

Dr. Dietrich Trzeciok (GenoMik Göttingen)Universität Göttingen, Institut für Mikrobiologie und Genetik Grisebachstrasse 8, 37077 Gö[email protected]

PD Dr. Michael Kuhn (PathoGenoMik Würzburg)Universität Würzburg, BiozentrumAm Hubland, 97074 Wü[email protected]

Elena Strzelczyk, (GABI Geschäftsstelle)c/o Max Planck Institut für Molekulare PflanzenphysiologieAm Mühlenberg 1, 14476 [email protected]

Der Inhalt von namentlich gezeichneten Artikeln liegt in Verantwortung des jeweiligen Autors.

ISSN 1617-562X Dieser Newsletter wird aus Mitteln des BMBF gefördert.Layout & Satz: Dirk Biermann, [email protected] · Druck: sd:k Satz & Druck, Teltow


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