4 Charakterisierung der untersuchten Polypropylene
In Rahmen dieser Arbeit wurden kommerziell erhältliche Polypropylene auf ihr uniaxiales und
biaxiales Deformationsverhalten im teilaufgeschmolzenen Zustand hin untersucht. Unter einer
Vielzahl auf dem Markt erhältlicher Rohstoffe wurden sechs Polypropylen-Homopolymere sowie
ein Propylen-Ethylen-Copolymer ausgewählt. Diese Auswahl wurde noch um ein Metallocen-
Polypropylen sowie um ein langkettenverzweigtes Polypropylen ergänzt. Im Gegensatz zu den
Homopolymeren und dem Copolymer werden die beiden zuletzt genannten Polypropylene nicht als
spezielle BOPP-Typen vertrieben. Tab. 4.1 gibt einen Überblick über die ausgewählten
Polypropylene.
Polypropylen Charakteristikum Mw [g/mol] Mn [g/mol] P = Mw/Mn IIXL[%] IIIR[%]
PP-1 Homopolymer 411 000 114 200 3,6 98,6 98,2 PP-2 Homopolymer 463 000 71 200 6,5 94,9 96,9 PP-3 Homopolymer 450 000 88 200 5,1 97,2 98,8 PP-4 Homopolymer 508 000 86 100 5,9 97,5 98,3 PP-5 Homopolymer 449 000 81 600 5,5 99,5 102,2 1 PP-6 Homopolymer 415 000 118 600 3,5 98,6 97,8 PP-7 Copolymer 2 505 000 109 600 4,6 97,9 95,8 PP-8 Metallocen-PP 326 000 147 500 2,2 91,2 89,5 PP-9 Langkettenverzweigungen 1 000 000 126 600 7,9 92,8 92,1
Tab. 4.1 Molekulare Charakterisierung der untersuchten Polypropylene.
Um Korrelationen zwischen der Molekularstruktur, der Castfilmmorphologie, dem
Deformationsverhalten und den Folienendeigenschaften erarbeiten zu können, ist zunächst eine
grundlegende und genaue molekulare Charakterisierung der untersuchten Materialien von
entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang werden auch rheologische
Untersuchungsmethoden eingesetzt, da diese als Ergänzung zu klassischen molekularen
Charakterisierungsmethoden dienen können. Darüber hinaus liefern diese Informationen über das
1 Dieser unrealistische hohe Wert für den Isotaxie-Index wurde reproduzierbar gemessen.
2 Mini-Random-Copolymer mit einem Comonomergehalt < 0,5 %.
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 58
Fließverhalten der Polymerschmelze. Schließlich werden die Morphologien der aus den
ausgewählten Materialien hergestellten Castfilme eingehend charakterisiert.
4.1 Molekulare Charakterisierung
4.1.1 Isotaktizität Die geläufigsten Methoden zur Bestimmung des Isotaxie-Indexes, der eine Kenngröße für die
Stereoregularität von Polymeren darstellt [DIN01], sind für Polypropylen die magnetische
Kernresonanz-Spektroskopie (NMR) [Ton89] [Zam73] [Hum88], die Infrarotspektroskopie (IR)
[Vol72] [Hug69] [Bur88] und verschiedene Lösungsverfahren [Len94] [Rau99] [DIN02]. In dieser
Arbeit wurde die Isotaktizität infrarotspektroskopisch (IIIR) sowie über die Löslichkeit in Xylol
(IIXL) ermittelt.
