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Die Bedeutung der Schule für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen 10.07.2014 Stuttgart J. M. Fegert, Ulm

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Die Bedeutung der Schule für die

psychische Gesundheit von Kindern

und Jugendlichen

10.07.2014 Stuttgart

J. M. Fegert, Ulm

Offenlegung möglicher Interessenkonflikte 2014

In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter)

– Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ, Ländersozial-ministerien, Landesstiftung BaWü, Volkswagenstiftung, Europäische Akademie, Päpstliche Universität Gregoriana, RAZ, CJD, Diözese Rottenburg, Caritas

– Reisebeihilfen, Vortragshonorare, Veranstaltungs- und Ausbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU, Pro Helvetia, Janssen-Cilag (J&J), Shire, andere Fachverbände und Universitäten sowie Ministerien

– Keine industriegesponserten Vortragsreihen, „speakers bureau“

– Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Janssen Cilag, Lundbeck, BMBF, Servier

– Mitgliedschaft in Steuerungsgremien und/oder wissenschaftlichen Beiräten der Firmen (international:) Lundbeck, Servier

– Jährliche Erklärung zu conflicts of interest gegenüber DGKJP und AACAP wegen Komissionsmitgliedschaft

– Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen,

– Mehrheitseigner 3Li

Proportionale Verteilung der Geldgeber

Agenda

1. Psychische Störungen im Schulalter

2. Verhältnis KJP und Schule

3. Inklusion

4. Schulen/Lehrer im Umgang mit Nichtsuizidaler

Selbstverletzung (NSSV) und Suizidalität

5. Was braucht es in Zukunft/ Was fehlt?

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Aus dem Grünbuch der EU

Abb.: Langzeitkosten psychischer Gesundheitsprobleme, umgerechnet auf Euro zum Preisniveau 2002 (Scott, Knapp, Henderson & Maughan, 2001. Umrechnung in Euro durch David McDaid, Mental Health Economics European Network).Quelle: Scott, S., Knapp, M., Henderson, J. & Maughan, J. (2001). Financial costs of social exclusion. Follow-up study of anti-social children into adulthood. British Medical Journal, 323, 191-196.

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KiGGS Studie

Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (KiGGS)

Ziele:

Erfassung von Informationen zu

•Gesundheitsstatus

•Gesundheitsverhalten

•Lebensbedingungen

•Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems

Population:

Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 17 Jahren aus 167 Orten Deutschlands

Ziese, T. (2014). KiGGS ist zurück: Welle 1. Bundesgesundheitsblatt, 57: 745-746Lange, M. et al (2014). Die erste KiGGS-Folgebefragung (KIGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt, 57: 747-761

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KiGGS Studie

Datenerhebung

•Basiserhebung:

• Befragungen; Untersuchungen; Laboranalysen

•Welle 1: Standardisierte Telefoninterviews mit

• Eltern der 0-17 Jährigen (Dauer: 40min)

• Kindern und Jugendlichen im Alter von 11-17 Jahren (Dauer: 30min)

Basiserhebung 2003-2006

17.641 Jungen und Mädchen

Nachuntersuchung 2009-2012 (Welle 1)

12.368 Jungen und Mädchen bzw. junge Frauen und Männer

Lange, M. et al (2014). Die erste KiGGS-Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt, 57: 747-761

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KiGGS Design

Lange, M. et al (2014). Die erste KiGGS-Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt, 57: 747-761

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KiGGS: sozioökonomischer Status, Lebensqualität

Erfassung von sozioökonomischem Status

Bildung eines Index aus Angaben der Eltern zu Bildungsniveau, beruflicher Stellung und Haushaltsnettoeinkommen

�Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Statusweisen häufiger einen mittelmäßigen bis sehr schlechtenallgemeinen Gesundheitszustand auf

Zusammenhang v. psychischer Gesundheit und Lebensqualität

•Psychische Auffälligkeiten wirken sich in jeder Altersgruppe negativ auf die Lebensqualität aus

Lampert, T. et al. (2014). Messung des sozioökonomischen Status in der KiGGS-Studie. Bundesgesundheitsblatt, 57: 762-770Ellert, U. (2014). Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Bundesgesundheitsblatt, 57, 798-806.

