die kristallstrukturen von α- und β-k3ocl
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Z. anorg. allg. Chem. 622 (1996) 153-156
Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie 0 Johann Ambrosius Barth 1996
Die Kristallstrukturen von a- und P-K,OCl
H. Sabrowsky*, E. Feldbaum-Moller, K. Fischer, S. Sitta, P. Vogt und V. Winter
Bochum, Institut fur Anorganische Chemie der Universitat
Bei der Redaktion eingegangen am 4. August 1995.
In memoriam Professor Wilhelm Klemm
Inhaltsiibersicht. Die orangefarbene Verbindung K30C1 wurde dargestellt. Sie tritt in einer Tieftemperaturmodifikation (a- K30CI) und in einer Hochtemperaturmodifikation @-K30Cl) auf. Die Umwandlungstemperatur betragt 364 k 5 K. Die Kri- stallstrukturen wurden durch Rontgenstrukturanalyse aufge- klart. a-K30C1 kristallisiert bei Raumtemperatur in der ortho-
The Crystal Structures of a- and P-K,OCl Abstract. The orange coloured compound K30CI has been pre- pared. It exists in a low temperature modification (a-K30Cl) and a high temperature modification @-K@Cl). The transition temperature is 364 f 5 K. The crystal structures were determin- ed by x-ray diffraction. a-K30CI crystallizes at room tempera- ture in the orthorhombic space group Pbnm (Z = 4) with the cell parameters a = b = 723.9(2) pm and c = 1027.7(2) pm in
rhombischen Raumgruppe Pbnm (Z = 4) rnit den Gitterkon- stanten a = b = 723,9(2) pm und c = 1027,7(2) pm im anti-GdFe03-Strukturtyp. Die Hochtemperaturmodifikation, pK30Cl, kristallisiert mit Z = 1 in der kubischen Raum- gruppe Pm3m im D-Ag,SI-Strukturtyp mit a = 516,2(2) pm (T = 393K).
the anti-GdFe03-structure type. The high temperature modifi- cation D-K@Cl crystallizes (Z = 1) in the cubic space group Pm3m in the D-Ag3SI-structure type with a = 516.2(2)pm (T = 393K).
Keywords: Tripotassium oxide chloride; preparation; crystal structure
1 Einleitung
Im Rahmen unserer Untersuchungen zur Existenz von ternaren Alkalimetall-chalkogenidhalogeniden berichte- ten wir bereits hinsichtlich der Kaliumverbindungen uber die Kristallstrukturen von K,OBr [ 11 und K,OI [2]. Beide Verbindungen kristallisieren kubisch im anti-Perowskit- Strukturtyp. Kurzlich gelang uns nun auch die Darstel- lung von K,OCI. Es kristallisiert in den beiden Modifi- kationen a-K,OCl als Raumtemperaturphase und p- K,OCl oberhalb von 364 K. Uber deren Kristallstruktu- ren wird hier berichtet.
2 Experimentelles
Orangefarbenes K,OCl wurde durch 3tagiges Tem- pern aquimolarer Mengen von farblosem Kaliumoxid (selbst dargestellt [6], guinierrein) und Kaliumchlorid (31 248 KC1, zur Analyse, Riedel-de Haen) bei 693 K im Silbertiegel gemaI3 K,O + KCI -+ K,OCl erhalten. Die Tiegel waren in Duranglasampullen unter Argonatmo- sphare eingeschmolzen. Guinieraufnahmen der neuen Verbindung liesen sich zunachst kubisch primitiv mit
a = 1026(1) pm indizieren. In den Aufnahmen traten je- doch stets zwei schwache, nicht indizierbare Reflexe auf, die dicht neben den Reflexen (400) und (800) liegen. Wir vermuteten deshalb, daI3 die neue Verbindung nicht ku- bisch, sondern tetragonal rnit sehr ahnlichen Gitterkon- stanten a und c kristallisiert. Zur Klarung des Problems wurde ein Einkristall bei Raumtemperatur vermessen. Die erhaltenen Daten ermoglichten jedoch keine ein- deutige Zuordnung zu einem Kristallsystem. Die Prazes- sionsaufnahmen sprachen fur das Vorliegen eines kubi- schen Kristallsystems, die Vierkreisdiffraktometermes- sungen deuteten ebenso wie die Guinieraufnahmen eine tetragonale Metrik an.
Es wurde die Moglichkeit in Betracht gezogen, dal3 beim K,OC1 bei Raumtemperatur eine eingefrorene Pha- se rnit dynamischer Fehlordnung der Struktur vorliegt. Zur Klarung des Problems wurden deshalb Heizguinier- aufnahmen im Bereich von 93 bis 393 K angefertigt. Bei 364 k 5 K fand man eine reversible Phasenumwandlung. Die Reflexe der Hochtemperaturmodifikation (P-K,OCl) konnten dabei vollstandig kubisch rnit der Gitterkonstan- ten a = 515(1) pm indiziert werden.
