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VorlesungSoziologische Theorie

SoSe 2019Mo 1015-1145 Uhr, AudiMax

29. April 2013

Die Vorgeschichte: Rousseau, Hobbes, Hegel und MarxDie Erfindung der bürgerlichen Gesellschaft und ihre Kritik

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Armin Nassehi: Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen2. Aufl.Wiesbaden: VS-Verlag 2011.

Hans Joas/Wolfgang Knöbl:Sozialtheorie. Zwanzig einführende VorlesungenAktualisierte AuflageFrankfurt/M./Berlin: Suhrkamp 2004.

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Programm

29.04.Die Vorgeschichte: Rousseau, Hobbes, Hegel und MarxDie Erfindung der bürgerlichen Gesellschaft und ihre KritikGeorg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Band 7, Frankfurt/M. 1970, �� 182-188, S. 339-346;

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Band 1, Berlin (DDR) 1969, S. 378-391.

06.05. (Julian Müller)Emile Durkheim: Gesellschaft als integrierte Einheit/Soziologie als MoralwissenschaftEmile Durkheim: Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt/M. 1977, S. 152-173 und 437-450. Emile Durkheim: Regeln der

soziologischen Methode, Neuwied 1961, S. 115-128.

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13.05.Max Weber:Soziologie ohne GesellschaftMax Weber: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: ders.: Schriften 1894-1922, ausgew. v. Dirk Käsler, Stuttgart

2002, S. 275-313.

20.05. (Julian Müller)George Herbert Mead:Gesellschaft als universe of discourse/Soziologie als VerhaltenswissenschaftGeorge Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Hrsg. von Charles W. Morris. Frankfurt/M. 1992, S. 194-221 und 230-265.

27.05.Talcott Parsons:Gesellschaft als politische Einheit/Soziologie als Theorie sozialer SystemeTalcott Parsons: Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 12-42.

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03.06.Alfred Schütz/Peter Berger/Thomas Luckmann:Gesellschaft als Lebenswelt/Soziologie als Phänomenologie und AnthropologieAlfred Schütz/Thomas Luckmann: Die Lebenswelt des Alltags und die natürliche Einstellung, in: dies.: Strukturen der Lebenswelt. Band

1, Frankfurt/M. 2003, S. 29-50.

10.06. Pfingstmontag

17.06.Gary S. Becker/James ColemanGesellschaft als Situation/Soziologie als Theorie rationaler WahlGary S. Becker: The Economic Way of Looking at Life, Nobel Lecture, Oslo 1992.

24.06.Jürgen Habermas:Gesellschaft als System und Lebenswelt/Soziologie als AufklärungsprojektJürgen Habermas: Der normative Gehalt der Moderne, in: ders.: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen,

Frankfurt/M. 1985, S. 390-425.

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01.07.Niklas Luhmann:Gesellschaft ohne Zentrum und Spitze/Soziologie als AufklärungNiklas Luhmann: Das Moderne der modernen Gesellschaft, in: ders.: Beobachtungen der Moderne, Opladen 1992, S. 11-49.

08.07.Pierre Bourdieu:Gesellschaft als Distinktionsraum/Soziologie als (Selbst-)AufklärungPierre Bourdieu: Leçon sur la leçon, in: ders.: Sozialer Raum und ‘Klassen’. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen, Frankfurt/M. 1985, S.

49-81.

15.07.Bruno Latour:Gesellschaft posthumaner Kollektive/Soziologie als Theorie hybrider AkteureBruno Latour: Kleine Soziologie alltäglicher Gegenstände, in: ders.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der

Wissenschaften, Berlin, S. 15-84.

22.07.Klausur

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Weitere Informationen:

Die Texte werden in den Hauptfachtutorien bearbeitet und sollen von allen sonstigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Vorlesung mitgelesen werden.

Die Anmeldeformalitäten für die Klausur bzw. für die Anmeldung zu den Theorie II-Veranstaltungen werden im Laufe der Vorlesung erläutert.

Sonntags ab spätestens 23.00 Uhr (meist früher) lassen sich die Folien des darauf folgenden Montags von der Homepage des

Lehrstuhls herunterladen (www.nassehi.de).

