die zusammenhänge zwischen finanzpolitik und preispolitik

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik Author(s): Heinrich Rittershausen Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 8, H. 3 (1941), pp. 477-539 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910114 . Accessed: 13/06/2014 21:11 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.25 on Fri, 13 Jun 2014 21:11:04 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Page 1: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und PreispolitikAuthor(s): Heinrich RittershausenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 8, H. 3 (1941), pp. 477-539Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910114 .

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Page 2: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

von

Heinrich Rittershausen

Inhalt: I. Die Steuerüberwälzung. - II. Die Bereicherung der finanz- politischen Mittel durch die Preispolitik. - III. Die Auswahl der öffentlichen Einnahmequellen unter preispolitischen Gesichtspunkten. - IV. Preispolitik und steuerliche Ergiebigkeit. - V. Die Preispolitik angesichts von Haushaltsdefiziten. - VI. Preispolitik, öffentlicher Kredit und Staatsschuldenwesen. - VII. Preis- politik und öffentliche Sachausgaben.

I. Die Steuerüberwälzung.

i. Wandel der Lösung und der Problemstellung. Eine ältere Problemstellung sah in der Überwälzungsfrage den

eigentlichen Konflikt zwischen Preispolitik und Finanzpolitik und wid- mete dieser weitläufige und doch nicht allzu fruchtbare Auseinander- setzungen. Daß die Verbrauchssteuern nicht nur nach dem Willen des Gesetzgebers überwälzt, Erhöhungen der Preise für Waren und Lei- stungen damit direkt beabsichtigt, sondern auch überwiegend wirt- schaftlich erreicht werden, dürfte trotzdem noch feststehen. Hinsicht- lich der Einzelheiten hat man sich weitgehend darauf geeinigt, daß fast alle Steuern ganz oder teilweise überwälzt werden können, auch ohne daß ein dahingehender Wille des Gesetzgebers vorzuliegen braucht. Diese Vorwälzung, Eückwälzung, Weiterwälzung usw. hat man sich gewöhnt, als einen die Preise beeinflussenden Vorgang anzusehen, der kettenweise die Volkswirtschaft durchzieht und durch den die finanzpolitische Lastenverteilung im einzelnen be- stimmt wird. Die Frage nach dem Ausmaße der Überwälzung, ins- besondere danach, wer letzten Endes Steuerträger ist, hat man in der Vergangenheit ziemlich allgemein damit beantwortet, daß dies

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von der Preisbildung im einzelnen abhängt. Im Kampf der Markt- parteien um die Festsetzung der Warenpreise werde auch entschieden, wer die Steuer tragen müsse. In dieser Lastenverteilung sah man in der Vergangenheit das eigentliche Problem der Überwälzung.

Im Gegensatz zu diesen Auffassungen hat Schmölders in geistvollen Ausführungen dem Problem „Finanzpolitik und Preis- politik*

' *) eine große Reihe völlig neuer Aspekte abgewonnen, die uns

hier stärker beschäftigen sollen. Seine Hauptthese ist wohl, daß Kon- flikte zwischen Preispolitik und Finanzpolitik überall da auftreten, „wo entweder die Regelung der Preisbildung zu einer unmittelbaren oder auch mittelbaren Einkommensbeschränkung führt, oder wo die Besteuerung in die Preisbildung ein bedeutsames, den Einfluß des Steuerpflichtigen in weitem Maße entzogenes Kostenelement hinein- bringt". Die nähere Erörterung des so verjüngten und der veränder- ten Sachlage der gelenkten Volkswirtschaft angepaßten Themas wird uns vor eine große Zahl eigenartiger und nicht unaktueller Einzel- fragen stellen, die insbesondere die Veränderung unserer Besteue- rungsmethoden, die Veränderung der volkswirtschaftlichen Ergiebig- keit und die Ausdehnung oder Kontraktion des öffentlichen Kredits unter dem Einflüsse staatlich gewollter Warenpreisverschiebungen zum Gegenstande haben werden.

Bevor wir uns dieser neuen Fassung des alten Gesamtproblems zuwenden, müssen wir jedoch nochmals einen Blick auf die alte und nicht zu entwertende Überwälzungsfrage werfen, wie sie sich uns in der gelenkten Volkswirtschaft stellt.

Wenn wir die frühere Lösung der Überwälzungsfrage als Grund- lage anerkennen, und hinzufügen, daß heute alle Warenpreise ohne jede Ausnahme2) durch die Preispolitik in bestimmter Weise geregelt sind, so ergibt sich, daß die Abwälzung als ein sich täglich in der Preis- bildung der freien Märkte abspielender Kampf heute nicht mehr mög- lich ist. Der Reichskommissar für die Preisbildung setzt heute viel- mehr mit seinen Preissetzungen zugleich auch die Überwälzungs- größen fest. Hatte man früher sagen können, daß die Finanzpolitik nur die grobe Verteilung der Steuerlasten vornimmt, während die fein-

x) Vgl. Finanzarchiv 1939 (VII, 2), S. 227 ff. 2) Einschließlich der Entgelte für Leistungen, Frachten, Versicherungen,

Mieten, Zinsen usw. ; vgl. Preisbildungsgesetz - Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplans. Bestellung eines Reichskommissars für die Preisbildung vom 29. Oktober 1936 (RGB1. I S. 927 ff.).

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fühlige Anpassung an die jeweiligen Tragfähigkeiten im Wege der freien Preisbildung, also der Überwälzung bis zur Diffusion hin er- folge, was sicher schon damals, etwas ungenau war, so muß man fest- stellen, daß die staatliche Preispolitik heute stark bei der Einzelver- teilung der Lasten mitspricht und daß sie 3S ist, die den täglichen Überwälzungsvorgang im einzelnen zu regeln hat. Aufgabe der Preis- politik ist es hier, die Einzelverteilung der Steuerlast im Einvernehmen mit der Finanzpolitik richtig zu lenken. Ist aber der Überwälzungs- vorgang nicht mehr frei und nicht mehr dem staatlichen Willen ent- zogen, so unterliegt er dem Willen des staatlichen Gesetzes, das zu- nächst schon in den Steuergesetzen klar auszusprechen pflegt, ob eine Überwälzung gestattet sein soll oder nicht. Das gilt zwar nicht, soweit alte Steuern und ein altes Preisbild aus einer teilweise freiwirtschaft- lichen Epoche übernommen worden sind, wohl aber für neu eingeführte oder veränderte Steuern. In jedem Falle, wo in den letzten Jahren eine Überwälzung gestattet oder geändert werden sollte, mußten daher die Preisbehörden tätig werden. In zunehmender Eeinheit werden demzufolge, solange die straffe Preisregelung des Staates anhält, „di- rekte* * Steuern wieder so unab wälzbar, wie sie früher einmal gedacht gewesen sein mögen, und „indirekte** Steuern wieder wirklich abwälz- bar.

Mit der einfachen Feststellung, daß heute die Steuerüberwälzung wieder anfängt, sich nach dem staatlichen Befehl zu richten, ist die Frage jedoch nicht erschöpft. Es fragt sich, welche Konsequenzen sich aus dem Inhalt dieses Befehls ergeben. Es handelt sich nämlich bei der Überwälzung nicht mehr allein um die Frage, ob dieser oder jener Steuerträger belastet ist oder sein soll, sondern mit Schmölders doch schon um die Frage der Einkommensbeschränkung auch durch die Preispolitik, wenn die Überwälzung von der Preispolitik verhin- dert wird ; oder aber der Kostenvergrößerung und damit Einkommens- verminderung durch die Steuerpolitik, die soweit gehen kann, daß die Preispolitik die Überwälzungsbefugnis aussprechen muß, um die Pro- duktion nicht zu gefährden. In der gelenkten Volkswirtschaft stellt sich die alte Überwälzungsfrage also wohl stets in ihrem erneuten mehrdeutigen Sinne.

Schmölders selbst behandelt schon die in der bisherigen Steuerpolitik erkenntlichen Überwälzungsverbote und Überwälzungs- befugnisse, die bei der Neueinführung bzw. Abänderung bestehender Verbrauchssteuern vorkommen, insbesondere bei der Biersteuer und

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bei der Tabaksteuer. Bei der deutschen Bierbesteuerung traten z. B. am 22. März 1932 ermäßigte Eeichs- und Gemeindesätze in Kraft, mit welchen zugleich die Brauereien eine darüber hinausgehende Preis- ermäßigung zugestehen mußten, zu der sie von den Finanzbehörden gewungen worden waren. Für die Zigarettenhersteller hat man 1934 ein Zwangskartell mit Beischluß der Außenseiter begründet, das ah freies Kartell weiterbesteht und als Produktionskartell mit Ausgleichs- kasse im einzelnen die Aufgabe hat, mit Hilfe von kosten- und preis- politischen Mitteln die Überwälzung zu regeln x).

Ist hier die Finanzpolitik preis politisch tätig geworden, aller- dings noch vor Erlaß des Preisbildungsgesetzes von 1936 2), so ist der umgekehrte Fall seit dieser Neuregelung der Zuständigkeiten innerhalb der Ministerien nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, soweit man eine Überwälzungsregelung als eine finanzpolitische Betätigung ansehen will.

2. Die Körperschaftsteuer-Überwälzungsbefugnis der LSÕ.

Zu welch schwierigen Entscheidungen die Preispolitik in solchen Fällen gezwungen wird, ohne sich bisher immer an bestimmte Eegeln und Erfahrungen halten zu können, zeigt insbesondere der Fall der Körperschaftsteuer bei öffentlichen Aufträgen. Von der scheinbar umwandelbar festen Regel der Unabwälzbarkeit der direkten Steuern macht in gewissen Fällen die Körperschaftsteuer eine bedeutsame Ausnahme, die der Eeichskommissar für die Preisbildung bestimmt hat („Richtlinien für die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen [RPÖ.]" Nr. 19 Abs. 1 b; „Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber" Nr. 50 b und Nr. 54, beide vom 15. November 1938, und „Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Bauleistungen für öffentliche Auftraggeber (LSBÖ.)" vom 25. Mai 1940 Nr. 43 und 71). Hier ist zwar nicht bestimmt, daß die Körperschaftsteuer zu den Kosten rechnet, also unmittelbar auf den Preis aufgeschlagen werden kann, sondern es ist „nur" vorgeschrieben, daß sie bei der Bemessung des Gewinnzuschlages berücksichtigt werden muß. Es wird nämlich

*) Vgl. G. Schmölders, Steuerpolitik und Wirtschaftsordnung, in: Finanzarchiv 1939, S. 220.

*) Vgl. Fußnote 2 S. 478.

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ein engerer und ein weiterer Gewinnbegriff verwendet. Der engere Gewinn (eigentlicher Netto-Eeingewinn der Körperschaft) besteht aus der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in Höhe einer Reichsanleiheverzinsung, und einem Wagniszuschlag in Prozent (meist 1 - 2) vom Kapital, wozu unter Umständen ein Leistungszuschlag (meist in Prozenten vom Umsatz) hinzutritt (LSÖ. 56 Abs. 2). Der weitere Gewinn, auch kalkulatorischer Gewinn genannt, besteht dazu noch aus der Körperschafts- und Kirchensteuervergütung, der Vergü- tung der Ausfuhrförderungszahlungen und einer Abgeltung von öffent- lichen Spenden in angemessener Höhe l). Der „engere Gewinn", wie wir ihn hier genannt haben, soll den Unternehmungen ungeschmälert zufließen. Deshalb sind u. a. die auf die engeren Gewinne entfallenden Körperschaftsteuern zu vergüten. Der Gewinn ist also s o h o c h festzusetzen, daß nach Abzug der Körperschaftsteuer usw. noch die volle Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in Höhe einer Eeichsanleiherendite, der Wagniszuschlag und eventuell die Leistungsprämie ungeschmälert übrig bleibt.

Die genaue, nach LSÖ. und LSBÖ. zugelassene Gewinn- quote und damit der genaue abwälzbare Betrag der Körperschafts- steuer läßt sich schwer angeben, weil nicht das Aktienkapital oder der Umsatz der Körperschaft, sondern das zu der betreffenden Herstellung verwendete „betriebsnotwendige" Kapital zugrunde gelegt wird; das nähere bezüglich der Errechnung ergibt sich aus den LSÖ. Nr. 54. Genau genommen, wird überhaupt nicht der wirkliche Betrag der Kör- perschaftsteuer errechnet und vergütet, sondern ein fiktiver Betrag, die sog. „kalkulatorische" Körperschaftsteuer, unabhängig davon, ob das Unternehmen Gewinne erzielt hat oder nicht 2). Praktisch steht das Unternehmen, das in einer solchen Eechtsform betrieben wird und an öffentliche Auftraggeber nach LSÖ. liefert, also im allgemeinen genau so da, als wenn die Körperschaftsteuerzahlungen in diesem besonderen Falle preispolitisch als Kosten anerkannt worden wären, also überwälzt werden dürften. Lieferer öffentlicher Auftraggeber, die die Eechts- form von Körperschaften haben, berechnen also in bestimmten Fällen andere, und zwTar höhere Preise, als Lieferer in der Eechtsform von Einzelkaufleuten und Personalgesellschaften. - Es ist schon hier

1) Beide Gewinnbegriffe sind nicht mit dem körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn identisch.

■) Vgl. Kommentar Heß-Zeidler-Schwantag-Pribilla 1940 III D Nr. 54, S. 132-135.

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offenkundig, daß eine solche Überwälzungsbefugnis von nicht geringer Tragweite ist. Prüfen wir zunächst ihren Umfang.

Es wurde schon gesagt, daß diese Überwälzungserlaubnis eine beschränkte ist. Zunächst werden keineswegs alle aus Lieferungen und Leistungen fließenden körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte betroffen, sondern nur derjenige Teil, der aus Leistungen an öffentliche Auftraggeber oder an deren Lieferer herrührt (das ist allerdings heute der weit überwiegende Teil). Als öffentliche Auftrag- geber im Sinne der EPÖ. gelten dabei alle Dienststellen des Eeichs und der Länder (z. B. Wehrmacht, Polizei, Eeichsarbeitsdienst, Beichs- bahn, Eeichspost, Eeichsautobahn), der Gemeinden, die andern öffent- lichen Körperschaften (auch der Eeichsnährstand) und die Partei. Aber schon die Lieferungen an die werbenden Betriebe der öf- fentlichen Hand fallen weg. Weiter bezieht sich die Befugnis der Vor- wälzung nicht auf alle Lieferungen und Leistungen, sondern zunächst nur auf wenige Sonderfälle. Denn für die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen gelten nach EPÖ. Nr. 4 - 6 überall die be- stehenden Preis Vorschriften, z. B. die Preisstopverordnung, die Leder- preisverordnung, das Spinnst of fgesetz usw., insbesondere auch die bestehenden Kartellpreise, so daß hier zunächst für eine Weiterwäl- zung der von den Lieferern etwa zu zahlenden Körperschaftsteuer gar kein Eaum bleibt. Nur für den Sonderfall, daß auf Grund der vorstehenden Bestimmungen ein Preis nicht festgestellt werden kann und in einigen anderen seltenen Fällen (EPÖ. Ziff. 5) haben Preisvereinbarungen auf Grund der Selbstkosten- ermittlung einzutreten (Nr. 7 der EPÖ.). In diesem Fall allein - wobei die schon erwähnten LSÖ. angewendet werden sollten - sollte die Überwälzungsbefugnis gelten.

Warum nun überhaupt diese bedeutsame Ausnahme? Nach den LSÖ. ist der Gewinn auf das schärfste begrenzt: er soll nur eine Ver- zinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in Höhe der Eendite der Eeichsanleihen zuzüglich eines Wagniszuschlages (der seinem Wesen nach eine Kostenvergütung ist) ausmachen, in den meisten Fällen also in der Größenordnung von 6% liegen. Würde dieser aufs äußerste beschränkte Gewinn bei der einen Gesellschaftsform doppelt be- steuert, also mit der Körperschaftsteuer belastet, bei der Personal- gesellschaft aber nicht, .so würde bei jener erheblich weniger als eine Eeichsanleiheverzinsung übrigbleiben. Die Überwälzungsbefugnis ist also das Gegengewicht zu einer sehr weitgehenden Gewinnbeschrän-

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kung. Neben der starken Gewinnbeschränkung, die die LSÖ. bringen, sind aber noch andere Gründe für die Sonderregelung der Abwälzungs- frage maßgebend gewesen.

Zunächst ist die Seltenheit der Anwendungsmöglichkeit der LSÖ. maßgebend gewesen, die bei Erlaß dieses Gesetzes zum mindesten be- absichtigt war. Die LSÖ. sollte überhaupt nur im Falle von Einzel- und Sonderkonstruktionen, wenn ein Preis auf gar keine andere Weise fest- zustellen oder zu vereinbaren war, Anwendung finden, also etwa im Falle eines Panzerkreuzers, neuer Eichtgeräte usw., d. h. in vergleichs- weise sehr seltenen Fällen. Im Ausführungserlaß des Eeichskommissars für die Preisbildung vom 24. November 1938 (A 295-2065) heißt es daher: „Ich weise darauf hin, daß Preisvereinbarungen auf Grund einer Selbstkostenermittlung stets die Ausnahme bleiben sollen. Dieser für die allgemeine Preisbildungspolitik nicht unbe- denkliche Weg darf nur dann beschritten werden, wenn eine andere Art der Preisermittlung unmöglich ist." Der Eeichskommissar für die Preisbildung mißbilligt bekanntlich jede Tendenz zum Selbst- kostenpreise, da er darin eine Garantie der Erstattung praktisch aller Kosten, eine Prämiierung der Bequemlichkeit und eine Quelle end- loser Preissteigerungen erblickt; wobei er insbesondere auf die üblen Erfahrungen mit der entsprechenden Preispolitik im Weltkriege ver- weisen kann.

Weiter hatte man die Befürchtung, man könne die produktiven Kapitalien der großen in Körperschaftsform betriebenen Unterneh- mungen, die für die Eüstung von besonderer Bedeutung sind, zu hart anfassen, ihre Leistungskraft also schwächen. Dabei spielte die Idee mit, es handle sich bei der Körperschaftsteuer um eine Doppelbesteue- rung. - Schließlich mag die Tatsache mitgesprochen haben, daß die Körperschaftsteuer nach weit verbreiteter Übung sehr oft da, wo die Preise auf Kalkulation beruhten, im Zuschlag der Gesamtgemein- kosten berücksichtigt, also weitergewälzt wurde und man an dieser nun einmal eingerissenen Übung nicht einseitig bei den LSÖ.- Auf trägen etwas ändern wollte.

Die Entwicklung hat nun dazu geführt, daß die LSÖ. von einem sehr geringfügigen Anwendungsgebiet ausgehend sich ein riesi- ges Feld erobert haben. Insbesondere in der öffentlichen Beschaffungswirtschaft des Krieges sind ihnen infolge dahingehender Bedürfnisse der Wehrmachtsstellen durch bestimmte Erlasse größte Gebiete neu unterstellt worden, für die sie niemals geschaffen worden

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waren. Hätte man diese Entwicklung bei Erlaß der LSÖ. vorhersehen können, so wäre man voraussichtlich noch zurückhaltender in der Be- willigung der Überwälzungsbefugnis gewesen. Sicherlich ist niemals daran gedacht gewesen, einem großen Teil aller industriellen Aktien- gesellschaften für den Hauptteil aller ihrer Lieferungen eine solche Befugnis einzuräumen, und noch dazu in einem Kriege, der eine „kriegsverpflichtete*

' Preis- und Steuerpolitik verlangt, ja, der diese zu einer Existenzfrage der gesamten Preis- und Steuerpolitik selbst macht!

Bei dem Erlaß der KPÖ. und der LSÖ. war auch nicht voraus- gesehen worden, daß die Kriegsbesteuerung einen 50%igen Zuschlag zur Einkommensteuer, aber nicht zur Körperschaftsteuer bringen würde, wodurch das Belastungsverhältnis zwischen beiden Gesell- schaftsformen, von dem die Eegelung ausgegangen war, in vielen Fällen geradezu umgekehrt wurde. Bis dahin hatten sich die national- sozialistischen Auffassungen über die wünschenswerte Gesellschafts- form in der Weise durchgesetzt, daß der Einkommensteuertarif (in den Gruppen III und IV, also abgesehen von den die Junggesellen und den die dauernd kinderlosen Ehepaare usw. umfassenden Grup- pen I und II) langsam bis zu einem Höchstsatze von 40% anstieg, während die Körperschaftsteuer im Kegelfalle schon für Einkommen von 100 000 EM. an im Jahr 1938 35% und von 1939 an 40% be- trug, also meist höher war. Seit Einführung des Kriegszuschlages zur Einkommensteuer am 4. September 1939 geht aber die Einkommen- steuer mit Zuschlag bis 55%, ist also, vorausgesetzt, daß das Ein- kommen nicht in der Personalgesellschaft an viele Anteilseigner ge- nügend zersplittert wird, erheblich höher, als die Körperschaftsteuer. Die politisch erwünschten Gesellschaftsformen werden also seit Kriegs- beginn schon durch die Tarif gestaltung stark benachteiligt. Infolge der seit Kriegsbeginn zugleich unerwartet ausgedehnten Über- wälzungsbefugnis der LSÖ. zahlt aber seither ein großer Teil der in Körperschaftsform betriebenen Unternehmungen für den Hauptteil seiner Umsätze überhaupt keine Körperschaftsteuer mehr selbst, weil sie ihm vergütet wird. Die Einzelkaufleute und Personal- gesellschaften zahlen aber auch für die nicht ausgeschütteten Erträge bis 55% Einkommensteuer zuzüglich Bürgersteuer usw. Diese Er- gebnisse sind offenbar bei Erlaß der Kriegswirtschaftsverordnung nicht vorausgesehen worden. Dazu kommt, daß bei Erlaß der LSÖ. noch die Vorstellung der Doppelbesteuerung, wenn auch der vom

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Eeichsfinanzminister gewünschten eine Eolle spielte *), daß diese aber durch die immer weiter um sich greifende Keservenpolitik und Selbst- finanzierung heute nur noch eine geringe praktische Bedeutung be- sitzt; hat man doch geschätzt, daß drei Viertel oder vier Fünftel der Gewinne heute nicht ausgeschüttet, also nicht mehr zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen werden. Hohe, nicht ausgeschüttete, also in besonderem Maße „mit dem produktiven Einsatz von Kapital und Unternehmungen verbundene4' Gewinne würden aber, wenn die Überwälzungsbefugnis nicht bestände, in den erwünschten Unterneh- mungsformen mit 55%, und in den unerwünschten körperschaftlichen Unternehmungsformen ohnehin nur mit 40% besteuert werden.