Da bei Phasenumwandlungen von ,,ungeordneten' ' zu
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,,geordneten" Strukturen typisch mit der Bildung von Mehrlingen zu rechnen ist, wurde die Einkristallprapara- tion optimiert.
Die bei 693 K erhaltenen polykristallinen Proben wur- den erneut zerrieben und 14 Tage bei 693 K im Vakuum getempert. Beim Abkiihlen wurde der Bereich der Phasenumwandlung rnit einer besonders niedrigen Ab- kuhlrate (1 K min-') durchlaufen.
Zur Bestimmung der Kristallstruktur von P-K,OCl wurde ein quaderformiger Kristall unter Argon in eine Kapillare aus Lindemannglas eingeschmolzen und ober- halb der Umwandlungstemperatur bei 393 K vermessen. Einzelheiten zur Strukturuntersuchung sind in Tabelle 1 aufgefiihrt. Tabelle 2 gibt die Ortsparameter und Tempe- raturfaktoren wieder.
3Kalium in der Raumgruppe Pm3m. Danach sind die Kaliumatome bevorzugt in Richtung der beiden Haupt- achsen ausgelenkt (Abb. I), was die relativ hohen Tempe- raturfaktoren physikalisch sinnvoll erklart und durch einen signifikant besseren R-Wert in den Rechnungen zum Ausdruck kommt. Somit entspricht die Struktur vom B-K,OCl der des P-Ag,SI-Strukturtyps [4].
Zur Bestimmung der Kristallstruktur von a-K,OCl (RT-Phase) wurde ein gelber quaderformiger Kristall in eine Kapillare aus Lindemannglas eingeschmolzen und bei 298 K vermessen. Einzelheiten zur Strukturuntersu- chung gibt Tabelle 3 wieder.
Tabelle 3 Kristalldaten, Datensammlung und Strukturbestim- mung von a-K,OCI
Tabelle 1 Kristalldaten, Datensammlung und Strukturbestim- mung von p-K30CI
Formel Molekulargewicht Gitterkonstante Raumgruppe Dichte (rontg.) Molvolumen Kristalldimensionen MeBtemperatur
MeBgerat P (MoK4, A
MeBbereich, Methode Zahl der Reflexe symmetrieunabhangige Reflexe Absorptionskorrektur Rechenprogramm Verfeinerung
Zahl der Parameter R (aniso) R, (aniso) Restelektronendichte
B-K,OCl 168,74 g/mol a = 516,2(3)pm Pm3m Z = 1 2,03 g/cm3 82,8 cm3/mol 0,13x0,08~0,08 mm3 393 K 27,15 cm-I, 71,069 pm Syntex R3 Vierkreisdiffraktometer
852 100 von 104 rnit F > 2a(F) keine SHELX76 (3) volle Matrix, kleinste Fehler- quadrate 7 4,65% 4,46% d pmax = 0,48 e A ;3
A pmin = - 0,23 e A - 3
20 5 28 5 730, 0-20
Tabelle 2 Ortsparameter und Temperaturfaktoren fur p- K,OCI; Standardabweichungen in Klammern. Die Uij sind definiert als exp-2~r~[(U,~h~a*~ + . . . + 2Ulzhka*b* + . . .)I Atom Lage x y z u11 u 2 2 u33
K 12h 0,5 0,O 0,0723(9) 0,0378(12) 0,01000(68) 0,1116(76) 0 1 a 0,O 0,O 0,O 0,0580(23) 0,0580(23) 0,0580(23) C1 I b 0,5 0,5 0,5 0,0900(18) 0,0900(18) 0,0900(18)
Bei anisotroper Verfeinerung der Temperaturfaktoren des P-K,OCl in der Raumgruppe Pm3m rnit Kalium auf der Punktlage 3 d ergaben sich physikalisch nicht sinnvol- le Temperaturfaktoren. Somit wurde davon ausgegangen, dal3 eine statistische Besetzung in einer hoher zahligen Lage vorliegt. Eine deutliche Verfeinerung der Reflexda- ten ergab sich bei statistischer Belegung der Lage 12 h rnit
Formel Molekulargewicht Gitterkonstante
Raumgruppe Dichte (rontg.) Molvolumen Kristalldimensionen MeRtemperatur
MeBgerat ( M O K ~ ),a
MeRbereich, Methode Zahl der Reflexe symmetrieunabhangige Reflexe Absorptionskorrektur Rechenprogramm Verfeinerung
R (aniso) R, (aniso)
ar-K30C1 168,74 g/mol a = 723,9(2), b = 723,9(2), c = 1027,7(2) pm Pbnm; Z = 4 2,08 g/cm3 8 1,l cm3/mol 0,15 x 0,08 x 0,08 mm3 298 K 27,15 cm-', 71,069pm Syntex R3 Vierkreisdiffrak- tometer 2" 5 28 5 750, 0 2 8 4143 407 von 798 rnit F > 2o(F) keine SHELX76 (3) volle Matrix, kleinste Fehler- quadrate 6,65% 6,44%
Tabelle 4 Ortsparameter fur a-K30CI bei 298 K (Raumgruppe Pbnm mit a = b = 723,9(2) und c = 1027,7(2) pm); Standard- abweichungen in Klammern
Atom Lage x Y Z
~~ ~~
K(l) 4c 0,0476(8) 0,491 3(12) 0,25 K(2) 8 a -0,2856(5) 0,2863(7) 0,0273(4) 0 4b 0,5000 0,0000 0,0000 c1 4c - 0,0030(8) 0,0179(10) 0,2500
Tabelle 5 Temperaturfaktoren fur a-K,OCl; Standardabwei- chungen in Klammern. Die Uij sind definiert als exp-2~r~[(U,~h~a*~ + . . ~ + 2U,2hka*b* + . . .)]