Xylol-Löslichkeit
Die Bestimmung des Isotaxie-Indexes erfolgte über die Xylol-Löslichkeit von Polypropylen analog
zu einem in [Iso01] und [Rau99] beschriebenen Verfahren. Hierbei wird das Polypropylen zunächst
in Xylol bei 137 °C gelöst. Im Anschluss daran wird die Lösung auf 5 °C abgekühlt, wobei ein
Großteil des isotaktischen Anteils von Polypropylen als Gel ausfällt. Neben dem ataktischen Anteil
bleiben aber auch niedermolekulare isotaktische Anteile in der Lösung. Nachdem das ausgefallene
Polypropylen abfiltriert worden ist, werden 100 ml des Filtrats in einen Kolben einpipettiert und das
Xylol in einem Rotationsverdampfer abdestilliert. Der im Kolben verbleibende Rückstand stellt den
xylollöslichen Anteil XL dar. Dieser kann wie folgt berechnet werden:
Vm
mlGXLS *
%100*250*= (4.1)
G steht hierbei für das Gewicht (in Gramm) des ermittelten Rückstandes im Kolben, mS ist die
gelöste Menge an Polypropylen (in Gramm) und V das Volumen (in ml) der eingesetzten
Filtratprobe. Der Isotaxie-Index IIXL berechnet sich schließlich zu
XLII XL −= %100 (4.2)
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 59
In Tab. 4.1 sind die über die Xylol-Löslichkeit bestimmten Isotaxie-Indices der unterschiedlichen
Handelsprodukte aufgeführt. Die Isotaxie-Indices der linearen Ziegler-Natta-Polypropylene liegen
zwischen 94,9 % (PP-2) und 99,5 % (PP-5) und somit in einem für iPP typischen Bereich. Das
Polypropylen PP-8 zeigt trotz einer Polymerisation mit einem Metallocenkatalysator einen deutlich
niedrigeren Isotaxie-Index. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass bei der Polymerisation mit
Metallocenkatalysator sogenannte Kopf-Kopf- bzw. Schwanz-Schwanz-Fehlstellungen der
Monomereinheiten in der Polymerkette auftreten können [Gah99]. Aus sterischen Gründen ist dies
bei Ziegler-Natta-Polypropylenen nicht möglich. Ein vergleichsweise niedriger Isotaxie-Index
wurde für das langkettenverzweigte Polypropylen PP-9 ermittelt. Die Verzweigungsstruktur von
PP-9 stellt ebenfalls eine Störung der Stereoregularität dar, wodurch der niedrigere Isotaxie-Index
erklärt werden kann. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht auszuschließen, dass durch den
Herstellungsprozess der Langkettenverzweigung, eine Elektronenbestrahlung, niedermolekulare
Bruchstücke entstehen, die in den gemessenen Isotaxie-Index mit eingehen. Da der im Vergleich
kleinere Isotaxie-Index durch die Bestimmung des Isotaxie-Index mittels Infrarotspektroskopie
bestätigt werden konnte (siehe Tab. 4.1), kann ein signifikanter Einfluss eines niedermolekularen
Anteils ausgeschlossen werden.
IR-Spektroskopie
Die IR-spektroskopischen Untersuchungen zur Ermittlung des Isotaxie-Indexes wurden an einem
IR-Spektometer Magna 750 der Firma Nicolet durchgeführt. Ein in Transmission gemessenes
IR-Spektrum weist zwei Banden bei Wellenzahlen von 998 cm-1 und 973 cm-1 auf. Da letztere
sowohl im amorphen als auch im kristallinen Zustand nahezu unverändert vorliegt, dient sie als
interner Standard bei der Bestimmung der Kristallinität [Hum88]. Die andere Bande (998 cm-1)
steht in direktem Zusammenhang mit der helikalen Konformation des kristallisierten isotaktischen
Polypropylens [Hug69] [Bur88]. Bestimmt man in einem Extinktionsspektrum die Höhen dieser
beiden Banden relativ zur Basislinie und setzt diese ins Verhältnis (998 cm-1 / 973 cm-1), so erhält
man für den Bereich zwischen 90 % und 100 % ein gutes Maß für den isotaktischen Anteil [Hug69]
[Bur88]. Der zwischen der Kristallisierbarkeit und dem Gehalt an isotaktischen Sequenzen
bestehende direkte Zusammenhang ist jedoch nur für gut getemperte Proben gültig [Hug69] [Kot68]
[Hum88], da in IR-Spektren die Einflüsse von Kristallinität und Taktizität überlagert sind [Vol72].
Durch die thermische Vorbehandlung wird die thermische Vorgeschichte eliminiert. Beim
Abschrecken von iPP aus der Schmelze verbleibt einem gewissen Anteil an Molekülketten lediglich
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 60
die Zeit, 31-Helices auszubilden. Für die Ausbildung einer dreidimensionalen Ordnung dieser
Helices (Kristallinität) reicht die Zeit nicht mehr aus. In diesem Fall findet man IR-spektroskopisch
eine hohe, röntgenographisch hingegen eine niedrige Kristallinität [Hum88]. Das Verhältnis der
beiden Bandenhöhen wurde ohne die in der Literatur beschriebenen Kalibrierkurven [Luo60]
[Bur88] in NMR-Isotaktizitäten umgerechnet. Die ermittelten Isotaxie-Indices stellen somit keine
Absolutwerte für die Isotaktizität dar. Dennoch ist ein relativer Vergleich von Isotaxie-Indices IIIR
verschiedener Polypropylene möglich. Die Herstellung der untersuchten Probekörper und deren
Temperung ist in [Übl00] und [Kru01] detailliert beschrieben.