Welches ist also in Kürze das Ergebnis der von der Preispolitik erlassenen und dann fast ohne ihr Zutun so sehr ausgeweiteten Über- wälzungsbefugnis ? Die Körperschaftsteuer, die eine Art Einkommen- steuer ist und zum Teil nach den Vorschriften des Einkommensteuer- gesetzes veranlagt wird, ist, solange ein so großer Teil aller Aufträge der meisten AG.s und GmbH.s solche der öffentlichen Hand sind, die nach LSÖ. abgerechnet werden, gewissermaßen in zwei Steuern zer- spalten, und zwar in eine Einkommensteuer der Körperschaften, wie bisher, und in eine neue Ertragssteuer (welcher Terminus auch irrtüm- licherweise in den RPÖ. und LSÖ. auftaucht). Man kann auch sagen: Der Staat gewährt in Form eines Preiszuschlages aus öffentlichen Mitteln einen Beitrag zur Zahlung einer Einkommensteuer. Das Ver- hältnis der wirtschaftspolitisch erwünschten zur unerwünschten Un- ternehmungsform wird, abgesehen von den Grundstoffindustrien (Kartellpreise), überwiegend umgekehrt. Die körperschaftlich betrie- bene Unternehmung wird in der verarbeitenden Kriegswirtschaft überwiegend körperschafts- und einkommensteuerfrei; damit wird zumeist der Großbetrieb gefördert, über dessen unzweckmäßige Be- vorzugung durch andere Tendenzen der Kriegswirtschaft wiederholt schon von höchster amtlicher Stelle geklagt worden ist. Das Körper- schaftsteueraufkommen wird durch Einbeziehung eines Teiles seiner selbst in die Gewinnbildung künstlich vergrößert und in seinem Ein- gang durch zugestandene Preiserhöhungen befördert; die öffentlichen Sachausgaben werden verteuert; preispolitisch wird auf Seiten der Lieferer und Unterlieferer entgegen den öffentlichen Interessen eine „Flucht in die LSÖ." befördert. -

!) Vgl. H e ß - Z e i d 1 e r , a. a. 0., Ili S. 125.

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Stellt sich also das Problem der Berichtigung dieses Sachverhalts, so wird man zuerst daran denken können, den Einzelfirmen und Per- sonalgesellschaften für nicht ausgeschüttete Gewinne einen auf 40% ermäßigten Einkommensteuertarif zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung würde aber noch nicht einmal genügen, soweit die Gewinne aus öffentlichen Aufträgen in Eede stehen. Denn es müßte, um beide kon- kurrierende Unternehmungsformen gleichzustellen, die Einkommen- steuer, soweit sie auf solche Aufträge entfällt, ganz beseitigt oder für abwälzbar erklärt werden. Streicht man, woran zweitens gedacht wer- den könnte, die Körperschaftsteuer-Abwälzungsbefugnis, so würden die nicht ausgeschütteten Gewinne bei den Körperschaften immer noch wesentlich besser behandelt werden, dafür aber die Ausschüttun- gen der letzteren einer doppelten Besteuerung unterworfen werden. Solange wegen des Dividendenstops usw. nur wenig ausgeschüttet wird, bleibt im Saldo ein Vorteil der Körperschaft übrig, trotz aller „Doppelbesteuerung". Beispiele würden das erläutern; sie können hier aus Eaummangel nicht gebracht werden. Wollte man schließlich, was auch möglich wäre, denselben Einkommensteuertarif sowohl auf phy- sische Personen wie auf Körperschaften anwenden, so würde man nicht nur zu einer Überlastung der letzteren kommen, sondern man würde mit dem vier Steuergruppen unterscheidenden Einkommensteuer- tarif überhaupt nicht arbeiten können. Sollte man die Körperschaften wie Junggesellen oder wie „Familienväter" behandeln? Die Tarif- unterschiede sind sehr hoch. Jeder wie nur immer geartete Versuch einer steuerlichen Gleichstellung beider Unternehmungsformen schei- tert überhaupt an dieser Frage des Familienstandes und der Zahl der Gesellschafter bei der Personalgesellschaft. Trotzdem wäre eine Er- höhung der Körperschaftssteuer auf 50% sehr wohl in Betracht zu aiehen, obwohl damit unsere Frage der LSÖ. Nr. 54 noch nicht ge- löst wäre.

Man wird nun aber bei einem Lösungsversuch nicht vergessen dürfen, welchen Sinn und welche Bedeutung die Körperschaftsteuer- Abwälzungsbefugnis ursprünglich hatte : Nämlich den, im Falle völlig unvermeidlichen Abschlusses von echten Selbstkostenverträgen einen zugesicherten Minimalgewinn ungeschmälert zu erhalten. Man wird auch daran denken müssen, daß die Gewinnabschöpfung des Eeichs- kommissars für die Preisbildung in Ausführung der §§ 22 und 25 KWVO. die unterschiedliche steuerliche Behandlung beider Unter- nehmungsformen in etwas einebnen wird, obwohl das in nicht gerade

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vielen Fällen und zwar meist nur bei fabrikatorisch rückständigen Fir- men der Fall sein wird, weil die Gewinnrichtpunkte überwiegend zu hoch liegen, um schon bei mittleren und guten Herstellern einzugreifen.

Demnach dürfte die einfachste Lösung sein, die Körperschaft- steuer-Überwälzungsbefugnis der Ziff. 50 und 54 LSÖ. in irgendeiner Weise wieder auf das ursprüngliche enge Anwendungsgebiet der LSÖ. zu beschränken und im übrigen aufzuheben. Solange der Kriegszu- schlag zur Einkommensteuer besteht, bleibt für nicht ausgeschüttete Gewinne den Körperschaften x) immer noch ein erheblicher Steuer- vorteil, der deren produktionstechnischer Bedeutung in der Kriegs- wirtschaft angepaßt ist. Ein besonderer Vorzug einer solchen Neu- regelung würde es sein, daß die sekundären Lösungen (Dividendenstop und Gewinnabschöpfung nach § 22 WKVO.) wieder mehr in den Hin- tergrund treten könnten; sind diese doch erst die Konsequenzen von Unstimmigkeiten gewesen, die den primären steuerlichen Lösungen anhafteten, von denen die hier aufgezeigte eine der wichtigsten sein dürfte. - Sollte die angezeigte Lösung für die Betroffenen zu hart sein, dann wird es sich empfehlen, eine neue Serie von Abschreibungsvor- teilen zusätzlich zu gewähren, die dann beiden Unternehmungsformen gleichmäßig zugute kommen müßten.

3. Steueramortisation und Zinspolitik. Streifen wir nunmehr nach diesem Beispiel einer Kollision von

Preispolitik und Finanzpolitik auf dem Gebiete der einfachen Über- wälzung noch jene andere Form der Überwälzung, die wir Amorti- sation oder Dekapitalisierung nennen. Diese ist bekanntlich als eine Abart der Steuerüberwälzung aufzufassen. Eine Erhöhung der Be- steuerung des Grundbesitzes, des Wertpapierbesitzes oder der Erträg- nisse daraus vermindert den Wert des Vermögensobjektes, und zwar um den Betrag der kapitalisierten Steuer. Aus jeder laufenden Be- steuerung wird daher, sobald der Eigentümer das Objekt verkauft, eine einmalige Vermögenssteuer, die nur den Verkäufer trifft, der ent- sprechend billiger verkaufen mußte, während der Käufer ungeschmä- lert verdient, nämlich den vollen Landeszinssatz zuzüglich etwaiger Aufschläge.

Die Wirtschaftspolitik wird diese Zusammenhänge genau zu be- obachten haben. Zwar haben sich hier in den letzten Jahren nennens-

1) Im erweiterten Anwendungsgebiet der LSÖ.

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werte Veränderungen nicht ergeben., die ein Eingreifen der Preispolitik nötig gemacht hätten. Trotzdem wird man insbesondere darauf zu achten haben, daß eine finanzielle Maßnahme, die eine Amortisation nach sich zieht, nur dann ergriffen wird, wenn möglichst gleichzeitig der Landeszinssatz als Preis für das Kapital entsprechend herabgesetzt werden kann. Nur eine solche Gleichrichtung von Finanzpolitik und Z i n s p o 1 i t i k erlaubt es, der Gefahr einer ausgedehnten Steuer- amortisation und den von ihr hervorgerufenen Ungerechtigkeiten zu entgehen. Bei gegenteiliger Zinspolitik wird man erhöhte Bedenken haben müssen.

Der Tendenz nach ist eine solche erhöhte Belastung wenigstens der in Aktien angelegten Vermögen in den letzten Jahren in Deutsch- land zu bemerken gewesen, wenn man an die Anleihestockgesetz- gebung, die Körperschaftssteuer und die geplante Dividendensteuer denkt. Mit dieser Tendenz lief tatsächlich eine Senkung des Landes- zinssatzes parallel, so daß in diesen Jahren eine unerfreuliche Steuer- amortisation nicht Platz greifen konnte, unsere Forderung also erfüllt war.

II. Die Bereicherung der finanzpolitischen Mittel durch die Preispolitik.

J. Branchenweise Übernahme einzelner Gemeinlasten. Es stellt sich nun die Frage, ob nicht die Bedeutung, die die Preis-

politik an sich und als selbständiges Eessort für die Finanzpolitik ge- wonnen hat, zusammen mit anderen Tendenzen der gelenkten Wirt- schaft zur Entstehung neuer finanzpolitischer Methoden führen kann. Es fragt sich, welche Umformung der Steuerpolitik wir etwa schon erkennen können; letztlich, ob nicht die Finanzpolitik in der preis- gelenkten Wirtschaft neue und eigentümliche Einnahmequellen sich erschließen könnte?

G. Schmölders erkennt zwei Tendenzen in dieser Eichtung. Lassen wir ihn zu dieser gewiß wichtigen Frage sich äußern x) : „In wel- cher Eichtung diese Weiterbildung der Steuerpolitik in der geordneten Wirtschaft zu laufen sich anschickt, läßt sich am eindrucksvollsten auf den Gebieten des Wirtschaftslebens erkennen, in denen der Ge- danke der Marktordnung am weitestgehenden verwirklicht erscheint. Wenn es im Eahmen der straffen Organisation des Eeichsnährstandes

J) Finanzarchiv N. F. Band 7 1939 S. 221 ff.

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Page 14: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 489

beispielsweise mehrfach möglich gewesen ist, die Finanzierung der Roggenpreisaktionen durch eine steuerähnliche Heranziehung selbst solcher Industriezweige sicherzustellen, die dem Brotgetreidemarkt an und für sich fernstehen, wie den Brauereien und den Zuckerfabriken, so deutet dieser Vorgang auf eine sich auch sonst in der neuen Wirt- schaftsordnung anbahnende Entwicklung, die ähnlich wie die seit langem eingespielte Selbsthilfeaktion der deutschen Wirtschaft zur Exportsicherung letzten Endes auf die branchenweise Übernahme be- stimmter Gemeinlasten hinzielt. Das jüngste Beispiel für diese Ent- wicklung ist die Heranziehung der deutschen Elektrizitätswirtschaft zu einer auf viele Millionen veranschlagten steuerähnlichen Umlage, deren Ertrag die Verbilligungsaktion für im bäuerlichen Betrieb ver- wendete Elektrogeräte und -maschinen finanzieren soll. Auch der Reichskommissar für die Preisbildung, dessen Maßnahmen sich etwa bei der Düngemittelverbilligung auf das eigentliche Preisgebiet be- schränkten, hat damit den Weg wirtschaftspolitisch notwendiger Um- legungen von Gemeinlasten mit Hilfe der Wirtschaftsorganisationen beschritten. ... Es ist ... nicht einzusehen, warum die Besteuerung nicht weit mehr als bisher die Mitwirkung der Wirtschaftsorganisatio- nen und der zur Ordnung der Wirtschaft geschaffenen Einrichtungen in den Dienst der Verteilung der umfassenden völkischen Gemeinlast, der Steueraufbringung und -Verteilung, zu stellen versuchen sollte."

Außer dieser zweifellos vorhandenen Tendenz, die wir anerkennen müssen, sieht Schmölders noch eine bedeutsame^ Entwicklung hinweg von der individuellen Gewinnermittlung bei den Personal- steuern hin zu einer Art Betriebssteuersystem.

2. Entwicklung in Richtung eines Branchen- und Betriebssteuer systems.

Es würde zu weit führen, hier die ausgedehnte und eindrucksvolle Beweisführung wiederzugeben, mit der Schmölders im Finanz- archiv seine These unterbaut hat, die hier vom mehr preispolitischen Standpunkte untersucht werden soll. Schmölders geht von der bekannten Tatsache aus, daß die Einkommensteuer in ihrem wört- lichen Sinne undurchführbar ist, indem man bekanntlich auf die ge- forderte individuelle Art das Einkommen der großen Masse der k 1 e i - n e n Pflichtigen nicht zu ermitteln vermag, während die Interessen der ganz Großen über die Reichs- und Erdteilgrenzen hinaus-

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ragen und sich daher der Besteuerung entziehen x). Mit Durchschnitts- sätzen, Schätzungen, Eichtsätzen, Kennzahlen, Nutzungskennziffern, typischen Tatbeständen 2) usw. haben die Finanzbehörden daher schon seit langem an der theoretisch-gesetzlichen Einkommensteuer Veränderungen angebracht, die langsam anfangen, deren Charakter hinsichtlich der Masse der kleinen Einkommensbezieher in Frage zu stellen, indem sie heute wohl schon für weit über die Hälfte der Pflich- tigen die individuelle Einkommensermittlung ausschalten, ja in vielen Fällen deren Heranziehung nicht einmal mehr hilfsweise erlauben3). „In der Tat ist ja nicht einzusehen", sagt Schmölders, „warum in der gewerblichen Wirtschaft, soweit sie einer mehr oder weniger umfassenden Marktregelung und Marktordnung von oben her unter- liegt, die individuelle Gewinnermittlung in den Formen, wie sie das geltende Steuersystem nun einmal vorschreibt, nicht zugunsten eines Besteuerungsverfahrens aufgegeben werden sollte, das sich weniger nach der juristischen Form als nach der wirtschaftlichen Besonderheit der einzelnen Branchen und Betriebe ausrichtet ; hat sich doch ohne- hin im Zuge der modernen wirtschaftlichen Entwicklung eine weit- gehende Gleichartigkeit der wirtschaftlichen Bedingungen (Eohstoff- zuteilungen, Beschäftigungsgrad, Preise usw.; d. Verf.) innerhalb der verschiedenen Wirtschaftszweige herausgebildet, der der Steuerfiskus, wenn auch nicht im Wortlaut des Gesetzes, so doch im Verfahren der Veranlagung bereits in starkem Maße Eechnung trägt." Schmöl- ders findet eine entsprechende Entwicklung auch bei den Ver- brauchssteuern : „Nähert sich somit die Ausgestaltung des Veran- lagungsverfahrens einer Anzahl von Personal- und Objektsteuern bereits stark einer Besteuerung nach Branchen und der Steuerbemse- sung nach einem angemessenen Sollertrag . . . ., so ist es offenbar einer gewissen Logik der Tatsachen zuzuschreiben, wenn die großen Ver- brauchssteuern mit dem immer endgültigeren Übergang zur Erhe- bungsform der Fertigfabrikatsteuer zugleich mehr und mehr den Cha- rakter von „Betriebssteuern* * anzunehmen begonnen haben, wie dies am deutlichsten bei der Umsatzsteuer in Erscheinung tritt (Staffelung nach Betriebsgrößen, nach Warengattungen und Betriebsstruktur) . . ."

*) S c h m ö 1 d e r s a. a. O., S. 216; Reg.-Rat Dr. S c h i 1 1 i n g e r in der „Steuerwarte", Heft 19, 1933.

2) Ähnlich schon J. Jessen in: „Deutsches Recht" vom 15. Februar 1938, S. 46.

3) § 29 Abs. 4 Einkommensteuergesetz.

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Freispolitik. 491

Schmölders stellt also eine branchenweise Schematisierung der Individualbesteuerung und eine betriebliche Individualisierung der Verbrauchs- und Umsatzbesteuerung fest, die sich beide, wagen wir es, die Entwicklung uns in die Zukunft fortgesetzt zu denken, eines Tages in neuartigen Betriebsbelastungen schneiden und treffen könn- ten.

3. Wiederaufleben des Kartellsteuergedankens? Ist durch die Übernahme von Gemeinlasten durch geschlossene

Gewerbezweige und durch eine Tendenz zur Betriebs- und Branchen- steuer eine eigenartige neue steuerliche Entwicklung angedeutet, so könnte man zunächst an die Kartellsteuer denken, die ja in der Lite- ratur schon wiederholt und vielleicht so übermäßig früh behandelt worden ist I), daß dabei die Entwicklungslinien, auf die wir heute be- reits zurückblicken können, noch nicht sichtbar waren, wodurch das Ergebnis damals nicht sehr fruchtbar war. Was Fricke in seiner grundlegenden Abhandlung über die Kartellsteuer i. J. 1935 zum Prinzipiellen 2) sagt, daß man nämlich das Besteuerungssystem an den bestehenden dualistischen Charakter des Wirtschaftssystems anpassen müsse, indem man Wettbewerbs- und Monopolsektor je einer beson- deren Besteuerung unterwerfen müsse, ist mit allen seinen Einzel- heiten noch heute sehr beachtlich. Nur der in Verwirklichung des richtig gestellten Ziels damals eingeschlagene Weg einer gestaffelten Kartell-Umsatzsteuer vermag heute aus den verschiedensten im ein- zelnen nicht nochmals darzulegenden Gründen nicht mehr zu befrie- digen. P r i e k e wollte offenbar die Kostensteuern der Kartellmit- glieder erhöhen (darum Umsatzsteuer), aber er mußte damals die Überwälzung noch für unumgänglich halten. Man würde voraus- sichtlich P r i e k e heute unrecht tun, wenn man in dem damals ge- wählten praktischen Weg das Wesen seiner Leistung sehen wollte, während es Fricke in Wirklichkeit offenbar um das Prinzip ging, in dem er recht behalten hat.

Wollte man entgegen P r i e k e u. a. die Kartellsteuer als eine Übergewinnsteuer mit Eücksicht auf die dort vorhandene Machtstel- lung am Markte auffassen, so würde sie wieder einkommensteuerartige

x) Vgl. insbesondere Rolf Fricke, Die Kartellsteuer (Umsatzsteuer) als Grundlage der Finanzreform, Finanzarchiv 1935, S. 131 ff.

■) Vgl. dagegen auch Ad. Lampe, Neue Verteidigung der Einkommen- steuer, Finanzarchiv 1935.

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492 Heinrich Eittershausen

Gestalt annehmen müssen und denselben Bedenken hinsichtlich der Schädigung des Leistungsanreizes unterliegen, wie diese. Bei Fort- führung der heutigen, auf Preissenkung und besonders auf Verbilli- gung der Vor- und Zwischenprodukte bedachten Preispolitik des Eeichskommissars für die Preisbildung bliebe auch für eine solche Kartellsteuer kein Kaum mehr, da die Monopolgewinne der Kartelle mehr und mehr durch Preissenkungen aufgezehrt werden. Wirtschafts- politisch wären beide Formen der Kartellsteuer nicht wünschbar, weil jetzt und besonders nach dem Kriege ein sehr starkes Bedürfnis nach Preissenkungen auftreten wird, um unser Kostengefüge wieder zu normalisieren, und beide Formen der Besteuerung sehr leicht ver- teuernd und leistungsmindernd wirken, insbesondere bei Wiederher- stellung des Vergleichs mit dem Auslande. Trotzdem wird der Grund- gedanke im Auge zu behalten sein.

4. Eine veranlagte Betriebsausgabenbesteuerung als Endergebnis der neueren Personalsteuerentwicklung ?

Die von Schmölders und anderen richtig gesehene Entwick- lung verlockt besonders aus einem wichtigen Grunde zur Bejahung. Es werden durch die Durchschnittssätze, Eichtsätze, Nutzungskenn- ziffern usw. nicht mehr die Isteinkommen, sondern die S o 1 1 -

einkommen1) herangezogen, also nicht die von dem speziellen Betriebe erzielten, sondern die von einem Durchschnittsbetriebe usw. erzielbaren Gewinne. Das bedeutet, daß die schlechteren Be- triebe innerhalb der Gesamtheit der Hersteller, wie sie etwa in einem Kartell oder ähnlichen Preisverband zusammengefaßt sind, mehr und die besseren Betriebe weniger zu zahlen haben. Die heute in der Einkommensteuer verankerte Bestrafung des Tüchtigen mit ihren gefährlichen Folgen für das Leistungsniveau wäre also beseitigt.

