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Die Geschichte der Schweiz.

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DIE GESCHICHTE DER SCHWEIZ

DIE GESCHICHTE DER SCHWEIZ

Die Schweiz vor der Entstehung der Eidgenossenschaft.

Das Gebiet der heutigen Schweiz bewohnten verschiedene keltische Stmme. Der wichtigste war der Stamm der Helvetier (helvetai). 58 v. Chr. verlieen sie ihr Siedlungsgebiet und zogen in Richtung Rmisches Reich, doch sie wurden von Julius Csar angehalten und geschlagen (die Schlacht von Bibracte). Sie mussten in ihr Siedlungsgebiet zurckkehren. Es geriet unter rmische Hoheit. Die keltische Bevlkerung integrierte sich rasch in den rmischen Kulturkreis und erlebte in den ersten beiden Jahrhunderten n.Chr. eine ruhige Zeit des Wohlstandes.

Die wichtigste Stadt der rmischen Schweiz war Aventicum (jetzt Avenches), deren turmbewehrte Mauern 50 000 Einwohnern Schutz boten. Ein vorzgliches Straennetz, dessen Spuren noch heute zu finden sind, wurde angelegt.

Die ruhige Zeit endete mit den Germaneneinfllen ins Rmische Reich. 260 n. Chr. berschritten die Alemannen die befestigte Nordgrenze, den Limes. Die rmischen Provinzen Helvetien und Rtien (Helvecija ir Retija) wurden zu rasch verarmenden Grenzgebieten. Um 400 zogen sich die Rmer zurck. Der Germanenstamm der Burgunder siedelte sich im Westen, jener der Alemannen im Osten der heutigen Schweiz. Whrend die Burgunder die rmische Sprache und das Christentum bernahmen, behielten die alemannischen Eroberer ihre germanische Kultur bei. Langsam entstand jene noch heute quer durch die Schweiz verlaufende Sprachgrenze zwischer romanischer und germanischer Sprache (heutzutage sprechen die schweizerischen Burgunder Franzsisch und sind Katholiken, die alemannischen Erben sprechen Deutsch und sind Reformierte). Die Rtoromanen (Bndnerromanen, Ladiner und Friuler) sind Nachkommen der romanisierten Rter. Die Bndnerromanen sprechen Rtoromanisch und leben im Kanton Graubnden (in diesem Kanton wird diese Sprache als Graubndnerisch, in der Schweiz als Rtoromanisch bezeichnet).

Im 6. Jh. gerieten Burgunder und Alemannen unter die Herrschaft der Franken, die ihr groes Agrarreich errichteten. Als 870 dieses Reich Karl des Groen (Karolis Didysis) geteilt wurde, kam die Burgund zu Westfranken, Alemannien zu Ostfranken. Quer durch die Schweiz ging nun die Grenze zwischen beiden Reichgebieten.

Mit den Franken verbreitete sich das adlige Feudalsystem ber ganz Europa. Es entstand eine Agrargesellschaft, die fast vollstndig vom direkten Konsum der landeseigenen Gter lebte. Die Stdte zerfielen, der Geldverkehr ging zurck. Im 12.-13. Jh. geriet diese Agrargesellschaft aus ihrem Gleichgewicht. Die Bevlkerungszahl begann zu steigen, mit ihr die Produktivitt der buerlichen Wirtschaft. Es begann die Erschlieung von bisher ungenutztem Land, die Dreifelderwirtschaft setzte sich durch. Die Handelsbeziehungen mit Byzanz und den Arabern begannen sich zu entwickeln und brachten Luxusgter in die Schweiz. Die Geldbedrfnisse des Adels stiegen.

Im 13.-14. Jh. kam es zum stndigen Kampf unter den Adligen. Die mchtigeren Grundherren versuchten, ihre weitverstreuten Hoheitsrechte zu flchenmig geschlossenen Gebietsherrschaften (geografikai vientisa valdoma teritorija) auszubauen und durch Krieg, Heiratspolitik oder Kauf kleinere Herren in ihren Einflussbereich einzugliedern.

Im Gebiet der heutigen Schweiz stritten sich zuerst die Zhringer (Ceringai) mit dem Kaisergeschlecht der Staufer (taufenai), dann die Kyburger (Kiburgai), die Staufer und die Savoyer (Savojos dinastija) um das Erbe der Zhringer. Gesiegt haben in der Mitte des 13. Jh. die Savoyer und die Habsburger (Habsburgai). Ende des 13. Jh. war das Gebiet der heutigen Deutschschweiz und groe Teile Schwabens in habsburgischem Besitz.

Wie alle Grundherren versuchten auch die Habsburger, in ihrem Gebiet die Verwaltung zu straffen, die Rechte an sich zu ziehen und die ihnen unterstellten Lehenstrger zu bezahlten Beamten umzuwandeln.

Im 12.-14. Jh. grndet man Stdte. Die Grundherren stellten zahllose Privilegien an Ritter und Kaufleute aus, um Stdte zu grnden. Angelehnt an eine adlige Festung, einen Bischofssitz oder ein Kloster erhielten Handwerker und Hndler einen geschtzten Ort, um Waren zu stapeln und Markt zu halten. Fr den Stadtherren bot die Stadt eine neue Finanzquelle und strategische Vorteile: Sie diente als Militrlager und war Gerichtsort.

Im Gebiet der Schweiz haben sich im 12. Jh. besonders die Zhringer als Stdtegrnder bettigt: Freiburg, Bern, Murten und Thun erhielten Stadtrechte an militrischen Schlsselstellungen gegen Savoyen und Burgund. Alte Bischofs- und Klostersitze wie Basel und Zrich erlebten dank der Frderung durch ihre geistlichen Stadtherren einen starken Aufschwung. Bis zum 14. Jahrhundert wurden 200 neue Stdte gegrndet (ein Drittel von ihnen ist heute wieder gnzlich von der Landkarte verschwunden).

Die Stdte beschleunigten den sozialen Differenzierungsprozess in der Feudalgesellschaft. Zahlreiche Adlige verarmten. An die Stelle des Adels traten die aufstrebenden Stdte. Bern ist fr diese Entwicklung ein typisches Beispiel: durch Bndnisse mit kleineren Herren und systematischen Kauf von Boden und Rechten ging langsam ein groes Untertanenland (vasal ems) aus der Hand des Adels in die Hand der Stadt ber.

Als wirtschaftliche Zentren waren die Stdte an der Sicherheit der Wege und Flsse interessiert, aber auch an klaren Rechtsverhltnissen und an der Unterdrckung von privaten Fehdekriegen. Sie lagen an stabilen Allianzverhltnissen. Wo der Adel nicht willens oder auerstande war, dies zu gewhrleisten, begannen die Stdte selber fr die Sicherung des Landfriedens zu sorgen, so z.B. in Bern, Zrich und Basel.

Im 13. Jh. entstanden mehrere Stdtebnde zu dem Zweck, die entweder zwei oder mehrere Stdte umfassten und manchmal auch lokale Adlige einschlossen. Bern unterhielt z.B. ein weitverzweigtes Bndnissystem, die sog. burgundische Eidgenossenschaft, Zrich suchte seine Bundesgenossen bei den Schwbischen Stdten, die groe Stadt Basel jenseits des Juras richtete sich auf die mittelrheinischen Stdte aus.

Diese Bndnisse waren oftmals nicht sehr dauerhaft und wurden je nach Bedrfnis wieder erneuert. Aber sie demonstrierten die Macht und das gesteigerte Selbstbewusstsein der Stadtbrger, die nicht nur innerhalb der Mauern, sondern auch auf dem umliegenden Lande dem Stadtherrn immer mehr Rechte abnahmen. Dass der schwbische Stdtebund schlielich dem Ansturm des Adels erlegen ist, whrend sich die Eidgenossenschaft am Alpenrand behaupten konnte, ist von groer Bedeutung fr die unterschiedliche nationale Entwicklung der Reichsgebiete nrdlich und sdlich des Rheins.

Die schweizerische Eidgenossenschaft (veicarijos Konfederacija) ist nicht als reiner Stdtebund entstanden, sondern als ein Bndnis zwischen Stdten und freien Bauernlndern am Vierwaldstttersee. An zahlreichen Stellen des Alpengebietes sind im 12.-13. Jh. (in der Zeit des Landesausbaus und der Erschlieung der Alpenpsse) Talgenossenschaften (slni bendrijos) entstanden, die unter der Fhrung von Landmnnern nun zum Teil unter ausgedehntem Grundbesitz standen. Die Talgenossenschaften wurden durch Schwrbnde (prisiekusij sjungos) zusammengehalten.

Seit der Erschlieung des Gotthardpasses (Gotardo perja) in den 1230er Jahren bekundeten die Stauferkaiser ein lebhaftes Interesse an den wilden und abgelegenen Bergtlern und beeilten sich, die Reichsfreiheit der Urner und Schwyzer zu besttigen.

hnlich wie die Stdte schlossen die Innerschweizer Geschlechter Landfriedensvertrge (taikos tarp emi sutartis) ab. Aber sie waren zur Sicherung des Friedens nicht imstande. Die wilde, urtrmliche Art des Jger- und Bergbauernvolkes brach immer wieder in Raubzgen und Kriegen um Weidepltze und Alpen durch und fhrte zu berfllen auf die Klster. Oft standen die Landadligen (emi aristokratija) selber an der Spitze solcher Auszge. Erst mit der Wahl des Habsburgers Rudolf IV. zum deutschen Knig kehrte in den 1270er Jahren Ruhe in den Waldsttten ein.

Nach dem Tod des Kaisers im Jahre 1291 erneuerten die regierenden Familien aus den drei Urkantonen Uri, Schwyz und Unterwalden (patys pirmieji trys kantonai Uris, vycas, Untervaldenas) (man nannte sie Waldsttte (Valdtete)) ihr Erstes Landfriedensbndnis (einen Ewigen Bund) und versicherten sich der reichsfreien Stadt Zrich, um den berall in den habsburgischen Untertanengebieten aufflammenden Unruhen eine gewisse Ordnung entgegenstellen zu knnen. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals. Doch das Jahr 1291 und der 1. Landfrieden gelten als Grndungsjahr der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Die Bndnisse wurden immer fter gegen die Habsburger ausgerichtet, deren Vgte im Lande nach dem Rechten sahen. Besonders grausam waren die Vgte Gessler, Wolfenschieen und Landenberg. Es waren Wtriche und Tyrannen. Wilhelm Tell erschoss den Gessler in der hohen Gasse. Der bewaffnete Befreiungskampf gegen die sterreicher begann. In der Schlacht bei Morgarten (1315) schlugen die waldstttischen Bauern zum erstenmal das sterreichische Ritterheer. Whrend dieser Schlacht standen sich zwei Anwrter auf den deutschen Kaiserthron gegenber. Ludwig der Bayer besttigte sofort nach dem eidgenssischen Sieg in umfassender Weise die Reichsfreiheit der drei Lnder Uri, Schwyz und Unterwalden. Nachdem er sich gegen seinen habsburgischen Konkurrenten durchgesetzt hatte, erhielt diese Anerkennung auch praktische Bedeutung. Die Waldsttte wurde eine Art selbstndige Reichsvogtei, in der allerdings die Vgte als direkte Vertreter der kniglichen Gewalt seit der Mitte des 14. Jh. nicht mehr auftauchten.

In den Stdten entstanden inzwischen Znfte (manufaktros). Nach der Brunschen Verfassung von 1336 (Rudolf Brunsch war ein Zrcher Ritter) wurden alle Handwerker zu Stadtbrgern erhoben und in 13 Znften vereinigt. Es gab Krmer, Schneider, Weinleute, Bcker, Wollweber, Leineweber, Schmiede, Gerber, Metzger, Schuhmacher, Zimmerleute, Schiffleute und Kleinhndler. Der Stadtrat (Patriziat) bestand seit nun aus 13 Zunftmeistern, 13 Rittern und einem Brgermeister.

In der 2. Hlfte des 14. Jh. wurden schlielich auch die oligarchischen Landadelsfamilien gestrzt, welche im Verlauf der Auseinandersetzungen mit Habsburg-sterreich auf sich eine groe wirtschaftliche und politische Macht vereinigt hatten. Ihr Bodenbesitz und ihre Zoll- und Gerichtsrechte wurden kommunalisiert. Landsgemeinden zur ffentlichen demokratischen Willensbildung entstanden. Die demokratische Bewegung der selbstbewussten Bauern verlief zeitlich parallel mit dem Aufstieg der Znfte in den Stdten und bildete die Grundlage fr die kriegerischen Eroberungsfeldzge der spteren Zeit.