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Jean Jacques Rousseau (1712-1778)

„Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und

es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der

Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu

glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen

Gesellschaft.�

(Rousseau, Jean-Jacques: Diskurs über die Ungleichheit. Kritische Ausgabe des integralen Textes von Heinrich Meier, Paderborn: Schöningh 1984, S. 172)

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Thomas Hobbes (1588-1679)

„Der alleinige Weg zur Errichtung einer ... allgemeinen Gewalt, die in der Lage ist, die Menschen vor dem Angriff Fremder und vor gegenseitigen Übergriffen zu schützen und ihnen dadurch Sicherheit zu verschaffen, daß sie sich durch eigenen Fleiß und von den Früchten der Erde ernähren und zufrieden leben können, liegt in der Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen, die ihre Einzelwillen durch Stimmenmehrheit auf einen Willen reduzieren können.

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„Das heißt soviel wie einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen bestimmen, die deren Person verkörpern sollen, und bedeutet, daß jedermann alles als eigen anerkennt, was derjenige, der auf diese Weise seine Person verkörpert, in Dingen des allgemeinen Friedens und der allgemeinen Sicherheit tun oder veranlassen wird, und sich selbst als Autor alles dessen bekennt und dabei den eigenen Willen und das eigene Urteil seinem Willen und Urteil unterwirft. Dies ist mehr als Zustimmung oder Übereinstimmung: Es ist eine wirkliche Einheit aller in ein und derselben Person, die durch Vertrag eines jeden mit jedem zustande kam, als hätte jeder zu jedem gesagt: Ich autorisiere diesen

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„Menschen oder diese Versammlung von Menschen und übertrage ihnen mein Recht, mich zu regieren, unter der Bedingung, daß du ihnen ebenso dein Recht überträgst und alle ihre Handlungen autorisierst. Ist dies geschehen, so nennt man diese zu einer Person vereinte Menge Staat, auf lateinisch civitas. Dies ist die Erzeugung jenes großen Leviathan oder besser, um es ehrerbietiger auszu-drücken, jenes sterblichen Gottes, dem wir unter dem unsterblichen Gott unseren Frieden und Schutz verdanken.�(aus: Hobbes, Leviathan (1651), Frankfurt/M. 1984, S. 134)

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Jean-Jacques Rousseau

»Wie findet man eine Gesellschaftsform, die mit der ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes Gesellschaftsgliedes verteidigt und schützt und kraft dessen jeder einzelne, obgleich er sich mit allen vereint, gleichwohl nur sich selbst gehorcht und so frei bleibt wie vorher?« Dies ist die Hauptfrage, deren Lösung der Gesellschaftsvertrag gibt.

Scheidet man also vom Gesellschaftsvertrage alles aus, was nicht zu seinem Wesen gehört, so wird man sich überzeugen, dass er sich in folgende Worte zusammenfassen lässt: »Jeder von uns stellt gemeinschaftlich seine Person und seine ganze Kraft unter die

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oberste Leitung des allgemeinen Willens, und wir nehmen jedes Mitglied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.«

An die Stelle der einzelnen Person jedes Vertragabschließers setzt solcher Gesellschaftsvertrag sofort einen geistigen Gesamtkörper, dessen Mitglieder aus sämtlichen Stimmabgebenden bestehen, und der durch ebendiesen Akt seine Einheit, sein gemeinsames Ich, sein Leben und seinen Willen erhält. Diese öffentliche Person, die sich auf solche Weise aus der Vereinigung aller übrigen bildet, wurde ehemals Stadt genannt und heißt jetzt Republik oder Staatskörper. Im passiven Zustand wird er von seinen Mitgliedern Staat, im aktiven Zustand Oberhaupt, im Vergleich mit anderen seiner Art,

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Leitung des allgemeinen Willens, und wir nehmen jedes Mitglied Macht genannt. Die Gesellschaftsgenossen führen als Gesamtheit den Namen Volk und nennen sich einzeln als Teilhaber der höchsten Gewalt Staatsbürger und im Hinblick auf den Gehorsam, den sie den Staatsgesetzen schuldig sind, Untertanen. Aber diese Ausdrücke gehen oft ineinander über und werden miteinander verwechselt; es genügt, sie unterscheiden zu können, wenn sie in ihrer eigentlichen Bedeutung gebraucht werden.

