karmachackhs protocol

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die Karma Chakhs sind da! Liebevoll verpackt und hand- signiert von den Fabrikmitarbeitern. Jedes Paar ein Unikat! Mit den Karma Chakhs gehen wir erste Schritte in eine neue Wirtschaftsform. Das ist Neuland in vielerlei Hinsicht: Markenrechtlich, kaufmännisch, betrieb- swirtschaftlich. Im Frühjahr 2013 haben sich 500 Menschen im Internet zusammengefunden, um die Converse Chucks selbst zu produzieren. Fair und bio. Nicht weil wir eine Geschäftsidee wittern, sondern weil wir mit den Produktionsbedingungen nicht einverstanden sind. Wir sind Prosumenten (Mischung aus Konsumenten und Produzenten) und glauben an „Konstruieren statt kon- sumieren“. Im Juni 2013 haben Kathrin Harms (Fotografin), Marc Solterbeck (FairDealTrading) und ich unsere Lieferanten in Indien, Sri Lanka und Pakistan besucht. Wir haben die Menschen und ihre Familien kennengelernt, haben eine Schule für ehemalige Kinderarbeiter besucht. Liebe Crowd,

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Page 1: Karmachackhs protocol

die Karma Chakhs sind da! Liebevoll verpackt und hand-signiert von den Fabrikmitarbeitern. Jedes Paar einUnikat! Mit den Karma Chakhs gehen wir erste Schritte ineine neue Wirtschaftsform. Das ist Neuland in vielerleiHinsicht: Markenrechtlich, kaufmännisch, betrieb-swirtschaftlich. Im Frühjahr 2013 haben sich 500Menschen im Internet zusammengefunden, um dieConverse Chucks selbst zu produzieren. Fair und bio.

Nicht weil wir eine Geschäftsidee wittern, sondern weil wirmit den Produktionsbedingungen nicht einverstandensind. Wir sind Prosumenten (Mischung aus Konsumentenund Produzenten) und glauben an „Konstruieren statt kon-sumieren“. Im Juni 2013 haben Kathrin Harms (Fotografin),Marc Solterbeck (FairDealTrading) und ich unsereLieferanten in Indien, Sri Lanka und Pakistan besucht.

Wir haben die Menschen und ihre Familien kennengelernt,haben eine Schule für ehemalige Kinderarbeiter besucht.

Liebe Crowd,

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Mein Fazit: Die ökonomische Idee der „Lieferkette“ istüberholt. Sie legt die Menschen tatsächlich in Ketten. Wirzeigen Euch, wie wir versuchen Massenproduktion neu zudenken: Aus der „Supply Chain“ wurde der „Supply Tree“.Zentral ist die 7-Steps-Anleitung, nach der jederKonsument zum Produzenten werden kann.

Wir haben ein Buch entworfen, welches die Geschichteder Karma Chakhs erzählt: Das Karma Chakhs Protocol.Es ist so konzipiert, dass Ihr es selbst produzieren könnt,mit Schmierpapier und Eurem A4 Drucker. VieleHelferInnen haben bei einer „Packaging Party“ in Berlindie Schuhe verpackt und Schmierpapier mitgebracht. Wirhaben damit die ersten Seiten des Karma Buches ausge-druckt und den Anfang gemacht. Fertig wird es allerdingserst durch Euer Mitwirken! Hier könnt Ihr die fehlendenSeiten des Buches runterladen und nach Gusto selbstgestalten: www.startnext.de/karma-chakhs

ES IST AUSDRÜCKLICH ERWÜNSCHT, ALLE IDEEN ZUKOPIEREN UND WEITERZUENTWICKELN.

Stellt Euch vor, wir könnten irgendwann Güter, Nahrung,Bildung und Wohnraum produzieren, ohne Konsumdruck,ohne Ausbeutung, ohne böses Karma. Wir stecken nochin den Kinderschuhen. Das hier sind die ersten Schritteund darauf könnt ihr stolz sein: Ihr seid die ersten, diedieses Neuland betreten.

Euer Karma ÖkonomVan Bo Le-Mentzel

Been there,done that.

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1Unsere Baumwolle wurde im Frühling in Andra Pradesh (Indien) geerntet, ohne Pestizide!

Illustration Clara de Villiers

2In Mumbai wurde bei Volant Textile Ltd. die Wolle maschinell zu Canvas-Stoff verarbeitet.

Illustration Clara de Villiers

Die Entstehung derKarma Chakhs

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3Kleinbauer Fernando Rodriguez ritzt Kautschuk-Milch aus einem Gummibaum in Padeniya (Sri Lanka). Vorsicht: Fast 30 Jahre lang kann ein Baum Milch geben, wer zu tief ritzt, macht den Baum unbrauchbar!

4Koagulationsprozess: Bei Padeniya Thurusaviya (Sri Lanka), einer Fair Trade Genossenschaft, wird die Milch geronnen und zu Gummi gewalzt.

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5Im Smoke Room wird der Gummi wie bei der Fischzuberei-tung geräuchert. Das schützt vor Pilzbefall. Der Gummi wird dadurch braun.

6 gegenüberDer helle Gummi für die Seitenstreifen kommt von der Horana Plantage (einige Autostunden entfernt), wo mit hochwertigen Maschinen die höchste Güte und Reinheit hergestellt werden kann.

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7In Sialkot (Pakistan) laufen bei Talon Sports alle Fäden zu-sammen. Zuerst mischt dieser grimmige Färbemeister rote Pigmente in die Farbwalze, um den Stoff einzufärben.

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8… Der Stoff wird ausgestanzt … nächste Seite… Dann wird genäht. Bei 45 Grad ohne Klimaanlage.

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9Jeder Stoff ist mit Markierungen ver-sehen, da durfte ich Löcher für Schnür-senkel-Ösen hineinstanzen.nächste SeiteUnsere Sohle soll grün werden. Dafür gibt es ein Rezept. Unsere Sohle be-steht aus gelben und grünen Pigmen-ten, Ölen, Kalk und vielen anderen Ele-menten.

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10Speziell für unsere Schuhe wurden massive Stahlwerkzeuge gegossen. Eine teure Angelegenheit, über 10.000 Euro hat die Herstellung gekostet! nächste SeiteWie bei einem Waffeleisen wird das grüne Gummi zu unserer Sohle ge-schmolzen, entworfen von Saskia Lück.

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11Unsere Schuhe kommen ohne Logo aus. Anstelle dessen steht auf den Hacken „Give“ und „Take“, eine Idee von Karsten Harazim aus der Facebook-Crowd.

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12Ab jetzt läuft alles wie am Fließband. Mit Kautschuk-Leim (kein synthetischer Kleber!) wird der Stoff mit der Sohle in Form gebracht. Diese Frau ist eine von lediglich acht Frau-en in der Fabrik.

13Der helle Gummi kommt zum Einsatz: Der Schuh bekommt seine weiße „Toe cap“-Nase und die weißen Streifen um die Sohle.

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14Wie in einer Küche: Zum Schluss wer-den die Schuhe im Ofen „gebacken“, um alle Komponenten miteinander zu verschmelzen. Das nennt man Vulka-nisieren.

Fertig!

