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Page 1: Entschichtung gehört zum Beschichten

1. EinleitungDas meiste Geld wird nicht mit neuen,

sondern mit nachgeschliffenen und wie-derbeschichteten Zerspanwerkzeugenverdient. Ein nachgeschliffenes und wie-derbeschichtetes Werkzeug wird aufdem Markt zu 1/3 des Neuwerkzeug-preises verkauft. HM-Bohrer werden biszu 10 mal nachgeschliffen, womit einmehr als 3 mal höherer Umsatz mit demnachgeschliffenen Werkzeug erzieltwird, als mit dem Neuwerkzeug. Ab-wälzfräser werden sogar bis zu 15malnachgeschliffen.

Wichtig bei nachgeschliffenen Werk-zeugen ist, dass Standzeiten wie beiNeuwerkzeugen erreicht werden kön-nen.

2. Warum braucht man eineEntschichtung?

Bei jeder Beschichtung muss ein guterUntergrund vorhanden sein, um einegute Haftung der Schicht und somit gute

Die meisten Entschichtungsverfahrenberuhen auf Chemikalien, welche dieBeschichtungen auflösen, aber unterUmständen auch das Grundmaterial an-greifen können, speziell bei Hartmetall(s. Abbildung 3).

Diese Beschädigung kann zu einerschlechten Schichthaftung führen undsomit zu kurzen Standzeiten. Daher istes äußerst wichtig die einzelnen Schrittezur Aufbereitung von gebrauchtenWerkzeugen in der richtigen Reihen-folge durchzuführen.

Beim Nachschleifen wird Grundma-terial freigelegt, welches die beste Vor-aussetzung für eine gute Schichthaftunghat. Wird nachher entschichtet, kanndieser gute Haftgrund beschädigt wer-den und die Schichthaftung abnehmen.Bei einer Kantenpräparation mittelsSandstrahlen oder Bürsten, kann dieeventuelle Beschädigung verringert wer-den, aber je nach Beschädigungstiefe ei-nen ungenügenden Haftuntergrund bie-ten (s. Abbildung 3).

Aus diesem Grunde muss zuerst ent-schichtet und erst dann nachgeschliffenwerden, (s. Abbildung 4). Damit dieKantenpräparation also ihre volle Wir-kung entfalten kann, sollte zuerst entschichtet und erst dann nachge-schliffen werden, wie dies bei einemInhouse-Beschichtungszentrum möglichist (s. Abbildung 5).

Entschichtung gehört zum Beschichten

BESCHICHTEN

1 ● Werkzeug Technik 111 ● 14 Dezember 2009

J. Prochacka, C. Büchel, T. Cselle, PLATIT AG, Selzach, Schweiz

„Ach das Wort, worauf am Ende / Er das wird, was er gewesen.“(J.W. Goethe: Zauberlehrling)

Abbildung 1: Standzeit eines nichtbeschichteten, erstmals beschichteten,

nachgeschliffenen undnachgeschliffenen+wiederbeschichteten

Werkzeugs (v.l.n.r.) [1]

Abbildung 2: Eine Schneidkante vor dem Nachschleifen, nach dem Nachschleifen, nachder Kantenverrundung, und nach Überbeschichtung (v.l.n.r.)

Standzeiten (wie bei Neuwerkzeugen)zu erreichen. Die Haftung einer Über-beschichtung auf alter Schicht sinkt mitder Dicke der letzten Schicht(en). Nach-geschliffene Werkzeuge können deswe-gen ein- bis zweimal ohne Entschich-tung überbeschichtet werden, undtrotzdem hohe Standzeiten erreichen.

Dadurch steigt aber die Schichtdickean den nicht nachgeschliffenen Stellen.Nach dem spätestens dritten Nach-schleifen darf nicht mehr überbeschich-tet werden, da die Haftung auf der al-ten Schicht zu gering ist, und somit nurnoch ein Bruchteil der Neuwerkzeug-standzeit erreicht werden kann. Aus die-sem Grunde sollten Werkzeuge ent-schichtet werden.

