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Nr. 1076

Der Weg der Porleyter

Sie gehen von Bord – und dasChaos beginnt

von Horst Hoffmann

Nach neuen Erkenntnissen und Einblicken in die kosmische Bestimmung derMenschheit gründete Perry Rhodan Anfang des Jahres 3588, das gleichzeitig zumJahr 1 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung (NGZ) wurde, die Kosmische Hanse,eine mächtige Organisation, deren Einfluß inzwischen weit in das bekannte Univer-sum hineinreicht.

Gegenwärtig schreibt man das Jahr 425 NGZ, und die Hanse, die neben dem in-terstellaren Handel auch der kosmischen Verteidigung dient, fand sich schon mehr-mals schweren Anschlägen der Superintelligenz Seth-Apophis ausgesetzt.

Um mit Hilfe weiterer Erkenntnisse gegen künftige Anschläge besser gewappnetzu sein, hat Perry Rhodan nach seiner Rückkehr von Khrat eine großangelegte Ex-pedition zum galaktischen Kugelsternhaufen M 3 gestartet, weil er dort die Porleyter,die Vorläufer der Ritter der Tiefe, zu finden hofft. Nach unbefriedigenden Resultatenund großen Schwierigkeiten hätten andere ihre Suchaktion sicherlich längst aufgege-ben. Nicht so Perry Rhodan! Der langersehnte Erfolg stellt sich ein, sobald der Terra-ner die Dargheten für seine Zwecke einsetzen kann.

Nun schicken sich die 2011 aus äonenlanger Gefangenschaft befreiten Porleyteran, ihre uralte 5-Planeten-Anlage von Neu-Moragan-Pordh wieder in Besitz zu neh-men. Und dabei stellt sich zur Bestürzung der Terraner heraus: Es gibt Auseinander-setzungen über den künftigen WEG DER PORLEYTER …

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Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Der Terraner wartet zu lange.Clyvanth-Oso-Megh - Der ersterweckte Porleyter.Gucky, Alaska Saedelaere und Clifton Callamon - Die Überlebenden des Kampfes mit Dano.Joan Lugarte und Nikki Frickel - Zwei Beibootkommandantinnen.

1.

»Schlagt mich tot, aber da draußen ist ei-ner von ihnen!«

Harry stand im Eingang des Bereitschafts-raums, in dem sich außer ihm noch vier wei-tere Raumfahrer auf den Beginn ihrerSchicht vorbereiteten. Im Klartext hieß dasfür Joan Lugarte und Mason Fowley, diebeiden Beibootkommandanten: Sie sahen ei-nem weiteren ruhigen Tag entgegen.

Die beiden anderen waren Techniker wieHarry. Sie hießen Gregor und Don, und wieHarry schienen sie keinen Nachnamen zubesitzen. Man kannte sie an Bord der RA-KAL WOOLVER nur als Harry, Don undGregor, die drei Unzertrennlichen. Sie wa-ren zusammen an Bord des Flaggschiffs ge-kommen, und wo einer von ihnen auftauch-te, konnte man getrost auch die beiden ande-ren erwarten. Gewisse Leute wollten sogarwissen, daß sie als Kinder im gleichen Sand-kasten gespielt und sich als Heranwachsendedie gleiche Freundin geteilt hatten.

Es duftete nach frisch aufgebrühtem Kaf-fee. Joans Augen waren noch klein. Siegähnte, lehnte sich im Sitz zurück undstreckte alle viere von sich.

»Komm wieder rein, Harry«, sagte sieverschlafen. »Und gewöhne dir um Himmelswillen diese Ausdrücke wieder ab. Wer sollda draußen sein?«

»Eine der Riesenkrabben. Ein Aktions-körper!«

Der nur knapp ein Meter siebzig große,etwas füllige Techniker lugte erneut auf denKorridor hinaus, der zum Hangar führte.

»Ein Porleyter?« Don, der von der Staturher und mit seinem roten Gesicht und denkurzen blonden Haaren glatt ein Zwillings-bruder Harrys hätte sein können, schob sich

einen Konzentratriegel zwischen die Zähne.»Deine Geburtstagsfeier gestern Abend warzuviel für dich. Wie sollte sich ein Porleyterausgerechnet hierher verirren? Nach denjüngsten Querelen soll Rhodan ihnen sanft,aber bestimmt nahegelegt haben, ihre Quar-tiere nicht zu verlassen, bis wir endlich eineMöglichkeit finden, diese Barriere zu über-winden.« Harry zog sich hinter den Eingangzurück und schüttelte verärgert den Kopf.

»Ich sage euch, da ist einer von ihnen,und wenn ihr's nicht glaubt, kommt selbsther und seht ihn euch an!«

»Wenn's dich glücklich macht«, seufzteJoan und erhob sich. »Ein Porleyter zumFrühstück. Ich habe noch eine Schrammevon meiner hoffentlich ersten und letztenBegegnung mit ihnen, als sie im ganzenSchiff verrückt spielten.«

»Du weißt auch, weshalb sie das taten«,versuchte Gregor abzuwiegeln, der Don undHarry um zwei Köpfe überragte und wegenseiner spindeldürren Gestalt den Spitznamen»Ara« erhalten hatte. Gregor schlürfte amheißen Kaffee und setzte behutsam die Tasseab. »Sei du einmal so lange wie sie in einemSteinbrocken oder einem Baum eingeschlos-sen. Dann würdest du dich auch austoben.«

Sie winkte ab und ging um den kleinenTisch herum.

»Das mag sein, Greg. Aber ich werde ver-dammt froh sein, wenn wir sie endlich wie-der von Bord haben.«

Damit sprach sie aus, was viele dachten,denen der porleytische Reflex noch allzu gutin Erinnerung war.

Joan kam nicht bis zum Eingang. Harry,der einen weiteren Blick in den Korridorhinein gewagt hatte, stieß einen Schrei ausund rannte ihr geradewegs in die Arme.

Dort, wo er eben noch gestanden hatte,schob sich jetzt der vordere Teil eines Akti-

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onskörpers in die Türöffnung. Joan ließ Har-ry los und machte unwillkürlich einenSchritt zurück.

Für Sekunden blickte sie in das ockergel-be Gesicht des Porleyters, sah das breitezahnlose Maul mit den harten Kiefern unddie acht kreisförmig angeordneten blauenAugen. Dann glitten ihre Blicke über densich nach oben hin verjüngenden Oberkör-per mit den beiden Armen, an deren sche-renähnlichen Enden jeweils sechs Finger sa-ßen.

Der Aktionskörper rückte weiter vor undfüllte den gesamten Eingang aus, aufgerich-tet auf den beiden kurzen, stämmigen Hin-terbeinen mit den scharf eingekerbten Ge-lenken und den beiden etwas längeren mitt-leren Gliedmaßen.

Gregor, Don und Mason Fowley sprangenauf und standen da wie angenagelt. Harrybeeilte sich, zum Tisch zu kommen. Nur Jo-an blieb stehen, wo sie war.

Der Oberkörper der Riesenkrabbeschwang hin und her. Joan konnte sich desEindrucks nicht erwehren, daß die starrenAugen sie regelrecht durchleuchteten, daßder Porleyter etwas suchte und daß er nichtgekommen war, um einen Freundschaftsbe-such abzustatten.

Die anderen mußten die Bedrohung eben-falls spüren, denn Fowley sagte leise:

»Ganz ruhig bleiben, Mädchen.«»Ich glaube, er … will etwas von uns«,

flüsterte Harry.»Er hat sich ganz bestimmt nicht hierher

verlaufen«, sagte Joan. Sie aktivierte ihrenkleinen Translator, doch bevor sie auch nurein einziges Wort an den Porleyter richtenkonnte, drehte dieser sich um und ver-schwand wieder im Korridor.

»Puh!« machte Don. »Und ich hatte schongeglaubt, es geht wieder los.«

»Überlegt besser einmal, wohin der Por-leyter will«, sagte Joan.

Harry wurde bleich.»Du meinst zum Hangar?«»Du hast's tatsächlich erfaßt. Genau in

diese Richtung geht er jetzt. Und dort steht

eine betriebsbereite Space-Jet. Na, däm-mert's?«

Harry schüttelte heftig den Kopf.»Ich weiß, was du denkst, Joan. Aber das

vergißt du am besten ganz schnell wieder.«»Warum? Wir wissen, daß eine Gruppe

Porleyter uns Menschen dafür verantwort-lich macht, daß die RAKAL nicht durch dieBarriere und in ihr Fünf-Planeten-Systemkommt. Allein, denken sie, schaffen sie's.«

»Und Gucky ist mit einem Beiboot durchdie Barriere!« Fowley pfiff durch die Zähne.»Sicher wissen das alle Porleyter an Bord.Du meinst, dieser eine will mit der Space-Jetauf die gleiche Weise versuchen …?«

»Wir müssen die Zentrale verständigen!«rief Harry aufgeregt.

»Ach was, das nehmen wir selbst in dieHand.« Joan ging zu einem Wandschrankund öffnete ihn. »Wir gehen ihm nach undwerden gleich wissen, ob ich recht habe odernicht.«

Sie nahm einen Paralysator von einemRegal und schloß den Schrank wieder.

Sie winkte mit der Waffe.»Worauf wartet ihr?«Harry starrte entgeistert auf ihre Hand.»Tu das Ding weg, Joan! Wenn Rhodan

erfährt, daß du einen Porleyter damit bedro-hen willst, gibt's für uns alle eine Menge Är-ger!«

»Wenn Rhodan plötzlich eine davonschie-ßende Space-Jet auf den Schirmen hat, gibt'serst recht Ärger.«

Joan winkte nur ab, als auch Fowley undGregor sie warnten, und verließ den Raum.

Bis zum Hangarschott gab es keine Ab-zweigungen mehr. Der Porleyter stand vordem Schott und versuchte ganz offensicht-lich, es zu öffnen.

Joan näherte sich ihm bis auf etwa zehnMeter und richtete den Paralysator auf ihn.