Atom U,, u 2 2 u 3 3 UIZ ul3 u 2 3
K(1) 0,0287(14) 0,0377(28) 0,0124(5) -0,0029(16) 0,O 0,o
C1 0,0185(11) 0,0364(21) 0,0152(7) -0,0065(10) 0,O 0 8
K(2) 0,0160(6) 0,0269(10) 0,0211(5) -0,0087(5) -0,0020(7) 0,0016(6) 0 0,0101(19) 0,0185(31) 0,0125(10) - O,oOl7(29) - 0,0003(14) - 0,0020(12)
H. Sabrowsky u. a., Die Kristallstrukturen von a- und P-K30Cl 155
Der Kristallstruktur des a-K,OCl liegt eine orthorhombische Metrik zugrunde, die man anhand der Gitterkonstanten bei Raumtemperatur jedoch nicht bemerkt. Die Gitterkonstanten haben dadurch rnit a = b = 723(1) pm und c = 1026(1) pm pseudo-tetra- gonalen Charakter, wogegen bei tieferer Temperatur (93 K) rnit a = 715(1) pm, b = 724,4(9) pm und c = 1018,5(9) pm die orthorhombische Symmetrie deutlich wird (vgl. Abb. 3).
3 Ergebnisse und Diskussion
Die HT-Phase von K,OCl, PK,OCl (Abb. I) , weist eine nahe Verwandtschaft zur idealen anti-Perowskitstruktur auf. Der Unterschied zur letzteren liegt in der geringen Abweichung der Kaliumionen aus ihrer Ideallage in Form einer Pseudorotation um die jeweilige Hauptachse der Elementarzelle. Weiterhin ist 0'- oktaedrisch im Ab- stand d(K-0) = ; von Kaliumionen umgeben. Die fest positionierten Cl--Ionen weisen gegenuber den nachsten Kaliumionen im Abstand d(K-Cl) = 5 z/z die Koordinationszahl 12 auf. Kalium hat gegenuber den nachsten gleichfalls fest positionierten Nachbarn, 02-, die Koordinationszahl2 rnit d(K-0) = $ als Spitzen eines ,,KO,Cl,' '-Oktaeders mit 4 nachsten C1--Nachbarn im Abstand d(K-Cl) =
Lage die ideale anti-Perowskitstruktur fur P-K,OCl vor, dann betruge unter Beibehaltung der beobachteten Gitterkonstanten a = 5 16,2(2) pm der Kalium-Sauer- stoffabstand d(K-O)id,,, = 258,l pm, und langs der
&' als Oktaederbasis.
Hauptachsen der Elementarzelle wurde man lineare K-0-K-0-Ketten beobachten. Die Auslenkung der Kaliumionen aus ihrer Ideallage fuhrt hier jedoch - wie die Schwingungsellipsoide bezuglich der Strukturrech- nungen zeigen - durch die leicht zickzackformige Anordnung der K-0-K-0-Ketten rnit dem Winkel (0-K-0) von 163,5" zu der VergroBerung des Ka- lium-Sauerstoff-Abstandes auf d(K-0) = 260,s pm. Analoge Verhaltnisse beobachtete man bei den zu P- K,OCl isotypen Verbindungen K,OBr und K,OI(2) be- reits bei Raumtemperatur. Hier, fur P-K,OCl, sind die Schwingungsellipsoide wegen der um etwa 100 K hoheren Temperatur (393 K) auffallig groDer.
