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Download Dokumentation der Flügelgittereinstellung der freien Handschwingen beim Aufschlag sowie der Daumenfitticheinstellung beim Abschlag des Wellensittichs

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  • Heft 2 ] 1980 J 217

    J. Orn. 121, 1980: s. 217--222

    Zoologisches Institut der Universitt des Saarlandes, 6600 Saarbrcken

    Dokumentat ion der F lge lg i t tere inste l lung der freien Handschwingen be im Aufschlag sowie der Daumenf i t t i che inste l lung be im Absch lag

    des Wel lensit t ichs

    Von Werner Nachtigall

    Einleitung Der Aufs&lag (Rckschlag) der Flgel luft bei Kleinvgeln selten ,spiegelbildlich"

    zum Abschlag (Vorschlag) ab, So bewegt nur der an Ort schwirrende Kolibri seine ein geschlossenes Blatt bildenden Flgel angenhert in einer Horizontalebene vor und zur&, wobei diese im ersteren Fall gegen die Unter-, im letzteren gegen die Oberseite angestrmt werden. Der Flgel ist am Ende kaum in freistehende Handschwingen aufgespalten und bildet ein symmetrisch profiliertes Propellerblatt, das in beiden Schlagphasen prinzipiell hnlich arbeitet. Anders die meisten brigen Kleinvgel. Beim Aufschlag werden die Flgel hufig nahe an dem Krper ,angeschmiegt" zur&- bewegt, so da der Armfittich kaum aerodynamisch nutzvotle Krfte erzeugen kann. Der Handfittich dagegen wird ,peitschenartig" nachgezogen, und die freien Hand- schwingen sind weit gespreizt und werden jeweils einzeln umstrmt, als ob sie einzelne Miniaturflgel wren. BILo (1972) hat den Flgelaufschlag beim Haussperling stereo- ho&frequenz-kinematografisch untersucht. Beim freien, langsameren Stre&enflug sind die Abweichungen des Aufschlags nicht so stark ausgeprgt wie bei extremen Flug- situationen, beispielsweise bei forciertem Steigflug und raschen Wendungen. Im fol- genden werden einige Hochfrequenzregistrierungen vorgestellt, an denen die spezielle Anordnung und Bewegung der freien Handschwingen whrend des Aufschlags beson- ders gut dokumentiert und diskutiert werden knnen.

    Material und Methode

    Gefilmt wurden Wellensittiche (Melopsittacus undulatus) mit einer Fairchild-16 mnZeit.. lupenkamera (1500 Bilder pro Sekunde) schrg von vorne beim steilen, forcierten Steigflug. In einem Filmatelier wurde ein Flugkfig aufgebaut, in dem vier 10-kW-Scheinwerfer so an- geordnet waren, da sich ihre Strahlen in einem Punkt schnitten (Leuchtentfernung 2,50 m). Die Wellensittiche wurden aus der Hand gestartet und muten den sehr hellen (und heien), etwa 50 cm breiten Strahlengang durchfliegen, was sie stets mit uerster Kraftanstrengung und Geschwindigkeit im raschen Steigflug von etwa 60 zur Horizontalen taten.

  • [j. Orn. 218 W. NACHTIGALL [ 121

    Qualitative Ergebnisse Bei diesen Flugsituationen waren die Rumpfhaltungen stets sehr steil; die Flgel wurden extrem rasch bewegt (~ 20 Hz), am unteren Umkehrpunkt vollstndig zu- sammengeschlagen, am oberen sehr nahe aneinander gebra&t. Beim Abschlag waren die uersten freien Handschwingen stets stark abgebogen und schnappten am unteren Umkehrpunkt gegen die Ruhelage zurck und darber hinaus, whrend der Neu- aufschlag bereits einsetzte. Hierbei wurden die beiden sich berhrenden Flgel von oben nach unten ,geffnet (Abb. 2, 8--12). Eine forcierte Zirkulation nach der von Wrls-FoGH (1973) bei der kleinen parasitischen Wespe Encarsia forrnosa beschriebenen Methode knnte dabei durchaus stattfinden. Normalerweise hat sich eine auftriebs- induzierende Zirkulation erst dann vollstndig ausgebildet, wenn der Flgel vom Start aus eine Strecke zurckgelegt hat, die etwa 1--2 Flgeltiefen entspricht (WAcN~R- Effekt). Wenn eine Zirkulation durch Umstrmung der Vorderkante beim ,buch- artigen Flgelaufklappen" schon Frhzeitig induziert wird, knnte ganz zu Beginn des Aufschlags ein grerer Auftrieb zur Verfgung stehen als ohne diesen Mechanis- mus. BeNNrTT (1977) hat allerdings die Wirksamkeit dieses Mechanismus durch Modellexperimente auf grenordnungsmig 10 % Auftriebsanteil eingeschrnkt.