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Impressum:Karma Chakhs sind eine Gemeinschaftsproduktion vonLe-Mentzel und Jäpelt, Aye, Varelmann, Spöck, Wawricka,Berger, Rentsch, Howitz, Lückenbach, Protze,Michelmann, Sauer, Wingerath, Mauruschat, DeltellColomer, Hahmann, Reddig, Gase, Ebert, Maier, Gruber,Martini, Ruehr, Monske, Ketelhut, Schwarz, Gutwein,Costa, Wolff, Anwander, Heinemann, Aydin-Kandler,Schmid, Mensching, Kohler, Beholz, Patzke, Grintsch,Kruse, Fehmi und Ramsi Hoffmann, Greinwald, Phetnoi,Bernet, Dr. Köck (Hessischer Volkshochschulverband),Nutz, Wüst, Schuler, Lindner, Kraut, Osel, Dietsch,Buflmann, Wingerath, Fedrowitz, Räsch-Mimler,Ramminger, Bock, Dege, Winchenbach, Bernet,Wagenknecht, Schott, Pietzner, Hruschka, Heiling,Hansen, Mokler, Schröder, Kettritz, Stolba, Kamphuis,Goldberg, Beck, Oestreicher, Pichlhöfer, Broz, Schmidt,Urban, Kaminsky, Zehentner, Schumacher, Hanekamp,Fidelak, Pysall, Grill, Weber, Jeschke, Hildner, Fink, Wiese,Bauer, Boubakri, Heimberger, Thomey, Peyser, Mack,Birgit Bauer, Cahsella, Fischer, Beusser, Grofle-Allermann,Riedmann, Jumpertz, Heller, Hug, Jappel,, Merkel, Galke,Zehentner, Zuschke, Deppner, Schröder, Hottinger, Klos,Ehlert, El-Hassan, Dittrich, Wesenberg, Pöppe,Schueppert, Niesar, Baumgarten, Büning, Plagemann,Trumann, Schreiber, Hartwig, Leonhardt, Harzenetter,Coesfeld, Durnwalder, Summer, Griedelbach, Steimel,Wiener, Wiener, Bauer, Dinse, Deutsch, Wothe, Bender,Falk, Sebald, Kochs, Kovats, Berensmann, Triantafilidis,Gartemann, Schumacher, Wagenknecht, Klein, Ohlendorf,Kurlanda, Reinders, Sprdlik, Böhmer, Guenter, Bosch,Temminghoff, Evert, Müller, Siebel, Ling, Pacher-Zavisin,Gutzeit-Kroll, Fröschle, Schütt, Schulz, Felberg, Herfurth,Dr. Braem, Zieritz, Loeckel, Gottwald, Kibler, Tenzlinger,Zimmermann, Denker, Hawighorst, Spreen, Schirmer,Sodia, Sturm, Mitter, Dr. Cassens, Szepannek, Rzeppa,Schindler, Peter, Kuhnert, Onken, Böing, Wiesner,Endthaller, Sacher, Janik, Ringsleben, Eisenhauer,

Schreiber, Büthe, Kammerer, Osterwind, Kunz, Alfke,Schommer, Huber, Rieser, Schmeckies, Lisek, Bootz,Müller, Fuhr, Altenburg, Steinberg, Rzezonka, Tritschler,Altena, Reiterer, Altena, Christians, Landshoff, Nadler,Speckenbach, Kosik, Grutz, Heimberger, Zils,Gilgenmann, Pyka, Wernbacher, Ercan, Biedlingmeier,Bröker, Petzold, Müller, Landshoff, Harlan, Bergner,Dietrich, Lindstedt, Wallner, Wilke, Weigt, Brünink, Fink,Mertens, Deisler, Laczkowski, Schultz, Zuehr, Brown,Sperling, Höller, Kantel, Tatlici, Nagel, Koch, Fuhry, Lorenz,Paul, Pehrs, von Karger, Thier, Röckle, Körner, Rebohle,Schmeifler, Schneider, Landorf, Werner, Glasmeyer,Rossius, Klimpe, Lange, Harvey, Annette, Hemmerling,Schoen, Popkowitz, Girnus, Feder, Grill, Lettmann,Sommerauer, Kreutz, Kramer, Neubauer, Sternberg,Rauchensteiner, Dittmann, Vedadinejad, Winge, Eschke,Rutz, von Buttlar, Hahn-Hübner, Overländer, Triebl,Gobmaier, Maas, Proyer, Forster, Goethe Institut Irland,Schäffer. Hannig, Ehrensberger, Voj, Metzner, Bock, Ortiz,Krings, Hölzner, Schüfller, Weibel, Breinbauer, Wagner,Palm, Weizenegger, Vorbodt, Triantafilidis, Engelbert,Fahrbach, Kraus, Baur, Bartelt, Seiberl, Wachotsch, Moll,Rousseau, Schröder, Warnstorff, Wolf, Grabo, Mueller,Stöwer, Swoboda, Konrad, Reinitzer, Ulber, Szepannek,Reiselhuber, Kraft, Maldet, Heimberger, Zortea,Sommerauer, Kaisergruber, Röttger, Lüdecke, Kräutle,Longerich-Gassen, Loof, Schömann, Piper, Scharlach,Rottke, Pietsch, Verhorst, Termathe, Buchloh, Streibl,Menzel, Nowack, Hovermann, Matthiss, Winning, Junidas,Sturm, Ramb, Schimak, Heinen, Popp, Maschek, Hannich-Ruczynski, Berger, Collins, Luise Mentzel, Steiner,Perleberg, Theil, Maclean, Heussen, Lottmann, Grill, Tost,Lüpschen, Frie, Gradl, Hasler, Lanter, Grimm, Rüster,Praetor (Institut für Informatik Leipzig), Eco-Store

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Karma Chakhs Protocol:Bastian Henrichs (Chefredaktion), Kathrin Harms(Bildredaktion), Manuel Wesely (Creative Direction),codx.platform.fra. (Art Direction), Dario Pugner(Assistenz), Max Gilgenmann (Ökomanagement). Fotosvon Kathrin Harms, Simon Jappel, Benjamin Heck.Illustrationen von Deborah Tyllack, Clara De Villiers. Über-setzungen Englisch: Lisa Collins, Ba-Linh Chu, Richard L.Pierre / Deutsch: Lisa Feigen, Max Walkowiak, FabianBecker.

Illustration (XMas Cards): Donya Todd, Jette Funke, Matzthias Ycavirp and MichelleProyer

Design (Karma Chakhs Sohle und Kartongrafik): Saskia Lück

Alternative Designs:Ba-Linh Chu, Michal Golanski, Jan Kuck, Alex Sascha G,Simon Jappel, Christoph Müller, Karsten Harazim, SonaSona, Ivonne Leuchs, Regine Pysall, Feli Geritz, Lah CimSimonovsky, Pollack & Schaffrath, Georg Düdemeister,Davide Zicca und Mü.

Musik für Startnext-Pitch Video: Dara Sepehri

Dank an das Karma Team und Neues DeutschlandDruckerei, Adrienne Mönkediek, Martin Lang, CopyshopTrigger.de, ocelot dan pearlman, Ole Feddersen, ShaiHoffmann, betahaus und startnext.de, Talon Sports(Zulfiqar, Assad, Bayrar Familie), Horana Plantations(Nisala), Padeniya Society, Rajlakshmi Ltd., Punjab PoliceElite Force, Nele Ouwens, Christian Fischer, ClaudiaMayer (Galileo-Team), Fabio Anthony, Dirk Helmgens,Shabnam Tafazoli, Gekko - Getränke- und Handelskollektiv(gekko-berlin.de) und die HelferInnen von der Packaging

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Ein Gespräch mit Max Gilgenmann. über veganes Leder,Green Washing, Fair Trade und Pelz von verunglücktenKojoten. Gilgenmann ist Experte für nachhaltige Modeund berät verschiedene Mode-Messe-Veranstalter u.a. dieEthical Fashion Week Berlin.

Du bist die Ökopolizei für Unternehmungen wie dieEthical Fashion Show Berlin, wo nachhaltige Modepräsentiert wird. Worauf achtest Du?

Gilgenmann: Wir haben uns eine Art Kriterienkatalog erar-beitet und Mindestanforderungen sowie Ausschlusskri-terien formuliert. Nachhaltigkeit ist immer nur relativ zusehen — also gibt es keine nachhaltige Mode sondern nurnachhaltigere Mode.

