die röntgenreaktion der haut, ein rhythmisches phänomen?

2
~932 KLIN[SCHE WOCHENSCH binentstehung, wird neuerdings yon verschiedenen Autoren bestritten (VINEs, STIJBER ulld SANO). Es soil Ilach diesell Autoreil die gerillnungsverhindernde Wirkung der Oxalate usw. Ilicht anf der Eliminierung der Kalkionell bestehen, viel- mehr soll es sich nm eille inehr direkte Wirkuilg handeln. Zur defiilitiven Entscheidung der Frage wurde der Vor- gang der Blutgerinnung, die Phase der Thrombinbildung ins- besondere, mit einer Versuchsanordllung studiert, in welcber dnrch Dialyse start dutch Oxalatzusatz eine Kalkverarmnng des Plasmas bzw. des Serums herbeigeffihrt wurde. Das Er- gebnis der Versnche ist eille t3estgtigullg der Hammarstenschen Anffassuilg in allen Einzelheiten, eille Ablehnnilg der Ar- beiten voil VIN~S nnd STUBm~ und SgNo. Literatur: 1) t-I. W. C. VINES, Journ. of physiology 55, 86 I921. -- 2) STUBER und SALVO. t3iochem. Zeitschr. i34.26o. 1923. DIE RONTGENREAKTION DER HAUT, EIN RHYTHMISCHES PHANOMEN ? Von Privatdozent Dr. G. MIESCHER, Oberarzt der Dermatologischen Klinik Zfirich (Direktor: Prof. Dr. BR. BLOCH). Eine systematische Durchforschung der 1R6ntgenstrahlen- reaktion der Haut an einem grol3ell nild einheitlich bestrahltell Material hat zu Ergebnissen geffihrt, welche ein v611ig neues Lich%auidieseskomplizierte Reaktionsph/tnomenwerien. Eine ansfiihrliche Darstellung wird in der Strahleiltherapie er- scheineil; hier soll Ilur in Kiirze das Wesentliehste mitgeteilt werden. Die bisherige Darstellung der R6ntgenreaktion in der Literatnr unteischeidet zwei Teile: I. die Frfihreaktion, u oder das Friiherythem und 2. die eigentliche Reaktion. Erstere *rift Stilnden bis h6chsteils einige Tage nach der Bestrahlung anf und stellt den fakultativell Teil im 1Reak- tioilsbild dar, letztere erscheint nach einer Lateilzzeit, die nach dell Angaben der Autoren bald nnr ein bis zwei, bald vide Wochen betr/igt. Nach der Ailschanung der meistell Autoren kommt der Frfihreaktion nur die 13edeutung einer angioneurotischen Reizerscheinuilg zu. Die eigenen Untersuchungeil haben gezeigt, dab diese Darstellung den tats~ehlichen Verh/iltnisseil nicht vollkommen entspricht, sondern sit nut in tin siarres Schema einzwfillgt. Das Hailptcharakteristicum der Rhntgeilhautreaktioll ist nicht die Gliederung in Vor- nlld Hauptreaktion, sondern ganz allgemein ihr Ablaut in einzelnen Schfiben, in Wellen (R6tungswellen), wobei es zull&chst llicht m6glich ist, zwischell den eiilzelilell Welleil irgenwelche Wesensunterschiede auf- zndeckeil. Jeder R6tuilgswelle liegt tin echter eiltzfindlicher Vorgallg zngrunde. Die Zahl der Wellen ist keinen Gesetz- mgBigkeiten unterworfen. Zuweilen e!scheinen nur ein oder zwei, am hh.ufigsten drei Wellen. In einigen Fgllen wurden sogar vier Wellen beobachtet. Die erste Welle setzt zwischen dem i. und 4., die zweite zwischen dem 8. und 22, die dritte zwischen dem 32. uild 51., die vierte nach dem 58. Tage eiil. Die Latenzzeiten der einzelilen Wellen sind nur sehr weilig abh/ingig yon der Dosengr6Be und im wesentlichen dnrch individuelle lCaktoren bedingt. Bei schwachen Reaktionen ist das Reaktionsbild meist unvollstgndig. Es kommen llur eine oder h6chstens zwei Wellen zur Entwieklnng, wobei die Dose seheinbar ganz ohne Einflnl3 darauf ist, welche yon den Wellell ausfallen. Man beobachtet Fglle, welche bei gleicher Dosis nut die erste oder nnr die zweite oder nur die dritte Welle erkennen lassen. Bei starken Reaktionen flieBen die Wellen teilweise oder vollstgndig zusammen, doch selten so, dab die Gliederung in die drei Einzelwellen vollkommell verwischt wird. Reak- tionsbilder mit drei isolierten, durch r6tuilgsfreie Intervalle getrennte Welleil kommen nur im Gebiete schwacher bis mittetstarker Reakt~onen vor. Rt FT. 2. JAIfRGAN& Nr. 42 I5. OKTOt3F.R i}/2 3 Das intensitXtsmaximum der Reaktion liegt gew6hnlich im Gebiet der dritten Welle. Die dritte Welle macht datum meist den Eindruck der