»Wir gehen alle zum Teufel, Joan!« warwieder Harrys Stimme zu hören. Die Tech-niker und Fowley hatten zu ihr aufgeschlos-sen. Harry versuchte, Joans Arm nach untenzu drücken. Sie wich ihm aus.

»Porleyter!« rief sie. »Nimm jetzt die Fin-

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ger von den Kontrollen und dreh dich ganzlangsam um. Ja, so ist's recht. Wir wollenkeine Schwierigkeiten, also gehst du jetztbesser dorthin zurück, wo du hingehörst.«

Der Aktionskörper hatte sich um 180Grad gedreht. Die blauen Augen funkeltendie Menschen drohend an.

Wieder hatte Joan das Gefühl, durch-leuchtet zu werden. Für Augenblicke kamsie sich klein und dumm vor.

Sie führen sich an Bord auf wie die Her-ren des Schiffes! dachte die Beibootkom-mandantin. Sie sollten uns dankbar sein undzeigen uns statt dessen, für wie überlegen siesich halten!

Sie hielt das für unerträgliche Arroganzund winkte mit dem Strahler.

»Hörst du nicht? Verschwinde von hier,bevor ich Roboter rufen muß, die deinen ge-lähmten Körper auf einer Amtigravscheibewegtragen! Ich sage es zum letzten Mal!Geh zurück zu den anderen!«

»Du bist verrückt geworden!« flüsterteHarry. Blitzschnell schob er sich zwischendie Frau und den Fremden und breitete ver-zweifelt die Arme aus.

»Sie meint es nicht so, aber du solltestjetzt wirklich …«

Der Aktionskörper schnellte sich auf ihnzu, noch ehe er aussprechen konnte. Harryschrie auf und warf sich zur Seite. EinSchuß fauchte und verfehlte den Porleyternur knapp. Der Porleyter setzte über sie hin-weg, was ihnen einige blaue Flecken ein-brachte, und rannte zurück in den Korridor.

Joan Lugarte lag auf dem Bauch undnahm die Waffe in beide Hände. Sie löstesie aus, als der Aktionskörper kurz vor einerAbzweigung stehenblieb.

Im nächsten Moment war Fowley heranund schlug ihr die Waffe aus den Fingern.

»Weißt du überhaupt, was du anrichtest?«fuhr er sie an. »Sind wir ins Mittelalter zu-rückgefallen, daß uns keine andere Möglich-keit bleibt, als zu schießen?«

Sie sah ihn an.»Aber ich …«Fowley seufzte. Er half Joan, sich aufzu-

richten. »Irgendwie kann ich dich ja verste-hen. Aber wenn uns unsere Gäste nun fürBarbaren halten, haben sie bestimmt nichtganz unrecht.«

»Es tut mir leid«, flüsterte die Raumfahre-rin.

Fowley ließ sie los, als sie sich wieder al-lein auf den Beinen halten konnte, übergabDon die Waffe und ging zum nächsten Inter-kom.

Von dem Porleyter war nichts mehr zu se-hen. Entweder hatte Joan erneut vorbeige-schossen, oder die Strahlen wirkten nicht aufdie Aktionskörper und die in ihnen integrier-ten Porleyter.

Fowley hoffte das erstere, als ihm RasTschubais Gesicht vom Bildschirm entge-genblickte.

*

In der Hauptleitzentrale der RAKALWOOLVER befanden sich außer Tschubaizu diesem Zeitpunkt Perry Rhodan, Bradleyvon Xanthen, Jennifer Thyron und FellmerLloyd, sowie die diensttuende Besatzung.

Das Großraumschiff der Liga Freier Ter-raner stand nach wie vor nahe an der un-sichtbaren Barriere, die einen Einflug nachNeu-Moragan-Pordh verhinderte.

Etwas zurückgezogen wartete die kombi-nierte Flotte von 280 Einheiten der LFT undKosmischen Hanse – zehn Schiffe der NE-BULAR-Klasse, einhundert Schwere Kreu-zer der STAR-Klasse, einhundert Koggen,fünfzig leichte und zwanzig schwere Holks.

Funk- oder Telepathiekontakt zu der miteiner Space-Jet aufgebrochenen Gruppe, be-stehend aus Gucky, Alaska Saedelaere,Cerai Hahn und Nuru Timbon, gab es seitderen Durchdringung der Barriere nichtmehr.

Das heißt: Bis zu diesem Augenblick, indem Fellmer Lloyd an Rhodan mit der Er-öffnung herangetreten war, er habe mögli-cherweise schwache Impulse von Guckyaufgefangen.

Der Terraner, der bis dahin vor einem Be-

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obachtungsschirm gesessen und in die Be-trachtung der näheren Umgebung vertieftgewesen war, sah überrascht auf. Immerwieder fiel es ihm schwer, sich von dem An-blick zu lösen, den der Weltraum hier imZentrum von M 3 bot. Dann führte er sichvor Augen, wie alt all diese Sterne waren,die so eng beieinander standen, daß auf ih-ren Planeten ewiger Tag herrschte. Fast allegehörten der Population II an, wie dies fürdie Kugelsternhaufen im Halo der Galaxisdie Regel war. Rote Riesensonnen herrsch-ten vor, Sterne, in denen nicht mehr Wasser-stoff, sondern Helium und andere schwereStoffe verbrannten. Auch jene Sonne, diehinter der Barriere auf künstlichen Bahnenvon ihren fünf Begleitern umlaufen wurde,war ein solcher roter Riese.

»Du hältst es für möglich?« fragte Rho-dan. »Du bist nicht sicher?«

Fellmer zuckte die Schultern.»Ich spüre diese Impulse, und sie kom-

men von hinter der Barriere. Sie sind einfachnoch zu schwach, viel zu vage. Aber eskönnte Gucky sein.«

Rhodan erhob sich. Bradley von Xanthenwar hinzugetreten und blickte die beidenMänner fragend an. Flüchtig bemerkte Rho-dan, daß Ras Tschubai einen Interkomanrufentgegennahm.

»Der Kleine wird alle Hebel in Bewegungsetzen, um uns zu erreichen«, sagte vonXanthen. »Er kann in eine Lage geratensein, in der er unsere Hilfe braucht; er kanneine wichtige Entdeckung gemacht haben;oder er hat es irgendwie geschafft, die Bar-riere zu beseitigen.«

Rhodan schüttelte den Kopf.»Wir haben uns in den letzten Wochen oft

genug in Spekulationen verrannt, Bradley.Fellmer, kannst du wenigstens feststellen, obGuckys Impulse an uns gerichtet waren,oder ob du über diese Entfernung hinwegeinfach nur …?«

»Ob ich ihn aufgespürt habe?« Fellmerlachte verhalten. »Perry, ich weiß nicht ein-mal, ob es Gucky ist.«

»Wir sollten es über Funk versuchen«,

schlug von Xanthen vor. Rhodans Nickenals Aufforderung deutend, begab er sich zuden entsprechenden Anlagen und nahm dasselbst in die Hand.

Ras Tschubai stieß eine Verwünschungaus. Das Gesicht des Mannes, mit dem ergesprochen hatte, verschwand vom Bild-schirm des Interkoms. Ras kam kopfschüt-telnd zu Rhodan und Fellmer und ließ sichin einen Sitz fallen.

»Einige Verrückte haben versucht, einenPorleyter aufzuhalten, der sich offenbar eineSpace-Jet schnappen wollte, um uns zu be-weisen, daß sie ohne uns längst wieder da-heim wären. Ganz abgesehen davon, daß esfraglich ist, ob er mit dem Boot überhauptzurechtgekommen wäre, hatten sie nichtsBesseres zu tun, als mit einem Paralysatorauf ihn loszugehen.«

Rhodan und Lloyd wechselten einenschnellen Blick.

»Sag das noch einmal«, forderte Rhodanden Teleporter bestürzt auf.

Ras legte die Hände flach auf die Instru-mentenplatte und nickte.

»Sie sagen, der Porleyter hätte sie bedrohtund versucht, das Schott zum Hangar zu öff-nen. Eine gewisse Joan Lugarte hätte darauf-hin einen Paralysator auf ihn gerichtet undzum Glück vorbeigeschossen. Von dem Por-leyter fehlt jede Spur.«

Rhodan stand mit versteinerter Miene daund sah zu von Xanthen hinüber, dem beiseinen Bemühungen um Funkkontakt zurGruppe Gucky nicht viel Erfolg beschiedenzu sein schien.

»Ich war bisher der Ansicht, jeder anBord wüßte, wer unsere Gäste sind und daßjeder Zwischenfall zu vermeiden ist.«

»Perry, diese Leute haben Angst. Die Por-leyter sind vielen von ihnen nicht mehr ge-heuer. Es gibt da Gerüchte, daß du die Por-leyter hättest einsperren lassen. Was weißich, was da sonst noch ins Kraut schießt!«

»Vielleicht haben wir den Fehler ge-macht, die Besatzung nicht ausreichend zuinformieren«, sagte Rhodan hart. »Aber dasist noch lange kein Grund, auf Wesen zu

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schießen, deren Mentalität und umständebe-dingte Handlungsweise man einfach nichtsofort versteht!«

Selbst ich, dachte er dabei, begreife sietrotz allem noch nicht!

Doch dies konnte keine Entschuldigungsein.

Die Lage an Bord war schlimm genug.Zwar zeigten Clynvanth-Oso-Megh und des-sen Anhänger auch weiterhin offen ihreSympathie für die Terraner, doch die Zahlderjenigen, die sich um dessen ideologi-schen Gegenspieler Lafsater-Koro-Sothscharten, war in ständigem Wachsen begrif-fen.

Inzwischen, so schätzte Rhodan, standfast schon die Hälfte der 2011 gerettetenPorleyter hinter Koro und dessen Forderung,den Menschen den Zugang nach Neu-Moragan-Pordh zu verbieten.

