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Die Gesundheitsreform der Großen Koalition: Strategische Erfolge im Schatten des Scheiterns Nils C. Bandelow, Mathieu Schade 1 Einleitung Die Gesundheitsreform der Großen Koalition gilt in der Öffentlich- keit als Beispiel für gescheiterte Reformpolitik. Schon vor Inkrafttre- ten rechneten 97 Prozent der Befragten mit steigenden Kosten für jeden einzelnen Bürger (Continentale-Krankenversicherung 2006). Auch ein Jahr nach Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) ist dessen Ablehnung in der Bevölkerung weitaus größer als die Er- wartung positiver Auswirkungen (TK-Meinungspuls Gesundheit 2008; Ärzte Zeitung 27.5.2008). Das GKV-WSG war dennoch nicht generell ein strategischer Misserfolg. Die Gesundheitsreform der Großen Koalition verfolgte parallel zwei Ziele, die in verschiedenem Ausmaß erreicht werden konnten. Die Aushandlungsprozesse verliefen teilweise in unter- schiedlichen Politikarenen mit verschiedenen Akteurskonstellatio- nen. Ebenso divergierten die Strategien für die Entwicklung, Durch- setzung und Vermittlung der beiden Reformteile. Eine Unterteilung der Analyse entlang der beiden Ziele und zwei korrespondierenden Arenen ermöglicht es, den Fall sowohl als Beispiel für eine in mehr- facher Hinsicht suboptimale Reformstrategie als auch für strategi- sche Erfolge und Lernprozesse in der Kernexekutive zu verwenden. Vor der Anwendung der Kriterien des Strategietools für politische Reformprozesse (SPR) erfolgt eine Darstellung der Eigenheiten des Politikfelds Gesundheit, um die Voraussetzungen für eine Übertrag- barkeit von Ergebnissen auf andere Fälle zu verdeutlichen. Die an- schließenden Abschnitte identifizieren auf Grundlage des SPR die strategischen Stärken und Schwächen des Reformprozesses. 85

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Die Gesundheitsreform der Großen Koalition:Strategische Erfolge im Schatten desScheiternsNils C. Bandelow, Mathieu Schade

1 Einleitung

Die Gesundheitsreform der Großen Koalition gilt in der Öffentlich-keit als Beispiel für gescheiterte Reformpolitik. Schon vor Inkrafttre-ten rechneten 97 Prozent der Befragten mit steigenden Kosten fürjeden einzelnen Bürger (Continentale-Krankenversicherung 2006).Auch ein Jahr nach Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung desWettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG)ist dessen Ablehnung in der Bevölkerung weitaus größer als die Er-wartung positiver Auswirkungen (TK-Meinungspuls Gesundheit2008; Ärzte Zeitung 27.5.2008).

Das GKV-WSG war dennoch nicht generell ein strategischerMisserfolg. Die Gesundheitsreform der Großen Koalition verfolgteparallel zwei Ziele, die in verschiedenem Ausmaß erreicht werdenkonnten. Die Aushandlungsprozesse verliefen teilweise in unter-schiedlichen Politikarenen mit verschiedenen Akteurskonstellatio-nen. Ebenso divergierten die Strategien für die Entwicklung, Durch-setzung und Vermittlung der beiden Reformteile. Eine Unterteilungder Analyse entlang der beiden Ziele und zwei korrespondierendenArenen ermöglicht es, den Fall sowohl als Beispiel für eine in mehr-facher Hinsicht suboptimale Reformstrategie als auch für strategi-sche Erfolge und Lernprozesse in der Kernexekutive zu verwenden.

Vor der Anwendung der Kriterien des Strategietools für politischeReformprozesse (SPR) erfolgt eine Darstellung der Eigenheiten desPolitikfelds Gesundheit, um die Voraussetzungen für eine Übertrag-barkeit von Ergebnissen auf andere Fälle zu verdeutlichen. Die an-schließenden Abschnitte identifizieren auf Grundlage des SPR diestrategischen Stärken und Schwächen des Reformprozesses.

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Zunächst werden die wichtigsten Akteure des Entscheidungsnet-zes im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine strategiefähigeKernexekutive betrachtet. Diese Analyse schließt alle für den Reform-prozess relevanten Akteure ein und berücksichtigt daher auch dieGegner einzelner Maßnahmen sowie der Gesamtreform. In den Ka-piteln 4 bis 6 werden die zentralen Phasen des Agenda-Setting, derPolitikformulierung und Entscheidung sowie der Politikumsetzung(soweit diese bisher – Mai 2008 – erfolgt ist) analysiert. Im Mittel-punkt steht jeweils die Frage, inwiefern sich eine durchgängige Be-rücksichtigung der drei strategischen Dimensionen Kompetenz,Kommunikation und Durchsetzungsfähigkeit des SPR findet. In al-len drei Phasen wird zudem untersucht, ob eine effektive, bürgerna-he und auf Lernbereitschaft ausgerichtete Erfolgskontrolle stattge-funden hat.

Da die Gesundheitsreform bisher noch nicht vollständig abge-schlossen ist, muss sich die Analyse der Erfolgskontrolle allerdingsauf die prozessbegleitende Evaluation beschränken. Eine Betrachtungder abschließenden Erfolgskontrolle wird erst nach 2009 möglichsein, wenn alle Reforminhalte in die Praxis umgesetzt sein werden.

Die Basis der Untersuchung bilden 19 Experteninterviews mitführenden Akteuren des Reformprozesses, die im Sommer undHerbst 2007 durchgeführt wurden. Den 45- bis 90-minütigen Inter-views lag jeweils ein Leitfaden zugrunde, der entlang der Kriteriendes SPR entworfen wurde. Den Interviewpartnern wurde eine Anony-misierung ihrer Aussagen zugesichert. Verweise auf die Interviewsenthalten daher keine Angaben zu Name und Institution des Inter-viewpartners, sondern jeweils nur eine neutrale Nummerierung.

Neben den teilstandardisierten Interviews wurden weitere Ge-spräche mit ausgewählten Akteuren auf Konferenzen und Podiums-diskussionen geführt. Diese Ergebnisse wurden zur Validierung dergewonnenen Erkenntnisse herangezogen. Während die Interviewsvor allem mit führenden Akteuren aus dem Gesundheitsministeri-um, dem Kanzleramt, den Regierungsfraktionen, den Regierungs-parteien und ausgewählten Bundesländern geführt wurden, deckendie ergänzenden Gespräche auch Akteure aus der Opposition undaus Verbänden ab. Zur Absicherung der Informationen wurden ver-fügbare Dokumente, Presseberichte und wissenschaftliche Analysengenutzt.

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2 Grundlagen des Fallbeispiels

Gesundheitspolitik ist eine besondere Herausforderung an die Kunstdes Regierens. Das Politikfeld ist selbst für Experten kaum zu über-blicken. Auch die Kommunikation ist besonders schwierig: Gesund-heitsminister erreichen fast schon traditionell besonders schlechteZustimmungswerte in der Öffentlichkeit. Eine Vielzahl von Lobby-gruppen und anderen Vetospielern erschwert die Durch- und Umset-zung von Reformen (Bandelow 1998). Das Politikfeld stellt somit inallen drei strategischen Dimensionen besonders hohe Anforderun-gen an erfolgreiche Politik. Diese besonderen Herausforderungenwerden zunächst dargelegt. Im anschließenden Abschnitt 2.2 wirddas GKV-WSG als zumindest partieller Erfolg strategischer Reform-politik vorgestellt.

2.1 Gesundheitspolitik als spezifische Herausforderungfür politische Strategie

Das SPR fokussiert die Analyse und Bewertung strategischer Reform-politik auf jeweils möglichst zeitlich und inhaltlich zusammenhän-gende Politikprozesse. Die Gesundheitsreform der Großen Koalitionkann einerseits als ein derartiger Politikprozess betrachtet werden.Andererseits ist zu beachten, dass das GKV-WSG Teil jahrzehntelan-ger Reformzyklen ist. Seit Mitte der 70er Jahre gibt es über 20 Geset-zespakete zur Kostendämpfung und Strukturreform der gesetzlichenKrankenversicherung (GKV) (Bandelow 1998: 187ff.).

Die vorhergehenden Reformprozesse und Politikergebnisse beein-flussen nicht nur die inhaltliche Problemlage für die nachfolgendenReformen, sondern verändern die Akteurskonstellationen der an-schließenden Politikprozesse und prägen dabei zukünftige Wahrneh-mungen, Zieldefinitionen und politische Ressourcen der Akteure.

Folglich ist es zwingend erforderlich, bei der Bewertung des GKV-WSG den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Reform zu kennen.Auch bei einer Beurteilung der Reformergebnisse ist der Hinter-grund der iterativen Reformzyklen von Bedeutung. Angesichts derHistorie vollständig oder teilweise gescheiterter Reformversuche ver-folgen einzelne Akteure in der Gesundheitspolitik nicht nur kurzfris-

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tige inhaltliche Ziele. Die Strategien sind vielmehr auch darauf aus-gerichtet, zukünftige Reformen zu erleichtern. Bei einer Beurteilungvon Reformerfolgen und Misserfolgen ist dies zu beachten.

Das Krankenversicherungssystem als Teil des Sozialstaatsarrange-ments weist einige grundsätzliche Gemeinsamkeiten mit anderenwohlfahrtsstaatlichen Politikfeldern auf. Die gesetzliche Krankenver-sicherung finanziert sich über Beiträge auf den Faktor Arbeit und istdadurch vergleichbaren Finanzrestriktionen ausgesetzt wie die Ren-ten- und Arbeitsmarktpolitik (Bandelow 2002). Die Verbände von Ka-pital und Arbeit spielen eine zentrale Rolle in der Administration derpolitikfeldeigenen Institutionen (Bandelow 2004a).

Aus der Perspektive von Regierungsparteien bedrohen Krisen inden sozialen Sicherungssystemen den Machterhalt, da die Absiche-rung elementarer Lebensrisiken von den Wählern als zentrale Poli-tikfunktion wahrgenommen wird. Dennoch unterscheidet sich dasGesundheitswesen in seinen Strukturen, Akteurskonstellationen undProblemen von den anderen wohlfahrtsstaatlichen Politikfeldern.

Im Politikfeld Gesundheit treffen multiple Interessenlagen unter-schiedlicher Akteure aufeinander, woraus ein hohes Konfliktniveaubei strukturverändernden Reformvorhaben resultiert (Bandelow1998). Die Interessenvertretungen von Ärzten, Pharmaindustrie,Krankenhäusern, Apothekern, gesetzlichen Krankenkassen, privatenKrankenversicherungen und Tarifparteien bilden ein wenig durch-sichtiges, zunehmend fragmentiertes und pluralisiertes Umfeld fürReformbemühungen (Bandelow 2004a; 2007a).

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Gesundheitspolitikist durch eine Gleichzeitigkeit von hoher Komplexität, hohem Wis-sensbedarf, multiplen Interessenlagen, geringer Steuerungsfähigkeitder Bundesregierung und fehlender Information in der Bevölkerunggekennzeichnet (Bandelow 1998; 2003a; 2004a; 2004b). Die Existenzstarker korporatistischer Strukturen und einer ausdifferenziertenLandschaft konfliktfähiger Verbände stellt die Regierung traditionellvor große Herausforderungen bei der Gestaltung des Reformprozes-ses. Die Regierung muss immer in mehreren Ebenen und Themen-feldern gleichzeitig agieren (Interview 9). Eine hierarchische Steue-rung sieht sich hohen Hürden gegenüber (Bandelow 2004b).

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2.2 Zentrale Politikergebnisse im Kontext langfristigeriterativer Reformzyklen

Obwohl die Reformziele nicht vollständig durchgesetzt wurden undsowohl die Öffentlichkeit als auch Fachexperten Teile der Reformengrundsätzlich abgelehnt haben (Sachverständigenrat 2006), gehörtdas GKV-WSG, verglichen mit früheren Reformversuchen im Ge-sundheitswesen, zu den erfolgreicheren. Ein Reformerfolg kann be-reits darin gesehen werden, dass es im Gegensatz etwa zu den blank-schen Reformversuchen der 60er Jahre überhaupt zu einer Verab-schiedung gekommen ist. Das Gesetz ist nicht durchgängig einkleinster gemeinsamer Nenner, sondern beinhaltet anders als fastalle Vorgängerreformen einen grundlegenden Umbau der Organisa-tion des Gesundheitssystems.

Die enthaltenen Strukturreformen führen zu einer nachhaltigenVeränderung des traditionellen gesundheitspolitischen Mesokorpora-tismus (vgl. auch Gerlinger 2008). Die körperschaftlichen Organisa-tionen der mittelbaren Selbstverwaltung haben ihre privilegierte Rol-le verloren (Interview 1). Vor allem für den ambulanten Sektor sinddamit wesentliche Veränderungen verbunden. An die Stelle von Ver-handlungen zwischen regionalen korporatistischen Verbänden trittschrittweise eine neue Governanceform. Diese zeichnet sich durchzentralistische Vorgaben auf Bundesebene aus, auf die das Bundes-ministerium für Gesundheit wesentlich direkter einwirken kann.

Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für fragmentierte Se-lektivverträge zwischen Einzelakteuren auf regionaler Ebene geschaf-fen. Den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden dersieben historisch entstandenen Kassenarten (Allgemeine Ortskran-kenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Land-wirtschaftliche Krankenkassen, See-Krankenkassen, Knappschaftund Ersatzkassen) wurde durch die Reform ihre bisherige Positionals faktische Vetospieler im Reformprozess genommen.

Bisher verfügten die sieben Kassenarten jeweils über eigene Ver-bände, die teilweise als Körperschaften öffentlichen Rechts organi-siert waren. Durch die Verlagerung der wichtigsten Kompetenzenauf Bundesebene an den Spitzenverband Bund der Krankenkassenverlieren die bisherigen kassenartenspezifischen Bundesverbände ih-ren körperschaftlichen Status. Gemessen am Ziel der nachhaltigen

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Stärkung der staatlichen Steuerungsfähigkeit ist die Strukturreformdaher ein Erfolg (Interview 2; Interview 6; Interview 10; Interview11; Interview 16).

Auf der anderen Seite war das GKV-WSG in Bezug auf die Finan-zierungsreform wenig erfolgreich. Das ursprüngliche Ziel einernachhaltigen Stabilisierung der Beitragssätze wurde durch die Re-form nicht erreicht. Eine Umstellung der Finanzierungsbasis istnicht erfolgt. Das Politikergebnis stellte letztendlich einen Formel-kompromiss zwischen den Konzepten einer Bürgerversicherung undeiner Gesundheitsprämie dar.

Gemessen an der Abweichung vom Status quo sowie an der Diffe-renz von intendierter und realer Reformreichweite war beim GKV-WSG somit die Strukturreform vergleichsweise erfolgreich, die Fi-nanzreform ist weitgehend gescheitert. Die Anwendung des SPRkann dazu beitragen, diesen Befund weiter zu differenzieren und dieauf den ersten Blick widersprüchlichen Ergebnisse zu erklären.

3 Strategiefähige Kernexekutive:Arenen der Gesundheitsreform

Im Zentrum des SPR steht das Konzept der strategiefähigen Kern-exekutive. Die Kernexekutive umfasst nicht nur formale Mitgliederder Regierung, sondern auch andere Akteure mit maßgeblichemEinfluss auf den Politikprozess. Mit dem Konzept wird somit derTatsache Rechnung getragen, dass sich die faktischen Akteurskons-tellationen und Machtverhältnisse in verschiedenen Politikfeldernund Reformprozessen unterscheiden.

