von aphrodite in die gosse

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RÄTSEL | MAGAZIN © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 1/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 55 RÄTSEL Von Aphrodite in die Gosse in mittelalterlichen Klöstern vor: Man produzierte gleichermaßen Dünger für die Felder und Fleisch für die Mönche. Unser Rätseltier gehört zu einer Gattung, die über 50 Arten um- fasst, und in eine Familie mit etwa 300 Spezies, die vorwiegend in den Tropen beheimatet sind. Vermut- lich ist die Art, deren Namen wir suchen, im Süden Asiens entstan- den und hat von dort Nordafrika und Europa besiedelt. Die nördliche Verbreitungs- grenze verläuft entlang der Januar- Isotherme von + 3°Celsius. Die Wildform lebt in Einehe, Mutter und Vater füttern den jungen Nach- wuchs mit einem speziellen, Milch genannten Sekret, welches außer Wasser Proteine und Fett sowie Im- munglobuline enthält. Mit der Zeit wird dieser Milch ein zunehmen- der Anteil von Körnern beigefügt. Im Verlaufe der Domestikation ist es – wie auch bei anderen Haus- tieren – zunehmend zu Zahmheit und zu erhöhter Fortpflanzungs- leistung gekommen. Der Zeitraum zwischen dem Entstehen neuer Ge- nerationen wurde verkürzt, so dass öfter ganz junge und etwas ältere Jungtiere gleichzeitig von den Eltern zu betreuen sind. Während die Wildtiere im Herbst in der Regel eine photo- An wenigen anderen Tierarten scheiden sich die Geister so sehr wie an unserem Rätseltier. Seine Bewertung hat in der Menschheits- geschichte zwischen Verehrung und Verdammen geschwankt. Schon aus den frühesten schriftli- chen Aufzeichnungen im Vorderen Orient ist seine Nähe zum Men- schen belegt. Im Zuge der Entwick- lung der Landwirtschaft hat man unser Rätseltier genutzt, züchte- risch verändert, aber teilweise auch wieder aus der Obhut verloren. Freunde und Feinde gerade dieser verlorenen Tiere stehen sich vieler- orts in unserer Zeit geradezu lei- denschaftlich gegenüber und strei- ten, wenn es um ihre Kontrolle geht. Die Freunde sind davon über- zeugt, ihnen Gutes tun zu müssen, die Feinde wollen sie mit Nach- druck bekämpfen. Aufmerksame Stadtbewohner und -besucher kön- nen sich in allen größeren Städten Europas, aber auch auf anderen Kontinenten, davon überzeugen. Wer nach Ägypten kommt, wird erfahren, dass unser Rätseltier dort einen wichtigen Baustein einer effizienten Landwirtschaft darstellt. Die Ägypter haben eine „Rätseltier- Kot-Wirtschaft“ entwickelt. Sie haben spezielle Häuser gebaut, die Tausende von Individuen beher- bergen, in der Oase Fayum bis zu 60.000. Ein Paar produziert jährlich 4–6 kg Mist. Dieser besteht – wie in der gesamten Tiergruppe, zu der unser Rätseltier gehört – aus Faeces und Exkret (letzteres ist auf Abb. a im rasterelektronenmikroskopischen Bild dargestellt; es wurde im Heidel- berger Hauptbahnhof gesammelt). Dazu kommen noch Hautbil- dungen, die regelmäßig ersetzt werden (Abb. b, REM-Photo). Der stickstoffreiche Rätseltier-Mist wird speziell für den Anbau von Kürbis- sen, Melonen, Gurken und Toma- ten verwendet. Ähnlich ging man periodisch gesteuerte Gonaden- regression durchmachen, ist das bei vielen domestizierten Tieren nicht der Fall. Hier setzt die oben angesprochene Kontroverse an. Unser Rätseltier war einst in den Augen der Menschen Begleiter verschiedener Liebesgöttinnen, so der palästinischen Astarte und der griechischen Aphrodite und im Christentum Symbol des heiligen Geistes und der Liebe; heute steht es für Frieden. Es wurde schon vor Jahrtausenden in der Seefahrt als eine Art von Kompass eingesetzt, später dann intensiv für Kommuni- kation einschließlich Spionage. Wie lautet sein wissenschaftlicher Name, und um welches Exkret handelt es sich auf Abb. a? Volker Storch, Universität Heidelberg Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 25. März 2010 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“, Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach-Anschriften angeben! Verlost wird dreimal... In Heft 6/2009 suchten wir: 1. Sanddorn (Hippophaë rhamnoides) 2. Ölweidengewächse (Elaeagnaceae) Gewonnen haben Peter Scholz, Kleve Gabriela Lindner, Salem-Beuren Dr. Frieder Zimbelmann, Weingarten Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. ABB. a) Exkret und b) Hautbildun- gen des Rätsel- tieres.

