die rolle des arginingehaltes und der arginase-aktivität in der fertilität

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andrologia 11 (1): 37-41 (1979) Received October 10, 1978 ,,Semmelweis" Medizinische Universitat, Budapest, Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. F. BALOGH) Die Rolle des Arginingehaltes und der Arginase-Aktivitat in der Fertilitat Gy. PAPP, J. GROF, J. MOLNAR und E. JAMBOR Einleitung Im Jahre 1973 haben Schachter et al. mitgeteilt, dai3 sich die Spermatozoendichte und die Spermatozoenmotilitat bei der Mehrzahl von Patienten mit Oligozoospermie nach oraler Gabe von 1-Arginin erhoht. Die Rolle des Arginins in der Spermatogenese wurde erstmals durch Holt et al. (1944) erwahnt. Danach verringert sich die Spermato- genese bei erwachsenen Ratten, die argininarmes Futter erhielten. Von klinischer Seite sind die Beobachtungen von Bedeutung, wonach der Arginin-Gehalt im Sperma- Plasma bei Patienten mit pathologischem Spermiogramm im Vergleich zu Normo- ZoospermiePatienten herabgesetzt ist (Krampitz et al. - 1962; Tanimura - 1967); dariiber hinaus wurden die von klinischer Seite mitgeteilten Angaben (Giarola et al. - 1959; Schachter et al. - 1973) auch in vitro bestatigt (Tyler et al. - 1951 ; Keller et al. - 1975). Um einer Klarung der noch offenen Fragen naher zu kommen, haben wir folgende Bestimmungen durchgef~rt: Arginingehalt des Blutserums und des Spermaplasma von Normozoospermie-, Oligozoospermie- und AzoospermiePatienten. AuBerdem Bestimmung der Arginase-Aktivitat (EC 3.5.3.1 1 .). Konzentration des 1 Citrullins im Blutserum und im Spermaplasma (biologischer Pracursor des Arginins), und dessen katabolische Produkte: Urea und Guanidinoessigsaure (GAA). Material und Methodik Die Untersuchungen wurden an 40 Patienten durchgefuhrt (14 x Normozoospermie, 22 x Oligozoospermie, 4 x Azoospermie). Die Bestimmung von Urea und Citrullin er- folgte nach Ceriotti (1973); die Bestimmung von Arginin und GAA erfolgte nach Loeb et al. - 1969. Die Arginase-Aktivitat wurde in IU/100 ml, fur die ubrigen Substanzen in pM/100 ml angegeben. Ergebnisse 1.1. Auf Grund unserer Untersuchungen ist die Konzentration des ICitrullins im Blutserum in allen 3 Gruppen annahernd gleich. Die Abweichungen in den Durch- schnittswerten sind statistisch nicht signifikant (Tab. 1). 1.2. Die Konzentration des freien Arginins im Blutserum zeigt ausgehend von der 1. Gruppe in Richtung 3. Gruppe eine Tendenz zur Verminderung der Durchschnitts- werte (Abb. 1). Diese Verminderung erWeist sich in der Gruppe 3 im Verhaltnis zur Kontrollgruppe (Gruppe 1) als statistisch signifkant (Tab. 2). Key words: Arginine - arginase activity - citrulline - fertility - guanidine acetic acid

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andrologia 11 ( 1 ) : 37-41 (1979) Received October 10, 1978

,,Semmelweis" Medizinische Universitat, Budapest, Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. F. BALOGH)

Die Rolle des Arginingehaltes und der Arginase-Aktivitat in der Fertilitat

Gy. PAPP, J . GROF, J. MOLNAR und E. JAMBOR

Einleitung

Im Jahre 1973 haben Schachter et al. mitgeteilt, dai3 sich die Spermatozoendichte und die Spermatozoenmotilitat bei der Mehrzahl von Patienten mit Oligozoospermie nach oraler Gabe von 1-Arginin erhoht. Die Rolle des Arginins in der Spermatogenese wurde erstmals durch Holt et al. (1944) erwahnt. Danach verringert sich die Spermato- genese bei erwachsenen Ratten, die argininarmes Futter erhielten. Von klinischer Seite sind die Beobachtungen von Bedeutung, wonach der Arginin-Gehalt im Sperma- Plasma bei Patienten mit pathologischem Spermiogramm im Vergleich zu Normo- ZoospermiePatienten herabgesetzt ist (Krampitz et al. - 1962; Tanimura - 1967); dariiber hinaus wurden die von klinischer Seite mitgeteilten Angaben (Giarola et al. - 1959; Schachter et al. - 1973) auch in vitro bestatigt (Tyler et al. - 195 1 ; Keller et al. - 1975).

