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Makromol. Chem. 179, 2051-2067 (1978) Die Orientierung der kristallinen und der nichtkristallinen Bereiche in verstreckten Polyethylenterephthalat-Folien Harald J. Biangardi Institut fur Physikalische Chemie der Universitat Mainz, D 6500 Mainz, Jakob-Welder-Weg 15 und Sonderforschungsbereich 41, Chemie und Physik der Makromolekule, Sektion Mainz (Eingangsdatum: 24. November 1977) SUMMARY: Films of poly(ethy1ene terephthalate) were stretched at 100°C with different stretching rates. By this, oriented films with birefringences between 3. were produced. After a crystallization with fixed ends at 150"C, 200°C and 240"C, the orientation function of the crystalline regions, the density, and the birefringence were measured. From this data, the orientation function of the noncrystalline regions was computed. The results obtained show, that only a qualitative but not a quantitative computa- tion of the orientation function is possible. With increasing birefringence of the material before crystalliza- tion, the orientation of the crystalline and the noncrystalline regions increases. Up to birefringences of Ano=40. lob3 in both regions a strong increase of the orientation function is observed. At higher birefringences Ano, the increase diminishes and depends strongly on the crystallization temperature. The orientation of the crystals after crystallization is better than the initial average orientation of the sample before crystallization. Further the orientation function of former reported structure models for the crystalline regions were computed in dependence of the structure parameters. Comparing the computed and experimental results one finds, that the change from structures consisting of twisted lamellae into such of bended lamellae occurs at a birefringence Ano=20.10-3. and 100. 1. Einleitung Die Morphologie von teilkristallinem Polyethylenterephthalat hangt im wesentlichen vom Orientierungszustand des Materials vor der Kristallisation ab. In einer Reihe von Arbeiten wurde die morphologische Struktur des isotropen' -3) und des hochorientierten4- lo) Materials bestimmt. AuDerdem konnte gezeigt werden, daB man mit wachsender Orientierung des amor- phen Ausgangsmaterials nach einer Temperung einen stetigen Ubergang von der Struktur des isotropen zur Struktur des hochorientierten Materials findet"). Wahrend aber bei diesem Ubergang fur die kristallinen Bereiche konkrete Modellvorstellungen" - 13) entwickelt werden konnten, war dies fur die nichtkristallinen Bereiche nicht moglich. In der vorliegenden Arbeit werden nun durch Kombination von Messungen der Rontgen- streuung und der Doppelbrechung die Orientierung der Kristallite und die der nichtkristallinen Bereiche getrennt bestimmt. Es wird untersucht wie sich diese Orientierungen im einzelnen mit wachsender Doppelbrechung des Materials vor der Kristallisation und mit wachsender Kristallisationstemperatur andern. Des weiteren wurden die Orientierungsfunktionen fur ver- schiedene Modelle (tordierte Lamellen, nichttordierte Lamellen) berechnet und die Ergebnisse mit den experimentellen Resultaten verglichen. Dadurch wurden weitere Einsichten in die Konformationen der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen, sowie in den Mechanismus der Kristallisation unter Spannung gewonnen. SchlieDlich konnte genau jene Ausgangsorientie-

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Page 1: Die orientierung der kristallinen und der nichtkristallinen bereiche in verstreckten polyethylenterephthalat-folien

Makromol. Chem. 179, 2051-2067 (1978)

Die Orientierung der kristallinen und der nichtkristallinen Bereiche in verstreckten Polyethylenterephthalat-Folien

Harald J . Biangardi

Institut fur Physikalische Chemie der Universitat Mainz, D 6500 Mainz, Jakob-Welder-Weg 15 und Sonderforschungsbereich 41, Chemie und Physik der Makromolekule, Sektion Mainz

(Eingangsdatum: 24. November 1977)

SUMMARY: Films of poly(ethy1ene terephthalate) were stretched at 100°C with different stretching rates. By

this, oriented films with birefringences between 3 . were produced. After a crystallization with fixed ends at 150"C, 200°C and 240"C, the orientation function of the crystalline regions, the density, and the birefringence were measured. From this data, the orientation function of the noncrystalline regions was computed. The results obtained show, that only a qualitative but not a quantitative computa- tion of the orientation function is possible. With increasing birefringence of the material before crystalliza- tion, the orientation of the crystalline and the noncrystalline regions increases. Up to birefringences of Ano=40. lob3 in both regions a strong increase of the orientation function is observed. At higher birefringences Ano, the increase diminishes and depends strongly on the crystallization temperature. The orientation of the crystals after crystallization is better than the initial average orientation of the sample before crystallization. Further the orientation function of former reported structure models for the crystalline regions were computed in dependence of the structure parameters. Comparing the computed and experimental results one finds, that the change from structures consisting of twisted lamellae into such of bended lamellae occurs at a birefringence Ano=20.10-3.

and 100.

1. Einleitung

Die Morphologie von teilkristallinem Polyethylenterephthalat hangt im wesentlichen vom Orientierungszustand des Materials vor der Kristallisation ab. In einer Reihe von Arbeiten wurde die morphologische Struktur des isotropen' - 3 ) und des hochorientierten4- lo) Materials bestimmt. AuDerdem konnte gezeigt werden, daB man mit wachsender Orientierung des amor- phen Ausgangsmaterials nach einer Temperung einen stetigen Ubergang von der Struktur des isotropen zur Struktur des hochorientierten Materials findet"). Wahrend aber bei diesem Ubergang fur die kristallinen Bereiche konkrete Modellvorstellungen" - 1 3 ) entwickelt werden konnten, war dies fur die nichtkristallinen Bereiche nicht moglich.