    Beim raschen Aufschlag sind die ueren, freien Handschwingen durch den Strmungsdruck der sehr raschen Bewegung etwa sichelfrmig abgebogen. Sie sind weit voneinander entfernt und schwingen zwar etwas gegeneinander, bleiben aber in dieser fcherartig aufgespaltenen Lage zumindest whrend des ersten Drittels des Aufschlags (Abb. 2, 12 20). Sie bilden ein FIgelgitter. Jede Handschwinge wird einzeln um- strmt und erzeugt fr sich Auftriebskrfte. Bei gnstigen Gitterdimensionen gibt es aber eine Interaktion der Strmungen, die insgesamt zu einer Reduzierung des Gesamtwiderstands - - der Summe der einzelnen Flgelgitteranteile ~hren kann, was bei gegebener Auftriebserzeugung eine Reduktion der einzusetzenden Stoffwech- selenergie bedeutete. Inwieweit das Flgelgitter der freien Handschwingen strmungs- mechanisch optimiert ist, kann noch nicht gesagt werden. Die relativ groen Abstnde, bezogen auf die mittlere Federntiefe, lassen aber vermuten, da die Einzelfedern ohne groe gegenseitige Interferenz fr sich umstrmt werden.

    Durch eine Ausmessung der Schlagstellungen der einzelnen freien Handschwingen im Raum lt sich der zeitliche Verlauf des resultierenden Auftriebs konstruieren, wenn die aerodynamische Wirkungsweise (stationre Polare) der einzelnen Schwingen durch Messungen klargestellt ist, auerdem der Anstellwinkel der einzelnen FederteiIe zur Strmung in jeder Schlagstellung bekannt ist und schlielich eine rein stationre Betrachtung zulssig ist und keine Interferenz angenommen werden mu. Diese Forderungen knnen zum Teil mete&nisch erfllt werden, zum anderen Teil m etwa angenhert werden, so da der ungefhre Anteil des Handschwingen-Flgelgirters beim Aufschlag an der Auftriebserzeugung des Tieres whrend einer gesamten Schlag- phase abgeschtzt werden kann. Details werden an anderer Stelle mitgeteilt. Im Prinzip zeigt sich, da die Auftriebserzeugung betrchtlich ist. Beim Aufschlag unter Scheinflugbedingungen am Ort" erzeugen allein die abgespreizten Handschwingen

  • Heft 2 ] 1980 J Flgelgittereinstellung beim Wellensittich 219

    im gnstigsten Fall etwa 35 /0 des Auftriebs, gemessen in Einheiten des Krper- gewi&ts, bezogen auf die gesamte S&lagperiode rund die Hlfte davon. Da beim vorliegenden Steigflug die Auftriebskraft grer ist als das Krpergewi&t, ist der Auftriebsanteil kleiner, do& spre&en auch Zahlen zwis&en 10 und 20 0/0 fr die Wi&tigkeit der ,Miniaturflgel" der freien Hands&winge.

    Es zeigt si&, da ha& anfngli&er Abbiegung blitzartige Ausglei&ss&wingungen stattfinden (vgl. Abb. 1, 22--28), insbesondere in der Nhe der Umkehrpunkte. So knnte die bei einer S&laghlfte durch Abbiegung der Hands&wingen gespeicherte elastis&e Energie gerade in den Umkehrpunkten -- vor allem dem unteren -- bedeu- tungsvoll werden: Dadur&, da sie die Hands&wingen aus der abgebogenen Lage zur&s&nellen lt, induziert sie bei gnstigen Anstellwinkeln eine Abwrtsbes&leu- nigung der Luft und damit einen Auftriebsanteil gerade dann, wenn sonstige Flgel- bewegungen ni&t stattfinden. PENNYCUICK & I-.OCK (1976) haben zu diesem Problem- kreis Modellre&nungen vorgestellt und gezeigt, da die so induzierten Auftriebs- anteile insgesamt dur&aus relevant sein knnen.