S c h i m k e , der innerhalb des Schmölderschen Semi- nars die Frage weiter untersucht hat 2), weist schon mit Eecht darauf hin, daß hierin ein Wandel der Bedeutung des Grundsatzes der Be- steuerung nach der Leistungsfähigkeit zu bemerken ist. Das scheint uns von größter Bedeutung. Man muß die Besteuerung nach der Lei-

1) Vgl. W. Andreae, Die Zukunft der Ertragsbesteuerung unter wirt- schaftspolitischem Gesichtspunkt; Beiträge zur Finanzwissenschaft, heraus- gegeben vonH. Teschemacher (Tübingen 1928), Bd. II, S. 350 ff.

2) P. Schimke, Wandlungen der Einkommensteuer, Diss. Breslau 1940, S. 113.

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 493

stungsfähigkeit (im Sinne von Steuerkraft) von der Besteuerung nach der Leistung (im Sinne des produktiven Einsatzes) trennen und muß sich hüten, beide zu vermengen. Das Bemühen, die größere Steuerkraft stärker zu treffen, darf nicht übergehen in das Bemühen, den produk- tiven Einsatz der Persönlichkeit zu treffen, wie das heute in weitem Maße leider der Fall ist. Wir können es uns auf die Dauer nicht leisten, zwar in der Eassenpolitik mit großer Härte die Tüchtigen zu bevor- zugen, aber in der Finanzpolitik die Untüchtigen. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit muß also seine Grenze fin- den an dem übergeordneten Grundsatz der Steuerfreiheit von Lei- stungen, soweit sie sich über den Durchschnitt erheben. Der vom Beichskommissar für die Preisbildung immer wieder betonte Grund- satz des Schutzes der Differentialrente, soweit diese aus wirklichen überdurchschnittlichen Leistungen resultiert, verdient eine stärkere Verankerung im Steuerrecht.

Diese „echte* ' Differentialrente, die nicht mit einer arbeitslosen Monopolrente zu verwechseln ist, wird aber durch die Veranlagung nach Durchschnittssätzen, Eichtsätzen usw. erstmalig auch in der Finanzpolitik wirksam geschützt. Es werden nicht mehr wahllos alle Einkommen in rein individualistischer Übertreibung nach ihrem Größenbetrage in Eeichsmark verglichen und dieser Größenordnung nach verschieden hoch besteuert, sondern sie werden auf die in ihnen verkörperte Leistung innerhalb der Berufsgruppe des Pflichtigen hin verglichen und die einen höher, die anderen niedriger erfaßt. Besteht ein Berufszweig beispielsweise aus 10 Herstellern, von denen drei sehr hohe Umsätze, die andern aber geringe Umsätze ausweisen, wobei auf etwa einen der drei Hersteller mit hohen Umsätzen wegen geringer Leistung (hoher Selbstkosten) nur mäßige Gewinne entfallen, so kann es sein, daß dieser schlecht verdienende Betrieb die höchste Steuer, prozentual am Einkommen gemessen, bezahlt. Es wird dadurch also nicht nur positiv eine Auslese, sondern negativ eine Art Absterbe- ordnung geschaffen, der vorhandene Bestand an Herstellern also in zweckmäßiger Weise durchforstet, d. h. lebensunwerte Betriebe aus gemerzt. Dieses Ergebnis, am Ideal der Einkommensteuer gemessen, geradezu unerträglich und doch wirtschaftspolitisch durchaus zu be- jahen, ist in Wahrheit ein Vorwurf gegen die heutige überwiegende Veranlagungspraxis, wie sie immer noch bei den großen Einkommen besteht. Es verdiente geradezu die Ausdehnung auf die großgewerb- liche Sphäre, die wegen der Größe ihrer Einkommen davon bisher

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494 Heinrich Rittershausen

wesentlich verschont geblieben ist, hat man doch solche Eichtsätze usw. eigentlich nur mit Eücksicht auf die Arbeitsvereinfachung bei der Viel- zahl der kleinen und mittleren Steuerfälle verordnet. Allerdings fehlt der Steuerbehörde auf dem Gebiete der großgewerblichen Betriebsein- kommen (der Unternehmungen mit hohem Fixkostenanteil) heute das verwaltungsmäßige Material und die kostenpolitische, die ganze Bran- che erfassende Erfahrung, die die preispolitischen Behörden seit langem besitzen (s. u.).

Nächst der Forderung nach Freilassung der Einkommen aus über- mäßiger Leistung ist es ein anderer, gewissermaßen steuerstrategischer Gesichtspunkt, der zu einem Weiterschreiten in der gekennzeichneten Richtung anreizt:

Der Mittelbedarf der gegenwärtigen Staatssysteme ist in Krieg und Frieden so groß, die erreichbare Produktivität der modernen Volkswirtschaften ist so beträchtlich und erweiterungsfähig, daß man oft geneigt ist zu glauben, das heutige Steuersystem entspreche nicht mehr seiner veränderten Umwelt. In den letzten hundert Jahren hat einerseits die innenpolitische, andererseits die sozialpolitische ínteres* senlage und demzufolge Entwicklung ganz einseitig die direkte Besteue- rung der Reingewinne und die indirekte Besteuerung des Verbrauchs betont. Drittens hat man den Umsatz besteuert. Die überwiegende Neigung zur Interessenvertretung anstatt zum wohlüberlegten volks- wirtschaftlichen Handeln im Parlamentarismus war daran keineswegs unbeteiligt 1). Alle drei Steuerquellen sind heute erschöpft, ja, die Steuerschraube erscheint überdreht, was nicht ohne Wirkungen blei- ben kann, wenn nach dem Kriege die hochgespannte Steuermoral einem normalen Verhalten weichen sollte. Die steuerlichen Methoden erscheinen aber nicht allein überspannt, als vielmehr ohne Rücksicht auf gewisse große Veränderungen der wirtschaftlichen Welt festgelegt, die inzwischen entscheidend geworden sind.

Das Steuersystem hat im Grunde noch nicht von der großen Tat- sache Notiz genommen, daß „Wirtschaften* * heute nicht mehr vor- wiegend im bloßen Betrieb von Handwerk und Handel, in der Umsatz- erweiterung bei herkömmlich unveränderten Kosten, sondern über- wiegend in der planmäßigen Herstellung der Wirtschaftlichkeit im Wege von Selbstkostensenkungen besteht. Das Erzielen von Betriebs- gewinn spielt sich heute im Großherstellungsgewerbe in völlig anderer

*) Vgl. S c h m ö 1 d e r s , a. a. 0., S. 207.

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Weise ab als früher. Hier handelt es sich, besonders seit dem Aufbau der gelenkten Wirtschaft, aber im Grunde schon seit dem Aufkommen der neuzeitlichen Fertigungsmethoden, um eine feste Spanne zwischen Lohn und Material auf der einen Seite und dem Verkaufspreis auf der anderen Seite. Beide Seiten sind heute erschöpfend durch die staatliche Preis- und Lohnpolitik festgelegt. Die unternehmerische Tätigkeit, die sich in der Ära der privaten Preispolitik und der privaten Kollektiv- sowie Markenmonopole in Machtkämpfen bewiesen hatte, ist heute fast wie zur Zeit der alten freien Konkurrenz ausschließlich auf die Herabdrückung der Kosten eingestellt, die mit allen technischen und organisatorischen Mitteln und wissenschaftlichen Methoden ange- strebt und erreicht wird. Es muß daher wahrscheinlich nach einer Be- steuerungsmethode gesucht werden, die n i c h t , wie die beiden bis- herigen Methoden, den Konsum durch Wegnahme von Einkom- mensteilen einschränkt, oder den Umsatz erfaßt, sondern aus der Verarbeitungsspanne schöpft.

In Fortsetzung des vorher erörterten Gedankens, das Ergebnis der Mehrleistung freizulassen, ergibt sich zugleich eine direkte Förde- rung der Produktivität, d. h. des Verhältnisses von Sach- und Perso- nenaufwandes zum Ertrag, wenn man die Verarbeitungsspanne an- faßt. Denn genau, wie bei Durchschnittssätzen, Eichtsätzen usw. in der Einkommensteuerveranlagung bleibt dasjenige Mehreinkommen frei, das aus der Mehrleistung fließt. Beide Methoden sind im Grunde in weitem Maße identisch; es ist meist nur sprachlich ein Unterschied, ob ich das „Einkommen* * nach Durchschnittssätzen erfasse (dieser Einkommenbegriff ist dann bereits stark im Sinne der Netto- Gewinn- spanne gewandelt, wie sie einem ganzen Gewerbezweige eigentümlich zu sein pflegt) oder ob ich aus einer Verarbeitungsspanne schöpfe, d. h. eine Fabrikatsteuer von x EM. pro erzeugte Einheit erhebe oder aber y% von den jährlichen Gesamt kos ten (ähnlich der Eohstoff Steuer), beidemals am zweckmäßigsten ohne Eücksicht auf den erzielten Ver- kaufspreis. In beiden Fällen handelt es sich um eine direkte oder Per- sonalsteuer alten Sprachgebrauchs, indem beide Male die festgesetzten Steuerbeträge nach dem Willen des Gesetzgebers nicht überwälzt wer- den sollen, sondern aus dem Eeingewinn zu tragen sind („veranlagte Ausgabebesteuerung** nach Lotz und Ter h a Ile). Die Überwäl- zungsmöglichkeit wird dadurch noch besonders erschwert, daß die rationellen Betriebe weniger Steuer, als die unrationellen zahlen, welch letztere die stärkste Neigung zur Überwälzung haben werden.

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496 Heinrich Rittershausen

Eine solche direkte Besteuerung der Verarbeitungsspanne, wie sie heute im Grunde längst in der Ausbildung begriffen ist, wäre vielleicht einmal geeignet, für die großgewerbliche Erzeugerwirtschaft, die mit hohen fixen Kosten arbeitet, und an die F r i e k e seinerzeit gedacht hatte, auch die Unterscheidung nach Unternehmungsformen {Ein- kommen- oder Körperschaftssteuer, vgl. Schmölders a. a. 0. S. 217) einzuebnen, indem sie für die Besteuerung solcher industriellen Körperschaften viel geeigneter ist, als die bisherigen Formen. Zweck- mäßigerweise würde man da, wo die Kostensumme nach noch zu schaffenden, zum Teil schon vorgebildeten Definitionen die Be- steuerungsgrundlage abgeben soll, die Lohnsumme freilassen, weil diese schon durch die Lohnsummensteuer und die Lohnsteuer belastet ist, welch letztere schon längst weniger eine Einkommen- oder etwa Ertragssteuer, als vielmehr eine teilweise Kostensteuer geworden ist.

Jede solche veranlagte Besteuerung der Verarbeitungsspanne ist heute, wo die Preis- und Lohnbehörden den Überwälzungsprozeß in der Hand haben, in besonderem Maße unabwälzbar. Sie reizt die Pflichtigen dazu an, durch innere Einsparungen, konstruktive Ver- besserungen, Standardisierung, Serienfertigung, Entlassung von ent- behrlichen Arbeitskräften, Kürzung von Aufwand die Steuerlast ein- zuholen. Der Anblick des täglichen Straßenlebens oder etwa die Er- fahrungen der letzten Jahre im Wohnungsbau beweisen, wie verhäng- nisvoll kostensteigernd sich allerorten die Flucht aus dem Einkommen in den angeblich angemessenen oder betriebsnotwendigen Aufwand ausgewirkt hat. Die Versuche der Preis- und Finanzbehörden, den angemessenen oder betriebsnotwendigen Aufwand zu umgrenzen und dadurch im Zaum zu halten, müssen aber verblassen gegenüber den Erfolgen in der Kostensenkung, die gelegentlich die Industrie unter dem Druck von Preisstürzen aufzuweisen gehabt hat ; man denke etwa an die Kostensenkung in der Automobilindustrie seit 1924. Nur das Selbstinteresse der Beteiligten, kraß gesagt, ihre Gewinn- sucht, niemals aber Vorschriften, die von Kommissionen ausgearbeitet sind, vermögen so gewaltige produktivitätsf ordernde Wirkungen aus- zuüben, die wir dringend brauchen, aber mit Hilfe der Einkommen- steuer heutiger Form bisher allzuoft erschlagen haben.

Die Freistellung von Arbeitskräften und Stoffen, vor der man sich früher unklugerweise gefürchtet hätte, wäre heute erwünscht. Es ließe sich noch viel zum Ruhme einer solchen nur in ihren Umrissen angedeuteten direkten Steuer sagen, insbesondere, daß der hemmende

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 497

Charakter der bisherigen direkten Besteuerungsformen in einen positiv fördernden verwandelt wäre, daß es sich also vielleicht um die gesuchte „Produktivitäts"-, besser ,, Paulheitssteuer " handelte, daß die auf echter Leistung beruhende Kapitalbildung frei wäre, so daß die Kapi- talbildung stärkstens ansteigen könnte usw., daß die schwierigen Be- wertungsfragen, die heute die Besteuerung der mit hohen fixen Kapi- talien arbeitenden Unternehmungen nahezu illusorisch machen können, wegfielen, daß internationale Verflechtungen, durch die sich Eiesen- unternehmungen der Besteuerung zu entziehen pflegen, wirkungslos werden, daß die Veranlagung der größten Firmen kaum schwieriger sein würde, wie heute die der Kleinbetriebe usw.

Wenn hier von einer veranlagten Besteuerung der Verarbeitungs- spanne oder der Kosten die Eede ist, so handelt es sich im Grunde nicht mehr um eine Besteuerung der Einkom- men, sondern um eine solche der Ausgaben. Damit wäre eine wichtige Forderung der Wirtschaftspolitik erfüllt, die schon immer Gewicht darauf legen mußte, daß nicht die gesamten Einkünfte besteuert würden, sondern nach der Art der Verausgabung differen- ziert würde, daß also nicht die ersparten, sondern nur die ausgegebenen Beträge besteuert würden, weil sonst die Ein- kommensteuer in zu hohem Maße eine Kapitalbildungssteuer wird.

Fragt man sich, wie sich eine solche Ausgabensteuer nach den Schmölderschen Analysen überhaupt so weitgehend im Eah- men der Einkommensteuer in ihren Vorformen hat entwickeln kön- nen, so muß man sagen, daß die neue „Ausgabensteuer", wie man sie nennen könnte, nur im Eahmen der Einkommensteuer ihre embryonale Entwicklung durchmachen konnte, denn diese bot als veranlagte Steuer die allein geeigneten Voraussetzungen dazu. Inwieweit der Ge- danke der Ausgabensteuer sich einmal auf die nicht gewerblichen Einkünfte würde ausdehnen lassen, wo er ja schon in Gestalt der Frei- stellung einiger Formen der Kapitalbildung (Bauspareinlagen usw.) eine teilweise Verwirklichung gefunden hat, ist hier nicht zu prüfen, weil dem keine preispolitische Bedeutung zukommen würde; hier soll vielmehr nur von einer „veranlagten Betriebsausgabensteuer4 ' in den gekennzeichneten verschiedenen Formen die Eede sein.

Jede Wreiterführung der umfangreichen, in vielen Verordnungen und Erlassen des Eeichsministers der Finanzen bereits festgelegten Tendenz zur Ausgabensteuer, d. h. zur Veranlagung der Einkommen- steuer nach Eichtsätzen usw., die in Zukunft so unausweichlich sein

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wird, wie bisher, setzt eine sehr enge Zusammenarbeit der Finanzpolitik mit der Preispolitik und ihren viel- fältigen Organen einschließlich des Eeichsnährstandes voraus. Wenn sich z. B. die Oberfinanzpräsidenten bei der Festsetzung der Durch- schnittssätze in der Landwirtschaft bisher nicht der Spannen-, Kosten- und Hektar-Umsatzziffern des Eeichsnährstandes, sondern einfach der Einheitswerte bedienten, so ist eine solche Methode noch äußerst primitiv. Eine wirkliche Weiterentwicklung ihrer Methoden zusammen mit erheblicher Steigerung der Produktivität und damit schließlich auf lange Sicht des Steueraufkommens werden die Finanzbehörden in den verschiedenen Gewerbezweigen nur bei enger Zusammenarbeit mit den Preis- und Lohnbehörden erreichen können. Diese allein ken- nen und handhaben die Preise der Vor- und Endprodukte, würden ein etwaiges Ausweichen in die Lohnsenkung rechtzeitig erkennen können, haben den Kostenvergleich zwischen den verschiedenen Herstellern desselben Erzeugnisses in der Hand und können den Finanzbehörden bei der Festsetzung von Kostenprozentsätzen (etwa in Höhe der bis- herigen durchschnittlichen Körperschaftssteuerleistung, die dafür weg- fiele) oder von Einheitsbeträgen an die Hand gehen, ohne dabei die preispolitischen und weiteren wirtschaftspolitischen Wirkungen aus den Augen zu verlieren.

Auf die großen Aufgaben, die hier der Finanzwissenschaft in ver- ständnisvoller Bejahung und Fortentwicklung von der Praxis erson- n( 1er Hilfsmaßnahmen gestellt wird, soll hier nur hingewiesen werden.

5. Die Gewinnabführung des Reichskommissars für die Preisbildung in Verfolg von § 22 KWVO.

In welchem Maße eine solche Neubildung steuerartiger Ein- nahmemethoden in der laufenden Praxis auch auf Seiten der Preis- behörden schon beobachtet werden kann, lehrt ein Blick auf die ,, Ge- winnabführung* * gemäß § 22 KWVO. Hier ist es nicht zunächst das Bedürfnis nach Einnahmebeschaffung gewesen, das diese Neubildun- gen herbeigezwungen hat, sondern maßgebend waren weitreichende wirtschaftspolitische Erwägungen. Insofern kann man diese Einnah- men nicht Steuern nennen; sie stehen vielmehr als „nichtfinanzwirt- schaftliche" den Zöllen und Strafen näher, die auch nicht oder nicht in erster Linie aus Gründen der Einnahmeerzielung erhoben werden.

Daß der Erfolg der Preispolitik stärkstens von den Ergebnissen der Finanzpolitik beeinflußt wird, ist bekannt. Bei großen Staatsaus-

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gaben, die die regulären Staatseinnahmen dauernd stark übersteigen, wäre es eine Illusion, zu glauben, daß es einer energischen Preispolitik gelingen müßte, eine Geldvermehrung dauernd harmlos in einer Ver- größerung der Kassenbestände (Zwangsanleihe) auslaufen zu lassen, ohne daß sich versteckt und offen preispolitische Folgen zu zeigen brauchten. Soll eine solche illusionistische Haltung vermieden werden, so bleibt nur übrig, die für die Finanzpolitik zuständigen Stellen mit der erforderlichen Dringlichkeit auf die Notwendigkeit von Steuer- erhöhungen hinzuweisen. Es kann sein, daß diese Stellen solche Steuer- erhöhungen ablehnen, weil etwa die großen Einkommen schon über- lastet sind und die mittleren und kleinen Einkommen geschont wer- den sollen. Vielleicht werden diese Argumente angesichts der Gefahr unzulänglich sein. Dann wird die Preispolitik, will sie nicht die Flinte ins Korn werfen (wir nehmen an, daß die Art und Dringlichkeit der Staatsausgaben deren Einschränkung nicht zuläßt), versuchen müs- sen, aus ihren preispolitischen Befugnissen heraus selbst die über- mäßige Kaufkraft abzufangen und in die Staatskasse zu leiten. Sie wird etwa feststellen, daß gewisse Preise zu hoch sind, daß aber deren Senkung aus konsumpolitischen Gründen unerwünscht ist und wird den Herstellern an Stelle einer an sich verwirkten Preissenkung eine Abführung des Differenzbetrages an die Steüerkassen vorschreiben. Es wäre auch daran zu denken, solche Beträge in einer Ausglefchs- k a s s e zu sammeln, um aus ihr Zuschüsse zur Fernhaltung kriegs- bedingter Kostensteigerungen an Produktion, Handel und Verkehr zu gewähren, insbesondere bei Gegenständen des lebensnotwendigen Massenbedarfs. Solche Sonderfonds sind jedoch aus Gründen der Haushaltseinheit so unerwünscht, daß ihre Errichtung nur im letzten Notfall in Frage kommen sollte.

Sogar eine sehr einsichtige und aktive Finanzpolitik wird unter Umständen zugeben müssen, ihr Arsenal an Maßnahmen erschöpft zu haben, während der preispolitischen Abschöpfung noch Mittel zu Gebote stehen. Müssen etwa die Einkommen der breiten Masse weiter geschont bleiben, weil die Einkommensteuer, wie oben erwähnt, durch den Konflikt zwischen „Leistungsanreiz* * und der Besteuerung nach der „Leistung" nicht weiter sinnvoll erhöht werden kann und die Ver- brauchssteuern aus Gründen der Preis- und Währungsstabilität nicht erhöht werden sollen, so wäre die Finanzpolitik u. U. zur Untätigkeit verurteilt. Meint man, sie könnte dann noch die größeren und großen Einkommen schärfstens erfassen, so stößt sie ebenfalls auf das Lei-

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Page 25: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

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stungsproblem. Es ist auch hier sehr schwer, zwischen unverdienten „Kriegsgewinnen*

' und wohlverdienten „Leistungsgewinnen4 ' zu un-

terscheiden. Schon die heute in den großen Ländern üblichen Ein- kommensteuertarife greifen, wie erwähnt, im allgemeinen viel zu tief in die Leistungsgewinne und damit in das Leistungsstreben und die produktive Kapitalbildung ein. Die Steuer erfaßt die Einkommen kaltherzig allein nach ihrer Größenordnung verschieden hoch, während eine feinere Methode noch weiter zu differenzieren hätte je nach der Leistung, die sich etwa in der Einkommenshöhe entlohnt fühlen soll.