Entstehung und Aufstieg der Eidgenossenschaft (1291- 1518)

Nach der Sage wurde die Eidgenossenschaft 1291 auf einer als Rtli bezeichneten Wiese am Vierwaldstttersee (Riutli pieva prie Keturi kanton eero) gegrndet. Vertreter der freien Bauern aus Uri, Schwyz und Unterwalden sollen sich damals gegenseitigen Beistand zur Befreiung aus der habsburgischen Knechtschaft geschworen haben. Wilhelm Tells Schuss auf den Landvogt setzte dann das Signal zur Vertreibung der Unterdrcker. Die Tellensage ist eine literarisch-volkstmliche Umsetzung im Sinne einer Personifizierung des Befreiungsgedankens und einer Rechtfertigung der Aufstnde in den Waldsttten. Die Sage vom Freiheitshelden Wilhelm Tell und der Grndung der Schweiz erlebte verschiedene literarische Umformungen, die berhmteste durch Friedrich Schiller in seinem gleichnamigen Freiheitsdrama.

Eines muss man sich einprgen: Ohne die Stdte und ohne die Stdtebndnisse wre die Eidgenossenschaft unmglich.

1332 verbndeten sich das habsburgische Luzern, das sich von seinen Stadherren absetzen wollte, mit den reichsfreien Waldsttten, 1351 ging Zrich, das nach einer Zunftrevolution adlige Restaurationsgelste befrchtete, ein Bndnis mit ihnen ein, 1533 deckte Bern, das im Kampf um die Erweiterung seiner Einflusszone im Westen lag, sich den Rcken durch ein Bndnis mit den Waldsttten. Diese Bndnisse bestanden anfnglich lediglich in der Zusicherung gegenseitiger Hilfsverpflichtungen und waren keineswegs mit der historischen Perspektive einer Staatsgrndung geschlossen worden. Vielmehr dienten sie der Friedenssicherung und der Verteidigung der zum Teil noch umstrittenen Reichsfreiheit der Bndnispartner. Durch die Einbeziehung von alten habsburgischen Gebieten wie Unterwalden, Luzern, Glarus und Zug griffen die Auseinandersetzungen aber von Anfang an in habsburgischen Privatbesitz ein.

In zahlreichen greren und kleineren Auseinandersetzungen wurde der Anspruch Habsburg-sterreichs immer mehr zurckgedrngt. Ein Gebiet nach dem anderen erkmpfte sich seine Unabhngigkeit. Durch Burgrechtsvertrge mit Klstern und kleinen Herren, durch Verleihung von Stadtbrgerrechten an Adlige auf dem Lande, durch Kauf und durch Krieg kamen immer mehr Rechte an die eifgenssischen Orte.

In den Schlachten von Sempach (1386) und von Nfels (1288) errangen die Eidgenossen auch groe militrische Erfolge. Das schwchte die adlige Herrschaft empfindlich. Die historischen Folgen dieser Schlachten waren sehr wichtig:

1. Jetzt wurde erneut der Wille bekrftigt, die Gerichtsbarkeit in allen politisch kontrollierten Territorien in die eigenen Hnde zu nehmen, den Landfrieden selber zu sichern und fr mehr Disziplin bei militrischen Unternehmungen zu sorgen.

2. Die Lnder und Stdte, beflgelt durch diese Siege, begannen nun ihrerseits, Untertanengebiete zu erobern. Eine 100jhrige Epoche der kriegerischen Expansion der Eidgenossenschaft setzte ein, die spter zur Heldenepoche der patriotischen Geschichtsschreibung stilisiert wurde.

3. Ende des 14. Jh. kann man schon zu Recht von einer Eidgenossenschaft reden, die sich als selbstndiges staatliches Gebilde im deutschen Reich abzuzeichnen begann.

4. Die Besonderheit der eidgenssischen Entwicklung liegt darin, dass sich durch die Verdrngung der habsburgischen Herrschaft und die Schwchung des einheimischen Adels viel frher als anderswo ein brgerliches Element durchsetzte. Die kaufmnnisch-znftischen Stdte und die buerlichen Landorte traten als Grundherren das Erbe des Adels an.

Zuerst wurde im Sden der Aargau erobert, dann im Norden der Thurgau und die Stadt Winterthur. Im Westen dagegen begannen die Kmpfe gegen den Herzog Karl den Khnen von Burgund. Sein Erzfeind war der franzsische Knig Ludwig XI., den die Eidgenossen untersttzten. Karl der Khne verbndete sich mit sterreich. Die Habsburger wollten noch einmal versuchen, die Schweiz in ihre Hnde zurckzubekommen.

Am 1. Mrz 1476 schlugen die Eidgenossen in der Schlacht bei Grandson die Burgunder. Die Kriegsbeute war unbeschreiblich gro: allein das Eigentum Karls des Khnen war eine Million Gulden wert, das Eigentum der 6 Frsten und der Generalitt machte noch eine Million. Die Magazine, die Artillerie machten die dritte Million (jetzt wre der Geldwert zehnmal so hoch). Die Eidgenossen waren wie verrckt, sie zerissen die Seide und warfen die Edelsteine weg, weil sie sie fr Glas hielten. Silber wurde in Zentnern gemessen. Doch Karl der Khne entkam. Er sammelte sein zersprengtes Heer und griff am 9. Juni Murten an. Am 19. Juni haben die Eidgenossen in der Schlacht bei Murten das burgundische Heer vollstndig vernichtet. Diese Schlacht entschied den Lauf der ganzen europischen Geschichte.

Seit dieser Schlacht hielt man die Schweizer fr die besten Kmpfer in Europa. Frankreich, Lothringen, Savoyen, Mailand, Ungarn und sterreich wollten Schweizersldner kaufen. Die Schweizer bekamen die Soldaten gern, denn sie verdienten sehr viel Geld. Und das Geld verdrehte seit der Grandson- Schlacht allen den Kopf, ja sogar den Bauern.

Schlielich haben die Eidgenossen noch gegen das Herzogtum Mailand gekmpft (1499-1515) und ihm einige Gebiete sdlich der Alpen abgerissen. Die Mailnderkriege (Milano karai) bildeten die schwerste Krise im schweizerischen Sldnerwesen. Schweizer Sldner zogen sowohl auf der Seite der Herzge von Mailand, wie auf der Seite Frankreichs und des Papstes in den Krieg und standen sich oft im direkten Kampf gegenber. Die Tagsatzung hat einen Erlass angenommen, der den Schweizern unter Todesstrafe verbieten sollte, als Sldner in fremden Heeren zu dienen, doch die materiellen Interessen waren strker, und der Erlass wurde nicht durchgefhrt. 1521 kam ein Soldvertrag mit Frankreich zustande, dem alle eidgenssischen Orte beitraten. Die franzsische Allianz blieb die einzige, an welcher seit dem 17. Jh. alle Orte beteiligt waren. Sie bildete die Grundlage fr eine enge militrische und konomische Bindung an das westliche Nachbarland, die bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft 1798 erhalten bleiben sollte.

Am 17. Dezember 1513 hatte die Eidgenossenschaft 13 Orte: ihr traten Basel, Schaffhausen und Appenzell bei. Sie war auch de facto (nicht aber de jure) unabhngig, denn seit 1495 zahlte die Eidgenossenschaft keine Reichssteuern dem deutschen Kaiser mehr. Die 13 Orte bildeten das erste gemeinsame Staatsorgan - die Tagsatzung (suvereni vietovi pasiuntini sueitis). An ihren regelmigen Konferenzen war jeder Stand mit zwei Abgeordneten und einer Stimme vertreten. Diese staatsrechtliche Form existierte bis 1798.

Die Reformationszeit in der Schweiz (16.Jh.)

Die erfolgreiche Abwehr des Angriffs Karls des Khnen (1477) hatte den Bund der Eidgenossen gestrkt und ihnen die Kraft gegeben, den Versuchen des deutschen Kaisers Maximilian zu widerstehen, sie dem Heiligen Rmischen Reich gefgig zu machen.

Der Staatsform nach bildeten die Kantone einen lockerern republikanischen Staatenbund, in dem jedes Glied seine inneren Angelegenheiten unabhngig verwaltete, whrend die Beziehungen zum Ausland auf den Tagsatzungen festgelegt wurden. Die auslndische Politik war auf weitere territoriale Expansion ausgerichtet. Erst nach der Niederlage der Eidgenossen bei Marignano (1515) proklamierte die Eidgenossenschaft ihre Neutralitt.

1510 bekamen Genf und Zrich das Recht, die geistliche Autoritt unter die weltliche zu stellen (d.h. sieben Jahre vor Luthers Thesen war das Kernstck der Reformation in der Schweiz bereits verwirklicht). Zwingli fand freie Bahn, um Kirche und Staat zu verschmelzen.

Die Reformation begann in Zrich, wo Huldrych Zwingli (1484-1531) seit 1518 als Leutpriester am Gromnster wirkte. Dieser am rationalsten denkende und erfolgsloseste der Reformatoren, wurde am 1. Januar 1484 im Bergdorf Wildhaus geboren (groe Mnner kommen in kleinen Husern zur Welt!). Er studierte in Basel, Bern und Wien. Vom Bischof von Konstanz zum Priester geweiht, trat er 1516 eine Pfarrstelle in Glarus an. Unter dem Einfluss von Erasmus von Rotterdam erwachte in ihm der Plan einer Reform der Kirche. Vorerst Feldprediger in den Mailnder Feldzgen und schlielich Leutpriester in Zrich lste er eine Reformation aus, die schlielich berragenden Einfluss auf die politischen Verhltnisse seiner Zeit gewann. Der gebildete Kleriker war auch ein energischer Politiker und verband die kirchliche Erneuerung geschickt mit Forderungen nach konomischer und politischer Reform. Die Revolution Zwinglis bestand in folgendem:

1. Er ersetzte die Messe durch die Predigt.

2. Er hob das Verbot des Fleischgenusses in der Fastenzeit auf (, weil die Bibel darber nichts wei).

3. Er lie den Heiligenkult fallen.

4. Er forderte die Priester zu heiraten und in der Mundart (nicht auf Latein!) zu taufen.

Zwingli verlangte die Rckkehr zum Bibeltext. Er wandte sich gegen den Zerfall des Klerus und gegen die Ablasskrmerei. Seine Polemik gegen das Pensionenwesen und die Reisluferei (samdininkyst) trug ihm die Untersttzung der Znfte ein, denen das Kriegshandwerk die Arbeitskrfte entzog. Das Landvolk gewann Zwingli mit seinen Predigten gegen die Leibeigenschaft und der Forderung nach einer Reform der Feudalabgaben.

Am 25.01.1523 verteidigte er 67 Thesen. Danach erschienen zwei Werke mit seiner Lehre: De vera et falsa religione (1525) und Ratio fidei (1530). Hier seine Hauptthesen:

1. Sndenfall ist nicht eine von unseren ersten Eltern - Adam und Eva - an uns weitergegebene Schuld oder Belastung, sondern eine in der Natur des Menschen liegende Neigung zum Bsen.

2. In Anlehnung an Luther und Calvin bekannte er sich zur Prdestinationslehre: alle Dinge und eines jeden Menschen Schicksal sei von Gott vorgesehen. Die nicht auf seine Heilsbotschaft hren, sind verurteilt.

3. Die Ohrenbeichte ist nicht vonnten.

4. Keine Priester - nur Gott - kann Snden vergeben.

5. Das Abendmahl darf nur viermal im Jahr verabreicht werden.

6. Als Richtsschnur fr die Lehre und das sittliche Verhalten soll die unfehlbare Bibel gelten (sie wurde 1534, vier Jahre vor dem Erscheinen der verbesserten Fassung Luthers, in Zrich auf Deutsch verffentlicht).

7. Alle religisen Bildwerke, Symbole und Reliquien, sogar die Orgel, wurden aus der Kirche entfernt.

8. Die Klster und Konvente wurden in Spitler und Schulen umgewandelt, Mnche und Nonnen heirateten.

9. Aufgehoben waren die Namenstage der Heiligen, das Weihwasser, die Seelenmessen und Wallfahrten.

Also: die Kirche und Staat verschmolzen zu einer Einheit, deren inoffizielles Haupt Zwingli und die Bibel als erste Quelle und letztes Kriterium des Rechts betrachtet waren.

1524 kam es zum Krieg zwischen Anhngern Zwinglis und den Katholiken. Auch zwischen den deutschen und schweizerischen Protestanten gab es keine Verstndigung. In kirchlichen Angelegenheiten stand Zwingli unter dem Einfluss Luthers. Am 29.09.1529 trafen sich Luther und Zwingli in Marburg. Zwingli gab in vielen Punkten nach. Doch er verwarf Luthers Lehre von zwei Welten (der himmlischen und der irdischen) durch die Lehre einer ungebrochenen Einheit geistlich - weltlicher Lebensordnung. Sein Motto lautete: Kirchenzwang plus aktive stdtische Politik nach innen und auen. Und so standen im Sden des Reiches nicht die Frsten, sondern die Stdte an der Spitze der reformatorischen Bewegung. Auerdem lie Zwingli an seiner Auffassung vom Abendmahl als einem bloen Erinnerungssymbol ohne wunderwirkende Kraft nicht rtteln. Wegen dieses Punktes kam es nicht zur Verstndigung, beide trennten sich als Feinde.