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R Ä T S E L | M AG A Z I N

© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 1/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 55

R Ä T S E L

Von Aphrodite in die Gosse

in mittelalterlichen Klöstern vor:Man produzierte gleichermaßenDünger für die Felder und Fleischfür die Mönche.

Unser Rätseltier gehört zu einerGattung, die über 50 Arten um-fasst, und in eine Familie mit etwa300 Spezies, die vorwiegend in denTropen beheimatet sind. Vermut-lich ist die Art, deren Namen wirsuchen, im Süden Asiens entstan-den und hat von dort Nordafrikaund Europa besiedelt.

Die nördliche Verbreitungs-grenze verläuft entlang der Januar-Isotherme von +3°Celsius. DieWildform lebt in Einehe, Mutterund Vater füttern den jungen Nach-wuchs mit einem speziellen, Milchgenannten Sekret, welches außerWasser Proteine und Fett sowie Im-munglobuline enthält. Mit der Zeitwird dieser Milch ein zunehmen-der Anteil von Körnern beigefügt.

Im Verlaufe der Domestikationist es – wie auch bei anderen Haus-tieren – zunehmend zu Zahmheitund zu erhöhter Fortpflanzungs-leistung gekommen. Der Zeitraumzwischen dem Entstehen neuer Ge-nerationen wurde verkürzt, so dassöfter ganz junge und etwas ältereJungtiere gleichzeitig von denEltern zu betreuen sind.

Während die Wildtiere imHerbst in der Regel eine photo-

An wenigen anderen Tierartenscheiden sich die Geister so sehrwie an unserem Rätseltier. SeineBewertung hat in der Menschheits-geschichte zwischen Verehrungund Verdammen geschwankt.Schon aus den frühesten schriftli-chen Aufzeichnungen im VorderenOrient ist seine Nähe zum Men-schen belegt. Im Zuge der Entwick-lung der Landwirtschaft hat manunser Rätseltier genutzt, züchte-risch verändert, aber teilweise auchwieder aus der Obhut verloren.Freunde und Feinde gerade dieserverlorenen Tiere stehen sich vieler-orts in unserer Zeit geradezu lei-denschaftlich gegenüber und strei-ten, wenn es um ihre Kontrollegeht. Die Freunde sind davon über-zeugt, ihnen Gutes tun zu müssen,die Feinde wollen sie mit Nach-druck bekämpfen. AufmerksameStadtbewohner und -besucher kön-nen sich in allen größeren StädtenEuropas, aber auch auf anderenKontinenten, davon überzeugen.

Wer nach Ägypten kommt,wird erfahren, dass unser Rätseltierdort einen wichtigen Baustein einereffizienten Landwirtschaft darstellt.Die Ägypter haben eine „Rätseltier-Kot-Wirtschaft“ entwickelt. Siehaben spezielle Häuser gebaut, dieTausende von Individuen beher-bergen, in der Oase Fayum bis zu60.000. Ein Paar produziert jährlich4–6 kg Mist. Dieser besteht – wiein der gesamten Tiergruppe, zu derunser Rätseltier gehört – aus Faecesund Exkret (letzteres ist auf Abb. aim rasterelektronenmikroskopischenBild dargestellt; es wurde im Heidel-berger Hauptbahnhof gesammelt).

Dazu kommen noch Hautbil-dungen, die regelmäßig ersetztwerden (Abb. b, REM-Photo). Derstickstoffreiche Rätseltier-Mist wirdspeziell für den Anbau von Kürbis-sen, Melonen, Gurken und Toma-ten verwendet. Ähnlich ging man

periodisch gesteuerte Gonaden-regression durchmachen, ist dasbei vielen domestizierten Tierennicht der Fall. Hier setzt die obenangesprochene Kontroverse an.

Unser Rätseltier war einst inden Augen der Menschen Begleiterverschiedener Liebesgöttinnen, soder palästinischen Astarte und dergriechischen Aphrodite und imChristentum Symbol des heiligenGeistes und der Liebe; heute stehtes für Frieden. Es wurde schon vorJahrtausenden in der Seefahrt alseine Art von Kompass eingesetzt,später dann intensiv für Kommuni-kation einschließlich Spionage.Wie lautet sein wissenschaftlicherName, und um welches Exkrethandelt es sich auf Abb. a?

Volker Storch,Universität Heidelberg

Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 25. März 2010 andie Redaktion „Biologie in unserer Zeit“, Föhrenweg 6, D-68305 Mannheim. Bitte keine Postfach-Anschriften angeben! Verlost wird dreimal...

In Heft 6/2009 suchten wir:1. Sanddorn (Hippophaë rhamnoides)2. Ölweidengewächse (Elaeagnaceae)

Gewonnen haben • Peter Scholz, Kleve• Gabriela Lindner, Salem-Beuren• Dr. Frieder Zimbelmann, Weingarten

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

A B B . a) Exkret und b) Hautbildun-gen des Rätsel-tieres.