Eine solche Differenzierung nach Leistung müßte, wenn sie durch- führbar sein soll, auch hier voraussetzen, daß die verschiedenen Leistun- gen verglichen werden. Nur eine Vergleichung verschiedener Lei- stungen kann im Ergebnis zeigen, bei welchem Steuerpflichtigen die wirkliche, daher zu schonende Leistung vorliegt. Insbesondere wird sich oft zeigen, daß Leistung und Einkommenshöhe ganz getrennte Wege gehen. Mittlere Einkommen aus Gewerbebetrieb können aus höchster Leistung fließen und daher Anspruch auf dieselbe Steuer- freiheit stellen, wie sie etwa die Mehrarbeitszuschläge bei der Lohn- steuer (Kriegszuschlag) genießen, während andere gleich große Ein- kommen müheloser Mehrverdienst etwa aus kriegsbedingter Umsatz- steigerung sind und viel zu wenig getroffen werden. Auch das Um- gekehrte kann der Fall sein, und dasselbe gilt für große Einkommen. Die Berücksichtigung des Leistungsmoments in der Einkommensteuer scheitert daran, daß nicht die Einkommen innerhalb einer Branche, sondern die Einkommen aus den verschiedenartigsten Quellen zu- sammenhanglos gewissermaßen innerhalb des Alphabets der Pflichti- gen rein zahlenmäßig verglichen werden.

Es bliebe übrig, von den Einkommen etwa nur diejenigen aus Ge- werbebetrieb ins Auge zu fassen und diese gewerblichen Einkommen branchenweise zu gliedern, um innerhalb jedes einzelnen Gewerbe- zweiges einen Leistungsvergleich durchführen zu können. Hat man z. B. insgesamt 30 Zementfabriken, deren Produktion man unbedingt braucht, um die Nachfrage befriedigen zu können, so ergibt sich inner- halb der Gruppe der Zementhersteller die Leistungsgröße verhältnis- mäßig einfach aus einer alle Hersteller umfassenden Kostenunter- suchung: Je geringer die Kosten, um so größer die Leistung. Daraus ergeben sich aber sofort die Probleme, die in der Preispolitik durch die Erörterung des Grenzbetriebes, des mittelguten Betriebes, der Diffe-

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rentialrente usw. angedeutet und bekannt sind. Liegen z. B. die ge- ringsten Kosten bei 10 RM. pro Gewichtseinheit, der Preis bei 20 EM., so braucht keineswegs ein Betrieb mit 18 EM. Kosten noch einen besonderen Leistungsgewinn, eine aus Leistung fließende Differential- rente von 2 EM. zu beziehen, die steuerlich begünstigt zu werden brauchte. Denn es kann sein, daß der Kartellpreis, um den es sich in den meisten Fällen handeln wird, so hoch festgesetzt werden mußte, weil er „durch Selbstkosten von Betrieben bestimmt war, die nur in- folge der Bindung der Preise oder einer besonderen Beanspruchung ihres Wirtschaftszweiges in Betrieb erhalten oder wieder in Betrieb genommen worden sind" x), oder weil ausreichender Wettbewerb fehlte (im Falle von Einzelmonopolen). In solchen Fällen liegt keine echte leistungsbedingte, daher vom Eeichskommissar wiederholt für schutzwürdig erklärte Differentialrente, sondern eine unverdiente Knappheits-, d. h. Monopolrente vor.

Will die Finanzpolitik also die Einkommen je nach der in ihnen verkörperten schutzwürdigen Leistung verschieden hoch besteuern, so findet sie einen praktisch gangbaren Weg nicht in einem einfachen Vergleich der heutigen Einkommen mit den Vorkriegseinkommen oder einem Durchschnitt aus mehreren Jahren der Vorkriegszeit. Das würde ja voraussetzen, daß jedes im Krieg erzielte Mehreinkommen ein „un- verdientes" Verdienen am Kriege und daher einzuziehen, jedes im Frieden erzielte Einkommen aber legalisiert wäre. Gerade in einem langen Kriege unter wirtschaftlich hochentwickelten Verhältnissen müssen ungewöhnliche wirtschaftliche und technische Leistungen be- lohnt werden, so wie ja auch militärische Leistungen ungewöhnlicher Art in der verschiedensten Form ihre Anerkennung finden. Zugleich sind die im Kriege Leistenden keineswegs immer identisch mit den- jenigen, die in der vorhergegangenen Friedenszeit geleistet haben. Ein zeitlich rückblickender Vergleich ist also wertlos ; daher der leicht vor- hersehbare Mißerfolg der sog. Mehrgewinnsteuern überall da, wo sie versucht wurden.

Um richtige Leistungsmaßstäbe zu bekommen, müßte sich die Finanzverwaltung umfangreiche Kartellabteilungen angliedern und hier nicht mehr den vielfach beschrittenen naheliegenden Weg der Ermittlung von Durchschnittssätzen gehen, sondern Individualkosten ermitteln, die Berechtigung der Preise auf Grund der Grenzkosten

1) Wortlaut aus der Kriegswirtschaftsverordnung vom 4. September 1939, § 25 Abs. 1 und 2 (gekürzt); dieses Gesetz zitiert als „KWVO.".

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und der Beanspruchung des Gewerbezweiges feststellen und so nicht nur die Differentialrenten, sondern innerhalb dieser die berechtigten, d. h. Leistungsbedingten, und die unberechtigten Differentialren- ten unterscheiden lernen. Damit würde sie aber nahezu eine Preis- behörde werden und all das Material nachträglich aufbauen müssen, das in den Preisbehörden nicht nur vorhanden, sondern oft tägliches Gebrauchsgut ist.

Hier hat nun die Gewinnabführung des Beichskomniis- sars für die Preisbildung auf Grund der Kriegswirtschaftsverordnung § 22 (für die nicht gebundene) und § 25 (für die Kartell- und Marken- artikelwirtschaft) ihre Wurzel und wohlverstandene Berechtigung. Sie beschränkt sich im Gegensatz zu den Mehrgewinnsteuern auf die gewerblichen Einkünfte, und sie bemißt den Abschöpfungsbetrag nicht einfach nach einem oder mehreren Vergleichsjahren, sondern nach der Leistung innerhalb des Gewerbezweiges. Wenn auch die zufällig zuerst erschienene Anweisung zur Durchführung des § 22 Kriegswirtschafts- verordnung im Bereich des Handels wieder stark auf Vergleichs- jahre zurückgreift, weil hier der Sonderfall der Unvergleichbar keit sehr ausgebreitet ist, so wird doch auch hier Platz für die Freilassung von echten Leistungsgewinnen geschaffen. So sagt Ziff. 21 : „Beruht der sich nach Ziff. 20 ergebende Abführungsbetrag nachweislich ganz oder teilweise auf höheren Leistungen des Unternehmens, so mindert er sich entsprechend. Als höhere Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist die Erhöhung des Kapitaleinsatzes, des Unternehmerwagnisses sowie echte Eationalisierung anzusehen.' * Alle Kriegsmehrgewinne, die z. B. durch Kostensenkungen erzielt werden, brauchen nicht ab- geführt zu werden. Nach Ziff. 19 kann sogar im Einzelfall die abfüh- rungsfreie Verwendung von Übergewinnen zu Investitionen von den Preisbehörden zugelassen werden.

In der Anweisung für den Bereich der Eeichsgruppe Indu- strie vom 8. März 1941 wird (Ziff. 21) ein Gewinnanstieg freigelas- sen, der mit gestiegenem Kapitaleinsatz oder Wagnis verbunden ist oder, „wenn eine andere Mehrleistung nachweisbar vorliegt". Beson- ders bemerkenswert im Bereiche der Industrie ist (Ziff. 20), daß „Be- trieben mit hohen Kosten nur geringere Gewinne zugestanden werden, als billig arbeitenden Betrieben4 '. Es wird also auch außerhalb der kartellierten Wirtschaft, für die die Anweisung noch zu erwarten steht, verlangt, daß sich der Betriebsführer, eigentlich die quasi Steuer- pflichtigen, über die vergleichsweise Höhe der Kosten innerhalb der

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Konkurrenzbetriebe des engeren Wirtschaftszweiges klar sind. Wer höhere Kosten hat, sich also in seiner Kostengestaltung dem Grenz- betriebe annähert, darf also keine oder keine nennenswerte Differen- tialrente verdienen ; verdient er sie trotzdem, so ist sie nicht nur pro- gressiv zu besteuern, sondern voll an die Finanzkasse abzuführen1). In der Bestimmung heißt es: „Eine Differentialrente wird demnach grundsätzlich zugelassen. Sie darf im Kriege aber nicht in gleicher Höhe wie im Frieden beansprucht werden, da das angemessene Leistungs- niveau im Kriege sehr hoch angesetzt werden muß. Nur ganz hervor- ragende Leistungen eines Betriebes rechtfertigen eine Differential- rente.* *

Es ist weiter bestimmt (Ziff. 22), daß die Organisation der ge- werblichen Wirtschaft mit Genehmigung des Reichskommissars für die Preisbildung Richtpunkte für die einzelnen Wirtschafts- zweige bestimmt. „Mit den Richtpunkten wird", sagt dann Ziff. 23, „der Gewinn bestimmt, der bei einem mit kriegswirtschaftlich an- gemessenen Selbstkosten arbeitenden Betrieb zulässig ist. Die Richt- punkte dürfen nur von Betrieben erreicht werden, deren Kostenlage unter den betriebswirtschaftlich gegebenen Möglichkeiten und im Ver- hältnis zu den anderen Betrieben der gleichen Erzeugung gut zu nen- nen ist. Betriebe mit höheren Kosten dürfen die Gewinnrichtpunkte nicht erreichen. Betriebe, die mit besonders niedrigen Kosten arbeiten, können mit Einwilligung der zuständigen Preisbildungsstelle die Richtpunkte in einem in der Bewilligung zu bezeichnenden Ausmaße überschreiten." Ziff. 24: „Soweit sich Gewinne im Rahmen der Richtpunkte oder in Grenzen der nach Ziff. 23 gebotenen Unter- schreitung halten, sind sie regelmäßig unbedenklich. Das schließt nicht aus, daß im Einzelfall dem schlechten Unternehmen auch der Verzicht auf einen Gewinn zugemutet werden muß . . .". - Dieses schon oben erörterte Richtpunkte- Verfahren dürfte nicht ohne Ein- wirkung der finanzwissenschaftlichen Forschung von den Finanz- auf die Preisbehörden übertragen worden sein.

Das Verordnungswerk des Reichskommissars für die Preisbildung über die Gewinnabschöpfung geht also nicht den einkommensteuer- lich naheliegenden, aber ungangbaren Weg, überall die zugelassenen höchsten Grenz kosten zu bezeichnen, um dann zu sagen, daß die daran ersparten Beträge echte Leistungs-Differentialrenten seien, die

*) Die gezahlten Abschöpfungsbeträge sind bei der Ermittlung des steuer- pflichtigen Einkommens abzugsfähig.

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nicht abgeführt zu werden brauchten. Es werden vielmehr als Pro- zentsätze vom betriebsnotwendigen Kapital *) und vom Umsatz („Bichtpunkte") diejenigen Höchstgewinne festgelegt, die die Betriebe eines Geschäftszweiges infolge ihrer gegenüber dem unbekannten Grenzbetrieb niedrigeren Kosten verdienen dürfen. Damit ist indirekt die Höhe der Grenzkosten bezeichnet. Infolge der hohen Anforderun- gen wird nicht der theoretische oder wirkliche Grenzbetrieb, sondern ein erheblich besserer Betrieb mit dem „angemessenen Leistungs- niveau**, bzw. ein „guter*

* Betrieb als in seiner Gewinnhöhe richtung- gebend hingestellt 2). Dessen Differentialrente (in der durch die Bicht- punkte bestimmten Höhe) soll als durch Leistung verdient von der Gewinnabführung freibleiben. Betriebe mit höheren Kosten dürfen den Bichtpunktgewinn nicht erreichen usw.

Die für die Kartellwirtschaft zu erwartenden Anweisungen und Bichtpunkte werden sich zweifellos auf derselben Linie bewegen. Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß die meisten Unterneh- mungen verschiedene Herstellungen in sich vereinigen, sind nicht ge- ring gewesen. Man hat sich entschlossen, nicht den Gewinn des „Be- triebs**, sondern der Gesamtunternehmung ins Auge zu fassen, also eine Kompensation zwischen Verlusterzeugungen und Überschuß- erzeugungen innerhalb einer Unternehmung zuzulassen.

Die Preispolitik hat es also verstanden, aus ihrem Büstzeug Un- terscheidungen und Begriffe zu entwickeln, die es - ein einmaliger und bedeutsamer finanzpolitischer Vorgang - gestatten, die etwas rohe steuerliche Gewinnabführung in eine leistungsdifferenzierte Ab- schöpfung zu verfeinern. Der Beichskommissar für die Preisbildung hat sich damit das historische Verdienst erworben, in ernster Stunde das politisch letztmögliche zur Erhöhung der Beichseinnahmen getan zu haben. Bemerkenswert ist, daß er von Anfang an die Zahlung der Beträge an die zuständige Finanzkasse verlangt, sich also über die finanzpolitische Bedeutung der Maßnahme niemals im unklaren war. Man wird auch nicht verkennen können, daß derjenige, der diese Maß- nahmen ungeschehen machen möchte, eine untragbar schwere Verant- wortung auf sich nehmen würde. - Wir sehen zugleich, daß beide Be-

*) Definition in LSÖ. Ziff. 28. 2) Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit dem im Preisrecht aufgetre-

tenen Begriff des „mittelguten" Betriebes; diesem waren (in der gebunde- nen Wirtschaft) nur LSÖ.- Gewinne zugebilligt worden; er stand daher dem „Grenzbetrieb" der Theorie näher.

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hörden, Preis- und Finanzbehörden, mit denselben Methoden der Eicht punkte usw. im Begriff sind, finanzpolitisches Neuland von größ- ter Bedeutung zu erschließen, und sich dabei eines neuen zum Teil preispolitischen Begriffsarsenals zu bedienen.

Die erwähnten vom Eeichskommissar für die Preisbildung er- warteten wirtschaftspolitischen Wirkungen der Gewinnabführung sind mehrfache. Zunächst die psychologische Wirkung : Das hierund da anzutreffende Gerede von der Notwendigkeit von Preiserhöhungen, das der Preismoral sehr abträglich ist, ist bereits in den wenigen Wo- chen seit Erlaß der Bestimmungen verschwunden und von einer aus- gedehnten Diskussion der verlangten Preissenkungen verdrängt wor- den. Denn nur für die rückliegende Zeit seit Kriegsausbruch soll ab- geführt werden; für die Zukunft sollen die Preise gesenkt werden, wenn nicht das Gegenteil im Einzelfalle angeordnet wird. Damit ist bereits das zweite wirtschaftspolitische Ziel der Maßnahmen ange- deutet : Den eingetretenen Preissteigerungen, die durch kriegsbedingte Kostensteigerungen verursacht sind, soll eine ebenso starke Welle von Preissenkungen gegenübergestellt werden, damit das Preisbild im Durchschnitt unverändert zu bleiben vermag. Erst das dritte wirt- schaftspolitische Ziel ist, wie erwähnt, das finanzpolitische, indem die abgeführten Übergewinne den Geldumlauf vermindern und zum Aus- gleich des Eeichshaushalts beitragen. Auf die darin liegende Gefahren- verminderung braucht nicht näher eingegangen zu werden.

Nachdem die Gewinnabführung als ein die Finanzpolitik im wei- teren Sinne bereicherndes Mittel erörtert worden ist, bleibt noch übrig, vor überspannten Hoffnungen zu warnen. Der finanzpolitische Ertrag der Maßnahme darf nicht überschätzt werden, was ja schon daraus hervorgeht, daß solche Ziele erst in letzter Linie mitgespielt haben. Ziffernmäßige Angaben sind fast gar nicht zu machen; wenn man durchaus eine Ziffer wünscht, würde das Ergebnis wohl auf sehr viel weniger als eine Milliarde EM. zu veranschlagen sein. - Man könnte einwenden, daß Preissenkungen heute unerwünscht sind, da sie die Kauflust anregen und den Bedarf an Umlaufsmitteln vermeh- ren. Diese Argumente sind genau geprüft worden. Der Gefahr einer geringen Erhöhung der fluktuierenden Kaufkraft steht zunächst die effektive Abführung von Kaufkraft gegenüber, die die Maßnahmen mit hohen Strafandrohungen erreichen. Weiter ist es irrig, von Preis- senkungen eine Anregung der Kauflust zu erwarten, wie sie das theo- retische Schema in übergroßer Vereinfachung zunächst zu versprechen

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scheint. Die Erfahrungen der Jahre 1931 - 82 und 1939 sprechen viel- mehr im Bereiche der Preis p o 1 i t i k für das Gegenteil. Das Volk wird nur durch Preiserhöhungen nervös und zum Kaufen angeregt, nicht durch Preissenkungen. Trotzdem wird man sich darüber klar sein müssen, daß auch die Politik der Preisstabilität mit ihrer beab- sichtigten Kauf kraft erhalt ung kein sanftes Euhekissen ist, wie noch zu erörtern sein wird.

III. Die Auswahl der öffentlichen Einnahmequellen unter preispolitischen Gesichtspunkten. 1. Direkte oder indirekte Steuern?

Die Frage, welcher von beiden Steuerarten alter Einteilung der Vorzug zu geben sei, erhält heute vom Standpunkte der Preispolitik aus eine erhöhte Bedeutung. Mag auch die Überwälzungsforschung festgestellt haben, wie wenig Sicheres sich über die Inzidenzfrage ohne Kenntnis des Einzelfalles sagen läßt, so gilt dieses Ergebnis doch, wie erwähnt, nur für freie Märkte. Sind alle Preise von den Vorprodukten und den Löhnen an bis zu den Fertigerzeugnissen vorgeschrieben, so folgt die Überwälzung wieder dem staatlichen Befehl. Hatte der In- teressentenkampf der vergangenen Menschenalter voreilig angenom- men, die Personalsteuern würden von den besitzenden Kreisen und die Verbrauchssteuern von den nichtbesitzenden Massen getragen1), so kann die objektive Interessenabwägung und der Lenkungswille der heutigen Wirtschaftspolitik tatsächlich diese fast primitiv anmutende Annahme machen.

Es wurde schon gesagt, daß mit der gesetzlichen Kegelung der Überwälzungsverhältnisse, so wirksam und einfach eine solche heute sein mag, die Summe der wirtschaftspolitischen Konsequenzen der Überwälzung noch keineswegs gezogen ist. Da indirekte Steuern Kosten sind, wirkt die Finanzpolitik auf die Preise, und da die Preise die Gewinne bestimmen, bestimmt die Preispolitik in weitem Maße über die Verteilung und die Ergiebigkeit der großen Einnahmequellen des Staates.

Wie äußert sich dieser nicht eben einfache und in seinen Folgen schwer zu überblickende Zusammenhang?

Zunächst wird, jetzt im Kriege z. B., das nächstliegende

*) S c h m ö 1 d e r s , a. a. O. S. 207.

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preispolitischelnteresse dahin gehen, Verbrauchssteuern möglichst unverändert zu lassen, weil deren Erhöhung oder Senkung komplizierte preispolitische Bückwirkungen hätte, und direkte Steuernzubevorzugen. Insbesondere bei Beginn eines Krie- ges, wenn es sich um Erhöhungen von Steuern handelt, während zu- gleich die Preise stabil gehalten werden sollen, wird man es zunächst als der öffentlichen Moral abträglich ansehen müssen, den Privaten Preisstabilität zu befehlen, während zugleich der Staat sie erschüttert, indem er die Erhöhung und die Überwälzung von Verbrauchssteuern, also Preiserhöhungen, befiehlt. Indessen wird ein so einfacher Stand- punkt sich nicht halten lassen.

Der Verzicht auf die preispolitisch zunächst nachteilig erscheinen- den Verbrauchssteuererhöhungen bei Kriegsbeginn würde nämlich dazu zwingen, die direkten Steuern über Gebühr zu erhöhen. Diese sind aber heute in allen wichtigen Ländern auf einer solchen Höhe angelangt, daß man nur noch den Fall außerordentlicher Übersteigerungen, und zwar insbesondere der Einkom- mensteuer in Betracht zu ziehen braucht, indem die andern ohnehin nicht viel einbringen. Die übersteigerte progressive Einkom- mensteuer bedeutet aber, wie erwähnt, heute in vielen Fällen schon nichts anderes als eine auf die persönliche Leistung gesetzte Geldstrafe. Im übrigen kann man sie als eine hochprozentige Besteuerung der Ka- pitalbildung betrachten, wenn man daran denkt, daß die Gewinne aus außergewöhnlichen Leistungen überwiegend nicht konsumiert, son- dern gespart und investiert werden. So gesehen wäre eine kurzsichtige Bevorzugung der direkten Steuern durch die Preispolitik auf lange Sicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf alle die viel- fachen, unermüdlich und durchgreifend wir- kenden Kostensenkungen in der Produktion, die im Laufe der Jahre durch schöpferische Leistung und durch tech- nische Verbesserung zusammen mit Investitionen erreicht werden. Für dn Linsengericht würde die Preispolitik also ein Erstgeburtsrecht verkaufen.

Dazu kommt, daß die Verbrauchssteuern hemmend auf den Konsum wirken und damit im Kriege der Erhaltung der Lager gijnstig sind, die in solcher Situation angestrebt werden muß. Die mit der Auf- erlegung erhöhter Verbrauchssteuern verbundene Preiserhöhung braucht weiterhin keineswegs zu schrecken, weil ja nicht die Vermei- dung der Preiserhöhungen das primäre Ziel war, sondern die Vermei-

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dung von Wuchergewinnen und die Erhaltung der Wirtschaftsmoral. Beide werden zwar durch private Preistreiberei in einem solchen Falle beeinträchtigt, deren Ertrag die Einkommen Einzelner zu auffälligen Kriegsgewinnen anschwellen lassen könnte, nicht aber durch gewollte und der Lenkung dienende Preiserhöhungen einzelner Verbrauchs- güter, etwa des Massenluxuskonsums, deren Ertrag voll der Staats- kasse zufließen würde.