1525 schloss sich der Zrcher Rat seinen Neuerungen an. Die Messe wurde zugunsten der freien Bibelauslegung abgeschafft, das Eheverbot der Priester aufgehoben, der kirchliche Grundbesitz skularisiert. Der Boden und die Zins- und Zehntrechte gingen an die Stadt ber. Die Reformation bedeutete eine gewaltige Strkung des stdtischen Brgertums. Die lndliche Wiedertuferbewegung, welche mit der Leibeigenschaft auch die Zins- und Zehntverpflichtungen abschaffen wollte, wurde deshalb aufs grausamste verfolgt, die Bauern wieder unter die Herrschaft der Stadt gezwungen.

Nachdem die Bauernunruhen in verschiedenen stdtischen Untertanengebieten unterdrckt waren, breitete sich die Reformation rasch aus. St. Gallen, das Bndner Landvolk, Basel, Biel, Mlhausen und Schaffhausen wurden protestantisch. 1528 trat auch das mchtige Bern der Reformation bei. Die leitenden Zentren der Reformation wurden Bern und Zrich. berall gingen religise, politische und wirtschaftliche Motive Hand in Hand, berall waren die herrschenden Znfte die treibende Kraft der Erneuerung. In allen Stdten bedeutete die Reformation eine Festigung der Herrschaft ber das Land und eine Strkung der stdtischen Obrigkeit.

Es gab auch Stdte, in denen die Handwerker eine schwache Stellung hatten und die beim katholischen Glauben blieben: Luzern und Zug in der Innerschweiz, Solothurn und Freiburg im Westen. Das Zentrum des altglubigen Widerstandes bildete aber die innere Eidgenossenschaft: Die buerlichen Landorte erkannten in der Reformation sofort eine Bewegung, welche die Strkung der Stdte geeignet war, ihre Unabhngigkeit zu gefhrden. Schon 1524 schlossen sie sich in einem Bndnis mit Luzern und Zug zusammen, um diese lutherische, zwinglische, hussitische, irrige und verkehrte Lehre in allen unseren Gebieten und Obrigkeiten auszurotten, zu wehren, zu strafen und niederzudrcken, soweit wir es vermgen.

Zwingli schmiedete hochfliegende Plne fr eine Reform des eidgenssischen Bndnisses im stdtischen Sinne. Die Lnder sollten von der Verwaltung der Gemeinen Herren (nesuverenios vietovs) (es waren Unselbstndige, d.h. die von den Landvgten verwalteten Landgebiete Thurgau, Tessin, Veltlin, Teile des Aargaus und Rheintales) ausgeschlossen werden.

Die beiden groen Stnde Zrich und Bern sah er zur Vorherrschaft in der Eidgenossenschaft bestimmt. Die Einsetzung eines reformationsfeindlichen Vogtes in den gemeinsamen Herrschaften des Aargau gab den willkommenen Anlass fr einen Krieg der reformierten Stdte gegen die katholischen Lnder.

Am 11. Oktober 1531 kam es zur Schlacht zwischen 8000 Katholiken und 1500 Protestanten. In dieser Schlacht fand Zwingli den Tod. Die Sieger vierteilten seinen Leichnam und verbrannten ihn. Schadenfreudig sagte Luther: Dieser gefallene Glaubensstreiter sei ein Verfhrer zu Irrtmern gewesen und infolgedessen gestorben wie ein Mrder. Ja, von allen modernen Menschen war Luther der mittelalterlichste!

Das war der Beginn der 200jhrigen Periode von Glaubenskriegen. Zweimal siegten aber die Katholiken in diesem Krieg. Der zweite Kappeler Landfrieden (1531) regelte die konfessionellen Verhltnisse in den Gemeinen Herrschaften zugunsten der katholischen Orte: fr fast 200 Jahre wurde ein politisches bergewicht der katholischen Minderheit ber die reformierte Mehrheit im eidgenssischen Bndnis festgelegt.

Die Reformation hatte in den eidgenssischen Stdten ihren Siegeszug angetreten, als der Adel schon lange geschlagen war, und es nur noch darum ging, die Herrschaftsrechte der Kirche in die Hand zu bekommen. Anders lagen die Verhltnisse in den franzsischsprachigen Gebieten vor den Toren Freiburgs und Berns. Die Reformation wurde hier zu einem politischen Feldzug, der sich gleichzeitig gegen die Hoheitsrechte des Adels und die Macht der katholischen Kirche richtete.

Die Herzge von Savoyen besaen in der Waadt ausgedehnte Gebiete. Diese Gebiete wollten Freiburg und Bern ihnen abnehmen. Beide Orte waren seit 1526 mit katholischem Genf verbunden. Bern untersttzte systematisch evangelische Prediger in der Waadt, Neuenburg und Genf. Freiburg untersttzte dagegen die Anhnger des alten Glaubens.

Der Gegensatz zwischen den zwei Glaubensrichtungen wurde immer mehr zu einem Gegensatz zwischen den beiden rivalisierenden Stdten. Genf, das sich zwischen seinen zwei streitenden Bundesgenossen in einer unangenehmen Lage sah, entschied sich fr den strkeren. Mit Hilfe Berns konnte Genf sich von seinem Herrn befreien, und die Reformation siegte. 1536 zog Jean Calvin (1509-1564) in die Rhonestadt ein. Bern eignete sich im selben Jahr den grten Teil der savoyischen Herrschaftsgebiete in der Waadt an, Freiburg musste sich mit einem kleinen Rest begngen, der allerdings sein Territorium auch erheblich erweiterte.

Die Eidgenossenschaft wurde durch die Reformation in zwei konfessionelle Lager gespalten. Dem Bund der katholischen Orte stand das Burgrecht der reformierten Stdte gegenber. Das reformierte Lager umfasste etwa zwei Drittel der Bevlkerung und die wichtigsten wirtschaftlichen Zentren. 1536 erschien das 1. Helvetische Glaubensbekenntnis (veicarijos tikjimo ipainimas), das eine generation lang Zwinglis Auffassungen authentisch wiedergab. 1549 bezeichnet Calvin in seinem Consensus Tigurinus die Zrcher und Genfer Protestanten als Mitglieder einer einzigen Reformierten Kirche. 1559 erscheint die endgltige lateinische Fassung von Calvins Christinae Religionis Institutio als Zusammenfassung der Lehre des Calvinismus. 1566 schlossen sich die zwinglianischen und die calvinistischen Stdte zu einem gemeinsamen evangelischen Glaubensbekenntnis (tikjimas), der Confessio Helvetia posterior, zusammen.

Der konfessionelle Gegensatz zu den angrenzenden katholischen Gebieten des Deutschen Reiches fhrte zu einer Entfremdung und allmhlichen Ablsung der Eidgenossenschaft vom Reich. Nach dem 30jhrigen Krieg wurde die Eidgenossenschaft formell (de jure) vom Deutschen Reich annerkannt.

Im Innern der Schweiz erstarrte die Front zwischen den konfessionellen Lagern. Mit Untersttzung der Weltmacht Spanien behielten die inneren Orte fr lange Zeit ihre Rolle, waren jedoch vom Bewusstsein der Unterlegenheit gegenber den Stdten geprgt. Deshalb achteten sie eiferschtig auf die Wahrung der alten Rechte. In den Gemeinen Herrschaften hielten sich die innern Orte schmale katholische Korridore zum glaubensverwandten Ausland offen. Immer wieder kam es zu Spannungen wegen den konfessionell gemischten Vogteiverwaltungen in den gemeinsamen Untertanengebieten. Letzlich hat aber das Interesse an den Gemeinen Herrschaften die Eidgenossenschaft vor dem Auseinanderfallen in der Zeit der konfessionellen Spaltung bewahrt.

Die Reformation hat nicht nur auf religisem und politischem Gebiet tiefe Spuren in der Eidgenossenschaft hinterlassen, sondern auch in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Unter den Glaubensflchtlingen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden, welche in die reformierten Orte der Eidgenossenschaft kamen, befanden sich viele wohlhabende Kaufleute und ehemalige Besitzer von Textilmanufakturen. Ihre Erfahrungen und Geschftsverbindungen haben der industriellen Entwicklung der reformierten Stdte und ihrer Untertanengebiete starke Impulse verliehen. Woll- und Seidenverarbeitung, Goldschmiedekunst und Uhrmacherei, aber auch Fernhandel und Banken gehen auf die Glaubensflchtlinge zurck. Nur St. Gallen kannte zu Beginn des 16. Jh. noch eine alte blhende Textilindustrie. In Zrich, Basel und Genf ist es dagegen weitgehend den Flchtlingen zu verdanken, dass Handel und Gewerbe wieder auflebten.

Auch in diesen Stdten waren allerdings die Kaufleute nicht immer gern gesehen. Sie gerieten beim Aufbau ihrer Unternehmungen oft in scharfe Konkurrenz zu den Znften und mussten vielfach aufs Land ausweichen. Nur in Genf konnten sie sich ungehindert entfalten, da unter den langen savoyischen Herrschaft keine Znfte aufgekommen waren.

Die Verarbeitung von Wolle, Leinen und Seide sprengte bald den stdtischen Rahmen. Neue Arbeitskrfte waren auf dem Land zur Genge vorhanden. Besonders die rmste Schicht der Bauern war neben ihrer sprlichen Kleinlandwirtschaft auf Zusatzverdienste angewiesen. Die Heimarbeit (namudininkyst) begann sich auszuarbeiten. Die Landbevlkerung erhielt vom stdtischen Handelsherrn das Rohmaterial und musste es nach der Verarbeitung wieder abliefern. Die Zrcher Gebrder David und Heinrich Werdmller beschftigten 1000 Spinnerinnen und Spinner auf der Landschaft und erwarben sich damit ein gewaltiges Vermgen.

Das Verlagssystem (perdislokavimo sistema) hat sich vor allem in den Untertanengebieten der protestantischen Stdte und in den konfessionell gemischten Landorten Appenzells und Glarus ausgebreitet.

Die katholischen Gebiete blieben dagegen weitgehend bei der Landwirtschaft. Im Voralpen- und Alpengebiet war dies vor allem Viehzucht, in den tiefergelegenen Regionen des Mittellandes Ackerbau. Die groe Ausnahme bildete Bern. Trotz grozgigen Frderungsmanahmen zugunsten der Textilindustrie blieb die Berner Landschaft ein Agrarland, und Vogteiverwaltungen und Staatsdienste blieben das Haupteinkommen des patrizischen Brgertums.

Das Ancien Rgime (17.Jh. - 1712)

In den acht Stdten und fnf Landorten der alten Eidgenossenschaft erstarrte nach der Dynamik der Reformationszeit das politische Leben. Die Herrschaft beschrnkte sich auf einen immer kleineren Kreis von Familien. In den Landsgemeindekantonen versuchten die Behrden, die Rechte der Landgemeinde zu beschrnken. Es gelang zwar nicht, die Volksversammlung der Landleute auszuschalten, aber die Stellung der patrizischen Familien war doch berragend. Durch Sldnerwerbung, durch Grundbesitz und durch Handel und Industrie kamen sie bisweilen zu groem Reichtum, von dem noch heute der Freulerpalast in Nfels (Kanton Glarus) zeugt. Wie in den Stdten wurden in den Landorten Neuaufnahmen ins Landrecht eingeschrnkt und die Fremden von der Nutzung des Gemeindebodens ausgeschlossen. Eine breite Schicht von rechtslosen Kleinbauern (Hintersaen) entstand, die oft mit dem schlechteren Boden vorliebnehmen mussten und als Landarbeiter oder Taglhner zur untersten Schicht der buerlichen Gesellschaft gehrten.

Viel ausgeprgter als auf dem Land war der Prozess der Aristokratisierung in den Stdten. In Bern, Freiburg und Luzern, wo das Patriziat schon immer eine starke Stellung gegenber den Znften der Handwerker eingenommen hatte, verengte sich der Kreis der regimentsfhigen Geschlechter rasch. Intrigen und Cliquenkmpfe unter den rivalisierenden Familien waren an der Tagesordnung. Die Brgerschaft zerfiel in regimentsfhige Familien, Einwohner mit einigen Rechten in den Znften und Hintersaen, die gar keine politischen Rechte besaen. Die groe Mehrheit der Brgerschaft war vom politischen Leben ausgeschlossen. In die Verwaltung der 52 bernischen Vogteien konnte nur der berufen werden, wer im Groen Rat sa, dessen Sitze auf Lebzeiten unter den patrizischen Familien vergeben wurden. Im Verlauf der Zeit reduzierte sich die Zahl der regimentsfhigen Familien in Bern auf 68, in Freiburg auf 71, in Luzern gar auf 29. Tatschlich regiert wurden diese Stdte von einem noch viel kleineren Kreis.