Ein prinzipieller Vergleich der mittels Infrarot-Spektroskopie und Xylol-Löslichkeit bestimmten
Isotaxie-Indices macht deutlich, dass diese quantitativ nicht miteinander zu vergleichen sind. Ein
qualitativer Vergleich ist hingegen durchaus möglich. Mit beiden Bestimmungsmethoden konnte im
Vergleich der linearen Homopolymere PP-1 bis PP-6 für PP-2 der niedrigste, für PP-5 der höchste
Isotaxie-Index ermittelt werden. Ebenso konnten die vergleichsweise niedrigen Isotaxie-Indices der
Materialien PP-8 und PP-9 bestätigt werden. Für die linearen Produkte PP-1, PP-3, PP-4 und PP-6
bestehen zwischen den beiden Bestimmungsmethoden zwar Abweichungen quantitativer Art, die
Unterschiede sind jedoch mit maximal 1,4 % (Xylol-Löslichkeit) bzw. 1,9 %
(Infrarotspektroskopie) sehr gering, zumal für beide Methoden eine Messgenauigkeit von einigen
Zehntel-Prozentpunkten einzubeziehen ist. Die Begründung des unrealistisch hohen, aber
reproduzierbar infrarotspektroskopisch bestimmten Isotaxie-Indexes von PP-5 (102,2 %) ist
schwierig. Zur Bestimmung der Isotaktizität werden Schwingungsbanden herangezogen, die sowohl
von der Kristallinität als auch von der Taktizität beeinflusst werden [Vol72]. In dem
vergleichsweise hohen Kristallinitätsgrad dieses Materials liegt möglicherweise der Grund für den
zu hoch bestimmten Isotaxie-Index.
4.1.2 Molmasse und Molmassenverteilung Die Bestimmung der mittleren Molmasse Mw, des Zahlenmittelwertes Mn und der die Breite der
Molmassenverteilung charakterisierenden Polydispersität P der ausgewählten Handelsprodukte
erfolgte mittels Gelpermeationschromatographie (GPC). Diese Analysen wurden auf einer Waters-
GPC-150-Apparatur in Kombination mit einem 18-Winkel-Lichstreudetektor durchgeführt. Diese
Apparatur war mit vier Trennsäulen (1 Shodex UT807, 3 Shodex HT806) bestückt. Aufgrund der
absoluten Massenbestimmung durch den Lichtstreudetektor entfiel eine Kalibrierung des
Trennsystems. Als Elutionsmittel diente 1,2,4-Trichlorbenzol bei 135 °C. Um eine mögliche
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 61
autooxidative Kettenspaltung während einer Messserie zu unterdrücken, wurde das Elutionsmittel
zusätzlich mit einem primären Stabilisator (Irganox 1035) versetzt [Ret98]. Die verwendete
Apparatur wird von Gabriel [Gab01], die Probenpräparation und die Versuchsdurchführung werden
von Rettenberger [Ret98] ausführlich beschrieben. Die Genauigkeit der bestimmten
Gewichtsmittelwerte liegt bei ± 4 %, die des Zahlenmittelwertes bei ± 7 %. Alle bestimmten
Mittelwerte und Polydispersitäten sind in Tab. 4.1 zusammengefasst. Die Gewichtsmittelwerte der
untersuchten Homopolymere PP-2 bis PP-5 sind ähnlich (450 000 g/mol – 508 000 g/mol).
Hinsichtlich der Molmassenverteilung unterscheiden sich die Polypropylene in der Weise, dass
PP-2, PP-4 und PP-5 mit 6,5, 5,9 und 5,5 im Rahmen der Messgenauigkeit eine sehr ähnliche
Verteilungsbreite zeigen, PP-3 besitzt eine nur geringfügig engere Verteilung. Die Materialien PP-1
und PP-6 haben mit ca. Mw = 410 000 g/mol eine niedrigere Molmasse sowie eine engere
Molmassenverteilung (P = 3,6 bzw. 3,5). Abgesehen von einer geringeren Polydispersität, besitzt
das Copolymer PP-7 vergleichbare molekulare Daten wie PP-4. Das Metallocen-Produkt
PP-8 weist die im Vergleich aller Polypropylene geringste Molmasse und engste Verteilung auf, das
langkettenverzweigte Produkt im Gegensatz dazu mit 1 000 000 g/mol die mit Abstand höchste
Molmasse sowie die breiteste Verteilung (P = 7,9). Die Diskussion der molekularen Größen
Molmasse und Molmassenverteilung erfolgt zusammen mit den im Folgenden beschriebenen
rheologischen Größen Schmelzindex, Strangaufweitung und Dehnviskosität in Kapitel 4.3.