Oso verlor erschreckend schnell an An-hängern. Weshalb dies so war, entzog sichRhodans Kenntnis. Die Terraner hatten zu-rückhaltend und verständnisvoll auf den por-leytischen Reflex und das damit verbundeneTreiben der Porleyter reagiert, die einenschier unglaublichen Nachholbedarf an akti-ven Erlebnissen jeder Art gehabt hatten.

Und nun dies! dachte Rhodan.»Wir können nur hoffen, daß diesem Por-

leyter nichts geschehen ist«, sagte er düster.»Doch so oder so – diese sinnlose Aktion istWasser auf die Mühlen der Unruhestifter.Ras, ich möchte, daß du Oso in die Zentralebittest.«

Tschubai nickte.»Und Koro am besten gleich dazu?«Rhodan zögerte für einen Moment.»Das wird das Beste sein. Daß die Atmo-

sphäre hier an Bord in gewissem Sinne ver-giftet ist, ist nicht unsere Schuld. Ich möchtenicht, daß sich dies noch ändert.«

Dieses eine Wort – noch! – verriet, wiesehr Perry Rhodan dem Augenblick entge-genfieberte, in dem die Barriere fiel.

Die Porleyter wollten nach zwei Millio-nen Jahren nach Hause, wobei zumindest einTeil von ihnen sich völlig falsche Vorstel-

lungen davon zu machen schien, was siedort erwartete.

Was versprach er, der Terraner, sich vondem Versteck der Porleyter? Einige Antwor-ten schienen auf der Hand zu liegen: Vertie-fung des Wissens über diese Vorläuferorga-nisation der Ritter der Tiefe; damit verbun-den neue Erkenntnisse über kosmische Zu-sammenhänge Hinweise, die ihn möglicher-weise der Beantwortung der drei UltimatenFragen näherbrachten – insbesondere der er-sten von ihnen.

Clynvanth-Oso-Megh hatte ihm in Aus-sicht gestellt, seine Fragen nach dem Fros-trubin zu beantworten, wenn er ihn und sei-ne geretteten Artgenossen erst einmal nachNeu-Moragan-Pordh gebracht hatte.

Rhodans Gedankengänge im Zusammen-hang mit der Fünf-Planeten-Anlage führtenimmer wieder zu der bangen Frage, ob Seth-Apophis dort nicht vielleicht bereits Fuß ge-faßt oder zumindest Agenten im Einsatz hat-te.

Dies würde erklären, daß die Flotte amEinflug in das System gehindert wurde undkeine Abholschiffe nach Osafal geschicktworden waren, nachdem die Porleyter mitHilfe der Dargheten in ihre überall in derNähe ihrer Integrationsobjekte befindlichenAktionskörper hatten überwechseln können.

Bradley von Xanthens Räuspern riß PerryRhodan aus diesen fruchtlosen Grübeleien.Ein Blick in das Gesicht des Flottenführersverriet bereits, was bei seinen Bemühungenum einen Funkkontakt zu den vier Speziali-sten herausgekommen war.

»Nichts«, sagte von Xanthen.»Aber ich spüre die Impulse wieder«, be-

harrte Fellmer Lloyd. »Ich bin mir jetzt si-cher, daß sie von Gucky stammen.«

Rhodan zog eine Braue in die Höhe undblickte den Freund forschend an.

»Jetzt auf einmal, Fellmer?«Jennifer Thyron war unbemerkt herange-

kommen und sagte:»Ich würde vorschlagen, einen weiteren

Versuch zu wagen.«»Ich bin auch der Meinung, daß das

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Durchkommen der Impulse nur die Folge ei-nes Zusammenbruchs der Barriere seinkann«, stimmte von Xanthen ihr zu. »Undnoch haben Oso und seine Anhänger dieÜberhand und nicht jene, die uns den Zutrittzu ihren Planeten verwehren wollen.«

Rhodan lächelte matt.»Was bleibt mir dann noch anderes übrig,

angesichts einer solchen Einhelligkeit derMeinungen?«

Fellmer legte ihm lachend eine Hand aufdie Schulter.

»Du konntest dich noch nie besonders gutverstellen, Perry. Aber wenn dein Entschlußschon gefaßt ist, schlage ich vor, ihn in dieTat umzusetzen, bevor Ras mit Lafsater-Ko-ro-Soth hier ist.«

Minuten später nahm das mächtige SchiffFahrt auf.

*

Rhodan verfolgte die Annäherung an dieBarriere – falls sie noch existierte – vor ei-nem Monitor, auf dem Zahlenreihen auf-grund der beim ersten mißglückten Vorstoßgemachten und gespeicherten Beobachtun-gen die rasch schrumpfende Entfernung zumkritischen Punkt angaben.

Kaum jemand redete noch in der Haupt-leitzentrale. Von Xanthen gab mit gewohn-ter Ruhe seine Anweisungen, und FellmerLloyd nickte nur, wenn Rhodan ihn fragendansah.

Unwillkürlich mußte Perry dabei anGuckys überraschende Entdeckung denken,die letztlich für dessen Vorstoß ausschlagge-bend gewesen war.

Der Mausbiber war völlig irritiert gewe-sen, als er berichtete, aus der Zielrichtungseltsame Impulse aufgefangen zu haben, undzwar zweierlei Impulse. Die einen, so der Ilt,seien ziemlich aggressiv gewesen, die ande-ren kämen ihm »irgendwie bekannt« vor.

Guckys kleine Tricks, wenn es darumging, die Erlaubnis zu einem riskanten Un-ternehmen auf eigene Faust zu erhalten, wa-ren ein Kapitel für sich. Doch seine Erre-

gung hatte er nicht vorgetäuscht.Wer aber sollte ausgerechnet hier solche

Impulse ausstrahlen?Auch auf diese Frage, dachte Rhodan,

wartet die Antwort in Neu-Moragan-Pordh.Die Ziffernreihe näherte sich der Nullan-

zeige. Rhodans Finger krümmten sich leichtauf der Instrumentenplatte vor ihm. Unwill-kürlich hielt er den Atem an und erwartete,noch einmal die gleiche ernüchternde Erfah-rung machen zu müssen wie beim erstenZielanflug.

Die Orter zeigten nicht das geringste an.Eine gespenstische Stille lastete über derZentrale. Rhodan drehte den Kopf und sahin die ausdruckslosen Mienen von JenniferThyron, Bradley von Xanthen und Jen Salik,der inzwischen mit Carfesch erschienen war.

Dann war es von Xanthen, der laut aus-rief:

»Wir sind durch! Wir haben es geschafft!Die Barriere steht nicht mehr!«

Ein Aufatmen ging durch die Reihen derRaumfahrer. Die RAKAL WOOLVER glittunangefochten auf die rote Riesensonne zu.

Rhodan bewies einmal mehr, wie schneller in der Lage war, eine neue Situation alsgegeben zu erfassen und den Blick bereitswieder nach vorne zu richten.

»Bradley, ich denke, die Flotte sollte unsin Sicherheitsabstand folgen – nicht so dicht,daß dies als Bedrohung empfunden werdenkönnte, aber nahe genug, um im Fall einerAggression gegen die RAKAL jederzeit ein-greifen zu können.«

»Ich veranlasse das.«Von Xanthen entfernte sich. Fellmer sag-

te, ohne den Blick von den Schirmen abzu-wenden, die das phantastische Sterngewim-mel und die dichten Nebelschleier im Zen-trum von M 3 zeigten:

»Ich empfange die Impulse weiterhin. Siesind zwar nach wie vor undeutlich, aber inGuckys Ausstrahlungen mischen sich jetztdie von anderen.«

»Du meinst die von Alaska, Cerai undNuru«, vermutete Salik.

Lloyd gab keine Antwort. Sein Gesicht

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verriet angestrengte Konzentration, aberauch etwas anderes, das Rhodan erschreckte.

Bevor jemand nachhaken konnte, erschie-nen Ras Tschubai, Clynvanth-Oso-Meghund Lafsater-Koro-Soth. Die beiden Porley-ter waren, wie alle 2011 von ihnen, in ihrenAktionskörpern nicht voneinander zu unter-scheiden. In der Regel stellte sich erst in derUnterhaltung heraus, wer wer war. Diesmalgenügte die Geste des einen der beiden, alser anklagend auf die Bildschirme deutete,die den Weltraum zeigten.

»Ihr werdet umkehren!« forderte Koro.»Stellt uns eure Beiboote zur Verfügung, da-mit wir euer Schiff verlassen können. Wirwerden dafür sorgen, daß sie zu euch zu-rückkehren. Ihr aber zieht euch auf der Stel-le zurück und verlaßt diesen Sternhaufen,nachdem die Boote wieder in den Hangarssind!«

Rhodan blieb ruhig. Um Zeit zu gewin-nen, sagte er langsam:

»Einer von euch versuchte ja bereits, sicheines Beiboots zu bedienen, Koro.«

Wie erwartet, ging Koro sofort darauf ein.Von Xanthen lächelte still vor sich hin, alser dabei zusah, wie die kurze Überlichtphaseprogrammiert wurde, die die RAKALWOOLVER bis dicht an die Grenze desFünf-Planeten-Systems heranbringen würde.

Lafsater-Koro-Soth richtete sich vor Rho-dan, Salik und Lloyd auf. Seine acht Augenfunkelten schwach.

»Es erfordert eine gehörige Portion Un-verdrossenheit von dir, diesen Vorfall zurSprache zu bringen, Perry Rhodan! Uns be-weist er eindeutig, daß es ein unverzeihli-cher Fehler wäre, euch den Zutritt zu unse-ren Welten zu gewähren. Ihr habt uns ausden Integrationsobjekten befreit und damiteine Funktion erfüllt. Was weiter zu gesche-hen hat, ist nicht mehr eure Sache!«

Rhodan nickte bedächtig. Dann blickte erKoros Begleiter an.