Um einer Klarung der noch offenen Fragen naher zu kommen, haben wir folgende Bestimmungen durchgef~rt : Arginingehalt des Blutserums und des Spermaplasma von Normozoospermie-, Oligozoospermie- und AzoospermiePatienten. AuBerdem Bestimmung der Arginase-Aktivitat (EC 3.5.3.1 1 .). Konzentration des 1 Citrullins im Blutserum und im Spermaplasma (biologischer Pracursor des Arginins), und dessen katabolische Produkte: Urea und Guanidinoessigsaure (GAA).

Material und Methodik

Die Untersuchungen wurden an 40 Patienten durchgefuhrt (14 x Normozoospermie, 22 x Oligozoospermie, 4 x Azoospermie). Die Bestimmung von Urea und Citrullin er- folgte nach Ceriotti (1973); die Bestimmung von Arginin und GAA erfolgte nach Loeb et al. - 1969. Die Arginase-Aktivitat wurde in IU/100 ml, fur die ubrigen Substanzen in pM/100 ml angegeben.

Ergebnisse

1.1. Auf Grund unserer Untersuchungen ist die Konzentration des ICitrullins im Blutserum in allen 3 Gruppen annahernd gleich. Die Abweichungen in den Durch- schnittswerten sind statistisch nicht signifikant (Tab. 1).

1.2. Die Konzentration des freien Arginins im Blutserum zeigt ausgehend von der 1. Gruppe in Richtung 3. Gruppe eine Tendenz zur Verminderung der Durchschnitts- werte (Abb. 1). Diese Verminderung erWeist sich in der Gruppe 3 im Verhaltnis zur Kontrollgruppe (Gruppe 1) als statistisch signifkant (Tab. 2).

Key words: Arginine - arginase activity - citrulline - fertility - guanidine acetic acid

38 Gy. Papp, J. Grof, J. Molnar and E. Jambor

Tabelle 1: Das Verhalten des Citrullin und des Urea-Gehaltes im Serum und im Spermaplasma bei Normo- (I),

Oligo- (11) sowie Azoospermie 011)

Tabelle 2: Das Verhalten des Arginin- und des GAA-Gehaltes im Serum und im Spermaplasma bei Normo- (I),

Oligo- (II) sowie Azoospermie (111)

Tabelle 3: Das Verhalten der Arginase-aktivitit im Serum und im Spermaplasma bei Normo- (I), Oligo- (11)

mwie Azoospermie .(I111

>0.05 M.05 m.05

1.3. Die Blutserumkonzentration der GAA zeigt in inversem Verhaltnis zu der An- derung der Blutserum-Arginin-Konzentration - ausgehend von der Gruppe 1 in Rich- tung Gruppe 3 im Verhaltnis zu den Gruppen 1 und 2 - statistische Signifikanz (Tab. 2).

1.4. Hinsichtlich der Blutserum-Konzentration der Urea besteht keine Abweichung innerhalb der 3 Gruppen (Tab. 1).

1.5. Obwohl das Enzym Arginase in den 3 Gruppen im Durchschnitt beinahe die gleichen Werte ergibt (Tab. 3), ist es bemerkenswert, d& in 53 % der Normozoosper- mie-Ejakulate keine Arginase-Aktivitat im Blutserum feststellbar ist ; dieses Phanomen ist nur bei 33 % der Oligozoospermie-Gruppe nachzuweisen.