Auch die Zunftstdte Zrich, Basel und Schaffhausen schlossen sich immer mehr ab, wenngleich sie ein kein so exklusives Patriziat herausbildeten wie Bern und die katholischen Stdte. So wurden neue Brger nicht mehr ins Stadtrecht aufgenommen; die Regierungsgeschfte lagen ganz in den Hnden der Zunftmeister.

Gegenber der Landschaft setzten die Stdte immer selbstherrlicher ihren Obrigkeitsstandpunkt durch. Volksanfragen (referendumai), wie sie zur Zeit der Reformation noch hufig gewesen waren, verschwanden im 17. Jh. vollstndig. Nicht nur den Drfern, sondern auch den Landstdten entzog man sukzessiv die Autonomie. Das Landvolk wurde zu Untertanen der gndigen Herren. Pfarreipfrnden auf dem Land (parapijos pelnas, gautas kaime) blieben der stdtischen Brgerschaft vorbehalten, um auch von der Kanzel das Landvolk immer wieder zu einer untertnigen Haltung gegenber der gottgewollten Obrigkeit zu ermahnen.

Der lndliche Unmut gegen die Herrschaftsansprche der Stadt hatte sich seit der Zeit der Burgunderkriege und der Reformation immer wieder in Unruhen Luft gemacht. Die Aristokratisierung der stdtischen Obrigkeit verschrfte diesen latenten Spannungszustand noch.

Whrend des 30jhrigen Krieges (1618-48), von dem die Eidgenossen mit Ausnahme Graubndens verschont blieben, wurden zur Befestigung der Grenzen neue Steuern erhoben, der Getreide- und Salzhandel monopolisiert, Luxuswaren verboten. Die neuen Belastungen fhrten noch whrend des Krieges (1645) zu einem Aufstand im Zrcherland und in der Ostschweiz, nach dessen Niederwerfung sieben Rdelsfhrer hingerichtet wurden. Im Berngebiet konnte wegen des Boykotts von 70 Gemeinden eine neue Steuer nicht eingefhrt werden.

Der grte Ausbruch erfolgte aber erst nach dem Krieg. Bern und Luzern werteten ihre Mnzen ab und setzten eine so knappe Umtauschfrist an, dass diese lngst verstrichen war, als das Landvolk davon erfuhr. Eine ungeheure Erregung ergriff das Luzerner und das Berner Untertanengebiet, welche bald auch die Kantone Solothurn und Basel erfasste. Im Mittelland blieb nach den schlimmen Erfahrungen frherer Jahre nur die Ostschweiz ruhig.

Die Bewegung stand unter der Fhrung von reichen Bauern, von Hans Emmenegger und Niklaus Leuenberger. Es ging im Bauernkrieg nicht so sehr um die wirtschaftlichen Nte der Kleinbauern, als um die Bewahrung der alten Rechte und Freiheiten. Diese lagen seit langem in den Hnden der Dorfaristokratie.

Trotz einer scharfen Warnung der Tagsatzung, die Zusammenrottungen und Aufruhr bei leibs und lebens straff verbot, versammelten sich die aufstndischen Bauern aus Luzern, Bern, Solothurn und Basel in Huttwil (1653) und beschworen die Erneuerung der alten eidgenssischen Bnde. Dem Bund der Herren stellten sie einen Bund der Bauern entgegen und interpretierten den alten Freiheitsmythos von Wilhelm Tell auf ihre Weise.

Nachdem sie sich zuverlssiger Truppen versichert haben, war es jedoch fr die stdtischen Herren ein leichtes, den Bauernaufstand niederzuwerfen. Mit drakonischer Hrte wurde das Landvolk bestraft. Todesurteile, Verbannungen und Verstmmelungen, hohe Buen und der Entzug alter Rechte und Privilegien verhngte das Kriegsgericht der Tagsatzung. Die grte Bauernerhebung in der Geschichte der Eidgenossenschaft endete mit dem vollstndigen Sieg der Obrigkeit.

Fr Zrich und Bern schien die Solidaritt der herrschenden Arstokratien eine gnstige Gelegenheit, um einen neuen Anlauf zur Reform des Bundes zu nehmen. Der Zrcher Brgermeister Johann Heinrich Waser erhielt den Auftrag, einen neuen Bundesbrief zu entwerfen. Aus seinen Plnen wurde aber nichts. Wie 1631 wehrten sich die Landorte erbittert gegen jede Beschrnkung ihrer Hoheitsrechte zugunsten der Stdte. Drei Jahre nachdem sie gemeinsam die buerlichen Untertanen niedergemacht hatten, standen sich die Aristokraten aus Stadt und Land schon wieder mit der Waffe in der Hand gegenber.

In den Gemeinen Herrschaften des Aargau prallten sie aufeinander. In der Schlacht bei Villmergen lieen die Berner mehr als 500 Tote auf dem Schlachtfeld zurck. Fr weitere 50 Jahre wurden im dritten Landfrieden (1656) die Vorrechte der katholischen Orte befestigt.

Die latente Spannung, die zwischen den konfessionellen Lagern der Eidgenossenschaft herrschte, wurde vor allem in den Gemeinen Herrschaften ausgetragen. In dieser Pufferzone kam es alle paar Jahre zu kleineren oder greren Konflikten, da die katholischen Orte seit 1531 das bergewicht in der Verwaltung dieser Gebiete besaen. 10-16 Jahre konnte es dauern, bis auf einen katholischen Vogt wieder ein reformierter folgte. Immer wieder fhlten sich die Protestanten von der katholischen Obrigkeit unterdrckt und umgekehrt.

In der Tagsatzung, die sich stndig mit konfessionellen Streitigkeiten befassen musste, hatten die Katholiken die Mehrzahl. Bei Streitigkeiten vermittelte oft die Stadt Basel und Schaffhausen (reformiert) und Freiburg und Solothurn (katholisch), da sie keine Anteile an der Verwaltung von Gemeinen Herrschaften besaen.

Auch die auslndische Diplomatie mischte sich bisweilen ein, wenn aus konfessionellen Streitfllen grere Verwicklungen zu entstehen drohten. Die europischen Mchte waren an ruhigen Verhltnissen in der Eidgenossenschaft interessiert, weil sonst ihr Nachschub an Sldnern gefhrdet war.

Zur Neutralisierung der Schweiz in den europischen Konflikten des 17. und 18. Jhs. hat neben der konfessionellen Uneinigkeit auch das Sldnerwesen mageblich beigetragen. Seit 1614 waren alle Orte einschlielich Zrichs in einem Soldabkommen mit Frankreich verbunden. Gleichzeitig waren die katholischen Orte auch Spanien und Savoyen, die reformierten Orte deutschen Frsten und den Niederlanden verpflichtet. Diese Mchte lagen in dauernden Kriegen untereinander. Die Eidgenossen bten eine hchst merkwrdige Neutralittspolitik, so dass sich whrend des spanischen Erbfolgekrieges in der Schlacht bei Malplaquet (1709) Schweizer Sldner auf franzsischer und auf niederlndischer Seite gegenseitig aufrieben. Wer immer ber gengend Gold verfgte, konnte in der Eidgenossenschaft Soldaten kaufen.

Seit dem 30jhrigen Krieg bemhten sich die Eidgenossen um Neutralitt in den europischen Auseinandersetzungen. 1647 kam das erste gemeinsame Verteidigungsabkommen der Eidgenossen (Defensionale von Wyl) zustande. Als der franzsische Knig die spanische Freigrafschaft im Westen Berns annektierte und zum bedrohlichen, direkten Nachbar der der Schweiz wurde, erklrte die Tagsatzung zum ersten Mal formell die bewaffnete Neutralitt. Seit Beginn des 18. Jh. wurde die Neutralitt der Eidgenossenschaft von den Gromchten auch de facto anerkannt, indem sie nicht mehr in die europischen Friedensschlsse einbezogen wurde.

Das Hauptgewicht der auenpolitischen Beziehungen lag im 17. und 18. Jh. auf der Verbindung mit Frankreich. Auch wenn zeitweise nicht alle Orte mit Frankreich in einem vertraglichen Verhltnis standen, so hatte doch das franzsische Gold einen gewaltigen Einfluss auf die eidgenssische Politik. In den Glanzzeiten von Ludwig XIV. nahm sich die Eidgenossenschaft wie ein franzsisches Protektorat aus.

Im Schatten der groen Auseinandersetzungen um die spanische Erbfolge gelang es den reformierten Stdten endlich, die Vormachtstellung der katholischen Lnder zu brechen. 1712 kam es zu einer zweiten Schlacht bei Villmergen, welche zugunsten der Stdte ausging. Im vierten Landfrieden (1712) wurden die Lnder von der Gemeinen Herrschaft Baden ausgeschlossen, die wie ein Riegel zwischen Zrich und Bern lag. Die konfessionellen Streitflle beurteilten von nun an eine parittische Kommission und nicht mehr die katholische Mehrheit. Die Spannungen um die Gemeinen Herrschaften nahmen von da an merklich ab, auch wenn es noch lange nicht zu einer eigentlichen Vershnung zwischen den beiden konfessionellen Lagern kam.

Die helvetische Revolution (1712 - 1830)

Der Sieg der protestantischen Orte von 1712 schloss nicht nur eine 200jhrige Periode von Glaubenskmpfen ab, sondern verschob auch die Machtverhltnisse in der alten Eidgenossenschaft zugunsten der Stdte, die sich in einem industriellen Aufschwung befanden. Die politischen Verhltnisse nderten sich zwar bis zum Jahr 1798 wenig.

Wie sah es in der alten Eidgenossenschaft 1715-1758 aus?

Die Schweiz bestand aus 3 Vlkern (Alemannen, Burgundern und Ostgoten), 4 Sprachen, 2 Religionen und lebte seit 1515 mit der umliegenden Welt im Frieden. 1715 bestand die Eidgenossenschaft aus 13 Kantonen. In jedem Kanton whlte eine Minderheit der erwachsenen Mnner einen Groen Rat (200 Mitglieder) und einen Kleinen Rat (64 Mitglieder). Der Kleine Rat bestand aus dem engeren Privatrat mit dem Brgermeister plus anderen Mitgliedern. Der Kleine Rat war zugleich das oberste Gericht. Darin saen Vertreter der Familien (in Luzern z.B. Vertreter der 29 Familien, die diese Stadt beherrschten). Fr einen Fremden war es beinahe unmglich, das Brgerrecht zu erhalten.

Die kantonale Regierung neigte zu patriarchalischer Autoritt. Die Rte in Zrich erlieen Gesetze zur Regelung von Mahlzeiten, Getrnken, Rauchen, Fahren, Hochzeiten, Kleidung, persnlichem Schmuck, Frisuren und Arbeitslhnen, sie kontrollierten die Qualitt und die Preise der Waren.

Die Kantone beobachteten eiferschtig ihre Selbstndigkeit. Jeder betrachtete sich als unabhngigen Staat, der frei ber Krieg und Frieden sowie auenpolitische Bndnisse entschied. Ein gltiger Beschluss musste einstimmig angenommen werden. Es gab unbedeutende Zollschranken, aber keine einheitliche Whrung und keine gemeinsame Verwaltung der berlandstraen.

Fast alle Bauern waren Eigentmer des Bodens, den sie bestellten. In den Stdten war die Industrie und Landwirtschaft verbunden. Freiburg war berhmt fr seinen Kse, Zrich fr seine Spitzen (nriniai) und Wein, Genf fr seine Uhren. Die schweizerische Finanz erregte schon damals den Neid Europas. Basel, Genf und Lausanne wetteiferten mit Amsterdam und Den Haag auf dem Gebiet des Buchdrucks. Die Patrizier waren grozgige Frderer der Kunst, Literatur und Wissenschaft, doch sie widersetzten sich jeder Manahme, die ihre Privilegien htte einschrnken knnen.