Kannst Du uns ein Beispiel für ein Ausschluss-kriterium nennen? Das sogenannte „Fast Fashion“-Label H&M hat eine Organic Linie. Kann ich ohne schlechtes Gewissen diese Organic Shirts kaufen?

„Nachhaltige Mode ist möglich“

Foto: Simon Jappel

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Gilgenmann: Ohne schlechtes Gewissen kann man ehrlichgesagt nur sehr wenig kaufen — 100 Prozentige Sicherheitüber die Produktion kann kein Unternehmen garantieren,außer alles läuft in Kleinstmengen in der eigenenProduktionsstätte mit Menschen, die man kennt und mitdenen stetig kommuniziert wird.

H&M ist für seine Größe und Marktstellung sicherlich eherauf der Seite der proaktiven Akteure im Bereich nachhalti-ge Textilindustrie, aber die Größe und Komplexität derLieferketten allein ist schon ein gewisses Problem bei derVerfolgung einer konsequenten Nachhaltigkeitsstrategie.Ein Ausschlusskriterium bei uns ist natürlich Kinderarbeit,aber auch der Ausschluss von chromgegerbtem Leder.

Welche Marken sind für Dich vorbildlich?Gilgenmann: Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Marken,die sich vorbildlich verhalten. Beim „Upcycling“, wenn ausalten, aussortierten Kleidungsstücken oder anderenAlltagsgegenständen neue modische Produkte entstehen,bin ich Fan der beiden Berliner Labels „Reclothing“ vonDaniel Kroh, und Schmidttakahashi.

Als eines der großen globalen Vorbilder gilt Patagonia. InDeutschland ist auch Hess Natur immer noch sehr ange-sehen, obwohl die mittlerweile in die Arme einer großenInvestmentgruppe geraten sind.

Ist Mode und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch?Ein Unternehmen, welches davon abhängig ist, dass zwei bis zehn Mal im Jahr Jacken, Hosen, Taschen und T-Shirts gekauft werden, kann ja kein Interesse daran haben, dass die Sachen länger als sechs Monate getragen werden.

Gilgenmann: Discount-Mode und Fast Fashion sindsicherlich sehr widersprüchlich zur Idee nachhaltigererMode. Ob ein trendorientiertes Produkt überhaupt nach-haltig sein kann, ist eine spannende Grundsatzdiskussion,

die immer wieder aufflammt und bisher noch nie zu Endediskutiert wurde. Ich denke, es ist grundsätzlich möglich. Hierbei spielen Ansätze wie das Recycling, Upcyclingoder Cradle-to-Cradle (von der Wiege zur Wiege) einewichtige Rolle, denn die eingesetzten Ressourcen vomRohmaterial über die vielen beteiligten Hände, sowie diezur Produktion nötigen Energie- und Wassermengen müs-sen so effizient wie möglich eingesetzt und wiedergewon-nen werden. Vorstellbar sind sowohl sehr kurze Kreisläufe, als auchlängere technische Kreisläufe, wie sie heutzutage schonsehr erfolgreich im Bereich der synthetischen Faser.

Für Holz gibt es das FSC-Siegel, für Nahrungsmittel das Bio-Siegel. Was gibt es in der Mode?

Gilgenmann: Eines der vorbildlichsten und die gesamteLieferketten erfassenden ist GOTS (global organic textilestandard). Es gilt allerdings nur für Naturfasern wieBaumwolle, Leinen, Hanf oder auch Wolle.

Im Recycling-Bereich gibt es den GRS (global recyclingstandard), der sich bisher aber primär auf die Fasern undStoffe und nicht auf die gesamte Lieferkette bezieht underst recht nicht auf das Upcycling. Im Bekleidungsbereichist eine Mitgliedschaft bei der Wear Foundation ein gutesSignal, aber dies ist kein Zertifikat.

Zudem gibt es Fairtrade Cotton, das dem Konsument dieSicherheit gibt, dass zumindest am Anfang der Lieferketteder Baumwollbauer fair entlohnt wurde. Leider gibt es keinallumfassendes Zertifikat — ganz im Gegenteil, es hat sichein wahrer Dschungel an firmeneigenen Zertifikaten undSiegeln entwickelt, die den Endverbraucher eher verwir-ren. Um mit einem besseren Gewissen Kleidung einzukau-fen kommt man nicht umher, das jeweilige Modelabeletwas genauer anzuschauen. Getchanged.net ist eineOnline-Plattform, die bestrebt ist, Marken auf ihrNachhaltigkeitsniveau zu überprüfen.

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Von den Karma Chakhs wird es eine limitierte Auflage von maximal 500 Paaren geben. Ich habe weder vor, eine Firma, noch einen Handel zu betrei-ben. Manche kritisieren das als unnachhaltig, weil langfristig die Fabrikarbeiterinnen auch nichts von diesem vermeintlichen „Aktionismus“ haben. Wie siehst Du das?

Gilgenmann: Du gibst eine Möglichkeit und einen Weg vor.Ich kann das Argument der Unnachhaltigkeit wegen derEinmaligkeit deines Engagements verstehen, aber es sollja ein Zeichen setzen und eben Möglichkeiten, die wir allehaben, aufzeigen. Wenn das funktioniert und andere dieseGedanken aufnehmen, weitertragen, diskutieren unddadurch Folgeprojekte entstehen, dann ist das wesentlichmehr, als die meisten Konsumenten bisher tun.

Ist Fair Trade eine echte Alternative? Fair Trade heisst ja nicht gemeinnützig. Und solange profitori-entierte Schuhproduzenten auch 1000 Schuhe ver-kaufen könnten statt 100, werden sie alles tun, um das auch umzusetzen, oder?

Gilgenmann: Auch fairer Handel muss erstmal gut organi-siert werden. Profitorientierung halte ich nicht für dasProblem, sondern Gewinnmaximierung und die Zwänge,die dadurch insbesondere bei börsennotierten Unterneh-men entstehen. Solange die Billigspirale weitergedrehtwird, bleibt es schwierig.

Leder, Lammwolle, Fell – muss man das boykottie-ren, wenn man guten Gewissens modisch sein will?

Gilgenmann: Aus meiner Sicht sollten wir alle tierischenBeiprodukte so gut wie möglich nutzen— zumindest solan-ge die Tiere ihres Fleisches wegen geschlachtet werden.

Das heißt, Pelz ist ethisch okay? Woolrich, die eine 800 Euro Daunenjacke verkaufen (ein Verkaufsschlager!!!) argumentieren, dass sie „road-killed“ Kojotenfelle aus Kanada benutzen. Kojoten

sollen eine Plage sein und deshalb könne man die Jacke ohne schlechtes Gewissen tragen. Siehst Du das auch so?

Gilgenmann: Was ethisch-moralisch vertretbar ist, kannnur jeder für sich selber beurteilen. Ich persönlich habekein Problem damit, Omis alten Pelz weiterzunutzen. Roadkilled Kojotenfell würde mir auch erstmal nichts aus-machen, aber bei Fellen oder Leder, die nicht von Fischenoder Säugetieren stammen, muss man besonders kritischhinsehen. Einerseits würde ich mir immer die Frage stel-len, wie sicher es ist, dass das entsprechende Tier nichtnur wegen des Felles und Leders getötet wurde und ande-rerseits sollte man sich bewusst machen, dass man natür-lich irgendwie auch Werbung läuft für das Tragen vonFellen.

Ich werde in Pakistan (Nähfabrik), Indien (Bio-Baumwolle) und Sri Lanka (Kautschuk) die Produktion der Karma Chakhs dokumentieren. Worauf sollte ich achten?

Gilgenmann: Nichts verschweigen, auch wenn es unange-nehm scheint. Bei Bio-Baumwolle macht es Sinn, entspre-chende Zertifikate (GOTS, OE) zu verlangen, um zumin-dest sicher zu gehen, dass Teile der Lieferkette dokumen-tiert und entsprechend der Richtlinien für kontrolliert-bio-logischen Anbau eingehalten wurden.

