die manufaktur des porsche 918 spyder

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DIE MANUFAKTUR DES PORSCHE 918 SPYDER Der 918 Spyder setzt die Reihe der Supersportwagen in der Porsche-Geschichte fort. Für die Produktion entstand in den vergangenen Monaten in Zuffenhausen eine Manufaktur, die die Wertigkeit von Handwerkskunst mit den Prinzipien der Porsche-Produktion verknüpft. Beim Ortstermin mit der ATZ stand der SOP kurz bevor. 814 SPECIAL WERKREPORTAGE

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Page 1: Die Manufaktur des Porsche 918 Spyder

DIE MANUFAKTUR DES PORSCHE 918 SPYDERDer 918 Spyder setzt die Reihe der Supersportwagen in der Porsche-Geschichte fort. Für die Produktion

entstand in den vergangenen Monaten in Zuffenhausen eine Manufaktur, die die Wertigkeit von Handwerkskunst

mit den Prinzipien der Porsche-Produktion verknüpft. Beim Ortstermin mit der ATZ stand der SOP kurz bevor.

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SPECIAL WERKREPORTAGE

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DAS FAHRZEUG

Ob Carrera GTS, 959, 911 GT1 oder Carrera GT: Wenn die Ingenieure von Porsche eine Kleinserie aufsetzen, ist ihnen Aufmerksamkeit gewiss. Denn die Straßenfahrzeuge mit Anleihen an den Rennsport wecken nicht nur Emotionen. Sie vermitteln auch ganz praktisch die technische Evolution. Mehr noch als jeder seiner Vorgänger soll nun der 918 Spyder, von dem erste Exemplare ab September 2013 gebaut werden, Impulse für die Fahrzeugtechnik von morgen liefern. Als maßgebliche Innovationsfelder gelten dabei die Werkstoff- und die Antriebs-technik auf Basis eines Plug-in-Hybrids. Sie tragen dazu bei, dass Fahrleistung auf höchstem Niveau und ein kombinier-ter Gesamtverbrauch im NEFZ von vor-aussichtlich 3,3 l/100 km nicht länger ein Widerspruch sein müssen.

Ausgangspunkt für den 918 Spyder war 2010 eine auf dem Genfer Auto-Salon präsentierte Konzeptstudie. Das aus den Genen des Carrera GT und der Porsche-Rennwagen 917 und RS Spyder entwi-ckelte Design ist sehr eng an diese Kon-zeptstudie angelehnt. Im Gegensatz zur Studie verfügt die Serienausführung des auf einem Monocoque aus kohlefaserver-stärktem Kunststoff (CfK) aufbauenden Zweisitzers jedoch über ein manuelles Dachsystem mit herausnehmbaren Dach-hälften, die im Kofferraum vorne unter-gebracht werden können.

Die gesamte tragende CfK-Struktur ist besonders verwindungssteif. Zusätzliche Crashelemente an Front und Heck aus Aluminium dienen dazu, bei einer Kolli-sion Energie aufzunehmen und abzu-bauen. Dieses Konzept hat einen entschei-denden Anteil am Leergewicht von rund 1640 kg (Weissach-Paket).

Die Komponenten des Antriebsstrangs sowie alle Bauteile mit mehr als 50 kg Gewicht sind so tief und zentral wie möglich im Fahrzeug angeordnet. Das Resultat ist eine leicht heckbetonte Achs-lastverteilung von 57 % an der Hinter-achse und 43 % an der Vorderachse, ver-bunden mit einer extrem tiefen Schwer-punktlage etwa auf Höhe der Radnaben. Die zentrale tiefe Position der Traktions-batterie direkt hinter dem Fahrer unter-stützt die Konzentration der Massen und die Absenkung des Schwerpunkts.

Hauptantriebsquelle ist der 4,6-l-Acht-zylindermotor mit 447 kW Leistung. Der Motor ist direkt aus dem Triebwerk des

RS Spyder abgeleitet und erlaubt Dreh-zahlen bis zu 9150/min. In Analogie zum Rennmotor RS Spyder verfügt das Aggregat über eine Trockensumpfschmie-rung mit separatem Öltank und Ölabsau-gung. Zur Gewichtsoptimierung beste-hen Komponenten wie der Öltank, der im Aggregateträger integrierte Luftfilterkas-ten und die Luftansaugung aus CfK.