4.2 Rheologische Charakterisierung
Für eine grundlegende Charakterisierung von Polymeren ist eine rheologische Charakterisierung
unabdingbar, da erst diese Informationen über das Fließverhalten der Polymerschmelze und somit
über das Verarbeitungsverhalten liefert. Vor dem Hintergrund des Verstreckens von
Polypropylenfolien ist dies von zweifacher Bedeutung, da das Polymer zunächst über die Schmelze
zu einem Castfilm verarbeitet und dieser im Anschluss daran im teilaufgeschmolzenen Zustand
verstreckt wird.
4.2.1 Schmelzindex (MVI) Der Melt Volume Index (MVI) liefert eine qualitative Aussage über die Viskosität der Produkte.
Bestimmt wurde dieser nach DIN 53735 [DIN03] bei einer Temperatur von 230 °C und einem
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 62
Gewicht von 2,16 kg. Die Messgenauigkeit liegt bei etwa ± 0,3 cm3/10 min. Die ermittelten MVI-
Werte (Tab. 4.2) liegen zwischen 2,6 cm3/10 min und 7,9 cm3/10 min. PP-3, PP-4 und PP-7
besitzen die niedrigsten MVI-Werte, wohingegen PP-8 und PP-9 die höchsten Werte aufweisen.
PP-2 und PP-5 sowie PP-1 und PP-6 verfügen jeweils über einen ähnlichen MVI-Wert.
Polypropylen MVI [cm3/10 min] Strangaufweitung SA Nullviskosität η0 [Pas]1
PP-1 5,1 0,21 12000 PP-2 4,2 0,39 17700 PP-3 3,4 0,42 22000 PP-4 2,6 0,45 330002 PP-5 4,5 0,58 19000 PP-6 5,2 0,17 12000 PP-7 2,6 0,38 31000 PP-8 7,9 0,33 140003 PP-9 7,4 1,48 12000
PP-1-N 4,9 0,20 12000 PP-1-L 5,8 0,65 12400
Tab. 4.2 Rheologische Charakterisierung der untersuchten Polypropylene (Bestimmung des MVI-Wertes nach DIN 53735; Bestimmung der Nullviskosität bei einer Temperatur von 180°C).
4.2.2 Strangaufweitung
Neben dem MVI-Wert wurde die Strangaufweitung SA von Polymerschmelzen nach dem Austritt
aus einer Düse ermittelt (Tab. 4.2). Die Strangaufweitung erlaubt Aussagen über die Elastizität der
Polymerschmelze [Mün96] [Pfa94]. Die Elastizität steht wiederum in engem Zusammenhang mit
molekularen Größen, wie Langkettenverzweigungen oder hochmolekularen Anteilen [Mün80]. Die
Strangaufweitung SA wird nach folgender Formel bestimmt:
1 Aus der stationären Dehnviskosität berechnete Nullviskosität in Scherung [Ret99]. 2 Da sich im Rahmen des zugänglichen Messbereiches keine stationäre Dehnviskosität einstellte, entspricht
der angegebene Wert dem Maximalwert. Die tatsächliche Viskosität liegt höher. 3 Direkt über scherrheologische Messungen bestimmte Nullviskosität [Sta02].
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 63
10
−=S
S
dd
SA (4.3)
Die Größe dS0 beschreibt den Düsendurchmesser (dS0 = 2,5 mm), dS ist der Durchmesser des
ausgetretenen und relaxierten Probenstrangs. Nach dem Austritt aus der Düse relaxiert die
Polymerschmelze aufgrund von Orientierungen der knäuelförmigen Polymermoleküle in der Düse.