In der vorliegenden Arbeit werden nun durch Kombination von Messungen der Rontgen- streuung und der Doppelbrechung die Orientierung der Kristallite und die der nichtkristallinen Bereiche getrennt bestimmt. Es wird untersucht wie sich diese Orientierungen im einzelnen mit wachsender Doppelbrechung des Materials vor der Kristallisation und mit wachsender Kristallisationstemperatur andern. Des weiteren wurden die Orientierungsfunktionen fur ver- schiedene Modelle (tordierte Lamellen, nichttordierte Lamellen) berechnet und die Ergebnisse mit den experimentellen Resultaten verglichen. Dadurch wurden weitere Einsichten in die Konformationen der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen, sowie in den Mechanismus der Kristallisation unter Spannung gewonnen. SchlieDlich konnte genau jene Ausgangsorientie-

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rung bestimmt werden, bei der der ubergang von Strukturen aus vollstandig tordierten Lamellen zu ,,gewellten" Lamellen stattfindet.

Die hier untersuchten Orientierungsfunktionen sind von wesentlicher Bedeutung fur die Erklarung der mechanischen Eigenschaften, wie insbesondere von S a m u e l ~ ' ~ ) gezeigt wurde.

2. Experimentelle Ve'erfahren und Auswertemethoden

200 pm dicke und 5 cm breite Streifen einer amorphen Polyethylenterephthalat-Folie der Fa. Kalle AG wurden bei T, = 100°C mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten verstreckt und anschlieBend auf Raumtemperatur abgeschreckt. Nach der Messung der Doppelbrechung wurden die Proben mit festgehal- tenen Enden 5 h bei Temperaturen von 150°C, 200°C und 240°C kristallisiert. Danach wurde die Dichte, die Doppelbrechung und die Rontgenstreuung gemessen.

Die Verstreckung der Proben erfolgte an einer Instron Materialpriifmaschine Typ 11 13 rnit zugehoriger Temperaturkammer.

Die Dichte wurde nach der Schwebemethode rnit einem Dichtegradienten aus CC14 und Hexan ermittelt.

Die Messung der Doppelbrechung erfolgte am Polarisationsmikroskop rnit Hilfe eines Kippkompensa- tors der Fa. Leitz.

Die Weitwinkelrontgenstreubilder wurden rnit einer Siemens-Flachkammer aufgenommen. Die zur Bestimmung der Orientierungsfunktion notwendige azimutale Intensitatsverteilung der Reflexe wurde an einem Siemens Diffraktometer Typ F rnit einem Praparatetrager fur Durchstrahlungsaufnahmen gemessen.

Die Orientierungsfunktion f ist allgemein durch die Gleichung

f=$(3(COS28)- 1) (1)

gegeben15), worin 8 der Winkel zwischen der Vorzugsrichtung und irgendeines fur die Struktur charakteri- stischen Vektors (z. B. der Kettenrichtung) ist.

Zur Beschreibung der Orientierung der kristallinen Bereiche werden die Orientierungsfunktion fc der Hauptachsenrichtung a und die Orientierungsfunktion f der Hauptachsenrichtung y der Indikatrix benotigt. Beim Polyethylenterephthalat liegt a parallel zur ( I 00)-Netzebenennnormalen und y parallel zur Kettenrichtung2'.

Um die Orientierungsfunktionenf, undf, der kristallinen Bereiche zu bestimmen, wurden die azimutalen Intensitatsverteilungen I(0) der loo-, -1 10- und 010-Reflexe gemessen.

In Abb. 1 ist die MeBanordnung zur Bestimmung der azimutalen Intensitatsverteilung I(@) fur Proben rnit axialer Symmetrie gezeigt. Sowohl der Primarstrahl So als auch der abgebeugte Strahl 5 bilden

I Dekkbr Abb. 1. MeBanordnung zur Ermittlung

der azimutalen Intensitatsverteilung eines Rontgenreflexes. So Richtung des einfallen- den Rontgenstrahles, s'RichtFng des abge- beugten Rontgenstrahles, d Drehachse, um die die Probe rotiert wird, Qhkl Bragg- winkel des betreffenden Reflexes. Die Ver- streckrichtung der Pfobe steht senkrecht auf die Drehachse d. 0 ist der Winkel zwischen der Verstreckrichtung V und der Ebene, die von den Vektoren So, s' und 2 aufgespannt wird

Ro- Rohre d

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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2053

rnit der Drehachse d' des Praparatehalters jeweils den halben Braggwinkel 9hkl des zu untersuchenden Reflexes. Die Pr?be wird so auf den Praparatehalter aufgebracht, daD die Verstreckrichtung V (Faserachse) senkrecht auf d steht. Der Winkel, den die Verstreckrich:ung V mit der Geraden 6, die in der von go und s' aufgespannten Ebece liegt und senkrecht auf d steht, bildet, ist 8. Wahrend der Messung wird die Probe langsam um d gedreht, sodaD man die Intensitatsverteilung I&,(@ registriert. 1~,1(8) muB anschlieDend beziiglich des Untergrundes (Luftstreuung, amorpher Halo, usw.) korrigiert werden.

19, ,(e) = I sk - Im (2)

Die Korrektur erfolgt so, daO f i r vier verschiedene Winkel 0=0", 30", 60°, 90" die radiale Streukurve Is(9) gemessen wurde. AnschlieDend wurde der an einer vollig amorphen Probe gemessene Halo an diese Streukurve Is(9) angepaOt und seine Hohe an der Stelle des zu untersuchenden Reflexes bestimmt. Damit erhalt man vier Punkte von I. bei einem bestimmten SUl und daraus durch lineare Interpolation I"(8).

wird dann problematisch, wenn, wie im Falle der a-Orientierung, zwei Reflexe in 9-Richtung iiberlappen (010 und 0-11). In diesem Fall wurde auf eine direkte Messung von Iihk,(8) verzichtet und statt dessen im Abstand von A8=10" I@) gemessen, der Untergrund nach dem beschriebenen Verfahren abgezogen und an die verbleibende Kurve an der Stelle der beiden Reflexlagen zwei GauDkurven angepal3t. Die Amplituden der GauDkurven ergaben dann nach einer linearen Interpolation die Intensitatsverteilung Ishk,(8).