Die Identifikation der wichtigsten beteiligten Akteure, die strategi-sche Nutzung verfügbarer Informationen, die Kommunikationsmög-lichkeiten zwischen Entscheidern und Betroffenen und die Vernet-zung eines durchsetzungsfähigen Zentrums stehen daher am An-fang jeder Analyse. Bei der Gesundheitsreform der Großen Koalitionwurden unterschiedliche Teilfragen in verschiedenen Entschei-dungsarenen verhandelt. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Re-formerfolge erfolgt in der Anwendung des SPR eine differenzierteBeurteilung der Arena der Strukturreform einerseits und der Finanz-reform andererseits.

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3.1 Akteurskonstellationen in der Krankenversicherungspolitik

Angesichts der besonderen Situation der Gesundheitsreform wirdzunächst die allgemeine Zusammensetzung der Kernexekutive vor-gestellt. Anschließend werden die beiden wichtigsten Arenen imHinblick auf die jeweiligen Machtverhältnisse und Interessen derzentralen Akteure analysiert.

Langfristige Grundkonstellation

Die Krankenversicherungspolitik wird in besonderer Weise von derExekutive dominiert. Insbesondere das zuständige Fachministeri-um – heute das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) – verfügtüber herausragende eigene Ressourcen. Andere Fachministerienund auch das Bundeskanzleramt können dagegen in der Regel nurbei Einzelfragen ausreichende Expertise aufbringen, um Reformvor-schläge zu formulieren.

Bei der Auseinandersetzung innerhalb der Kernexekutive ist da-her von entscheidender Bedeutung, welche Partei(gruppierung) überdie Ressourcen des BMG verfügt. Das von Ulla Schmidt geleiteteMinisterium hat beim GKV-WSG wesentliche SPD-Positionen ge-prägt. Innerhalb der SPD gelang es allerdings der ParlamentarischenLinken, durch die Formulierung radikaler Forderungen den Ver-handlungsspielraum des BMG gegenüber dem Koalitionspartner zubegrenzen. Die Parteispitze hatte zunächst nur geringen Einfluss.Erst mit dem Wechsel an der SPD-Spitze von Matthias Platzeck zuKurt Beck im April 2006 erhöhte sich der Einfluss der SPD-Partei-spitze. Verstärkt wurde der Einfluss von Beck durch die führendeRolle des Bundeslandes Rheinland-Pfalz bei der Positionierung derA-Länder (SPD-geführte Länder) seit dem Machtverlust in Nord-rhein-Westfalen.

Auf Unionsseite stellten die formale Gegenposition zum BMGund zum SPD-Parteivorsitzenden das Bundeskanzleramt und dieBundeskanzlerin dar. Das Bundeskanzleramt konzentrierte sich aufausgewählte Zielvorgaben, die in die eigentlichen Verhandlungeneingebracht wurden, und auf einige zentrale Punkte, die in den Fach-verhandlungen nicht gelöst werden konnten. Bei der Gesetzesformu-

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lierung übte das Kanzleramt nur einen geringen steuernden Einflussauf die CDU/CSU-Fraktion aus (Interview 16). Das Bundeskanzler-amt verfügt auf der Fachebene nur über eingeschränkte gesundheits-politische Expertise und kann daher die Richtlinienkompetenz ge-genüber dem BMG kaum umsetzen. Die Rolle der Fachabteilungenim Bundeskanzleramt ist zudem unzureichend definiert (Sturm undPehle 2007).

Die Führung der CDU/CSU-Fraktion war bei der Formulierungdes GKV-WSG vergleichsweise stark in die Verhandlungen auf Sach-ebene eingebunden, da hier aufgrund von Erfahrungen mit früherenReformen besonderer Sachverstand verfügbar war. Die Parteispitzeder CSU wiederum hat bis Ende 2006 versucht, wesentlichen Ein-fluss auszuüben (Interview 7). Parteispitze und Exekutive lassen sichim Fall der Regierung des Bundeslandes Bayern nicht voneinandertrennen.

Mit dem Eintritt in die Bundesregierung erweitern sich die Res-sourcen einer Partei um ein Vielfaches. Durch die Übernahme vonMinisterien respektive des Kanzleramts erlangen die Parteien Zu-gang zu einem administrativen Unterbau. In der Konsequenz agiertedie CDU im Reformprozess vor allem über die neu gewonnene insti-tutionelle Basis in der Bundesregierung, das Bundeskanzleramt(BK). Neben Kanzlerin Angela Merkel, die den Prozess intern immerbegleitete, waren auf Seiten des BK Staatsministerin Hildegard Mül-ler und der Chef des Planungsstabes, Matthias Graf Kielmansegg,intensiv beteiligt (Interview 10; Interview 16).

Als Müller wegen der Geburt ihres Kindes ihr Amt ruhen ließ,wirkte Thomas de Maizière ebenfalls sehr konstruktiv an der Reformmit (Interview 5; Interview 16). Vor allem zeichnete sich das Kanzler-amt unter de Maizière durch eine neue Standfestigkeit gegenüber Lob-byinterventionen aus (Interview 10; Interview 11; Knieps 2007: 876).

In Person des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder war dieCDU/CSU-Fraktion intensiv in den Reformprozess eingebunden(Interview 14; Interview 19). Mit der ihm unterstellten Planungsab-teilung besaß Kauder ebenfalls Zugang zu spezifischen Ressourcen.Auf Fachebene wurde die Union vom Fraktionsvorsitzenden Wolf-gang Zöller repräsentiert, dem mit dem ehemaligen Büroleiter vonHorst Seehofer, Manfred Lang, ein erfahrener Fachmann zur Seitestand (Interview 10; Interview 14). Lang gilt bei Vertretern beider

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Verhandlungsparteien als der qualifizierteste Experte auf der Seiteder CDU/CSU (Interview 11). Zudem hatte er bereits für die Unionmit der rot-grünen Regierung über das Gesundheitsmodernisie-rungsgesetz verhandelt (Interview 10; Interview 11).

Zöller fiel durch seine fachliche Expertise und die Unterstützungder CSU in den Eckpunkteverhandlungen die Verhandlungsführungauf Unionsseite zu (Interview 8). Die Fraktionsführung übte in denVerhandlungen einen kontinuierlichen Einfluss aus und dominiertein der Phase der Gesetzesformulierung auf Unionsseite (Interview19). Die CSU-Landesgruppe wurde regelmäßig konsultiert, da diesein der Unionsfraktion faktisch eine Vetoposition besitzt (Interview14). Hingegen war die Fraktionsarbeitsgruppe Gesundheit an derAusarbeitung nur wenig beteiligt (Interview 10; Interview 14; Inter-view 17).

Die B-Länder (unionsgeführte Länder) spielten im Arbeitsprozesseine wichtige Rolle, da mehrere Sozialminister aktiv eingebundenwaren. Vor allem der saarländische Sozialminister Josef Heckenstützte den Verhandlungsführer Zöller (Interview 10; Interview 16).Durch die Anwesenheit von Hecken, der als ehemaliger Staatssekre-tär mit der Denkweise eines Ministeriums vertraut war, erhöhte sichdie Kompromissfähigkeit in den Verhandlungen (Interview 11). Al-lerdings zeigt die Akteurskonstellation, dass die Große Koalition ausdrei Parteien besteht, deren Positionen für einen Kompromiss integ-riert werden müssen (Interview 7). Neben den Akteuren der CDUspielte vor allem die CSU als dritte Regierungspartei eine bedeutendeRolle (Interview 3; Interview 7).

Auf Seiten der SPD ergab sich ein ähnliches Bild wie bei derUnion. Wiederum überwog der exekutive Arm mit dem BMG, dasals federführendes Ressort die SPD-Positionen koordinierte. Trotzüberschneidender Ressortzuständigkeiten hatte das BMG im inter-ministeriellen Aushandlungsprozess die Gestaltungsmacht. Die bei-den neben dem BMG für Gesundheitsreformen zentralen Ressorts –das Bundesministerium der Justiz (BMJ) und das Bundesministeri-um der Finanzen (BMF) – waren SPD-geführt und hielten sich auf-grund geringen Interesses (BMJ) oder fehlender fachlicher Expertise(BMF) weitgehend aus dem Prozess heraus (Interview 1; Interview19). Lediglich bei der Steuerfinanzierung der Gesundheitskosten wardas BMF involviert, wobei Finanzminister Peer Steinbrück die Positi-

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on des BMG unterstützte (Interview 1). Im BMG war vor allem derzuständige Abteilungsleiter Franz Knieps der intellektuelle Kopf we-sentlicher Reformteile (Interview 4; Interview 10; Interview 12; Inter-view 14; Interview 18).

Das BMG besitzt mit dem ausgebauten Führungsstab quasi ein»kleines Kanzleramt« (Interview 8). An der strategischen Planungwaren auf Leitungsebene, neben der Ministerin und Knieps, der Lei-ter der Abteilung »Leitung und Kommunikation«, Ulrich Tilly, undteilweise der Leiter der Unterabteilung Presse und Öffentlichkeitsar-beit, Klaus Vater, intensiv beteiligt (Interview 12; Interview 18). Diebesondere Rolle von Knieps – idealtypisch für »Kompetenz« haupt-verantwortlich, Tilly – idealtypisch für »Durchsetzung« hauptverant-wortlich – und Vater – idealtypisch für »Kommunikation« hauptver-antwortlich – bestätigt, dass auch seitens des BMG die drei strategi-schen Dimensionen des SPR als kritisch für ein erfolgreichesPolitikmanagement angesehen werden.

Während Ministerin Schmidt die Hauptlinie für die SPD in denVerhandlungen vorgab, waren die stellvertretende SPD-Fraktionsvor-sitzende im Bundestag, Elke Ferner, und die gesundheitspolitischeSprecherin der SPD, Carola Reimann, für die Rückbindung in dieFraktion verantwortlich. Elke Ferner kam eine herausgehobene Be-deutung unter den Abgeordneten zu, da sie durch eine Entscheidungder Fraktion legitimiert war (Interview 5). Sie sollte die divergieren-den Strömungen in der SPD, insbesondere die Parlamentarische Lin-ke, integrieren (Interview 7), wenngleich Ferner damals keine Exper-tin für Gesundheitspolitik war (Interview 10; Interview 11).

Der Fraktionsvorsitzende Peter Struck war an den politischenSpitzenrunden immer beteiligt (Interview 10; Interview 11). Insge-samt überwog dennoch der Einfluss des Ministeriums gegenüber derFraktionsführung (Interview 11). Die Abgeordneten der Fraktionsar-beitsgruppen besaßen keinen inhaltlichen Einfluss auf die grund-sätzliche Struktur des Gesetzes (Interview 11).

Die A-Länder wirkten über die Sozialministerin des LandesRheinland-Pfalz, Malu Dreyer, innerhalb der SPD als Vermittler.Dreyer bildete mit Ministerin Schmidt und Ferner ein Verhand-lungstrio. Sie hielt den Kontakt zum rheinland-pfälzischen Minister-präsidenten Beck, koordinierte die A-Länder und war insgesamt einsehr starker Player (Interview 7; Interview 10). Auch nach seinem

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Wechsel an die Parteispitze blieb für Beck der Regierungsapparatder rheinland-pfälzischen Landesregierung eine wichtige Ressource(Interview 7), wodurch die Bedeutung von Dreyer für die Verhand-lungen weiter anstieg.

Mit dem Wechsel an der SPD-Spitze von Platzeck zu Beck tratvor allem der neue Parteivorsitzende in den Vordergrund. Platzeckhatte sich wenig interessiert an der Gesundheitspolitik gezeigt (Inter-view 5; Interview 7; Interview 10; Interview 13) und MinisterinSchmidt alle Freiheiten gelassen (Interview 7). Beck zog dagegen diekonflikthaften Themen um die Überforderungsklausel und den Risi-kostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen stark an sich (In-terview 7; Interview 10; Interview 13).

Indem Beck die Kompromisse mit der Union intern vertrat undKritik aus der Partei gegenüber dem Koalitionspartner kommunizier-te, nahm er auf Seiten der SPD die entscheidende Vermittlerrollegegenüber den Koalitionspartnern ein (Interview 7). Beim Parteivor-stand der SPD existierte eine Begleitgruppe zum GKV-WSG unterstarker Beteiligung der Parlamentarischen Linken. Die Parteizentralewar ähnlich wie bei der CDU nur wenig in den Prozess involviert(Interview 3; Interview 7).

Letztendlich waren die Entscheider (auf der politischen Ebene)für die Parteien auf Unionsseite Kanzleramtsminister de Maizière,Staatsministerin Müller und Kanzlerin Merkel (Interview 3; Inter-view 5), während auf SPD-Seite Ministerin Schmidt, VizekanzlerFranz Müntefering und später der Parteivorsitzende Beck bestim-mend waren (Interview 3; Interview 12).

Konkrete Interessenkonstellation und Verhandlungsebenen

Eine erste Erklärung für die unterschiedlichen Politikergebnisse beider Struktur- und Finanzierungsreform findet sich bei einer Analyseder jeweiligen Interessenkonstellationen. Die Strukturreform wurdeim Wesentlichen auf der Arbeitsebene verhandelt, auf der die Fach-ministerien dominieren. Hier stehen in der Krankenversicherungs-politik üblicherweise dem BMG ein bis zwei führende Landesminis-terien des anderen parteipolitischen Blocks gegenüber, beim GKV-WSG vor allem der Länder Baden-Württemberg und Bayern. Ver-

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Abbildung 1: Kernexekutiven bei der Gesundheitsreform

Quelle: eigene Darstellung

stärkt werden die jeweiligen Verhandlungsgremien durch einzelneExperten aus den Fraktionen oder dem Kanzleramt, seltener aus denParteien.

Die Komplexität der Materie mindert die Bedeutung formaler, in-stitutioneller Macht für das Politikergebnis und überlässt Akteurenmit besonderer fachlicher Kompetenz einen größeren Gestaltungs-spielraum. Entsprechend dominierte hier das BMG. Lediglich in derletzten Phase der Aushandlung haben die Fraktionsführungen anBedeutung gewonnen. Abbildung 1 verdeutlicht diese Konstellation.Die jeweilige Größe der einzelnen Ovale stellt den unterschiedlichenEinfluss der Akteure im konkreten Prozess dar.

Die Finanzierungsproblematik war dagegen eine politisch brisan-te Frage, die von Akteuren aus den Parteispitzen wesentlich stärkergeprägt wurde (Abbildung 1 rechts). Auf der parteipolitischen Spit-zenebene sind institutionelle Restriktionen des bundesrepublikani-

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schen Regierungssystems von hoher Erklärungsrelevanz (Lehm-bruch 1998). Führende Akteure werden nicht nur von ihren individu-ellen Interessen geleitet, sondern folgen oft übergeordneten Logikenwie ideologischen Grundsätzen oder den spezifischen Handlungsra-tionalitäten ihrer Organisation. Zudem bewegen sich die Akteure ineinem spezifischen Institutionensetting, welches bestimmte Hand-lungen restringiert, aber auch Handlungsoptionen bereitstellt(Scharpf 2000).

Die Ausgangslage für beide Arenen war nahezu diametral unter-schiedlich. Dies wird deutlich an den zentralen Zielen der Akteuresichtbar. Vereinfacht lassen sich die Ziele Finanzierbarkeit, Qualität,Solidarität und Wachstum unterscheiden. Einzeln und auch jeweilsin Kombination mit einem anderen Ziel ist jedes dieser Ziele zuverwirklichen. Eine gleichzeitige Verwirklichung der Ziele Wachs-tum, Finanzierung und Solidarität ist jedoch nicht möglich. Ob esKonflikte zwischen dem Ziel der Qualitätssteigerung und den ande-ren Zielen gibt, ist umstritten (Bandelow 2006: 159).