Da jedoch nicht alle Orientierungen und Spannungen bis zum Einfrieren der Schmelze vollständig
abgebaut werden können, wird der abgekühlte Strang anschließend über 12 min bei 180 °C in
einem Ölbad getempert, um so einen spannungsfreien und stationären Zustand zu erhalten. Erst
nach diesem Relaxationsprozess wird der Strang vermessen. Die Vorgehensweise bei der
Bestimmung der Strangaufweitung ist in [Pfa94] ausführlich beschrieben. Die Messgenauigkeit
dieser Methode liegt bei maximal ± 0,03. Die größte Strangaufweitung und somit höchste
Schmelzeelastizität besitzt das langkettenverzweigte PP-9 (1,48). Die Schmelzeelastizität aller
anderen Polypropylene liegt deutlich niedriger (0,17 – 0,58). PP-1 und PP-6 zeigen dabei die
niedrigste Strangaufweitung. PP-5 weist die höchste Strangaufweitung der linearen Polypropylene
auf.
4.2.3 Dehnviskosität Vor dem Hintergrund einer umfassenden Charakterisierung, vor allem aber in Hinblick auf eine
weiterführende molekulare Charakterisierung der ausgewählten Produkte, wurden schließlich
dehnrheologische Untersuchungen in der Schmelze durchgeführt. Das Materialverhalten der
Polymerschmelze in Dehnung reagiert sehr sensitiv auf das Vorhandensein von
langkettenverzweigten Molekülen und hochmolekularen Anteilen [Mün80]. Im Gegensatz zu
linearen Produkten zeigen langkettenverzweigte Materialien dehnverfestigendes Materialverhalten
[Mün81]. Eine Dehnverfestigung äußert sich durch den Anstieg der Viskosität über die stationäre
Anlaufkurve der Dehnviskosität hinaus. Ein dehnverfestigendes Materialverhalten ist somit ein
Indiz für das Vorhandensein von Langkettenverzweigungen (LKV). Der eindeutige Nachweis sowie
die Quantifizierung von Langverzweigungen ist allein aus Messungen der Dehnviskosität hingegen
nicht möglich.
Aus der stationären Dehnviskosität im linearen Bereich 0)(lim µµ =+
∞→t
t
o
eines Polymers folgt die
Nullviskosität η0 zu η0 = 1/3 µ0. Die auf diese Art und Weise bestimmten Nullviskositäten für die
untersuchten Materialien sind in Tab. 4.2 zusammengefasst. Die dehnrheologischen
Untersuchungen an den ausgewählten Produkten führen zu dem Ergebnis, dass für PP-1 bis PP-8
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 64
Langkettenverzweigungen ausgeschlossen werden können, da keine Dehnverfestigung beobachtet
wird. Diese Polypropylene zeigen qualitativ einen Verlauf der zeitabhängigen Dehnviskosität, wie
er für PP-1 in Abb. 4.1 dargestellt ist. Lediglich für PP-9 wurde ein ausgeprägtes
dehnverfestigendes Materialverhalten beobachtet (Abb. 4.1). Mittels gelpermeations-
chromatographischer Analysen in Kombination mit einem Viskositätsdetektor konnten
Langkettenverzweigungen in PP-9 eindeutig nachgewiesen werden [Bra99]. Obwohl das Blend PP-
1-L lediglich einen Anteil von 15 Gew.% des langkettenverzweigten Polypropylens PP-9 enthält,
zeigt es in der Schmelze ein signifikantes dehnverfestigendes Materialverhalten (Abb. 4.1). Die
Polypropylene PP-4 und PP-7 weisen ähnliche und zugleich die im Vergleich höchsten
Viskositätswerte (Tab. 4.2) auf. Die für PP-4 angegebene Nullviskosität stellt jedoch nur einen
Anhaltspunkt dar, da im Rahmen des zugänglichen Messbereiches kein stationärer Wert der
Anlaufkurve im Dehnexperiment erreicht werden konnte. Die tatsächliche Nullviskosität liegt
vermutlich höher. Die mit 12000 Pas niedrigsten Viskositäten wurden für PP-1, PP-6 und PP-9
ermittelt (Tab. 4.2).
10-1 100 101 102 103
103
104
105
106
PP-1-L
PP-9
PP-1x 5
x 0,3 .
Pas
s
T = 180 °C
εΗ in s-1
1,0 0,05 0,5 0,01 0,1 0,005
Deh
nvis
kosi
tät µ
Zeit t
Abb. 4.1 Dehnviskosität der Polypropylene PP-1 und PP-9 sowie des aus beiden
hergestellten Blends PP-1-L.