In moralischer Hinsicht standen die Schweizer hoch. Die Bauernfamilie war vorbildlich fr Flei, Nchternheit, Zusammenhalt und Sparsamkeit. Man hielt sich streng an Sitten. Die Kleidung von reich und arm war bescheiden. Regelmiger Kirchenbesuch war obligatorisch. Der ganze Sonntag war Gott bestimmt. Sogar in den Wirtshusern sang man sonntags Psalmen. Die katholischen und protestantischen Kirchen lebten in Fehde. Sowohl Kirche als Staat bten eine strenge Zensur aus. In den Schulen und in der Universitt von Basel herrschte religiser Fanatismus. Dennoch gab es auch einige groe Gelehrte im Lande, z.B. die Zricher Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger. Der hervorragendste Schweizer im 18.Jh., abgesehen von Jean-Jacques Rousseau, war Albrecht von Haller (1708-1777), der grte Naturforscher und Dichter der Schweiz. Zu nennen sind noch der Dichter und Maler Salomon Gener, der Theologe Johann Caspar Lavater und die Malerin Angelika Kauffmann.

Genf gehrte im 18. Jh. noch nicht zum helvetischen Staatenbund. Es war eine selbststndige Stadtrepublik mit einigem Hinterland, franzsischer Sprache und calvinistischer Religion. Auch hier regierte eine Kaste aus Vertretern des Adels und der Bourgeoisie (Fabrikanten, Kaufleute, Ladenbesitzer, Zunftmeister u.a.). Die Stadt regierte der Groe Rat (200 Mann), die Kleinen Rte (25 Mann) und der Kirchenrat. Der letzte bestimmte ber Erziehung, Moral und Eheschlieung. Seit 1758 bis 1778 lebte in der Nhe von Genf, auf dem Gut Ferney, der grte Mann des 18. Jh., Voltaire. 1767 lebten in der Schweiz 720 000 Menschen.

Das Land beherrschte ein reaktionrer Kastengeist der Aristokratie. Auf der sozialen und wirtschaftlichen Ebene vollzogen sich jedoch tiefgreifende Umwlzungen. Die Ausbreitung des konomischen Rationalismus zeigte einen allgemeinen Mentalittswandel an.

Es begann ein langwieriger Modernisierungsprozess, der aus dem stndisch-korporativ geordneten Europa des Ancien Rgime die brgerliche Gesellschaft und die von ihr getragenen Nationalstaaten hervorgehen lie.

Ausgelst wurde dieser Prozess durch ein ganzes Bndel von Vernderungen, die bereits im frhen 18. Jh. einsetzten:

1. Die Eroberung der berseeischen Kolonien durch Holland, Portugal, Spanien England und Frankreich und die Entwicklung der internationalen Handelsbeziehungen fhrten zur Erweiterung der Binnenmrkte fr gewerbliche und landwirtschaftliche Erzeugnisse;

2. Dies steigerte die Nachfrage fr diese Erzeugnisse, was einerseits die Einfhrung von neuen Produktionstechniken begnstigte und andererseits das Wirtschaftswachstum auslste;

3. Das Wirtschaftswachstum erffnete der Bevlkerung zustzliche Erwerbsmglichkeiten. Es waren meistens Leute, die in den alten korporativen Strukturen nicht mehr eingebunden waren und fr ihr Fortkommen auf die eigene Initiative angewiesen waren.

Damit vernderte sich auch die Wahrnehmung der stndischen Hierarchien und der damit verbundenen Herrschaftsausbung. Die neuen Zeiten gingen Schritt in Schritt mit neuen Ideen. Mit welchen Ideen? Das Gedankengut lieferte die Aufklrung (vietimo epocha). Die Aufklrung:

1. verlie sich auf Anschauung und Vernunft. Sie stellte die Legimation der alten politischen und kirchlichen Strukturen in Frage.

2. berief sich auf einen in der Vergangenheit vermuteten Naturzustand der Freiheit und Gleichheit. Die eigene Zeit erschien den Aufklrern als Epoche des Niederganges, aber auch des mglichen Neubeginns.

3. verlangten, dass an die Stelle der durch Geburtsvorrechte und Unterdrckung entstandenen Ungleichheit die Rechtsgleichheit aller handlungsfhigen Individuen, an die Stelle der verschachtelten Abhngigkeitsverhltnisse ein einheitlich verfasstes, auf die Zustimmung seiner Brger beruhendes Staatswesen treten sollte.

Doch diese Forderungen wollten die herrschenden Schichten in der Stadt und auf dem Lande nicht mal bercksichtigen. Solcher soziokonomischer Wandel kann ohne revolutionre Brche und Rckschlge nicht verlaufen. Das beste Beispiel ist dafr die Schweiz, wo innerer Reformbedarf und Druck von aussen bei der Modernisierung ineinandergriffen.

Die alte Eidgenossenschaft war kein Hort ursprnglicher Freiheit. Hier fand man dieselben absolutistischen Herrschaftsstrukturen wie in jedem anderen europischen Staat. Nur die Territorialstaatsbildung (wie in Deutschen Reich) war hier frh abgeblockt. Die Eidgenossenschaft war auf dem Stand eines losen Bndnisgelechts zwischen souvernen Orten stehen geblieben, in das auch Verbndete und zugewandte Orte (es waren die mit Dreizehn alten Orten oder einzelnen Orten verbundenen Gebiete, die keinen Einfluss auf die eidgenssische Politik hatten, aber Schutz genossen und Kriegshilfe leisten mussten: Graubnden, das Wallis, Basel, Basel, Rottweil, Mllhausen, St. Gallen, Biel, Genf, Neuenburg) einbezogen waren. Zusammengehalten wurde das Ganze durch die Tagsatzung, eine Gesandtenkonferenz, die seit der Reformation in zwei konfessionelle Blcke zerfiel, und durch die Gemeinen Herrschaften. Sowohl in den Stadtrepubliken als auch in den Landsgemeindeorten war nur eine schmale Schicht von privilegierten Vollbrgern an der Herrschaft beteiligt. Zwar wurden mter und Ehren durch einen ritualisierten Wahlprozess vergeben, die Zahl der Familien, die Zugang zum Regiment (valdymas) hatten, war aber im Laufe der Zeit immer kleiner geworden. Durch einen oligarchischen Ausleseprozess hatten sich in den Stdten Patriziate (patricijatai) und in den Landorten Huptergeschlechter (vietovs valdytoj dinastijos) etabliert, die ein aristokratisches Standesbewusstsein pflegten.

Die stdtischen und lndlichen Aristokratien verstanden sich als von Gott gesetzte Obrigkeiten, die ber das geistliche und materielle Wohl ihrer Untertanen zu wachsen hatten. Vor allem waren sie dafr besorgt, die Ressourcen des Landes fr ihren eigenen Machterhalt zu nutzen. Whrend die Potentaten in der Innerschweiz (Centrinje veicarijoje) den Passverkehr (perj eismas) kontrollierten und den Solddienst (tarnyba samdini kariuomenje) zu einem lukrativen Geschft machten, zogen die Stdte das znftische Handwerk (manufaktrin amatininkyst) und den Handel an sich und bedienten sich der untertnigen Landschaft als Zulieferer von Nahrungsmitteln und als Arbeitskrftereservoir. Als Rechtsnachfolger (teisti paveldtojai) der feudalen Grundherren setzten sie in den von ihnen erworbenen Gebieten Landvgte (landfogtas) ein und erhoben auch weiter die alten Feudalabgaben, Grundzinsen und Zehnten. Sie unternahmen alles, um zu verhindern, dass die Untertanen in die den Stadtbrgern vorbehaltenen qualifizierten Berufe eindrangen. Die Kaufleute und Patrizier (=stdtische Oberschichten) profitierten am meisten vom Wirtschaftswachstum, denn in ihre Hnde flossen die Gewinne, die sie reinvestierten. Whrend die Patrizier lieber Gter aufkauften, setzten die im Fernhandel erfahrenen Kaufleute auf Produktionsausweitung. Sie passten sich der zunehmenden Nachfrage nach Textilien und Luxusgtern an, und da die Znfte mit ihren rigiden Zulassungsregeln der Massenproduktion nicht gewachsen waren, griffen sie auf Heimarbeiter (namudininkai) auf der Landschaft zurck.

Die von stdtischen Auftraggebern organisierte Heimindustrie vernderte im 18. Jh. die Beschftigungs- und Sozialstruktur ganzer Regionen. In der Ostschweiz enstand die Baumwollverarbeitung, im Baselgebiet die Seidenbandindustrie, Seidenstoffweberei und Stickerei, um Genf, in Neuenburg und im Jura die Uhrmacherei. Die alten Textilindustrien, die Leinen- und die Wollverarbeitung gingen zurck. Diese Regionen hingen, was die Zufuhr von Rohstoffen und den Absatz ihrer Produkte betraf, vom Ausland ab. Fr die Deckung ihrer Bedrfnisse blieben die industriellen Arbeitnehmer jedoch auf die lokalen Mrkte und Dienstleistungen angewiesen. Um die Versorgung sicherzustellen, war deshalb auch eine Ausweitung des lndlichen Gewerbes, waren vor allem aber Produktionsfortschritte in der Landwirtschaft erforderlich, die wegen der kollektiven Bodennutzung, des Flurzwangs und der an die Obrigkeit zu leistenden Naturalabgaben stagnierte.

Natrlich fassten die Ideen einer kommerziellen Wirtschaft auf dem Lande Fu, aber nur langsam. Die Allmenden (bendruomenin em) wurden der allgemeinen Weidennutzung entzogen und unter den reichen Bauern aufgeteilt. Der bergang zur Stallftterung des Viehs erlaubte die Dngung der Felder und die bessere Nutzung des Brachlandes. Unter dem zunehmenden Bevlkerungsdruck, der zu periodischen Hungersnten fhrte, verbreitete sich der Anbau von Kartoffeln und Klee, die alte Dreifelderwirtschaft zerfiel langsam.

Die Bevlkerung wuchs, vor allem auf dem Lande, von 1,2 Mio. (1700) auf 1,6 Mio. (1800). Die Reisluferei (tarnyba landsknechtu kariuomenje) vermochte bis

80 000 Mnner zu absorbieren, aber ihre Attraktivitt nahm im Laufe des 18. Jh. ab. Die starke Verbreitung der Viehzucht und die Aufteilung der Allmenden fhrten zu einer dauernden berbevlkerung auf dem Lande. Kleinbauern und Tagelhner ohne Grundeigentum waren auf zustzliche Beschftigung mehr denn je angewiesen. Hunderttausende lebten auf dem Land bald zum kleineren oder greren Teil von der Heimarbeit. Das 18. Jahrhundert wurde zur eigentlichen Epoche der Industrialisierung der Schweiz, die bis zum Ausbruch der helvetischen Revolution zum meist industrialisierten Land Europas aufstieg.

Mit der Aufnahme der aufklrerischen Idee des Naturrechts (prigimtin teis) wuchs in der 2. Hlfte des 18. Jh. berall die Kritik an den bestehenden Verhltnissen.

Der dogmatische Kalvinismus, der 1675 in der Formula Consensus noch einmal befestigt worden war, begann sich aufzuweichen, und in den katholischen Patrizierstdten entstanden liberal-religise Stmungen. Naturwissenschaftler wie Johann Bernoulli (1667-1748), Leonhard Euler (1707-1783) und Albrecht von Haller leisteten bedeutende Beitrge an die wissenschaft der Aufklrungszeit. Die Erziehungsexperimente und Schriften von Heinrich Pestalozzi (1746-1827) erlangten eine weit ber die Schweiz hinausreichende Bedeutung. Ein neues Nationalgefhl, das vom Gegensatz zu den umliegenden absolutistischen Monarchien lebte, breitete sich aus.

Aber die Obrigkeit war sehr wachsam, die Zensur streng, und man griff hart gegen Widersetzlichkeiten durch. Es lie sich aber nicht verhindern, dass sich in den Stdten und bald auch auf der Landschaft Diskussionszirkel und Lesegesellschaften bildeten, die das Gedankengut der Aufklrung verbreiteten. In der Helvetischen Gesellschaft (1761) und anderen patriotischen Zirkeln sprach man viel ber das Wohl des Vaterlandes. Doch die Reformbemhungen dieser Sozietten hielten sich im Rahmen der berlieferten stndischen Ordnung und wurden rasch von der Entwicklung in Frankreich berholt.

Doch dieses Bild trgt, denn im ganzen 18. Jh. flammten immer wieder Volkserhebungen, Verfassungskmpfe und Verschwrungen gegen die Herrschaft des Patriziats auf. Immer weniger wollten die Untertanen politische rechtslosigkeit, Steuerdruck und wirtschaftliche Zurcksetzung gegenber den Hauptorten hinnehmen. Immer entschiedener verlangten in den Stdten die vom Regiment ausgeschlossenen Brger Teilhabe an der politischen Macht. Genf erlebte 1704-07 die ersten Verfassungskmpfe, 1737 gelang ein antipatrizischer Durchbruch, 1782 erhielt ein groer Teil bisher rechtsloser Brger politische Mitsprache in der Stadt. In Bern scheiterte 1749 dagegen ein Aufstandsversuch gegen das Patriziat, und der Anfhrer Samuel Henzi (1701-1749) und einige Mitverschwrer wurden hingerichtet.