0
Abb. 1 Elementarzelle von P-K,OCl. Die vier um die Wiirfelkanten angeordneten Schwingungsellip- soide symbolisieren die moglichen Positionen, die das entspre- chende Kaliumion einnehmen kann
b = 723.9 (2) pm
Abb. 2 ORTEP-Zeichnung zur Kristallstruktur von a-K,OCl. Zur Hervorhebung der K,O-Oktaeder sind hier 1 1/2 Elemen- tarzellen dargestellt. Die gestrichelten Linien ober- und unter- halb der schraffierten Oktaederbasis kennzeichnen die geringfii- gige Verkippung des K,O-Oktaeders in Richtung [00 I]
Die Abb. 2 zeigt 1 1/2 Elementarzellen von a-K,OCl, um die Koordinationsverhaltnisse anschaulicher hervorzuhe- ben. Die Elementarzelle entspricht in ihrem Aufbau der des anti-GdFe0,-Strukturtyps. Innerhalb der Zelle ist eine Subzelle hervorgehoben, die zugleich die Verwandt- schaft zur Perowskitstruktur verdeutlichen soll. Man er- kennt so, daB diese Subzelle eine Perowskiteinheit rnit aus ihrer Ideallage ausgelenkten Kalium- und Chloridionen darstellt, wahrend die Sauerstoffionen in dieser Struktur ihre spezielle Lage beibehalten. Prinzipiell sind somit die Koordinationsverhaltnisse im anti-GdFe0,-Typ [ 5 ] mit denen des Perowskit-Typs vergleichbar. Sie unterscheiden sich in dem hier vorliegenden Fall jedoch in der verzerr- ten Struktur ihrer Koordinationspolyeder. Man kann des- halb die hier im anti-GdFe0,-Strukturtyp vorliegende Phase von a-K,OCl als Uberstruktur interpretieren, wo-
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I l l O p m
IOlOpm
91Opm
810pm
710 pm
Z. anorg. alln. Chem. 622 (1996)
. . - * x " * m Y +-- I - * " - I I I I
- I I
Tu I
- I I I I , . , t--- I,
a + b + c
Abb. 3 Verlauf der Gitterkonstanten von a-K30Cl in Abhan- gigkeit von der Temperatur; (Tu: Umwandlungstemperatur)
-
Auffallig ist schliefilich die gelborange Farbe der hier dis- kutierten K,OCl-Phasen, unabhangig von ihrer Darstel- lung in Silber- bzw. Korundtiegeln, im Vergleich zu den
rein gelben Phasen K,OBr, K,OBr,, K,O,Br,, K,OI und K,OI, [6], wahrend die Verbindungen mit den niederen Alkalimetallen wie Li,OBr, Li,O,Br,, Na,OCl, Na,OBr, Na,OI und auch Na,OCN als Pseudohalogenidvertreter [7] samtlich farblos sind. Bei den isotypen Alkalioxidcya- niden K,OCN, K,O(CN),, Rb,OCN und Rb,O(CN), [8] beobachtet man daruber hinaus eine Farbpalette von hell- bis tiefblau. Hier liegen offenbar Farbzentren vor, wie die ESR-Messungen zeigen.
Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie fur die Unterstutzung mit Sach- und Personalmitteln.
Literatur
[I] S. Sitta, K. Hippler, I? Vogt, H. Sabrowsky, Z . anorg. allg.
[2] S. Sitta, K. Hippler, I? Vogt, H. Sabrowsky, Z . Kristallogr.
[3] G. M. Sheldrick, SHELXS 76, Program for crystal struc-
[4] B. Reuter, K. Hardel, Z. anorg. allg. Chem. 340 (1965) 168 [5] S. Geller, E. A. Wood, Acta Cryst. 9 (1956) 563 [6] H. Sabrowsky, S. Sitta, Dissertation S. Sitta, Universitat
[7] H. Sabrowsky, K. Hippler, Dissertation K. Hippler, Uni-
[8] H. Sabrowsky, C. Hurdt, Dissertation C. Hardt, Universi-
Chem. 597 (1991) 197
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ture determination, University of Cambridge 1976
Bochum 1991
versitat Bochum 1990
tat Bochum 1994
Anschr. d. Verf.:
Prof. Dr. Horst Sabrowsky, Dip1.-Chem. Elisabeth Feldbaum- Moller, DipLChem. Karsten Fischer, Dr. Stephan Sitta, Dr. Petra Vogt, Dr. Volker Winter Fakultat fur Chemie Lehrstuhl fur Anorganische Chemie I Arbeitskreis Festkorperchemie Universitatsstr. 150 D-44801 Bochum