4.3 Diskussion
Zwischen dem Gewichtsmittelwert der Molmasse und dem MVI-Wert konnte für die linearen
Produkte erwartungsgemäß eine Korrelation in der Weise gefunden werden, dass mit einem
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 65
höheren Gewichtsmittelwert ein niedriger MVI-Wert einhergeht. PP-4 und PP-7 mit der höchsten
Molmasse weisen den niedrigsten MVI-Wert auf, das Metallocen-Produkt, das die niedrigste
mittlere Molasse besitzt, zeigt den höchsten MVI-Wert. Einzig allein PP-3 fügt sich nicht in dieses
Gesamtbild. Die Unterschiede in der Molmasse wie auch in den MVI-Werten sind gegenüber PP-2,
PP-4 oder PP-5 jedoch gering. Obwohl PP-9 die höchste mittlere Molmasse besitzt, zeigt dieses
Produkt auch einen sehr hohen MVI-Wert. Dies dürfte in Zusammenhang mit den
Langkettenverzweigungen stehen. Langkettenverzweigte Moleküle haben bei gleicher Molmasse
einen geringeren Knäuelradius als lineare Moleküle. Daraus resultiert ein verminderter innerer
Reibungswiderstand, was schließlich zu einer niedrigeren Viskosität führt [Arn96]. Im übrigen
korrelieren die gemessenen Nullviskositäten qualitativ mit den bestimmten Gewichtsmittelwerten
der Molmasse. PP-4 und PP-7 mit der höchsten Molmasse der linearen Produkte besitzen auch die
höchste Nullviskosität. PP-1 und PP-6 mit der kleinsten Molmasse aller Ziegler-Natta Produkte
weisen entsprechend die geringste Nullviskosität auf. Die Produkte PP-2, PP-3 und PP-5
unterscheiden sich abgesehen von der Isotaktizität aus molekularer Sicht nur geringfügig. Infolge
dessen differiert die Nullviskosität dieser Materialien nur um ca. 4000 Pas. Aufgrund des
Umstandes, dass die Schmelztemperatur von PP-8 deutlich niedriger liegt als die aller anderen
Produkte, nimmt dieses Material eine Sonderstellung ein. Deshalb wird an dieser Stelle nicht näher
auf dieses Produkt eingegangen.
Die Strangaufweitung, welche die Elastizität der Schmelze charakterisiert, wird von der
Molmassenverteilung und von Langkettenverzweigungen beeinflusst. Tatsächlich zeigen PP-1 und
PP-6 mit einer niedrigen Molmasse und einer engen Molmassenverteilung die geringste
Strangaufweitung. Für PP-9 wurde die mit Abstand höchste Strangaufweitung festgestellt. Diese
resultiert in erster Linie aus den Langkettenverzweigungen. Die Verzweigungsstruktur begünstigt
das Verhaken von Molekülen, wodurch bei einer aufgebrachten Deformation mehr physikalische
Vernetzungspunkte in der Schmelze entstehen können. Als Folge dessen zeigen diese Materialien
eine höhere Schmelzeelastizität. Abgesehen von den Langkettenverzweigungen dürfte auch die
breite Verteilung zur hohen Schmelzeelastizität beigetragen haben. PP-2, PP-3, PP-4 und PP-7
variieren hinsichtlich ihres Gewichtsmittelwertes und ihrer Molmassenverteilung lediglich in einem
sehr begrenzten Bereich. Die für diese Materialien gemessene Strangaufweitung ist somit sehr
ähnlich. Obwohl PP-8 eine sehr kleine Molmasse wie auch eine sehr enge Molmassenverteilung
besitzt, zeichnet sich dieses Material durch eine relativ hohe Strangaufweitung aus. Dies bekräftigt
die Aussage, dass dieses Produkt eine Sonderstellung unter den gewählten Polypropylenen
einnimmt.
Charakterisierung der untersuchten Polypropylene 66
Abgesehen von der Isotaktizität unterscheiden sich die ausgewählten linearen Ziegler-Natta-
Polypropylene PP-1 bis PP-7 aus molekularer Sicht nur sehr geringfügig. Die Gewichtsmittelwerte
differieren um weniger als 20 %. Der maximale Unterschied in der Polydispersität liegt ebenfalls
nur bei ca. 25 %. Die geringfügigen Unterschiede sind dadurch bedingt, dass es sich bei allen
Materialien um Handelsprodukte handelt, die als sogenannte Extrusionstypen vertrieben werden.
Das Metallocen-Polypropylen PP-8 hebt sich hingegen deutlich von den Ziegler-Natta-Typen ab.
Dies gilt ebenso für das langkettenverzweigte Produkt, das jedoch nur als Blendkomponente
verwendet wird und in reiner Form nicht zum Einsatz kommt.