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Armut bei Kindern und Jugendlichen nach Alter

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Quelle: BMFSFJ (2008) Armutsrisiken

KiGGS: Gesundheitliche Auswirkungen von Armut

Kinder aus armen Familien leiden häufiger an:

• körperlichen Erkrankungen (z.B. Adipositas)

• psychischen Erkrankungen (z.B. ADHS-Diagnose)

Quelle: KiGGS Survey, 2008

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Armut verhindert Entwicklung und Teilhabe

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KiGGS: Einfluss der Familienkonstellation

3-17 Jährige leben…

•in 79,6% der Fällen mit leiblichen Elternteilen zusammen

•in 13,8% der Fällen in Einelternfamilien

•in 6,6% in Stieffamilien

Vorkommen von emotionalen und Verhaltensproblemen bei…

•8,3% der Kinder/Jugendlichen, die mit leiblichen Eltern zusammen leben

•17,4% der Kinder/Jugendlichen, die in Einelternfamilien leben

•19,7% der Kinder/Jugendlichen, die in Stieffamilien leben

�Auch nach Korrektur für sozialen Status erhöhte Werte

�Besonders geringe Lebensqualität bei Mädchen, die in Stieffamilien leben

Rattay, P. (2014). Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Eineltern-, Stief- und Kernfamilien, 57, 860-868.

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KiGGS: SDQ zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten

Zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten wurde der

„Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ)“ erhoben

Items der Skala „Emotionale Probleme“:

Klagt häufig über Kopfschmerzen; hat viele Sorgen; oft unglücklich; nervös oder anklammernd; hat viele Ängste

Items der Skala „Verhaltensprobleme“:

Hat oft Wutanfälle; im allgemeinen folgsam; streitet sich oft; lügt oder mogelt häufig; stiehlt zu Hause

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KiGGS: SDQ zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten

Items zur Skala „Hyperaktivität“:

Unruhig, überaktiv; ständig zappelig; leicht ablenkbar; denkt nach; führt Aufgaben zu Ende

Items zur Skala „Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen“:

Einzelgänger; hat wenigstens einen guten Freund; im Allgemeinen bei anderen; wird von anderen gehänselt; kommt besser mit Erwachsenen aus

Items zur Skala „Prosoziales Verhalten“:

Rücksichtsvoll; teilt gerne; hilfsbereit; lieb zu jüngeren Kindern; hilft anderen

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KiGGS: SDQ zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten

Veränderung der Skalenwerte des SDQ von der Basiserhebung zu Welle 1:

Zunahme der Werte der Subskalen

•Gesamtprobleme

•Emotionale Probleme

•Verhaltensprobleme

•Prosoziales Verhalten

Abnahme der Werte der Subskala „Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen“

Hölling, H. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland-Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003-2006 und 2009-2012), Bundesgesundheitsblatt, 57: 807-819

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KiGGS: Hyperaktivität

• Eltern wurden befragt, ob bei Ihrem Kind jemals die Diagnose ADHS/Hyperaktivität gestellt wurde:

• Basiserhebung: 4,8%

• Welle 1: 5,0% (altersstandardisierte Prävalenz: 5,4%)

�Keine signifikante Zunahme der Lebenszeitprävalenz

• ADHS-Verdachtsfälle anhand von SDQ

• Basiserhebung: 5,4%

• Welle 1: 6,0%

�Keine signifikante Zunahme der Lebenszeitprävalenz

• Jungen erhielten die Diagnose 4,5 Mal häufiger als Mädchen

• Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund erhielten mehr als doppelt so häufig eine ADHSDiagnose

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Schlack et al. (2014). Hat die Häufigkeit elternberichteter Diagnosen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in Deutschland zwischen 2003-2006 und 2009-2012 zugenommen? Bundesgesundheitsblatt, 57: 820-829.