Die Messung von

Aus der Intensitatsverteilung erhalt man (cos20) iiber die Beziehung

TI

j I ( 8 ) cos% sin8 d0

Daraus ergibt sich iiber GI. (1) die Orientierungsfunktion f. Wahrend man fz direkt aus Iloo(0) erhalt (a ist parallel zur Netzebenennormalen nloo), ist das

fur f , nicht moglich. Hier wurde auf die von Wilchinsky") vorgeschlagene Methode zuriickgegriffen und aus Iloo(0), Iolo(8) und I- llo(8) die Orientierungsfunktion f, berechnet. Mit den Gitterdaten fur Polyethylenterephthalat von Fakirov, Fischer und Schmidt") erhalt man dann

( c o s 2 ~ ) = 1-0,3465 ~ ~ ~ ~ ~ e l o o ~ - o , ~ ~ ~ ~ ~ c o s ~ ~ ~ l o ~ -0,7735 (cos2e-llo) (4)

Mit Hilfe der Orientierungsfunktionen la& sich nun nach Stein") die Doppelbrechung An, der kristallinen Bereiche berechnen. Es gilt

Die Hauptbrechungsindizes a, /? und 7 erhalt man iiber die Beziehung von Clausius-Mosotti und rnit den von Ward et al.19*201 angegebenen Werten fur die Polarisierbarkeiten von Polyethylenterephthalat.

Die Orientierung der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen la5t sich durch Kombination der eben beschriebenen rontgenografischen Untersuchungen mit Messungen der Doppelbrechung und der Dichte bestimmen.

Auf Grund der Additivitat der Polarisierbarkeiten kann man bei nicht zu grol3en Unterschieden in den Hauptbrechungsindices auch eine Additivitat der Doppelbrechungen verschiedener Phasen anneh- men2". Es gilt

Ank =An:,, , fa . (1 - x,)+ Anc. x, + Anl (6)

worin x, der Kristallisationsgrad,f, die Orientierungsfunktion der Ketten in den nichtkristallinen Berei- chen, Atf,,,, die Doppelbrechung einer vollkommen orientierten amorphen Probe, Anc die iiber GI. (5) bestimmte Doppelbrechung der kristallinen Bereiche, Ank die gemessene Doppelbrechung der teilkri-

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stallinen Probe und An( der Anteil der Formdoppelbrechung ist. Da Anf gegeniiber Ank im allgemeinen vernachlassigbar istZ2', erhalt man fur fa:

Umfa nach GI. (7) zu bestimmen, wurden nach der Kristallisation die Doppelbrechung Ank gemessen und der Kristallisationsgrad x, iiber die Dichte bestimmt.

Da in Folien mit hohen Orientierungen nach der Kristallisation statt einer axialen eine planar-axiale Orientierung auftritt, die mit der einfachen Orientierungsfunktion aus GI. (1) nicht mehr charakterisiert werden kann, wurden nur Folien mit Doppelbrechungen Ano < 100. in die Messungen mit einbezogen.

3. Experimentelle Ergebnisse

3.1. Die Orientierung der Ke t t en in den kristallinen Bereichen

In den Abbn. 2 und 3 sind die OrientierungsgroDen f c und f , als Funktion der Anfangsdoppelbre- chung Ano, die die Proben unmittelbar nach dem Verstrecken hatten, aufgetragen. Man sieht in Abb. 2, daB f a mit zunehmender Anfangsdoppelbrechung Ano abnimmt und sich bei hohen

Tk =24OoC ---

0 50 100 ' # I " '

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 2. Gemessene Orientierungsfunktion f, fur verstreckte und kristallisierte Polyethylenterephthalat- Folien, aufgetragen in Abhangigkeit von der Doppelbrechung vor der Kristallisation, Ano. Parameter ist die Kristallisationstemperatur Tk Abb. 3. Gemessene Orientierungsfunktion f, fur verstreckte und kristallisierte Polyethylenterephthalat- Folien, aufgetragen in Abhangigkeit von der Doppelbrechung vor der Kristallisation, Ano. Parameter ist die Kristallisationstemperatur T k . (-.-.-): Verlauf der Orientierungsfunktion der Probe vor der Kristallisation

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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2055

Orientierungen dem Wert - 0,5 nahert. Das heiBt, daB sich die (100)-Netzebenennormalen zunehmend senkrecht zur Verstreckrichtung einstellen. In gleicher Weise sieht man aus Abb. 3, daD sich die c-Achsen (Kettenrichtung) der Kristallite zunehmend parallel zur Verstreckrich- tung anordnen. Bis zu Doppelbrechungen von Ano=40. nimmt die Orientierung stark zu, wahrend bei noch hoheren Doppelbrechungen ein deutlich langsamerer Zuwachs zu verzeich- nen ist. Die Orientierung der Kristallite wird auBerdem auch von der Kristallisationstemperatur beeinfluBt. Bei hohen Doppelbrechungen Ano wird die Orientierung der Kristallite rnit wachsen- der Kristallisationstemperatur besser, bei niedrigen Doppelbrechungen Ano ist dagegen der umgekehrte Trend zu beobachten. Die Zunahme der Orientierung rnit der Doppelbrechung Ano ist auBerdem stark abhangig von der Kristallisationstemperatur. Bei sehr hoher Kristallisa- tionstemperatur findet bereits ab Doppelbrechungen von Ano = 70. keine starkere Orientie- rungszunahme mehr statt, was bei tieferen Kristallisationstemperaturen in diesem Doppelbre- chungsbereich noch nicht zu beobachten ist.