Mit Kautschuk kenne ich mich nicht aus. Die Konfektion inPakistan solltest Du Dir selber gemeinsam mit mindestenseinem erfahrenen und seriösen Partner anschauen undauch dort auf die Mindeststandards entsprechend derILO-Richtlinien achten.

Was kann jeder einzelne von uns Konsumenten tun, um einen Beitrag zu leisten für eine Welt mit weni-ger Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur?

Gilgenmann: Immer schön eine Runde Denken bevorgehandelt, gekauft und im Zweifelsfall zerstört wird!

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BilanzEinnahmen: 33.658 Euro von 417 startnext-Supportern+ 900 Euro private Einlage von Le-Mentzel

Wie wurde das Geld eingesetzt?

Schuhproduktion11.200 Euro / Werkzeug für Sohle / Iftihar Mould Maker(inkl. DB für Talon Sports)4.200 Euro / Schuhproduktion / Talon Sports* (inkl. HoranaPlantations, Padeniya Society, Rajlakshmi Cotton Mills)770 Euro / Schuhkarton inkl. Verpacken / Talon Sports2.100 Euro / Logistik in Asien / Global Airseas714 Euro / Zoll / Zollamt Deutschland2.950 Euro / Versand in Deutschland / DHL

* Inbegriffen sind Fair Trade Prämien:50 Cent/Kg Kautschuk an die Kooperativen Horana undPadeniya (= ca. 63 Euro)770 Euro an Talon Welfare Society

Ausgaben in Deutschland700 Euro / Spesen / Karma-Chakhs Treffen in Berlin u.a.14. 3.600 Euro / Deckungsbeitrag 1 / FairDealTrading (inkl.200 Euro FLO Lizenz)1.000 Euro / Druck Karma-Chakhs Buch / sprintoutCopyshop Berlin

Dokumentationsreise (14 Tage) nach Sri Lanka, Indien, Pakistan

3.800 Euro / Flugtickets (Emirates, Etihad, AirBerlin) für 2Pers (Le-Mentzel, Harms) / Gilly Reisebüro1.400 Euro / Übernachtung und Spesen / Oberoi Hotel(Indien), Lavinia Hotel (Sri Lanka), Hotel Pearl Lahore,Hotel Javson Sialkot (Pakistan) u.a. und diverseRestaurants

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430 Euro / Visa für 2 Pers (Le-Mentzel, Harms) / Cox &Kings, Merkur Reisen, ETA-Behörde Sri Lanka

Gebühren1.500 Euro / Spende / startnext.de200 Euro / Lizenzgebühr / Fairtrade Label Organisation(FLO)

Gemeinwohlbilanz: ca. 900 Punkte (von 1.000)Die Gemeinwohlbilanz berücksichtigt – anders als her-kömmliche betriebwirtschaftliche Bilanzen – auch die ethi-sche Qualität der Handelsbeziehungen gegenüber Liefer-antInnen, GeldgeberInnen, Kunden und Umwelt. Negativ-Kriterien schmälern die Bilanz (Arbeitsrechtsver-letzung, Kinderarbeit, Steuerbetrug, Dumpingpreise u.a.).

Mehr über diese neue Form von Bilanzierung:www.gemeinwohl-oekonomie.org

Interview with Marc Solterbeck, CEO of Fair Deal Trading (Ethletic)

Welche Erfahrungen hat Fair Deal Trading mit der Produktion von Fair Trade Produkten?

Solterbeck: We deal exclusively with products from fairsupply chains. I personally see more sense in investingtime and work into projects that are not purely materiallyoriented but also have some non-material values.

Wie war es für Dich, als Du zum ersten Mal bei den Zulieferfirmen reingeschaut hast in Sri Lanka, Pakistan und Indien?

Solterbeck: It was very interesting to see work in processin these different cultures. Unfortunately, the deficits ofsmall companies – which repeatedly turn out to be obsta-cles in world wide tradeing – became obvious, too. Forexample: Quality systems or lack of infrastructure (work-ing outdoors).

„Neue Standards setzen“

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Frage aus der Crowd: Wie finden denn die ArbeiterInnen und UnternehmerInnen unsere west-lichen Umtriebe? Gibt es auch vor Ort das Be-streben, die Produktionsmethoden zu hinterfragen?

Solterbeck: Leider sind die Umstände vor Ort meist so,dass die Arbeiterinnen und Arbeiter froh sind einenArbeitsplatz zu haben. An dieser Stelle wird nichts vonden Betroffenen hinterfragt. Im Management sieht dasschon anders aus.

Hier weiß man genau wie die Arbeitsverhältnisse in Europasind, und orientiert sich daran, weil es auch Auswirkungenauf die Produktivität hat, das Arbeitsumfeld sozial zugestalten. Aber Vorsicht: Das sind die Eindrücke die ichvon unseren Kooperationsbetrieben habe. Diese sind bes-timmt nicht repräsentativ für alle Betriebe.

Wieviel zahlt Ihr denn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Solterbeck: Wir zahlen an die Mitarbeiter direkt nichts. Wirsorgen dafür, dass Mitarbeiter unserer Firmen sich in sogenannten Welfare Societies organisieren. Diese WelfareSocieties (WS) bekommen von uns für jede aus demBetrieb abgerufenen Lieferung 15% des Warenwertes aufihr eigenes Konto überwiesen. WS's entscheiden danngemeinsam und unabhängig von dem Unternehmen,wofür das Geld verwendet werden soll.

In der Fabrik, wo die Karma Chakhs hergestellt werden,bezahlt die WS von den Prämien eine zusätzlicheKrankenkasse für die Mitarbeiter, ohne die eine medizinis-che Versorgung in Pakistan nicht möglich wäre. Oder siebetreiben von den Prämien einen kleinen Supermarkt aufdem Firmengelände, in dem die Mitarbeiter zu günstigerenKonditionen einkaufen können. Auch werden Mikrokredite vergeben für Mitarbeiter, diesich mit einem Geschäft selbstständig machen wollen.

Zahlen eure Partnerfirmen denn den gesetzlichen Mindestlohn?

Solterbeck: Das wird regelmäßig von den Auditoren derOrganisationen FLO und GOTS überprüft. Wenn das nichtgewährleistet ist, wird das Siegel sofort entzogen. Aberauch wir kontrollieren das vor Ort, indem wir uns dieLohnabrechnungen von einzelnen Mitarbeitern zeigenlassen und sie persönlich befragen.

Frage aus der Crowd: Worin unterscheiden sich die Karma Chakhs und der Ethletic?

Solterbeck: Van Bo wird für seine Sneaker eine extra Sohlebekommen, für die extra neue Werkzeuge angefertigt wer-den. Ausserdem wird Van Bo eure Schuhe noch mit eureneigenen Ideen verschönern.

In Zulieferfabriken ist es immer wieder zu Bränden gekommen, bei denen Menschen grausam ums Leben gekommen sind. Ursache waren verstellte Brandschutztüren durch Waren. Ganz ehrlich: Kannst Du aus Europa heraus kontrollieren, inwiefern Brandschutztüren verstellt werden?

Solterbeck: Nein, das können wir nicht. Was wir abermachen können, ist vor Ort Hinweise darauf zu geben, wieman die Arbeitsplätze effektiver gestaltet und im Zugedieser Veränderungen dann Platz für Fluchtwege schafft.