Pressemitteilungen zu ADHS

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Pressemitteilungen zu ADHS

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Pressemitteilungen zu ADHS

Quelle: Spiegel online – 29.01.2013

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Verordnung und Umsätze von „Psychostimulanzien“Arzneiverordnungs-Report 1995-2012

Fritze J (2013) Psychopharmaka-Verordnungen: Ergebnisse und Kommentare zum Arzneiverordnungs-Report 2012*. Psychopharmakotherapie 2013: 20:67-81*Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2012. Berlin-Heidelberg: Springer Verlag 2012

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Zusammenfassung Barmer GEK Report 2013

• Gesamtanstieg der Diagnoseraten von hyperkinetischen Störungen in Deutschland nach ICD-10 (nur sichere Diagnosen) zwischen 2006–2012 um 49 %

• 2006 wurden 2,9 % aller Jugendlichen im Alter von 0–19 Jahren mit einer hyperkinetischen Störung diagnostiziert

• 2011 waren es 4,14 %

• Am häufigsten ist die Diagnose bei 9–11-Jährigen mit 8,1 % der Fälle

• In der Altersgruppe der 10-Jährigen:

• knapp 12 % der Jungen und 4,4 % der Mädchen

Quelle: Barmer GEK Report 2013

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ADHS und Medikalisierung

Zentrale Frage in den Medien: werden Erziehungsprobleme, undSchulprobleme zu einer Krankheit stilisiert? Wird Erziehungmedikalisiert?

Dimensionale Phänomene: Problem der Cut-Off Setzung

• Schwelle im DSM-IV/DSM 5 vs. Kriterien in der ICD-10?

• Symptomatik vs. Funktionseinschränkung und Teilhabebeeinträchtigung

• Mangelnde Diagnostik, Enhancement Versuche, Therapie ex juvantibus

• Entlastung der Eltern durch ADHS Diagnose

• „Anreize“ im Schulsystem (Stützpädagogen etc.)

• „Anreize“ im Sozialsystem SGB VIII (§ 35 a seelische Behinderung, Eingliederungshilfe)

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KiGGS: SDQ zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten

SDQ-Elternurteil für ihre Kinder zwischen 3 und 17 Jahren:

• Basiserhebung: 18,5% grenzwertig auffällig oder auffällig

• Welle 1: 20,2% grenzwertig auffällig oder auffällig

� Keine signifikante Zunahme

Geschlechtsunterschiede (Welle1):

• Erhöhte Werte bei Jungen im Vergleich zu Mädchen:

• Gesamtproblemwert

• Subskalen: Verhaltensprobleme; Hyperaktivität; Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen

• Erhöhte Werte bei Mädchen im Vergleich zu Jungen:

• Subskalen: Emotionale Probleme; Prosoziales Verhalten

Hölling, H. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland-Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003-2006 und 2009-2012), Bundesgesundheitsblatt, 57: 807-819

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KiGGS: SDQ Impactfragebogen

SDQ Impactfragebogen: erfasst die Beeinträchtigung aufgrund psychischer Probleme

Schweregrad der Schwierigkeiten in mind. 1 Bereich es SDQ:

•Leichte Schwierigkeiten: 40,8%

•Deutliche Schwierigkeiten: 6,3%

•Massive Schwierigkeiten: 1,1%

�Klarer Trend zur Chronifizierung der Symptomatik (bei 73,2% lagen Schwierigkeiten bereits seit mehr als einem Jahr vor)

�deutliche oder schwere familiäre Belastung durch diese Schwierigkeiten in 1/5 der Familien

Hölling, H. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland-Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003-2006 und 2009-2012), Bundesgesundheitsblatt, 57: 807-819

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Verlauf psychischer Störungen

Ergebnisse einer Längsschnittstudie

•Beinahe 1/3 der männlichen und mehr als 1/2 der weiblichen Jugendlichen wiesen im Jungendalter depressive oder ängstliche Symptome auf

•Davon wiesen wiederum 1/2 der Jungen und beinahe 2/3 der Mädchen erneut Symptome im jungen Erwachsenenalter auf

•Symptome im Jugendalter, die länger als 6 Monate anhalten, erhöhen die Wahrscheinlichkeit für erneute Symptome im Erwachsenenalter

�Interventionen im Jugendalter, die die Dauer von Episoden verkürzen, können Neuauftreten im Erwachsenenalter verringern

Patton, G.C. et al. (2014). The prognosis of common mental disorders in adolescents: a 14-year old prospective cohort study. The Lancet, 383: 1404 - 11