Weitere umfangreiche Leichtbaumaß-nahmen resultierten beispielsweise in Titanpleueln, Dünnwand-Niederdruck-guss am Kurbelgehäuse und den Zylin-derköpfen, einer festigkeitsoptimierten Leichtbau-Kurbelwelle aus hochfestem Stahl mit 180° Kurbelzapfenversatz sowie der besonders dünnwandig gefertigten Abgasanlage aus einer Stahl-Nickel-Legie-rung. Auffallend an dem V8: Er trägt keinerlei Nebenaggregate mehr. Es gibt keine äußeren Riemenantriebe. Dadurch baut das Triebwerk sehr kompakt.

Die Kraftübertragung auf die Hinter-räder erfolgt über ein Doppelkupplungs-getriebe mit sieben Gängen. Dazu kom-men zwei Elektromaschinen – je eine an Vorder- und Hinterachse – mit zusam-men mindestens 160 kW mechanischer Leistung.

Diese Konfiguration ermöglicht einen variablen Allradantrieb mit unabhängiger Steuerung der Antriebskraft an beiden Achsen. Als Energiespeicher dient eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batte-rie, die an einer konventionellen Haus-haltssteckdose aufgeladen werden kann und eine rein elektrische Reichweite von über 30 km im NEFZ ermöglicht.

Das Mehrlenker-Fahrwerk des 918 Spy-der hat sein Vorbild im Rennwagenbau, ergänzt um weitere Systeme wie das variable Dämpfersystem PASM und die Hinterachslenkung. Diese besteht im Wesentlichen aus einem elektromechani-schen Verstellsystem an jedem Hinter-rad. Die Verstellung erfolgt geschwindig-keitsabhängig und realisiert Lenkwinkel von bis zu 3° in beide Richtungen.

Damit kann die Hinterachse gegensin-nig oder gleichsinnig zum Lenkeinschlag der Vorderräder gelenkt werden. Bei niedrigen Geschwindigkeiten lenkt das System die Hinterräder entgegen den eingeschlagenen Vorderrädern. Damit wird das Durchfahren von Kurven noch zielgenauer, schneller und präziser, der Wendekreis wird kleiner. Bei höheren Geschwindigkeiten lenkt das System die Hinterräder in dieselbe Richtung wie die eingeschlagenen Vorderräder. Damit

wird bei einem schnellen Spurwechsel die Stabilität des Hecks erhöht.

PRODUKTIONSKONZEPT

Für die Fertigung des 918 Spyder haben sich seine geistigen Väter gemeinsam mit dem Porsche-Betriebsmittelbau eine Menge einfallen lassen, um die Prinzi-pien der Porsche-Produktion mit den Besonderheiten einer Manufaktur für vier Fahrzeuge pro Tag in Deckung brin-gen zu können. Doch bevor die dafür erdachten Einrichtungen installiert wer-den konnten, galt es erst einmal, die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Der Rückbau der ehemaligen Lackiererei, die Sanierung des Gebäudes und der Aufbau der Produktionsanlagen im Bau 40 a des Werks 2 in Zuffenhau-sen wurden im März nach einem Jahr Bauzeit abgeschlossen. Seither belegt die Manufaktur im ersten Obergeschoss 4000 m² Logistikfläche, über die 5000 Teilevarianten für den 918 Spyder in das zweite Obergeschoss geliefert werden. Dort belegen Vormontagen, Motor- und Fahrzeugmontage und später auch einmal eine Lounge für Kunden und Besucher noch einmal 4000 m², ❶.