Hanptreaktion. Die zweite Welle ist in der Regel schw/icher und wird darum leicht fiberseheil. Bei st/irkeren Reaktionen nimmt die Intensit~t (der R6tnilgs- grad) der zweiten Welle zu; sie kann so erheblich werden, daB schon die zweite Welle als Hauptwelle ]mponiert. Die dritte Welle folgt dailn noch nach oder sie geht im intensiven Reaktionsbild vottst~ndig verloren. Die nns bekannte Verkiirzung der Lateilzzeit bei wachsen- der Dose ist zum gr6Bten Tell nur eine scheinbare; sie erkl/irt sieh dadurch, daB der Schwerpuilkt der Reaktion sich yon der dritteil auf die zweite nnd schlieBlich auf die erste Welle verlegt, so dab deren Lateilzzeiten danil im Reaktionsbild dominieren. Die Verkfirzung der Latenzzeit der einzelllen Welle bei steigender Dose ist nur eine relativ geriilge und erkl/irt sich durch eine Verbreiterung der Welle. Beim selben Individuum ist der zeitliche Kurveilverlauf (der Rhythmus der Kurve) ifir alle Dosen, welche Reaktionen erzeugen, ann/ihernd derselbe. Die Reaktionsbilder fiber- lagern sieh einfach- Einen integralen Faktor im Reaktionsbild stellt die Pigmentierung dar. Bei schwaehen 1Reaktionen ist sie nur gering, bei st/irkerell tritt sie regelm/iBig auf ulld nimmt zum Tell sehr intensive Grade an. Der Ablauf der Pigmen- tierung, die Pigmentknrve, zeigt weitgehende Anlehilung an die R6tnngskurve. In der Regel iolgt eiiler R6tungs- welle eine Pigmentwelle nach. Hgnfig fallen eiilzelne Pigment- wellen weg, besonders die erste ulld zweite. Andererseits kailn bei sehr schwachen Reaktionen die Pigmentkurve vollst/indiger sein als die R6tungskurve, ja sie kanil alleiil sich entwickelil. Die Lateilzzeitell ihrer Wellen zeigen dabei eine vollkommene Aillehnung an die Latenzzeiten der R6tungs- wellen. Der Dosenbereich, inllerhalb welchem Erytheme auf- taeten (Reaktion II. Grades), ist ein auBerordentlich groller. Das VerhNtnis der Dosellgrenzwerte betr~ig~c fiir eille ge- gebelle Strahlung mindestells I : 6. Das Ergebnis der eigeilell Untersuehungell ist die Tat- sache, dab die R6ntgeilhantreaktion aus tiller Anzahl yon Wellen sich zusammensetzt, welche in iildividuell verschie- denen Zeitabschilitten aufeinanderfolgen. Es erhebt sich nun die Frage, sind die verschiedellen R6tnllgswellen die 2%uBeruilg eines gleiehen, sich einfach wiederholellden Vor- ganges, oder muB jede einzeln als eine gesonderte, von den andern verschiedene Erscheinnng betrachtet werden, als eine isolierte Teilwirkung im Gesamtvorgang, die mit eiiler be- sfimmten, ihr eigenen Latenzzeit zum Vorschein kommt. Die Entscheidung dieser Frage ist heute llicht m6glich. Wir k6ilnen Ilur das eine feststelleil, daft weder klinisch noch histologisch prillzipielle Unterschiede zwischen den eillzelnen Wellen hervortretem Es ist nur der I*ltensit/itsgrad der Erscheilluilg, welcher schwankt. Die Annahme, dab die Friihreaktion -- ullsere erste Welle -- ein ar~gioneurotisches Ph/inome~ darstellt, erscheint beim Studiura tier histolo- gisehen tBilder nnbegrfindet, denn es fiilden sich stets in mehr oder welliger ausgesprocheller Weise die Zeichen der Ent- ziindnng: Zellalterationen, ser6se Exsudation, Rundzellen- infiltrate. Angesichts der Unm6glichkeit, die einzelnen Wellen durch irgelldwelche Unterscheidungsmerkmale voneinander ab- zugrellzen, dr/ingt sich die Vermutung auf, dab es sich hier um eiilen periodischen Vorgailg, um eiil rhythmisches Phh.no- men handelt, um tin An- und Abschwellell yon Entzfilldungs- vorggllgen anI Grund einer periodisch wiederkehrenden Konstellation. Die lleueren radiologischen Forschungen auf dem Gebiete der Zellbiologie machen es immer wahrseheinlieher, dab dutch die R6ntgenstrahlen vorwiegeild der Kern und damit der Teilungsapparat der Zelle geschgdigt wird. I)as Hervor- treten der R6ntgeilschgdigung ist datum in erster Linie wghreild dell Zellteilungsperioden zu erwarteil. Die eigenen histologischen Untersuchnngen haben gezeigt, daB im Begilln der Reakhonswellen Kernteilungsfig~re~ auffMlend h/iufig