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3. Warum ist es nicht so einfach?Mit einer einzigen Ausnahme benut-

zen alle chemischen Entschichtungsver-fahren wasserbasierte Lösungen. Dieshat nebst Vorteilen (einfache Handha-bung, niedrige Kosten, Gesundheits- undUmweltschutz) auch gewisse Nachteile:

a. HSS - Korrosion:Dass HSS in Kontakt mit Wasser undSauerstoff korrodieren kann, ist be-kannt. In einer wasserbasierten Ent-

schichtungslösung, abhängig von ih-rer Zusammensetzung, kann dasKorrosionsrisiko sehr hoch sein.Auch nach dem Entschichten, wenndie Oberfläche durch den Ent-schichtungsvorgang aktiviert ist, kor-rodiert HSS sehr schnell an Luft.

b. Hartmetallkorrosion - „Cobalt Leaching“Wie bereits vom Schleifen her be-kannt, kann Hartmetall bei Kontaktmit Wasser beschädigt werden. Hart-metall ist ein Verbundwerkstoff, wel-cher aus Wolframkarbid-Körnern be-steht und von einem Kobalt-Binderzusammengehalten wird (s. Abbil-dung 6). Dieser Binder löst sich imKontakt mit Wasser allmählich ausder Werkzeugoberfläche heraus. Da-durch fehlt der Binder zum Zusam-menhalt der Körner und sind nurnoch lose mit dem Grundmaterialverbunden. Dies nennt man auf Eng-lisch „Cobalt Leaching“. Die Ober-fläche wird matt oder gar schwarz.Entscheidend ist die Tiefe des Co-le-achings. Tiefen von 0.1-0.5 µm sinddurch Nachbehandlung reparabel.

Bei noch mehr Co-laeching wird diebeschädigte Oberfläche mechanischweniger belastbar und die Nachbe-schichtung haftet schlechter bzw. garnicht.Die ideale Entschichtungslösung löstalso die Beschichtung auf, ohne dasHartmetall anzugreifen.

c. Chemische Ähnlichkeit von Beschichtung und WerkzeugmaterialDas Kobalt des Grundmaterials ist,chemisch gesehen, dem Titan undChrom in den Beschichtungen sehrähnlich. Darum ist es bei einer Ent-schichtung, welche die Beschichtung(Titan- und/oder ChromhaltigeSchicht) auflöst, eine große Heraus-forderung, kein KobalthaltigesGrundmaterial herauszulösen. DieAufgabe wird noch erschwert, wennzusätzlich auch noch Titancarbidoder Chromcarbid im Grundmate-rial enthalten sind. Meistens lässtsich allerdings ein Verlust von 0,1bis 0,5 µm Grundmaterial z.B. durchPolierstrahlen soweit nachbearbei-ten, dass die Nachbeschichtung trotz-dem gute Haftung aufweist.Es ist noch erwähnenswert, dass ei-nige Entschichtungslösungen nicht(nur) das Kobalt, sondern auch dasWolframcarbid des Hartmetalls an-greifen, mit sehr ähnlichen Folgenfür die Haftung der Wiederbe-schichtung.

d. Handhabung, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit:Die Chemikalien, die bei der Ent-schichtung benutzt werden bzw. ent-stehen, sollten möglichst risikofreifür Mensch und Umwelt und einfach zu handhaben sein. Eine Be-nutzung von naturidentischen Che-mikalien ist auch vom entsorgungs-technischen Standpunkt ein Vorteil.

e. Zeit und KostenDie Entschichtungsanlage darf nichtzu teuer sein, weder der Anschaf-fungspreis, noch die Betriebskosten.Mit Betriebskosten sind Energiever-

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Abbildung 3: Die weniger gute, aber dennoch praktizierbare Aufbereitungsmethode:die abgenutzte Schneidkante wird zuerst nachgeschliffen, dann entschichtet, danach die

Kanten verrundet und zuletzt wiederbeschichtet (v.l.n.r.)

Abbildung 4: Die beste Vorgehensweise bei der Werkzeug-Aufbereitung: die abgenutzteSchneidkante wird zuerst entschichtet, dann nachgeschliffen,

danach die Kanten verrundet und zuletzt wiederbeschichtet (v.l.n.r.)

Abbildung 5:Prozessabfolgemöglichkeiten beim

Wiederbeschichten. [1]

Abbildung 6: Das intakte (links)und „Cobalt-geleachte“ (rechts)

Hartmetall.

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brauch, Lohnkosten, Chemikalienund Entsorgung gemeint. Und ummöglichst kurze Aufbereitungszei-ten zu haben soll die Entschichtungmöglichst schnell ablaufen.

4. Welche Verfahren gibt es?Es gibt drei Entschichtungsverfahren:

mechanische, physikalische und chemi-sche.