1789 begann die Groe Franzsische Revolution. Durch sie wurde ein Modell fr den Umbau von Staat und Gesellschaft geschaffen, das fr den Verlauf der Modernisierung in ganz Europa vorbildlich wurde. Die franzsische Nationalversammlung arbeitete eine reprsentativ-demokratische Verfassung aus und legte mit der Erklrung der Menschen- und Brgerrechte einen Katalog der Grundstze fest, die von fundamentaler Bedeutung fr die Ausgestaltung aller modernen Rechtsordnungen werden sollte:

1. die unveruerliche (neatimama) persnliche Freiheit jedes Menschen;

2. die Glaubens- und Meinungsfreiheit und

3. das Recht auf Eigentum.

All diese Rechte hieen einfach Freiheit, Gleichheit , Brderlichkeit. Diese Formel war sehr populr, doch ihre praktische Verwirlichung fhrte rasch zu neuen Interessenkollisionen. Persnliche Freiheit und Rechtsgleichheit setzten voraus, dass alle Beschrnkungen beseitigt werden mussten, die bisher die Verfgung ber die eigene Arbeitskraft und die wirtschaftliche Ttigkeit behindert hatten. Das bedeutete zum einen die Aufhebung der Handels- und Gewerberestriktionen, der Znfte und der staatlichen Monopole, zum andern aber auch die Abschaffung der Leib- und Grundherrschaft, die auf dem Verfgungsrecht der Feudalherren ber Land und Leute beruhte. Nach Feudalrecht waren Grund und Boden nur zur Nutzung gegen die Leistung von Densten und Abgaben (laas ir duokl) ausgeliehen.

Da die neue Verfassung jedem Brger Recht auf Eigentum garantierte, entstand ein wichtiges Problem: auf welche Weise und woher sollte der Brger Eigentum bekommen? Zum einen vom Grundherren, der aus seinen Gtern eine Rente zog, zum andern vom Grobauern, der seinen Boden bewirtschaftete. Der ehemalige Leibeigene konnte sich loskaufen. Aber er hatte kein Geld. Man ging also den primitivsten Weg: man enteignete die Grundherren und man teilte die Bden der reichen Bauern auf. Die Grundherren und die Bauern wurden zu Feinden der Revolution. Das gleiche Schicksal ereilte auch die franzsische katholische Kirche (sie war nicht mehr als Teil der gttlichen Ordnung verstanden, sondern als Vollzugsorgan der Vernunft). Indem man aber die Reichtmer und Eigentmer der Kirche nationalisierte, die Klster skularisierte und die Priester verbeamtlichte, verletzte man die Glaubens- und Gewissensfreiheit und man schuf sich neue Feinde. Am Ende verbanden sich alle Gegner: die entmachteten Patrizier, der depossedierte Landadel, die skularisierte Kirche und das immer noch glubige Kirchenvolk. Sie baten ihre Freunde, Verwandten und Verbndeten im Ausland um Hilfe. Die innere Konterrevolution und die ueren Gromchte begannen die (Koalitions)kriege gegen Frankreich. Die Revolutionre antworteten mit rotem Terror: Hunderttausende Konterrevolutionre wurden in den Jahren des Terrors (1793-94) auf die bestialste Weise ohne Gericht ermordet oder von dem Volkstribunal verurteilt und guillotiniert. Zugleich, um Interventionen zuvorzukommen und die Opposition auszuschalten, erklrte Frankreich 1792 den konservativen Mchten den Krieg und leitete damit eine 20 Jahre dauernde Expansionsphase - einen echten Raubkrieg - ein, die mit dem Export der durch die Revolution geschaffenen Rechtsordnung verbunden war.

Auch die Eidgenossenschaft wurde in diese Umgestaltung Europas einbezogen. 1794 erschien im Zricher Seeland das Memorial von Stfa, das die Gleichstellung von Stadt- und Landbrgern, Handels- und Gewerbefreiheit, Ablsung der noch bestehenden Feudallasten und freie Zulassung zu Studium und Offiziersmtern verlangte. Die Verfasser wurden hart bestraft.

Im ersten Koalitionskrieg der europischen Mchte gegen das revolutionre Frankreich verhielten sich die Eidgenossen neutral. Nachdem Napoleon Bonaparte aber Norditalien in seine Hand gebracht hatte, erhhte sich der militrische Druck auf die Eidgenossenschaft, denn die Schweizer Psse (kaln perjos) waren als direkte Verbindung zwischen Paris und und Mailand von strategischem Interesse fr die franzsische Revolutionsarmee. Im Dezember 1797 besetzte Frankreich vorerst die Besitzungen des Bistums Basel im Jura.

In der Stadt Basel gewhrte darauf der Groe Rat eilig den Untertanen Freiheit und Rechtsgleichheit. Ein entschiedener Verfechter der demokratischen Erneuerung war hier der Oberzunftmeister Peter Ochs (1752-1821). Wir wollen dem Gewitter zuvorkommen. Aus freiem Willen wollen wir uns revolutionieren. Zeigen wir einmal der Welt, wie sich eine Aristokratie von sich aus demokratisiert.

In der Waadt war Frdric Csar La Harpe (1754-1838) ein glhender Verfechter der Revolution. Noch vor dem Einmarsch der Franzosen wurde die Befreiung von Bern und die Lemanische Republik ausgerufen. Am 28. Januar 1798 zogen schlielich die Franzosen in Lausanne ein.

Die Tagsatzung konnte sich zu keinem entschlossenen Vorgehen gegen die Franzosen aufraffen. Im Unterwallis und in den sdlichen Alpentlern sagten sich die Untertanen von ihren Herren los, in Zrich und Schaffhausen wurde die Rechtsgleichheit der Untertanen gewhrt. Im Aargau und anderswo wurden die Franzosen als Befreier von der Patrizierherrschaft begrt und gefeiert. Die alte Herrschaft befand sich in voller Auflsung. Bern stand allein gegen das franzsische Heer und wurde in der Schlacht am Grauholz 1798 geschlagen. Am 5. Mrz zogen die Sieger in die Stadt ein. Der Widerstand in den Innerschweizer Alpengebieten hielt zwar noch einige Zeit an, der Untergang der alten Eidgenossenschaft war aber mit dem Fall Berns besiegelt.

Die von vielen herbeigesehnte helvetische Revolution hat gesiegt, aber sie trug den Stempel der Fremdherrschaft. Ein Verfassungsentwurf von Peter Ochs wurde von Napoleon mit wenigen nderungen gleich als Staatsgrundlage proklammiert. Sie machte aus dem zersplitterten Staatenbund der alten Eidgenossenschaft den unteilbaren Einheitsstaat der Helvetischen Republik.

In der Verfassung der Helvetischen Republik konnte man lesen:

1. Es gibt keine Grenzen mehr zwischen den Kantonen und den unterworfenen Landen, noch zwischen einem Kanton und dem andern;

2. Die rechtlichen Unterschiede zwischen regierenden Orten und Untertanengebieten sind annuliert;

3. Das Land ist in handliche Kantone eingeteilt;

4. In jedem Kanton ist ein reprsentativ - demokratisches Regierungssystem eingefhrt;

5. An der Spitze des Staates steht ein Direktorium von 5 Mitgliedern;

6. Ein einheitliches Gerichtssystem wird fr die innere Ordnung geschaffen.

Die helvetische Verfassung garantierte den Brgern Grundrechte, die im Laufe der franzsischen Revolution schon modifiziert worden waren. Die Glaubensfreiheit wurde zwar anerkannt, die Ausbung des Gottesdienstes jedoch polizeilicher Kontrolle unterstellt. Die Meinungs- und Pressefreiheit galt als natrlicher Ausfluss des Rechts auf Unterricht, ganz im Sinne der Aufklrung, die nun zur Grundlage des ffentlichen Wohles erklrt wurde. hnlich zurckhaltend ging die Verfassung auch mit der Eigentumsfrage und der strittigen Ablsung der Feudalabgaben um. Sie bestimmte lediglich, dass der Boden nicht mit Lasten (prievols) beschwert werden durfte, von denen man sich nicht loskaufen konnte. Dass der Helvetischen Republik kein langes Leben beschieden sein wrde, war damit bereits vorprogrammiert.

Die kirchentreuen katholischen Landsgemeindeorte der Innerschweiz mussten mit Waffengewalt in den neuen Staat gezwungen werden, aber auch in der buerlichen Bevlkerung, die zuerst die Rechtsgleichheit freudig begrt hatte, wuchs der Widerstand, als sich die Hoffnung auf eine entschdigungslose Abschaffung der Feudallasten nicht erfllte. Dazu kamen mit dem wiederaufflammenden Krieg Truppendurchzge, Requisitionen und Zwangsrekrutierungen, die auch die reformbereite Mittelschicht, die sich in den Dienst der neuen Ordnung gestellt hatte, gegen das franzsische Diktat aufbrachte.

Das Jahr 1798 leitete in der Schweiz eine 50jhrige Staatskrise ein, in deren Verlauf die beharrenden (inertikos) und vorwrtsdrngenden Krfte ihr Differenzen mehr als einmal mit bewaffneter Gewalt austrugen.

Die helvetische Revolution wurde schnell zum Schauplatz innerer Kmpfe zwischen Unitariern, welche den Einheitsstaat befrworteten, und Fderalisten, welche zur Souvernitt der Kantone zurckkehren wollten. Bald riss die eine Partei die Macht an sich, bald die andere. Zwischen 1800 und 1802 gab es nicht weniger als fnf Staatsstreiche. Nach Abzug der napoleonischen Truppen brach sofort der Brgerkrieg aus.

Napoleon lie darauf die Schweiz erneut besetzen, vermittelte und erlie 1803 eine neue Verfassung, die sogenannte Mediation. Sie blieb 10 Jahre in Kraft, und whrend dieser Zeit beruhigten sich die politischen Verhltnisse ein wenig. Die Kantone wurden wieder in ihre Rechte eingesetzt. Zu den 13 alten kamen sechs neue hinzu, die ehemaligen Untertanengebiete Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt und die ehemaligen zugewandten Orte St. Gallen und Graubnden. In den Landsgemeindekantonen wurden die alten Zustnde mehr oder weniger wieder hergestellt, in den neuen Kantonen dagegen behielten die Anhnger der Helvetischen Republik die Oberhand. Die alte und die neue Schweiz existierten nebeneinander. Solange Napoleon an der Macht blieb, hielten Unitarier und Fderalisten sich die Waage. Der Kompromiss der Mediationszeit schlug sich auch in der Bezeichnung des Gesamtstaates nieder. Aus der Helvetischen Republik wurde 1815 die Schweizerische Eidgenossenschaft, die noch heute gltige offizielle Bezeichnung der Schweiz.

Die Niederlage Napoleons bedeutete auch das Ende der politischen Zwitterlage der Eidgenossenschaft.

Trotz ihrem Scheitern war die Helvetik jedoch eine wichtige Etappe auf dem Wege zur modernen Schweiz. Ohne das Intermezzo des Einheitsstaates wre es kaum mglich gewesen, in einem Zuge alle Untertnigkeitsverhltnisse zu beseitigen und auf diese Weise auch das Probem der Gemeinen Herrschaften zu lsen. Es ergibt deshalb durchaus Sinn, dass in den neuen, aus ehemaligen Untertanengebieten entstandenen Kantonen der 1798 errungenen Freiheit gedacht wird. Die Herstellung der Rechtsgleichheit war aber auch eine wichtige Voraussetzung fr die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit dem Wegfall der Gewerbe- und Handelsbeschrnkungen erhielt auch die Bevlkerung auf dem Lande die Mglichkeit, unternehmerisch ttig zu werden. Das hat nicht nur die Agrarreform und die Industrialisierung beschleunigt, sondern auch bewirkt, dass in der Schweiz die stdtischen und lndlichen Mittelschichten frh zu einer brgerlichen Gesellschaft zusammenwuchsen. Damit wurde die Basis fr ein gesamtschweizerisches Zusammengehrigkeitsgefhl gelegt, das schlielich 1848 zur Schaffung des Bundesstaates (federacin valstyb) fhrte.

In der Restauration von 1815 stellte der Wiener Kongress den alten, neutralen Staatenbund wieder her. Die Aristokraten traten wieder in ihre Vorrechte ein, in der Tagsatzung verfgte wieder jeder Kanton ber eine Stimme und Niederlassungs- und Gewerbefreiheit fiel dahin. Als neue Kantone wurden Genf, Wallis und Neuenburg (eneva, Val ir Neatelis) zur Schweiz geschlagen. Bern erhielt von den Wiener Diplomaten den Jura als Ersatz fr die verlorenen Untertanengebiete im Aargau und in der Waadt. Fr fnfzehn Jahre schien das Rad der Geschichte zurckgedreht.