3.2. Orientierung der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen

Um die Orientierungsfunktion fa der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen zu bestimmen, wurden die Dichte @k und die Doppelbrechung Ank der Proben nach der Kristallisation gemessen. In Abb. 4 ist die Dichte @k nach einer Kristallisation bei Tk in Abhangigkeit von der Doppelbre- chung Ano dargestellt. Man erhalt rnit zunehmender Anfangsdoppelbrechung Ano und zunehmen- der Kristallisationstemperatur Tk hohere Dichtewerte. Eine Ausnahme bildet dabei das bei Tk=240°C und Ano=30. zu beobachtende Minimum der Dichte, das auch bei Proben, die bereits in der Schmelze orientiert wurden, und die vor einer Kristallisation keinerlei Kristallini- tat besitzen, beobachtet ~ i r d ~ ~ ) .

In Abb. 5 ist die Doppelbrechung Ank der Proben nach einer Kristallisation bei der Kristallisa- tionstemperatur Tk als Funktion der Doppelbrechung Ano aufgetragen. Man sieht, daB Ank bei sehr kleinen Doppelbrechungswerten negativ wird (a-Orientierung), und daB bei groBen Ano die Doppelbrechung Ank nach der Kristallisation bei Tk = 200°C ihren maximalen absoluten Wert erreicht.

Die Bestimmung von fa iiber G1. (7) und den obigen Meoergebnissen fur @k und Ank enthalt verschiedene Schwierigkeiten. Sowohl der Kristallisationsgrad x, als auch die GroBen An, und An& sind rnit groBen Unsicherheiten behaftet. Der Kristallisationsgrad x, hangt wesentlich von der Bestimmungsart ab: Im vorliegenden Fall wird der iiber die Annahme eines 2-Phasen-Mo- dells rnit der Dichte der amorphen und der Dichte ec der kristallinen Phase aus der Dichte @k berechnet. Die Doppelbrechungen An&x und An&x werden iiber die Polarisierbarkeiten aus der Beziehung von Clausius-Mosotti berechnet, wobei das Problem der Anwendbarkeit dieser Beziehung auf Polymere auftritt. Wendet man entsprechende Uberlegungen von Steinz4’ an, so zeigt sich, daB der Fehler, der durch die Annahme der Giiltigkeit der klassischen Formel von Clausius-Mosotti entsteht, wesentlich geringer ist, als der Fehler, der durch die Unsicherheit in der Kenntnis der Polarisierbarkeiten des Polyethylenterephthalates gegeben ist. Man kann also rnit G1. (7) sicher keine quantitative, wohl aber, wie sich zeigt, eine qualitative Aussage iiber die Orientierung der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen machen.

Um dies zu tun, wurde fa unter Zugrundelegung von zwei verschiedenen Satzen fur die Werte der Dichten und Polarisierbarkeiten berechnet, wobei die Satze so gewahlt worden sind, daD man die Grenzen erhalt, innerhalb deren fa liegen muB. fa wurde demgemaB einmal

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1,40.

1.39

1.38

<,A" 0 ...

,6" .," f4''

&=15OoC

I~~~~ c

50 loo dno.103

Abb. 4 Abb. 5

Abb. 4. Dichte @k von verstreckten und kristallisierten Polyethylenterephthalat-Folien, aufgetragen in Abhangigkeit von der Doppelbrechung vor der Kristallisation, Ano. Parameter ist die Kristallisations- temperatur

Abb. 5. Abhangigkeit der Doppelbrechung Ank nach einer Kristallisation von der Doppelbrechung Ano vor der Kristallisation fur verstreckte und kristallisierte Polyethylenterephthalat-Folien. Parameter ist die Kristallisationstemperatur Tk

unter Annahme der Dichten") ea = 1,333 g/cm3 und ec = 1,515 g/cm3 und den Polarisierbarkei- ten'g) al = 1,18. cm berechnet. Zum anderen wurden die D i ~ h t e n ~ ~ ) ea= 1,331 g/cm3 und ec= 1,455 g/cm3 sowie die Polarisierbarkeiten crl=1,23~10-23cm,a2=2,13~10-23cm unda3=2,30~10-23~zugrundegelegt.Au13erdem wur- defa auch mit Hilfe der von DumbletonZ6) experimentell gefundenen Werte fur die maximale Doppelbrechung der kristallinen Bereiche Anhax = 0,220 und der maximalen Doppelbrechung der amorphen Bereiche An&r = 0,275 uber die vereinfachte Gleichung (8) berechnet :

cm, a2 =2,18. cm und a3 = 2,2O.

Die Ergebnisse sind in den Abbn. 6a-c in Abhangigkeit von der Doppelbrechung Ano und der Kristallisationstemperatur Tk als Parameter aufgetragen. Es zeigt sich, daI3 der EinfluB der Polarisierbarkeit sich hauptsachlich auf den absoluten Betrag von fa auswirkt, wahrend sich die Form der Kurven nicht so sehr anderte (vgl. Abbn. 6a und 6c). h d e r t man dagegen die der Kristallisationsgradbestimmung zugrundeliegenden Dichten ea und ec, so hat dies auch einen EinfluD auf die Form der Kurven, wie das ein Vergleich von Abbn. 6c und 6b zeigt. Trotz dieser Unsicherheiten bleibt aber die rein qualitative Aussage iiber den EinfluI3 der Doppelbrechung Ano und der Kristallisationstemperatur Tk auf die Orientierungsfunktion

Vikas K Kumar
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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2051