Upload: g-miescher

Post on 15-Aug-2016

222 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Röntgenreaktion der Haut, ein Rhythmisches Phänomen?

~932 K L I N [ S C H E W O C H E N S C H

binentstehung, wird neuerdings yon verschiedenen Autoren bestrit ten (VINEs, STIJBER ulld SANO). Es soil Ilach diesell Autoreil die gerillnungsverhindernde Wirkung der Oxalate usw. Ilicht anf der Eliminierung der Kalkionell bestehen, viel- mehr soll es sich nm eille inehr direkte Wirkuilg handeln.

Zur defiilitiven Entscheidung der Frage wurde der Vor- gang der Blutgerinnung, die Phase der Thrombinbildung ins- besondere, mit einer Versuchsanordllung studiert, in welcber dnrch Dialyse start dutch Oxalatzusatz eine Kalkverarmnng des Plasmas bzw. des Serums herbeigeffihrt wurde. Das Er- gebnis der Versnche ist eille t3estgtigullg der Hammarstenschen Anffassuilg in allen Einzelheiten, eille Ablehnnilg der Ar- beiten voil VIN~S nnd STUBm~ und SgNo.

L i t e r a t u r : 1) t-I. W. C. VINES, Journ. of physiology 55, 86 I921. -- 2) STUBER und SALVO. t3iochem. Zeitschr. i34.26o. 1923.

DIE RONTGENREAKTION DER HAUT, EIN RHYTHMISCHES PHANOMEN ?

V o n

Pr iva tdozen t Dr. G. MIESCHER, Oberarzt der Dermatologischen Klinik Zfirich (Direktor: Prof. Dr. BR. BLOCH).