Da setzten die Straenkmpfe der Pariser Julirevolution von 1830 neue Zeichen. 1830 begannen sich die liberalen Strmungen auch in der Schweiz wieder krftig zu regen, die Regeneration setzte ein. Mit Petitionen und Volksversammlungen wurden in 12 Kantonen die Aristokraten gestrzt. Neue Verfassungen traten in Kraft, welche garantierten:

1. die Volkswahl oder die reprsentative Wahl der Kantonsregierungen und

2. die brgerlichen Rechte.

3. die Gleichstellung der Landbevlkerung mit der Stadtbevlkerung.

In Basel fhrten die Regenerationsforderungen zu einem Brgerkrieg zwischen Stadt und Land und zur Trennung in zwei Halbkantone (1833). Auch die liberale Erneuerung nach 1830 war nicht von Rckschlgen frei. Eine Erneuerung des Bundesvertrages von 1815 misslang, in Zrich und Luzern warfen konservative Umstrze die Radikalen aus der Regierung, aber die neue Zeit des Liberalismus war nicht mehr aufzuhalten.

Der Sieg des Liberalismus und die Entstehung des Bundesstaates (1830 - 1874)

Groe historische Umwlzungen kommen oft auf gewaltsamem Weg zustande. Der schweizerische Bundesstaat von 1848 macht darin keine Ausnahme.

Seit der Pariser Julirevolution von 1830 wurde die Eidgenossenschaft von einer nicht abreienden Kette von politischen Kmpfen und militrischen Scharmtzeln um die Macht in den Kantonen erschttert. Gegen die Alleinherrschaft der aristokratischen Familien und die kirchlichen Privilegien griff eine Volksopposition immer weiter um sich. Sie verlangte:

1. die Abschaffung der Vorrechte der herrschenden Familien,

2. die Wahl von gesetzgebenden Parlamenten,

3. Meinungsfreiheit und

4. die Einschrnkung der Macht der Kirchen.

Gleichzeitig wollten die radikalen Erneuer den lockeren Staatenbund der Eidgenossenschaft in einen modernen, zentralisierten Nationalstaat verwandeln.

Politische Argumente vermischten sich mit wirtschaftlichen. Die radikalen Revolutionre, wie Johann Ulrich Ochsenbein in Bern oder James Fazy in Genf, griffen im Namen von Freiheit und Demokratie zu den Waffen. Die gemigten Liberalen, wie etwa dem Zrcher Liberalen Alfred Escher, ging es in erster Linie um die Vereinheitlichung des zersplitterten Ma-, Whrungs- und Zollsystems. Das an Handel und industriellem Aufschwung interessierte Brgertum verlangte die Schaffung eines einheitlichen nationalen Wirtschaftsraums.

Der geltende Bundesvertrag von 1815 diente vor allem der Sicherung der Privilegien der herrschenden Familien und war ein viel zu enges Korsett fr die soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Die Kantone verteidigten verbissen die alte Ordnung. Zur Abwehr des Liberalismus beriefen die katholischen Innerschweizer Landorte Jesuiten nach Luzern und schlossen sich in einem militrischen Verteidigungspakt, dem. sog. Sonderbund, zusammen. Selbst ein Bndnis mit auslndischen Mchten scheuten sie nicht, wenn es der Aufrechterhaltung der alten Ordnung diente. Die Radikalen waren emprt und agierten um so entschlossener gegen den katholischen Konservatismus.

Die Verschrfung der Auseinandersetzung im Jahre 1845 spielte sich vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschaftskrise ab, der letzten Hungerkrise in der Schweiz. Die fr ganz Europa verheerende Kartoffelkrankheit bewirkte in zwei Jahren Ernteausflle bis zu zwei Drittel eines Normalertrages. Die allgemeine Teuerung rief eine schwere Krise der lndlichen Textilverarbeitung hervor.

1847 verfgten die Liberal-Radikalen in der Tagsatzung ber 12 und zwei halbe von 22 Kantonstimmen, die jedoch 80 der Bevlkerung und noch mehr an wirtschaftlicher Kraft reprsentierten. Die Aristokraten entschlossen sich zum bewaffneten Kampf. Es begann der Sonderbundenkrieg von 1847. Es war der Krieg zwischen dem Sonderbund (Kantone Luzern, Zug, Freiburg und Wallis) und den liberalen Kantonen. Der General Guillome-Henry Dufour befehligte die 100 000 Mann starke Armee der Liberalen. Er zwang die Aristokratie zu kapitulieren. Am 29.11.1947 kapitulierte als letzter Ort der Kanton Wallis.

Der Liberalismus hatte endgltig gesiegt. Jetzt wurde eine neue Bundesverfassung ausgearbeitet. Die Bundesverfassung von 1848:

1. garantierte eine ganze Anzahl von brgerlichen Rechten, wie Niederlassungsfreiheit, Vereinsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz.

2. respektierte auch die Interessen der Besiegten durch weitgehende Aufrechterhaltung der kantonalen Souvernitt, z.B. die Wahl des Zweikammersystems bei der Organisation des Parlaments, dessen zweite Kammer den kleinen katholischen Landkantonen einen die Minderheiten schtzenden, berproportionalen Einfluss sicherte.

3. beseitigte die wichtigsten Hindernisse fr eine ungehemmte wirtschaftliche Entwicklung: die Kantone verloren die Zollhoheit, Mae und Mnzen wurden vereinheitlicht, das Postwesen in die Hand des Bundes gelegt.

Die Liberalen (sie hieen jetzt Freisinnige) hatten die Mehrheit im Parlament. Bis 1891 stellten sie die Regierung, den siebenkpfigen Bundesrat, allein aus ihren Reihen.

Mit der Errichtung des Staates von 1848 hatten die Liberalen sich nach 18 Jahren heftiger Auseinandersetzungen endgltig durchgesetzt. Der Weg zu einer Entfaltung der in der ersten Hlfte des Jahrhunderts angelegten kapitalistischen Entwicklung lag offen. Um die Jahrhundertmitte galt die Eidgenossenschaft als das am strksten industrialisierte Land Europas. Im Unterschied zu Europa gab es hier in den Stdten kein Proletariat. Die schweizerische Industrie war eine Heimindustrie mit lndlich-buerlichem Hintergrund. Sie sttzte sich auf jene Teile der lndlichen Bevlkerung, die in ihrer angestammten Ttigkeit kein gengendes Auskommen fand. Der Rucksckli-Arbeiter, der nach getaner Arbeit im Stall seinen Weg zur Fabrik nimmt, ist typisch fr die Industrialisierung der Schweiz bis ins letzte Drittel des 19. Jh.

Den wichtigsten Industriezweig bildete die Verarbeitung von Baumwolle im Osten des Landes. Neben der Baumwollindustrie war vor allem die Seidenverarbeitung in der Ostschweiz und in Basel von groer Bedeutung. In Genf und Jura breitete sich stark die Uhrenfabrikation aus. Alle diese Industrien hatten einen stark hausindustriellen lndlichen Charakter. Um Zrich herum produzierte man Wein.

Zur kommerziellen Erschlieung des Landes fehlte aber der Aufbau eines Eisenbahnnetzes. 1848 bestand nur eine kurze Strecke von Zrich nach Baden. 1852 wurde dank dem Zrcher Liberalen Alfred Escher das Eisenbahngesetz von 1852 angenomen. Mitte der 60er Jahre waren schon 1300 km gebaut worden, bis 1885 nochmals 1400 km, danach kamen bis zum 1. Weltkrieg blo noch 700 km hinzu.

In vielfacher Komulation von mtern und Wrden traten die fhrenden Liberalen gleichzeitig als Wirtschaftsfhrer und als politische Organisatoren des jungen Bundesstaates auf. Es entstand eine eigentliche Vetternwirtschaft. Parlamentarische Kommissionen und Staatsmter wurden nur an ergebene Freunde verteilt, mit denen man auch geschtlich verbunden war. Das Volk benannte diesen Fhrungsstil schimpfwrtlich System. Der prominenteste Vertreter dieses Fhrungsstils war Alfred Escher, der nicht nur zahllose mter im Bundesstaat hatte, sondern auch Besitzer der Nordostbahn und Grnder einer groen Bank, der Kreditanstalt, war. Bankgrndungen gehren nebst dem Eisenbahnbau zu den hervorstechendsten Merkmalen der wirtschaftlichen Entwicklung nach der Grndung des Bundesstaates. Sie dienten in erster Linie der Finanzierung des Eisenbahnbaus und der Mechanisierung der Textilindustrie.

Das liberale System schuf sich rasch eine groe Zahl von Gegnern aus den verschiedensten Lagern. Wirtschaftlich bedrngte Handwerker und Bauern, demokratische Intellektuelle und konservative Fderalisten schlossen sich zu einer neuen, wenn auch keineswegs einheitlichen Opposition zusammen. Die demokratische Opposition verlangte:

1. mehr politische Mitsprache fr das Volk,

2. Abschaffung des liberalen Reprsentativsystems,

3. Errichtung von Kantonalbanken, um kleinen Leuten zu Kredit zu verhelfen,

4. Frderung des Genossenschaftswesens,

5. unentgeltlichen Schulunterricht,

6. Senkung der Steuern,

7. Kinderschutz und Arbeitszeitbeschrnkung, um das Los der Fabrikarbeiter zu bessern.

Es ging also um den Ausbau der demokratischen Volksrechte. In Zrich siegte die demokratische Bewegung schon 1869 im Kampf um eine neue Verfassung. Die Regierung wurde nun direkt vom Volk gewhlt, und alle Gesetzbeschlsse des Parlaments mussten dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. hnliches geschah auch in anderen Kantonen. Der Erfolg der Demokraten machte eine Revision der Bundesverfassung unumgnglich. Der erste Entwurf einer revidierten Bundesverfassung (1872) scheiterte jedoch am vereinigten Widerstand der Fderalisten aus der katholischen Innerschweiz und der reformierten Westschweiz, weil sie die starke zentralistische Linie im neuen Entwurf nicht anerkennen wollten. der zweite Entwurf, in dem die zentralistischen Bestimmungen abgeschwcht wurden, fand 1874 eine allgemeine Zustimmung.

Die Verfassung von 1874, die in ihren Grundzgen heute noch gltig ist, hat ein Doppelgesicht:

a) einerseits stellt sie im Wirtschaftsbereich die Krnung des liberalen Systems dar, indem die Vereinheitlichung des nationalen Wirtschaftsraums abgeschlossen wird,

b) andererseits markiert sie innenpolitisch das Ende der liberalen ra.

In der neuen Verfassung ist das Referendum verankert: jedes Gesetz kann durch Unterschriftensammlung der Volksabstimmung unterbreitet werden. Das Referendum ist bis heute das zentrale Element im politischen System der Schweiz geblieben.

Die neue Verfassung fhrte auch zur Abschwchung des Kulturkampfes zwischen den konservativ-(katholischen) Kantonen und dem liberalen Parlament. Konservativ heit in der Schweiz des 19.Jh. etwas anderes als in anderen europischen Staaten. Konservatismus bedeutet in der Schweiz die Verteidigung lokaler Herrschaftsstrukturen und der kulturellen Autonomie gegen eine liberal-radikale Zentralmacht. Man muss sich merken, dass nicht alle Konservativen katholisch und nicht alle Katholiken konservativ waren. Nach der Einfhrung des Referendums auf Bundesebene konnte die demokratische Bewegung in den Kantonen ber die liberale Alleinherrschaft siegen. Das fhrte zur Gewhrung von Konzessionen an den Konservativismus und zur Integration der Katholiken in den Bundesstaat.

Industrieller Aufschwung und Verschiebung der politischen Fronten (1874-1914)

Das Jahr 1874 setzte nicht nur eine politische Wendemarke durch den Erlass der neuen Bundesverfassung. Auch das soziale und wirtschaftliche Leben wurde von einem Prozess tiefgreifenden Wandels ergriffen, der sich am augenflligsten in der Landwirtschaft abspielte.

Der Ausbau der Hochseeschifffahrt und des internationalen Eisenbahnnetzes strzte die schweizerische Landwirtschaft in eine Krise. Seit den 70er Jahren wurde immer mehr billiges Importgetreide aus Osteuropa und bersee auf den Markt geworfen. Die Agrarpreise gerieten ins Wanken: 100 kg Getreide kosteten 1873 etwa 40 Franken. 1890 war es nur noch die Hlfte. Sprunghaft stieg die Getreideeinfuhr an, aber auch die Einfuhr anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse nahm zu. Immer mehr Bauern gerieten in finanzielle Schwierigkeiten. Die einen wandten sich der Viehzucht zu, die in den Berggebieten der Schweiz seit dem Mittelalter heimisch ist, die andern wanderten aus. Der Ackerbau ging stark zurck: ber die Hlfte des Schweizer Getreidebedarfs konnte 1850 noch auf dem inlndischen Markt gedeckt werden - 1914 waren es blo noch 20 Prozent.