Abbildung 2 verdeutlicht, dass aus diesen Zielkonflikten unter-schiedliche Probleme für die Arenen entstehen. Auf der Fachebenefindet sich eine weitgehende Übereinstimmung der Ziele. SowohlFachpolitiker aus der SPD als auch die arbeitnehmernahen Gesund-heitsexperten aus der Union verfolgen primär das Ziel der Qualitäts-sicherung und als Nebenziel die Gewährleistung einer gleichmäßi-gen Gesundheitsversorgung unabhängig vom Einkommen.

Konflikte entstehen weniger durch die verschiedenen eigenenZiele der beteiligten Akteure als durch Einflüsse der politischen Spit-zenebene. Vor allem auf Unionsseite wird die Orientierung der Fach-ebene nicht von der Parteispitze geteilt. Dennoch ist unmittelbar er-kennbar, dass ein problemlösungsorientierter Diskurs zwischen denFachpolitikern vergleichsweise wahrscheinlich ist.

Auf der parteipolitischen Spitzenebene müssen dagegen Kompro-misse zwischen den drei konkurrierenden Zielen Finanzierung,Wachstum und Solidarität gefunden werden. Obwohl die Spitzenbeider Parteien dem Ziel der Finanzierbarkeit oberste Priorität ein-räumen, ist es schwierig, eine gemeinsame Lösung zu finden. Diesliegt unter anderem an dem politischen Druck durch die Parlamenta-rische Linke auf SPD-Seite und durch Unionspolitiker mit engemKontakt zu Leistungsanbietern (vor allem Kassenärzte, Private Kran-

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Abbildung 2: Policy-Ziele in der Kernexekutive

Quelle: eigene Darstellung

kenversicherung (PKV), und Pharmaindustrie) auf der anderen Seite.Hinzu kommt das Problem des überlagernden Parteienwettbewerbs:Angesichts der Konkurrenz um Wählerstimmen ist eine Problemlö-sungsorientierung auf der politischen Spitzenebene erschwert.

3.2 Innovationskultur fördern: asymmetrische Experteneinbindung

Auf den ersten Blick ist das Gesundheitswesen durch eine ausge-prägte Innovationskultur gekennzeichnet. Die eng verschachteltenVerhandlungsgremien bilden ein positives Umfeld für die systemati-sche Ausschöpfung interner Expertise. Durch die Einberufung vonKommissionen unter Beteiligung von Wissenschaftlern im Vorfeldder Reformen wurden auch externe Experten eingebunden. Zusätz-lich kann die Politik auf ständige wissenschaftliche Beratungsgremi-en zurückgreifen, zu denen unter anderem der Sachverständigenratzur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und derWissenschaftliche Beirat des Bundesversicherungsamtes gehören.

Tatsächlich war die Expertenebene im Aushandlungsprozess beider Finanzierungsfrage jedoch weitgehend von der politischen Ebeneentkoppelt. Die eigentliche Entscheidung für den Gesundheitsfondsund dessen Ausgestaltung wurde als politischer Kompromiss unab-hängig von den weitgehend kritischen Einschätzungen der externenund internen Sachverständigen getroffen. Ein Problem bestand da-rin, dass auf der parteipolitischen Spitzenebene wenig gesundheits-politische Fachkompetenz eingebunden wurde. Insbesondere aufUnionsseite war der zentrale Experte mit Verpflichtungsfähigkeit –Horst Seehofer – nicht an der Aushandlung der Finanzierungsre-form beteiligt.

Auf der anderen Seite erfüllt die Aushandlung der Strukturreform

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weitgehend die Anforderungen des SPR an Innovationskultur. Sowurde etwa bei der Zusammensetzung auf personelle Kompetenzenund Leadership geachtet. Führende BMG-Experten stammen aus derSelbstverwaltung und haben hier Erfahrungen sowohl fachlicher Artals auch in Bezug auf die Strategien der Interessenverbände erworben.

Bei der Information über internationale Trends findet eine syste-matische Einbindung externer Expertise statt. Die intensive wissen-schaftliche Befassung mit gesundheitspolitischen Fragestellungenführt zur Bereitstellung eines umfangreichen Steuerungswissens(Gerlinger 2002: 137). Kenntnisse über internationale Reformvorbil-der werden zudem von mehreren politikberatenden Institutionen zurVerfügung gestellt – insbesondere durch das Europäische Observato-rium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik und durch den»Health Policy Monitor« der Bertelsmann Stiftung – und vom BMGauch nachgefragt (vgl. Schlette, Knieps und Amelung 2005).

Insgesamt ist der Kenntnisstand im BMG als hoch einzuschätzen.Insbesondere der Wissensbestand über Steuerungseffekte im Be-reich finanzieller Steuerungsanreize ist »recht ausgeprägt« (Gerlin-ger 2002: 137). Durch diverse Beratungsgremien existieren stabileKommunikationskanäle zwischen Wissenschaft und Regierung, wo-durch ein kontinuierlicher Informationsfluss gesichert wird.

In der Gesundheitspolitik erweist sich vor allem interne Expertisein Form von Erfahrungswissen als zentrale Ressource. Durch denlang andauernden Wandlungsprozess sind Akteure im Vorteil, diebereits frühzeitig am Prozess beteiligt waren und die die internenDiskussionen verfolgen konnten. Zur Entwicklung des GKV-WSGwurde seitens des BMG ein Rückgriff auf externe Expertise nur sel-ten für nötig befunden, da aus vorhergehenden Reformprozessenund durch die Vernetzung mit den politikfeldspezifischen Akteurenein ausreichender Wissensbestand vorlag (Interview 1; Interview 11;Interview 12).

Die Überlegenheit des BMG gegenüber den anderen kollektivenAkteuren der Kernexekutive basiert vor allem auf der Existenz einesinstitutionellen Gedächtnisses. Durch die gesammelten Erfahrungenaus den Reformprozessen seit Ende der 80er Jahre existiert ein reich-haltiger Wissensbestand, der neben einer umfassenden Kenntnis derPolicy-Instrumente insbesondere ein ausgeprägtes Politics-Wissenüber Entscheidungsprozesse der Selbstverwaltung sowie die Positio-

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nen und Verhaltensweisen der politikfeldspezifischen Verbände um-fasst. Im Gegensatz zum Ministerium hat die Unionsseite zur Ausar-beitung von Kompromissmodellen gezielt Wissenschaftler und Ver-bandsexperten eingebunden (Interview 14). Der übergreifendeKonsultationsprozess mit der Wissenschaft zu Finanzierungsfragenwurde jedoch 2005 beendet (Interview 16). Im Fokus späterer Konsul-tationen stand allein die Bewertung einzelner Kompromissoptionen.

Die Bedeutung externer Expertise wird vom gesundheitspoliti-schen Entscheiderkreis ambivalent bewertet. Externe Expertise dientin dieser Perspektive hauptsächlich dazu, eine Debatte zuzuspitzen,die eigenen Vorschläge zu legitimieren und Informationen einzuho-len (Interview 1; Interview 11). In der Folge wird externe Expertiseals »gesteuert« wahrgenommen (Interview 1; Interview 10; Interview11). Experten haben sich dadurch desavouiert, dass sie offensichtlichVerbandspositionen vertraten (Interview 11) und nicht von außennach innen, sondern von innen nach außen kommunizierten (Inter-view 1). Ein Einfluss von Experten besteht nur, wenn die Informationnicht öffentlich erfolgt und die Verschwiegenheit gewahrt wird (In-terview 1).

Der Ausbau von personellen Kompetenzen und Leadership er-folgte lediglich auf Seiten der Sozialdemokraten. Ministerin Schmidtwar hier die Person mit der größten fachlichen und politischen Kom-petenz (Interview 12), weshalb ihre Führungsrolle allgemein akzep-tiert wurde (Interview 11; Interview 12; Interview 15). Auf Seiten derUnion bestand zwar fachliche Kompetenz auf Mitarbeiterebene. DieFührungsrolle wechselte jedoch in Abhängigkeit von Entscheidungs-phase und Gegenstand, sodass keine fachlich und politisch unum-strittene Verhandlungsführung bestand.

3.3 Kommunikationskapazitäten stärken:historische und taktische Hindernisse

Im Gegensatz zur fachlichen Kompetenz und zur prozessualenDurchsetzung lassen sich bei der Kommunikation des GKV-WSG diebeiden zentralen Ebenen nur schwer trennen. Ohne kommunikativeGeschlossenheit zentraler Akteure fehlt es der Kernexekutive an aus-reichenden Kommunikationskapazitäten. Voraussetzung hierfür ist

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eine homogene Akteurskonstellation mit gleichlautenden Interessen(Interview 13). Dem Politikfeld Gesundheit mangelt es bereits andiesen fundamentalen Voraussetzungen.

Eine zersplitterte Akteurslandschaft mit starken, mobilisierungs-fähigen Verbänden trifft auf massive Verteilungskonflikte zwischenund innerhalb der Akteursgruppen. Bundesländer und die Verbändevon Kapital und Arbeit sind intensiv eingebunden, jedoch durchstark divergierende Interessen getrennt. Die direkte Betroffenheit al-ler Wähler führt zu hoher öffentlicher Aufmerksamkeit und zu ei-nem besonderen Skandalisierungspotenzial. Gleichzeitig fehlt es je-doch an systematischen Rückkoppelungen der Bürgerperspektive andie Entscheidungsebene. Somit sind die Bedingungen für eine ziel-genaue und konsistente Reformkommunikation denkbar ungünstig.

Eine Abstimmung der Kommunikation im Sinne einer Zentra-lisierung und Steuerung ist schon deshalb nur sehr eingeschränktrealisierbar, weil die individuellen Akteure untereinander im Wettbe-werb stehen und die Kommunikation für ihre individuelle Positionie-rung nutzen (Interview 12; Interview 13; Interview 16). Partei undFraktion haben nur eingeschränkte Sanktionsmöglichkeiten (Inter-view 13; Interview 16; Interview 17). Generell gilt: Kommunikationfindet immer unter den Wettbewerbsbedingungen des politischenSystems statt, wodurch selbst eine abgestimmte Kommunikationzwischen Fraktion, Parteizentrale und Ministerium einer Partei starkverkompliziert wird (Interview 13).

Erschwerend wirken Veränderungen im journalistischen Umfeld.In der Vergangenheit existierte im Politikfeld Gesundheit ein innererKreis von Journalisten mit exklusivem Informationszugang, dessenAufbau auch Strategie des BMG war (Interview 11). Der Journalisten-kreis hat sich ausdifferenziert. Unter dem Eindruck größerer Kon-kurrenz fokussieren die Journalisten nach Einschätzung der Ent-scheidungsträger nur wenige Punkte, beschäftigen sich nicht mehrintensiv mit der komplexen Thematik und lancieren falsche Informa-tionen (Interview 10; Interview 11; Interview 12).

In der Folge werden politische Entscheidungen als handwerklicheFehler dargestellt und auf diese Weise wird ein falsches Bild vonGesetzen in der Öffentlichkeit gezeichnet (Interview 11). Die Pressegreift nur Konflikte auf, konsensuale Punkte nimmt sie dagegenkaum wahr (Interview 1; Interview 12; Interview 16). Viele Vorschlä-

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ge sind zudem »politisch unsexy« und werden daher trotz ihrer Be-deutung nicht kommuniziert (Interview 12).

Für die Wahrnehmung der Gesundheitsreform in der politischenÖffentlichkeit war die verfehlte Kommunikation der Koalition vonentscheidender Bedeutung. Regierung, Fraktionen und Parteien folg-ten unterschiedlichen Interessen, was institutionelle Anpassungen –wie etwa eine übergreifende Institutionalisierung der Reformkom-munikation – erschwerte. Eine starke, verpflichtungsfähige Verhand-lungsführung könnte die einzelnen individuellen Akteure mittelfris-tig auf eine Kommunikationsstrategie verpflichten, die öffentlichenStellungnahmen der Akteure koordinieren und Fehlverhalten sank-tionieren. Beim GKV-WSG war der Kreis der beteiligten Akteurehierfür zu groß, die Verpflichtungsfähigkeit der Führungspersonenauf Unionsseite zu gering und der politische Wettbewerb zwischenden Koalitionsparteien zu ausgeprägt.

Bei der aktuellen Gesundheitsreform war die Kommunikation fürdie Regierung nur zweitrangig, im Fokus stand die Kompromissfin-dung in der Koalition (Interview 18). Es erfolgte keine Abstimmungder Kommunikation mit den Verhandlungspartnern, eine über dieTagesaktualität hinausgehende Öffentlichkeitsarbeit der Regierungwurde erst nach dem Kabinettsbeschluss etabliert.

Die kommunikativen Probleme der fehlenden Strategie bei derFinanzreform zeigten sich bereits in der Arbeitsgruppenphase. Überdie starke öffentliche Begleitung der Arbeitsgruppe wurde ein hoherDruck auf die handelnden Akteure aufgebaut, sich parteitaktisch undopportunistisch zu verhalten (Interview 3). Ab Mai 2006 waren dieVerhandlungen in der Arbeitsgruppe durch einen heftigen und an-dauernden Streit gekennzeichnet (Interview 10). Es kam zu einerstarken Polarisierung in der Arbeitsgruppe. Vermeintliche Zwi-schenstände wurden durch Einzelakteure nach außen getragen. DieMedien griffen angesichts fehlender tatsächlicher Verhandlungser-gebnisse jede Stellungnahme auf (Knieps 2007: 876f.).

Die Verhandlungspartner drifteten in der Kommunikation ausei-nander, wobei insbesondere die Vertreter parteiinterner Extremposi-tionen die Verhandlungen gezielt zur eigenen Profilierung nutzten(Interview 5; Interview 11; Interview 12) und so einen stark negativenEinfluss auf die öffentliche Reformwahrnehmung ausübten (Inter-view 11). Es fügt sich ins allgemeine Bild, dass die öffentliche Lancie-

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rung des Gesundheitsfonds durch Volker Kauder im April 2006ebenso wenig abgesprochen war (Interview 11; Interview 15).

Bei der Beurteilung der mangelhaften Kommunikationskapazitä-ten ist die Reformgeschichte der Vorgängerreformen zu beachten.Für die beteiligten Akteure aus der Kernexekutive war die Erfahrungprägend, dass ein kommunikativer Erfolg nicht möglich ist (Interview1; Interview 11). So wurden bei anderen Reformen unterschiedlicheKommunikationsstrategien verfolgt, die jedoch nie zu einer positivenResonanz geführt haben. Die Stärkung der Kommunikationskapazi-täten wurde nicht angestrebt.

3.4 Strategisches Machtzentrum etablieren:bipolare Zentrenbildung

Für die Durchsetzung politischer Reformen ist ein strategischesMachtzentrum von großer Bedeutung. Auch diese Forderung ist inden beiden Arenen in unterschiedlichem Maß erfüllt. Auf der partei-politischen Spitzenebene konnte kein stabiles Machtzentrum etab-liert werden. Das Bundeskanzleramt besaß aufgrund unterschiedli-cher parteipolitischer Prägungen keinen direkten Einfluss auf dieHandlung des Gesundheitsministeriums (Interview 8; Interview 11).