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Schulbasierte Interventionen

• In den USA erhalten 70% - 80% aller Kinder, die Interventionen zur Förderung der seelischen Gesundheiterhalten, diese in der Schule (Hoagwood K. et al. 2001)

• Rones, M. und Hoagwood, K. 2000 School-Based Mental Health Services: A Research Review

• 47 Studien zeigen, dass es eine Reihe von Programmengibt, die positive Einflüsse auf emotionale und Verhaltensprobleme haben

• Keine spezifischen Programme in Bezug auf bestimmteSymptomatik

Rones, M & Hoagwood, K. (2000). Clinical Child and Family Psychology Review. Vol.3(4), Dec 2000, pp. 223-241

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Schulbasierte Kinder- und Jugendpsychiatrische Interventionen

Die Autorinnen Rones und Hoagwood (2000) beschreiben fünf

Erfolgsgeheimnisse:

1. Konsistente Implementierung des Programms

2. Beteiligung von Eltern, Lehrern und/oder Gleichaltrigen

3. Multiple Behandlungsmodalitäten

4. Programminhalte werden in die Routine des Klassenzimmers integriert

5. Programme sind entwicklungspsychologisch für die entsprechende Altersstufe angepasst

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Rones, M & Hoagwood, K. (2000). Clinical Child and Family Psychology Review. Vol.3(4), Dec 2000, pp. 223-241

KJP und Schule

Psychische Störungen und Beschulung

•Psychische Störungen führen häufig über kurz oder lang auch zu Schwierigkeiten in der Schule

• Leistungsprobleme

• Disziplinprobleme

• Probleme mit Gleichaltrigen

•LehrerInnen tragen im Schulalter erheblich dazu bei, dass psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen erkannt werden

•LeherInnen sind diejenigen ExpertInnen die im Schulalter am häufigsten auf eine Vorstellung von Kindern und Jugendlichen zur Abklärung drängen

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KJP und Schule

Psychische Störungen und Beschulung

•LehrerInnen reagieren stärker auf „störende Verhaltensauffälligkeiten“; emotionale Belastungen werden eher übersehen

•Nicht suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV): Freiwillige, repetitive und direkte Beschädigung von Körpergewebe, die sozial nicht akzeptiert und nicht suizidal intendiert ist

•NSSV ist ein in der Schule kaum zu übersehendes Symptom von Belastung, oftmals gerade bei vorher jahrelang eher stillen,als unauffällig wahrgenommenen SchülerInnen

•Es gibt Gruppen- und Nachahmungsphänomene

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KJP und Schule

Ziele der Klinikbeschulung

•Bilanzierung des bisher Erlernten

•Feststellung von Wissenslücken

•Identifikation einer bestmöglichen Weiterbeschulung

Schule in der Klinik stellt eine Brücke in die Realität, eine Belastungsprobe, ebenso wie ein Unterstützungsangebot dar

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Hans-Lebrecht-Schule

Verteilung der Schulformen 2013/2014 (Stand 05.07.2014)

Insgesamt: 211 Schüler (davon 114 Jungen)

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Hans-Lebrecht-Schule

Beschulungsdauer in der Klinikschule

•100 – 193 Tage: 23 SchülerInnen

•50 – 100 Tage: 59 SchülerInnen

•< 50 Tagen: 129 SchülerInnen

Schulabsentismus

80 von 211 SchülerInnen besuchten vor der Klinikschule nur noch unregelmäßig oder gar nicht mehr ihre Heimatschule

Hans-Lebrecht-Schule

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Hans-Lebrecht-Schule

Vorgehen in der Schule

•Anforderungen werden an aktuelles Leistungsniveau angepasst, um Lernmotivation zu schaffen

•Schüler mit geringen schulischen Defiziten werden nach Stoffverteilungsplan unterrichtet

•Für Schüler mit krankheitsbedingt starken schulischen Defiziten wird eine neue schulische Perspektive erarbeitet

Klassenzimmer der Hans-Lebrecht-Schule

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Hans-Lebrecht-Schule

Interdisziplinäres Arbeiten

•Enge Zusammenarbeit zwischen Klinikschule, ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und dem Pflege-und Erziehungsdienst