Durch Zusammenschluss in landwirtschaftlichen Genossenschaften vermochten die Bauern ihre Lage etwas zu stabilisieren. Im Export von Milchprodukten (Kse, kondensierte Milch, Schokolade) und von Zuchtvieh fanden sie eine Kompensation fr den verlorenen Getreidemarkt. Allerdings war der Schwund der landwirtschaftlichen Bevlkerung damit nicht aufzuhalten. 1888 waren 36 , bei Ausbruch des 1. Weltkrieges blo noch 25 der Bevlkerung im Agrarsektor beschftigt, ein Anteil, der nur noch im hochindustrialisierten England geringer war.

Uhrenindustrie und Seidenbandweberei hatten schon immer fr den Export gearbeitet. Seit den 30er Jahren war die schweizerische Baumwollindustrie der englischen Konkurrenz ebenbrtig und begann, auswrtige Mrkte zu erobern. Die lange Wirtschaftsdepression, die mit dem Jahr 1874 einsetzte, markiert jedoch einen Wendepunkt, der die Textilindustrie von ihrer dominierenden Stellung verdrngte.

Die Zahl der Spindeln begann erstmals seit Jahrzehnten zu sinken, die Einfhrung der Dampfmaschine und viele andere technologische Neuerungen fhrten zu einem raschen Konzentrationsprozess. Die chemische und vor allem die Maschinenindustrie traten aus dem Schatten der Textilindustrie heraus, deren Anhngel sie bis dahin gewesen waren und erlebten einen starken Aufschwung. Ohne dass die Schweiz ber nennenswerte Erzvorkommen, ber Kohle oder ber andere Rohstoffe verfgte, entstanden in kurzer Zeit Exportindustrien von internationaler Bedeutung.

Die Basler Teerfarben-Chemie erreichte damals zusammen mit ihren deutschen Konkurrenten eine Monopolstellung auf dem Weltmarkt. Die Produkte der Maschinenindustrie wurden aud der Wiener Weltausstellung von 1873 mit Auszeichnungen berhuft. Die Verbreitung der Dampfmaschine und bald auch des Elektromotors sorgten fr stetige Auftrge. Die Zahl der Beschftigten in der Maschinenindustrie, die 1850 blo etwa 4000 betragen haben drfte, stieg bis zum Jahre 1888 auf mehr als das Vierfache und verdoppelte sich in den 90er Jahren gleich noch einmal. Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges war die Maschinenindustrie unbestritten die wichtigste Exportindustrie der Schweiz.

Die Bedeutung des Eisenbahnbaus fr diese Entwicklung ist nicht zu bersehen. Einerseits ermglichte das neue Transportsystem die Beschaffung der mangelnden Rohstoffe und erlaubte den Verkauf der Gter ans Ausland, anderseits versorgte der Bahnbau die aufstrebende Branche mit zahlreichen Auftrgen.

Die lange zwischen Ost- und Westschweizer Kantonen umstrittene Frage, wo eine Eisenbahnlinie ber die Alpen gebaut werden sollte, wurde schlielich auf Druck von Italien und Deutschland zugunsten des Gotthard-Passes entschieden: Gegen Einrumung gnstiger Transporttarife bernahmen diese beiden Staaten den grten Teil der Finanzierung des Bauwerks. 1880 wurde der 15 km lange Tunnel durchstoen und zwei Jahre spter die neue Bahn eingeweiht. Damit war der Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes zur Hauptachse abgeschlossen. Zwischen 1844 und der Mitte der 60er Jahre waren 1300 km gebaut worden, bis 1885 nochmals 1400 km. Danach kamen bis zum 1. Weltkrieg blo noch 700 km hinzu.

Die Zeit der 70er und 80er Jahre ist wegen ihrer insgesamt gedmpften wirtschaftlichen Lage als die Zeit der Groen Depression in die Geschichte eingegangen. Der Freihandel, der fr kurze Zeit die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den europischen Staaten beherrscht hatte, wurde durch eine neue Zolldoktrin verdrngt: berall versuchte man, mit Zollmauern die einheimische Industrie zu schtzen und die Bewegungsfreiheit der auslndischen Konkurrenz einzuschrnken. Je besser eine Industrie organisiert war, desto leichter konnte sie die Zollpolitik ihren Interessen dienstbar machen.

Auch in der traditionell freihndlerischen Schweiz regten sich schutzzllnerische Interessen. Der wirtschaftliche Aufschwung fhrte zu Zusammenschlssen bei Industrie und Gewerbe: im Jahre 1870 wurde der Schweizerische Handels- und Industrieverein gegrndet, im Jahre 1879 folgte der Schweizerische Gewerbeverein. Beide Verbnde, wie auch die spter entstandenen Dachorganisationen der Bauern und der Arbeiter, wurden bald mit staatlichen Subventionen untersttzt, da die Bundesverwaltung nicht imstande war, sich selber den ntigen berblick ber die wirtschaftlichen Verhltnisse zu verschaffen und auf die Kooperation mit den Verbnden angewiesen war.

Die Aushandlung der Zolltarife und der Handelsvertrge wurde zum ersten groen Kampffeld der unterschiedlichen Verbandsinteressen. Aber auch in der Gesetzgebung begannen sie, ihren Einfluss geltend zu machen, bei der Schaffung eines schweizerischen Handels- und Vertragsrechts (Obligationenrecht), in der Eisenbahngesetzgebung oder bei den ersten Anstzen einer bundesweiten Sozialpolitik.

In den Zollrevisionen der 80er und der 90er Jahre, vor allem aber in der Revision von 1902 polarisierten sich die unterschiedlichen Interessen. Die schutzzllnerischen Interessen der Bauern und des Gewerbes standen den freihndlerischen Interessen der Exportindustrie diametral gegenber. Etwas hnliches geschieht zur Zeit in Litauen und im Baltikum. Da die Zolltarife regelmig eine Volksabstimmumg zu bestehen hatten, konnten jene Verbnde ihre Interessen am besten wahren, die ihre Gefolgschaft am sichersten hinter sich wussten. Hier stand der Bauernverband eindeutig an der Spitze.

Bis zum 1. Weltkrieg hatte sich die Zusammenarbeit von Staatsverwaltung und Wirtschaftsverbnden zu einem geregelten Verfahren auerparlamentarischer Einflussnahme verfestigt. Obwohl erst Jahrzehnte spter eine verfassungsmige Grundlage fr dieses System nachgeliefert wurde, war schon zu jener Zeit der Einfluss der Verbnde im Vergleich zu den Parlamentariern betrchtlich.

Politisch waren die 70er und 80er Jahre gekennzeichnet von den Kmpfen um die Durchfhrung der neuen Bundesverfassung, die in vielen Bereichen blo die Kompetenz des Bundes, nicht aber die gesetzliche Ausfhrung festgelegt hatte.

Die neuen direktdemokratischen Volksrechte fhrten dabei zu heftigen Kmpfen zwischen dem Freisinn und den Katholiken. Die Besiegten des Sonderbunds, die durch den Kulturkampf erneut in die Enge getrieben worden waren, hatten mit dem Referendum eine wirksame Waffe zur Hand, um der freisinnigen Herrschaft krftig in die Parade zu fahren. Gegen jedes Gesetz, das nur entfernt den Anschein machte, fderalistische Rechte zu verletzen, wurden die ntigen 30 000 Unterschriften gesammelt, um es der Volksabstimmung zu unterbreiten. Es kam zu richtigen Referendumsstrmen. Gesetze ber das Schulwesen, die Banknotenausgabe oder den Rcklauf der Eisenbahnen wurden ebenso abgelehnt wie Vorlagen ber Impfungen oder die Patenttaxen von Handelsreisenden. 19mal wurde zwischen 1874 und 1891 das Referendum ergriffen, blo 6mal gelang es der freisinnigen Parlamentsmehrheit, ihre Gesetze vor dem Volk zu verteidigen. Die gouvernementale Berner Zeitung Der Bund jammerte: Auf diesem Wege sinkt das Volksreferendum, welches die Verbindung von Freiheit und Ordnung befestigen sollte, nachgerade zu einem Werkzeug der staatsauflsenden Revolution herab.

Soweit sollte es allerdings nicht kommen. Die Blockierung des Parlamentsbetriebes konnte durch ein beidseitiges Entgegenkommen berwunden werden: in der zweiten Hlfte der 80er Jahre begannen die freisinnig-liberalen und die katholisch-konservativen Krfte sich einander anzunhern. Obwohl der Block der Liberalen, radikalen und Demokraten noch bis zur Einfhrung eines neuen Wahlrechts nach dem 1. Weltkrieg ber die absolute Mehrheit im Parlament verfgte, wurde seit 1891 regelmig ein Konservativer in den Bundesrat gewhlt. Dieser Proporz war ein nicht zu hoher Preis fr die Integration der Katholiken in den freisinnigen Staat.

Der erste konservative Bundesrat war Josef Zemp (1834-1908) aus Luzern. Nach seiner Wahl begann die alte Frontstellung zwischen Freisinnigen und Katholiken abzubrckeln. Die Entstehung einer Arbeiterbewegung und die Grndung der Sozialdemokratischen Partei (1888) beschleunigten diesen Prozess. Die Zahl der konservativen Referenden nahm merklich ab. Wichtige Geschfte wurden endlich aus ihrer Blockierung befreit: Der Bund erhielt die Kompetenz, die Eisenbahnen zurckzukaufen und grndete die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) (1903). Die lange umstrittene Militrorganisation (1907) und ein Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (1912) bestanden die Volksabstimmung. Bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges hatten sich die Fronten so weit verschoben, dass die meisten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nicht mehr zwischen den Freisinnigen und den Katholiken, sondern zwischen der Arbeiterschaft und den brgerlichen Krften aus beiden Lagern stattfanden.

Bis zum Ende des 19. Jhs. bildete die Arbeiterbewegung kein Massenphnomen. Der 1873 gegrndete Arbeiterbund, ein buntes Gemisch von Gewerkschaften, Bildungsvereinen und Krankenkassen, umfasste auf seinem Hhepunkt blo etwa 3000 Mitglieder, und auch seine Nachfolgeorganisation, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, berschritt diese Zahl erst um 1890.

Eine vorwiegend von Auslndern getragene sozialistische Bewegung gab es hingegen in einigen Schweizer Stdten schon lange. Genf und Zrich wurden bisweilen zu eigentlichen Zufluchtssttten sozialistischer und anarchistischer Emigranten, die sich vor der Verfolgung in ihrer Heimat in Sicherheit brachten. Die erste Internationale von Marx und Bakunin hatte einige Sektionen in der Westschweiz, die in erster linie dank dieser Emigranten entstanden sind. Whrend der Herrschaft der Bismarckschen Sozialistengesetze nahm der Zustrom von deutschen Sozialdemokraten zu. Im Arbeiterbund waren schon Mitte der 70er Jahre mehr als ein Drittel der Mitglieder deutsche Arbeiter und Handwerksgesellen, die vor allen in der Maschinenindustrie arbeiteten.

Die schweizerische Arbeiterbewegung organisierte sich vorerst im Grtliverein, einer bis in die 30er Jahre zurckreichenden Vereinigung demokratischer Arbeiterfreunde, die durch Bildungsarbeit das materielle und sittliche Wohl der Arbeiterklasse heben wollte. Der Grtliverein stellt eines jener zahlreichen Verbindungsglieder zwischen der demokratischen und der Arbeiterbewegung in der Schweiz dar.

1880 beschloss der alte Arbeiterbund, sich aufzulsen und eine ledigliche Gewerkschaftsorganisation aufgrund sozialistischer Prinzipien zu bilden. Neben dem Gewerkschaftsbund sollte nach deutschem Vorbild eine fr politische Belange zustndige sozialdemokratische Partei entstehen. Das Bedrfnis danach war allerdings vorerst nicht sehr gro, denn sie wurde erst acht Jahre spter gegrndet.

Mit der Differenzierung in gewerkschaftliche und politische Funktionen war Ende der 80er Jahre der Grundstein fr eine moderne Arbeiterbewegung gelegt. Die Mitgliederzahlen des Gewerkschaftsbundes begannen anzusteigen, insbesondere nach der Einrichtung einer zentralen Streikkasse. Die Grndung der Sozialdemokratischen Partei im Jahre 1888 veranlasste auch die Freisinnigen (1894) und die Konservativen (1894/1912) sich auf nationaler Ebene als Parteien zu organisieren.

Der groe Teil auslndischer Arbeitskrfte in der Schweiz - vor dem 1. Weltkrieg waren es 15 der Bev