Die Existenz zweier gleich starker Parteien bedingt eine Splittungdes strategischen Machtzentrums (Interview 14). Mit den Führungs-stäben von Bundeskanzleramt und BMG existierten durchweg zweistrategische Machtzentren, die aufgrund kongruenter Interessen si-tuativ miteinander kooperierten. Wiederum wird die hohe Bedeu-tung der Ressource Vertrauen für politische Prozesse offensichtlich,deren Vorhandensein zwischen Kanzlerin Merkel und MinisterinSchmidt eine Kooperation zwischen den Zentren trotz unterschiedli-cher parteipolitischer Färbungen ermöglichte. Ein Konfliktfrühwarn-system konnte daher zwar in speziellen Situationen funktionieren,war jedoch nicht systematisch institutionalisiert.

Die interne Abstimmung war auf der parteipolitischen Spitzen-ebene vor allem in der Union schwierig, da es in verschiedenen Pha-sen unterschiedliche Einflüsse von Ministerpräsidenten gab (Inter-view 7; Interview 8; Interview 10; Interview 11; Interview 12; Inter-view 15). Das Fehlen eines Konfliktfrühwarnsystems wird unter

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anderem daran deutlich, dass der Bundesrat trotz vorheriger Einbin-dung der Länder in die Formulierung des Gesetzentwurfes insge-samt 104 Änderungsanträge gegenüber dem ausgehandelten Kom-promiss eingebracht hat (Bundesrat 2006).

Auf der Fachebene bestand ein spezielles Problem auf der Uni-onsseite, da mit dem Politikfeldwechsel von Horst Seehofer kein in-tern dominanter Verhandlungsführer mit ausgewiesenen Fachkennt-nissen beteiligt war. Wolfgang Zöller war im Vergleich zu Seehofernicht ausreichend anerkannt und fachlich wie rhetorisch geschult,um sich in Partei und Fraktion gegen Widerstände durchsetzen zukönnen (Interview 5; Interview 10). Es ist ihm daher nicht immergelungen, für Verhandlungsergebnisse mit der SPD auch interneUnterstützung zu sichern (Interview 7; Interview 10; Interview 19).

Während die Verhandlungsgruppe der Union schlecht koordi-niert war, zeichnete sich die SPD-Seite durch eine gute Rollenvertei-lung und eine ressortübergreifende Vernetzung aus (Interview 10).Im Vorfeld der Führungsgremientreffen sicherte die Bundesgesund-heitsministerin ihre Position immer in Vier-Augen-Gesprächen mitdem Parteivorsitzenden ab (Interview 7; Interview 11). Vor jeder Ver-handlungsrunde wurden SPD-intern Vorgespräche mit Vertreternvon Ministerium, Parteilinken und Bundesländern geführt (Inter-view 5). Die Fraktion spielte dabei zumindest immer eine formaleRolle. Bei jedem neuen Schritt wurden zudem Konsultationen mitder Fraktionsarbeitsgruppe durchgeführt. Schmidt besaß einen gro-ßen Verhandlungsspielraum und sah sich auf Unionsseite keinerPerson gegenüber, die ein verlässliches Gegenangebot unterbreitenkonnte (Interview 10; Interview 12; Interview 19).

3.5 Erfolgskontrolle in der Kernexekutive:Politics- statt Policy-Orientierung

Die Voraussetzungen für die Sicherung der Erfolgskontrolle waren inder Gesundheitspolitik weitgehend ungünstig. Die Anwendung vonEvaluationstechniken steht vor dem Problem konkurrierender Zielemit unterschiedlichen Parametern. Diese Ziele sind auch nicht im-mer quantifizierbar. So ist etwa die Operationalisierung der Qualitäteines Gesundheitswesens umstritten. Ein weiteres Problem besteht

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in der Verantwortung von Gremien der Selbstverwaltung für die Um-setzung von Teilen der Reform. Eine prozessbegleitende Bewertungmit der Sicherstellung von Lernprozessen scheitert unter anderem anwechselnden Akteuren in unterschiedlichen Politikphasen.

Bisher verfügt das BMG noch nicht über eine Tradition prozess-begleitender Evaluation (Interview 1). Die speziellen Akteurskonstel-lationen, Umsetzungsprobleme und Politikauswirkungen werdennicht systematisch zu den Entscheidern bei der Politikformulierungrückgekoppelt.

Auch die Analyse der öffentlichen Resonanz erfolgt bisher nichtsystematisch. Vor allem die Pflege des Dialogs mit den Stakeholdern,also den Leistungsanbietern und den Finanzierungsträgern, wird alsschwierig angesehen. Was den Einfluss der Verbände angeht, hat dasBMG eine gezielte Strategie der Abschottung etabliert. Bei früherenReformen hatten insbesondere die Verbände der Krankenkassennoch Gesetzesteile vorformuliert (Interview 11), seit dem Gesund-heitsmodernisierungsgesetz hat das BMG die Verbände aus demProzess herausgehalten.

Seitens der Verbände wurden daraufhin gezielt – wie auch schonunter der rot-grünen Regierung – das Kanzleramt und die Fraktions-führungen adressiert. Allerdings fehlte im BK ein Akteur mit direk-ten Verbandsbeziehungen. Kanzleramtsminister de Maizière hat dieInterventionen der Verbandsfunktionäre gezielt abgewiesen (Inter-view 11). Bei beiden Koalitionsparteien hat sich über die diversenReformen seit dem Gesundheitsstrukturgesetz der Eindruck verfes-tigt, dass die Verbände allein destruktiv agieren und Reformen unge-achtet der tatsächlichen Inhalte fundamental ablehnen. Verbands-kontakte haben deshalb massiv an Bedeutung verloren. Die Fachpoli-tiker lassen sich verstärkt durch ihre ideellen Ziele und wenigerdurch intensive Verbandskontakte leiten.

Möglichkeiten zum flexiblen Nachsteuern, also etwa zur nachträg-lichen Modifikation von Beschlüssen, wurden gezielt ausgeschlos-sen. Sowohl bei der Einführung des Gesundheitsfonds als auch beider Strukturreform bemühten sich die Entscheider um möglichstgeringe Umsetzungsspielräume. Damit reagierte man auf die voran-gegangenen Erfahrungen eines unerwünschten Einflusses von Rege-lungsadressaten in der Politikumsetzungsphase. Die Erfolgskontrollekonzentrierte sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen in der Ge-

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sundheitspolitik auf Politics-Fragen, während Policy-Aspekte be-wusst ausgeblendet wurden.

In Bezug auf die Durchsetzung von Reformen wurde systema-tisch politisches Lernen auf der Fachebene praktiziert. Dies betrifftvor allem die personelle Zusammensetzung des Entscheidungsnet-zes. Die Erfahrungen der Vorgängerreformen wurden genutzt, in-dem ein möglichst kleiner Kreis von Fachpolitikern mit der Aus-handlung der Strukturreform befasst wurde. Ziel war es unter ande-rem, den Einfluss von Stakeholdern über Verbindungen einzelnerPolitiker zu reduzieren. Außerdem hat die Erfahrung gezeigt, dasswenige Experten besser in der Lage sind, gemeinsame Sichtweisenfür problemadäquate Lösungen zu erarbeiten. Selbst während derAushandlung des GKV-WSG wurde der Kreis der Beteiligten syste-matisch reduziert (Interview 2).

Lernen sollte somit vor allem in Bezug auf politische Strategiengesehen werden (»einfaches Lernen«, Bandelow 2003b). KomplexeLernprozesse sind dagegen in der Kernexekutive bisher nicht ge-wünscht. Insgesamt erfüllte die Kernexekutive nur in der Arena derStrukturreform einen wesentlichen Teil der Kriterien des SPR. Bei derFinanzierungsreform dominierte dagegen die politische Logik, sodassdie Voraussetzungen für eine systematische Berücksichtigung vonKompetenz und Kommunikation nicht gegeben waren (Tabelle 1).

Tabelle 1: Kernexekutive, Analysedimensionen

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4 Agenda-Setting: verschiedene Lösungen für bereitsbekannte Probleme

Die Aushandlung des GKV-WSG begann schon vor der Bundestags-wahl im September 2005. Angesichts des beschriebenen iterativenReformzyklus und der mehrdimensionalen Reformproblematik vonFinanzierungs- und Strukturfragen ließe sich die eigentliche Prob-lemdefinition sogar bis Mitte der 70er Jahre (für die Finanzierungs-frage) bzw. Ende der 80er Jahre (für die Strukturreform) zurückdatie-ren. Die folgende Analyse beschränkt sich auf die Vorbereitung dertatsächlichen Reforminhalte. Wie die späteren Reformphasen zeich-net sich auch das Agenda-Setting durch parallele Verhandlungen inverschiedenen Arenen aus (Abbildung 3).

Auffällig ist, dass beim Agenda-Setting die Strukturreform zu-nächst keine Rolle spielte. Beginn dieser Phase war Ende November2002 mit der Einberufung der »Kommission für die Nachhaltigkeitin der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme« (Rürup-Kom-mission). In der Rürup-Kommission wurden die Modelle zur Reformder Gesundheitsfinanzierung thematisiert, die den gesamten Re-formdiskurs prägen sollten.

Analog zum nachfolgenden Prozess erfolgte in der Kommissioneine Lagerbildung zwischen den Vertretern des wissenschaftlichenMainstreams und der Arbeitgeberseite (pro Prämienmodell) sowieden Vertretern der Gewerkschaften und der linken SPD-Linie (proBürgerversicherung). Ein Vorstoß zur Formulierung eines Kompro-missmodells wurde kommissionsintern verworfen. Parallel hat dieHerzog-Kommission der CDU ein eigenes Prämienmodell entwi-ckelt, die »Kopfpauschale« (CDU 2003b).

Während die oft gleichlautenden Kommissionsberichte im Poli-tikfeld Rente schließlich eine weitreichende Rentenreform ermög-lichten, wies der Dissens in der Gesundheitspolitik bereits auf diepolitische Brisanz in diesem Politikfeld hin. Im Jahr 2004 reagiertedie SPD auf das CDU-Modell der »Kopfpauschale« mit einer eigenenKommission beim Parteivorstand unter Leitung von Andrea Nahles,die das SPD-Konzept der Bürgerversicherung politisch ausformulier-te (SPD 2004).

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4.1 Zukunftsthemen aufgreifen: zwei Problemdefinitionen –zwei Reformkonzepte

Das GKV-WSG greift mit der Frage der zukünftigen Finanzierbarkeitdes beitragsfinanzierten Gesundheitssystems angesichts wirtschaftli-cher, gesellschaftlicher und technischer Veränderungen (Erosion desNormalarbeitsverhältnisses, demographischer Wandel, medizinisch-technischer Fortschritt) ein Thema auf, das bereits vor dem eigentli-chen Agenda-Setting zu den zentralen Gegenständen der öffentli-chen Debatte gehörte. Auch die Problematik der strukturellen Wei-terentwicklung des gesundheitspolitischen Mesokorporatismus wur-de nicht erst durch das GKV-WSG thematisiert. Der Reformbedarfkann also in beiden Bereichen als seit längerer Zeit bekannt gelten.

Obwohl die Problemlage als solche allgemein anerkannt war, un-terscheiden sich die Problemumfeldanalysen und damit auch dieProblemdefinitionen besonders im Hinblick auf die Ursachen derFinanzierungsprobleme der GKV. Vor allem auf der parteipoliti-schen Spitzenebene der Union herrscht die Problemsicht vor, dasssteigende Gesundheitskosten die Folge externer Entwicklungen sind.Demographischer Wandel und medizinisch-technischer Fortschrittführen demnach zwingend zu Finanzierungsproblemen im Gesund-heitswesen. Massive Interventionen wären folglich zur Kostensen-kung unumgänglich.

Auf der anderen Seite werden in der SPD und beim Arbeitneh-merflügel der Union ineffiziente Strukturen in der GKV stärker fürdie Beitragssatzsteigerungen verantwortlich gemacht. Während alsoaus der ersten Perspektive ein kollektiv finanziertes gesundheitlichesVersorgungsniveau auf dem bisherigen Stand in Zukunft nicht mehrmöglich sein wird, können aus der zweiten Sicht Strukturreformeneine nachhaltige kollektive Finanzierung umfassender Gesundheits-leistungen gewährleisten. Die Problemdefinitionen wirkten sich alsostark auf die Vorstellungen über die jeweilige Reformrichtung aus.

Gesundheitspolitischer Reformbedarf wurde von den Akteuren inAbhängigkeit von den jeweils zentralen Zielen wahrgenommen.Beim Agenda-Setting zum GKV-WSG spielte – wie bei allen Refor-men seit Mitte der 70er Jahre – vor allem das Problem der Finanzier-barkeit eine zentrale Rolle. Die Reform sollte eine nachhaltige Lö-sung des Finanzierungsproblems bewirken, ohne dabei andere zen-

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trale Ziele der Union (Wachstum) oder der SPD (Gerechtigkeit) zuverletzen. Vor allem Fachpolitiker gewichteten zudem das Ziel derQualitätssicherung hoch.

Die Reformkonzepte waren trotz der anfänglichen Beteiligung ex-ternen Sachverstands keineswegs fachlich und finanziell abgesichert.So konnte das Modell der Bürgerversicherung unter anderem verfas-sungsrechtliche Probleme beim Umgang mit dem bestehendenPKV-System nicht klären. Das Modell der Gesundheitsprämie wie-derum stand im Widerspruch zum Steuermodell der Union und warim Hinblick auf die Ergänzung durch eine steuerliche Umverteilungfinanziell umstritten.

4.2 Reformbereitschaft fördern: Fokus auf Finanzierung

In der politischen Öffentlichkeit bestand in Bezug auf die Gesund-heitspolitik nicht nur ein ausgeprägtes Problembewusstsein, sondernauch eine hohe Erwartungshaltung hinsichtlich der Gestaltungsfä-higkeit der Großen Koalition. Diese ließ gemeinsam mit der Festle-gung im Koalitionsvertrag die faktische Möglichkeit eines Themen-wechsels sehr gering erscheinen (Interview 13; Interview 15). Einesachliche Trennung der Leistungs- von der Finanzierungsseite warunmöglich (Interview 16). Die Planungsakteure haben auf Unions-seite frühzeitig vorgeschlagen, aus der Finanzierungsfrage auszustei-gen, und die Fachpolitiker haben immer wieder die Gemeinsamkei-ten in anderen Feldern betont, aber die politischen Spitzen hattenden Anspruch des »großen Wurfes«, der mit der Finanzierungsfrageverknüpft war (Interview 14).

Eine Kommunikation aller Leitideen war beim GKV-WSG nurschwer möglich. Denn mediale Aufmerksamkeit konnte nur für dasFinanzierungsthema erreicht werden. In der Gesundheitspolitik er-weist sich dieser Punkt jedoch als von nachrangiger Bedeutung.Problematisch war auch, dass die Kommunikation durch die Modell-debatte geprägt war. Die Darstellung der beiden vorgeschlagenen Fi-nanzierungsmodelle als unvereinbare Gegensätze erschwerte einepositive Kommunikation möglicher Kompromisse zusätzlich.

Im Konflikt zwischen den Modellen der Bürgerversicherung undder Gesundheitsprämie verpasste es zudem die Union, ihr Modell an

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den herrschenden Diskurs anzupassen. In der Bevölkerung gibt eseine stabile Unterstützung für die Beibehaltung der Umverteilungs-funktion des Gesundheitswesens (vgl. Bertelsmann Stiftung 2004).

Es bleibt auch fraglich, warum das zentrale und weitgehend kon-sensuale Qualitätsziel der Reform nicht als Deutungsmuster etabliertwurde. Im Gegensatz zur Problematik der Solidarität besteht hiernicht nur Übereinstimmung zwischen den großen Parteien, sondernauch eine umfassende Mobilisierungsmöglichkeit der Bevölkerung,wie etwa das Beispiel der jüngsten britischen Gesundheitsreformenzeigt (Bandelow 2007b, 2007c). Eine positive Reformkommunikationüber das Qualitätsziel wäre grundsätzlich denkbar gewesen, aller-dings hätte es für ein Umschwenken in der Kommunikation einermedialen Thematisierung und Skandalisierung von Qualitätsmän-geln im Gesundheitssystem bedurft (Interview 13).