Bei einem Rundgang durch die neu gestalteten Hallen vermittelt Michael Drolshagen, Leiter der Manufaktur, nicht nur Detailkenntnis. Bei jedem Wort und

❶ Vormontagen, Motor- und Fahrzeugmontage sind auf 4000 m² zusammengefasst

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jedem Hinweis, wohin der Besucher sei-nen Blick wenden soll, schwingen Freude und Stolz über das Erreichte mit. Über drei Stunden nimmt sich der gebürtige Bamberger, der 2000 zu Porsche kam und dort zuletzt als Leiter der Produkti-onsvorbereitung den Prototypenbau auf Fließfertigung umgestellt hat, für Repor-ter und Fotografen Zeit, ❷. Keine Selbst-verständlichkeit während dem Count-down auf den SOP, der für einen Produk-tionsleiter in der Regel mit einer hohen Belastung verbunden ist.

Drolshagen führt zunächst seitlich an den Produktionsanlagen vorbei. Der Boden aus grauem Epoxidharz und weiß gestrichene Wände geben der Manufak-tur im Verbund mit vielen Fensterflächen Helligkeit. Hellgrüne Zierstreifen an den Wänden, eine der Schmuckfarben des neuen Hochleistungssportwagens, die sich zum Beispiel auch auf den Bremssatteln wiederfindet, machen deutlich, dass hier der neue 918 Spyder entsteht. Für einen effizienten Zusammenbau der rund 1500 Teile sind die 100 Mitarbeiter mit Erfah-rung aus Rennsport, Proto typenbau oder Serienproduktion auf 31 Stationen auf-geteilt. Diese umfassen Vormontage und Montage, Motor und Heißstart sowie Prüffeld und Endfertigung.

Es versteht sich von selbst, dass in einer Manufaktur auch der Sprachge-brauch vom sonst üblichen Vokabular abweicht. Taktzeiten zum Beispiel sind Drolshagens Mitarbeitern fremd. Sie arbeiten nach einem Raster von Stations-

zeiten, die jeweils 112 min betragen. Diese Zeitspanne erlaubt es, dass auch etwaige Nacharbeiten inline durch die Teams der einzelnen Stationen selbst-ständig durchgeführt werden können und erhöht so die Übergabe von Null-Fehlern an die nächste Station.

Start des logistischen Prozesses ist der Beginn der Vormontagen am Monocoque, ❸. Drei Stationen stehen dafür zur Ver-fügung. Direkt nebenan erfolgt die Vor-montage der Achsen, ❹, die Belederung

der zahlreichen Interieurumfänge, ❺, und – noch ein Stückchen weiter – die Vormontage von Türen und Dach.

Diese Zusammenbauten werden quer zur Halle im Fischgrätenlayout zur längs angeordneten Hauptmontagelinie gebracht. Eigens konstruierte, gabel-staplerähnliche Betriebsmittel für die Vormontageanteile und spezielle Scheren-hubtische an der Hauptmontagelinie sor-gen nicht nur für Ergonomie. Sie sind auch so konstruiert, dass ein Umsetzen der Werkstücke – außer dem Anbau an die Rohkarosserie – in der Regel nicht erfor-derlich ist. Der Montagetisch mit seinen Vorrichtungen für die Achsmontage ist sogar so genau gearbeitet, dass Spur und Sturz nach der Hochzeit kaum nachge-stellt werden müssen. Meist reicht eine Kontrollmessung. „Montage nach dem Lego-Prinzip, die plug and play funk-tioniert“, nennt Drolshagen dies stolz.

KAROSSERIE

Basis für die Karosserie des 918 Spyder ist ein Monocoque aus Carbonfasern. Als Strukturbauteil dient es der Sicherheit der Fahrzeuginsassen sowie als Träger der Anbauteile gleichermaßen. Für eine größtmögliche Qualität und Maßhaltigkeit kommt bei der Fertigung des Monocoque, der bei einem Zulieferer aus Österreich bezogen wird, das Resin-Transfer-Mol-ding (RTM) zum Einsatz. Bei dieser

❷ Michael Drolshagen, Leiter Produktion 918 Spyder

❸ Vormontagen am Monocoque

❹ Vormontage der Achsen

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Methode entstehen große und komplexe Verbundbauteile in einem Harzinjektions-Press-Form-Prozess aus mehrlagigen Car-bonfaserstrukturen und zunächst sehr niedrigviskosen, dann schnell härtenden Kunststoffen. Zu den maßgeblichen Vorteilen dieses Verfahrens im Vergleich zur klassischen Autoklaventechnik zählt Drolshagen eine sehr hohe Wiederhol-genauigkeit. Eine spanende Nachbearbei-tung der knapp 140 kg schweren Mono-coques direkt nach dem Urformen stellt überdies sicher, dass die Basis aller Tole-ranzketten für die spätere Aufnahme der Anbauteile gegeben ist.