»Ist das auch deine Meinung, Oso?«»Du weißt, daß dem nicht so ist«, sagte

der Ersterweckte in der Sprache der Mächti-gen. Alle in der Zentrale Versammelten au-

ßer Rhodan, Salik und Carfesch verfolgtendie Unterhaltung über die Translatoren, so-weit ihre Beschäftigung dies zuließ. »Undausschlaggebend ist letztlich die Meinungder Mehrheit von uns – und die steht immernoch auf meiner Seite. Wir vertrauen euchund werden euch nicht am Weiterflug hin-dern.«

»Noch!« fuhr Koro ihn an. »Doch nichtmehr lange! Bevor wir den ersten unsererPlaneten erreichen, wird die Mehrheit dasVorgehen der Terraner verurteilen! Und sindwir erst einmal gelandet …«

Koro beließ es bei der Andeutung, unddas genügte vollkommen.

»Wenn das keine offene Drohung war,habe ich nie eine gehört«, sagte JenniferThyron.

Koro drehte sich zu ihr um.»Nehmt es, wie ihr wollt. Ihr habt eure

Funktion erfüllt und noch die Möglichkeitzur Umkehr. Doch solltet ihr dennoch daraufbeharren, auf einem unserer Planeten zu lan-den, so tragt ihr allein die Verantwortung fürdas, was dort geschehen mag!«

Noch einmal wandte er sich an PerryRhodan:

»Ich verlange, daß jene bestraft und neu-tralisiert werden, die auf Tannahar-Mo-yo-Lyrt schossen!«

Damit verschwand er aus der Zentrale,ohne die Menschen noch eines Blickes zuwürdigen.

»Neutralisieren?« fragte Salik. »Ich kannnur hoffen, daß er damit nicht meint, wirsollten Lugarte … hinrichten!«

Oso verneinte.»Ihr sollt die Schuldigen nur daran hin-

dern, etwas Ähnliches noch einmal zu versu-chen«, erklärte er. »In diesem Punkt muß ichKoro allerdings zustimmen. Die Unruhewird sich nun, nachdem wir die Barrieredurchbrochen haben, schnell ausbreiten.Kommt es zu weiteren Zwischenfällen, sowird sich Koros Prophezeiung eher erfüllen,als uns lieb sein kann.«

Bradley von Xanthen machte ein Zeichen,daß die Überlichtphase unmittelbar bevor-

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stünde.Fünf Sekunden später war es soweit. Rho-

dan beobachtete Oso gespannt. Doch derPorleyter zeigte in keiner Weise, was ihn be-wegte.

»Wir werden Joan Lugarte anhören«, ver-kündete Jennifer Thyron. »Koro ist nicht gutinformiert, sonst würde er nicht von denSchuldigen sprechen – wobei eine Schuldnoch nicht einmal erwiesen ist.«

Oso schien etwas zu bedrücken. Endlichplatzte er damit heraus:

»Tannahar-Moyo-Lyrt handelte töricht,als er versuchte, sich in den Besitz eines derBeiboote zu bringen. Doch bereitet euchdarauf vor, daß Ähnliches wieder geschehenkann, überall im Schiff.«

»Kannst du das näher erläutern?« fragteRhodan.

»Seit einigen Stunden schon hat uns Por-leyter eine neue seltsame Erregung erfaßt.Ich spüre es an mir selbst und finde keineErklärung dafür. Diese Unruhe hat nichtsmit dem zu tun, was immer mehr von uns zuKoro treibt. Es ist etwas anderes, und ich ha-be Angst davor.«

»Ein Wiederaufleben des porleytischenReflexes?« fragte Jennifer.

»Nein, das ist es nicht. Aber ihr solltet aufalles mögliche vorbereitet sein – auch aufaggressive Akte von unserer Seite.«

Rhodan warf Fellmer Lloyd einen schnel-len Blick zu, doch der Telepath wirkte nunvöllig entrückt.

Etwas braut sich über uns zusammen!dachte Rhodan. Hier und … auf den Plane-ten?

»Dann war Moyos Vorstoß eine vielleichterste Folge dieser Aggression?« erkundigtesich Jen Salik.

»Tannahar-Moyo-Lyrt war bislang immereiner der Besonnenen«, antwortete Oso aus-weichend.

Konkreter war die Auskunft, mit der Dun-ja Halish zu der Gruppe kam. Sie war einenoch sehr junge Astrogatorin und Astrono-min, die von der Hauptzentrale aus den Kon-takt zu den verschiedenen Sektionen des

Schiffes hielt.»Keine guten Nachrichten, Perry. Von

fast überall in der RAKAL wird gemeldet,daß plötzlich Porleyter auftauchen und unse-re Leute belästigen. Sie drängen sich an In-strumente und lassen sich nur schwer wiederzur Vernunft bringen. Ich erhalte Anfragen,wie die betroffenen Besatzungsmitgliedersich verhalten sollen.«

Sie redete zwar von Belästigungen, doches klang wie nach Angriff.

»Du solltest versuchen, beruhigend aufdie Porleyter einzuwirken, Oso«, bat Jenni-fer Thyron.

»Versuchen kann ich es«, antwortete die-ser. »Doch gebt euch keinen zu großenHoffnungen hin.«

Schon im Ausgang stehend, drehte er sichnoch einmal um.

»Je eher wir auf einem der Planeten ge-landet sind und von Bord gehen können, de-sto besser ist es für uns alle!«

Damit verschwand er endgültig.Rhodan und Salik blickten sich betroffen

an.»Was hat das zu bedeuten, Perry?« fragte

der Ritter der Tiefe.Rhodan schüttelte den Kopf.»Wenn ich es nur wüßte! Jennifer, gib bit-

te einen Rundruf an alle Stationen durch. Je-der an Bord muß wissen, was da möglicher-weise auf uns zukommt. Niemand darf sichnoch einmal zu unüberlegten Handlungenhinreißen lassen – ganz gleich, was auch ge-schieht. Im Zweifelsfall sollen die Leutesich mit uns in Verbindung setzen.«

Sie nickte und kam der Aufforderungnach. Ras Tschubai begleitete sie, bereit,beim ersten Anzeichen von Feindseligkeitenan Ort und Stelle zu teleportieren.

Perry Rhodan stützte sich schwer auf einPult. Nur Salik stand jetzt noch bei ihm,wenn man von Lloyd absah, der der ihn um-gebenden Realität vollkommen entzogenschien.

Die beiden Männer, die auf Khrat die Rit-terweihe empfangen hatten, starrten aufeinen Bildschirm, über den Zahlenketten da-

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hinflossen, als könnte der ihnen die Antwor-ten auf alle quälenden Fragen geben.

»Eine Galaxis für deine Gedanken, Jen«,sagte Rhodan leise.

Salik lachte bitter.»Es dürften die gleichen wie deine sein,

Perry. Du fragst dich, was diese Porleyternoch mit jenen gemeinsam haben, die imAuftrag der Kosmokraten für eine kosmi-sche Ordnung kämpften.«

»Ich muß zugeben«, erwiderte Rhodan,»daß ich sie mir etwas anders vorgestellthatte. Aber dann müssen wir uns gleichzei-tig die Frage stellen, von welchen Maßstä-ben wir bei ihrer Beurteilung ausgehen dür-fen – falls uns ein Urteil überhaupt zusteht.«

»Solche Bescheidenheit lehrt«, gab Salikzu bedenken. »Doch sie ist nicht in jeder Si-tuation angebracht. Vielleicht wollen wirnicht sehen, was um uns herum vorgeht, undverschließen die Augen davor. Tatsache ist,daß im Verhalten der Porleyter eine gewisseNegierung nicht mehr zu leugnen ist. Sie ha-ben sich verändert – und ich befürchte, die-ser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen.«

Rhodan dachte wieder an Seth-Apophis.Die Vorstellung, daß die gegnerische Super-intelligenz selbst die Porleyter zu beeinflus-sen vermochte, erschien ihm immer noch zuphantastisch, um sie zu akzeptieren.

Oder trafen Jens Worte auch hierauf zu?Wollte er etwas nicht sehen, nur weil dieKonsequenzen unvorstellbar für ihn waren?

Seth-Apophis hatte Menschen zu ihrenAgenten gemacht. Sie hatte von Icho TolotBesitz ergriffen und von den Dargheten, diees nur aufgrund ihrer überragenden Fähig-keiten und mit der ganzen Kraft ihres Wil-lens schafften, sich dem erneuten Zugriff zuentziehen.

Verhielt es sich mit den Porleytern viel-leicht ebenso? War auch ihr gereiztes Ver-halten die Folge eines vielleicht tief in ihremUnterbewußtsein geführten Abwehrkamp-fes?

Rhodan sah Carfesch an, als erhoffte ersich von ihm Klarheit. Doch der ehemaligeGesandte der Kosmokraten schwieg weiter.

Dafür kündigte nun von Xanthens Stimmedas Ende der Überlichtphase an.

Die RAKAL WOOLVER stürzte, in ge-bührendem Abstand gefolgt von der Flotte,in den Einsteinraum zurück.

Auf den Schirmen stand die rote Riesen-sonne wie das glühende Auge eines Titanen.Fast ehrfürchtig betrachteten die Männerund Frauen in der Zentrale die dreidimensio-nale Darstellung der Fünf-Planten-Anlage.

Es war ein Bild von erhebender Ordnung,das sich ihren Augen bot. Hier war nichtsdem Zufall überlassen worden, war jedesUngleichgewicht eliminiert.

Alle fünf Planeten bewegten sich auf ei-ner Ebene und auf einer Achse um die roteSonne, die Oso Aerthan genannt hatte. Nurdie Entfernungen der Welten zueinander wa-ren unterschiedlich groß.

Die RAKAL WOOLVER glitt langsam indas System hinein, in dem sich wahrhaftig inzwei Millionen Jahren nichts verändert zuhaben schien.

Fast zögerte Rhodan nun plötzlich, denFlug fortzusetzen.

Der Eindruck von Ruhe und Friedenkonnte täuschen. Die bitteren Erfahrungenauf dem langen Weg hierher waren nichtvergessen. Immer wieder waren unverhofftneue Hindernisse aufgetaucht, die sich alsfast unüberwindbar erwiesen hatten.

Rhodan mußte unwillkürlich an dasSchicksal der DAN PICOT denken.