Abb. 6. Orientierungsfunktion fa der nichtkristallinen Bereiche von verstreckten und kristallisierten Polyethylenterephthalat-Folien, aufgetragen in Abhangigkeit von der Doppelbrechung vor der Kristallisa- tion, Ano. Strichpunktiert ist der Verlauf der Orientierungsfunktion der Probe vor der Kristallisation eingezeichnet. Parameter ist die Kristallisationstemperatur Tk. Zur Berechnung verwendete Daten (vgl. Text): Abb. 6a: Q.= 1,333 g/cm3, Q.= 1,515g/cm3, r l = 1.18. cm, a 2 = 2 , 1 8 . cm, r 3 = 2 , 2 0 . cm. Abb. 6b: Q.= 1,331 g/cm3, e.= 1,455 g/cm3, x l = 1,23. cm, r 2 =2,13. cm, x3=2,30. cm. Abb. 6c: f a wurde mit An&=0,220 und An&=0,275, und den Dichten @,=1,333g/cm3 und Q ~ = 1,515g/cm3 berechnet

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fa erhalten. Bis zu Doppelbrechungen von Ano= 30. beobachtet man einen starken Zuwachs der Orientierung der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen mit wachsender Doppelbrechung Ano. Bei noch hoher orientierten Folien ist dieser Zuwachs nicht mehr so ausgepragt und hangt stark von der Kristallisationstempratur ab. Bei niedrigen und mittleren Kristallisations- temperaturen ist in beiden Abbildungen eine weitere, nicht mehr so starke Orientierungszunahme zu sehen, wahrend bei hohen Kristallistionstemperaturen in zwei Fallen ein Sattigungswert, im dritten Fall sogar eine Abnahme der Orientierung gefunden wird. AuDerdem wird auch der absolute Wert der Orientierungsfunktion fa von der Kristallisationstemperatur beeinfluot. Beim hoher orientierten Material (Ano > 50.10- 3, wird bei Tk = 200°C die maximale Orientierung erreicht. Eine Kristallisation bei Temperaturen oberhalb oder unterhalb von 200°C fuhrt zu geringeren Orientierungen. uber den EinfluD der Kristallisationstemperatur im Bereich An0 = 50. 1aDt sich auf Grund der vielen experimentellen Unsicherheiten keine Aussage machen.

4. Berechnung der Orientierungsjiunktionen fa und f, fur verschiedene Strukturen von Polyethylente- rephthalat

4.1. Strukturen, die aus tordierten Lamellen bestehen

4.1.1. Berechnung

Wie in fruheren Arbeiten' ' s l 2, gezeigt wurde, liegen nach einer Kristallisation von sehr schwach orientierten Polyethylenterephthalat-Proben Strukturen vor, die aus tordierten Lamellen bestehen, und die sich durch bestimmte Parameter beschreiben lassen. Wir wollen nun die Orientierungsfunktionen f, und fz fur diese Strukturen berechnen.

Um den Grundbaustein dieser Strukturen - die tordierte Lamelle - zu beschreiben, geht man dabei von einer Elementarzelle aus, die so in einem kartesischen Koordinatensystem

la)

- e f i Ad '\ Abb. 7. Definition der Parameter A$o und Ado (siehe Text)

Vikas K Kumar
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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2059

liegt, daD die xy-Ebene rnit der (001)-Ebene und der Kantenvektor a' der Elementarzelle rnit der x-Achse des Koordinatensystems zusammenfallt. Die Torsionsachse 6 der Lamelle liegt dann parallel zur y-Richtung (s . Abb. 7a). Der Winkel 2 A 1 4 ~ gibt die maximale Drehung einer Elementarzelle um &I in der tordierten Lamelle an und ist damit ein MaD fur die Torsion der Lamelle (s . Abb. 7b). Die Lage von Elementarzellen, die nicht in der Torsionsachse 6 liegen, wird, wie aus Abb. 7c zu sehen ist, durch eine zusatzliche Drehung der Elementarzelle um die x-Achse des Koordinatensystems im Winkelbereich - Aa0 I A6 I ASo berucksichtigt. (Fur Elementarzellen, die in 6 liegen, ist z. B. der Winkel A6=Oo). Aa0 ist also ein Ma0 fur die Periode der Lamelle, in das allerdings auch die Breite der Lamelle eingeht (vgl. GI. (1) in Ref.")).

Um bei einer tordierten Lamelle die Orientierungsfunktion der Kettenrichtung als Funktion von Aho und zu berechnen, geht man so vor, daB man das Cosinusquadrat des Winkels Q zwischen der Kettenrichtung und der Verstreckrichtung rnit den Parametern Aho und A i 0 in Beziehung bringt und uber den entsprechenden Bereich mittelt. Uber GI. (1) erhalt man dann die zugehorige Orientierungsfunktion.

Wir gehen von der eben beschriebenen Lage der Elementarzelle im Koordinatensystem aus. Der DurchstoBpunkt der Kettenrichtung c' hat dann auf der Einheitskugel die Koordinaten Qo und cpo. Man sieht aus Abb. 8, daB bei einer vollstandigen Torsion = 1 SOo) die Richtungen von c' auf einem Kegel urn y rnit dem halben Offnungswinkel E~ liegen. Es gilt dann

cosO= sin to cos I/I

!=I"

I

--

I

Abb. 8 x Abb. 9

Abb. 8. Zur Berechnung von (coszO) fur tordierte Lamellen, deren Torsionsachse $I senkrecht auf die Verstreckrichtung V steht. B0, 'po und li/o beziehen sich auf den &Kantenvektor der Elementarzelle, deren 6-Kantenvektor parallel zur x-Achse gerichtet ist und deren (001)-Netzebene parallel zur xy-Ebene liegt

Abb. 9. rnit der y-Achse einen Winkel Q0 einschliel3t

Zur Berechnung von (cos20) f i r tordierte Lamellen, deren Torsionsachse 61 in der yz-Ebene

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und man erhalt fur den Mittelwert von cos20 bezuglich des Winkels $, der rnit (cos28)* bezeichnet wird,

mit

In dieser Berechnung ist aber der Parameter A6 noch nicht berucksichtigt. Dieser Parameter beeinflul3t den Winkel Oo und 'po (also auch E~ und $o), soda0 in G1. (9) (cos20)* eine Funktion von A6 ist und man auch noch uber den Bereich f A 6 , mitteln muR:

Praktisch geht man dabei so vor, daR man uber die Transformationsmatrix S, die das Koordina- tensystem der Indikatrix dem Bezugssystem zuordnet, rnit einer Drehung D1 (A6) um die x-Achse des Bezugssystems die Koordinaten O0 und cpo und daraus c0 und t,b0 berechnet und entsprechend numerisch uber den Bereich &Ad0 mittelt (s. Anhang 1).