Eine mechanische Behandlung zumEntfernen der Schicht (z.B. Mikrostrah-len) bleibt zumeist erfolglos, da dasGrundmaterial mit dem Strahlmediumschneller abgetragen wird als die Hart-stoffschicht. Außerdem wird so dieOberfläche aufgeraut, bedingt durch dieKorngröße des Strahlmediums.

Als physikalische Entschichtungsme-thode sei das Plasmaätzen erwähnt. Die-ses Verfahren findet aber höchstens beiDLC-Schichten eine Anwendung und istsehr kostspielig.

Beim chemischen Verfahren wird un-ter Anwendung eines flüssigen Medi-ums entschichtet. Im Prinzip geht esdarum, die Beschichtung zu oxidieren,unter Bildung einer in dem benutztenLösemittel löslichen Verbindung. AlsOxidationsmittel werden am häufigstensauerstoffreiche Chemikalien (z.B. Was-serstoffperoxid) benutzt; halogenhaltigeOxidiermittel sind aufgrund der niedri-geren Umweltverträglichkeit wenigerbeliebt.

Das flüssige Entschichtungsmediumkann wasserbasiert oder wasserfrei (lö-semittelbasiert) sein. Obwohl lösemit-telbasierte Verfahren im Labor bessereErgebnisse erreichen, ist sicherheits-technisch ein Einsatz unter Produkti-onsbedingungen kaum realisierbar (eswerden teure Reagenzien sowie feuer-gefährliche und giftige Lösemittel an-gewendet, die man aufwendig wieder-aufbereiten müsste).

Wasserbasierte Methoden sind somitdie einzigen, die für Serien-Entschich-tung denkbar sind. Diese gebrauchenteilweise auch elektrischen Strom (Elek-trolyse), um die Hartstoffschicht in dieLösung zu bringen.

5. PLATITEntschichtungsverfahren

Mitte 2003 fing PLATIT an eigene Ent-schichtungsverfahren zu entwickeln, dasich mit auf dem Markt befindlichenVerfahren nicht die gewünschten Er-gebnisse erzielen ließen.

Diese wurden aber anfänglich von PLA-TIT nicht gefördert, da speziell bei derEntschichtung hochgiftiges Chrom(VI)entsteht, welches stark krebserregendist. Um die Marktnachfrage zum Ent-schichten von Chromhaltigen Schichtenabdecken zu können, bietet PLATIT un-ter Eigenverantwortung des Kunden seit2006 nun auch entsprechende Ent-schichtungverfahren an.

Das Entschichtungsverfahren fürChromhaltige Schichten auf HM hinter-lässt einen Belag auf dem Werkzeug,welcher aber in einem zweiten Bad aufwässriger Basis einfach entfernt werdenkann.

Für Chromhaltige Schichten auf HSSist hingegen nur ein Schritt nötig, wel-cher auf einer wässrigen Lösung undGleichstrom besteht.

a. PLATIT-EntschichtungsmoduleFür die einzelnen Verfahren hat PLA-

TIT entsprechende Module entwickeltum mit möglichst geringen Mengen anChemie, Schichten effizient entschich-ten zu können.

BESCHICHTEN

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Abbildung 7:Funktionsprinzip

der Module ST-40 HSS und

ST-40 HM.

Als erstes entstand ein Entschich-tungsverfahren für HSS, das nach demEntwickler benannte AlZiRo. Das mehr-komponentige Pulver, wird mit Wasserund Wasserstoffperoxid auf ca. 60°C er-hitzt um Titan- und AluminiumhaltigeSchichten aufzulösen, ohne das Grund-material zu beschädigen.

Ein Entschichtungsverfahren für HMzu entwickeln, stellte sich als Knack-nuss heraus. Erst nach vielen Versuchen,Berechnungen und noch mehr Versu-chen, entstand ein Verfahren bestehendaus schichtlösenden Komponenten, spe-zifisch nur Kobalt schützenden Kom-ponenten, Katalysatoren und Gleich-strom. Diese Entschichtung basiert aufdem Oxidationsmittel Wasserstoffpero-xid.

Chromhaltige Schichten gibt es schonseit 1985 auf dem Markt, aber erst seit2003 haben chromhaltige Schichten im-mer mehr an Bedeutung gewonnen.

Abbildung 8: Entschichtungsmoduleder ST-40. Rechts: Körbchem mitSchaftwerkzeugen und Halter mit

Wälzfräser.

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Die ST-40 HM besteht aus einer Küh-lung, einer Badumwälzung und einemGleichstromrichter.

Die ST-40 HSS besteht aus einer Küh-lung, einer Heizung, einer Badumwäl-zung und einem Gleichstromrichter umeine möglichst schnelle Entschichtungzu erzielen.