Eine systematische Durchforschung der 1R6ntgenstrahlen- reaktion der Haut an einem grol3ell nild einheitlich bestrahltell Material hat zu Ergebnissen geffihrt, welche ein v611ig neues Lich%auidieseskomplizierte Reaktionsph/tnomenwerien. Eine ansfiihrliche Darstellung wird in der Strahleiltherapie er- scheineil; hier soll Ilur in Kiirze das Wesentliehste mitgeteilt werden.

Die bisherige Darstellung der R6ntgenreaktion in der Literatnr unteischeidet zwei Teile:

I. die Frfihreaktion, u oder das Friiherythem und

2. die eigentliche Reaktion. Erstere *rift Stilnden bis h6chsteils einige Tage nach der

Bestrahlung anf und stellt den fakultativell Teil im 1Reak- tioilsbild dar, letztere erscheint nach einer Lateilzzeit, die nach dell Angaben der Autoren bald nnr ein bis zwei, bald vide Wochen betr/igt. Nach der Ailschanung der meistell Autoren kommt der Frfihreaktion nur die 13edeutung einer angioneurotischen Reizerscheinuilg zu.

Die eigenen Untersuchungeil haben gezeigt, dab diese Darstellung den tats~ehlichen Verh/iltnisseil nicht vollkommen entspricht, sondern sit nut in t in siarres Schema einzwfillgt. Das Hailptcharakteristicum der Rhntgeilhautreaktioll ist nicht die Gliederung in Vor- nlld Hauptreaktion, sondern ganz allgemein ihr Ablaut in einzelnen Schfiben, in Wellen (R6tungswellen), wobei es zull&chst llicht m6glich ist, zwischell den eiilzelilell Welleil irgenwelche Wesensunterschiede auf- zndeckeil. Jeder R6tuilgswelle liegt t in echter eiltzfindlicher Vorgallg zngrunde. Die Zahl der Wellen ist keinen Gesetz- mgBigkeiten unterworfen. Zuweilen e!scheinen nur ein oder zwei, am hh.ufigsten drei Wellen. In einigen Fgllen wurden sogar vier Wellen beobachtet.

Die erste Welle setzt zwischen dem i. und 4., die zweite zwischen dem 8. und 22, die dritte zwischen dem 32. uild 51., die vierte nach dem 58. Tage eiil. Die Latenzzeiten der einzelilen Wellen sind nur sehr weilig abh/ingig yon der Dosengr6Be und im wesentlichen dnrch individuelle lCaktoren bedingt.

Bei schwachen Reaktionen ist das Reaktionsbild meist unvollstgndig. Es kommen llur eine oder h6chstens zwei Wellen zur Entwieklnng, wobei die Dose seheinbar ganz ohne Einflnl3 darauf ist, welche yon den Wellell ausfallen. Man beobachtet Fglle, welche bei gleicher Dosis nu t die erste oder nnr die zweite oder nur die dritte Welle erkennen lassen.

Bei starken Reaktionen flieBen die Wellen teilweise oder vollstgndig zusammen, doch selten so, dab die Gliederung in die drei Einzelwellen vollkommell verwischt wird. Reak- tionsbilder mit drei isolierten, durch r6tuilgsfreie Intervalle getrennte Welleil kommen nur im Gebiete schwacher bis mittetstarker Reakt~onen vor.

R t FT. 2. J A I f R G A N & Nr. 42 I5. OKTOt3F.R i}/2 3

Das intensitXtsmaximum der Reaktion liegt gew6hnlich im Gebiet der drit ten Welle. Die dritte Welle macht da tum meist den Eindruck der Hanptreaktion. Die zweite Welle ist in der Regel schw/icher und wird darum leicht fiberseheil. Bei st/irkeren Reaktionen n immt die Intensit~t (der R6tnilgs- grad) der zweiten Welle zu; sie kann so erheblich werden, daB schon die zweite Welle als Hauptwelle ]mponiert. Die dritte Welle folgt dailn noch nach oder sie geht im intensiven Reaktionsbild vottst~ndig verloren.