GI. (1 1) ergibt (cos20) fur Lamellen, deren Torsionsachsen senkrecht auf der Vorzugsrichtung stehen. Man muB aber nun berucksichtigen, daR in der realen Struktur die Torsionsachsen um diese Lage rnit einem Winkel Go schwanken. Als mogliches Modell zur Beschreibung dieser Schwankung sol1 hier der ,,abgeflachte" Spharolith'2) dienen, bei dem in einem Winkelbe- reich von f AQo um die Senkrechte zur Vorzugsrichtung eine rotationssymmetrische Gleichver- teilung der Lamellen angenommen wird.

Fur eine Lamelle, deren Torsionsachse I% mit y den Winkel Qo einschlieRt, gilt nach Abb. 9

cos 0 =sin Go cos e0 + cos @O sin EO cos $ (12)

Die Mittelung uber $ erfolgt durch Anwendung von GI. (9) auf GI. (12)

1 1 (cos20)$ = 6in2@ocosZ~o + cosZ@0sin2eo f ~ C o S 2 @ ~ s ~ n z ~ ~ c o s ( 2 $ o ) s i n ( 2 A ~ o ) (13)

4 W 0

Bei der Mittelung uber &AGO muR man die Fasersymmetrie um die Verstreckrichtung V berucksichtigen, d. h. eine Wichtung rnit cosGo durchfuhren :

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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2061

was zum Ergebnis

( ~ 0 ~ ~ 0 ) uI,eI)= 3 c o ~ 2 ~ o ~ i n 2 A @ o 1 + isin2Eo

1 ~ A $ o

+- sin(2A$o)cos(2$o)sin2~o (1 - sin2AO0)

fiihrt. Die jetzt noch notwendige Mittelung uber &Aho wird, da sich das Integral G1. (11) nicht unmittelbar analytisch darstellen la& numerisch durchgefuhrt. In analoger Weise bestimmt man (cos20) fur die a-Richtung als f 2 .

4.1.2. Ergebnisse

In den Abbn. 10 und 11 sind die berechneten Orientierungsfunktionen f z undf; als Funktion des Torsionswinkels A$o angegeben. Parameter ist AQo. Der Winkel Aa0 wird konstant 30" gehalten. Zur Berechnung der Parameter Oo und cpo wurden die Gitterdaten von Fakirov, Fischer und Schmidt' " verwendet. Sowohl f T als auch f, hangen stark von A $ o ab, wahrend sich der EinfluB von AQo angenahert in einer Parallelverschiebung der Kurven bemerkbar macht. Der EinfluB einer Anderung von Ah0 ist dagegen gering.

Abb. 10. tragen in Abhangigkeit vom Winkel A$o. A60=300; Parameter ist AGO

Orientierungsfunktionf, der (1 00)-Netzebenennormalen in ,,abgeflachten" Spharolithen, aufge-

Abb. 11. then, aufgetragen als Funktion vorn Winkel A$o. A60=30'; Parameter ist AGO

Orientierungsfunktionf, der ?-Kantenvektoren der Elementarzelle in ,,abgeflachten" Spharoli-

In Abb. 12 sind die Orientierungsfunktionen f z und f ; fur AQ0=0" und At/1~=14o" und fur AQo =o" und A$o = lo" aufgetragen. Man sieht, dab Aho zwar den absoluten Wert der Orientierungsfunktion geringfiigig beeinfluBt, die Abhangigkeit von A e 0 und A$o aber dominiert.

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2062 H. J. Biangardi

Abb. 12. Orientierungsfunktionenf, dbo undf, in ,,abgeflachten" Spharolithen,

50 aufgetragen in Abhangigkeit vom d@o=Oo AWo=ILOO A @ ~ ~ O ~ A q ~ ~ = l o o Winkel Aa0. Parameter sind AGO und

-0.3 -0.3 A i O

Aus diesen Berechnungen zeigt sich, daI3 man fur das Model1 aus tordierten Lamellen offenbar nur einen Maximalwert von etwa 0,25 fur fa und von 0,5 fur f;, erhalt. Findet man also experimentell Orientierungsfunktionen mit hoheren Werten, so kann man daraus schlieBen, daI3 man die Struktur nur noch mit ,,gewellten" Lamellen beschreiben kann, bei denen die Ketten bereits mehr oder weniger parallel zur Verstreckrichtung liegen. Setzt man die aus den Polarisierbarkeiten") a1=1,18. 10-23cm, az=2,18.10-23cm und a3=2,20. 10-23cm be- rechneten Brechungsindices z, fi und y, sowie die vorhin ermittelten Werte fur fa und J ) in G1. (5) ein, so 1aI3t sich die Doppelbrechung An, von abgeflachten Spharolithen in Abhangigkeit von AI,bo berechnen. Die Ergebnisse sind enthalten in Abb. 13 mit ASo=300 und als Parameter. Sie stimmen mit bereits fruher veroffentlichten Ergebnissen uberein, die damals aber auf einem vollig anderen Weg erhalten wurdenl3'. Man sieht, daI3 die beobachtete negative Gesamtdoppelbrechung durch eine starke Torsion AI,bo verursacht wird. Im Bereich AI,bo = 30"- 80" findet dann der Nullpunktsdurchgang von negativen zu positiven Doppelbrechungen statt.