4.3 Erfolgsaussichten kalkulieren: Priorität für Profilierung

Auf der parteipolitischen Spitzenebene fehlte eine gezielte Kalkulati-on der Erfolgsaussichten. Der Reformprozess folgte keinem systema-tischen Plan der Kernexekutive, sondern war weitgehend das Ergeb-nis paralleler, unkalkulierbarer Politikprozesse, die jeweils vonMachtfragen und dem Wunsch, die eigenen politischen Profilie-rungschancen zu nutzen, dominiert waren. Daraus resultierten Fehl-einschätzungen der tatsächlichen Chancen zur Durchsetzung des je-weils präferierten Finanzierungsmodells:

Auf Seiten der CDU nutzte Angela Merkel bereits 2003 den par-teiinternen Streit um das Prämienmodell zu einem Richtungsent-scheid. Auf dem Leipziger Parteitag setzte sich Merkel gegen dieunionsinternen Kritiker durch und nutzte den Konflikt zur Siche-rung ihrer internen Führungsposition (CDU 2003a). Merkel hat sichhierdurch ohne systematische Kalkulation der Erfolgsaussichten andas Konzept der Kopfpauschale gebunden (Interview 10, Interview14), während die Union mit dem Prämienkritiker Seehofer ihrenführenden Fachmann in der Gesundheitspolitik verlor.

Auch in der SPD dominierten Machtkonflikte die Entscheidungs-findung für ein Finanzierungsmodell. Im Wahljahr befand sich dierot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder in einem Zustim-

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mungstief. Eine Chance auf den Wahlsieg bestand nur, wenn es derSPD gelang, durch den Reformkurs der Agenda 2010 enttäuschteStammwähler zurückzugewinnen (Interview 13). Hierzu bedurfte eseines Projektes, das gezielt sozialdemokratische Werte adressierteund die Kernklientel der Sozialdemokraten aktivierte (Interview 7;Interview 13).

Die Bürgerversicherung erwies sich als Projekt mit hohem Sym-bolwert und Anker für die Identität der SPD (Interview 7). Mit derAnknüpfung an den positiv besetzten Bürger-Begriff und der Adres-sierung der Solidaritätsfrage besaß das Bürgerversicherungskonzeptein hohes Mobilisierungspotenzial (Interview 7; Interview 13). Aller-dings war die Durchsetzung eines SPD-Modells gegen den Wider-stand der Union durch die Stimmenverteilung im Bundesrat nochweniger aussichtsreich als ein Erfolg des Prämienmodells.

Das Ergebnis der Bundestagswahl 2005 gab objektiv keinen An-lass, von einem baldigen Gelegenheitsfenster für eine Finanzreformauszugehen. Durch das unerwartet schlechte Wahlergebnis der Uni-on wurden die parteiinternen Rivalen von Angela Merkel wieder ge-stärkt und die interne Durchsetzungsfähigkeit der Kanzlerin ge-schwächt (Interview 10). Auch der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiberverlor an Durchsetzungsfähigkeit, da er entgegen vorhergehenderAnkündigungen nicht in das Kabinett einzog. Die Ausgangskonstel-lation der Großen Koalition war somit durch die Schwäche führenderUnionsakteure gekennzeichnet. Der Koalitionspartner SPD sah sichwiederum dem politischen Druck durch die Linkspartei ausgesetzt(Interview 5; Interview 12; Interview 13).

Beide Volksparteien waren von der Großen Koalition überraschtund in ihren Planungen von einer anderen Konstellation ausgegan-gen (Interview 1; Interview 5), was sich im hart geführten Wahl-kampf widerspiegelte. In den Koalitionsverhandlungen wirkte derstarke Parteienwettbewerb nach (Interview 1; Interview 2). Die Debat-te um Bürgerversicherung und Kopfpauschale überlagerte die Koali-tionsverhandlungen in der Gesundheitspolitik (Interview 2; Inter-view 7; Interview 15; Interview 17; Interview 19). Zusätzlich konnteninhaltliche Differenzen in der Gesundheitspolitik zwischen den Par-teien zur parteipolitischen Profilierung in der Koalition genutzt wer-den (Interview 3; Interview 13).

Zwischen den handelnden Personen herrschte ein starkes Miss-

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trauen vor, das sich erst mit der Zeit abbaute (Interview 10; Interview12). CDU und CSU fürchteten von den Experten des BMG dominiertzu werden. Teilweise wurde daher versucht, Mitarbeiter des BMGvon der Teilnahme an den Verhandlungen auszuschließen, da diesenein eigenes politisches Mandat fehle (Interview 5; Interview 14).

Zunächst wurden die Themen in Arbeitsgruppen auf der Fach-ebene vorverhandelt und anschließend in Vier-plus-Zwei-Gesprä-chen fixiert (Interview 10). Im Themenfeld Gesundheit war auf derSeite der SPD Ministerin Schmidt die Verhandlungsführerin. Aufder Unionsseite hielt Seehofer nochmals das Heft fest in der Hand(Interview 10; Interview 11). Der spätere Verhandlungsführer Zöllerwar zwar ebenfalls anwesend, trat jedoch hinter Seehofer zurück (In-terview 10; Interview 11).

Bei den Verhandlungen beschränkten die Nachwirkungen der Fi-nanzierungsdiskussion die Verhandlungskorridore (Interview 12).Durch die starke Ideologisierung konnte der Finanzierungsstreitnicht konsensual gelöst werden (Interview 1; Interview 11; Interview19). Das Thema erwies sich als zu komplex und der gegebene Zeit-rahmen als zu begrenzt für eine Kompromissfindung in den Koaliti-onsverhandlungen (Interview 3; Interview 8; Interview 17).

Im Hinblick auf die Finanzierungsfrage wurde im Koalitionsver-trag nochmals die Unvereinbarkeit der Modelle hervorgehoben, je-doch eine Lösung bis Mitte 2006 angekündigt (CDU, CSU und SPD2005: 102). Für die kommenden Verhandlungen kristallisierte sichein Veto der Union gegen die Bürgerversicherung heraus, währendfür die SPD die Gesundheitsprämie nicht verhandelbar war (Inter-view 3; Interview 8; Interview 13; Interview 15). Essenzielle Bestand-teile der Prämie widersprechen den Gerechtigkeitsvorstellungen derSPD (Interview 8; Interview 12; Interview 15; siehe auch SPD 2004;SPD 2005), zudem wurde die Bürgerversicherung symbolisch über-höht (Interview 13). Der politische Verlust, der bei einer Zustim-mung zum Modell der Gegenseite drohte, war für eine Verhand-lungslösung zu groß (Interview 5; Interview 15).

Die Chancen für eine Lösung in der Finanzierungsfrage wurdenin den Koalitionsverhandlungen sogar noch weiter verschlechtert.Trotz der Ablehnung durch die Gesundheitsexperten wurde in denKoalitionsvertrag eine Streichung des Steuerzuschusses an die ge-setzliche Krankenversicherung in Höhe von 4,2 Milliarden Euro

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(2006) aufgenommen (Interview 2; Interview 10; Interview 11; Inter-view 12).

Erschwerend kam hinzu, dass die vereinbarte Anhebung derMehrwertsteuer zusätzliche Kosten für die Krankenkassen in Höhevon ca. 900 Millionen Euro erwarten ließ. Hierdurch wurde die Re-form jedoch frühzeitig stark belastet und der Verhandlungskorridorweiter eingeengt (Interview 14; Interview 17). In der Entscheidungmanifestiert sich, dass die Finanzierungsmodelle nur nach politi-schen Gesichtspunkten konzipiert, jedoch nicht in ihren Konsequen-zen durchdekliniert und fachlich ausformuliert waren (Interview 1;Interview 11; Interview 19; siehe auch Hartmann 2006: 70; Knieps2007: 871–873).

Während für die Finanzreform das Gelegenheitsfenster geschlos-sen blieb, öffnete sich ein (von den Akteuren zuvor nicht antizipier-tes) Fenster für die Strukturreform. In Anbetracht der fehlendenKompromissoption in der Modellfrage wurde der Fokus im Koaliti-onsvertrag bewusst auf wettbewerbsfördernde Reformelemente ge-lenkt (Interview 1). Hier konnten vordergründig bestehende Gemein-samkeiten genutzt werden, um eine grundlegende Reformlinie zufixieren.

Zwischen Union und SPD bestanden fünf bis sechs konsensualePunkte hinsichtlich Wettbewerb, Qualität und Effizienz (Interview 3).Eine Strukturreform konnte zeitnah formuliert werden, da diese beimGMG schon ausverhandelt, damals jedoch an der Blockade von CDUund CSU gescheitert war (Interview 11; Interview 15; siehe auch See-hofer, Storm und Widmann-Mauz 2003; Knieps 2007). Grundsätzlichgab es mit der Maxime des Wettbewerbs einen Konsens über dieEckpfeiler der Reform (Interview 2; Interview 3; Interview 8; CDU,CSU und SPD 2005: 102), obwohl die Wettbewerbskonzepte der Par-teien nicht klar umrissen sind (Interview 6; Interview 10).

Die Ausweitung marktförmiger Steuerung stellt seit Längeremauch im Gesundheitswesen eine übergreifende Politiküberzeugungdar, wobei sich der Wettbewerb in einer Ausweitung selektiver Ver-tragsmodelle und einer Auflösung der monopolistischen Strukturenkonkretisiert (Gerlinger 2002: 140ff.). Dennoch differieren die Wett-bewerbskonzepte der Parteien jenseits des Konsenses auf der Meta-ebene in ihrer spezifischen Ausgestaltung stark (Interview 6; Inter-view 9; Interview 10).

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4.4 Erfolgskontrolle beim Agenda-Setting:fehlende Kontrollmechanismen

Das Agenda-Setting folgte keiner politischen Strategie, sondern wardas Ergebnis teilweise paralleler Politikprozesse, in deren Mittel-punkt Machtfragen standen. Daher wurden keine inhaltlichen Kon-trollmechanismen angestrebt und umgesetzt. Ein Stakeholder-Dialogwurde nur gepflegt, wenn dieser als Ressource in den politischenAuseinandersetzungen dienen konnte. Die frühzeitige Festlegungund Kommunikation einer Unvereinbarkeit der Finanzierungsmo-delle versperrten Möglichkeiten des flexiblen Nachsteuerns. Insge-samt verfehlt das Agenda-Setting fast alle Kriterien des SPR für er-folgreiche Reformpolitik (Tabelle 2).

5 Politikformulierung und Entscheidung:überraschende Ergebnisse

Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde am 2. Februar 2007im Bundestag und am 16. Februar 2007 durch den Bundesrat verab-schiedet. Im Bundestag stimmten neben der Opposition auch 23 Ab-geordnete der Union und 20 Mitglieder der SPD-Fraktion gegen dasGesetz. Im Bundesrat enthielten sich Länderregierungen mit Beteili-gung von Oppositionsparteien (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,Baden-Württemberg und Berlin) sowie die CDU-SPD-Regierung in

Tabelle 2: Agenda-Setting, Analysedimensionen

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Sachsen der Stimme. Das Gesetz ist in Teilen zum 1. April 2007 inKraft getreten. Eine wichtige Ausnahme stellt dabei die Finanzie-rungsreform dar, da der Gesundheitsfonds erst zum 1. Januar 2009umgesetzt werden soll.

Mit der Finanzierungsreform und den Maßnahmen zur Struktur-reform enthält das Gesetz zwei wesentliche Blöcke. Die Finanzie-rungsreform sieht die Etablierung einer virtuellen Geldsammelstelle(Gesundheitsfonds) vor (Abbildung 4). Die Einnahmen der einzelnenKassen sollen zentral verwaltet werden. Für die Ermittlung der pro-zentualen Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind nichtmehr die einzelnen Kassen zuständig. Die Festlegung erfolgt viel-mehr einheitlich durch eine nicht zustimmungspflichtige Rechtsver-ordnung der Bundesregierung.

Die unterschiedliche Finanzsituation der Kassen wird nicht mehrüber den Beitragssatz, sondern über eine Zusatzprämie berücksich-tigt. Kassen dürfen Zusatzbeiträge bis zu einem Prozent des Ein-kommens prozentual oder als Pauschale erheben. Zusatzbeiträge bisacht Euro sind nicht an die Einkommensgrenze gebunden. Hinzukommt ein Steuerzuschuss, der schrittweise von drei MilliardenEuro (2009) auf 14 Milliarden Euro (2016) angehoben werden soll.Die Kassen erhalten wiederum eine Versichertenpauschale. Dabeiwird ein Risikoausgleich berücksichtigt, der anders als der bisherigeRisikostrukturausgleich auch besondere Ausgaben für ausgewählteKrankheiten berücksichtigen soll.

Der Gesundheitsfonds beinhaltet somit Elemente aus Forderun-gen beider Koalitionspartner. Wie von der SPD gefordert, wird derRisikostrukturausgleich ausgeweitet. Auch der einheitliche Kassen-beitrag entspricht sozialdemokratischen Vorstellungen. Außerdemkonnte die SPD eine Pflichtversicherung für alle Bürger durchsetzen.Auch die privaten Krankenkassen müssen hierfür ein Angebot miteinem einheitlichen Grundtarif anbieten. Diese Regelung kann alsVorbereitung für eine spätere Erweiterung zu einer Bürgerversiche-rung gesehen werden.

Die Union wiederum konnte eine nachhaltige Stabilisierung derArbeitgeberbeiträge sichern. Steigende Gesundheitskosten könnenüber höhere Zusatzbeiträge oder Steuerzuschüsse finanziert werden,ohne dass der Arbeitgeberbeitrag steigen muss. Der wichtigste Erfolgder Union ist jedoch der Zusatzbeitrag, der als kleine Kopfpauschale

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Abbildung 4: Politikergebnis Gesundheitsfonds

Quelle: eigene Darstellung

eine mögliche Grundlage für eine Weiterentwicklung des Fonds zueiner Gesundheitsprämie sein kann.

Der Steuerzuschuss entspricht Forderungen beider Parteien. Erliegt jedoch zunächst noch unter dem früheren Steuerzuschuss vonzuletzt 4,2 Milliarden Euro (2006), der durch den Koalitionsvertrag ab-geschafft wurde. Seine Höhe ist ebenso wie die Begrenzung des Zu-satzbeitrags und der Umfang des morbiditätsorientierten Risikostruk-turausgleichs Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Parteien.

Neben der Finanzreform verändert die Gesundheitsreform derGroßen Koalition nachhaltig die Entscheidungsstrukturen des Ge-sundheitswesens. Das GKV-WSG ist ein großer Schritt auf dem Wegvom bisherigen regionalen Mesokorporatismus zu einem integrier-ten System mit kollektiven Rahmenvorgaben auf der Bundesebeneund einzelvertraglicher Organisation der Leistungsmärkte.

So wurden in der ambulanten Versorgung die Grundlagen fürSelektivverträge zwischen einzelnen Kassen und Verbänden bzw.Verbünden von Leistungsanbietern erweitert. Die KassenärztlichenVereinigungen verlieren damit das Verhandlungsmonopol. EineVielzahl von Regulierungen und Begrenzungen in der Vertragsge-staltung zwischen einzelnen Kassen und Leistungsanbietern wurdeaufgehoben. Kassenartenübergreifende Fusionen von Krankenkas-

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sen wurden ermöglicht. Ein neuer Spitzenverband Bund übernimmtdie wichtigsten Funktionen und Kompetenzen der bisherigen siebenSpitzenverbände der Kassenarten. Der Gemeinsame Bundesaus-schuss, das wichtigste Verhandlungsgremium des Gesundheitswe-sens, wird professionalisiert und stärker durch das BMG kontrolliert.