Die nns bekannte Verkiirzung der Lateilzzeit bei wachsen- der Dose ist zum gr6Bten Tell nur eine scheinbare; sie erkl/irt sieh dadurch, daB der Schwerpuilkt der Reaktion sich yon der dritteil auf die zweite nnd schlieBlich auf die erste Welle verlegt, so dab deren Lateilzzeiten danil im Reaktionsbild dominieren. Die Verkfirzung der Latenzzeit der einzelllen Welle bei steigender Dose ist nur eine relativ geriilge und erkl/irt sich durch eine Verbreiterung der Welle. Beim selben Individuum ist der zeitliche Kurveilverlauf (der Rhythmus der Kurve) ifir alle Dosen, welche Reaktionen erzeugen, ann/ihernd derselbe. Die Reaktionsbilder f i b e r - lagern sieh einfach-

Einen integralen Faktor im Reaktionsbild stellt die Pigmentierung dar. Bei schwaehen 1Reaktionen ist sie nur gering, bei st/irkerell t r i t t sie regelm/iBig auf ulld n immt zum Tell sehr intensive Grade an. Der Ablauf der Pigmen- tierung, die Pigmentknrve, zeigt weitgehende Anlehilung an die R6tnngskurve. In der Regel iolgt eiiler R6tungs- welle eine Pigmentwelle nach. Hgnfig fallen eiilzelne Pigment- wellen weg, besonders die erste ulld zweite. Andererseits kailn bei sehr schwachen Reaktionen die Pigmentkurve vollst/indiger sein als die R6tungskurve, ja sie kanil alleiil sich entwickelil. Die Lateilzzeitell ihrer Wellen zeigen dabei eine vollkommene Aillehnung an die Latenzzeiten der R6tungs- wellen.

Der Dosenbereich, inllerhalb welchem Erytheme auf- taeten (Reaktion II. Grades), ist ein auBerordentlich groller. Das VerhNtnis der Dosellgrenzwerte betr~ig~c fiir eille ge- gebelle Strahlung mindestells I : 6.

Das Ergebnis der eigeilell Untersuehungell ist die Tat- sache, dab die R6ntgeilhantreaktion aus tiller Anzahl yon Wellen sich zusammensetzt, welche in iildividuell verschie- denen Zeitabschilitten aufeinanderfolgen. Es erhebt sich nun die Frage, sind die verschiedellen R6tnllgswellen die 2%uBeruilg eines gleiehen, sich einfach wiederholellden Vor- ganges, oder muB jede einzeln als eine gesonderte, von den andern verschiedene Erscheinnng betrachtet werden, als eine isolierte Teilwirkung im Gesamtvorgang, die mit eiiler be- sfimmten, ihr eigenen Latenzzeit zum Vorschein kommt. Die Entscheidung dieser Frage ist heute llicht m6glich. Wir k6ilnen Ilur das eine feststelleil, daft weder klinisch noch histologisch prillzipielle Unterschiede zwischen den eillzelnen Wellen hervortretem Es ist nur der I*ltensit/itsgrad der Erscheilluilg, welcher schwankt. Die Annahme, dab die Friihreaktion -- ullsere erste Welle -- ein ar~gioneurotisches Ph/inome~ darstellt, erscheint beim Studiura tier histolo- gisehen tBilder nnbegrfindet, denn es fiilden sich stets in mehr oder welliger ausgesprocheller Weise die Zeichen der Ent- ziindnng: Zellalterationen, ser6se Exsudation, Rundzellen- infiltrate.