Mit weiteren Schwierigkeiten war also zurechnen, fatal insofern, als sich deren Naturimmer erst dann offenbarte, wenn manschon mitten in ihnen steckte.

Und dann war da Koros unmißverständli-che »Warnung«.

Zusätzlich also wurde die Lage der Men-schen durch die bordinternen Probleme er-schwert.

»Die Besatzung ist informiert«, erklärteJennifer Thyron in die eingetretene Stillehinein. »Von uns aus wird niemand irgend-welche Feindseligkeiten eröffnen.«

»Hoffen wir's«, sagte Rhodan düster.»Darüber hinaus sollten wir, um ganz si-

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cherzugehen, die Porleyter von nun an stän-dig bewachen lassen, allerdings ohne daß siees merken.«

»Sie sind ohne Ausrüstung«, stimmte vonXanthen zu, »einmal abgesehen von dem,was ihnen die Aktionskörper an Möglichkei-ten bieten. Aber auch so sind sie gefährlichgenug. Niemand von uns weiß, welche Kräf-te und Fähigkeiten sie zu entfalten vermö-gen, von denen wir nicht einmal etwas ah-nen.«

Es war ein verdammt böses, undurch-schaubares Spiel! Immer noch sträubte sichRhodan dagegen, die großen Hoffnungen zubegraben, mit denen die Expedition nach M3 aufgebrochen war. Sollte dies das Ergeb-nis sein, daß sich Menschen und die letztenAngehörigen der ethisch und moralisch sohochstehenden Porleyter nun bereits alsGegner ansahen?

»Aber das ist ein Ding der Unmöglich-keit!« rief Fellmer Lloyd da plötzlich aus.

Die Köpfe fuhren herum. Aller Augenwaren nun auf den Telepathen gerichtet, derdie Arme in einer Geste völliger Ratlosigkeitweit von sich spreizte.

»Es ist Gucky. Ich kann die Impulse jetztvöllig klar empfangen. Gucky, Alaska und… und noch einer!«

Von Xanthen kniff die Aufen zusammen.Die anderen warfen sich fragende Blicke zu.

Lloyd nickte bekräftigend.Rhodan hob eine Hand.»Du meinst Gucky, Alaska und zwei wei-

tere – Cerai und Nuru.«»Eben nicht! Von Cerai und Nuru emp-

fange ich absolut nichts. Dafür aber von ei-nem anderen Menschen!«

Jennifer Thyron winkte ab.»Das kann gar nicht sein, Fellmer. Es gibt

außer unseren Freunden keinen weiterenMenschen hier.«

»So? Und wie war das mit diesen rätsel-haften Impulsen, die Gucky auffing, und dieihm so sonderbar bekannt vorkamen?«

Jen Salik verschränkte die Arme über derBrust.

»Fellmer, das würde ja in letzter Konse-

quenz bedeuten, daß Gucky diesen Men-schen von irgendwoher kannte.«

»Atlan ist es nicht«, beantwortete der Te-lepath die Frage, die zwar niemand laut ge-stellt hatte, die jedoch in allen Gesichterngeschrieben stand.

»Glaubt mir's oder laßt es bleiben. Ichempfange deutliche Impulse, die weder zuCerai noch zu Nuru gehören!«

»Und du kannst nichts weiter mit ihnenanfangen?« fragte Rhodan schnell. »Ich mei-ne, kommen sie nicht auch dir bekannt vor?«

Fellmer schüttelte nur den Kopf.Rhodan setzte sich und sah wieder Carfe-

sch an.»Aber du mußt doch etwas von den bei-

den anderen empfangen«, sagte Salik. »Siekönnen nicht einfach von der Bildfläche ver-schwunden sein.«

»Das nicht, aber …«Fellmer sprach seine schreckliche Be-

fürchtung nicht aus. Die Andeutung reichteauch so.

»Von welchem der fünf Planeten kommendie Impulse?« fragte Rhodan.

»Vom dritten«, erklärte Fellmer tonlos.Damit war das Ziel der RAKAL WOOL-

VER bestimmt.

2.

»Blau!« rief Clifton Callamon heftig aus.»Dieses Blau ist ein Zustand! Eine MillionSoli für den, der mir eine Flasche herbei-schafft, mit deren Inhalt ich mir diesen Zu-stand auch inwendig schaffen kann!«

Der Raumadmiral stand mit ausgebreite-ten Armen vor Gucky und Alaska Saedelae-re, die mit gesenkten Köpfen auf einer fla-chen Metallleiste saßen, die sich am Randdes mächtigen Talkessels zwischen zweiquaderförmigen Gebäuden spannte.

»Reg dich ab«, murmelte Gucky, ohneden Mann aus der Vergangenheit anzusehen.»Abgesehen davon, daß du hier für eineTrillion Soli keinen Tropfen Schnaps be-kämst, würde dir das auch nicht helfen.«

Callamon knurrte etwas und warf einen

12 Horst Hoffmann

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finsteren Blick hinüber zu jenem großenKuppelbau, der links und rechts von turm-ähnlichen Gebäuden umsäumt war.

Auf den ersten Blick konnte das Bauwerkwie eine von unzähligen Konstruktionenwirken, die den 5000 Meter durchmessendenTalkessel umgaben. So wie hier sah es imGrunde überall auf Zhruut aus. Der ganzeknapp marsgroße Planet war ein einziger in-tegrierter Supermechanismus. Bauten allernur denkbaren Formen spannten ein Netzüber die gesamte Oberfläche. Dabei gab esgroße Zonen, die sich farblich voneinanderunterschieden. So weit das Auge reichte, sahCallamon hier nur Blautöne.

Was unter all diesen Konstruktionen lag,konnte Callamon nur ahnen, soweit er esnicht von seinem erbitterten Gegner Tur-ghyr-Dano-Kerg erfahren hatte: gigantischesubplanetarische Anlagen wie auch schonauf Yurgill.

Konnte er damit auch nur wenig anfan-gen, so wußte er doch ganz genau, was sichunter der Kuppel zwischen den Türmen be-fand.

Das war das Depot, in dem die Kardec-Schilde lagerten. Es handelte sich dabei umeine weitverzweigte Halle – oder auch meh-rere Hallen, das konnte Callamon nicht sa-gen. Er war nicht sehr weit ins Depot einge-drungen, als sich ihm Dano im Körper derKärraxe entgegengestellt hatte – und im Be-sitz eines Schildes.

Callamon schauderte zusammen, als er anden kurzen und doch so schrecklichenKampf dachte. Nie würde er das Bild ver-gessen, das Dano mit dem um den Kärraxen-körper geschlungenen breiten, silberfarbe-nen Metallgürtel mit den vielen Kästchenund Tastaturen geboten hatte – und in die ro-sarote Aura aus verheerenden Energiengehüllt.

Callamon wollte nicht mehr daran den-ken, aber er mußte es! Hilfloser Zorn erfaßteihn, als er wieder Voire zwischen sich unddem Besessenen sah, ein klares hellesLeuchten zunächst, bis er sie in dessen Zen-trum erkannte – Voire, die Seele der Porley-

ter!Sie war für ihn gestorben. Sie hatte die

Kardec-Aura Danos in sich aufgesogen undwirkungslos gemacht. Doch dieser unglaub-liche Kraftakt hatte sie ihr Leben gekostet.

Die schreckliche Leere in Callamon wargeblieben wie der Schmerz und die Furchtvor dem, was mit Voire wirklich ausgelöschtworden sein mochte.

War es nicht seine Schuld gewesen? Hätteer nicht auf sie hören und vom Kampf gegenDano ablassen sollen? Er hörte ihr Flehennoch, als hätte er ihr erst vor Minuten ge-genübergestanden.

Doch er war blind gewesen in seinem Haßund der Gier nach dem Besitz der WAFFE,hinter der er wie auch Dano hergejagt wa-ren.

Voire hatte ihm mit ihren letzten Wortenerklärt, was diese WAFFE war – die nur ge-bende, nichts fordernde Liebe.

»Und das Stärkste, was es in diesem Uni-versum gibt«, murmelte Callamon halblaut.

»Was ist?« fragte Gucky.Callamon schrak auf und starrte den Ilt

betroffen an.Das war nicht mehr der andauernd zu

Spaßen und kleinen Abenteuern aufgelegteMausbiber, den er einmal gekannt hatte.Gucky und Saedelaere waren erschüttertüber den Tod ihrer beiden Gefährten, diewährend des Kampfes um das Depot umsLeben gekommen waren.

Zu allem Überfluß hatte Gucky seine pa-ranormalen Fähigkeiten verloren.

»Es ist alles nur meine Schuld«, flüsterteCallamon, an dem nun kaum noch etwas anden verwegenen Draufgänger vergangenerZeiten erinnerte. Nur ab und zu brach seinTemperament noch durch.

Gucky sprang von der Leiste und stemmtedie Hände in die rundlichen Hüften.

»Nun hör endlich damit auf, dich selbst zubemitleiden, Clifton! Was geschehen ist,läßt sich nicht wiedergutmachen. Aber wenndu schon vor lauter Schuldgefühlen nichtmehr ein noch aus weißt, dann lerne wenig-stens daraus. Vielleicht hilft es dir, endlich

Der Weg der Porleyter 13

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zu begreifen, daß wir nicht mehr im 25.Jahrhundert leben und eine andere Art ge-funden haben, die Probleme anzugehen.«

Clifton verzichtete auf eine Entgegnung,und auch das sprach für sich.

»Wir haben hier nichts mehr zu suchen«,kam es von Alaska. »Jedenfalls vorerstnicht. Vielleicht richtet ihr euer Augenmerkeinmal darauf, wie wir von hier fortkom-men.«

»Da gibt's nichts zu überlegen«, entgegne-te Gucky. »Perry und die anderen müssenerfahren, was hier geschah, bevor es viel-leicht zu spät ist.« Er seufzte und sah hin-über zur SODOM, Callamons Schlachtkreu-zer, der ein gutes Stück entfernt im Talkes-sel stand.