Bei den Anbauteilen selbst handelt es sich mit Ausnahme von Bugschürze und Heckteil, die aus Polyurethan bestehen, ebenfalls um CFK-Bauteile. Insgesamt hat der 918 Spyder den größten Anteil sicht-barer Carbonflächen aller je gebauten Porsche-Modelle. Eine weitere Ausnahme gilt für Drolshagens Lieblingsbauteil, die Abdeckung der Top Pipes genannten Abgasendrohre. Diese münden im oberen Heck unmittelbar über dem Motor. Des-halb zeigt der 918 Spyder dort, wo andere Autos ihre Kofferraumklappe haben, besagte Abdeckung. Diese besteht aus Edelstahl, der zunächst umgeformt wird, ehe ein Laser insgesamt 7400 sechseckige Lüftungslöcher in das Bauteil schneidet. Vor dem Hintergrund dieses Aufwands ist es zu verstehen, dass die Abdeckung der Abgasanlage für den 918 Spyder mehr

kostet, als etwa die gesamte lackierte Rohkarosserie des Modells Panamera.

MOTORENBAU

Auch der Motorenbau erfolgt direkt in der Manufakturhalle. Dabei gilt der Grund-satz, dass jeder Motor von der ersten bis zur letzten Schraube vom gleichen Mon-teur zusammengesetzt wird, ❻. In ins-gesamt 20 h Montagezeit entsteht so auf Basis eines Kurbelgehäuses aus Alumi-nium-Sandguss das 447-kW-Kraftpaket.

Getreu dem Porsche-Prinzip, wonach in der Fertigung alles fließen muss, durch-läuft jeder Motor mit seinem Monteur insgesamt sieben Stationen mit jeweils speziellen Vorrichtungen und Betriebs-mitteln. Auch ein Roboter zum Auftragen von Klebstoffraupen ist im Motorenbau zu sehen. Es ist der einzige Roboter in der gesamten Halle.

LACKIERUNG

Anbauteile werden bei Porsche traditio-nell lackiert bezogen. So auch die Karos-serieteile des 918 Spyder, die später an den Monocoque angeschraubt werden. 12 Standardfarben sind im Angebot. Ebenso die Möglichkeit, eine Wagenfarbe nach Wahl zu ordern. Dabei stellt der Einsatz von CFK und PU für die Anbau-teile besondere Anforderungen an das Colour matching. Um einen identischen Farbton auf allen Teilen sicherzustellen, erfolgt die Applikation eines klassischen

Lackaufbaus nicht bei den jeweiligen Teileherstellern, sondern zentral bei einem Lackierbetrieb nahe Karlsruhe.

Auch wenn eine Gesamtstückzahl von 918 Exemplaren an Handarbeit denken lässt, ist daran aus Gründen der Quali-tätssicherung nicht zu denken. Ebenso wie in der Großserie kommen Skid-För-derer und Lackierroboter zum Einsatz. Alternativ zur Nasslackierung können Besteller ihren 918 Spyder auch mit Folie überziehen lassen. Dies erlaubt nicht nur den besonderen Farbton „matt-schwarz“. Es spart auch noch fast 2 kg Gewicht.

AUSBLICK

Insgesamt 918 Exemplare wird Porsche von seinem 918 Spyder bauen. Für die letzte Februarwoche 2015 ist End-of-Pro-duction geplant. Der Verkauf wird deut-lich früher enden. Bereits zum ATZ-Orts-termin im Sommer wäre eine Bestellung frühestens im späten zweiten Halbjahr 2014 ausgeliefert worden.

Stefan Schlott

❻ Motorenmontage nach dem Prinzip ein Mann – ein Motor

❺ Belederung der Interieurumfänge

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