Ein Menschenrechtler aus Malaysia hat in Berlin darüber referiert, dass in den Zulieferfirmen der Produktionsdruck das größte Problem sei. Die Firmen müssten innerhalb kurzer Zeit ein Vielfaches ihrer normalen Produktivität schlagartig erhöhen (Weihnachten oder wenn ein neues Produkt gelauncht wird). Bei den Karma Chakhs ist es so, dass wir den Firmen fast ein halbes Jahr Zeit geben, um knapp 500 Stück herzustellen. Ist es ein Problem, dass wir in den Wohlstandsnationen zu ungeduldig sind?

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Solterbeck: Das halbe Jahr, das wir benötigen, ist vielmehrdem Umstand geschuldet, dass neue Werkzeuge für dieSohlen angefertigt werden müssen. Das allein dauert etwadrei Monate. Der Transport wird noch einmal rund fünfWochen in Anspruch nehmen. Das heißt, dass die Netto-Zeit zur Produktion nur drei Wochen beträgt und das beieiner Tageskapazität von etwa 270 Schuhen pro Tag.

Also, unter Stress wird hier niemand gesetzt. Was denProduktionsdruck durch den westlichen Konsum angeht,möchte ich nicht für andere sprechen. Wir zumindest ver-suchen keine Überkapazitäten aufzubauen, die dann dazuführen, dass die Produktionsvorgaben nicht zu schaffensind.

Du warst jahrelang beruflich erfolgreich als Firmenchef einer Industriefirma, die Autohersteller mit Einzelteilen beliefert hat. Da hast Du gut verdi-ent. Warum bist Du freiwillig in eine Branche gewechselt, wo Du nur einen Bruchteil verdienst?

Solterbeck: Darauf kann ich Dir eine eindeutige Antwortgeben. Mir machen die Menschen, mit denen ich zu tunhabe mehr Freude. Das gilt für die Menschen hier, wieauch im Ausland.

Welche Vision verfolgst Du mit Fair Deal Trading?Solterbeck: Es wäre schön, wenn ich mit vielen anderenMenschen neue Standards setzen könnte.

Ein Prosument ist ein Konsument, der Produzent seinmöchte, weil ihn die Angebote auf dem Markt moralischnicht zufrieden stellen.

Prosumieren ist der nächste Schritt des „Do it yourself“.Bei den meisten Gütern – wie auch bei einem Turnschuh– ist die Produktion so komplex, dass die Nähmaschineund das heimische Werkzeug zur Eigenproduktion nichtausreichen. Es geht also weniger um das Design desProduktes, sondern eher um das Design der Lieferkette.Dafür braucht es zumeist viel Geld und die Unterstützungvieler Menschen, also einer Crowd. Deshalb nenne ich esCrowduction.

Hier erfährst Du, wie Du in sieben Schritten Prosument derKarma Chakhs wirst. Meine Vision ist es, dass dieMenschen irgendwann den Schritt gehen und diesesWissen auf alle denkbaren Güter ausweiten, auf Nahrung,auf Wohnraum, auf Bildung und vieles mehr. Ja, es ist

Werde Prosument in sieben Schritten

Page 24: Karmachackhs protocol

komfortabler bei Amazon Schuhe zu bestellen.Prosumieren macht jedoch nicht nur viel Spaß, ich lerneviel dazu, interessante Menschen kennen, und bekommeviel Anerkennung – und am Ende wird sogar ein Schuhdaraus. Wenn also Dein Lieblingsprodukt böses Karmahat aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Kinder-arbeit oder Umweltverschmutzung, dann werde Prosument!

1. Recherchiere nach Lieferanten.Informiere Dich im Internet, welche Lieferanten DeinLieblingsprodukt herstellen können. In dieser Online-Listehabe ich angefangen Lieferanten zusammen zu tragen:www.titanpad.com/suppliers

2. Schließe Dich einem Netzwerk an.In jedem Netzwerk gibt es Vertrauenspersonen, die dirgerne weiterhelfen. In Deutschland ist meinAnsprechpartner für Turnschuhe Marc Solterbeck vonFairDealTrading. Nimm Kontakt auf und erzähl, was Duvorhast.

3. Check die Mindestbestellmenge.Bei der indischen Bio-Baumwollfirma Rajlakshmi CottonMills beispielsweise gibt es Mindestmengen für Jersey(500 Kg = ca. 1.200 Pullover oder 2.500 T-Shirts = ca. 7 bis9,50 Euro/Stück), Canvas Stoff (ab 2.000 Meter) oder beiTalon Sports Pakistan (500 Paar Turnschuhe = ca. 60Euro/Paar). Das heisst: Du brauchst 500 Koproduzenten,die je 60 Euro in den Topf werfen.

4. Starte eine Crowdfunding-Kampagne.Auf startnext.de kannst Du ein Video hochladen, umKoproduzenten zu finden. Tipp: Je ausgefallener DeinProdukt, umso schwieriger ist es Koproduzenten zu fin-den. Wenn Du bei bekannten Produkten bleibst, mit gän-gigen Farben und Designs (Chucks in blau oder weissohne Schnickschnack) ist die Chance größer, dass sich inzwei Monaten ausreichend Koproduzenten finden. Auch

Crowduction-tauglich: Basic Shirts, Kapuzenpullis,Unterwäsche, Kungfu Schuhe, Flip-Flops, Jute-Beutel.Check die Produkte-Liste der Lieferanten. Frag bei startnext.de nach einem Crowd Building Coach.Auch ich helfe Dir gerne!

5. Orientiere Dich am Marktpreis.Die Converse kosten 69,90 Euro, da ich keine Marge fürmich brauche, muss ich nicht teurer werden. Wichtig: Gehnicht runter! Mach kein Dumping! Überschüssiges Geldsteckst Du in gemeinnützige Projekte. Wenn Du armenMenschen helfen willst, biete Karma-Deals an, wo sie füreine Gegenleistung den Schuh ohne Geld haben können.Diese Karma-Deals refinanzierst Du durch limitierteSpecial Editions (siehe meine Green Edition mit handge-zeichneten Badges).

6. Beziehe deine Crowd mit ein.Du kannst Deinen Schuh auch Karma Chakhs nennen,musst Du aber nicht. Ich erhebe kein Copyright, weil ichan Creative Commons glaube. Ursprünglich wollte ich dieSchuhe Karma Chucks nennen, aber die Crowd hat mar-kenrechtliche Einwände gehabt. Jetzt heißen sie KarmaChakhs (auf punjabi bedeutet Karma: erhebe Dich) undhaben eine grüne Sohle mit einem Design aus der Crowd.Gib der Crowd Möglichkeiten, sich einzubringen, zumBeispiel bei Gestaltung, Dokumentation, Organisationoder beim Verpacken der Schuhe (Packaging Party!).

7. Hab' keine Angst vorm Scheitern.Vordergründig geht es um den Schuh, eigentlich jedochgeht es um vielmehr. Wenn der Schuh nicht so wird wiegeplant, bleib cool. Halte die Augen auf für Türen, die sichDir im Verlaufe der Crowduction öffnen. Das könnenKontakte, Ideen, Freundschaften oder einfach nurMomente mit gutem Karma sein. Als Prosumenten sindwir alle Pioniere auf völlig neuem Terrain. Und wer dreiSchritte nach vorn geht, darf auch mal zwei nach hinten.

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Frage aus der Crowd: Wir lassen die Karma Chakhs ja nicht produzieren, um Gewinne zu machen, sondern für den Eigenbedarf. Ist das nicht entscheidend?

Raban: Etwas Zuhause für sich selbst zu basteln, wäre imGrunde unproblematisch. Doch durch das Crowd-Phänomen entstehen größere Strukturen, die bald etwasganz anderes sind als „alleine Zuhause etwas basteln“.Was das juristisch bedeutet? Es wäre ein tolles Thema füreinen juristischen Fachaufsatz. Spätestens aber, wenn dieSchuhe weiter verbreitet und beworben werden, wird esmarkenrechtlich relevant.