•Enger Kontakt mit der Heimatschule

•Enger Kontakt mit Sorgeberechtigten

„Museums-Projekt“ der Hans-Lebrecht-Schule

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Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion

„Schulbegleiter – Entwicklung eines interdisziplinären Curriculums als Beitrag zur Inklusion“

Hintergrund:

• Im Rahmen von inklusiver Beschulung werden immer mehr Schulbegleiter (SB) eingesetzt

• Es existiert bislang keine verlässliche Konzeptualisierung bezüglich beruflichem Hintergrund und Qualifizierung von Schulbegleitern

Ziele der Studie:

• Erhebung der Anzahl, Aufgaben und beruflichen Hintergründe von SB an allen allgemein bildenden Schulen in Baden-Württemberg

• Auf diesen Informationen aufbauend soll ein Curriculum erstellt werden, das gedruckt und veröffentlicht werden soll

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Generelle Aspekte der Teilhabeberechtigung

zu beachtende Elemente: (entsprechend von der WHO in der ICF verwendet)

• die Pervasivität, d.h., ob das Störungsbild in mehreren Bereichen Auswirkungen hat, z.B. ob eine Funktionsbeeinträchtigung sich in der Familie, in der Schule und auch in der Freizeit auswirkt, oder ob die Funktionsbeeinträchtigung nur auf einen Bereich beschränkt ist. Die Pervasivität trägt erheblich zum Ausmaß der Beeinträchtigung bei.

• die Intensität, d.h., ob das Störungsbild in einem (oder mehren) Bereich(en) so stark ausgeprägt ist, dass die Stärke der Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr mit einer Teilhabe vereinbar ist. Das bedeutet, dass z.B. auch bereits ein Bereich genügt, um eine Teilhabebeeinträchtigung festzustellen, obwohl das Funktionsniveau in den anderen Bereichen hoch und ausreichend sein kann.

• die Chronizität, d.h. die Dauer der Funktionsbeeinträchtigung. Für die Chronizität liegt bereits in der Norm des §35a KJHG ein Kriterium vor, da dort der Halb-Jahreszeitraum in der Regel vorausgesetzt wird

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Formen des Zusammenlebens

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UN Behindertenrechtskonvention

UN-Behindertenrechtskonvention ist 2 Jahre nach Unterzeichnung am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft getreten

•Was regelt die UN-Behindertenrechtskonvention? Recht auf Selbstbestimmung, Partizipation sowie eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft

•Was heißt Inklusion? „Einschluss“ – von Anfang an dazu gehören – Inklusion geht von den individuellen Bedürfnissen eines jeden Kindes aus

•Artikel 7 Kinder mit Behinderungen: „(1) Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können …“

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Inklusion und Diversity-Ansatz

• Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wird, gerade für den schulischen Bereich, Inklusion von Kindern mit (drohender) seelischer Behinderung zum zentralen Thema.

• Diversität in einer normalen Schulklasse muss möglich sein.

• Schule muss Teilhabedefizite ausgleichen.

• Störungsbegriff bezieht sich auf neurobiologische und psychologische Grundlagen der Problematik.

• Ausmaß der Beeinträchtigung wegen einer Störung hängt von Umwelt und Anforderungsprofil ab.

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13. Kinder- und Jugendbericht

Erster Kinder- und Jugendbericht, der explizit den Auftrag hat, die Lebensbedingungen von Kindern mit Behinderung in den Blick zu nehmen

Entscheidung der Kommission:

• Lebenslage von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen als Querschnittsthema = keine Institutionenperspektive sondern personenzentriert

• Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sind in erster Linie Kinder und Jugendliche mit Bedürfnissen, Problemen, Entwicklungsaufgaben etc. wie alle anderen Kinder und Jugendliche auch und sie brauchen einen behinderungsbedingten Nachteilsausgleich, damit sie in der Gesellschaft bleiben können (Inklusion)

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13. Kinder- und Jugendbericht

… ausgewählte zentrale Erkenntnisse:

• Der Hilfebedarf wird häufig aus einer Angebots- und Institutionenlogik heraus formuliert und nicht vom Bedarf des Kindes oder Jugendlichen.