Das Schiff überragte mit seinen fünfhun-dert Metern Durchmesser die meisten Ge-bäude und wirkte nicht nur deshalb wie einFremdkörper, der in dieser phantastischenUmwelt fehl am Platze war.

Alles wirkte zu steril, als daß sich Men-schen hier hätten heimisch fühlen können.Über dem gesamten Planeten lastete, trotzkünstlicher Atmosphäre und einer durch-schnittlichen Temperatur von 20,5 Grad Cel-sius, eine Kälte, die sich bis in die Herzender Gefährten fraß. Es gab weder Meerenoch Flora und Fauna.

An dem Gefühl der vollkommenen Verlo-renheit konnte auch die optische Schönheitder Architektur nichts ändern. Gucky frö-stelte innerlich und sehnte sich nach grünenParks und plätscherndem Wasser zurück –und sei es auch nur an Bord eines Raum-schiffs.

»Du denkst allen Ernstes daran, mit derSODOM zu starten?« fragte Callamon klein-laut.

»Natürlich nicht mit diesem Riesending«,entgegnete Gucky. »Aber da auch nachmehr als anderthalb Jahrtausenden an Bordnoch so gut wie alles funktioniert, sollte esuns auch gelingen, eines der Beiboote flottz-umachen. Was wir einmal mit unsererSpace-Jet schafften, sollte uns auch nocheinmal möglich sein.«

Alaska nickte schwach.»Der Versuch kostet nichts«, sagte er in

seiner holprigen Sprechweise. Callamon sahseine Maske an und schien sich vorzustellen,was darunterlag. Mit Alaskas knapper Aus-kunft, dies sei ein Cappin-Fragment, wußteer nichts anzufangen.

Alaska stand auf und nickte den beidenanderen zu. Ohne ein weiteres Wort zu ver-lieren, setzte er sich in Bewegung. Guckyals Blitzbeförderungsmittel schied aus. Fahr-zeuge hatten sie keine. Sie mußten sich wohloder übel auf ihre Füße verlassen.

Der Ilt folgte ihm. Nur Callamon zögerte.»Brauchst du eine besondere Einladung?«

fragte Gucky, als Alaska ihn darauf auf-merksam machte.

Callamon sah zu der großen Kuppel hin-über.

»Wartet doch mal! Ich meine, wir solltendie Gelegenheit nutzen und einige dieserKardec-Schilde mitnehmen.«

»Kommt nicht in Frage!« wehrte Alaskabarsch ab.

»Aber die Tore zum Depot sind noch of-fen. Sicher würde sich Rhodan darüber freu-en, wenigstens eine dieser Waffen untersu-chen zu können.«

»Clifton«, seufzte Gucky. »Wir verstehendich besser, als du glaubst, mein Lieber. Dukannst der Versuchung einfach nicht wider-stehen. Reicht dir nicht, was du mit deinerJagd nach der WAFFE angerichtet hast?«

»Ich will ja keinen solchen Schild fürmich!« beharrte der Mann aus der Gruft derStarre. »Verdammt und zugenäht, wer ga-rantiert uns denn, daß wir nicht über kurzoder lang mit Kardec-Schilden angegriffenwerden?«

»Von wem denn?« seufzte Alaska.»Wo Waffen sind, gibt es bald auch je-

manden, der sie benutzt, Mr. Saedelaere!«brauste Callamon auf. »Mit Ihrer Erfahrungsollten Sie das wissen!«

»Und ich dachte, er hätte sich die Siezereiendlich abgewöhnt«, klagte Gucky.

Alaska machte eine schroffe Handbewe-gung.

14 Horst Hoffmann

Page 15: Der Weg der Porleyter

»Wir werden es nicht sein, die sie benut-zen, Callamon. Ich will nicht mehr darüberreden. Diese Dinge sind zu gefährlich, alsdaß wir an sie rühren sollten. Weiter jetzt!«

Gucky blinzelte dem Raumfahrer ver-söhnlich zu, wartete, bis Callamon ihn er-reicht hatte, und ergriff dessen Hand.

Der Boden des Talkessels war in diesemBereich nicht eben. Die drei mußten überHindernisse hinwegklettern, manchmal klei-ne, künstliche Plateaus von beachtlicher Hö-he, dann über Rohrleitungen oder dünne, da-für um so höhere Mauern aus aneinanderge-setzten Metallplatten, die den Anschein er-weckten, als habe sie jemand in die Ebenegetrieben, um deren einzelne Sektoren von-einander abzugrenzen.

Wo alle Kletterkunst versagte, mußtenUmwege gemacht werden, und wenn diesezu lang wurden, nahmen Gucky und Alaskaden Admiral in die Mitte und die entspre-chenden Hürden mit Hilfe der Gravo-Paksihrer Raumanzüge.

All das war zeitraubend, und so kam es,daß die ungleichen Gefährten noch nichteinmal die Hälfte der Strecke zur SODOMzurückgelegt hatten, als Alaska abrupt ste-henblieb und in den sternübersäten Himmeldeutete.

Die rote Sonne war inzwischen unterge-gangen. Ihr Licht wich dem der Abertausen-de von funkelnden Punkten am Firmament.

Und einer von ihnen bewegte sich.»Das ist ein Raumschiff!« entfuhr es Cal-

lamon.»Möglich«, sagte Alaska gedehnt. »Wir

wissen nicht, was Danos und vor allem Voi-res Tod hier irgendwo auf Zhruut oder ei-nem der anderen vier Planeten ausgelöst ha-ben kann.«

»Dann bekommen wir höchstens Roboterauf den Hals«, meinte Callamon. »Falls hiernoch jemand außer uns lebte, wüßte ich jadurch Dano davon. Und wir stehen hier undgeben die besten Zielscheiben ab, die mansich denken kann – und das fast ohne Waf-fen. Wir sollten zusehen, daß wir uns ir-gendwo verstecken.«

Alaska wirkte unentschlossen. Guckyschien verzweifelt zu versuchen, doch nochGedankenimpulse jener zu espern, die so un-verhofft aufgetaucht waren.

»Es könnte eines unserer Schiffe sein«,meinte der Transmittergeschädigte.

»Ach so?« Callamon lachte rau. »Ichdachte, nur eine Maus käme durch die Bar-riere.«

Niemand antwortete ihm. Für lange Se-kunden standen die drei mit weit in denNacken gelegten Köpfen da. Langsam wur-de der leuchtende Punkt größer. Er schienüber den Talkessel hinwegziehen zu wollen.

Dann, als die Minikome ansprachen, er-schien zum erstenmal seit vielen Stundenwieder Guckys Nagezahn. Alaska und derMausbiber aktivierten die Geräte. Callamonschüttelte grimmig den Kopf, als er nur eineStimme hören konnte, die viel zu schwachwar, um sie zu verstehen.

»Wenn mich jemand einweihen könnte…«, versetzte er sarkastisch.

Alaska sprach etwas in den Minikom.Gucky drehte sich zu Callamon um und bil-dete mit zwei Fingern ein V.

»Ich schätze, du wirst bald in die Geheim-nisse der modernen terranischen Raumfahrtund noch einiges andere eingeweiht werden,Clifton. Was du dort oben erblickst, ist unse-re RAKAL WOOLVER. Ihr folgt in eini-gem Abstand die Flotte.«

»Flotte!«Ganz kurz leuchtete es in Callamons Au-

gen auf. Allein der Begriff »Flotte« schienelektrisierend auf ihn zu wirken.

»Sie haben verstanden«, verkündete Alas-ka. »Besser, wir sehen zu, daß wir uns wie-der an den Rand des Talkessels zurückzie-hen. Die RAKAL wird landen.«

Eine Viertelstunde später standen die dreiwieder in der Nähe des Depots zwischenzwei rechteckigen Gebäuden. Langsam undmajestätisch senkte sich das Flaggschiff her-ab, ein lichterglänzendes Juwel, ein Koloß,dessen Anblick Callamon die Sprache ver-schlug.

»Solche Schiffe habt ihr inzwischen ge-

Der Weg der Porleyter 15

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baut!« entfuhr es ihm dann.Gucky grinste schwach.»Er hätte einmal die SOL sehen sollen,

was, Alaska? Oder die BASIS.«Saedelaere ging nicht darauf ein. Auch

Guckys Nagezahn verschwand schnell wie-der, als er sich bewußt machte, mit welcherNachricht er Perry Rhodan und die anderenwürde empfangen müssen.

Noch wußten sie nichts vom Tod der bei-den Spezialisten.

Noch wußten sie überhaupt nichts – au-ßer, wo sie die Abgeschnittenen finden wür-den.

Etwa dreitausend Meter über dem Talkes-sel verharrte die RAKAL WOOLVER in derLuft. Weitere Lichter erschienen in ihrerHülle, als sich die Hangarschleusen öffnetenund Dutzende von Beibooten entließen.

»Eines habt ihr trotz allem noch nicht ver-lernt«, murmelte Callamon. »Perry Rhodangeht ganz auf Nummer Sicher.«

»Bitte, tu mir einen Gefallen, Clifton«,bat Gucky, »und halte jetzt den Mund.«

Der Mausbiber ließ einen Blick folgen,der ausdrücken sollte: Es war nicht so ge-meint. Doch Callamon verstand ihn auch so.

Gucky hatte sich das Wiedersehen mitden Freunden an Bord des Schiffes andersvorgestellt. Alaska schien zu Stein erstarrt.

Und ihm, dem früher nie um markigeSprüche verlegenen CC, war auch nichtmehr nach Reden zumute.

Jetzt, da das Warten ein Ende hatte, brachsein ganzes Elend mit aller Wucht wiederüber ihn herein.

Er hatte dem Wiedersehen mit Rhodan,Lloyd und Tschubai mehr entgegengefiebertals seine beiden Begleiter. Doch jetzt, alsdies unmittelbar bevorzustehen schien, wa-ren seine Gedanken bei Voire.