Frage aus der Crowd: Prosumer wie van Bo vermi-schen die Rollen von aktivem Produzenten und passivem Konsumenten. Welche Rechtslage finden Prosumer in Deutschland vor, die Ihnen ihr Prosumertum überhaupt ermöglicht?

Raban: Laut Artikel zwei, Absatz eins im Grundgesetz giltallgemeine Handlungsfreiheit: Jeder darf zunächst maltun, wonach ihm ist. Man darf organisieren und zusammenarbeiten, bestellen und vertreiben – solange man keineRechte anderer verletzt. Dazu gehören etwa Marken-,Urheber-, Geschmacks- und Gebrauchsmusterrechte undPatente. Bei alldem muss es meiner Meinung nach aberauch möglich sein, sich kritisch mit Produktionsbeding-ungen und anderen Themen mit gesellschaftlicherRelevanz zu befassen. Das Besondere an diesem Projektist ja, dass es sich vor allem um einen Aufruf und eineAnleitung handelt, unfaire Produktionsbedingungen nichtmehr hinzunehmen und statt dessen Alternativen zu entwik-keln. Dieser Umstand spielt juristisch eine wichtige Rolle!

Van Bo: Ich möchte Konsumenten animieren, Produkte selbst herstellen zu lassen, wenn sie der Meinung sind, die Hersteller verletzen Menschenrechte. In Zukunft könnten wir doch selbst bei dem Apple-Zulieferer Foxconn anklopfen und iPhones in Auftrag geben. Oder gibt es da juri-

Der Comiczeichner und Hip Hop-Fan Raban von Buttlarbedient sich recht unkonventioneller Methoden, um juristi-sche Inhalte zu vermitteln. Mal kommen Reime zumEinsatz, mal Spiele-Apps. Unter Jurastudenten ist seinRap „Vertrauen, Vertrag, Gesetz“ bereits zum Klassikeravanciert. Mit Van Bo und Mitgliedern der Crowd disku-tierte er über die Grenzen des Markenrechts und möglicheProbleme mit den Karma Chakhs.

Van Bo: Warum hat uns Nike bis jetzt noch nicht angezeigt?

Raban: Es ist ja nicht so, dass Ihr containerweise schlechtgefälschter Nike-Schuhe einschleust. Das wäre der klassi-sche Fall. Euer Schuh schafft eine in vielerlei Hinsichtneue juristische Situation.

Vielleicht prüfen die Nike-Juristen gerade, ob sie bei einerKlage überhaupt Recht bekämen. Vielleicht befürchten sieeinen Shitstorm – wer weiß?

„Der Imageschaden für Nike wäre enorm“

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stisch gesehen ein Problem? Verletze ich ein Markenrecht, wenn ich mir selbst einen Rolls-Royce oder eine Rolex baue?

Raban: Ich vermute, dass große Konzerne jede Schraubeals Gebrauchsmuster oder Patent schützen und zudemmit ihren Zulieferern Exklusivverträge abschließen. Wo esdie nicht gibt, also bei Standardteilen, die jeder Herstellerbenötigt, kann sich aber jeder beliefern lassen und darausfür den Heimgebrauch bauen, was er will.

Marc Solterbeck (Fair Deal Trading): Und was kann man sich an einem Schuh aus Stoff und einer Gummisohle schützen lassen?

Raban: Bestimmte Gestaltungsmerkmale, durch dieAnmeldung so genannter Geschmacksmuster. Das jeweilige Gestaltungsmerkmal muss allerdings zumZeitpunkt der Anmeldung oder der erstmaligenVeröffentlichung neu sein, und es muss über ein Minimuman Eigenart verfügen, an Individualität. Wer jetzt also aufdie Idee käme, das Design des Rollkragenpullover anzu-melden, hätte keine Chance.

Van Bo: Markenanwalt Ralf Höcker behauptete in derFinancial Times Deutschland, dass wir Markenrechte verletzt hätten. Siehst Du das auch so?

Raban: Ich sage es mal so: Das Ausnutzen derBekanntheit einer Marke kann gerechtfertigt sein, alsogebilligt von der Rechtsordnung, wenn durch sieGrundrechte gelebt werden, wie etwa die Meinungs- oderKunstfreiheit. Wenn ein Gericht das so sieht, dann führteine Verletzung des Markenrechts nicht zuSchadensersatzansprüchen.

Van Bo: Im Grundgesetz heißt es in Artikel 14 „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Meist wer-den Patente und Markenrechte jedoch dazu benutzt, um Marktanteile für einige wenige zu

sichern. Inwiefern dient das Eigentum von Marken und Patenten dem Allgemeinwohl?

Raban: Also zunächst sollen die Patent- undMarkenrechte ganz klar die Marktanteile ihrer Inhaber,also der Anmelder sichern. Das halte ich für legitim. Wie das jetzt dem Allgemeinwohldient? Mittelbar würde ich sagen: Eine Marke wächst,schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern. Aber leider schließtdieses „Allgemeinwohl“ nur Menschen in Deutschland ein,keine Arbeiter, die in asiatischen Sweatshops schuften.

Van Bo: Was würdest Du Nike raten? Ergibt sich in diesem Karma Chakhs Projekt nicht auch eine Chance, Markenmanagement auf eine völlig neue Art und Weise zu denken?

Raban: Absolut! Nike sollte wissen: Seine Kunden habeneigentlich alles, was sie brauchen und hätten dazu gernein reines Gewissen. Von daher würde ich demUnternehmen dringend von einer juristischenAuseinandersetzung abraten – der Imageschaden wäreenorm! Und selbst wenn Nike zunächst Recht bekäme: Ichkann mir gut vorstellen, dass dieser spannende Fall durchdie Instanzen bis zum Bundesgerichtshof oder sogar zumBundesverfassungsgericht wandern könnte.

Diese Gerichte haben vergleichbare Konflikte zwischenden Interessen von Markeninhabern und den Kritikern die-ser Unternehmen wiederholt zu Gunsten der Kunst- undMeinungsfreiheit entschieden. Spätestens vor demBundesverfassungsgericht würde die Meinungsfreiheit imSinne einer kritischen Auseinandersetzung mitProduktionsbedingungen obsiegen.

Bis vors Bundesverfassungsgericht zu kommen dauertzwar Jahre und kostet jede Menge Geld – aber auch dazukann Crowdfunding beitragen.

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Betriebswirte sprechen vom Wertschöpfen, wir sprechenvom Wertschaffen, weil die meisten unserer Lieferantenaufgrund ihrer Fairtrade oder Nonprofit-Ausrichtung Werteschaffen statt aus Werten anderer zu schöpfen: Sie küm-mern sich um die Bedürfnisse ihrer MitarbeiterInnen undderen Familien und gründen spezielle Schulen, die Kindervon der Straße holen, bauen Anlagen für Wasser, Toilettenund Biogas, Nahversorgungs-Kioske, Brücken,Mikrokredit-Programme (meist zinslos) und finanzierenmedizinische Unterstützungen.

Sie wollen Pestizide auf den Baumwollfeldern abschaffen,damit die Bauern nicht an Asthma erkranken. Wir haben

ein 12 jähriges Mädchen in Sialkot (Pakistan) besucht, dasan Leukämie erkrankte und nun dank einer Spende ope-riert werden konnte. Sie träumt davon Kinderärztin zu wer-den, um anderen Kindern das Leid zu ersparen, das ihrzuteil wurde.

Es geht nicht um Güter, sondern um Güte. Der Handel istlediglich Mittel, um handlungsfähig zu sein.