    Die Aufnahmen zeigen weiter, da der Wellensitti& von S&lag zu S&lag sehr flexibel steuern kann. Die in Abb. 1 und 2 dargestellten Auss&nitte stammen von S&lgen, die unmittelbar aufeinander folgten. Beim ersten S&lag liegen die Bahnen des re&ten und linken Flgels weit voneinander getrennt, und die Flgel werden au& mit einer gewissen Phasenvers&iebung bewegt. Dadur& entstehen Momente, die im vorliegenden Fall den Vogel ein wenig um die H&a&se rotieren lassen. Der darauf folgende Schlag dagegen verluft bereits absolut syrnmetris&. Innerhalb 1/20 s sind also ganz extreme Unterschiede in der Geometrie der Flgelbahn und -lage ein- stellbar. Die hier vorgestellte Flugsituation kann nur ganz wenige Sekunden lang dur&gehalten werden und drfte zu den krftezehrendsten gehren, die Vgel aus- fhren knnen. Gerade hierbei s&eint das Flgelgittersystem der freien Hand- s&wingen essentiell zu sein; s&neidet man sie nmlich ab, so vermag der Wellen- sitti& einen Steigflug in der vorliegenden Form ni&t mehr auszufhren.

    In sol&en extremen Flugsituationen wird regelmig au& der Daumenfitti& abgespreizt (Abb. 3, 1--10). Er wirkt als Vorflgel und beeinflut die Strmung auf der Flgeloberseite -- der aerodynamis&en Saugseite -- positiv, so da sie bei groen Anstellwinkeln no& ni&t oder ni&t so weitgehend abreit wie ohne diesen auch in der Flugte&nik des Mens&en weit genutzten Effekt. NACHTIGALL & KEMPF (1971) haben dur& strmungsme&anis&e Messungen an Originalflgeln gezeigt, da die Auftriebserhhung dur& den abgespreizten Daumenfitti& im Durchschnitt klein ist (10 /0), in Sonderfllen aber auf 30 /0 und mehr ansteigen kann. Der Wellensittich s&eint also alle Me&anismen einzusetzen, um mgli&st ras& aus der fr ihn unan- genehmen Zone starken Li&ts und groer Hitze zu entwei&en. Dazu leistet wahr- s&einli& au& der S&wanz einen Anteil; er s&wingt phasenvers&oben zur Flgel- bewegung mit (Abb. 2 und 3), wobei das fr den Wellensitti& typische seitli&e Schwanzgefieder weit abgespreizt wird und neben einem Momentenausglei& au& no& einen -- wenn au& geringfgigen -- Anteil an der Erzeugung des Gesamtauftriebs bernehmen drfte.

  • ~j. Orn. 220 W. NACHTIGALL L 121

  • Heft 2 ] 198o j Flgelgittereinstellung beim Wellensittich 221

  • [j. Orn. 222 W. NACHTIGALL [ 121

    Summary

    Documentat ion o f the movement of the f ree pr imar ies and the a lu la dur ing upst roke in the budger igar

    Budgerigars (Melopsittacus undulatus) were filmed during forced ctimbing flight at a rate of 1500 pictures per second. Qualitative information on the movement of the primaries during upstroke, the effect of the slit-wing of free wings, the oscillations of the free wings themselves, the effect of the phasic oscillations of the tail and its outspread side feathers and other kinematic details were obtained from these photographs. Qualitative aspects of this type are discussed. Furthermore, some quantitative data on the aerodynamic significance of the free wings during npstroke are given.

    Literatur

    BeaH~TT, L. (1977): Ciap and fling aerodynamics an experimental evaluation. J. Exp. Biol. 69:261 271. BILO, D. (1972): Flugbiophysik von Kleinvglen. II. Kinematik und Aerodynamik des Flgelaufs&lages beim Haussperling (Passer domesticus L.). Z. vergl. Physiol. 76: 426--437. Ders. & W. NACHTIGALL (1977): Biophysics of bird flight: questions and results. In: Physiology of movement - - Biome&anics. Forts&ritte der Zoologie, 24, 2/3: 217--234. NACHTIGALL, W, (1977): Vogelflgel und Gleitflug. Einfhrung in die aero- dynamis&e Betra&tungsweise des Flgels. J. Orn. 116:1 38. * Ders. & B. KEMvF (1971): Vergleichende Untersu&nngen zur flugbiologis&en Funktion des Daumenfitti&s (Alula spuria) bei Vgeln. Z. vergl. Physiol. 71: 326--341. * PZNH*COmK, G.J. & A. LocK (1976): Elastic energy storage in primary feather shafts. J. Exp. Biol. 64:677 689. WEIs-FoGu, T. (1977): Qui& estimates of flight fimess in hovering animals, including novel me&anisms for lift production. J. Exp. Biol. 59: 169--230.

    Ans&rift des Verfassers: Universitt des Saarlandes, Zoologis&es Institut, 6600 Saarbrcken.