Ich wollte es nicht! schrie es in ihm.Es machte sie nicht wieder lebendig –

nicht für ihn und nicht für die Porleyter.Atemlos verfolgte Callamon, wie sich die

ersten Beiboote auf die Ebene des Talkesselsherabsenkten. Gucky hatte wieder Kontakt.Eines der kleinen Schiffe hielt genau auf sie

zu.

*

»Wir?« fragte Joan Lugarte verständnis-los. »Sag das noch einmal, Mason. Wir sol-len raus?«

Fowley nickte.»Laut Einsatzplan und laut Befehl.Unsere beiden Schaukeln sollen mit der

zweiten Welle die weitere Umgebung desTales erkunden, in dem sie Gucky und dieanderen fanden. Deine Leute sind schon anBord. Sie warten nur noch auf dich.«

Joan hob eine Hand.»Einen Moment, Mason. Ich dachte, wir

sollten uns zur Verfügung halten, wegendieser Sache mit dem Porleyter?«

»Sollten wir auch. Wenn jetzt der Einsatz-befehl kam, müssen sich die Dinge andersentwickelt haben, als man erwartete. Sovielich weiß, haben Gucky und Alaska dort un-ten einen … einen Veteranen aufgetrieben.«

Joan trank ihren Becher aus, den zwölftenKaffee an diesem Tag.

Sie saß an den Hangarkontrollen undmachte noch keine Anstalten, sich zu erhe-ben. Durch die transparente Trennwand sahsie Harry, Gregor und Don in der Kanzel derSpace-Jet. Harry winkte ihr zu.

»Mason, ich habe gestern auf der Ge-burtstagsfeier nicht soviel getrunken, umnicht zu wissen, wie schlimm es dich erwi-scht hatte. Was also redest du da von Vete-ranen?« Sie winkte ab, ehe er etwas entgeg-nen konnte. »Wir sollten uns zur Verfügunghalten. Das war das letzte, das ich von obenhörte. Möglich, daß du den Einsatzbefehl er-hieltest. Ich weiß von nichts und rühre michnicht von der Stelle, bis … Mason?«

Fowley stand am Interkom-Anschluß. Dasangespannte Gesicht einer Frau erschien aufdem Schirm. Was Fowley zu ihr sagte, ver-stand Joan nicht. Dafür war die EntgegnungJennifer Thyrons um so lautstärker:

»Was soll das? Natürlich muß sie raus!Perry wird sich ihrer schon früh genug an-nehmen, wenn sie das tröstet.«

16 Horst Hoffmann

Page 17: Der Weg der Porleyter

Fowley grinste schwach, schaltete ab unddrehte sich schulterzuckend zu Joan um.

»Na? Jetzt überzeugt?«»Das war Thyron, nicht wahr?« fragte sie

überflüssigerweise.»Ja und?«Joan schob ihren Sitz zurück und stand

langsam auf.»Ich wußte nicht, daß sie sich um uns zu

kümmern hat.«»Da siehst du eben, was in der Zentrale

jetzt los ist. Joan, überleg's dir, ob du dichjetzt in deine Schaukel schwingst oder hierhocken bleibst und den Befehl verweigerst.Auf mich wartet meine Besatzung, und mitder bin ich pünktlich auf die Sekunde ausder RAKAL 'raus.«

Er verließ den Kontrollraum. Vor derSchleusenkammer zum Nachbarhangar blieber noch einmal stehen und rief:

»Wir haben noch vier Minuten und sieb-zehn Sekunden! Mach's gut!«

»Du auch«, murmelte sie und sah ihmnach, bis sich das kleine Schleusenschotthinter ihm schloß.

Das Hangarinnenschott stand noch offen.Joan hatte es sich zur Gewohnheit gemacht,es erst schließen zu lassen, wenn sie in derKommandokanzel der HULLY GULLYwar, wie sie die ihr anvertraute Space-Jet in-offiziell getauft hatte.

Darin machte sie auch jetzt keine Ausnah-me.

Als sie zwischen Harry und Don im Pilo-tensitz saß, fuhr sie sich zunächst einmal mitden Händen über die Augen und blinzeltedie Unzertrennlichen müde an.

»Ich an deiner Stelle wäre froh, die RA-KAL für einige Zeit verlassen zu können«,sagte Don vorsichtig.

Sie gab sich einen Ruck und setzte sichgerade hin.

»Hast recht, Donny. Also sehen wir unsden Planeten einmal genauer an. Was sollenwir eigentlich konkret tun?«

Ihr Zeigefinger berührte die Knöpfe einerSchaltleiste unter einem Monitor. Augen-blicklich erschien ein Text auf dem Schirm.

Joan studierte ihn und seufzte.»Umgebung erkunden, aufzeichnen, ver-

messen – eben das übliche.«»Nach dem ganzen Rummel ein wenig

enttäuschend, oder?« fragte Harry.Joan zuckte die Schultern. Ihre Hand lag

auf der Taste, die das Innenschott schließenließ, sobald sie sie drückte.

Routinemäßig fragte sie Gregor, der einStück hinter ihr stand:

»Wie sieht's aus, Leuchtturm – niemandmehr da, der hier nichts zu suchen hat?«

»Oh Himmel!« entfuhr es dem Langen.»Was ist?« rief sie ungeduldig, ohne sich

umzudrehen. Jetzt plötzlich lief der Count-down viel zu schnell ab. Noch fünfzig Se-kunden.

»Nimm die Hand von der Taste, Joan. Dasteht … da kommt schon wieder einer!«

»Wer?«»Ein Porleyter!«Sie verdrehte die Augen.»Greg, du hast schon bessere Witze ge-

macht. Mit dieser Sache von heute morgenwerdet ihr Burschen mich noch in einemJahr aufziehen. Also jetzt …«

»Er hat recht«, flüsterte Harry entsetzt. Erwar aufgesprungen und stand heftig gestiku-lierend neben Gregor. »Aber es sind zwei.Und ich glaube, sie … greifen die Space-Jetan!«

»Eine Horde von Trotteln«, schimpfte dieKommandantin vor sich hin, schwang sichaus dem Sitz und sah es selbst.

»Oh nein!«Zwei Porleyter in ihren Aktionskörpern

waren in den Hangar eingedrungen und nä-herten sich jetzt schnell dem Beiboot. An ih-rer Absicht bestand kein Zweifel.

»Die wollen die HULLY GULLY ka-pern«, sagte Harry. »Joan, was tun wirjetzt?«

Sie stützte sich auf ein Pult und sah, wiedie Aktionskörper unter dem Rumpf derSpace-Jet verschwanden.

»Nichts.«»Was heißt ›nichts‹? Joan, unsere Zeit ist

abgelaufen. Wir müssen hinaus!«

Der Weg der Porleyter 17

Page 18: Der Weg der Porleyter

»Wenn wir jetzt das Außenschott öffnen,gefährden wir sie. Wir warten, bis sie sichausgetobt und festgestellt haben, daß sienicht zu uns hereinkommen. Die Boden-schleuse ist dicht und abgeriegelt. Sie wer-den bald genug haben und abziehen. Ihrwißt, was uns blüht, wenn wir unsere wert-vollen Gäste auch nur annähernd gefährden.Nein, Jungs, da lasse ich mich auf nichtsmehr ein.«

Dumpf waren jetzt Schläge zu hören.»Sie müssen völlig verzweifelt sein«, sag-

te Gregor. »Sie hämmern sinnlos gegen dieHülle.«

»Weil sie aus der RAKAL heraus und aufihren Planeten wollen«, nickte Joan. »Nochein Grund zum Warten. In ihrem Wahn brin-gen sie's fertig und stürzen sich aus demHangar, sobald das Außenschott auffährt.«

Das überzeugte schließlich auch Harry.Mit hängenden Schultern ließ er sich in sei-nen Sitz fallen.

»Das gibt Ärger«, prophezeite er. »Sooder so – wir geraten immer tiefer in diesenSchlamassel hinein.« Er sah zu Don hinüber.»Was machst du da eigentlich?«

Der zuckte die Schultern.»Während ihr euch in Selbstmitleid er-

geht, habe ich die Bildoptiken auf die Por-leyter gerichtet. Ich lasse alles aufzeichnen,für den Fall, daß man uns später Vorwürfemacht.«

Joan drückte ihm einen Kuß auf die Wan-ge und setzte sich ebenfalls wieder vor ihreKontrollen.

Sie mußten eine geschlagene Viertelstun-de warten, bis sich die Porleyter endlich zu-rückzogen.

Nur eine Minute später hoben Schwer-kraftfelder das Beiboot sanft aus dem Han-gar. Joan zog die Space-Jet in einer völligüberflüssigen Schleife über den riesigen Tal-kessel, an dessen Rändern längst andereSchiffe gelandet waren. Überall warenRaumfahrer zu erkennen, die mit den Lan-dungskommandos der ersten Welle auf diesteril wirkende, in Blautönen gehalteneOberfläche dieser phantastischen Welt hin-

abgeregnet waren.»Manchmal glaube ich«, ließ sich Gregor

vernehmen, »du hast die fatalistische Nei-gung, zu provozieren, wo und wann es nurgeht, Joan.«

Sie winkte ab und brachte die HULLYGULLY in den Sektor, der ihr zugewiesenwar.

»Hier sind alle Gebäude rot«, staunte Har-ry. »Auch der Boden – einfach alles.« Erwarf der Kommandantin einen scheuenBlick zu. »Aber was erwartet uns hier?Schlagt mich tot, aber ich habe ein ver-dammt ungutes Gefühl.«

»Irgend jemand wird genau das einmaltun, wenn du weiter so redest.«

»Was?«»Dich totschlagen! Wo hast du nur diese

Ausdrücke her?«Joan ließ die Aufzeichner laufen und

lehnte sich zurück. In einiger Entfernungwaren zwei andere Beiboote zu sehen, dielangsam über die tote Landschaft dahinzo-gen.

Tot! dachte Joan. Genau das trifft es. Totund kalt. Es war eine Kälte, die sich durchdie Schiffshülle fraß, durch die Raumanzü-ge, durch die Haut.

3.