Angesichts der Unm6glichkeit, die einzelnen Wellen durch irgelldwelche Unterscheidungsmerkmale voneinander ab- zugrellzen, dr/ingt sich die Vermutung auf, dab es sich hier um eiilen periodischen Vorgailg, um eiil rhythmisches Phh.no- men handelt, um t in An- und Abschwellell yon Entzfilldungs- vorggllgen anI Grund einer periodisch wiederkehrenden Konstellation.

Die lleueren radiologischen Forschungen auf dem Gebiete der Zellbiologie machen es immer wahrseheinlieher, dab dutch die R6ntgenstrahlen vorwiegeild der Kern und damit der Teilungsapparat der Zelle geschgdigt wird. I)as Hervor- treten der R6ntgeilschgdigung ist datum in erster Linie wghreild dell Zellteilungsperioden zu erwarteil. Die eigenen histologischen Untersuchnngen haben gezeigt, daB im Begilln der Reakhonswellen Kernteilungsfig~re~ auffMlend h/iufig

Page 2: Die Röntgenreaktion der Haut, ein Rhythmisches Phänomen?

�9 5 . O K T O B E R x923 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr. 42 1933

angetroffen werden, und zwar gerade in der Nachbarschaft tier st/~rksten Zerfallsvorg/inge.

Der pulsierende Charakter der 1R6ntgenreaktion l~Bt sich in Anlehnung an .diese Vorstellungen durch die Annahme erklgren, dab gewisse (vielleicht s/imtliche) Prozesse in der Hau t und darunter auch die Zellteilungsvorg/inge nicht gleiehm/~Big vor sich gehen, sondern rhythmisch wieder- kehrende Steigerungen erfahren. Die R6tungswelten wfirden dann den Phasen gesteigerter Teilungst~tigkeit entsprechen, da in jeder Teilungsperiode bei einer kteineren oder grS/3eren Anzahl yon Zellen die Strahlenkrankheit in mehr oder weniger verh~ngsnisvoller Weise in den Vordergrnnd treten m u l l

In dieser Beziehnng interessant ist die bereits yon Rose ge- machte t3eobachtung, dab im histologischell 13ild der RSntgen- reaktion die Sch'~tdigullg nieht diffus solldern fleckf6rmig auftritt, so dab zwischen gesch~digten Elemellten immer wieder Gruppen scheinbar vollst~ndig normMer Zellen sich linden.

Die dargelegte Auffassung ist vollst/indig hypothetisch und will auch nicht mehr sein, allein wit stehen eben in bezng auf das Studium rhythmischer Vorg~inge in der Natur noch vollst/indig in den Anf~ngen. Wir kennen rhythmische Er- scheinungen im Wachstum und in den Teilungsvorg/ingen niederer Lebewesen. Bei h6her organisierten ist nns nicht -r darfiber bekannt, vielleicht darum, well der rhythmische Pulsschlag von Einzelvorg/~ngen in komplizierten Vielerlei des Gesamtgeschebens untergeht. /)as Gleichgewicht in alien Teilen unseres Organisrnus wird hergestellt dutch ein hoch- differenziertes System regulatorischer Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen, Die Regulation mull man sich dabei als einen mehr odor weniger stark gediimpften Schwingungs- vorgang vorstellen, wobei sowohl der Grad der D~mpfung als anch die Sch~adngungsdauer anBerordentlich verschieden sein k6nnen.

Auch in den Lebensvorggngen der Haut muB jede Funk- l ion auch das Wachstum dutch ein antagonistisches Spiel yon Teilkr~ften beherrscht sein, als dessen Folge welleni6rmig ~r Zustandsgndernngen auftreten k6nnen. W'ir wissen darfiber noch nichts ; vielleicht ist die R6ntgenreaktion tier Haut eine erste siehtbare AuBerung davon.

Angesichts der vollstgndig neuen Beleuchtung, welche die R6ntgenreaktion d e r t t au t durch die vorliegenden Unter- suchunge~r erfahren hat, gewinnt a u c h das Studium der Liehtreaktion, welche ja m i t d e r R6ntgenreaktion viel Gemein- sames hat, ein erneutes Interesse. Die eigenen Versuche fiber diese Frage sind noch nicht abgeschlossen, sie scheinen aber dafiir zu sprechen, dab auch die Lichtreaktion ~u den wellen- ]Srm~gen Reaktionsph~inomen yeh6rt.