2. Art der Steuersenkungen nach dem Kriege. Sobald nach dem Kriege die Frage der Steuersenkungen auftaucht,

werden sich dieselben Probleme mit umgekehrtem Vorzeichen stellen. Wird die Senkung der indirekten oder die der direkten Steuern am dringlichsten sein? Was nach jedem Kriege am nötigsten ist, ist klar: die schnellste Wiederherstellung der Produktivkräfte, seien es die Kräfte der persönlichen Leistung, die durch ein Übermaß an direkter Besteuerung vom freudigen Einsatz abgeschreckt gewesen sein konnte, sei es die maschinelle Ausrüstung, deren Substrat, das Kapital, durch die direkte Besteuerung vorzeitig weggenommen wird. Daher hätte die Preispolitik aus solchen Gründen Anlaß, nicht die bevorzugte Senkung der Verbrauchssteuern zwecks Verbilligung solcher Artikel, sondern die bevorzugte Senkung der direkten, in ihrer heutigen Höhe und Gestalt produktionsschädlichen Steuern zu verlangen.

3. Der preispolitische Hintergrund der Aufteilung des Sozialprodukts in Konsum und Investition und seine finanzpolitische Bedeutung.

Eine viel wichtigere Gruppe von Zusammenhängen zwischen Preispolitik und Deckung des Finanzbedarfs ergibt sich aber, wenn man die Verwendung des Volkseinkommens, also seine Aufteilung in Kon- sum und Ersparnisse, näher untersucht. Diese ist keineswegs unab- hängig von preispolitischen Einflüssen; dazu kommt, daß die Größe der Sparquote wiederum mehr oder weniger maßgebend ist für die Größe der Investitionsquote.

Soweit Einflüsse von Seiten der Wirtschaftspolitik ausgehen, er- gibt sich, wie wir sehen werden, daß die Beeinflussung der durch die Volksgewohnheiten mehr oder weniger überlieferten Aufteilung der gesamten Einkommensverwendung in Konsum und Ersparnisse viel weniger in der Hand der Steuerpolitik liegt, als das zuerst scheinen könnte. Die Finanzpolitik kann zwar von den für Konsumzwecke so-

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 509

wie auch für Anlagezwecke bestimmten Teilen des Volkseinkommens Beträge abzapfen, diese dadurch einschüchtern oder anregen, und sie kann sie dann dem Verbrauch oder der Investition des Staates zu- führen, sie kann auch durch die Auswahl der Steuerarten und durch das Mittel des öffentlichen Kredits starke Einflüsse ausüben, aber sie kann nicht primär geradezu bestimmen, welche Quote des Gesamt- einkommens verbraucht und welche investiert wird. Hier hat vielmehr die Preispolitik noch vor ihr das wichtigste Wort zu sprechen. Senkt sie die Preise, so „gibt sie damit im Endergebnis große Teile des steuer- pflichtigen Einkommens (ergänze: der Produzenten) frei" x), d. h. sie enthält sie der Finanzpolitik an dieser Stelle vor, um sie vielleicht an anderer Stelle in Form größeren Verbrauchs- usw. Steueraufkommens teilweise oder vermehrt dieser wieder zu überliefern. Hält sie aber die Preise, insbesondere die Konsumgüterpreise, hoch, so beschränkt sie damit so stark wie durch eine sehr hohe - praktisch nicht durch- führbare - Einkommensteuer den Eeallohn, beschränkt also den Ver- brauch, während gleichzeitig durch diese Preishochhaltung die Benten- einkommen, insbesondere die gewerblichen Differentialrenten, sehr hoch steigen und wohl überwiegend der Investition zufließen. Das Um- gekehrte gilt von einer Politik niedriger Warenpreise, insbesondere niedriger Verbrauchsgüterpreise. Ein Blick auf die deutsche Wirt- schaftspolitik seit 1933 erweist die Eichtigkeit dieser Behauptungen, in denen ja das Geheimnis dieser gegenwärtig vielleicht erfolgreich- sten Wirtschaftspolitik der Welt beschlossen liegt.

Die Untersuchung des Zusammenhanges soll mit einem kurzen Überblick über die diesbezügliche Wirtschaftspolitik im letzten Jahr- zehnt begonnen werden. Bis etwa 1930 oder 1931 haben wir eine Pe- riode ausgesprochener Preishochhaltung an den nationalen und inter- nationalen Warenmärkten festzustellen. Bis dahin war durch diese Preishochhaltung und den mit Hilfe von Krediten und Valorisierungen stark, wenn auch künstlich in Gang gehaltenen Absatz dieser teuren Ware die Investition mächtig gefördert worden und hatte international um 1929 einen Höhe- punkt erreicht, der kaum um 1939 überschritten werden konnte. Die hohen Preise hatten also eine künstlich überhöhte Eentabilität vor- getäuscht, die sehr viele Neugründungen, Werkserweiterungen und Eationalisierungen ratsam erscheinen ließ. Wir fragen hier nicht nach

x) S c h m ö 1 d e r s , a. a. O. S. 227.

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der Künstlichkeit und vielleicht Schädlichkeit der Grundlage dieser Politik; es genügt uns zunächst festzustellen, daß sich schon damals mit preispolitischen Mitteln eine riesige Ausdehnung der Investition hatte herstellen lassen. Man muß dabei bedenken, daß die mit den hohen Preisen erzielten Gewinne bei der Finanzierung eine wesent- liche Hilfe waren (Selbstfinanzierung!). Auch ist charakteristisch, daß dabei Preise und Löhne einigermaßen starr blieben.

Von 1931 an brach das Kreditgebäude zusammen, mit dessen Hilfe allein so viele Jahre lang die Valorisierung der großen Welthandels- waren möglich gewesen war. Denn man hatte die Ware ja nicht an reale Käufer veräußert, sondern an Lombardspeicher, die mit Hilfe des Bankkredits großer Eeiche1) immer weiter zu den überhöhten Preisen kauften, ohne wieder zu verkaufen. Dies System brach, mit ihm die Banken. Damit verschwanden die Bankeinleger, die jetzt nicht mehr gewillt waren, ihr Geld zu riskieren, und damit war die finanzielle Quelle der Warenpreishochhaltung verstopft. Mangels Ab- satzes kam die Wirtschaft zum Erliegen ; die Investition sank auf ein Minimum.

Von da an gabelt sich der Weg der Wirt- schaftspolitik der Welt. Die einen Mächte ließen die Preise stürzen, die andern nicht. Die Welt außerhalb Deutschlands bediente sich in letzter Stunde der Mittel der Preissenkung und der Deval- vation zu der längst fälligen Anpassung an die Veränderungen der Produktionskosten. Deutschland aber hat etwa weitere fünf Jahre hindurch die Preissenkung mit oder ohne Devalvation vermieden und auch später, wenigstens formell, die Politik starrer Preise und Löhne weitergeführt. Trotzdem war auch hier eine Anpassung an die tief- greifenden Veränderungen der Produktionskosten unvermeidbar. Man fand in Deutschland die Lösung, indem man wiederum den dritten beweglichen Faktor neben Preis und Lohn, nämlich die Investition, durch umfangreiche staatliche Maßnahmen sehr stark verän- derte. Es wurde also nicht, wie bei der Preissenkung, die Kaufkraft der Konsumenten erhöht, sondern zu den vorhandenen Konsumenten, deren Kaufkraft man unverändert ließ, ein zusätzlicher Biesenkon- sument in Gestalt des Staates hinzugefügt. Da dieser seine Kaufkraft nicht aus Preisverbilligungen herleitete, mußte er sie von anderen neh- mem, und zwar großenteils leihweise. Die dafür benötigte Kapital-

*) Z.B. englischer Großbanken (Kaffeeanleihen!) in Brasilien.

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bildungs- und Kredit quelle wurde in der Vollbeschäftigung der Indu- strien zu überhöht gebliebenen Preisen gefunden. Die durch die Ver- meidung von Preissenkungen übermäßigen industriellen Verdienste wurden durch hohe Besteuerung, wie auch z. T. durch eine zwangs- wirtschaftliche Erfassung des Kapitalmarktes darlehnsweise, in die Hände des Großkonsumenten Staat überführt, der damit weiter so große Aufträge erteilte, daß die Vollbeschäftigung fortgesetzt erhalten blieb. Das Verfahren läuft im Grunde auf eine hohe allgemeine Kon- sumbesteuerung des Volkes im Wege der Preispolitik hinaus, bei wel- cher die Unternehmungen den Steuerinkasso besorgen, die Beträge aber zum Teil nicht unentgeltlich an die Staatskasse abliefern (was z. B. bei den Einkommen- und Körperschaftssteuern geschieht), son- dern dem Staate leihweise im Wege des öffentlichen Kredits verschie- dener Form zur Verfügung stellen. Es liegt hier also weniger eine Poli- tik starrer, als vielmehr überhöhter Preise vor, die aus investitions- politischen und fiskalischen Gründen unternommen wird, und auf deren Grundlage die sehr stark ausgedehnte Investitionspolitik be- trieben wird.

Während also in Deutschland die Preispolitik, was meist wenig erkannt wird, unter gleichzeitiger Anwendung umfangreicher kredi- tärer Apparate - nicht wieder Lombard-, sondern diesmal Anlage- kredit - die Investition auf ein riesiges Volumen brachte, hat man im Auslande dieselben Eeichtümer im Wege gesunkener Konsumgüter- preise den breiten Massen in die Hände gespielt und die Investition ganz außerordentlich abgesenkt, zum mindesten sie nicht oder nur unwesentlich ausgebaut.

Diesen völlig verschiedenen Wegen der Investitionspolitik in Deutschland und im Auslande von ungefähr 1933 bis 1939 entsprechen verschiedeneEntwicklungenderFinanzpolitik hüben und drüben. Hier war besonders seit 1937 ein sehr starker An- stieg der großen Einkommen, d. i. derjenigen aus gewerblichen Differentialrenten, zu beobachten. Diese unterlagen der Einkommens- und der Körperschaftssteuer von je 30 - 40% (bei solchen Einkom- menshöhen), erbrachten also sehr große Steuererträgnisse, während zugleich die nicht von der Steuer erfaßten Beste durch den zentral geleiteten Kreditapparat so gut wie lückenlos mobilisiert und dem öffentlichen Kredit zugeführt werden konnten, da die Warenbewirt- schaftung eine anderweitige Anlage meist verhinderte. Also ein riesen- haftes Ansteigen der Steuereinnahmen (allein bei den Reichssteuern

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von 1933 bis 1940 von 6 auf 27 Milliarden EM.) und ebenfalls Erstar- ken des Kapitalmarkts, der nun anstandslos Milliardensummen in kurzen Abständen übernehmen konnte, während er noch um 1932 zu schwach gewesen war, um 100 Millionen EM. zu verdauen. Im Aus- lande dagegen mäßige Steuereinnahmen, für die ordentlichen Ausgaben ausreichend, aber nichts, um zu investieren, was ja auch nicht in Frage kam, nachdem man die reale Massenkaufkraft durch Waren- verbilligungen so sehr gestärkt hatte, daß ein Aufblühen der Konsum- güterindustrien bei Brachliegen der Investition der Wirtschaftslage dieser Länder Jahr um Jahr das Gepräge gab.

Wir sehen also in beiden Wirtschaftsgebieten eine diametral entgegengesetzte Wirtschaftspolitik, das eine Mal bestimmt durch hohe Investition, das andere Mal bestimmt durch hohen Konsum, in beiden Fällen entstanden durch fast rein preispolitische Maßnahmen. - Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, daß die wirtschaftliche Lage der breiten Massen im Auslande durch jene Politik, die ihr so günstig erscheint, keineswegs besonders nachhaltig gebessert wurde. Denn da die stehen- den Investitionen sich nicht so schnell abbauen und die Gefolgschaften sich nicht so schnell umstellen ließen, behielten die Länder, die sich auf Konsum verlegten, eine so große Arbeitslosigkeit, daß sie den größ- ten Teil ihrer potentiellen Eeichtümer ungenutzt vertan haben. Die schlechte Beschäftigung ihrer Investitionsindustrien ließ auch die

Konjunktur ihrer Konsumgüterindustrien gar nicht recht zur Eeife kommen, so daß die wirtschaftlichen Erfolge dieser Länder recht mittel-

mäßige waren. „Die deutsche Planwirtschaft" hingegen ist vor allem andern die Lehre von der Steuerung der zusätzlichen Kaufkraft, die durch eine Steigerung der nationalen Produktion entsteht, ohne die

Lebenshaltung der Arbeiter wesentlich zu verbessern oder zu ver- schlechtern4 '

*); ist somit der Gegenwert der Produktionszunahme dem deutschen Arbeiter vom rein materiellen Lohnstandpunkt aus betrachtet, „an der Nase vorbeigegangen, so erreichte die Wirtschafts- lenkung doch auf der andern Seite dievollständigeWieder- einglieder ung der über 6 Millionen Arbeits- losen in das Erwerbsleben und die Stärkung der öffentlichen Wirt-

x) Vgl. Dalsgard, Henning, Den tyske Planökonomi, 2. Aufl. Kopenhagen 1940; dem Verf. als hervorragend nur bekannt durch die Bespre- chung von Schmölders in Schmollers Jahrbuch 1941, die ihm während der letzten Niederschrift des Manuskripts zuging.

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schaft für die Aufgaben der Aufrüstung, ohne den Lebenshaltungs- stand des Arbeiters anzutasten" x).

Diese große grundsätzliche Wirkung der Preispolitik auf Investi- tion und öffentliche Finanzierung ist nicht neu. Sie ist in etwas an- derer Form bereits im Weltkriege von 1914 bis 1918 von Deutschland und vielen anderen Ländern in ausgedehntem Maße erprobt worden; zum Teil zum Nutzen, zum Teil zum Schaden der Betroffenen, die sich im allgemeinen zunächst keinerlei Eechenschaft über die preispolitischen Hintergründe zu geben wußten. Man kann sie überhaupt als typische kriegswirtschaftliche Politik ansehen und wird sie daher für eine zukünftige Friedenswirtschaft als dauernde Wirt- schaft spolitische Einrichtung schwerlich in Betracht ziehen können.

Ihre Hauptmängel für eine kommende Frie- denswirtschaft sind, wie schon der Weltkrieg erwiesen hat, daß sie zu einer erheblichen Staatsverschuldung führt, die, wenn zu lange betrieben, wiederum nur auf lange Sicht durch versteckte oder offene langsame Preissteigerungen, d. h. durch Geldentwertung und Zerstörung des Sparkapitals, also der erhaltenden Kräfte der Volks- wirtschaft und des Staates ausgeglichen werden könnte. Wenn auch in der Periode von 1933 bis 1941 in sehr hohem Maße die Besteuerung an die Stelle des öffentlichen Kredits getreten ist, so bleibt doch der Fehler noch in weitem Maße bestehen, wenigstens wenn man das Ver- fahren auf seine Eignung für eine spätere Friedenswirtschaft prüft. Es kommt hinzu, daß auch in dem günstigsten Falle der Besteuerung diese sehr hoch progressiv und generalisierend sein muß, so daß sie keineswegs nur solche Personenkreise erfaßt, die durch unterlassene Preissenkungen, gewonnene Kostendegressionen usw. unverdient be- reichert sind, sondern verschärft auch diejenigen, die sich ihr Einkom- men weiter mühevoll ohne unverdiente Bevorzugungen verdienen, so- wie die Vermögensbesitzer. Hierdurch würde bei dauernder Fort- setzung im Frieden ein unheilvoller proletarisierender Einfluß ausgeübt.

Ein weiteres, ebenso schwerwiegendes Argument gegen die Poli- tik dauernder hoher Preise bei Hochhaltung der Investitionen ist die Schädigung der persönlichen Leistung des Technikers und Wirtschaf- ters und damit des technischen Fortschritts überhaupt, soweit sich dieser nicht auf die Verfeinerung, sondern auf die Verbilligung der Produktion richtet. Wer nämlich durch Preissenkungen unerbittlich

*) Vgl. eben diese Besprechung S. 1.

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gezwungen wird, seine Kosten zu senken oder aber seinen Betrieb zu schließen und unterzugehen, wird mehr und härter arbeiten und mit größerem Eifer technische Fortschritte in dieser Eichtung auf- spüren und heranziehen, als derjenige, der trotz aller Fortschritte und Kostensenkungen seine Preise im wesentlichen auf der alten Höhe er- halten kann. Ja, er wird, wenn er seine großen und übermäßigen Ge- winne in Staatspapiere anlegen oder sogar als Steuern wieder weg- geben soll, bemüht sein, künstlichen Aufwand treiben, Verlustbetriebe mitzuschleppen, Kationalisierungen zu vermeiden und möglichst hohe Selbstkosten, also möglichste ßückständigkeit in technischer Be- ziehung auszuweisen. Er kann damit Steuer- und Anleihzahlungen vermeiden, sich bei den Arbeitern beliebt machen und einen bequemen Lebenswandel fortsetzen. Eine solche Zerstörung des Leistungsan- reizes in der Volkswirtschaft kann im Kriege eine Zeitlang durch ideale Motive und Tradition hintangehalten werden, bedeutet zugleich wäh- rend des Krieges eine sehr elegante und leichte Methode der Steuer- und Krediteinziehung für den Staat durch überhöhte Preisstellungen bei entsprechender Gewinnbesteuerung, ist aber friedenswirtschaftlich angesichts der Konkurrenz überseeischer Großraumwirtschaften in der Welt untragbar.

4. Niedrige Preise zwecks Verminderung der Investition als Demobilmachungsmaßnahme.

Wir kommen damit zu der Erörterung der Preispolitik in einer zukünftigen Epoche langdauernder Friedenswirtschaft, deren finanz- politische Bedeutung nach dem Gesagten erheblich ist. Zwei Fragen sind in erster Linie zu erörtern : zunächst die Alternative, die sich nun auftut : ob stabile Preise oder stabiler Beschäftigungsgrad vorzuziehen sind ; sodann die Durchführung der Preissenkungen im einzelnen, wie sie aus Gründen der gesamtwirtschaftlichen Elastizität sich im Frieden als notwendig erweisen.

Lehnt man für eine kommende Friedenszeit die Methode der Preishochhaltung ab und hält man sich vor Augen, daß der technische Fortschritt und die Neuverteilung der wirtschaftlichen Kräfte in der Welt doch eine stete Anpassung, also ein „Ventil" erfordern, so bleibt folgende Alternative allein übrig: entweder variable Investition, demnach variable Beschäftigung und stabile Preise und Löhne; oder stabile Beschäftigung und unveränderte Investition bei va- riablen Preisen. Beim Festhalten von Löhnen, Preisen und In-

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vestitionsquote können sich die wirtschaftlichen und technischen Datenveränderungen, insbesondere Rationalisierungen, nur in einer Veränderung des Beschäftigungsgrades auswirken, d. h. praktisch nur in Überlastung oder in Arbeitslosigkeit. Schraubt man also das Ventil „Investition* * zu, hält man also eine unveränderte Investitionsquote fest, so wird der Beschäftigungsgrad das Ventil, d. h. er reagiert dann allein und in extremer Weise. Die Unternehmungen mögen sich durch private Preishochhaltung damals scheinbar gegen Krisenfolgen (Folgen von Veränderungen der wirt- schaftlichen Gegebenheiten) geschützt haben. Heute könnte eine starre Preispolitik vermeinen, ihnen denselben „Schutz" bieten zu müssen. Schon werden die Arbeitslosen das alleinige Opfer. Wünscht man eine solche Arbeitslosigkeit zu vermeiden, die von der Demobilmachung an wieder ein großes Problem bilden kann, und will man die Investition nicht weiter erhöhen, so muß man die Warenpreise senken. Die Preise werden damit in der gelenkten Wirtschaft zudem beweglichen Faktor, dessen die Wirtschaftspolitik unter allen Umständen bedarf, wenn die Zusammenarbeit der Produktiv- kräfte erhalten werden und der Beschäftigungsgrad der gesamten Wirtschaft weiterhin ein gleichmäßig hoher bleiben soll.

Kommt man also dazu, für die Übergangswirtschaft Preissenkun- gen zu verlangen, mit all ihren finanzpolitischen Konsequenzen (Min- dereinnahmen der direkten Besteuerung aus den großen Einkommen, Abbau des öffentlichen Kredits), so fragt sich, welche Art von Preis- senkungen zweckmäßigerweise angewandt werden sollen:

Geht man von einem unveränderten nominellen Lohnniveau, also von einer Festlohnpolitik aus, so bedeutet jede allgemeine Preissen- kung, ja sogar jede branchenweise Preissenkung eine Verminderung der Investition. Je höher das Preisniveau, um so größer die Investi- tion, um so stärker also die Verlagerung der volkswirtschaftlichen Tä- tigkeit aus der Konsumgütersphäre in die Erstellung langlebiger Ge- brauchsgüter x) ; je niedriger das Preisniveau, um so geringer die In- vestition und um so höher der Konsum. Diese Sätze gelten selbstver- ständlich nur als Tendenzen. Ein niedriges Preisniveau z. B. bringt keineswegs die Investition zum Verschwinden; es wird vielmehr oft nur die Spartätigkeit aus der Schicht der Unternehmer in die Schicht der Konsumenten verlagert. Ist es infolge hoher Preise der Produzent,

*) Im Kriege: in die Erstellung von Rüstungs-Konsumgütern.