Ergänzt werden die Maßnahmen durch eine Honorarreform fürÄrzte, die Ausweitung von Möglichkeiten für Rabattverträge zwi-schen Kassen und Arzneimittelherstellern und die Erweiterung vonKassenleistungen im Bereich von Impfungen und Kuren. Anders alsbei vorherigen Gesundheitsreformen wurden weder Leistungen ein-geschränkt noch Zuzahlungen erhöht.

Die Politikergebnisse sind das Resultat wechselhafter Verhand-lungen auf unterschiedlichen Ebenen. Es ist angesichts der vielfa-chen Entscheidungswege sowie geschlossener und wieder aufgekün-digter Kompromisse wechselnder Verhandlungspartner schwierig, inden Verhandlungen eine konsistente Strategie zu erkennen. Den-noch wurden die Kriterien des SPR für erfolgreiche strategische Re-formpolitik auch in dieser besonders problematischen Phase nichtalle missachtet.

5.1 Reformkonzept formulieren: Machtpolitik bei derFinanzierung – Evidenzorientierung bei der Strukturreform

Die Formulierung des Reformkonzepts folgte keiner systematischenStrategie. Der Koalitionsvertrag hatte die Gesundheitsreform zwarauf die Agenda gesetzt, jedoch keine inhaltliche Linie zur Finanzie-rungsfrage vorgegeben (Interview 3). Nach den Koalitionsverhand-lungen sondierten zunächst interne Arbeitsgruppen im BMG undauf Unionsseite Handlungsoptionen und diskutierten möglicheKompromissmodelle (Interview 13; Interview 18). In dieser Phasewurde auch externer Sachverstand einzelner Wissenschaftler (Rich-ter 2005) oder wissenschaftlicher Beiräte (Bundesministerium der Fi-nanzen 2005) einbezogen (Interview 11; Interview 15; Interview 19).

Die Fachebene stand in den Verhandlungen jedoch unter der Auf-sicht der politischen Spitzenebene, die sich eine Konsentierung derBeschlüsse vorbehielt (Interview 13) und von Beginn an in den Pro-zess eingeschaltet war (Interview 10; Interview 14; Interview 19). Auf

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Spitzenebene herrschte die Sichtweise vor, die Fachpolitiker hättenbei den vergangenen Reformen keine Erfolge erzielt (Interview 10).Die Gesundheitsreform als zentrales Projekt der Legislaturperiodemüsse daher von der Spitze begleitet werden (Interview 14).

Frühzeitig begannen Koordinierungstreffen auf Ebene der Frakti-onsvorsitzenden, Staatssekretäre und Minister im Bundeskanzler-amt. Ein Spitzengespräch zu den Zielen der Gesundheitsreform zwi-schen Kanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Franz Müntefering, denFraktionsspitzen Peter Struck, Peter Ramsauer und Volker Kaudersowie dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber folgte.Dort drehten sich die Gespräche nahezu ausschließlich um den Fi-nanzierungsaspekt (Interview 10). Während die Fachpolitiker die Ge-meinsamkeiten in Strukturfragen betonten, wollten sich die Spitzen-politiker an der Finanzreform messen lassen (Interview 14).

In den Kanzleramtsrunden wurden alle denkbaren Modelle bishin zur kompletten Steuerfinanzierung diskutiert (Interview 15). Pa-rallel führten Schmidt und Merkel frühzeitig intensive Gespräche(Interview 11). Letztlich fehlte es jedoch lange an gemeinsamen Ziel-vorgaben der Spitzen (Interview 15). Problematisch waren unter an-derem die unterschiedlichen Problemwahrnehmungen, Begriffsver-ständnisse und Bewertungen kausaler Zusammenhänge (Interview6; Interview 9; Interview 10; Interview 11).

Bei der Bewertung von Lösungsalternativen spielten dann aucheher macht- als sachpolitische Erwägungen eine Rolle. Obwohl derGesundheitsfonds begrifflich auf einen wissenschaftlichen Vorschlagzurückging, waren die Entscheidung für das Modell und dessen kon-krete Ausgestaltung Ergebnisse politischer Kompromisse auf derparteipolitischen Spitzenebene (Interview 5; Interview 7; Interview11; Interview 17; Interview 19).

Die wissenschaftliche Beurteilung der Reformvorschläge war ver-heerend, obwohl sich die Kritik allein auf den Finanzierungsteil be-zog. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung bezeichnete in seinem Jahresgutachten dieGesundheitsreform auf der Finanzierungsseite als misslungen(Sachverständigenrat 2006: 217). Jürgen Wasem kritisierte in derBundestagsanhörung den Fonds, da dieser in der Kompromissvari-ante keine Antwort auf die Einnahmeprobleme der GKV biete undverzichtbar sei (Deutscher Bundestag 2006; Wasem 2006: 2). Der

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Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Ent-wicklung im Gesundheitswesen, Eberhard Wille, bezeichnete an glei-cher Stelle den Fonds als Schwachstelle der Reform, da dieser nichtsan der Kopplung von Arbeits- und Gesundheitskosten ändere (Deut-scher Bundestag 2006).

Insgesamt, so die einhellige Meinung der Experten, sei der Fondsfachlich nicht zu rechtfertigen. Eine höhere Steuerfinanzierung seiohne den Fonds jederzeit möglich. Der Fonds sei nur eine Hülleund werde als politisches Vehikel genutzt, um den Konflikt um dieFinanzierung beizulegen (Interview 2; Interview 4). Allerdings wurdeaufgrund des Fonds eine Verhandlungslösung in der Koalition letzt-lich möglich, da beide Parteien ihr Gesicht wahren konnten (Inter-view 2; Interview 4).

Die konkrete Formulierung der Strukturreformen wurde nicht vonparteipolitischen Spitzen, sondern von Fachpolitikern mit langjähri-ger Erfahrung im Politikfeld vorgenommen. So wurden zur Sondie-rung von Lösungsalternativen internationale Vorbilder systematischausgewertet (Interview 9; Interview 11; Interview 16). Im Gegensatzzur Aushandlung des Gesundheitsfonds war die Formulierung derStrukturreformen zumindest evidenzorientiert.

Es ist nicht gelungen, einen systematisch entwickelten Reform-fahrplan durchzuhalten. Die einzelnen Reformschritte mussten auf-grund tagespolitisch veränderter Machtverhältnisse und anderer si-tuativer Einflüsse wiederholt angepasst werden.

5.2 Vertrauen aufbauen: unrealistische Erwartungenund mangelnde Dialogorientierung

Die kommunikativen Anforderungen an strategische Reformpolitikwurden auch in der Phase der Politikformulierung nicht erfüllt.Hierfür sind vor allem zwei Gründe ausschlaggebend: Im Bereichder Finanzierungsreform fehlte es an den Voraussetzungen für stra-tegische Kommunikation, da lange keine klare inhaltliche Lösunggefunden werden konnte. Auf der Ebene der Fachpolitiker wurde einDialog mit den Stakeholdern gezielt vermieden.

Der Großen Koalition gelang es im Rahmen der Gesundheitsre-form kaum, Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Ein besonderes Problem

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lag in der Glaubwürdigkeitslücke bei der Steuerfinanzierung (Inter-view 1). Diese entstand auch dadurch, dass keine realistischen Erwar-tungen erzeugt worden waren. Die Reform hat vor allem nicht her-vorgebracht, was von der Politik angekündigt worden war: sinkendeBeiträge (Interview 8; Interview 13).

Während des gesamten Reformprozesses war die Öffentlichkeitauf die Reform der Finanzstrukturen fixiert. Seitens der Politik wur-de in den Koalitionsverhandlungen nochmals die Stabilität der Bei-träge als politisches Ziel ausgegeben (CDU, CSU und SPD 2005: 28).Zudem erwartete die Basis beider Volksparteien die Realisierung derjeweils präferierten Instrumente und die Stabilisierung des Beitrags-satzes (Interview 5; Interview 7; Interview 13). Allerdings löste dieRegierung dieses Ziel nicht ein, sondern beschloss für das Jahr 2007eine Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Dies diskreditiertedie Reform zusätzlich in der Öffentlichkeit.

Das Ergebnis wurde am Ende falsch kommuniziert: Es wurde alsgroßer Erfolg dargestellt, was es aufgrund der politischen Konstellati-on ganz offensichtlich nicht sein konnte (Interview 3). Eine Kommu-nikation als Kompromiss mit Verweis auf die zukünftigen Gestal-tungsoptionen des Fonds wäre richtig gewesen (Interview 3; Inter-view 13). Für Reformkommunikation gilt, nur das Machbare zukommunizieren bzw. eher geringere Erwartungen zu wecken, als tat-sächlich möglich wären (Interview 14).

Das zweite Problem, eine gezielte Vermeidung eines Dialogs mitden Stakeholdern, geht vor allem auf vorhergehende Erfahrungender Fachebene zurück. Das BMG ging davon aus, dass jede positiveReformkommunikation aufgrund der überlegenen Gegenkommuni-kation durch Interessenverbände zum Scheitern verurteilt wäre (In-terview 1; Interview 12). Reformkommunikation bedarf aus Sicht derFachpolitiker eines aufnahmefähigen Umfelds, das nicht gegebenwar (Interview 18).

Noch weniger etabliert ist ein Dialog mit den Bürgern. In derdeutschen Gesundheitspolitik fehlt jede systematische Rückbindungan die Interessen der Versicherten und Patienten. Zwar beanspru-chen fast alle Akteure, Vertreter eines Gemeinwohls der Bürger zusein. Selbst auf die Politik der Selbstverwaltungsgremien in denKrankenversicherungen haben die Bürger jedoch kaum Einfluss, zu-mal die Bestimmung der Versichertenvertreter in fast allen Kranken-

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kassen über Friedenswahlen ohne eigentliche Wahlhandlung statt-findet. Eine direkte Einbindung von Bürgerinteressen über Bürgerfo-ren oder andere Elemente direkter Beteiligung steht den zahlreichenInteressen der organisierten Interessengruppen in diesem Politikfeldentgegen.

Ein übergreifendes Problem war das Framing der Reform durchden Gesetzesnamen »Wettbewerbsstärkungsgesetz«. Hier wurde zuwenig auf eine klare und positive Reformsprache geachtet. DennWettbewerb ist kein ausschließlich positiv besetzter Begriff. Außer-dem erschweren die unterschiedlichen Wettbewerbsverständnisseder beteiligten Akteure einen offenen Reformdialog. Die Wahl desNamens wurde nicht mit den Kommunikationsexperten im BMGabgestimmt (Interview 18). Alternativen – etwa »Qualitätsstärkungs-gesetz« – wurden nicht breit diskutiert.

Kontraproduktiv wirkte zudem die Darstellung des Fonds als we-sentlicher Reformschritt: Statt den Gesundheitsfonds als Weiterent-wicklung des Risikostrukturausgleichs und realistischen Kompro-miss darzustellen, wurde so die Möglichkeit für Kritiker eröffnet, dasModell als Bürokratiemonster zu bezeichnen (exemplarisch Spitzen-verbände der Krankenkassen 2006).

5.3 Mehrheiten sichern: erfolgreiche Verhandlungenzu Lasten der Qualität?

Bei der Auswahl des Reformweges ist wiederum zwischen der Fi-nanzreform und der Strukturreform zu differenzieren. Die Finanzre-form war weitgehend das Ergebnis einer konsensorientierten Ver-handlungsstrategie. Im Gegensatz zur vorherigen Verhandlung zumGesundheitsmodernisierungsgesetz waren beide Verhandlungssei-ten an einem Ergebnis interessiert. Als Koalitionspartner mussteauch die Unionsführung anders als 2003 einen erfolgreichen Ab-schluss der Verhandlungen anstreben. Angesichts der gegensätzli-chen Zielorientierung spielte sachorientiertes Argumentieren dabeijedoch kaum eine Rolle. Vielmehr ging es darum, durch Tauschge-schäfte Lösungen zu finden, die von allen zentralen Akteuren getra-gen werden konnten.

Im Mittelpunkt dieser Tauschprozesse standen der Risikostruk-

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turausgleich, die Ausgestaltung des Zusatzbeitrags der Versichertenund vor allem die Zukunft der PKV (Interview 11). Zudem trafendie unterschiedlichen Zielvorstellungen der Koalitionsparteien in derFrage der Beitragsparität aufeinander (Interview 10; vgl. Ferner 2007;Velter 2007). Auf beiden Seiten standen die Verhandlungspartnerunter internem Druck. Die Union war zunehmend damit konfron-tiert, dass sich die bayerische Landesregierung für die Interessen derPKV einsetzte. Bayern ist Standort großer Versicherungsunterneh-men. Zudem war die Machtfrage um den damaligen bayerischenMinisterpräsidenten Stoiber ungeklärt.

Für die SPD-Führung war die Parlamentarische Linke die größteHerausforderung. Es musste eine Lösung gefunden werden, in dersich die Solidaritätsziele der Linken ausreichend wiederfanden. Wich-tigste Elemente waren vor allem die Belastungsobergrenze beim Zu-satzbeitrag (Interview 15) und der Risikostrukturausgleich (Interview10; Interview 19). Auch in der SPD bildeten interne Machtkämpfeden Hintergrund für inhaltliche Auseinandersetzungen. Vor allemdas Spannungsfeld um den bundespolitisch wenig etablierten neuenParteivorsitzenden Kurt Beck und die wachsende Konkurrenz durchdie Linkspartei engten den Verhandlungsraum ein.

Erste Details für den Fonds wurden am 5. Oktober 2006 im Koali-tionsausschuss festgelegt (Interview 10; Merkel, Beck und Stoiber2006): Zunächst wurde die soziale Flankierung des Fonds gegen dieNichteinbeziehung der PKV getauscht. Für die PKV war nun einBasistarif vorgesehen, zu dem nur PKV-Versicherte Zugang habensollten. Der PKV-Kompromiss geht dabei auf ein Papier der CSUzurück, das nahezu gänzlich übernommen wurde (Interview 19). Inder GKV sollte zudem der morbiditätsorientierte Risikostrukturaus-gleich (morbiRSA) eingeführt werden. Bayerischen Bedenken bezüg-lich einer starken finanziellen Belastung der dort ansässigen Kassenwurde durch die Konvergenzklausel begegnet. Diese soll die Umver-teilungen zu Lasten der Kassen eines Bundeslandes auf 100 Millio-nen Euro jährlich begrenzen.

Trotz der intensiven Beteiligung am bisherigen Gesetzgebungs-prozess meldete die Union Ende 2006 wieder massive Bedenken ge-genüber dem PKV-Kompromiss an. Im Januar 2007 wurde deshalberneut zwischen Union und SPD ein Kompromiss zur PKV verhan-delt. Die Änderungen fielen nun moderater aus, dafür wurde im

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Austausch eine endgültige Versicherungspflicht für alle Bürger ein-geführt. Im Koalitionsausschuss wurde zudem eine Erhöhung desSteuerzuschusses für 2008 und 2009 um eine weitere Milliarde Eurojährlich festgesetzt.