Wer die Sozialarbeiterinnen in Sialkot unterstützen will, dieKinderarbeit zu bekämpfen, kontaktiert ProjektmanagerIjaz Ahmed von Child & Social Development Organization:[email protected]

Die Wertschaffenden hinter den Karma Chakhs

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Ist Ihr Unternehmen in solche Projekte eingebunden?Jaipura: Ja, wir haben eine 8 km lange Pipeline verlegt, umWasser von einem Brunnen zu einem kleinen Dorf zubefördern. Heute haben wir regelmäßig Meetings mit denBauern und sie kommen zu uns, um die Fabrik zu besu-chen. Unser Unternehmen gehört zum Teil ihnen, zehnProzent der Teilhaber sind Bauern.

Und das sind nicht die einzigen Vorzüge ihres Unternehmens.

Jaipura: Stimmt. Wir haben regelmäßig Meetings mit denBauern und sie kommen zu uns, um die Fabrik zu besu-chen. Unser Unternehmen gehört zum Teil ihnen, zehnProzent der Teilhaber sind Bauern. Unser Unternehmen istdas einzige, welches den Bauern solche Rechte gewährt.Wir nennen das Fairtrade-Premium.

Zum Beispiel zahlen die USA einen Zuschlag auf deneigentlichen Preis der Ware, der dann direkt an die Bauerngeht. Somit können diese das Geld in angemessener Artund Weise investieren und Schulen oder Regenwasser-Lager bauen. Leider gibt es Beschränkungen. Wir könnennur unseren eigenen Angestellten helfen, selbst wenn wirmehr für andere Bauern tun würden. Aber es macht mich sehr Stolz, sagen zu können, dass esuns möglich ist, Einrichtungen für die Gesundheit unsererArbeiter und Medizin-Checks anzubieten. Das ist imVergleich zu anderen Non-Fairtrade-Unternehmen ein gro-ßer sozialer Pluspunkt.

Verstehen die Bauern, warum Sie von ihnen verlan-gen, dass sie biologisch anbauen?

Jaipura: Natürlich tun sie das, es geht ja um ihr eigenesWohl. Sie wissen, dass sie, wenn sie sich an das Konzeptvom biologischen Anbau halten, keinen giftigenChemikalien und Pestiziden ausgesetzt sind. In anderenFarmen haben wie von verschiedenen Arten vonHauterkrankungen gehört. Menschen haben sogar ihre

Mister Jaipura ist Geschäftsführer in zweiter Generationvon Rajlakshmi Cotton Mills. Wir trafen ihn zu einemSpaziergang am Ufer des Ganges.

Wasser scheint einen großen Stellenwert hier in Indien zu haben.

Jaipura: Das hat es sicherlich. Bei den Bauern sorgt es fürdie Ernte und somit für Nahrung für jeden. Allerdings sinddie Menschen in manchen Teilen Indiens sehr abhängigvom Ganges, da der Monsun dort nicht sehr ausgeprägt ist.

Was können wir tun um diesen Bauern zu helfen?Jaipura: Wir brauchen Lagerräume. Es ist sehr wichtig denBauern zu zeigen, wie man Regenwasser sammelt. Wirkönnen es uns nicht leisten, auch nur einen Tropfen davonzu verlieren. Wenn es uns möglich wäre diesesRegenwasser zu sammeln, ist es möglich es das ganzeJahr über zu verwenden. Das wäre eine Vorsorge gegenHunger und finanzielle Schäden.

„Die Produktion ist keine Frage des Tempos“

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Stimme verloren, da sie Pestizide eingeatmet haben. Es istein trauriger Fakt, dass bei nicht-biologischen Anbauartenein großes Defizit an Schutz vorhanden ist. Bauern habenkeine Schutzkleidung, was bedeutet, dass sie in direktenKontakt mit den gefährlichen Chemikalien kommen. Auf unserer Farm ist das allerdings anders: KeinePestizide gleich keine Schädigung unserer Angestellten.

Ist es für die Bauern einfacher mit biologische oder nicht-biologisch angebauter Baumwolle Geld zu machen? Wenn jeder die Vorteile beim Umgang mit biologischen Systemen kennen würde, würde es jeder tun. Aber anscheinend gibt es nur wenige Unternehmen die auf biologischen Anbau setzen.

Jaipura: Leider sind die Vorteile nicht weit genug verbrei-tet. Wir versuchen Bauern weiterzubilden, indem wir ihnenAlternativen zu konventionellen Pestiziden und syntheti-schem Dünger geben. Jeder sollte Zugang zu Düngerhaben, welcher die Produktion und die Qualität derBaumwolle verbessert, ohne dabei ernsthafte Schädenauszulösen. Die Leute müssen wissen, dass dies möglichist, indem man biologischen Guidelines folgt.

Das Benutzen von Kompost und Dung muss zurGewohnheit werden, wenn man einen ernstzunehmendenUmschwung erreichen will. Es gibt sogar organischeDünger, die statt der künstlichen verwendet werden kön-nen. Das muss den Bauern nur beigebracht werden.

Könnte die Massenproduktion von Baumwolle das Problem sein?

Jaipura: Wenn man auf biologische Art und Weise produ-ziert, geht alles ein wenig langsamer. Ich denke allerdings,es ist keine Frage des Tempos, da Ausbildung undGesundheit entscheidend sein müssen. Die Bauern müs-sen einsehen, dass biologische Landwirtschaft gut für sieist. Sowohl aus finanziellen, als auch aus gesundheitlichenGründen. Der beste Weg für sie dies zu lernen ist, andere

biologische Farmen anschauen zu können und zu bemer-ken, wie groß der Vorteil ist, den diese Methode bringt.

Was ist das Beste an deinem Job? Warum denkst du, dass du einen guten Beruf hast?

Jaipura: Ich denke, das Beste an meinem Unternehmenist, dass es so viele Arbeitsplätze in der Region geschaf-fen hat. Die Textilindustrie ist so essentiell für Indien undes ist eine solche Genugtuung zu sehen, dass wenigstens1000 Familien ernährt und betreut werden und dass sie diemedizinische Versorgung bekommen, die sie brauchen. Esist eine tägliche Motivation, zu sehen wie der Aufwandeines jeden bewirkt, dass Kinder in die Schule gehen kön-nen und viele Leben verbessert werden können.

Transkribiert von Dario Pugner und Luise SanderAus dem Englischen von Max Walkowiak

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Qaiser Iqbal ist CEO von Talon Sports. Er engagiert sichgegen Kinderarbeit und versteht viele Eltern nicht.

Wie sind sie zu ihrem Engagement gekommen?Kinderarbeit ist ein großes Problem in der Dritten Welt. Wirlieben unsere Kinder. Wir alle wollen, dass unsere Kinderzur Schule gehen, aber aus vielen verschieden Gründenmachen viele Eltern das nicht. Wir haben eine sozial sehr aktive Gemeinschaft in Sialkotund eine sehr aktive Handelskammer, die sozialeProbleme sehr ernst nimmt. Wir haben dann entschieden,dass wir in diesem Programm eine aktive Rolle einnehmenmüssen. Um das zu erreichen, sollte sich die ganzeGemeinschaft in der Handelskammer engagieren. DiesesJahr bin ich der Vorsitzende des Komitees.

Schulen sind ebenso wie Bücher kostenfrei. Warum lassen manche Eltern ihre Kinder dennoch nicht in die Schule?

„Wir betrachten unsere Arbeiter alsFamilienmitglieder“

Iqbal: Das Problem ist die Einstellung. Wenn der Vateroder die Mutter ungebildet sind, werden sie Bildung nichtfür so wichtig halten, wie sie ist. Das ist der schwierigsteTeil. Wir müssen die Eltern in erster Linie davon überzeugen,den Schritt zu gehen und die Kinder in die Schule zu schik-ken. Öffentliche Schulen in Pakistan sind gebührenfrei.

Sie haben rund 600 Beschäftigte. Schicken diese ihre Kinder in die Schule?