• Die Praxis der Leistungsträger ist durch Abgrenzungen und Zuständigkeitsverweise zwischen Sozialhilfe und Jugendhilfe (und auch Krankenkassen) geprägt. Komplexleistungen und Mischfinanzierungen spielen kaum eine Rolle.

• Es entstehen an den Schnittstellen der Systeme „Verschiebebahnhöfe“ und bisweilen „schwarze Löcher“.

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Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion

Vorläufige Daten des Inklusionsprojekts (Stand 19.02.2014)

•Ca. jedes 241. Kind hat einen SB

•In ca. 65% der Schulen gibt es einen SB

•Die meisten SB sind in den ersten Klassen; Abnahme der Anzahl SB je Zunahme der Klassenstufe

Prozentuale Verteilung der SB je Schulform

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Prozentuale Verteilung der Behinderungen/Beeinträchtigungender Kinder/Jugendlichen die SB erhalten

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Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion

Prozentuale Verteilung der Störungen von Kindern/Jugendlichen mit seelischer Behinderung die SB erhalten

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Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion

Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion

Häufige Aufgaben von Schulbegleitern:

• Strukturierung der Einzelarbeit

• Unterstützung bei Rechnen, Schreiben, Lesen

• Unterstützung bei Gruppenarbeiten

• Aktivierung zur Unterrichtsteilnahme

• Auszeiten ermöglichen

• Stressniveau reduzieren

• Unterstützung bei Konfliktklärung

• Selbstwertsteigerung

• An Hilfeplangesprächen teilnehmen

• Gespräche mit den Eltern führen

• Gespräche mit den Lehrern/ oder Schule führen

• Vermitteln zwischen Schule-Schüler-Eltern

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NSSV: Baden-Württemberg

Jugendliche in Baden-Württemberg:

• verletzen sich genauso häufig selbst wie Jugendliche in den USA (Plener et al., 2009)

• zeigen die höchste Rate an Selbstverletzungen im Vergleich mit Jugendlichen aus Österreich und der Schweiz (Plener et al., 2013)

• stehen in Bezug auf die Häufigkeit selbstverletzenden Verhaltens europaweit an 2. Stelle (Brunner et al., 2014)

• etwa ein Drittel berichtet von Suizidgedanken (Plener et al., 2009)

Plener et al. (2009) An international comparison of adolescent non-suicidal self-injury (NSSI) and suicide attempts: Germany and the USA. Psychol Med 39: 1549-1558 Plener et al.(2013) Adolescent non-suicidal self-injury (NSSI) in German-speaking countries: comparing prevalence rates from three community samples. Social Psychiatry Psychiatric Epidemiol 48: 1439-1445. Brunner et al. (2014). Life-time prevalence and psychosocial correlates of adolescent direct self-injurious behavior: a comparative study of findings in 11 European countries. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 55(4): 337-348

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Forschung zu NSSV in Deutschland

Freiburg:Therapie

Erwachsene und

Jugendliche

Mannheim:Neurobiologie,

TherapieErwachsene

Heidelberg:Epidemiologie, Neurobiologie,

TherapieJugendliche

Ulm:

Epidemiologie, Neurobiologie,

TherapieJugendliche

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Schulen/Lehrer im Umgang mit NSSV

• Schule als Ort an dem Jugendliche erstmals mit selbstverletzendem Verhalten in Berührung kommen

� Es wurden regelrechte „Epidemien“ von selbstverletzendem Verhalten innerhalb von Klassenverbänden berichtet

• Wer ist am hilfreichsten in der Bewältigung von NSSV?

• Lehrer wurden an vierter Stelle genannt (nach gemeinnützigen Organisationen, Freunden und Pflegepersonal)

• In einer europaweiten Studie gab nur ein kleiner Prozentsatz der Lehrer an, sich ausreichend kompetent und informiert im Umgang mit Schülern, die sich selbstverletzen, zu fühlen (Resch et al. 2011)

Plener et al. (2012). Umgang mit nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) im schulischen Kontext. Kindheit und Entwicklung, 21(1), 16-22.