In einer Anzahl der experimentell mit einer Quarz- lampe bestrahlten F/ille wurde nach einem ersten intensiven E ry them ein zweites, reels% schw/icheres Ery them beobachtet, das zwischen dem 12. und 22. Tage einsetzte. Dieser Zeit- abschnit t entspricht aber vollkommen der Latenzperiode der zweiten R6ntgenwelle. Die ]3eobachtungen stehen noch vereinzelt da. Die Fortsetzung der Analyse wird erst lehren, ob in solchen Erscheinungen ein gesetzmfil3iger Vorgang zum Ausdruck kommt.

DER SYMPTOMENKOMPLEX DER SCHLEICHENDEN ALLGEMEININFEKTION

(CHRONIOSEPTICAMIE). 3. Be i t rag .

gon

Dr. FELIX E. R. LOEWENHARDT, Assistenzarzt der L Inn. Abteil. des St~dL Krankenhauses Charlottenburg-We~tend

(Direktor: Prof. Dr. UMBER).

In einer friiheren Arbeit ~) habe ictl an Hand unseres um- ~angreichen 13eobachtungsmaterials unsere Anschauungen fiber das Wesen und die ]3edeutnng der schleichenten Allge- meininfektion (Chroniosepticdmie) eingehender auseinander- zusetzen versucht nnd die Ergebnisse k/irzlich an Hand einer Krankendemonstrat ion in der Hufeland Gesellschaft (M/irz I923) in kurzen Ziigen dargelegt. Danaeh geh6ren unter den

Kllnische Woche~schr / f t , e . ] ah~g .

Begriff der Ctvroniosepticdmie eine ganze Anzahl zum Tell gut belmnnter und gut abgrenzbarer klinischer Bilder, denen folgende diagnostische Symptome gemeinsam sind: in der Vorgeschichte meist Angaben fiber irfiher erworbene Infekte, schleichender Beginn ohne wesentliche St5rung des All- gemeinbefindens, ]3akterien im Blur, septische Milz, Krank- heitsverlauf meist schleichend mit gew6hnlich nut subfebrilen Temperaturen und vielfach ohne st~rkeres subjektives Krank- heitsgeffihl und je nach der Reaktion des Organismus aui den Infekt mit dem Uberwiegen des einen oder anderen Sym- ptomenkomplexes, So habe ich mich bereits fiber die Cholangitis Ienta als einer schleichenden h/imatogenen AUgemeininfektion mit Lokalisation des Erregers in den Cholangien ge~uBert (Klin. Wochenschr. 1923, Nr. 5).

I. Die schleichende in/ekti6se Andmie (Anaemia lenta ).

Wit hat ten nun Gelegenheit, einige F/ille eines anderen gut abgrenzbaren klinischen, bisher in diesem Zusammenhang verkannten und in der Regel als pernizi6se An/imie gedeute- ten Symptomenkomplexes aus demGebie t der Chronioseptic- ~imie zu beobachten, fiber die im folgenden kurz berichtet werden soil. Vorweg sei darauf hingewiesen, dab ich in der Literatur nur einen einzigen/ihnlichen Fall finden konnte, der von KNAUTH i) mitgeteilt worden ist. Es handelte sich um einen iungen Soldaten, der angeblich nie krank gewesen war und 8 Tage nach Uberstehen einer Angina in Behandlung kam. Ausgesprochenes Mfidigkeitsgeffihl waren seine einzigen Klagen. Als Befund ergab sich neben v611igem Fehlen sons~iger Symptome eine An~imie yon 1,o96 Mill. Erythrocyten, 16 4oo Leukocyten, 25 ~o H~imoglobin und einigen kernhaltigen roten Blutk6rperchen. Abends immer geringe Temperatur- steigerungen bis 38~ Im Verlauf der 21/2 monatligen Be- handlung keine Anderung des Zustandes trotz zweimaliger t31uttransfusion und Exitus letalis. Bei der Sektion fanden sich gerStete Mandeln mit Eiter in der linken Mandel und aus der Milz konnte Staphylococcus aureus gezfichtet werden. Der Fall wurde als postin~ekti6se Ans mit unzureichender Knochenlnarksregeneration aufgefaBt und yon KNAUTH als ,,Anaemia gravissima septica" bezeichnet. Wir verffigen bisher fiber 5 F~lle, yon denen 2 Krankengeschichten zu- n/tehst kurz mitgeteil t werden sollen.