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der übermäßige Gewinne erzielt, so ist es zunächst sehr wahrschein- lich, daß er bei sich selbst investiert; noch wahrscheinlicher ist es, daß ihm die Wirtschaftspolitik die hohen Preise nur gewährt, um ihm seine hohen Gewinne wegzusteuern, ihn also als eine Art Steuerein- nehmer zu benutzen, und sogar um ihm auch den Eest im Wege des öffentlichen Kredits zu entziehen. In diesem Falle wird es der Staat sein, der investiert, so daß gesamtwirtschaftlich ähnliches erreicht ist, als wenn die privaten Unternehmer ihrerseits investieren. - Ist es jedoch infolge niedriger Preise der Konsument, dem eine hohe Kon- sumentenrente zufällt, der also ein besonders großes Eealeinkommen hat, so ist die Verwendung dieser Mittel zur Investition zwar weniger wahrscheinlich, aber keineswegs ausgeschlossen. Es kommt auf die Lebensgewohnheiten, den Hang und die Gelegenheit zum Sparen, die Art der Besteuerung usw. an. Betrachtet man die bedeutenden Ziffern der Spareinlagen in den Großstaaten der Gegenwart, so sieht man, daß insbesondere sehr langsame und stufenweise Preissenkungen, wie sie in den letzten hundert Jahren auf weiten Gebieten zu beobachten waren, die Sparkraft und den Sparwillen der Bevölkerung in weitem Umfange zu steigern vermögen. Soweit gespart wird, wird auch wieder investiert, da das Sparen nur ein auf dem Umwege über die Geld- anstalten vollzogenes indirektes Investieren ist, wenn man von gewis- sen Möglichkeiten der „ Selbst deflation" *) absieht.

Betrachten wir nunmehr die Mittel der Preispolitik zur Vermin- derung insbesondere der öffentlichen Investition im einzelnen: Wir müssen in einer kommenden Nachkriegsperiode in erster Linie davon ausgehen, daß bis zum letzten Kriegstage eine ganz auf die Spitze ge- triebene kriegswirtschaftlich bedingte Investition geherrscht hat, mit der eine ganz außerordentliche Einschränkung des Konsums Hand in Hand gegangen ist. Diese übertriebene Investition 2) und diese über- mäßig eingeschränkte Konsumtion aufrechtzuerhalten, besteht dann kein Bedürfnis mehr. Solange man sie hat, lassen sich aber die Massen der Heimkehrer nicht in den Konsumgüterindustrien unterbringen. Die geeigneten wirtschaftspolitischen Mittel zur Umsteuerung, d. h. zur Verminderung der Investition und zur Erhöhung der Konsumgüter- erzeugung und des Konsums sind alsdann die Preispolitik und die Zins- politik, von denen hier nur die erstere erörtert werden soll. Jede all-

*) Diese habe ich im Jahre 1930 in meinem Buche „Arbeitslosigkeit und Kapitalbildung", Jena, dargestellt.

2) die im Kriege einem öffentlichen Groß-Konsum sehr nahesteht.

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gemeine Preisherabsetzung, insbesondere auf dem Konsumgütergebiete, vermindert direkt die Investition, indem die Unternehmungen weniger verdienen und daher weniger Steuern zahlen und Guthaben ansammeln können, und erhöht zugleich die Massenkaufkraft und damit den Kon- sum. Preissenkungen müssen daher als das ganz große Mittel einer vorausschauenden Demobil- machungspolitik angesehen werden. Sie sind gründ- lich zu durchdenken und auf lange Sicht sorgfältig vorzubereiten.

Was die Durchführung der Preissenkungen im einzelnen angeht, so hat die Preispolitik an die Stelle des Preisdrucks durch die Konkur- renz in der ungesteuerten Wirtschaft zu treten; die Preispolitik hat auch die Möglichkeit, auf gewisse Einzelgebiete den Wettbewerb wieder einzuschalten und zu fördern, um ihre Ziele indirekt und unauffällig, aber vielleicht um so wirksamer zu erreichen.

Der zweckmäßige Einsatz des Wettbewerbs auf einzelnen preis- politischen Gebieten ist früher erörtert worden. Die Konkurrenz ist eine brutale Gewalt, deren Wirken nur von ganz großen Gesichtspunk- ten aus gutgeheißen werden kann, während sie von jeder kleinen Per- spektive aus leicht verurteilt werden wird. Dasselbe gilt von jeder auf die Erhöhung der Konsumquote abgestellten planmäßigen Preispolitik. Wie die Konkurrenz hervorragende und technisch überlegene Produk- tionsbetriebe, die vielleicht erst kürzlich erbaut worden sind, rück- sichtslos umwirft und der Verschrottung zuführt, nur weil inzwischen noch bessere Verfahren gefunden worden sind, oder weil der Absatz, die Eohstoffe, der Kredit usw. des Herstellerbetriebes den Anforde- rungen nicht genügen, so darf auch eine solche Preispolitik vor nichts zurückschrecken, wenn sie nicht riskieren will, überhöhte Preise bei gestoppter Investition zu konservieren und damit eine völkerzerstö- rende Arbeitslosigkeit heraufzubeschwören, die womöglich äußerlich durch Ausführung allerlei unwirtschaftlicher Arbeiten verdeckt wer- den müßte.

Ist also z. B., wie in der amerikanischen Ölindustrie um 1938, mit einem Investitionsaufwand von Hunderten von Millionen Dollar ein großer Teil der Benzinerzeugung gerade auf ein neues wirtschaftliche- res Verfahren umgestellt und wird ein noch wirtschaftlicheres Verfah- ren angeboten, so wird man nicht zaudern dürfen, die Preise zu senken und die Anwendung des neuen Verfahrens zu erzwingen, wenn auch da- durch scheinbar große volkswirtschaftliche Werte nutzlos vergeudet werden. Mit wenig Schlagworten wird mehr Mißbrauch getrieben, als

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mit dem von der Erhaltung des Volks Vermögens. Eine Erzeugungs- stätte, die teuer erzeugt, bildet keinen Bestandteil der produktiven Kräfte der Nation, sondern eine unproduktive Bremse der Entwick- lung, auch wenn sie neu und konstruktiv hervorragend ist.

Die zur Verminderung der Investition eingesetzte Preispolitik darf im übrigen die Preise nicht wahllos, sondern muß in feiner De- tailarbeit die Preise überall da senken, wo der bisherige Stand der Kosten oder aber neue technische Verbesserungen solche Ermäßi- gungen angezeigt erscheinen lassen oder wo erst durch Preis- senkungen andere Absatzziffern und andere Kostengrößen erreicht werden können.

Angesichts der Gefahr großer und dauernder Arbeitslosigkeit in einer unelastischen, unzweckmäßig gesteuerten Demobilmachungs- wirtschaft kann die Eichtschnur der Preispolitik, d. h. die Frage nach dem allgemeinen Ausmaß der erforderlicheil Preissenkungen im wesent- lichen nur mit dem Hinweis auf den Betrag der dann etwa noch vor- handenen Arbeitslosigkeit bzw. der absichtlich unwirtschaftlich ange- setzten Arbeit beantwortet werden. Ist die Kredit- und Zinspolitik richtig und arbeiten die übrigen Sektoren der großen Wirtschaftspoli- tik zweckentsprechend, so deutet jedes Andauern beträchtlicher Ar- beitslosigkeit usw. darauf hin, daß man die Preise nicht genügend ge- senkt hat. Wie in den Jahren des Sieges über die Arbeitslosigkeit als Bichtschnur der Kredit- und Investitionspolitik des Bestand an rest- lichen Arbeitsuchenden eine entscheidende Bolle spielte, wie also die Kreditexpansion aufhören mußte, als Arbeitskräfte und Produktions- mittel nicht mehr verfügbar waren, so darf auch bei der Umstellung von Investition auf Konsum die Preissenkungspolitik voraussichtlich erst dann eingestellt werden, wenn eigentliche Dauer-Arbeitslosigkeit offen und versteckt nicht mehr auftritt.

Nur durch eine derartige Umkehrung der seit 1933 befolgten Preis- und Investitionspolitik kann überhaupt erst die gesamtwirtschaft- liche Grundlage für den Übergang der Finanzpolitik von der Kriegs- finanzierung zu ihren normalen friedenswirtschaftlichen Aufgaben er- reicht werden. Die gesamte finanzpolitische Vorausplanung muß sich auf die zu erwartenden preis- und investitionspolitischen Wendungen einstellen; nur dann wird sie hinsichtlich der Steuerpolitik, der Aus- wahl der Steuern und der Einbeziehung des öffentlichen Kredits von vornherein dasBichtige greifen können. Denn, wie gesagt, den Vorrang vor der Finanzpolitik hat die Preispolitik. S i e bestimmt zuerst, wie

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das gesamte Volkseinkommen auf seine verschiedenen Verwendungen aufgeteilt werden soll, und erst davon hängt es ab, ob die Besteuerung oder die Anleiheaufnahme die größere Ergiebigkeit hat, wieviel über- haupt ohne Mühe durch Steuern weggenommen werden und umge- lenkt werden kann.

Angesichts der großen Bedeutung des Zinses für den öffentlichen Kredit soll hier noch anhangsweise eine zinspolitische Frage erörtert werden, die bei diesen Preissenkungen akut wird, und die besser hier, als bei der späteren Behandlung des öffentlichen Kredits ihren Platz findet. Es handelt sich um das Verhältnis der preispoli- tischen zur konkurrierenden z in s p o 1 i t i s c h e n Methode bei der Verminderung der Investitionen.

Wir haben hier stets einfach vom Einsatz der Preispolitik zwecks Verminderung der Investition gesprochen. Welche Bedeutung dabei die Zinspolitik hat, soll an anderer Stelle erörtert werden. Über die dal ei entstehenden Zusammenhänge zwischen Preis- und Zins poli- t i k liefert die Wissenschaft keine nennenswerten Erkenntnisse. Es sei daher gewagt, an dieser Stelle noch unbegründet einen Gedanken zu erwähnen, der die selbständige, aber ganz verschiedene Bedeutung beider wirtschaftpolitischen Methoden beleuchtet :

Die Preissenkung vermag in erster Linie die Staats investition zu vermindern, die Zinserhöhung dagegen vermindert die P r i v a t - investition. Die erstere Behauptung ergibt sich zwanglos aus der ein- gehend und wiederholt erörterten Eigenschaft der Politik hoher Preise, daß sie nämlich den Konsum drosselt und die Gewinne der Unterneh- mungen und damit deren Steuerleistung steigert. Zum mindesten gilt unsere These für Zeiten höchst angespannter direkter Besteuerung. - Unser zinspolitisches Mittel der Investitionshemmung: die Zins- erhöhung, wirkt aber, da der Fiskus wenig kalkuliert, fast nur auf die private Investition. Das Umgekehrte gilt von einer Zinssenkung.

So haben wir voraussichtlich bei einer kommenden Umstellung von der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft in der gleichzeitigen Anwendung von Preissenkung und Zinssenkung eine erwägenswerte wirtschaftspolitische Kombination, um einerseits die Staatsinvestition zurückzudrängen und die Konsumgüterindustrie zu beleben, andererseits aber doch zugleich die private Investition zu fördern. Bei gleichzeitiger Anwendung beider Mittel der Wirtschafts- politik würde der Fehler vermieden werden, daß eine bisher sehr stark ausgedehnte Investition übermäßig eingeschränkt, zugleich aber

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Produktionsmittel in den Konsumgüterindustrien fehlen würden. Die auf einen normalen Stand heruntergebrachte Beschäftigung der In- vestitionsindustrien würde vielmehr zugleich umgestellt werden auf den Wohnungsbau und die Ausrüstungsbedürfnisse der Konsum- güterindustrien. Es wäre durch eine solche kombinierte Methode also möglich, Arbeitsbeschaffung in dem Konsumgüter- und in dem Kapitalgütersektor der Volkswirtschaft gleichzeitig zu treiben. Die Anwendung der Methode wird durch die schon im Kriege angebahnte Zinssenkung erleichtert.

IV. Preispolitik und steuerliche Ergiebigkeit.

1. Fernwirkungen überhöhter Preise. Kostenkompensationen als Quelle unerkannter Verschwendung.

Auch mit diesen Darlegungen, die der Kürze halber nur über- schläglich gemacht werden konnten, ist die Eeihe der Wirkungen und Fernwirkungen, die bei dem Zusammenspiel von Preispolitik und Finanz- politik beachtet werden müssen, noch nicht beendet; bisher war nur über die Einwirkung der Preispolitik auf die Verteilung der öffentlichen Einnahmequellen das Dringendste gesagt; es bleibt noch die Einwirkung der Preispolitik auf die Ergiebigkeit der Steuerquelleh zu erörtern.

Es soll hier nicht von der wichtigen, durch Beste 1) wiederholten Feststellung ausgegangen werden, daß die Fertigindustrie durch über- höhte Monopolpreise der Eohstoffe in eine ungünstige Kostenlage hineinkommt. Diese Fragen werden vielmehr in Zusammenhang mit der Außenwirtschaft zu erörtern sein. Hier soll vielmehr auf die Tat- sache hingewiesen werden, daß hohe Preise ebenso wirken, wie die Verteuerung der betreffenden Waren durch Zölle oder Verbrauchs- steuern. Eine Preispolitik, in der Vergangenheit oftmals die private Kartellpolitik, die auf weiten Gebieten überhöhte Preise schafft oder erhält, kann daher in ihren Auswirkungen ähnlich beurteilt werden wie die Einführung von indirekten und Verbrauchssteuern in densel- ben Warenarten.

Durch derartige überhöhte Preise werden die Einkommen vor- belastet. Da die Einkommen aber letzten Endes die einzige Steuer- quelle bilden, die dem Staat zur Verfügung steht, müssen sich diese

!) Vgl. Der gerechte Preis, Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft, 1940, S. 98.

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Steuerquellen als weniger ergiebig erweisen und sich frühzeitiger er- schöpfen, als bei einer anderen Preispolitik. Der Steuerpflichtige, des- sen Eealeinkommen schon durch die Höhe des Preisniveaus ein sehr viel geringeres ist, kann keine große Steuerkraft mehr entfalten. Die Finanzkraft, damit auch die Wehrkraft einer solchen Nation erreicht daher ihr Maximum viel früher, sie bleibt geringer, als bei anderen Nationen. Nicht der Fiskus ist es, der die Steuer einkassiert, sondern es sind die privaten Erzeuger, denen der Ertrag dieser Quasisteuer in die Hände fällt. Wir werden damit erinnert an die in Frankreich vor 1789 entwickelt gewesene Steuerpächterei, durch welche ebenfalls die Steuerkraft des Landes geschwächt, die Steuerpflichtigen daher über- lastet wurden, was damals nicht ohne politische Konsequenzen blieb.

Allerdings wird die der Bevölkerung durch die Überhöhung der Preise vorenthaltene Kaufkraft von den Herstellern der Ware, in einem häufigen Falle also von den Mitgliedern der Kartelle vereinnahmt und hier Gegenstand der Besteuerung. Bei außerordentlich hohen Körper- schafts- und Einkommensteuersätzen und bei starker Progression kön- nen sich hieraus doch wieder sehr bedeutende Steuererträge ergeben, so daß die Methode etwa im Kriege bei Vorhandensein von Kriegs- zuschlägen doch ganz brauchbar erscheint. Während nämlich die dem Fiskus verloren gehenden Beträge bei den Tausenden von einzelnen Steuerpflichtigen pro Kopf gering sind und nur in ihrer Summation bedeutend werden, kommen sie in den Übergewinnen der vollbeschäf- tigten Großiirmen, welche aus der Preishochhaltung Nutzen ziehen, konzentriert zusammen. Während sie dort nur den geringen Steuer- sätzen für kleinere und mittlere Einkommen und den Verbrauchs- steuern ausgesetzt sind, fallen sie hier unter sehr hohe Steuersätze, die 40% und mehr ausmachen.

Aber eine so optimistische Betrachtung der modernen Form von privater „ Steuerpächterei*

* *) auch in der Friedenswirtschaft der Zu- kunft würde den Tatsachen doch nicht ganz gerecht werden. Fragen wir zunächst, wohin die Milliardeneinnahmen aus künstlich überhöhten Preisen letzten Endes fließen? Es kann sich unter Umständen um Milliardenbeträge handeln, wenn man die außerordentliche Streuung in den Selbstkosten der Betriebe und die durch die Preispolitik etwa begünstigte Übersteigerung der Differentialrenten berücksichtigt. Blei- ben diese Beträge in der Industrie wirklich als Eeingewinne übrig und

*) Näheres darüber unter Abschn. VI: Preispolitik, öffentlicher Kredit und Staatsschuldenwesen.

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für die Investition und die Steuerabschöpfung des Staates verfügbar ? Nein, der Hauptteil von ihnen wird vielmehr durch Verluste an ande- rer Stelle wieder vergeudet, noch bevor er sichtbar wird, unterliegt also überhaupt nicht der Besteuerung. Mit den Verlusten ist hier nicht nur ein sehr häufiger zu großer Aufwand für Leitung, Generalunkosten usw. gemeint, der sich in Unternehmungen mit mühelosem Verdienst einzustellen pflegt. Es muß vielmehr darauf hingewiesen werden, daß fast alle Industriefirmen nicht einen, sondern mehrere Gegenstände herstellen, wobei sie an einigen der Artikel verdienen, an anderen zu- zusetzen pflegen. Der Hauptteil des Eeinertrages einer solchen übermäßigen Belastung des Vol- kes durch hohe Preise geht also durch „K ompen- sationen" in den Betrieben und in den sogenann- ten Konzernen verloren. Selbst Industriegesellschaften, die nur ein Erzeugnis herstellen, pflegen der Versuchung nicht wider- streben zu können, ihre Mittel in allerlei fremden Gewerben festzu- legen, um dort ihr Glück zu versuchen; selbstverständlich meist mit negativem Ergebnis. Die Statistik des Aktien-Pakethandels und der Konzernbewegung der letzten zehn Jahre spricht eine beredte Sprache.

Man würde daher eine der größten Quellen unerkannter volks- wirtschaftlicher Verschwendung verstopfen, wenn man die Kompen- sation innerhalb der Betriebe auf das berechtigte Maß beschränken könnte. Das richtige Mittel zu diesem Ziele ist wohl, die Quellen zu verstopfen, aus deren Ergiebigkeit fortgesetzt Verlustproduktionen mitgeschleppt werden können. Eine solche Beschränkung der Gewinne auf Verzinsung und echte Leistungsprämie vermag nur eine zweck- mäßige Preispolitik zu gewährleisten. Eine Bewegung zur Konzentration der gewerblichen Betätigung in den ergiebigsten Be- triebsstätten würde damit gefördert werden. Allein hierdurch könnten Ersparnisse in der Größenordnung von Milliarden erreicht werden.

Hiernach wird wohl ein Einfluß der Preispolitik auf die steuer- liche Ergiebigkeit eines Landes nicht bestritten werden können.

In ähnlicher Weise ist der angebliche Subventionsbedarf zu unter- suchen, der häufig bei einzelnen Preisen auftritt. Wenn z. B. in den nordeuropäischen Industriestaaten landwirtschaftliche Erzeugnisse im Preise künstlich erhöht werden müssen, so wird man oft feststellen können, daß der Subventionsbedarf nur die Folge übermäßiger Be- steuerung der Landwirtschaft ist. Eine Zeit, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen der gebundenen, für die Dauer der Jahrhunderte

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wirksamen ländlichen Betätigung und dem risikoreichen, aber gewinn- versprechenden Stadt- und Industrieleben erkannt hat, muß unter Umständen die steuerliche Gleichmacherei zwischen Industrie und Landwirtschaft ganz aufgeben und die Steuern auf die Landwirtschaft in viel größerem Maße vermindern oder beseitigen, als das bisher der Fall gewesen ist. Sonst zieht eine schlechte Maßnahme eine noch schlimmere nach sich: eine übermäßige Besteuerung der Landwirt- schaft, die aus dem gesunden Ertrag der landwirtschaftlichen Arbeit nicht bezahlt werden kann, erfordert zu ihrem Ausgleich die künst- liche Überhöhung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die wiederum zu einer Verminderung der Eealeinkommen der städtischen Bevölkerung führt, durch welche das Steueraufkommen des Fiskus so- fort wieder um den Betrag der Steuerleistung der Landwirtschaft ver- mindert wird, wenn nicht um mehr. Daß eine solche Überteuerung der gewerblichen Erzeugung letzten Endes nicht ohne Eückwirkung auf Außenhandel, Währung und Eohstoffversorgung bleiben würde, braucht hier nur angedeutet zu werden.

Anhang: Preis- und finanzpolitische Behandlung der wirtschaftlichen Folgen technischer Fortschritte.

Ein besonderes finanzpolitisches Problem, das nicht ganz hierher gehört, aber im Zusammenhang mit der Investition erörtert werden muß, besteht noch darin, daß die Fortschritte der Technik, wie Hero M o el 1er festgestellt hat *), kaum aufzuhaltende Senkungen der Sach- güterpreise im Gefolge haben, die eine langsame, aber nicht immer er- wünschte Erhöhung des Geldwerts im Gefolge haben. Man könnte nun versuchen, durch steuerpolitische Mittel die Kosten der Pro- duktion an gewissen Stellen zu verteuern, so daß die Preisermäßigungen unterbleiben, oder den von den Geldgläubigern erlangten Vorteil weg- zusteuern. Solche zusätzlichen Steuererträgnisse könnte man zum Nut- zen der Volksgesamtheit verwenden.

Abgesehen davon, daß durch solche Maßnahmen die an sich schon überall latent vorhandenen fortschrittsfeindlichen Kräfte ganz über- mäßig verstärkt und damit die technische Entwicklung stillgelegt wer- den könnte, muß gesagt werden, daß es auf die Verwendung die- ser Steuermittel in den Händen des Staates ankäme. Verwendet der

1) In: „Der gerechte Preis", Schriften der Akadeiie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft, 1939, S. 187-196.