2.1. In der Konzentration des lCitrullins im Spermaplasma ergeben sich innerhalb der 3 Gruppen keine wesentlichen Unterschiede (Tab. 1).

andrologia 11 (1979)

Arginine Content and Arginase Activity 39

Arginin c------l

W

GAA - 750

500

c 250 E 0 z 3 ?!

i 0

3

Abb. 1 : Die Veranderung der Arginin- und der GAA-Konzentration (pM/100 ml) im Serum bei Normo- (I), Oligo- (11) sowie Azoospermie (111)

I ~ H

I T

c----l - Swum Spormaplarma

Abb. 2: Das Verhalten der Urea-Konzentration (pM/100 ml) im Serum und im Spermaplasma bei Normo (I), Oligo- (11) sowie Azoospermie (III)

Abb. 3: Stoffwechsel des 1-Arginins bei Saugern. ODC = Ornithinde- carboxylase; Spd. sy. ase = Sper- midinsynthetase; Sp. sy. ase = Sperminsynthetase. GAA = Guani- dinoessigsaure

7/r\7 hte insynthese

Kreatinin

Urea I ODC Futrescin

Soerrnidin I Spd sy ose

I Spermin

2.2. Es lassen sich keine nennenswerten Differenzen hinsichtlich des freien Arginin- Gehaltes des Spermaplasmas der 3 Gruppen feststellen (Tab. 2).

2.3. Die GAA-Konzentration im Spermaplasma der 3 Gruppen unterschied sich nur unwesentlich voneinander (Tab. 2).

2.4. Die Urea-Konzentration im Spermaplasma verhalt sich gegeniiber den anderen 3 Parametern abweichend. Zwischen der 1. und 2. Gruppe ergibt sich kein wesent- licher Unterschied; dagegen weichen die Werte in der 3. Gruppe von den Werten der 1. und 2 . Gruppe signifikant ab (Tab. 1 und Abb. 2).

andrologia 1 1 (1 979)

40 Gy. Papp, J . Grof, J . Molnar and E. Jambor

2.5. Die Arginase-Aktivitat im Spermaplasma der 2. und 3. Gruppe weicht im Durchschnittswert von den Daten der Normozoospermie-Gruppe wesentlich ab ; sie ist bei den Patienten der 3. Gruppe gegenuber denen der Kontrollgruppe (1. Gruppe) signifikant hoher (Tab. 3). Es ist bemerkenswert, daf3 die Arginase-Aktivitat im Sper- maplasma bei 50 % der Normozoospermie-Patienten nicht meBbar war; hingegen war sie in 82 % der Patienten mit Oligozoospermie erhoht (4, 19 f 2, 15 IU/lOO ml). Diese Daten ergeben im Vergleich zu jenen der 1. Gruppe, die eine Arginase-Aktivitat besaf3en (2 ,84 * 1 , 0 7 IU/lOO ml) eine statistische Signifikanz (p 0,005).

Diskussion

Auf Grund unserer Ergebnisse ist die erhohte Aktivitat der Glycin-Amidino-trans- ferase und der Arginase fur das Auftreten des in der Mehrzahl bei pathologischen Spermiogrammen gefundenen Arginindefizits verantwortlich. Auf die erhohte Aktivi- tat der Glycin-Amidinotransferase weist die Beobachtung hin, d B die Konzentration eines ihrer Endprodukte (GAA) parallel mit der Verringerung des Arginingehaltes im Blutserum ansteigt.

Wenngleich unsere Beobachtungen einwandfrei ausweisen, daB der Arginin-Metabo- lismus bei einem Teil der Patienten mit pathologischen Spermiogrammen eine Storung aufweist, so laBt sich die Beurteilung der Rolle des 1-Arginins bei der Entstehung und des Aufrechterhaltens von pathologischen Spermiogrammen auf molekularer Ebene auch heute als nicht gelost betrachten.

Zusammenfassung

Experimentelle Studien haben gezeigt, daB der Spermaarginingehalt bei Patienten rnit pathologischem Ejakulatbefund niedriger ist als bei normalen Mannern. Um die Ur- sachen dieser Divergenz zu finden, wurde von den Autoren der Gehalt von Arginin, Harnstoff, Citrullin, GAA und Arginaseaktivitat im Serum und im Sperma von 40 Pa- tienten mit Normo-, Oligo- oder Azoospermie analysiert. Ihre Ergebnisse zeigten erst- mals, daB die Ursachen des niedrigen Arginingehalts im pathologischen Sperma nicht in einer Storung des Praecursormetabolismus, sondern in einer erhohten Arginaseaktivi- tat und erhohten Umwandlung von Arginin in GAA zu suchen sind. Um den Reak- tionsmechanismus zu verstehen und um eine adaquate andrologische Therapie zu entwickeln, sind weitere detaillierte Studien auf Molekularbasis erforderlich.