(aus: Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag (1758), 6. Kapitel)

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Georg Wilhem Friedrich Hegel (1770-1831)

„Die Substanz, als Geist sich abstrakt in viele Personen (die Familie ist nur eine Person), in Familien oder Einzelne besondernd, die in selbständiger Freiheit und als Besondere für sich sind, verliert zunächst ihre sittliche Be-stimmung, indem diese Personen als solche nicht die absolute Einheit, sondern ihre eigene Besonderheit und ihr Fürsichsein in ihrem Bewußtsein und zu ihrem Zwecke haben, - das System der Atomistik. Die Substanz wird auf diese Weise nur zu einem allgemeinen, vermittelnden Zusammenhange von selbständigen Extremen und von deren

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besonderen Interessen; die in sich entwickelte Totalität dieses Zusammenhangs ist der Staat als bürgerliche Gesellschaft oder als äußerer Staat.�(aus: Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, III. Teil, Werke Bd. 10, S. 321)

„Jedes ist dem Anderen die Mitte, durch welche jedes sich mit sich selbst vermittelt und zusammenschließt, und jedes sich und dem Anderen unmittelbares für sich seiendes Wesen, welches zugleich nur durch diese Vermittlung so für sich ist. Sie anerkennen sich als gegenseitig sich anerkennend.�(aus: Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke Bd. 3, S. 147)

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„Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens, die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbst-bewußtsein hat, das an und für sich Vernünftige. Diese substan-tielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck, in welchem die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt, so wie dieser Endzweck das höchste Recht gegen die Einzelnen hat, deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des Staats zu sein.

Wenn der Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft verwechselt und seine Bestimmung in die Sicherheit und den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit gesetzt wird, so ist das Interesse der Einzelnen als solcher der letzte Zweck, zu welchem sie vereinigt sind, und es folgt hieraus ebenso, daß es etwas Beliebiges ist,

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Mitglied des Staates zu sein. - Er hat aber ein ganz anderes Verhältnis zum Individuum; indem er objektiver Geist ist, so hat das Individuum selbst nur Objektivität, Wahrheit und Sittlichkeit, als es ein Glied desselben ist. Die Vereinigung als solche ist selbst der wahrhafte Inhalt und Zweck, und die Bestimmung der Individuen ist, ein allgemeines Leben zu führen; ihre weitere besondere Befriedigung, Tätigkeit, Weise des Verhaltens hat dies Substantielle und Allgemeingültige zu seinem Ausgangspunkte und Resultate. - Die Vernünftigkeit besteht, abstrakt betrachtet, überhaupt in der sich durchdringenden Einheit der Allgemeinheit und der Einzelheit und hier konkret dem Inhalte nach in der Einheit der objektiven Freiheit, d. i. des allgemeinen substantiellen Willens und der subjektiven Freiheit als des individuellen Wissens

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und seines besondere Zwecke suchenden Willens - und deswegen der Form nach in einem nach gedachten, d.h. allgemeinen Gesetzen und Grundsätzen sich bestimmenden Handeln. - Diese Idee ist das an und für sich ewige und notwendige Sein des Geistes.�

(aus: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke Bd. 7, S. 399)

„Bei der Idee des Staates muß man nicht besondere Staaten vor Augen haben, nicht besondere Institutionen, man muß vielmehr die Idee, diesen wirklichen Gott, für sich betrachten. Jeder Staat, man mag ihn auch nach den Grundsätzen, die man hat, für schlecht erklären, man mag diese oder jene Mangelhaftigkeit daran erkennen, hat immer, wenn er namentlich zu den ausgebildeten unserer Zeit gehört, die wesentlichen Momente seiner Existenz

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in sich. Weil es aber leichter ist, Mängel aufzufinden als das Affirmative zu begreifen, verfällt man leicht in den Fehler, über einzelne Seiten den inwendigen Organismus des Staates selbst zu vergessen. Der Staat ist kein Kunstwerk, er steht in der Welt, somit in der Sphäre der Willkür, des Zufalls und des Irrtums; übles Benehmen kann ihn nach vielen Seiten defigurieren. Aber der hässlichste Mensch, der Verbrecher, ein Kranker und Krüppel ist immer noch ein lebendiger Mensch; das Affirmative, das Leben, besteht trotz des mangels, und um dieses Affirmative ist es hier zu tun.�(aus: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts ,Werke Bd. 7, S. 403f.)