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Staat so erzielte zusätzliche Einnahmen produktiv, so sind weitere Tendenzen zu neuen Preissenkungen unvermeidlich und das Problem stellt sich an anderer Stelle ein zweites Mal. Verwendet er sie unproduk- tiv, so wird das Ergebnis des in Gang gebrachten technischen Fort- schritts gleich wieder verschwendet. Es wäre dann u. U. einfacher, solche Fortschritte gar nicht erst zum Entstehen kommen zu lassen.

Ein gewisser auf lange und längste Sicht auftretender Zusammen- stoß zwischen Preispolitik und Währungspolitik läßt sich also mit steuerpolitischen Mitteln nicht vermeiden ; der Gegensatz ist vielmehr am gegebenen Orte auszutragen.

V. Die Preispolitik angesichts von Haushaltsdefiziten.

1. Beschäftigungsgrad. Hergang der Expansion. Bei ausgeglichenem Staatshaushalt wird im allgemeinen eine

große Gruppe von Einwirkungen von der Finanzpolitik auf die Preis- politik, wie auch umgekehrt, überhaupt nicht vorhanden sein. Diese Lage war es, die man zumeist in der früheren, oft allzusehr verein- fachenden Lehre als gegeben annahm. Nun pflegt aber der größte Teil der Lebensdauer der Staaten finanziell von Defizitjahren ausgefüllt zu sein; die Preispolitik der meisten Länder hat daher fast fortgesetzt mit unausgeglichenen Staatshaushalten zu rech- nen.

1. Fällt eine solche Defizitwirtschaft mit mangelnder Be- schäftigung der Industrie und Landwirtschaft zusammen, so ist sie anders zu beurteilen x), als bei Vollbeschäftigung. Bei geringer Beschäftigung der Wirtschaft bewirkt die zusätzliche Kaufkraft, die die Finanzpolitik ausstreut, keine Preissteigerungen, sondern eine bessere Beschäftigung, d. h. eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Produktionskapazitäten. Die damit verbundene Arbeitsbeschaffung vermindert zugleich die Unterstützungslasten von Staat und Gemein- den und erhöht in einem zeitlichen Abstande von etwa 6 - 18 Monaten das Steueraufkommen. Die Wirkung der Defizitwirtschaft ist also in weitem Maße identisch mit expansiver Kreditpolitik. Die Haushalts- defizite werden durch Inanspruchnahme des öffentlichen Kredits aus- geglichen. Bei der Defizitwirtschaft der öffentlichen Stellen ist es der

1) Es soll hier nur diejenige neue Form der Geld Wirtschaft behandelt werden, bei der Geld und Recheneinheit ungetrennt sind ; worauf in neuester Zeit wieder W. E u e k e n , Die Grundlagen d. N., 1940, S. 135, hingewiesen hat.

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Page 50: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

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Staat, bei der Kreditexpansion manchmal mehr die Privatwirtschaft, die als Kreditnehmer auftritt.

Ist die durch die expansive Finanzpolitik erreichte Kostendegres- sion erheblich, so kann sie sogar den Anlaß zu Preissenkungen geben : Industrie und Landwirtschaft vermögen wegen des günstigen Wir- kungsgrades der bei ihnen angesetzten persönlichen und sachlichen Produktionsmittel mit geringeren Kosten zu produzieren als vorher. Die entsprechende wirtschaftspolitische Periode hat in Deutschland ungefähr von 1933 bis 1938 angedauert; wie mehrfach erwähnt, wur- den damals die Preissenkungsmöglichkeiten nicht oder nur in gerin- gem Grade ausgenützt. Indem man darauf verzichtete, konnte man durch hohe Preise den Konsum weiter einschränken und daraus eine sehr große Investition und Eüstung finanzieren. Ohne diese besonderen wirtschaftspolitischen Absichten wäre jedenfalls eine ausgedehnte und bedeutende Preissenkung möglich gewesen.

2. Bei Vollbeschäftigung, genau genommen bei Überschreitung der Schwelle, an der der Eaum der Progression der Kosten beginnt, ist die Lage eine ganz andere: Die deckungslosen Ausgaben der Eeichskasse führen zu zusätzlichen Käufen, denen weder Ware noch Erzeugungsmöglichkeiten, insbesondere auch keine freien Arbeitskräfte, gegenüberstehen. Es entwickeln sich also Preis- auftriebstendenzen, die bei genügender Ausgabe von Pa- pier- und Giralgeld ohne Eücksicht auf die vielfältigen, aber niemals wirksamen Verschleierungen durch eine Menge zwischengeschalteter Geldmarktinstitute soweit gehen können, daß es zur Inflation kommt und das geordnete Verhältnis der Geldseite zur Warenseite der Wirt- schaft zerstört wird. Vom Einsatz der Warenbereitschaffung soll dabei im Augenblick noch nicht die Eede sein; sie kann sehr stark mildernd wirken.

Den Preisauftrieb als wirtschaftspolitische Konsequenz großer Finanzdefizite gibt es aber nur unter der Annahme entweder freier Preise, also des Verzichts auf Preispolitik, und damit auf große Möglich- keiten der Wirtschaftspolitik, oder aber einer so schlechten Preispolitik, daß man praktisch von einem Verzicht reden kann. Dies war bekannt- lich während des Weltkrieges 1914 bis 1918 in den meisten kriegfüh- renden und neutralen Ländern der Fall. Man hat daraus seinerzeit den voreiligen Schluß gezogen, daß Preispolitik immer unwirksam, daher unbeaehtlich sei und sich die Verhältnisse der Marktfreiheit, in diesem Falle die Inflation, doch immer durchsetzten.

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Page 51: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

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Ist die Preispolitik wirksam, werden also die zu der Zeit gewollten Preise, d. h. praktisch immer die vorhandenen Preise, energisch fest- gehalten, so tritt bei öffentlicher oder privater Kreditexpansion auch im Falle der Vollbeschäftigung keine „Inflation** im Sinne einer Preisaufblähung ein. Es wird sogar das treibende Motiv der Finanz- politik, sich durch die ungedeckten Ausgaben zusätzliche Sachgüter- mengen für den Staatsverbrauch zu verschaffen, weitgehend illusorisch gemacht. Alle Erzeuger von Ware sind so stark beschäftigt, daß sie auch bei längsten Lieferfristen keine Aufträge mehr annehmen können ; weitere Eohstoffe und Halbfabrikate, wie man sie zur Gütererzeugung braucht, sind ebenfalls nur bei sehr langen Lieferfristen zu haben; Ar- beitskräfte sind entweder nicht oder nur in so schechter Qualität ver- fügbar, daß ihre Beschäftigung fast ganz ohne wirtschaftliche Bedeu- tung sein würde. Bei festgehaltenen Warenpreisen müssen sich demnach die Versuche der öffentlichen Beschaffungsstellen, zu den gesetzlichen Preisen weiter Ware zu kaufen und weiter Bestellungen unterzubrin- gen, als ergebnislos erweisen. Solange die Preise und die Qualitäten unverändert bleiben, muß die Explosivkraft der expansiven Finanz- politik immer weiter wirkungslos bleiben. Die Folge ist, daß die öffent- lichen Kassen in Geld schwimmen und außerstande sind, es auszugeben, weil sie zu den vorgeschriebenen Preisen weder Ware zu kaufen noch Arbeitskräfte zu mieten bekommen. Ist diese Finanzpolitik mit einer öffentlichen Bewirtschaftungspolitik der Ware verbunden, die diese dem Staat zutreibt, so werden die öffentlichen Kassen wenigstens einen Teil ihrer Mittel für Ware verausgaben können, die dann der Zi- vilbevölkerung entzogen wird. Um den Geldbetrag ihrer sachgüter- lichen Verarmung wird dann die Zivilbevölkerung ihrerseits „in Geld schwimmen", d. h. eine übermäßige Kassenhaltung und Liquidität aufweisen.

Man kann also sagen, daß eine straffe und wohlorganisierte Preis- politik die Sprengkraft einer defizitären Finanzpolitik durchaus in Schach halten kann. Ja, der „Sieg** der Preispolitik geht so weit, daß die übermäßigen Geldausgaben des finanzpolitischen Sektors der Wirtschaftspolitik zwecklos bleiben, indem der Finanzminister für sein zusätzliches Geld weder Ware zu kaufen noch Arbeitskräfte verfügbar erhält. Es bedarf also eines ganz neuen Systems wirtschaftspolitischer Maßnahmen, um wieder Sachgüter und Menschen für den Staat heran- zuschaffen: einer naturalwirtschaftlichen Verteilungs- und Einsatz- politik (Warenbewirtschaftung und Arbeitseinsatz). Wenn diese söge-

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 527

nannten „Bewirtschaftungsmaßnahmen" bei zahlreichen Eohstoffen und Fertigerzeugnissen, d. h. der Kauf und der Verkauf von Ware nach Kennziffern, nach Bezugskarten, nach Kontingenten usw. aber weiter zu den vorgeschriebenen Preisen erfolgt, so kann auch die schärfste Bewirtschaftungspolitik des Staates nicht mehr erreichen, als der Zivilbevölkerung den ihr bis dahin zugestandenen Warenspielraum zugunsten des Staatsverbrauchs wegzunehmen. Auch dies ist nur die Leistung der Bewirtschaftungspolitik, nicht aber die Leistung der expansiven Finanzpolitik. Die Bewirtschaftungspolitik vermöchte diese ihre Leistung auch ohne expansive Finanzpolitik zu erbringen !

Stellt man sich vor, daß diese Entwicklung immer weiter ginge, so wTäre scheinbar auch bei stärkster Ausdehnung des Verfahrens eine Inflation nicht zu befürchten. Das gesamte zusätzlich ausgegebene Geld würde sich unverbrauchbar in den Händen der öffentlichen Kassen, der Firmen und der Zivilbevölkerung ansammeln und hier dem Staatskredit gewidmet sein, denn alle nur erdenklichen Formen der kurzfristigen Geldanlage, die Scheidemünze, die Banknote, das Sparkassen- und Bankguthaben, der Schatzwechsel usw. sind, da die betreffenden Zwischenanstalten ihr Geld dem Staat geliehen haben, indirekt nur Formen der Kreditgewährung an den Staat. Eine jede Finanzpolitik des Fehlbetrages bei festgehaltenen Preisen, Waren- bewirtschaftung und Abschluß nach dem Auslande hin läuft also auf eine Zwangsanleihe in Höhe der Fehlbeträge bei den zu unfreiwilliger Überliquidät gezwungenen Personenkreisen hinaus. Aus dieser schein- bar günstigen Situation wird von einigen Sachverständigen geschlossen, daß diese „neue Finanzpolitik" überhaupt für die Dauer unbedenklich sei und die größte Zukunft habe.

2. Eine optimistische Finanzpolitik? Wer diese optimistische Finanzpolitik vertritt, muß schließlich

zu der Ansicht kommen, daß die gesamte von den Finanzleuten auf- geworfene Deckungsfrage, auf welche Weise man nämlich in ausrei- chendem Maße Steuern einziehen und Anleihen unterbringen könne, um den Staatsbedarf zu decken, gar nicht vordringlich sei, ja er meint vielleicht sogar, diese Fragestellungen seien veraltet und gar nicht mehr aufzuwerfen, weil bei dem heutigen hervorragenden Stande der Finanztechnik jeder Betrag Staatsausgaben mit Leichtigkeit finan- ziert werden könne. Zwingende geldtechnische Schwierigkeiten stän-

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528 Heinrich Bittershausen

den der Fortsetzung eines solchen Weges nicht entgegen. Ein Staat, der über die Zentralnotenbank verfüge, den Kreditapparat straff lenke, die Investition und Produktion steuere, sei in der Lage, durch Kredit- verflüssigung die Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit des Geldmarktes für seine Papiere sicherzustellen und eine schädliche Er- höhung der Privateinkommen auf dem Wege einer allgemeinen Pro- duktionsausweitung als Folge der Kreditverflüssigung im wesentlichen auszuschließen.

Der Fehler dieser Überlegung kann ein doppelter sein. Zunächst ist auch ein Teil der Konsumgüter insofern lebenswichtig, als sie zum Teil den Arbeitsanreiz für die in der Industrie tätige Bevölkerung dar- stellen. Ohne Bereitstellung eines Minimums an Konsumgütern ver- möchte also auch die beste derartige Lenkung und Preispolitik den Geldwert nicht zu erhalten. Diese Überlegung macht weiter den Fehler, daß sie den Geldmarkt als eine Art selbständige, mit der übrigen Volks- wirtschaft wenig in Verbindung stehende Organisation betrachtet, bei der jede Erhöhung der Notenausgabe (Verlängerung der Passiv- seite der Bilanz der Zentralnotenbank und anderer Institute) eine entsprechende Steigerung des Absatzes von Schatzanweisungen (Aktiv- seite der Bilanz) möglich macht, insbesondere wenn solche. Verände- rungen nicht in der Bilanz der Zentralnotenbank selbst in Erschei- nung treten, sondern sich im wesentlichen auf den Bilanzen und Kon- ten von zwischengeschobenen Anstalten abspielen, die nicht veröffent- licht werden. Eigentlich wird damit aber nur behauptet, daß die un- begrenzte unschädliche Unterbringung von Banknoten ebenso leicht möglich sei, wie der unbegrenzte Druck von Noten, indem man bei festgehaltenen Preisen nur dafür zu sorgen brauche, daß die Besitzer der Noten und die Inhaber des Giralgeldes sich infolge von Bewirt- schaftungsmaßnahmen des Staates damit nichts kaufen können.

Was bedeutet überhaupt die Aufnahmewilligkeit des Geldmark- te?? Der Geldmarkt besteht nicht aus den Banken. Diese sind viel- mehr nur seine äußerliche Erscheinung. In Wirklichkeit besteht der Geldmarkt aus der Summe aller liquiden Bilanzposten sämtlicher deutschen Unternehmungen, Anstalten und Privatleute. Schon in jeder Unternehmung usw. gleichen sich Debitoren und Kreditoren weit- gehend aus; nur der liquide Überschuß steht bei der Bank (oder das Defizit als Bankschuld). So ist jede einzelne Provinzbank nur die Clearingstelle von Hunderten und Tausenden von Unternehmungen, und jede zentral gelegene Bank wiederum der Guthaben- und Schulden-

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 529

treffpunkt von Hunderten von Banken und Tausenden von Unterneh- mungen. Der sogenannte Geldmarkt ist schließlich die letzte Sammel- stelle der Kassen aller zentral gelegenen Banken, der Kiesenunterneh- mungen und der öffentlichen Stellen. Er kann also nie etwas anderes ausdrücken, als das summierte Bilanzbild von Hunderttausenden von Unternehmungen und öffentlichen Betrieben zuzüglich des Saldos aller Guthaben und Schulden der Privatleute. Man kann daher auch nicht für eine Million Mark mehr Schatzanweisungen am Geldmarkt unterbringen, als sich aus den Hunderttausenden von Einzelbilanzen ergeben würde.

Immerhin gibt es zwei sehr beachtliche Methoden, um zusätz- liche Schatzanweisungen unterzubringen, die beide darauf beruhen, daß man Mittel findet, die Hunderttausende von Einzelbilan- zen selbst zu verändern, deren Liquiditätsposten zusammen den Geldmarkt bilden. Die erste dieser Maßnahme geht dahin, wieder im Wege der naturalen Warenbewirtschaftung die Posten „Warenlager" und „Eohst off bestände*' in den vielen Einzelbilanzen durch Verzehr oder durch Beschlagnahme zum Verschwinden zu bringen. Durch den dafür vereinnahmten Kaufpreis bzw. die Entschädigung werden die Bilanzen der betroffenen Unternehmungen sofort sehr flüssig, der Geld- markt entsprechend, so daß es möglich ist, im Betrage der verminder- ten Warenlager Schatzwechsel unterzubringen. Diese moderne Form der Finanzierung eines außerordentlichen Staatsbedarfs entspricht dem Verzehr von Vorräten als dem außerordentlichen Aufbringungsmittel „vorkapitalistischer'* Zeiträume. Es kann sich hier angesichts der Größe der Lagerhaltungsziffer in der Gesamtwirtschaft um einen sehr bedeu- tenden Betrag handeln, den eine gut koordinierte Wirtschaftspolitik in angespannten Zeiten hier und da zum Einsatz bringen wird.

Die andere Methode zur Unterbringung von Schatzwechseln be- steht darin, daß man nicht erst ein Loch in den Bilanzen aufreißt, das man gewissermaßen mit den Schatzwechseln zustopfen kann, also Ware wegnimmt und Guthaben an die Stelle treten läßt, sondern daß man sozusagen unverlangt Schatzanweisungen in die Unternehmungen legt, die dafür als Gegengeschäft Kredit „schöpfen" müssen. Man ver- anlaßt also die Zentralnotenbank, die Banken und die großen Industrie- unternehmungen, ohne eigenen Bedarf Schatzwechsel zu kaufen. Den Betrag solcher Schatzwechselverkäufe läßt sich die Staatskasse als- dann von den betreffenden Banken und Unternehmungen gutschrei- ben und verfügt durch Warenbezüge usw. darüber. Ein Teil dieser

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530 Heinrich Rittershausen

Kreditschöpfung wird natürlich doch wieder auf die Eeichsbank zurück- fallen und Notendruck veranlassen.

Werden Preise und Löhne dabei erfolgreich festgehalten, so muß in beiden Fällen das Gleichgewicht zwischen Warenmenge und Geld- menge stark verschoben werden. Der Gesamtbetrag des zusätzlichen not alen und giralen Geldes muß als „abschöpf bares* * freies Geld in den Händen der Konsumenten bleiben und hier eine Art Zwangsanleihe bilden ; hatte doch die ältere Theorie vom Staatspapiergeld in diesem zum Teil eine Form der Zwangsanleihe gesehen 1).

3. Grenzen der Aufbringung am Geldmarkte.

Ist der Geldmarkt in diesen Fällen aber wirklich eine Hilfe ge- wesen ? Hat seine Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit wirk- lich die Staatsfinanzierung zustande gebracht? Nein, nicht er, son- dern die Notenpresse und die zusätzliche Gutschrift von Giralgeld würden die Staatsfinanzierung besorgt haben. Ein noch so kunstvoll ersonnenes System von Geldmarktinstituten, durch welches die Sicht auf diese Zusammenhänge erschwert werden sollte, hätte doch nur der Finanzpolitik selbst die Einsicht verschleiert, daß weiter nichts als die Notenpresse oder die Giralgeldgutschrift in Tätigkeit gewesen war. Neu ist an dem Vorgang bei festgehaltenen Preisen und Löhnen und straffer Warenbewirtschaftung nur, daß die freie und preispolitisch gefährliche Kaufkraft monate- und jahrelang, vielleicht jahrzehnte- lang, als unverzinsliche Zwangsanleihe aufgefaßt wird, daß also in der aufs Eiesenhafte gesteigerten Zwangsliquidät ein Ersatz für die Unter- bringung von Anleihen gefunden ist. Dieser Weg, nämlich die Staats- finanzierung im Wege dauernder Steigerung der freien Kassen- und Depositenbestände, kann nur in ruhigen und gesicherten Zeiten, und auch dann nicht ohne Eisiko weitergeführt werden. Die Preise erhalten dabei den Charakter großer Künstlichkeit. Die Preispolitik muß fort- gesetzt eine kriegsmäßige Aktivität entfalten. Jedes Erlahmen der Staatsraison in ihrer extremsten Form kann zu einer Veränderung der Preise führen. Sie sind gar nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch psychologisch fundiert; so sicher diese Fundierung sein kann, so ist sie doch gewiß sehr einseitig. - Zu einem finanztechnischen Wunder- glauben liegt also auch hier kein Anlaß vor. Es sind stets die gewohn-

x) Vgl. insbesondere Lorenz v. Stein, Finanz Wissenschaft, Bd. 2,

Kapitel „Die Papiergeldschuld", S. 396-447, und A. de Viti de Marco, Grundlehren der Finanzwirtschaft, 1932, Kap. XXXI.

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ten Mittel, die in immer neuen Formen die gewohnten Ergebnisse er- reichen.

Bei dieser Methode der künstlichen Preise ist besonders mißlich, daß diese „Zwangsanleihe* * im Grunde schlecht konstruiert ist, indem sie unverzinslich, also ohne Anreiz zur dauerhaften Placierung und als Zahlungsmittel oder Zahlungsguthaben ausgefertigt ist, sich auch gerade in solchen Händen befindet, die oft nicht warten können, son- dern stoßweisen Warenbedarf haben können. Es kann also in der Brust des einzelnen Zivilisten zu einem Widerstreit zwischen seinem Mangel- empfinden und dem Anblick der vor ihm liegenden, Kaufkraft ver- sprechenden Zahlungsmittel oder Zahlungsguthaben kommen. Da sich ein bedeutender Teil der Kaufakte ohne polizeiliche Kontrollmöglich- keiten abspielt, übrigens eine ausgedehnte Kontrolle ein sehr großes Personal beschäftigen würde und sehr schwer fachmännisch zu organi- sieren sein würde, wäre es unvermeidbar, daß doch an vielen Stellen die vorgeschriebenen Preise überschritten würden und zugleich aus Mangel an guten Kohstoffen und Arbeitskräften infolge der Überlastung des Industrieapparates eine fortgesetzte Qualitätsverschlechterung eintritt, die zusammen mit zahlreichen anderen Formen der Leistungs- verminderung der angeblich vermiedenen Preiserhöhung doch in wei- tem Maße gleichsteht. Ein solcher Zusammenstoß zwischen Preispolitik und Finanzpolitik läßt in extremen Fällen die Gefahr am Horizont ent- stehen, daß die Preispolitik, wenn sie trotzdem mit größter Energie die Preise zu halten versucht, dieProduktion auf weiten Gebie- ten zumErliegen bringen wird. Man wird dann zwar die Preise gehalten haben, aber nur noch nominell, indem zu den festgesetzten Preisen weder Ware erzeugt, noch geliefert wird.