Abb. 13. Nach der von Steinz1) ange- gebenen Formel berechnete Doppel- brechung An, ,,abgeflachter" Spharo- lithe aus tordierten Lamellen in Ab- hangigkeit vom Winkel A i 0 . Ado = 30". Parameter ist

d +o = 30'

'+o=OO

- 100

Vikas K Kumar
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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2063

4.2. Strukturen, die aus ,,gewellten" Lamellen bestehen

Neben tordierten Lamellen werden in den Modellen auch gewellte Lamellen angenommen. Eine analytische Beschreibung dieser Strukturen baut auf den folgenden Parametern auf: Dem mittleren Winkel einer Lamelle rnit der Verstreckrichtung, w*, dem mittleren Winkel der Ketten rnit der Verstreckrichtung, x, und dem Schwankungsbereich von w*, Am* ' I ) . Fur Ano=40.10-3 z. B. sind typische Werte w*=60", x=25" und Aw*=10". Stellt man sich eine solche ,,gewellte" Lamelle aus Mo~aikblocken~' aufgebaut vor, wie das in Abb. 14 angedeutet ist, so liegt die Richtung mit dem Hauptbrechungsindex senkrecht zur Vefstreckrichtung, und man erhalt unmittelbar die Orientierungsfunktionenf,=f(3 sin2% - 1) undf,=f(3cos2x- 1). Man sieht bereits aus diesem Ergebnis, in dem die Schwankungen der Kettenrichtung noch nicht berucksichtigt sind, da8 man rnit dem Model1 ,,gewellter" Lamellen die Grenzwerte von f z = - 0,5 und f7= 1 ,O ohne weiteres erreichen kann.

Abb. 14. Aufbau einer Lamelle aus Mosaikblok- ken. V ist die Verstreckricktung, & die mittlere Lamellenflachennormale, k die Kettenrichtung und il der mittlere Winkel der Ketten mit der Verstreckrichtung

5. Diskussion

5.1. Vergleich der gemessenen Orientierungsfunktionen der kristallinen Bereiche mit den aus den Modellen berechneten

Vergleicht man die gemessenen Werte fur ,f2 aus Abb. 2 rnit Abb. 12, so sieht man, daI3 man bis Ano 2 2 0 . von Strukturen sprechen kann, die aus tordierten Lamellen bestehen - also entweder ,,abgeflachte" Spharolithe oder Stapel tordierter Lamellen, wie sie z. B. in den Abbn. 14a und b in Ref.") gezeigt sind. Fur daruber hinausgehende Anfangsorientierungen An0 > 20. wird man dagegen nach einer Kristallisation nur noch ,,gewellte" Lamellen vorfinden, bei denen die Ketten rnit wachsendem Ano kleinere Winkel mit der Verstreckrichtung bilden. Wie in Abschnitt 4.2. gezeigt wurde, kann man unter Zugrundelegung einer ,,Mosaikstruk- tur", wie sie von Fakirov und Fischer7) fur das hochorientierte Material vorgeschlagen wurde, die weitere Zunahme von f;. und Abnahme von fi sehr gut erklaren.

Es genugen also bereits sehr kleine Orientierungsgrade (AnO/An$aX = 0,l) der Probe vor der Kristallisation, um das Strukturprinzip des isotropen Materials - die tordierte Lamelle, deren Oberflache von der (001)-Netzebene gebildet wird".'*)- aufzulosen und statt dessen parakristalli- ne Mosaikstrukturen auszubilden.

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2064 H. J. Biangardi

5.2. Der Einjlub einer Vororientierung auf die Kristallisation

Nach Hermans' ') ist die Orientierungsfunktion das Verhaltnis der gemessenen Doppelbre- chung zu der maximal moglichen Doppelbrechung :

Mit Hilfe der G1. (16) und eines mittleren Wertes fur An,.,=240. ist in den Abbn. 3 und 6a-c rnit einer strichpunktierten Linie der Verlauf der Orientierungsfunktion eingezeichnet, die sich ergabe, wenn wahrend der Kristallisation keine Anderung der Orientierung stattfande. Man sieht, daD sowohl in den kristallinen als auch in den nichtkristallinen Bereichen wahrend der Kristallisation eine Zunahme der Kettenorientierung stattfindet. Auf Grund von IR-Messun- gen von Urbanczyk*" an verstreckten Polyethylenterephthalat-Fasern zeigt sich, daB vor der Kri- stallisation. nur die verstreckungsinduzierten Kristallite einen wesentlichen Beitrag zur Gesamt- orientierung der R o b e leisten. Die nichtkristallinen Bereiche sind dagegen fast gar nicht orientiert. Wahrend der Kristallisation werden nun diese schlecht orientierten Ketten bevorzugt an die gut orientierten, verstreckungsinduzierten Kristallite ankristallisieren und damit zu einer Erhohung der Gesamtorientierung der Probe beitragen. Um die Zunahme von f, zu erklaren, muI3 man annehmen, daI3 die verstreckungsinduzierten Kristallite wahrend der Kristallisation als Folge der Verkiirzung jener Ketten, die diese Kristallite miteinander verbinden, eine weitere Orientierung erfahren. AuDerdem werden auch jene Segmente, die nach der Kristallisation in den nichtkristallinen Bereichen verbleiben, kurzer und damit starker verspannt sein als die entsprechenden Kettenteile vor der Kristallisation, womit der Anstieg der Orientierungsfunktion

fa bei der Kristallisation erklart ist. Die beobachtete Zunahme der Gesamtorientierung bei der Kristallisation stiitzt auch die

bereits fruher ' ') vorgeschlagene Erklarung fur die Langenzunahme beim Tempern von Proben mit einer Doppelbrechung An,, zwischen 20.