Iqbal: Wir haben in der Firma ein Programm, dass unsereArbeiter dazu ermutigt. Ich glaube nicht, dass es da eingrößeres Problem gibt. Es gibt verschiedene Programme,in denen wir unsere Angestellten fortbilden und unterstüt-zen. Unsere Personalabteilung führt Aufzeichnungen. Diemeisten unserer Arbeiter und deren Kinder können vonunseren Programmen profitieren – sie bieten nicht nurGrundbildung, sondern auch höhere Bildung.

Was wünschen Sie sich für Ihre drei Töchter?Iqbal: Ich wünsche mir, dass meine eigenen Kinder gebil-det sind, nicht nur für Geschäft und Beruf, sondern für ihreeigene Persönlichkeitsentwicklung.

Wollen Sie nicht, dass sie irgendwann Ihr Geschäft übernehmen?

Iqbal: Das überlasse ich ganz ihnen. Ich werde sie nichtdanach fragen oder sie zu überreden versuchen. Wenn sieerwachsen sind, werden sie sich ihre eigenen Gedankenmachen. Persönlich würde ich mich natürlich freuen, wennsie eines Tages ins Geschäft einsteigen und wir esgemeinsam voran bringen.

Warum ist Fairtrade für Sie und Ihr Geschäft inter-essant? Sie produzieren Schuhe, Box-Ausstattung und Fußballschuhe.

Iqbal: Wir betrachten unsere Arbeiter alsFamilienmitglieder. Viele begleiten uns seit sehr langerZeit. Einige von Beginn an, seit 25 Jahren.

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Sie sagten einmal, dass sie das Problem der Kinderarbeit nicht dadurch lösen könnten, keine Kinder zu beschäftigen. Ihr Konzept ist es, Ihre Arbeiter gut genug zu bezahlen, damit diese ihre Kinder nicht arbeiten schicken müssen.

Iqbal: Das ist der Urspung der Idee von Fairtrade. Es gibtMindestlöhne in Pakistan für Facharbeiter und Arbeiterohne Ausbildung. Natürlich zahlen wir den Mindestlohn.

Normalerweise haben die Menschen in Pakistan durch-schnittlich drei oder vier Kinder und der Mindestlohn istnicht allzu hoch, weshalb viele Eltern über ihre Kinder ver-suchen, weitere Einnahmen zu erzielen. Wenn Sie nunKindern, die ihren Eltern beim Nähen von Fußbällen hel-fen, die Arbeit wegnehmen, verliert die Familie das Geld.

Also muss man sicherstellen, dass die Familie genug Geldfür ein gutes Leben hat und die Kinder zur Schule schik-ken kann. Hier kommt die Idee des Fairtrade-Premiumher. Wenn unsere Arbeiter Fair Trade Projekte machen,bekommen sie sofort einen Bonus von 15 Prozent. Siekönnen jeden Arbeiter fragen: sie lieben es und würdenam liebsten nichts anderes machen als Fairtrade-Projekte.

Ihre Arbeiter wirken entspannt. Liegt das daran, dass sie nach Ergebnis und nicht nach Stunden bezahlt werden?

Iqbal: Ich nehme es an. Wir haben in unserer Firma zweiBezahlsysteme: Einige bekommen ihren Lohn nachStunden abgerechnet, die andere Gruppe bekommt ihrGeld nach fertiggestellten Produkten.

Wenn jemand nur fünf Schuhe machen will, dann macht erdas so und bekommt das Geld dafür. Wir legen Wert dar-auf, unsere Arbeiter wie Menschen zu behandeln undnicht wie Maschinen. Normalerweise arbeiten sie achtStunden, es gibt eine einstündige Mittagspause nach vierStunden und ein paar dazwischen, zum Beispiel zum Beten.

Gibt es etwas, dass Sie oder Ihre Angestellten den Leuten in Deutschland sagen wollen?

Iqbal: Ja. Als Menschen teilen wir alle die gemeinsamenWerte einer zivilisierten Gesellschaft, unabhängig ob manaus Pakistan oder aus Europa kommt. Da heißt, dass wiralle in unseren Rechten und unserer Würde gleich sind.

Und nur weil die Leute hier eure Schuhe produzieren,macht sie das nicht weniger wert.

Transkribiert von Dario PugnerAus dem Englischen von Fabian Becker

Page 32: Karmachackhs protocol

in Sri Lanka begann, war der Beitritt zum Fairtrade-Netzwerk kostenlos. Heute muss man eine Menge Geldbezahlen, bis zu 2000 Euro, nur um ein Zertifikat zu erhal-ten. Ich denke, dass einige Leute nicht wirklich verstehen,was Fairtrade ist. Für mich ist es mehr eine Haltung als nurein Etikett.

In welcher Weise hat Fairtrade die Arbeitsbedingungen von Kleinbauern verändert?

Rangit: Es hat sicher viele Lebensumstände verbessert,aber noch nicht genug. Fairtrade hat eine geringeWirkung, wenn nur wenige Menschen diesem Konzept fol-gen. Was wir versuchen, ist, mehr Bauern die Vorteile die-ses Geschäfts zu zeigen und es als eine Alternative zubewerben. Die Kleinbauern erhalten eine Prämie von 50Euro auf jedes Kilogramm Kautschuk, dass sie liefern, diefür gemeinnützige Projekte verwendet werden können.Das hilft ihnen wirklich eine Menge.

Wer entscheidet, was mit dem Geld passiert?Rangit: Die Verwaltungsgremien, die von den Bauern oderden Kleinbauern selbst geschaffen werden. Und jedeEntscheidung über Geldausgaben wird von ihnen getrof-fen.

So haben die Bauern das uneingeschränkte Recht der Teilnahme?

Rangit: Ja, jeder einzelne von ihnen. Gerade jetzt konzen-trieren sie sich auf den Bau neuer Infrastruktur, die nütz-lich ist für die gesamte Gemeinschaft.

Sie brauchen beispielsweise Trockner, um die Qualitätihres Kautschuk, die entscheidend für den wirtschaftli-chen Wohlstand der Gemeinde ist, zu gewährleisten.

Wie kann ich mir die aktuelle Situation von einem deiner Mitarbeiter vorstellen? Wie leben sie und was sind ihre Probleme?

Rangit Gunasekera ist NGO-Aktivist in Sri Lanka und setztsich für die Rechte der Kleinbauern ein.

Rangit, im Jahr 1994 warst Du einer der ersten Unternehmer, der sein Geschäft auf Fairtrade-Praktiken in Sri Lanka konzentriert hat. Warum war das so wichtig für Dich?

Rangit: Zuallererst ist es die Philosophie dahinter. Ich woll-te den Kleinbauern und den Arbeitern auf den Plantagenhelfen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt unglaublichabhängig von der Verwaltung der großen Unternehmenwaren. Die Kleinbauern zum Beispiel hatten keineMöglichkeit, für sich selbst Produkte zu kaufen und zuverkaufen. Was ich an Fairtrade mochte, war die Chance,ihnen mehr Unabhängigkeit zu ermöglichen.

Aber irgendwie scheint sich die Bedeutung von Fairtrademit der Zeit zu ändern. Ich wünsche mir, dass Fairtradedas ist, was es zu Beginn der Bewegung war. Als es hier

„Fairtrade ist eine Haltung, kein Etikett“

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Rangit: Die meisten von ihnen leben in der Nähe derStädte und sind leider meist nicht gut ausgebildet.Obwohl sie Betelnüsse und Blätter verkaufen, istKautschukzapfen ihre einzige Einnahmequelle.

Wie Sie sich vorstellen können, bringt das nicht viel Geld.Deshalb ist es so wichtig für sie, die Fairtrade-Prämie zuhaben. Auch wenn sie das Geld nicht nur für sich selbstbekommen, können wir eine bessere Lebensqualitätdurch das Schaffen von Strukturen wie medizinischerVersorgung oder Trockner erreichen.

Aus dem Englischen von Lisa Feigen, transkribiert vonDario Pugner.