Die ST-40 HM-C besteht aus einemBecken aus einem auf den Prozess ab-gestimmten Material und verfügt übereine ans VE-Wasser anzuschließendeBrause.

Die ST-40 R ist ein Spülmodul mit ei-ner Brause und dient zum abspülen dernassen, mit Chemie benetzten Werk-zeuge.

Die ST-40 P dient dem temporärenkorrosions- bzw. Co-Leaching-Schutzvor dem Reinigen in Reinigungsanlagedurch Eintauchen in einen Korrosions-schutz.

Die Werkzeugaufnahmen leiten denelektrischen Strom zu den Werkzeugenund beugen einer mechanischen Be-schädigung vor.

6. EntsorgungDie Entsorgung von gebrauchten Ent-

schichtungslösungen unterliegt je nachKontinent (EU / USA / andere Länder)diversen Vorschriften. Alle PLATIT-Lö-sungen basieren, soweit möglich, aufnaturidentischen Verbindungen. EinigeGebrauchtlösungen enthalten Verbin-dungen, die als Sonderabfälle einge-ordnet sind (z.B. Cr(VI)) und dürfen somit nicht in die öffentlichen Abwas-sersysteme eingeleitet werden.

Bei den meisten Nachschleifer-Firmenfallen „schwierige“ schwermetallhaltigeSchleifschlämme sowie Ölemulsionenan, die über lokale Fachunternehmengesetzeskonform entsorgt werden. Die-sen Entsorgungsfirmen kann man prak-tisch immer auch die Entsorgung derGebraucht-Entschichtungslösungenüberlassen, was problemlos und relativkostengünstig gemacht wird, dank dergeringen Konzentrationen, relativ ge-ringen Mengen und vor allem Fehlenjeglicher ölhaltiger Bestandteile.

7. KostenDie Entschichtungskosten pro Werk-

zeug sind stark abhängig von der Ent-schichtungschemie und der AnzahlWerkzeuge pro Entschichtungsbatch.

Cr-haltige Schichten auf HSS oderHM, sowie Ti, Al-haltige Schichten aufHSS machen 30-40% der Wiederbe-schichtungskosten aus. Bei Ti,Al-haltigenSchichten auf HM sind es hingegen biszu 70% der Wiederbeschichtungskosten,was auf aufwändige Chemie zurückzu-führen ist.

8. AusblickEine gute Schichthaftung und somit

gute Standzeiten von wiederbeschich-teten Werkzeugen hängen also von vie-len Faktoren ab. Diese Faktoren sind:

– die einzelnen Schritte zur Aufbe-reitung von gebrauchten Werkzeu-gen in der richtigen Reihenfolgeauszuführen.

– Anlagentechnik.– Entschichtungschemie.

9. ZusammenfassungNach spätestens drei Überbeschich-

tungen muss die Hartstoffschicht ent-fernt (entschichtet) werden, bevor eineNachbeschichtung aufgebracht wird, um

gute Standzeiten zu erreichen. Es könnenje nach Zusammensetzung von Schichtund Werkzeugmaterial diverse chemi-sche bzw. chemisch-physikalische Ent-schichtungsverfahren angewendet wer-den. Sämtliche Verfahren greifen aberauch das Grundmaterial an, weshalbbeim Wiederaufbereitungsprozess un-bedingt die Entschichtung vor demNachschleifen vorgenommen werdenmuss, was mit der integrierten Be-schichtung ermöglicht wird. [1]PLATITentwickelt wasserbasierte elektroche-mische Verfahren. Die dafür verwendeteAnlage besteht aus fünf Einzelmodulen,die für die jeweilige Schicht/Substrat-kombination bzw. Nachbehandlung zu-sammengestellt werden können. Diemeisten der benutzten Entschichtungs-chemikalien sind umweltverträglicheStoffe. Die anfallenden Entschichtungs-lösungen werden von professionellenRecycler-Firmen entsorgt. Die Ent-schichtungskosten sind für alle anderenSchicht/Werkstoffkombinationen vielniedriger als für Ti-,Al-haltige Schich-ten auf HM-Werkzeugen.

10. Literaturverzeichnis[1] PLATIT Compendium 2009/10.

(11109-??)

BESCHICHTEN

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Abbildung 9:Entschichtungskosten pro 6 mm

Bohrer bzw. 10 mm Fräser.

Neues PLATIT-Gebäude seit

April 2009.

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