Nachverhandlungen machten auch die 104 Änderungsanträge er-forderlich, die der Bundesrat am 15. Dezember 2006 in seiner Stel-lungnahme zu dem Gesetz formulierte (Bundesrat 2006). Die Ände-rungsanträge waren zum größten Teil durch landespolitische Inte-ressen bedingt und betrafen Elemente der Strukturreform. DieBundesregierung lehnte sie allerdings fast alle ab (Deutscher Bun-destag 2007). Lediglich 20 Anträge führten zu Änderungen des Ge-setzentwurfes. Hierbei handelte es sich vorwiegend um parteipoli-tisch kontroverse Aspekte ohne direkten Bezug zu Landesinteressen(Aßhauer 2008: 65–67).

Im Umgang mit den Bundesländern verfolgte die Regierung so-mit zu diesem Zeitpunkt eine stärker konfliktorientierte Verhand-lungsstrategie als in der zwischenparteilichen Auseinandersetzung.Unter dem Gesichtspunkt des Sicherns von Mehrheiten war dieseStrategie erfolgreich, da einzelne Issues nur in wenigen Fällen dieAblehnung eines gesamten Gesetzentwurfes durch ein Bundeslandlegitimieren können (in diesem Fall nur beim Freistaat Sachsen) undim Bundesrat letztlich die parteipolitische Disziplin ausreichend war.

Im Gegensatz zur Finanzreform wurde bei den Strukturfragenzumindest phasenweise eine problemorientierte Verhandlungsstrate-gie mit der Suche nach optimalen Lösungen gewählt. Bei den Ver-handlungen zur Strukturreform dominierte die Arena der Fachpoliti-ker. Auf Basis der Eckpunkte vom Juli 2006 erarbeitete eine verklei-nerte Arbeitsgruppe einen ersten Entwurf. Bis zur Fertigstellung derEckpunkte waren auf beiden Seiten immer zehn bis elf Personen anden Arbeitsgruppensitzungen beteiligt. Danach wurde die Zahl derbeteiligten Personen noch weiter reduziert. Teile vor allem der Struk-turreform wurden letztlich bilateral auf der Fachebene ausgehandeltund formuliert (Interview 10; Interview 11).

Während die Verhandlungen auf der politischen Fachebene prob-lemorientiert verliefen, wählte die Politik gegenüber den Interessen-verbänden weitgehend eine konfliktorientierte Verhandlungsstrate-gie. Es wurde keine Möglichkeit gesehen, die Interessenverbände fürdie Reform als Bündnispartner zu gewinnen (Interview 3; Interview

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11). Ziel war es daher, den Primat der Politik gegenüber den Verbän-den wiederherzustellen (Interview 4).

Insgesamt lassen sich also alle drei idealtypischen Verhandlungs-stile bei der Politikformulierung wiederfinden. Die Verhandlungenwaren einerseits erfolgreich, da ausreichende Mehrheiten in Bundes-tag und Bundesrat zur Gesetzesformulierung gewonnen werdenkonnten. Andererseits ist es nicht gelungen, öffentlichen Rückhaltfür die Reform zu sichern.

Inhaltlich führte das GKV-WSG zumindest nicht zu kurzfristigspürbaren negativen Effekten für die Bevölkerung. Insofern wurdeder Fehler der mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz einge-führten Praxisgebühr nicht wiederholt. Die Reform enthält jedochauch keine direkt spürbaren positiven Effekte. Hier wurde insbeson-dere im Bereich der Qualitätssicherung die Chance vertan, kurzfris-tig öffentlich sichtbare Maßnahmen zu integrieren. Insofern stelltsich die Trennung der Verhandlungsarenen als zentrales Problemder Reform dar. Sie führte dazu, dass bei der Finanzreform inhaltli-che Aspekte vernachlässigt wurden, während bei der Strukturreformdie Machtinteressen der beteiligten Parteien unzureichend Berück-sichtigung fanden.

5.4 Erfolgskontrolle bei der Politikformulierung: bekannte Defizite

Die Politikformulierung war noch stärker als das Agenda-Setting voneiner Vernachlässigung des Stakeholder-Dialogs und einer Ausgren-zung der Stakeholder und externer Sachverständiger geprägt (Inter-view 2; Interview 4; Interview 6; Interview 7). Politisches Lernen fandsich bei der Aushandlung des Gesundheitsfonds nur in Bezug aufdie Durchsetzbarkeit von Entwürfen. Lediglich die interne Kritik vonFachpolitikern am unterentwickelten Steueranteil wurde berücksich-tigt. So wurde der Zuschuss um eine Milliarde Euro erhöht. Er bliebjedoch mit 2,5 Milliarden Euro noch niedriger als die insgesamt fünfMilliarden umfassenden zusätzlichen Defizite durch die Beschlüsseder Koalitionsverhandlungen.

In den verschiedenen Arenen dominierten unterschiedliche Ver-handlungsstile (vgl. Tabelle 3). Eine systematische Erfolgskontrollewurde jedoch in keinem Teilbereich angestrebt. Die Akteure waren

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Tabelle 3: Politikformulierung, Analysedimensionen

jeweils auf eine möglichst vollständige Durchsetzung ihrer Zielekonzentriert und in dieser Phase nicht (mehr) offen für externe In-formationen.

6 Politikumsetzung: anti-partizipatorischer Ansatz

Obwohl das GKV-WSG in weiten Teilen bereits im April 2007 inKraft getreten ist, lässt sich zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Bei-trags noch nicht endgültig absehen, wie erfolgreich das Gesetz um-gesetzt werden kann. Wesentliche Elemente der Reform sind aktuellnoch umstritten. Dies betrifft den gesamten Bereich des Gesund-heitsfonds, der erst Anfang 2009 implementiert werden soll. Insbe-sondere die Konfliktfelder, die schon bei der Politikformulierungumstritten waren, sind auch nach der Gesetzgebung Gegenstand derAuseinandersetzungen. Dazu gehören die Gestaltung des morbidi-tätsorientierten Risikostrukturausgleichs und die Umsetzung derKonvergenzklausel.

Die Strukturreform ist zwar in wesentlichen Teilen schon in Kraftgetreten. Die Auswirkungen werden jedoch erst in den nächsten Jah-

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ren vollständig erkennbar sein. Daher kann die folgende Bewertungnur eine erste unvollständige Einschätzung darstellen.

Bei der Umsetzung des GKV-WSG ist zudem zu beachten, dassdie Maßnahmen teilweise nur einzelne Schritte im Rahmen konse-kutiver Reformprozesse darstellen. Es erfolgt also nicht in allen Teil-aspekten eine separate Umsetzung eines Gesetzes. Vielmehr sindteilweise Veränderungsprozesse zu beobachten, die durch Maßnah-men des GKV-WSG beeinflusst oder beschleunigt wurden.

6.1 Ergebnisqualität sichern: unbeabsichtigte Nebenwirkungenals möglicher Störfaktor

Die Sicherung der Ergebnisqualität ist bei Gesundheitsreformen be-sonders problematisch. Die Erreichung der letztlich verfolgten inhalt-lichen Ziele (Finanzierbarkeit, Solidarität, Wachstum und Qualität)hängt nicht allein von dieser Reform ab. Sowohl bei der Verwirkli-chung der Strukturreform als auch bei der Umsetzung des Gesund-heitsfonds bestehen Probleme und Umsetzungshindernisse.

Die Stärkung des Wettbewerbs durch die Strukturreform wurdezwar im Hinblick auf rechtliche Vorgaben weitgehend gesichert.Eine Sicherstellung der Wirkungsorientierung scheitert jedoch anden Einflüssen der Stakeholder in der Umsetzungsphase. Zum ge-genwärtigen Zeitpunkt deuten sich mögliche unbeabsichtigte Neben-wirkungen an, die späteres Nachsteuern in weiteren Reformschrittennotwendig machen können.

Dabei verläuft die Umsetzung der Strukturreformen auf unter-schiedlichen Ebenen. Auf Bundesebene hat das BMG die Möglich-keit zur direkten Kontrolle über die Entwicklung der neuen verband-lichen Struktur der Krankenkassen und die Weiterentwicklung desgemeinsamen Bundesausschusses. Es ist jedoch umstritten, inwie-fern die Ausweitung zentraler Vorgaben bei der Fixierung der Leis-tungskataloge und Qualitätskriterien den gleichzeitig angestrebtenWettbewerb einschränken. Schon vor der Reform wurden nur achtProzent der Kassenausgaben auf Grundlage individueller Verträgeder einzelnen Kassen festgelegt (Sachverständigenrat 2005: 36).

Auf regionaler Ebene besteht das Risiko der Entstehung neuerMonopole. Bisher sind die durch das GKV-WSG angestoßenen Ent-

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wicklungen in den Regionen uneinheitlich. Die neuen gesetzlichenOptionen werden in Süddeutschland stärker genutzt als in Nord- undOstdeutschland. Eine Vorreiterrolle nimmt bisher Baden-Württem-berg ein. Hier hat die AOK einen Selektivvertrag mit dem Ärztever-bund MEDI und dem Hausärzteverband geschlossen (Ärzte Zeitung9.5.2008).

Die ärztlichen Vertragsparteien standen bei der Ausschreibung inKonkurrenz unter anderem zur Kassenärztlichen Vereinigung Ba-den-Württemberg (Ärzte Zeitung 13.12.2007). Gleichzeitig verfügenMEDI und der Hausärzteverband jedoch über eine Mehrheit in derVertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung. Es ist alsodie problematische Situation entstanden, dass ein Zusammenschlussvon Ärzteverbänden starken Einfluss auf die Entscheidungen seineswichtigsten Konkurrenten nehmen kann. Bisher ist es offen, ob lang-fristig andere Anbieter in Baden-Württemberg zu einer ernsthaftenKonkurrenz für MEDI und den Hausärzteverband werden.

Neben der Bildung neuer Monopole ist auch denkbar, dass dieKassenärztlichen Vereinigungen ihr traditionelles Monopol trotz derrechtlichen Veränderungen behaupten können. Um dieses Monopolzu brechen, müssten 70 Prozent der Ärzte einer Fachgruppe oderRegion ihre Zulassung zur Beteiligung an der kassenärztlichen Ver-sorgung freiwillig zurückgeben. Ernsthafte Bemühungen, diese Quo-te zu erreichen, gab es bisher durch ein Korbmodell des Hausarztver-bandes in Bayern. Die Resonanz reichte jedoch bisher nicht aus, umden Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung in Bay-ern zu brechen (Ärzte Zeitung 19.5.2008).

Bei der Verwirklichung des Gesundheitsfonds liegen die Proble-me bisher in der unzureichenden operationalen Definition der Kon-vergenzklausel und der konkreten Fassung des morbiditätsorientier-ten Risikostrukturausgleichs. Die politisch begründete, spät durchge-setzte und unzureichend abgestimmte Konvergenzklausel hat sichbereits als Grundlage für politische Konflikte erwiesen.

Bei der Formulierung der Liste für ausgleichsfähige Krankheitenim Rahmen des neuen Kassenartenausgleichs gab es ebenso Streit-punkte. Die sechs Sachverständigen des mit der Formulierung der80 ausgleichsfähigen Krankheiten beauftragten Beirats beim Bundes-versicherungsamt traten zurück, da es Konflikte um die wissen-schaftliche Unabhängigkeit bei der Listenerstellung gab.

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Auch hier droht die Wirkungsorientierung an unbeabsichtigtenNebenwirkungen zu scheitern. Der morbiditätsorientierte Risiko-strukturausgleich kann Anreize für einzelne Krankenkassen oderKassengruppen setzen, sich nicht durch effizientes Wirtschaften,sondern durch politische Einflussnahme auf den Ausgleichsmecha-nismus Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dies wurde von ehema-ligen Mitgliedern des Beirats beim Bundesversicherungsamt zu-nächst der AOK unterstellt. Eine mögliche Spezialisierung einzelnerKassen auf spezielle Versichertengruppen würde entsprechende An-reize für die Kassen verstärken. Je stärker die Versichertenstruktureiner Kasse eine überproportionale Vertretung einer Krankheit auf-weist, desto größer wird in Zukunft die Abhängigkeit des Erfolgsdieser Kasse von der Bewertung dieser Krankheit durch den neuenRisikostrukturausgleich.

Mittelfristig kann die Umsetzung noch mit Problemen der Unter-finanzierung konfrontiert werden. Neben einer Lösung für eine mög-liche Unterfinanzierung in Folge der Konvergenzklausel ist auch dieKostendeckung für die fünf Prozent der Ausgaben ungeklärt, dienicht durch den Gesundheitsfonds gesichert sind. Angesichts der De-ckelung des Zusatzbeitrags auf ein Prozent der Einkommen deutetsich hier für viele Kassen ein Finanzierungsproblem an. LangfristigeUmsetzungsprobleme betreffen vor allem das Risiko beider Reform-parteien, dass bei veränderten Mehrheitsverhältnissen eine Weiter-entwicklung des Fonds in eine von ihnen jeweils nicht gewünschteRichtung erfolgen kann.

Während also die Wirkungsorientierung unklar ist, wurden dieUmsetzungsschritte genau festgelegt. Wesentliche Bestandteile derReform können ohne Mitwirkung der Interessenverbände und ohneerneute Zustimmung des Bundesrates nach festem Zeitplan umge-setzt werden.

Bei der Wahl der Steuerungsinstrumente verbindet das GKV-WSG regulative Instrumente auf zentraler Ebene mit Anreizinstru-menten für Leistungsanbieter und Versicherte (Böckmann 2007).Wie diese Instrumente im Einzelnen wirken werden, ist noch nichtabsehbar. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Umstellung der Finan-zierung durch den Gesundheitsfonds stärkeren Druck auf die Kassenbewirken wird.

Für die Versicherten besteht die Veränderung vor allem darin,

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dass der einheitliche Beitragssatz in Zukunft die Arbeitgeber von Bei-tragsunterschieden zwischen den Kassen ausnimmt. Diese könnenfür die Versicherten in Form der Zusatzprämien weiter bestehen. Siesind dann besser sichtbar, da sie direkt in Euro-Werten und nichtin Beitragssätzen ausgewiesen sind und zusätzlich erhoben werdenmüssen. Es ist also zu erwarten, dass die Versicherten größere Trans-parenz über die Kostenunterschiede zwischen den Kassen erlangenund daher eher bereit sein werden, teurere Kassen zu verlassen.

Auch bei den Leistungsanbietern werden sich die finanziellen An-reize verstärken. Ab 2009 sollen die Punktwerte der niedergelassenenÄrzte durch eine Euro-Gebührenordnung ersetzt werden. Damitwird zumindest ein Teil des Morbiditätsrisikos von den Ärzten aufdie Kassen verlagert. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die Kassenden steigenden Kostendruck in den Vertragsverhandlungen an dieLeistungsanbieter weitergeben.

Die finanziellen Anreize für die beteiligten Akteure werden somitvoraussichtlich zu wesentlichen Änderungen im System führen. Obsich diese Änderungen jedoch tatsächlich in einem Wettbewerb umQualität und Wirtschaftlichkeit niederschlagen werden, ist nochnicht absehbar.

6.2 Bürgernähe herstellen: Transparenzmängel

Wie in vorherigen Reformphasen ist auch bei der Politikumsetzungkeine Bürgernähe gesichert. Die Vorgängerreform, das GKV-Moder-nisierungsgesetz (GMG) von 2003, beinhaltete Maßnahmen zur Ver-besserung der Kommunikation zwischen Bürgern und Politik. Sowurde eine Patientenbeauftragte des Deutschen Bundestages einge-setzt. Außerdem integrierte das GMG erstmals Patientenverbände indie zentralen Verhandlungsgremien, indem diese am GemeinsamenBundesausschuss beteiligt wurden. Allerdings billigt das GMG denPatientenvertretern kein Stimmrecht zu.