.Fail 1. Therese FI., 57 Jahre, K6chin. Aufgenommen am 18. XI. 1922. Als Kind Masern, Scharlach, Pocken; im Julli 1922 ,,Grippe". Seit dieser Zeit will sie immer blasser und matter ge- worden sein und hat viel Kopfschmerzell. Seit 6 Wochen hfiufig Herzklopfen, Kurzatmigkeit und Husten. Seit 14 Tagen hiiufiger FrOstela und oft Schwindelanf~lle. In den letztell Tagen starkes Durstgeffihl und Schiafiosigkeit. Eillgeliefers unter der Diagnose Herzleiden, Blutarmut und rechtsseitiger Lullgellspitzenkatarrh. Bejund: 156 cm groBe, mittelkr~iftige Frau ill gutem Erni~hrullgs- zustand. Haul und sichtbare Schleimh~kute blaB, scblecht durch- blutet. Kein Odem, kein Exanthem. Sensorium frei. Temperatur 38 ~ Rachenorgane o. ]3. Lungell o. ]3. Herz klinisch und r6ntge- nologisch yon llormaler Konfiguratioll, all der Spitze leises, nicht immer vorhandenes, systolisches Ger~Lusch. 2 P,-T. nicht betont. Blutdruck I15/55. Pllls I 2 0 , regelmi~Big. Milz ix[z Q.-F. unterhalb des Rippenbogens fiihlbar, sehr welch. Abctomen sonst o. ]3. Urin o. t3. Blutbild: Rote B.-K. I 9oo ooo; weifle B.-K. IOOOO (67% Lymphocyten, 26% Segmentzellen 2~o Myelocyten, 1% Eosino- phile), Anisocytose ulld Polychromasie angedeutet; 3~o Normo- bIastell. H~mogtobill 44/9o Sahli; FXrbindex 1,29. WaR. negativ. Im Blut Bilirubin direkt negativ, indirekt I[2OO ooo. Blutkultur: anMimolytische Stmptolco~ken. Mageninhalt nach P.-F.: Freie HC10, Gesamtacidit~t 26, Milchs~ure o, Blut o; Mikroskopisch o.B. Im Verlauf allmi~hlieb starker remittierendes Fieber his 40,5 . 25. XI. : Im Urin Spllren yon EiweiB, Sediment ol B., bakteriologisch steril. Stuhl auch bakteriologiseh o. ]3. Unter zllnehmender K6rper- sctlw~che Tod am 27. XI. Sektion (Nr. 825/22 Prof. VxRSs Enorm groBe, ziemlich weiche, .septisehe Milz. Herz, Endokard o. B. Das Mark der Femureplphyse ist rot, llnd zwar proximal bis zmn Schenkelhals, distal dagegen nut bis handbreit iiber der :Epiphyse. Im Knochenmark- und BIutausstrich keine kernhaltigen roten Elemente zu linden.

W~hrend in diesem Falle die 131utkulturen voll dem Organ- material keine einwandfreien bakteriologischen Ergebnisse brachten, gelang es im iolgenden Fall 2 auch post mortem den Erreger za zi~chten.

Iz5