Die vorgeschlagene Erklarung der Zunahme der Gesamtorientierung der Probe wahrend der Kristallisation wird zusatzlich durch die Abhangigkeit der Orientierung der kristallinen Bereiche von der Kristallisationstemperatur gestiitzt : Die verstreckungsinduzierten Kristallite bewirken eine Vernetzung der Probe. Nach der Theorie der Gummielastizitat steigt die Schrumpf- spannung eines solchen Netzwerkes proportional rnit der Temperatur an. Die Kraft, die auf die verstreckungsinduzierten Kristallite wirkt, ist also rnit wachsender Kristallisationstempe- ratur groDer, was zu einer besseren Ausrichtung der Kristallite fiuhrt. Da rnit fortschreitender Kristallisation eine Ausrichtung der Kristallite zunehmend behindert wird, miil3te die Orientie- rungszunahme gleich zu Anfang des Kristallisationsprozesses erfolgen. Es wird zur Zeit unter- sucht, inwieweit diese Vorstellungen von der ,,orientierenden" Kristallisation richtig sind.

und 40.

5.3. Orientierung in den nichtkristallinen Bereichen

Mit zunehmender Orientierung Ano nimmt nach der Kristallisation sowohl die Orientierung der Ketten in den nichtkristallinen Bereichen als auch der aus Kernresonanz-Messungen' 3,

ermittelte starre nichtkristalline Anteil zu. Wahrend aus den Kernresonanz-Messungen nur auf eine Zunahme des mittleren, relativen Fadenendenabstandes h/ho geschlossen werden konn- teZ8), zeigt eine Kombination rnit den Orientierungsmessungen, daD in den nichtkristallinen

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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2065

Bereichen rnit zunehmender Orientierung Ano ein Zuwachs an tie-Molekulen und nicht an stark verspannten Kettenschlaufen stattfindet, da nur so die Zunahme der Orientierung erklart werden kann").

Fur eine Zunahme der Zahl der tie-Molekule rnit wachsender Orientierung sprechen aber auch die Verbesserung der mechanischen Eigen~chaften~'), das abnehmende Farbst~ffaufnahmevermogen~ sowie die Abnahme der Dichtedifferenz Ae zwischen den kristalli- nen und den nichtkristallinen Bereichen7) rnit wachsender Orientierung des Materials vor der Kristallisation.

Der Einff uD der Kristallisationstemperatur zeigt sich deutlich bei hochorientierten Proben, wo die Orientierungsfunktionf, bei Tk=200"C ein Maximum hat. Dies bestatigt die Vorstellun- gen von Koenig und Hannon') sowie von Prevorsek und Sibilia"), daD bei Kristallisationstempe- raturen oberhalb von 200°C eine starke Zunahme der Kettenriickfaltungen auftritt. Die gleichfalls eintretende Verschlechterung der mechanischen Eigen~chaften~') und die Abnahme des starren nichtkristallinen Anteiles3') bei einer Kristallisation oberhalb Tk = 200°C rnit zunehmender Kristallisationstemperatur laDt ebenfalls auf eine entsprechende Abnahme der Anzahl der tie-Mo- lekiile schlieBen.

Ich danke Herrn Prof. Dr. H . G. Zachmann fur zahlreiche wertvolle Diskussionen und Anregungen. Mein Dank gilt ferner der Firma Kalle AG fur die Uberlassung der Polyethylenterephthalat-Folien, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft fur die finanzielle Unterstiitzung dieser Arbeit im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 41.

6. Anhang

Berechnung von

Geht man von einer Elementarzelle aus, die in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem f so liegt, daI3 die (001)-Ebene in der Rlf2-Ebene und die Elementarzellenkante 5 parallel zu R1 liegt, so erhalt man die Hauptachsenrichtungen der Indikatrix x iiber die Beziehung

unrl $o als Funktion von Ah

f = S x

worin S rnit den Gitterdaten von Fakirov, Fischer und Schmidt"' lautet:

Zur Beriicksichtigung des Winkels A6 muI3 man die Elementarzelle und damit die Indikatrix um die R1-Achse drehen. Die neue Lage der Indikatrix wird durch

x= D~ ( ~ 6 ) s - 1 x̂ (19)

gegeben, mit

0

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2066 H. J. Biangardi

Die spharischen Koordinaten (PX und 00" fur x1 (= Hauptachsenrichtung mit dem Brechungsindex G() und 9; und 0; fur x3 (= Hauptachsenrichtung mit Brechungsindex 7, zugleich Kettenrichtung) folgen direkt BUS dem Matrizenprodukt:

0,758

- 0,476

0,294 cos A6 + 0,588 sin A6

- 0,362 cos A6 + 0,802 sin A6

-0,294 sin A6 + 0,588 cos A6

0,362 sin A6 + 0,802 cos A6 0,885 cosA6+0,134 sinA6 -0,885 sinA6+0,134cosA6

Es ist

0,294cosAS + 0,588 sin Ad ( 0,758

( 0,467

(pa = arctg

0,362cosA6 - 0,802sinA6 cp; = arctg

Bg=arcos( -0,294 sinA6+0,588 cosA6)

0; = arcos (0,362 sin A6 + 0,802 cos A6)

Aus Abb. 2 folgen dann die Beziehungen

eg=arcos(sin Bgsin $8)

i:;=arcos( -sin 0; sin t,b$

Fur (j0 gilt sowohl fur a als auch fur y die GI. (4).

A. Keller, J. Polym. Sci. 17, 291 (1955) A. Keller, J. Polym. Sci. 17, 447 (1955); A. Keller, ibid. 17, 351 (1955)

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Orientierung der kristallinen und nichtkristallinen Bereiche in PET-Folien 2067

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