Das GKV-WSG führt diese Strategie nicht in gleichem Ausmaßfort. So verweigert es den Patientenverbänden weiterhin ein Stimm-recht. Grundlage ist unter anderem die Einschätzung der Ministerial-bürokratie, dass die Patientenvertreter sich zum Sprachrohr für diePharmaindustrie entwickelt hätten (Interview 1). Diese Einschätzung

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wird durch eine Studie gestützt, die von Beratern der Gesundheits-ministerin verfasst wurde (Schubert und Glaeske 2006).

Auch die Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltungwurde durch die fehlende Stärkung der Patientenverbände nicht ver-bessert. Die Verwaltung des Gesundheitswesens ist für die Bürgerundurchsichtig. Neben der Gemeinsamen Selbstverwaltung spielenhier die Selbstverwaltungsorgane der Krankenkassen eine zentraleRolle. Die Kassen sehen sich zwar als Sprachrohr der Bürger. Tat-sächlich ist die Beteiligung der Bürger in der Selbstverwaltung be-schränkt (Braun et al. 2008).

Auch die unmittelbare Staatsverwaltung, repräsentiert durch Lan-desbehörden einerseits und die Nachfolgeorganisationen des frühe-ren Bundesgesundheitsamtes andererseits, hat keinen direkten Kon-takt zur Bevölkerung etabliert. Im GKV-WSG fehlen Ansätze, dieÜbersichtlichkeit für die Bevölkerung zu verbessern und klare Ver-antwortlichkeiten bei der Umsetzung zu benennen.

Angesichts der Unübersichtlichkeit der Verantwortung für die Po-litikumsetzung können transparente Abläufe kaum gewährleistetwerden. In der Bevölkerung sind die Kenntnisse über die Reformgering. Selbst bei den Stakeholdern herrscht Ungewissheit über dieAuswirkungen der Reformmaßnahmen (Ärzte Zeitung 2.6.2008).

6.3 Umsetzungsakteure aktivieren:gezielte Ausgrenzung statt Einbindung

Die Umsetzungsakteure stellen traditionell ein zentrales Problem fürGesundheitsreformen dar. Das Beispiel der bereits zweifach geschei-terten Einführung einer Positivliste für erstattungsfähige Arzneimit-tel zeigt, dass es den Stakeholdern mit entsprechender politischerUnterstützung gelingen kann, Reformelemente noch in der Umset-zungsphase zu stoppen (Bandelow 1998: 211). Andererseits bietetetwa die ebenfalls mit einer Konfrontationsstrategie 1992 durchge-setzte Organisationsreform der gesetzlichen Krankenkassen ein Fall-beispiel für die Überwindung von Widerständen der Stakeholderauch in der Umsetzungsphase (Bandelow 1998: 210).

Grundsätzlich ist der Umgang mit den Stakeholdern aus zweiGründen für die Umsetzung relevant: Sie stellen einerseits notwendi-

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gen Sachverstand bereit und bieten andererseits politische Legitimati-on. Sachverstand benötigt die Politik unter anderem von Ärzten. Die-se waren bis Anfang der 90er Jahre in einem Netzwerk von Verbändenmit interner Arbeitsteilung und zentralistischer Entscheidungsstruk-tur organisiert. Die Führung der Ärzteverbände verfügte somit überein Monopol ärztlicher Beratungskompetenz, das bei fehlender Koo-perationsbereitschaft der Politik verweigert werden konnte.

Die Gesundheitsreformen der letzten Jahre hatten eine grundle-gende Veränderung der ärztlichen Interessenorganisation zur Folge.Die Verbandslandschaft hat sich ausdifferenziert und die Interessenwurden weiter fragmentiert. Die Ausdifferenzierung betrifft unteranderem Ärztegenossenschaften, die als Parallelorganisationen zuden Kassenärztlichen Vereinigungen entstanden sind, um in denVerhandlungen für Selektivverträge als Gegengewicht zu den Kassenzu wirken. Die Fragmentierung wiederum ist Folge der Kostendämp-fungspolitik. Diese hatte Verteilungskonflikte und damit verstärkteinnerärztliche Konflikte zur Folge. Insbesondere die Konkurrenzzwischen Hausärzten und Fachärzten wurde durch die Reformensystematisch verstärkt (Ärzte Zeitung 25.6.2007).

Durch die Pluralisierung der Ärzteverbände ist es für einzelne Ver-bandsvertreter schwieriger geworden, monopolisierten Sachverstandals politische Ressource zu nutzen. Ähnlich wie in Frankreich könnenPolitik, Verwaltung und Kassen zunehmend zwischen alternativenAnsprechpartnern wählen (Bandelow und Hassenteufel 2007).

Politische Legitimation wird als zentrale Ressource der Stakehol-der seit den gescheiterten blankschen Reformversuchen der 60er Jah-re gesehen. Ärzte können als Multiplikatoren wirken und ihr hohesRenommee nutzen, um die öffentliche Meinung für oder gegen dieRegierungsparteien zu beeinflussen. Hier hat allerdings die Erfah-rung mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1992 gezeigt, dass formelleoder informelle Große Koalitionen den Einfluss der Stakeholder nach-haltig beschränken (Interview 10). Es fehlt die Möglichkeit, eine alter-native Wahlempfehlung gegen die Regierungsparteien anzudrohen.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das GKV-WSG gezielt einenanti-partizipatorischen Ansatz. Die Kernexekutive grenzte sowohl dieLeistungsanbieter als auch die Krankenkassenverbände bzw. die dortvertretenen Tarifparteien bei allen Reformphasen so weit wie mög-lich aus. Das BMG ist bemüht, Informationen nicht von den traditio-

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nellen Verbänden, sondern möglichst aus anderen Quellen zu erhal-ten (z.B. von wissenschaftlichen Beiräten). Details der Umsetzungwurden der Verantwortung der Stakeholder entzogen.

So wurde etwa die Festsetzung des Beitragssatzes für alle Kassenbei der Einführung des Gesundheitsfonds 2009 bewusst mit einernicht zustimmungspflichtigen Rechtsverordnung ermöglicht (Inter-view 1). Diese Strategie einer möglichst unveränderten Umsetzungder verabschiedeten Maßnahmen zeigte sich auch im Umgang mitder Konvergenzklausel.

Diese wurde im April 2008 zu einem erneuten Politikum, nach-dem durch eine Veröffentlichung in der Tageszeitung »Die Welt«die Ergebnisse eines von der Bundesregierung in Auftrag gegebenenGutachtens bekannt wurden (Die Welt 8.4.2008). Die Gesundheits-ökonomen Jürgen Wasem, Florian Buchner und Eberhard Wille se-hen demnach durch die Konvergenzklausel die Gefahr einer Unterfi-nanzierung. In der Folge stellten Vertreter süddeutscher Landesre-gierungen und Oppositionspolitiker den Gesundheitsfonds in Frage.Die Bundesregierung reagierte darauf mit wiederholten Bestätigun-gen der Absicht, den Fonds unverändert und pünktlich umzusetzen.

Die Einbindung der Verwaltung konzentriert sich bei der Umset-zung auf die unmittelbare Staatsverwaltung auf Bundesebene. DasBMG hat bei allen zentralen Reformteilen die Federführung. Gegen-über dem BMG ist keine politische Motivation notwendig, da dieBundesverwaltung selbst Initiator wesentlicher Reformteile war. Da-gegen lässt sich keine Strategie der Stärkung einer systematischenAbstimmung mit den Landesverwaltungen und der mittelbarenSelbstverwaltung bei der Umsetzung des GKV-WSG beobachten.

Die Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen beim BMGschafft zunächst klare Verantwortlichkeiten für die Umsetzung. Al-lerdings sind die Ziele der Reform unklar. Die ursprüngliche Zielset-zung der Senkung und Stabilisierung der Beitragssätze wurde bereitswährend der Politikformulierung aufgegeben. Für das BMG ist dieStärkung der Qualität das wichtigste Ziel. Hier nutzt das Ministeri-um systematischen Best-Practice-Austausch unter anderem durchdie vergleichenden Daten des Gesundheitsmonitors der BertelsmannStiftung (Interview 1). Allerdings fehlt eine politische Kontrolle fürdie Erreichung quantifizierbarer Zielvorgaben zur Qualitätssiche-rung.

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6.4 Erfolgskontrolle bei der Politikumsetzung:keine systematische Bewertung

Eine systematische Erfolgskontrolle des GKV-WSG ist nicht vorgese-hen. Das BMG sieht sich zwar für die Gesetzesformulierung zustän-dig, überwachte bisher jedoch kaum den Implementationsprozess inder Selbstverwaltung (Interview 10; Interview 11). Es gibt keine De-batte über geeignete Evaluationstechniken bei der Umsetzung derGesundheitsreform. Der Einfluss des strategischen Machtzentrumskonzentriert sich in dieser Frage darauf, durch die Formulierung desGesetzes eine möglichst reibungslose Politikumsetzung zu gewähr-leisten.

Eine systematische prozessbegleitende Evaluation findet nichtstatt. Auch eine systematische Bewertung von Gesamtkosten und-nutzen ist nicht vorgesehen. Politisches Lernen wurde von den Ak-teuren vor allem im Hinblick auf ihre jeweiligen Durchsetzungsstra-tegien angestrebt. Lernprozesse im Hinblick auf die Umsetzung zu-künftiger Reformen sind noch nicht absehbar.

Die öffentliche Resonanz des GKV-WSG war sehr negativ. Diesnahmen die Akteure der Kernexekutive auch wahr. Sie sahen jedochkeine Möglichkeit, dies systematisch zu ändern (Interview 1). Auchdurch einen verbesserten Stakeholder-Dialog sei keine breitere Re-formunterstützung zu gewinnen (Interview 10). Entsprechend liegenkeine zielgruppenspezifisch nutzbaren Evaluationsergebnisse vor.

Flexibles Nachsteuern sollte gezielt vermieden werden, um Veto-spielern nicht die Möglichkeit zur Verhinderung von Reformelemen-ten zu geben (Interview 11). Veränderte Akteurskonstellationen wer-den dagegen systematisch berücksichtigt. Diese sind teilweise einedirekte Folge des Gesetzes, wie die Einrichtung des Spitzenverban-des Bund der Gesetzlichen Krankenkassen. Andere Veränderungenberuhen indirekt auf Maßnahmen des Gesetzes, wie etwa die Plurali-sierung der Verbände von Leistungserbringern. Das BMG versuchtdie veränderten Konstellationen zu nutzen, um langfristig eigeneHandlungsspielräume auszuweiten.

Bisher wurden die im SPR formulierten Kriterien der Erfolgskon-trolle bei der Umsetzung fast alle nicht erfüllt (vgl. Tabelle 4). Inwie-fern dies zu Defiziten der strategischen Reformpolitik führt, lässtsich jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehen.

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Tabelle 4: Erfolgskontrolle, Analysedimensionen

7 Fazit

Die Gesundheitsreform der Großen Koalition zeichnet sich durchdie Gleichzeitigkeit von Scheitern und Erfolg aus. In der Finanzre-form wurden weder die angekündigten Beitragssatzsenkungen nochdie postulierten Modelle verwirklicht. Andererseits beinhaltet dasGKV-WSG eine Strukturreform, die noch 2003 an der Union ge-scheitert und auf den erbitterten Widerstand der Interessenverbändegestoßen war.

In der Gesundheitspolitik stand die Kernexekutive vor einer hoch-komplexen Ausgangslage. Es wurden frühzeitig strategische Fehlerbegangen, die den Reformprozess prägten. Vor allem in der Finan-zierungsfrage hat sich der direkte Einfluss der Parteispitzen als kont-raproduktiv erwiesen. Parteispitzen orientieren sich primär am Zielder (kurzfristigen) Stimmenmaximierung. In der speziellen Situati-on einer Großen Koalition ist angesichts der direkten Konkurrenzzwischen den Verhandlungspartnern das Risiko besonders groß,dass Konflikte offen ausgetragen werden.

Die zentrale Rolle der Parteispitzen erschwerte problemorientier-te Verhandlungen. Vor allem die strategische Dimension der Kompe-tenz wurde bei der Konzeption des Gesundheitsfonds vernachlässigt.Allerdings ist es der SPD im Gegensatz zur Union gelungen, mitMinisterin Schmidt eine klare Leadership-Position zu etablieren.

Kennzeichen des Reformprozesses ist vor allem ein gänzlich fehl-

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geschlagenes Erwartungsmanagement. Die Gesundheitsreform derGroßen Koalition war durch den Bundestagswahlkampf belastet. Inder Wahlauseinandersetzung antizipierten die Parteien die Proble-matik einer späteren Großen Koalition nicht. Die Ankündigung vonBeitragssatzsenkungen und einer grundlegenden Umstrukturierungder Finanzierungsbasis war gleichermaßen unrealistisch.

Die Stilisierung einer Unvereinbarkeit der Reformmodelle unter-minierte im Voraus mögliche Kompromisslinien. Ungeachtet der po-litischen Debatte blieben die Reformpläne beider Parteien nur Stück-werk. Nachhaltige Gesundheitspolitik sollte dagegen Reformkonzep-te bereits in der Mitte von Wahlperioden auf die Agenda setzen undwesentliche Gemeinsamkeiten außerhalb von Wahlkampfzeiten aus-loten. Ohnehin ist der gesamte Reformprozess durch Kommunikati-onsfehler gekennzeichnet, die vor allem das Framing betreffen. Eswurde versäumt, die konsensuale Botschaft einer Qualitätssteigerungausreichend zu platzieren.

Einen weiteren grundlegenden Mangel stellt die fehlende Traditi-on einer systematischen begleitenden Evaluation dar. Reformakteurestehen beim Agenda-Setting und bei der Politikformulierung vordem Problem, dass bereits verabschiedete Maßnahmen in der Um-setzungsphase mit anderen Akteuren konfrontiert werden. Hierschlägt sich vor allem die Besonderheit der Selbstverwaltung im Ge-sundheitswesen nieder. Das GKV-WSG beinhaltet mit seiner Struk-turreform unter anderem den Versuch, diese Reformhürde durcheine Einschränkung der Spielräume der körperschaftlichen Selbst-verwaltungsorgane abzusenken.

Im Gegensatz zur Finanzierungsreform weist die StrukturreformElemente erfolgreicher Reformpolitik auf (Tabelle 5). Es wurde einhandlungsfähiges strategisches Machtzentrum etabliert, das viel Er-fahrungswissen in sich vereinte. Dieses war klein genug, um hand-lungsfähig zu sein, und vertraut genug, um einen problemorientier-ten Verhandlungsstil auszubilden. Bei der Konzeption der Struktur-reform wurden sowohl Erfahrungen aus früheren Reformen als auchaus internationalen Vergleichen und sogar aus dem laufenden Re-formprozess integriert.

Zwischen dem Erfolg der Strukturreform und der gescheitertenFinanzreform bestehen trotz der weitgehend getrennten Verhand-lungsarenen systematische Zusammenhänge. Die Finanzreform war

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Tabelle 5: Stärken und Schwächen des strategischenReformprozesses

geeignet, die öffentliche Aufmerksamkeit weitgehend zu binden.Hierdurch wurde die Entscheidungsfindung für eine Strukturreformzumindest erleichtert – und vielleicht auch erst ermöglicht. Aus demGKV-WSG lassen sich daher keine allgemeingültigen Schlüsse füreine zusammenhängende Konzeption erfolgreicher Reformstrate-gien ziehen. Der Reformprozess bietet jedoch umfassendes An-schauungsmaterial für erfolgreiche und gescheiterte Strategieele-mente und kann so als vielfältige Grundlage für strategische Lern-prozesse dienen.

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