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Schulen/Lehrer im Umgang mit NSSV

• Lehrer als „Gatekeeper“ um selbstverletzende Verhaltensweisen und Suizidalität zu identifizieren und durch richtiges Handeln den Weg zu einer Therapie zu bahnen

• Diese Themen kommen in der Ausbildung von Lehrern und Beratungslehrern häufig zu kurz

• Das Programm „Schulen stark machen gegen Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten“

� „Handwerkszeug“ für

Lehrer/Beratungslehrer/Schulsozialerbeiter/Psychologen

Plener et al. (2012). Umgang mit nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) im schulischen Kontext. Kindheit und Entwicklung, 21(1), 16-22.

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4S Programm

4S: Schulen stark machen gegen Suizidalität und

selbstverletzendes Verhalten

Ziele des Programms:

1. Schnelle Identifikation und Einleitung von Hilfen für SchülerInnen mit NSSV und Suizidalität an Schulen in Baden-Württemberg

2. Die Stärkung der Kompetenz des Schulpersonals im Umgang mit Schülern mit NSSV und Suizidalität

3. Die Schaffung standardisierter Vorgehensweisen in Schulen Baden-Württembergs („Schulprotokoll“) im Umgang mit NSSV und Suizidalität

4. Die Verbreitung evidenzbasierten Wissens bei Lehrpersonal und Eltern

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Was brauchen wir/ was fehlt? Denn viele Betroffene suchen Hilfe

Wie motiviert bist Du im Augenblick das selbstverletzende Verhalten zu beenden ?

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38,19%

19,44%

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Was fehlt?

Selektive Prävention

Schulprogramme

Indizierte Prävention

SchulprotokolleScreening

Therapie

Cutting downDBT-A

Frühintervention

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Therapeutic assessment: Ein Ausweg (?)

• Erster Kontakt nach Selbstverletzung

• Mix aus lösungsorientierten, narrativen und systemischen Ansätzen

• Mit Jugendlichem Diagramm erarbeitet: entscheidet sich für Ausweg

RCT:

• Signifikant häufiger in Therapie (86% vs. 51%, p=.002)

• mehr Sitzungen im Anschluss (p<.001)

• höherer Anteil derer, die vier od. mehr Sitzungen wahrnehmen (40% vs. 11%)

Ougrin et al. (2011) Trial of Therapeutic Assessment in London: randomised controlled trial of Therapeutic Assessment versus standard psychosocial assessment in adolescents presenting with self-harm. Arch Dis Child 96(2):148-53

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Zukunftsvision

• Therapeutic Assessment als Kurzintervention (6-8 Sitzungen) als E-Therapie (E-TA)

• Therapieoption für Mehrzahl der Jugendlichen mit selbstverletzendem Verhalten

• Minimiert Barrieren

• Verbreitung in Flächenland

• Unabhängig von Psychotherapeutendichte

• Mit hoher Qualität von wenigen spezifischen Zentren mit Expertise steuerbar

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Fazit

• LehrerInnen sind zentrale Bezugs- und Erziehungspersonen für Kinder und Jugendliche im Schulalter

• LehrerInnen nehmen häufig als erste Problemverhaltensweisen und Belastungen wahr

• Abwägung zwischen den Interessen der gut lernfähigen und belasteten Kinder/Jugendlichen (ca. 1/5)

• Lehrer haben eine „Gatekeeper-“ Funktion

• LehrerInnen wissen zum Teil nicht wie sie reagieren sollen, da Umgang mit psychisch auffälligen Kindern/Jugendlichen häufig in ihrer Ausbildung zu kurz kommt

• LehrerInnen wissen auch häufig nicht an wen sie sich wenden können, wenn sie z.B. Fragen im Umgang mit NSSV haben

� 4S Programm soll Abhilfe schaffen und Lehrkörper im Umgang mit NSSV und Suizidalität schulen und sie im Umgang mit betroffenen SchülerInnen unterstützen

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Vielen Dank der Baden-Württembergstiftung für ihre

nachhaltige Unterstützung und dafür, dass alle Kinder im Land

Baden-Württemberg Chancen zur Teilhabe haben

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

[email protected]

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /

Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm

Steinhövelstraße 589075 Ulm

www.uniklinik-ulm.de/kjpp

Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert