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Die mit dem Plop’ Humorvoll spröde in der Werbung, herb im Geschmack: Die Flensburger Brauerei bringt norddeutsche Lebensart zu den Biertrinkern des ganzen Landes – und wächst damit gegen den Trend. Das neue Ziel: Weltweit sollen es künftig mehr Menschen ploppen lassen Hans-Peter Heyen (links) und Andreas Tembrockhaus führen gemeinsam die Flensburger Brauerei Emil Petersen GmbH und Co. KG Management _Best Practice 11 Deutsche Bank_results

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Page 1: Die mit dem Plop’ - db.com · K ein Hopfen, keine Hefe, kein Gerstenmalz. Ganz ohne den langen Weg durch Sudkessel und Filteranlagen wird das Brauwasser bei der Flensburger Brauerei

Die mit dem Plop’Humorvoll spröde in der Werbung, herb im Geschmack:

Die Flensburger Brauerei bringt norddeutsche Lebensart zu den Biertrinkern des ganzen Landes – und wächst damit

gegen den Trend. Das neue Ziel: Weltweit sollen es künftig mehr Menschen ploppen lassen

Hans-Peter Heyen (links) und Andreas

Tembrockhaus führen gemeinsam die

Flensburger Brauerei Emil Petersen

GmbH und Co. KG

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Page 2: Die mit dem Plop’ - db.com · K ein Hopfen, keine Hefe, kein Gerstenmalz. Ganz ohne den langen Weg durch Sudkessel und Filteranlagen wird das Brauwasser bei der Flensburger Brauerei

 Kein Hopfen, keine Hefe, kein Gerstenmalz.

Ganz ohne den langen Weg durch Sudkessel

und Filteranlagen wird das Brauwasser bei

der Flensburger Brauerei auch pur abgefüllt. Etwas

Kohlensäure zugesetzt, fertig ist das Erfrischungs-

getränk. Verkauft wird das Mineralwasser, genauso

wie das Kernprodukt Bier, in bauchigen Flaschen

mit patentiertem Bügelverschluss. Es sei völlig ge-

schmacksneutral, wirbt die nördlichste Brauerei

Deutschlands – in diesem Fall ein Qualitätsmerk-

mal. Besonders beliebt sei das Mineralwasser

bei Unternehmen der Region, die es bei Meetings

auf den Tisch stellen, sagt Andreas Tembrockhaus,

der als Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing

verantwortlich ist. Das charakteristische Ploppen,

mit dem sich der Gummiring von der Flaschenöff-

nung löst, kann eine streng geschäftliche Atmo-

sphäre durchaus lockern. Den Werbeeffekt nimmt

Tembrockhaus gern mit.

Weg von alten Werbeklischees„Plop’“ – das ist das Markenzeichen von Flens.

Das Wort steht auf den Bierkästen über dem Fir-

menschriftzug, und auf der Homepage gibt es das

Geräusch gar als MP3-Download. Nicht nur bei

der Verpackung geht die Brauerei einen eigenen

Weg. Abseits der herrschenden Werbeklischees

hat sie ein unverwechselbares Image aufgebaut,

das ganz auf der norddeutschen Lebensart fußt.

Authentisch, humorvoll und sogar ironisch wird

geworben. Mit Erfolg: Auf dem schrumpfenden

deutschen Biermarkt legte die Flensburger Brau-

erei zuletzt deutlich zu: plus 15 und plus sieben

Prozent in den vergangenen beiden Jahren.

Es sind besondere Voraussetzungen, die das

Brauereigeschäft vom Lebensmittelsektor un-

terscheiden. Seit rund 100 Jahren dürfen auch in

Norddeutschland für die untergärigen Biere aus-

schließlich Wasser, Gerstenmalz, Hefe und Hopfen

verwendet werden. „Das ist der einheitliche Quali-

tätsmaßstab, auf den sich deutsche Brauer beru-

fen“, sagt Tembrockhaus. „Die Möglichkeiten zur

Differenzierung sind damit stark eingeschränkt.“

Kontrolle durch Mensch und Maschine: Probenentnahme in der computergesteuer-ten Brauanlage. 35 000 Flaschen kann die Brauerei pro Stunde abfüllen

Mitarbeiter sortieren beschä-

digte Flaschen aus: Durchschnittlich

35-mal wird jede Flens-Flasche wiederverwendet

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Zwar verweist Flens auf die Güte der eigenen Roh-

stoffe: Küstengerste von Nord- und Ostsee, Hefe aus

eigener Zucht und vor allem „das allerbeste Was-

ser“, sagt Hans- Peter Heyen. Mit 59 Jahren ist Heyen

ein erfahrener Braumeister – er arbeitete unter an-

derem für den Kölsch-Hersteller Küppers und die

Pils-Brauerei Jever. Gemeinsam mit dem früheren

Beiersdorf- und Tchibo-Manager Tembrockhaus

übernahm er 2010 das operative Geschäft, nachdem

sich die Eigentümerfamilie zurückgezogen hatte.

„Es gab zuvor einige schwierige Jahre“, sagt Heyen.

Die Flensburger Brauerei brauchte frischen Wind.

Rocker-Image wird zu engGanz bewusst stellt sich Flens in seiner öffentlichen

Selbstdarstellung gegen den Trend. Stoppelbärtige

Modellathleten in der Takelage eines Segelboots,

ausgelassene Menschen in feinem Zwirn, zum

ersten Schluck Bier werden verklärt die Augen ge-

schlossen – so sieht konventionelle Bierwerbung

aus. Ganz anders läuft das bei Flens. „Der Smoking

passt nicht zu uns“, sagt Tembrockhaus. Er setzt drei

kernige Typen auf eine Hollywoodschaukel. Zum

Beispiel die Werbung für das „Edle Helle“ von Flens-

burger, das milder ist als das klassische Pils: Mür-

risch schauen die drei auf die Flasche in ihrer Hand,

verziehen leicht den Mund. Kein Wort wird gesagt.

Schließlich drücken sie doch den Bügelverschluss

auf – plop’ plop’ plop’ – und setzen an. Schmeckt es

den dreien? Weiß man nicht. Bevor sie die Flasche

wieder absetzen, ist der Clip schon vorbei. Die Bot-

schaft kommt dennoch an – das Edle Helle zählt

zu den wachstumsstärksten Produkten von Flens.

Gegen den Mainstream – das ist das Gesetz,

dem das Management entschlossen folgt. Der

günstigeren Kronkorkenflasche erteilte man

schon vor 50 Jahren eine Absage. Bis heute sind

mehrere Beschäftigte nötig, um das Leergut

mühsam per Hand zu öffnen, das verschlossen

zur Brauerei zurückkommt. In den vergangenen

Jahren senkten Konkurrenten die Bittereinheiten,

damit das Bier milder schmeckt. Flens nicht. „Flens

bleibt herb, das passt zur See“, sagt Tembrockhaus.

„Wir können nur nach Süden wachsen“

Drei Männer, eine Schaukel: Knapp zehn Prozent des Umsatzes investiert die Flensburger Brauerei in Werbung – mit maximalem Effekt

Noch ohne eigenes Zutun startete Ende der Sieb-

zigerjahre der erste bundesweite Werbefeldzug.

Der Kieler Autor Rötger Feldmann veröffentlichte

unter dem Namen Brösel die ersten „Werner“-Co-

mics. Ein Selbstläufer für die Flensburger Brauerei.

Denn mit seinen Kumpels leerte der Motorrad-

freak in jedem Band Dutzende Bügelflaschen. Hö-

hepunkt des Werner-Wahnsinns: Beim ganz realen

Wettrennen zwischen Brösel und dem Kieler Wirt

Holgi im Jahr 1988 – selbst gebautes Zweirad ge-

gen Porsche – kamen 250 000 Zuschauer in das

friesische Dorf Hartenholm. Flens lieferte das Bier.

„Die Comics haben uns viel Bekanntheit ge-

bracht“, sagt Tembrockhaus. Er weiß aber, dass ein

Image, das allein auf dem Rocker-Faktor beruht,

auf Dauer nicht funktioniert. „Das wäre uns dann

doch zu eng“, sagt er. „Wir mussten aufpassen,

dass wir nicht allein in dieser Ecke landen.“ FOTO

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Die derzeitige Werbestrategie zeigt, das es

auch breiter funktioniert – und die Flensburger

Brauerei trotzdem mit spitzem Bleistift rechnen

kann. Das weltberühmte Heavy-Metal-Festival

mit jährlich 75 000 Besuchern im nahe gelegenen

Wacken beliefert die Brauerei nicht mehr – inzwi-

schen wird dort Beck’s ausgeschenkt. „Da muss

man heute bezahlen, um dabei zu sein“, sagt Tem-

brockhaus. „Das wollen wir nicht.“ In der Fußball-

bundesliga, der wichtigsten Werbeveranstaltung

vieler Brauereien, macht sich das Unternehmen

ebenfalls rar – und sponsert günstiger die Spitzen-

handballer der örtlichen SG Flensburg-Handewitt.

Eine Chance für neue ProdukteAuch die geografische Lage prägt die Vermarktungs-

strategie. „Die Absatzgebiete um Brauereien lassen

sich mit den Ringen einer Zwiebel vergleichen. Nach

innen steigt der Marktanteil“, sagt er. „Wir haben

hier zu beiden Seiten das Meer. Statt 360 sind es

nur 180 Grad – und im Norden trinken die Dänen

lieber ihr eigenes Bier.“ Die Flensburger Brauerei

muss nach Süden hin wachsen. „Wir haben gar kei-

ne andere Wahl.“ Dabei wird es schon jetzt enger

auf dem deutschen Markt: Binnen zehn Jahren ist

der Bierkonsum um knapp neun Prozent gesunken.

Wie kann Flens da zulegen, zumal mit einem ver-

gleichsweise teuren Bier? Für Tembrockhaus spielt

es eine zentrale Rolle, dass sich das Unternehmen

im Gegensatz zu vielen deutschen Konkurrenten

noch in Familienbesitz befindet. „Die Großen sind

Flensburger in Daten1888: Fünf Flensburger Bürger

gründen die „Export-Brauerei“,

die später zur Flensburger

Brauereien A. G. wird.

1922: Flensburger Pilsener kommt

neu ins Sortiment.

1970: Absage an den kosten-

günstigen Kronkorken: Flensburger

bleibt beim Bügelverschluss.

1988: Die Marke wird über die

„Werner“-Comics bekannt.

Zum Rennen zwischen Zeichner

Feldmann und dem Kieler Wirt

Holgi – selbst gebautes Motor rad

gegen Porsche – kommen

250 000 Zuschauer.

2010: Die Familie Dethleffsen

übergibt das operative Geschäft

an Andreas Tembrockhaus und

Hans-Peter Heyen.

2016: Aufbau einer neuen

Abfüll- und Verpackungsanlage

für 17 Millionen Euro und

verstärkte internationale

Expansion.

anonym geworden, ihnen fehlt das Emotionale“,

sagt er. „Unsere Kunden trauen uns zu, dass wir

mit Liebe zum Detail brauen.“ Beweise der Be-

geisterung kommen auch per Post: „Wir erhalten

Karten von Leuten, die in den chilenischen Anden

oder in Schanghai unser Bier kaufen konnten.“

Tembrockhaus sieht mittelfristig Raum für bis zu

zehn Prozent Exportanteil – bislang sind es etwa

fünf Prozent.

Ganz ohne Zugeständnisse an neue Bedürfnisse

kommt auch Flens nicht aus. Rasch haben Heyen

und Tembrockhaus die Produktpalette ausgewei-

tet: Weizen, Frühlingsbock, Kellerbier, Radler und

Alkoholfreies zählen inzwischen zum Programm.

Dazu zwei Sorten Fassbrause – auch die herber als

die Konkurrenz aus dem Süden. „Wir geben allen

Produkten eine Chance“, sagt Tembrockhaus. „Aber

wenn wir sehen, dass das nichts wird, dann lassen

wir das auch wieder.“ Moderne Biermixgetränke

etwa wurden wieder aus dem Sortiment entfernt.

Beim Mineralwasser, dem einzigen nicht ge-

brauten Produkt, ist ein solcher Schritt nicht zu

erwarten. Denn es erzielt dank überschaubarem

Herstellungsaufwand eine traumhafte Marge. „Wir

verkaufen das Mineralwasser zum gleichen Preis

wie unser Bier“, sagt Tembrockhaus. Was denken die

wahren Flens-Fans wohl darüber, dass ihre Brauerei

nun auch Geschmackloses ausschenkt? Vermutlich

halten sie es wie die drei Herren in der Schaukel-

werbung: Hauptsache, es ploppt.

THOMAS MERSCH

Logistik 2016: Geliefert wird weltweit. Auch der ehemalige US-Außenminister Colin Powell ist bekennender Flens-Fan

Logistik in den Sechziger-

jahren: Geliefert wird nur in die Nachbarschaft

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