The Importance of Arginine Content and Arginase Activity in Fertility

Summary

Experimental studies have shown that in men with pathospermia the arginine content of sperm plasma is lower than in normal men. In order to find out the reason of this divergency the authors analysed the content of arginine, urea, citrulline, GAA and arginase activity in serum and in sperm plasma of 40 patients with normo-, oligo- or azoospermia. For the first time our results show that the low arginine content in pathological sperm is not due to disorder of the precursor metabolism, but to the increased arginase activity and to the increased conversion of arginine to GAA.

In order to find out the mechanism of action and to develop an adequate andrological therapy detailed studies on molecular level have to be done.

andrologia 11 (1979)

Arginine Content and Arginase Activity 41

Literatur

Garrigues J.C.L. 1953. Arginine et infertilit6 masculine. Th6rapie. 8, 693-697. Ceriotti, G. 1973. Optimal conditions for ornithine carbamyl transferase determination. A simple

method without deproteinization. Clin. chim. Acta 47,97-105. Giarola, A. e C. Ballerio. 1959. Trattamento di elezione nelle subfertiliti seminali. Ann. Ostet.

Ginec. 2, 179-184. Holt, L.E. and A.A. Albanese. 1944. Observations on amino acid deficiencies in Man. Trans. Ass.

Amer. Phys. 58, 143-156. Keller, D.W. and K.L. Polakoski. 1975. L-arginine stimulation of human sperm motility in vitro.

Biol. Reprod. 13, 154-157. Krampitz, G. and R. Doepfmer. 1962. Determination of free amino-acids in human ejaculate by

ion exchange chromatography. Nature, London. 194,684 -686. Loeb, W.F. and R.A. Stuhlman. 1969. A colorimetric method for the determination of serum

arginase activity. Clin. Chem. 15, 162-169. Schachter, A., S. Friedman, A.J. Goldman and B. Eckerling. 1973. Treatment of oligospermia

with the amino acid arginine. Int. Gynaec. Obstet, 11, 206-209. Scull, C.W. and W.C. Rose. 1930. Arginine metabolism. 1. The relation of the arginine content of

the diet to the increments in tissue arginine during growth. J . Biol. Chem. 89, 109-123. Tanimura, J. 1967. Studies on arginine in human semen. Bull. Osaka Med. Sch. 13, 76-83.

Address: Doz. Dr. J. MOLNAR, Urologische Univ.-Klinik Ulloi ut 78B, H-1082 Budapest VIII/ Hungary.

I Announcements 1 April 19-21, 1979, Pisa: Symposium on Autoimmune Pinchera, Patologia Medica 11.

Aspects of Endocrine Disorders. Information: Dr. A. , University of Pisa, Via Bonanno 48, 561 00 Pisa, Italy.

24. -2 7 .5 . I 9 79, Kiel: Gemeinschaftstagungen der Deutschen, Osterreichischen und Skandinavischen Gesell- schaften. Themen: Fertilitat und Sterilitat, Gynakologie und Geburtshilfe. Information: Univ.-Frauenklinik, Hegewischstr. 4, 2300 Kiel 1.

May 28-30, 1979, Paris: 4th International Symposium of Journal of Steroid Biochemistry: Recent Advances in Steroid Biochemistry. Information: Dr. J.R. Pasqualini, CNRS Steroid Hormone Research Unit, Foundation for Hormone Research, 26 Bld. Brune, 75 014 Paris.

May 31 - June 1, I9 79, Gardone Riviera and Brescia: International Theoretical and Practical Course on Radioimmunoassay of Drugs and Hormones. Topics: G,eneral Concepts and Methodology - Prostaglandins - Endorphins and Related Peptides - Catecholamines - Radioreceptors Assay. Information: Organizing Secretariat, Fondazione Giovanni Lorenzini, Via Monte Napoleone, 23, 20121 Milan, Italy.

June 3-5, 1979, Venice: 2nd International Symposium on Clinical Psycho-neuroendocrinology in Reproduction. Information: Prof. L. Zichella, Dept. of Obstetrics & Gynecology, University of Rome, Italy.

andrologia 11 (1979)