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„Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein. So widersprechend es scheinen mag, daß das Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen sei, so stellt doch eine geringe Überlegung diesen Schein von Widerspruch zurecht. Der Anfang, das Prinzip oder das Absolute, wie es zuerst und unmittelbar ausgesprochen wird, ist nur das Allgemeine.�(aus: Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke Bd. 3, S. 24)

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„Wenn der Embryo wohl an sich Mensch ist, so ist er es aber nicht für sich; für sich ist er es nur als gebildete Vernunft, die sich zu dem gemacht hat, was sie an sich ist. Dies erst ist ihre Wirklichkeit.�(aus: Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke Bd. 3, S. 25)

„Was vernünftig ist, das ist wirklich;und was wirklich ist, das ist vernünftig.�(aus: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke Bd. 7, S. 24)

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„... das Prinzip der Besonderheit geht eben damit, dass es sich für sich zur Totalität entwickelt, in die Allgemeinheit über und hat allein in dieser seine Wahrheit und das Recht seiner positiven Wirklichkeit. Diese Einheit, die wegen der Selbständigkeit beider Prinzipien auf diesem Standpunkte der Entzweiung nicht die sittliche Totalität ist, ist eben damit nicht als Freiheit, sondern als Notwendigkeit, dass das Besondere sich zur Form der Allgemeinheit erhebe, in dieser Form sein Bestehen suche und habe.�(aus: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke Bd. 7, S. 343)

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Karl Marx (1818-1883)

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leib-eigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrük-ker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutio-nären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.

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In den früheren Epochen der Geschichte finden wir fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stände, eine mannigfaltige Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen. Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vasallen, Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch dazu in fast jeder dieser Klassen besondere Abstufungen.

Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt.

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Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.�(aus: Marx/Engels: Das Manifest der kommunistischen Partei, MEW 4)

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„Das Tier ist unmittelbar seine Lebenstätigkeit. Es unterscheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebenstä-tigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußt-seins. Er hat bewußte Lebenstätigkeit. Es ist eine Bestimmtheit, mit der er unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebenstätigkeit unterscheidet den Menschen unmittelbar von der tierischen Le-benstätigkeit. Eben nur dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein bewußtes Wesen, das heißt sein eignes Leben ist ihm

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Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. Nur darum ist seine Tätigkeit freie Tätigkeit. Die entfremdete Arbeit kehrt das Verhältnis dahin um, daß der Mensch eben, weil er ein bewußtes Wesen ist, seine Lebenstätigkeit, sein Wesen nur zu einem Mittel für seine Existenz macht.�(aus: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte (1844))

„Indem ... die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Produktion entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungsgegenständlichkeit, und verwandelt seinen Vorzug vor dem Tier in den Nachteil, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird. ...

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Eine unmittelbare Konsequenz davon, daß der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner Lebenstätigkeit, seinem Gattungs-wesen entfremdet ist, ist die Entfremdung des Menschen von dem Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegenüber. Was von dem Verhältnis des Menschen zu seiner Arbeit, zum Produkt seiner Arbeit und zu sich selbst, das gilt von dem Verhältnis des Menschen zum anderen Menschen, wie zur Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit des anderen Menschen.�

(aus: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte (1844))

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„Das Privateigentum hat uns so dumm und einseitig gemacht, dass ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, er also als Kapital für uns existiert. ... An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache Entfremdung aller ... Sinne, der Sinn des Habens getreten. ...Die Aufhebung des Privateigentums ist daher die vollständige Emanzipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; aber sie ist diese Emanzipation gerade dadurch, dass diese Sinne und Eigenschaften menschlich, sowohl subjektiv als objektiv geworden sind.�(aus: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte (1844))


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