4. Staatsdefizite bei einer Politik steigender Preise. Ganz anders sieht das Bild aus, wenn die Wirtschaftspolitik etwa

Preise und Löhne steigen läßt, wie das im Weltkrieg von 1914 bis 1918 in Deutschland der Fall war. Dann sind Geldmarkt und Kapital- markt tatsächlich Quellen, die zahlreiche Milliarden zu erbringen ver- mögen, ohne daß es zu der erwähnten x'rt von Zwangsanleihe kommt. Dieses Thema wird im nächsten Abschnitt erörtert werden. Im Welt- kriege sind tatsächlich allein auf deutscher Seite ungefähr 150 Milliar- den EM. aus beiden Märkten an Kredit und Anleihen aufgekommen, also ein selbst für unsere Verhältnisse sehr großer Betrag. Durch die Wirkung der Preis- und Lohnerhöhung vergrößern sich nämlich fast

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532 Heinrich Rittershauscn

sämtliche Ziffern, insbesondere die Gewinnziffern, in den kaufmänni- schen Bilanzen, in den Banken und am Geldmarkt, weil die Waren zu teureren Preisen verkauft werden. Zur Ansammlung unanbringlicher Kaufkraft in den Händen der großen und kleinen Konsumenten, also zu Zwangsliquidität, kommt es alsdann nicht; auch im Falle von Kata- strophen haben die Preispolitik und die Lohnpolitik, die durch ihre Erhöhungen sich einfach an die expansive Kreditpolitik anpassen, we- nig zu befürchten, da sie sich gewissermaßen von Anfang an schon im Alarm- oder sogar im Katastrophenzustande befinden. - In der Pra- xis entsteht, wirtschaftspolitisch gesehen, oft eine „Mischsituation* ', die zum Teil die Kennzeichen der Inflation, zum Teil die der Zwangs- liquidät bei festgehaltenen Preisen aufweisen wird. Ihre konkrete Be- urteilung ist eine Tatfrage.

VI. Preispolitik, öffentlicher Kredit und Staatsschuldenwesen.

1. Preisveränderungen und Anleiheabsatz.

Die große Krise von 1929 bis 1933 hat sehr deutlich gezeigt, daß eine Politik sinkender Preise identisch ist mit Deflation, das heißt mit einer Aufwertung des Geldes, die sich überaus zerstörend auf den Kredit und die Liquidität auswirkt. Wenn die Preise der Sachgüter ein- schließlich der Grundstücke und Industrieanlagen dauernd sinken, so entwerten sich schrittweise sämtliche realen Kreditunterlagen, da- mit aber auch die Kredite selbst. Die Börse pflegt eine solche Entwick- lung vorwegzunehmen und außerordentlich niedrige Kurse anzuzeigen. Da sämtliche Geldanstalten ihre Aktiva entweder in Krediten, in Wert- papieren oder in Sachwerten angelegt zu haben pflegen, werden diese drei Hauptpositionen der Bankbilanzen schwer erschüttert. Alle Bank- einlagen sind in ihrer Sicherheit und Eückzahlbarkeit gefährdet; der Gläubiger und Bankeinlager pflegt sich Unruhe zu bemächtigen.

Eine solche Deflation, hervorgerufen durch Preissenkungsmaßnahmen, bedeutet nicht zu- letzt den Euin des öffentlichen Kredits. Geld- geber für neue Kredite finden sich nicht; die infolge der allgemeinen Zahlungsunfähigkeit rückläufigen Steuereinnahmen zwingen den Staat zu Erschließung von Kreditquellen, die sich ihm aber nicht öffnen. Der Kurs der Staatspapiere erreicht einen Tiefstand (so unterschritt er im Jahre 1932 in Deutschland den Stand von 40% bei Inlandsanleihen und von 10% bei Auslandsanleihen des Staates). Die Auflegung neuer

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 538

Anleihen wird damit unmöglich. Die Politik scharf sin- kender Preise zerstört also nicht nur den Kre- dit und die Kreditanstalten, sondern sie eröff- net auch automatisch Haushaltsdefizite und verschließt doch gleichzeitig jede Möglich- keit, diese durch das Mittel des öffentlichen Kredits auszugleichen; eine wirtschaftspolitische Ent-

wicklungsreihe, die von Brüning offenbar nicht beachtet worden war.

Steigende Preise dagegen erinnern leicht an eine infla- tionistische Entwicklung. Kredit ist dann leicht zu haben. Alle Schuld- ner sehen ihre in Sachgütern angelegeten Aktiven fortgesetzt im Werte

steigen, finden sich daher fast ausnahmslos in einem zahlungsfähigen und liquiden Zustande. Der Absatz der Waren ist leicht, der Umsatz und der Verdienst groß. Bei Übertreibung wird aber aus der übermäßi-

gen Entwicklung des Kredits und der Aufblähung der Warenpreise eine wirkliche Inflation entstehen, die eine Zerstörung der Währung be- deutet. Bei weiterer Entwicklung kann der Kreditmarkt, und damit der Staatskredit, hierdurch ebenso gründlich geschädigt werden, wie durch eine Deflationskrise.

Es ist das Verdienst von J. M. K e y n e s , auf einen neuen Zusam- menhang zwischen Anleihewesen und Preispolitik hingewiesen zu haben, der unerkannt in der Wirtschaft des Weltkrieges von 1914 bis 1918 fast überall eine sehr bedeutende Eolle gespielt hat. Bei der Behandlung des Problems der Kriegsfinanzierung kommt er auf die Wahlmöglich- keit zwischen einer Senkung der Nominallöhne und einer Preissteige- rung zu sprechen. Geben wir ihm selber das Wort 1) : „ . . . Die wich- tigste Anfangswirkung beider Maßnahmen würde die gleiche sein; die freigesetzten Mittel würden nicht in erster Linie der Eegierung zufließen (außer insofern, als sie sich einer bloßen Expansion des Zah- lungsmittelumlaufs bediente), sondern den Unternehmern in Gestalt von Ausnahmegewinnen. Das würde in jedem Falle genau in der gleichen Weise eintreten, weil die Spanne zwischen den Nominalerlösen für die Erzeugung und ihren Nominalkosten erweitert sein würde. Somit wür- den, vorausgesetzt, daß man eine dieser Alternativen akzeptierte, die Unternehmen gewissermaßen zu Sammelstellen für die Mittel werden, die den Einkommensbeziehern abgenommen wurden. Nachdem die Beute somit den Unternehmern in den Schoß gefallen war, würde die

*) A Treatise on Money, Vol. II, 1930, S. 171 ff.

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534 Heinrich Rittershausen

Eegierung die Wahl gehabt haben, sie ihnen durch Anleihen oder durch Steuern abzunehmen. Nachdem die Beute einmal von den Ein- kommensbeziehern auf die Unternehmer übertragen worden war, würde, dies mag betont werden, das Instrument der erhöhten Besteue- rung dem Fall adäquat gewesen sein, selbst wenn sie in Form der Ein- kommensteuer, Zusatzsteuer und Mehrgewinnsteuer hauptsächlich auf die Eeichen fallen sollte.

Bei der Wahl zwischen einer Politik der Nominallohnsenkung oder der Preiserhöhung wäre es natürlich und vernünftig gewesen, die letz- tere vorzuziehen. Zunächst würde eine Politik des Lohnabbaues einer fast ebenso starken und psychologischen Gegnerschaft begegnen, wie der Plan einer Besteuerung des Lohnes. Außerdem sind viele Ertrags- arten, besonders Kapitalerträge, durch Verträge gesichert, die nur durch Kündigung abgeändert werden können, so daß eine allseitige Eeduktion der Nominalerträge nur mit Schwierigkeiten oder über- haupt nicht zu erzwingen gewesen wäre. Aber stärker noch als poli- tische Gründe und Gründe der Gerechtigkeit fiel ein weiterer prakti- scher Grund zugunsten steigender Preise ins Gewicht, der besonders im Falle eines Kriegs große Bedeutung hat. In einer solchen Zeit ist es not- wendig, die produktiven Kräfte aller Art in großem Umfange und so rasch wie möglich von einer Beschäftigung auf die andere zu verlagern. Dies würde nahezu unmöglich sein, ohne den Preismechanismus zu Hilfe zu rufen, d. h. ohne den neuen Beschäftigungszweigen Kredite ein- zuräumen oder es ihnen zu ermöglichen, die produktiven Kräfte durch Überbieten den alten Beschäftigungszweigen abspenstig zu machen und damit in gewissem Umfang eine Einkommensinflation herbeizu- führen. Jede Eegierung, die sich diesen Weg im Interesse finanzieller „Sauberkeit" versperren sollte, würde den Krieg verlieren."

„Ich schließe deshalb", sagt Keynes weiter, „daß es in Kriegs- zeiten sowohl unvermeidlich, wie auch klug ist, durch Gewinninflation eine Preissteigerung zuzulassen. Aber wir müssen daran denken, daß es sich darum handelt, die Preise stärker steigen zu lassen als die Erträge; das heißt, wir wünschen in erster Linie eine Gewinninflation, nicht eine Einkommensinflation. Eine gewisse Einkommensinflation muß zugelassen werden, um, wie wir oben ausführten, die Neuvertei- lung der produktiven Kräfte auf die verschiedenen Verwendungs- zwecke zu unterstützen. Aber unser Hauptziel, die Übertragung von Bealeinkommen von den Konsumenten auf die Eegierung, wird inso- weit illusorisch, als die Gewinninflation in eine Einkommensinflation

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Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 535

umschlägt. Das Ergebnis dieses Teiles unseres Gedankengangs liegt jetzt klar zutage. Wir zielen darauf ab, daß die Preise stärker steigen als die Einkommen.* *

Keynes erwähnt dann die englische Finanzpolitik des Weltkrieges von 1914 bis 1918 und kritisiert an ihr, daß sie den Unternehmern die „Beute* ' beließ, so daß diese sie dem Staate wieder leihen konnten, nämlich in der Form der Kriegsanleihen. Will man die Sache etwas schärfer ausdrücken, so wird man folgende Frage stellen müssen.

2. Überwiegende Anleihefinanzierung. Welche Stellen sind es, die bei Preissteigerungen die erzwungene

Ersparnis des größten Teils des Volkes einkassieren und in die Hände des Staates bringen? Sind es die Finanzkassen? Nein. Es sind über- haupt keine staatlichen Stellen, die die dem Volke genommenen Milliar- den einziehen, sondern es sind die Unternehmer. Steigen die Preise allge- mein, z. B. um ein Drittel, ohne daß Löhne und Gehälter sich bewegen, so werden sie ein Drittel des Volkseinkommens als übermäßigen Diffe- rentialgewinn erhalten, über ihren bisherigen Gewinn hinaus. Der riesige Ertrag der Konsumeinzwängung durch Preissteigerung, dieses Hauptmittels der Kriegsfinanzierung, fließt also gar nicht dem Staate, sondern Privaten zu. Diesen muß die „Beute**, mit Keynes zu reden, erst wieder abgenommen werden, und zwar auf dem Wege der An- leihen oder der Steuern. Im Weltkriege wählte man wiederum den Weg des geringsten Widerstandes: die Anleihen. Der Staat machte also die Unternehmungen zu Kriegssteuerinkassostellen, schenkte ihnen gewissermaßen den Ertrag und lieh sich nun das, was er eben verschenkt hatte, oder mit Keynes gesagt: „Dafür, daß die Unter- nehmer die von ihnen treuhänderisch einkassierten Einkommens- teile des ganzen Volkes richtig ablieferten, gab der Staat ihnen Scheine, aus denen sie noch Menschenalter lang in Form von Zins und Tilgung Ansprüche an ihre Volkswirtschaften stellen konnten, obwohl die Eechnung in Wirklichkeit schon längst ausgeglichen war.**

Nehmen wir die Allgemeinheit der Preissteigerung und ihre Fort- setzung im Weltkriege hinzu, so haben wir das Kätsel der uns heute geradezu ungeheuer erscheinenden Zeichnungen von Kriegsanleihen gelöst. Von den 110 Milliarden deutscher Kriegsanleihezeichnungen dürften mehr als die Hälfte, vielleicht mehr als drei Viertel auf solches Volkseinkommen entfallen, das die Unternehmer der Sache nach - allerdings ohne es zu wissen - im Auftrage des Staates einkassiert

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hatten. Es handelte sich also insoweit nicht um wirtschaftliche Ge- winne und Ersparnisse, sondern um Beträge, die emem kriegswirtschaft- lichen Zwangssparprozeß im Volke entstammten und an deren Gewin- nung sie durch eigene Leistung nicht beteiligt waren, so groß auch ihre kriegswirtschaftlichen Leistungen im übrigen waren.

Wir sehen also : die Anhänger vorwiegender Anleihefinan- zierung im Kriege müssen sich darüber klar sein, daß dies Mittel nur ertragreich ist bei allgemeiner und dauernder Preissteige- rung, die sie meist gleichzeitig mit allen Mitteln vermeiden wollen. Wir stimmen mit ihnen überein, d a ß bei solcher Preissteigerung der Verbrauch des Volkes rigoros beschnitten wird, und daß man diese Mittel (wenn man den Weg wählt), in die Staatskassen hineinleiten muß. Sie begehen dabei nur eine kleine Verwechslung, wenn sie den vermittelnden Stellen Anleihestücke ausstellen, anstatt ihnen Steuer- quittungen zu geben. Inkasso: richtig, aber die Eechtsform ist falsch! Das wirkt sich später tragisch aus, indem die Besitzer so schlechter Eechte anonym ununterscheidbar verbunden werden mit den echten Kriegssparern, die ein „gutes" Eecht haben. Da beide untrennbar gleichberechtigte Anleihebesitzer waren, mußte nach dem Weltkriege gewählt werden zwischen einer Überlastung der Staaten mit Staats bankrott und einer Entrechtung auch der echten Sparer. Die letzteren waren in jedem Fall das Opfer.

3. Zur Politik der stabilen Preise gehört die überwiegende Steuerfinanzierung.

Es ergibt sich, daß bei der gegenteiligen Politik stabiler Preise an so große Zeichnungsergebnisse bei Anleihen und so große Erfolge im öffentlichen Kredit nicht gedacht werden kann. Vielmehr gehört eben- so untrennbar, wie zur Politik steigender Preise die Anleihefinanzie- rung, so zur Politik stabiler Preise die überwiegende Steuerfinanzie- rung der öffentlichen Ausgaben. Die eine Methode war typisch für die Finanzierung des Weltkrieges auf deutscher Seite, die andere ist cha- rakteristisch und notwendig für die Finanzierung des gegenwärtigen Krieges in unserem Lande. Bei stabilen Preisen bleibt die Eolle des Kredits eingeschränkt, indem er nur die Eestbeträge zu vereinnahmen hat, die von der Steuer nicht erfaßt, auch nicht konsumiert oder in der Produktion gebraucht werden. Ist der Kredit solchermaßen auf ein gesundes Minimum beschränkt, so ist er auch sicher. Die Politik stei- gender Preise, so riesige Ergebnisse im öffentlichen Kredit sie auch

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nach sich zog, gewährleistete jedoch alles andere als sichere Bückzah- lung; sie führte in die Inflation.

So sind die beiden preispolitischen Methoden des öffentlichen Kre- dits antithetisch, aber zugleich von besonderer praktischer Wichtigkeit.

VII. Preispolitik und öffentliche Sachausgaben. Damit sind die Beziehungen der Preispolitik zur Finanzpolitik

nicht erschöpft. Verbraucht der Staat einen sehr bedeutenden Teil der jährlichen Erzeugung der Wirtschaft, so spielen für ihn die Preise, zu denen er seinen Sachbedarf decken muß, eine erhebliche Eolle. Je höhere Preise er bezahlen muß, um so mehr müssen die Staatsausgaben wachsen. Es liegt daher nahe, daß die staatliche Preispolitk sich die Verminderung der Sachausgaben des Staates zum Ziele nimmt. Be- tragen die Gesamtausgaben des Staates an zwei Drittel des Volksein- kommens, wie es in großen Kriegen zu sein pflegt, so kann hierdurch der Staatskasse ein sehr bedeutender Betrag erspart werden. Es kommt hinzu, daß eine solche Politik niedriger Preise des öffentlichen, insbe- sondere des Eüstungsbedarfs die in solchen Zeiten sehr ernste Gefahr aus der Welt schafft, daß den hohen Lockpreisen, mit denen der Staat gemeinhin im Kriege Ware heranzuziehen bemüht ist (vgl. K e y n e s), Locklöhne auf dem Fuße zu folgen pflegen, die sehr bald auf alle Indu- strien übergreifen und in schneller Folge weitere Preissteigerungen, schließlich einen Umsturz des Preissystems nach sich ziehen.

Das Deutsche Eeich hat gerade in dieser Hinsicht mit den am 15. November 1938 erlassenen EPÖ.1) und den LSÖ.2) gute Erfah- rungen gemacht, so z. B. in der Lohnpolitik. In diesen Be- stimmungen ist u. a. vorgesehen, daß die Hersteller nur Tariflöhne in Eechnung stellen dürfen. Bis dahin waren sie geneigt, insbesondere in der Eüstungsindustrie und im Baugewerbe, freigebig Lohnerhöhungen zuzugestehen, weil nicht sie, sondern der Auftraggeber den Mehrbetrag zu zahlen hatte und weil sie sich damit bei der Arbeiterschaft beliebt machten. Seit der Einführung der gekennzeichneten Vorschriften lern- ten sie, daß jede Mark übertarifliche Lohnzahlung nicht vom Auftrag- geber, sondern von ihnen getragen werden mußte. Die in vollem Gange

*) Richtlinien für die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen (RPÖ.), Mittbl. d. RfPr. I Nr. 39 von 1938.

2) Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Lei- stungen für öffentliche Auftraggeber (LSÖ.), RGB1. I S. 1624 von 1938.

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befindliche Lohnbewegung, die bereits ein beträchtliches Ausmaß an- genommen hatte, kam insbesondere unter dem Eindruck dieser Be- stimmungen zum Stillstande, schon lange vor Erlaß des sog. „Lohn- stops" mit Wirkung vom 16. Oktober 1939. - Ein weiterer Vorzug der Politik niedriger staatlicher Beschaffungspreise, auf den der Eeichs- kommissarfür die Preisbildung, Gauleiter Wagner, in verschiedenen Eeden mit Eecht besonderes Gewicht gelegt hat, ist, daß dadurch die Bildung von eigentlichen Kriegsgewinnen in weitem Maße überhaupt verhindert wird. Deutschland hat daher, und auch das ist von erheblicher finanzpoli- tischer Bedeutung, außer der Erhebung eines fünfzigprozentigen Ein- kommensteuerzuschlages und der geringen retrospektiven Gewinnab- schöpfung überhaupt keine eigentlichen Kriegssteuern, insbesondere Mehrgewinnsteuern, gebraucht. All die zu fürchtenden wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die sich an die Entstehung eines „Kriegsge- winnlertums" anknüpfen, sind dem Lande dank der Preispolitik auf dem Gebiete der öffentlichen Aufträge erspart geblieben.

Gegen die Politik niedriger staatlicher Be- schaffungspreise kann eingewandt werden, daß damit auf die von K e y n e s hervorgehobene Umlenkungsfunktion des Preises ver- zichtet wird. Wenn die Wirtschaft an staatlichen Aufträgen wenig ver- dient, so wird sie nicht geneigt sein, eine lohnende Zivilgütererzeugung einzustellen und sich mit hohen Kosten auf die Erzeugung von öffent- lichen Bedarfsgütern vorzubereiten. Die Politik billiger öffentlicher Beschaffungspreise darf daher nur in Verbindung mit den sonst nicht sehr erwünschten naturalwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmaßnah- men angewandt werden: nur wenn Eohstoffe, Materialien und Ar- beitskräfte durch staatliche Kontingentierungs- und Einsatzmaßnah- men, insbesondere durch Verbote, schnell genug von den Zivilgüter- industrien abgewendet werden, so daß dem Hersteller nichts übrig bleibt als die Wahl zwischen vielleicht dauernder Schließung und Um- stellung auf öffentlichen Bedarf, wird er bemüht sein, auch bei spär- lichem Gewinn mit allen Kräften an die öffentlichen Auftraggeber zu liefern.

Ist man bereit, das Übel der naturalwirtschaftlichen Bewirtschaf- tungsmaßnahmen auf sich zu nehmen und auf dieser Grundlage eine Politik niedriger staatlicher Beschaffungspreise zu treiben, so ergeben sich alsbald noch weitere Argumente, die für diese Politik sprechen. Auf das lohnpolitische Argument wurde schon hingewiesen. Wichtig

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Page 64: Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik

Die Zusammenhänge zwischen Finanzpolitik und Preispolitik. 539

ist aber noch, daß die sonst bei staatlicher Überbeanspruchung im Krieg übliche Bevorzugung der großen Unterneh- mungen und Monopole gegenüber den Mittel- und Kleinbetrieben vermieden werden kann. Während der Krieg und andere Über- spannungen fast immer zu einer Konzentrationsbewegung mit Dezi- mierung des gewerblichen Mittelstandes führt, erweist sich, daß die meist sehr komplizierten Preisvorschriften für öffentliche Lieferungen auf das vollkommenste nur von Großbetrieben durchgeführt werden können, diese daher am härtesten treffen ; soweit mittlere und kleinere Firmen zu gleichen oder geringeren Preisen liefern können, bleiben ihnen vielfach größere Verdienstaussichten und Leistungsprämien, die dazu noch durch die Steuerprogression weniger beeinträchtigt werden, als bei den ganz großen Betrieben.

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