Der Talkessel, wenngleich sein Durch-messer das Doppelte von dem des Flagg-schiffs betrug, schien den Koloß kaum auf-nehmen zu können. Callamon hatte denKopf weit in den Nacken gelegt und war au-ßerstande, seine Blicke von der lichterglän-zenden Hülle zu wenden.

Gucky mußte ihn mit sanfter Gewalt indie Wirklichkeit zurückholen. Die drei wa-ren inzwischen von Raumfahrern umringt.Die Männer und Frauen musterten Callamonwie ein Wesen aus einer anderen Welt – undgenau das war er im Grunde ja auch.

Eine Space-Jet stand bereit, um die un-gleichen Gefährten in die RAKAL WOOL-VER zu bringen.

»Komm, Clifton«, sagte der Ilt. »Die RA-

18 Horst Hoffmann

Page 19: Der Weg der Porleyter

KAL läuft dir nicht weg.«Alaska verschwand in der Bodenschleuse.

Nur zögernd folgte ihm Callamon.»Ich laufe immer noch in diesen Lumpen

herum«, murmelte der Admiral. »WelchenEindruck müssen die Männer von mir be-kommen?«

»Wenn das deine größte Sorge ist …«Gucky schüttelte den Kopf. »Clifton, außer-dem sind auch Frauen dabei. In der RAKALwerden wir schon etwas für dich finden –wenn auch vielleicht nicht ganz nach deinemGeschmack.«

»Hat sich die Mode so sehr verändert?«»Das nicht. Ich denke nur an die fehlen-

den Rangabzeichen.«Alaska wartete in der Kommandokanzel

und startete das Beiboot, kaum daß die bei-den anderen in ihren Sitzen waren.

Unten an den Rändern des Talkesselswarteten die Raumfahrer und Spezialistenauf Befehle. Alaska brachte die Space-Jet si-cher in einen offenstehenden Hangar.

Als die drei sich auf den Weg zur Zentralemachten, wo Perry Rhodan sie erwartete,blieben die Besatzungsmitglieder, denen siebegegneten, gleich scharenweise stehen undbestaunten den wandelnden Anachronismus.

»Ihr habt sie offensichtlich nicht auf michvorbereitet«, beklagte sich Callamon. »ZumDonnerwetter, meine Rückkehr hätte ich mirdoch anders vorgestellt!«

Alaska murmelte eine Verwünschung.Gucky sagte leicht gereizt:

»Clifton, deine Eitelkeit in allen Ehren,aber auch das wirst du überleben. Und ge-wöhne dich auch schon daran, daß hierkaum jemand salutieren wird.«

»Das würde mich in der Tat nicht mehrwundern. Aber ich soll so vor Perry Rhodanhintreten?«

»Ja!« versetzte Alaska. »Und Sie könnensich dann auch gleich bei ihm beschweren,Sir!«

Callamon sagte nichts mehr, bis er vordem Mann stand, den er noch als Großadmi-nistrator des Solaren Imperiums kannte.

Bevor Gucky oder Alaska auch nur ein

Wort der Begrüßung sagen konnten, stellteer sich vor Rhodan hin, schlug die Hackenzusammen und führte die rechte Hand zurStirn.

»Ich … ich …!«Plötzlich fehlten ihm die Worte. Rhodan

blickte ihn in einer Art an, daß ihm alles,was er sich zurechtgelegt hatte, dumm vor-kam.

»Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Sir!«erklärte er schließlich.

»Wer, bei allen Planeten, ist das?« fragtevon Xanthen Jennifer Thyron eine Spur zulaut.

Callamon drehte sich zu ihnen um undsagte steif:

»Raumadmiral Clifton Callamon, zuletztKommandant des Schlachtkreuzers SO-DOM!«

Rhodan nickte. Ein schwaches Lächelnumspielte seine Mundwinkel, als er Calla-mon die Hand reichte.

»Gucky und Alaska unterrichteten michbereits«, sagte er ruhig. »Umständehalbernur sehr dürftig. Ich erinnere mich an Sie,Admiral. Die SODOM verschwand spurlosim Jahre 2401, als Sie mit einem Spezialver-band M 13 absichern sollten.«

»Das alles wissen Sie noch, Sir?«Rhodans Lächeln verschwand.»Wir werden uns später ausgiebig unter-

halten können, Admiral. Sie werden verste-hen, daß Guckys und Alaskas Berichte jetztVorrang haben.«

»Das verstehe ich vollkommen, Sir!«»Ihr … siezt euch?« fragte von Xanthen

verblüfft.»Das erklären wir euch auch später«,

wehrte Gucky schnell ab. Er nickte FellmerLloyd zu, der ihn besorgt beobachtete.

»Es ist wahr, Fellmer. Ich habe meine Fä-higkeiten auf Yurgill verloren und bishernoch nicht wiedererlangt. Perry, bevor wirüber andere Dinge reden, muß ich euch alleneine traurige Mitteilung machen.«

»Cerai und Nuru?« erriet Fellmer.»Sie sind beide tot«, sagte Gucky.In Rhodans Gesicht arbeitete es. Fellmer

Der Weg der Porleyter 19

Page 20: Der Weg der Porleyter

schien insgeheim keine andere Auskunft er-wartet zu haben, nachdem er auch nach derLandung nur Impulse von Gucky, Alaskaund Callamon hatte auffangen können.

Jennifer Thyron, Bradley von Xanthenund Jen Salik warfen sich bestürzte Blickezu.

»Wie?« fragte Rhodan nur.Dann berichteten Gucky und Saedelaere

abwechselnd über ihre Erlebnisse, nachdemes ihnen gelungen war, die Barriere zudurchdringen. Callamon hielt sich im Hin-tergrund und bemühte sich eisern, die Blickezu ignorieren, die ihm immer wieder zuge-worfen wurden.

»Voires Tod kann für das Verschwindender Barriere verantwortlich gewesen sein«,sagte Alaska als letztes. »Das ist natürlichnur eine Spekulation. Doch Dano hattekaum Gelegenheit dazu, sie über die Zen-tralschaltstation abzuschalten – und außer-dem wäre dies seiner bisherigen Verhaltens-weise völlig zuwidergelaufen.«

Lange sagte niemand mehr etwas. Be-drückendes Schweigen lastete über der Zen-trale. Rhodan blickte mit ausdruckslosemGesicht auf die Schirme, die die Umgebungdes Schiffes und die gelandeten Beibootezeigten.

Die Einteilung einzelner Sektoren in Far-ben erinnerte ihn wieder einmal nachhaltigan die riesigen Anlagen unter dem DomKesdschan.

Dies war also die Fünf-Planeten-Anlage,das so lange gesuchte Versteck der Porley-ter. Und nach allem, was er nun erfahrenhatte, war Zhruut der wichtigste der fünfPlaneten.

Eine trotz aller architektonischen Schön-heit erschreckend trostlose und auf den er-sten Blick leere Welt.

Was hatte er erwarten dürfen?Die Männer und Frauen der Zentralebe-

satzung waren eifrig damit beschäftigt, dievon den Beibooten einlaufenden Informatio-nen zu speichern und auszuwerten.

»Diese Voire«, sagte Rhodan endlich.»Mir ist nicht völlig klar geworden, was sie

letztlich für die Porleyter bedeutete.«»Das kann dir wohl Clifton am besten er-

klären«, meinte Gucky.Callamon nickte bitter und schickte sich

an, der Aufforderung Folge zu leisten, alsRonald Tekener die Zentrale betrat.

Kurz sah er sich um, stieß einen Pfiff aus,als er Callamon erblickte und kam zielstre-big auf die Gruppe zu. Nur knapp begrüßteer Alaska und Gucky. Der Grund dafür wur-de ihnen sofort klar, als er sagte:

»Die Porleyter sind nicht mehr zu halten.Ich habe den Eindruck, daß sie nun fast allehinter Koro stehen. Sie bedrängen unsereLeute und bringen sie in die gefährlichstenSituationen. Irgendwann wird jemand sichzu einer Unbesonnenheit hinreißen lassenund …« Er holte tief Luft. »Sie drängen dar-auf, in ihren Aktionskörpern das Schiff zuverlassen und sich draußen auf Zhruut um-zusehen.«

»Das war zu erwarten«, sagte Salik.»Früher oder später müssen wir ihnen nach-geben. Schließlich sind dies ihre Planeten.«

»Und ihre Machtmittel«, gab Gucky zubedenken. »Im Depot befinden sich 70.000Kardec-Schilde.«

»Sie gebärden sich zwar immer unbe-herrschter«, warf Salik ein, »aber niemandvon euch wird doch im Ernst daran glauben,daß sie uns angreifen wollen, wenn sie ersteinmal draußen sind?«

»Sie wollen uns nicht hier haben«, sagteRhodan. »Und wie du selbst sagtest, Jen –sie werden von Stunde zu Stunde unbe-herrschter.«

»Weil sie nach langer Zeit nach Hause zu-rückgekehrt sind und ihre Heimat wieder inBesitz nehmen möchten«, verteidigte Salikdie Porleyter. »Uns würde es genauso erge-hen.«

Rhodan zögerte mit einer Entgegnung.Auch wenn er Salik im Grunde recht ge-

ben mußte, so beunruhigte ihn das Verhaltender Porleyter mehr, als er es zeigte.

»Bevor wir eine Entscheidung treffenkönnen, möchte ich wissen, was Voire ihnenbedeutete.«

20 Horst Hoffmann

Page 21: Der Weg der Porleyter

Callamon sagte es ihm.

*

Eine halbe Stunde später standen sich Per-ry Rhodan und Clynvanth-Oso-Megli erneutgegenüber, diesmal jedoch in einer kleinenMesse, die den Porleytern auf Bitten Ososzur Verfügung gestellt worden war. Hierhielten sich zu diesem Zeitpunkt etwa zwei-hundert Porleyter in ihren Aktionskörpernauf, die sich ausnahmslos noch zu OsosStandpunkt bekannten.

Dennoch war die sich auch unter ihnenausbreitende Unruhe nicht zu übersehen.

Rhodan begann ohne lange Umschweife.»Ich habe Verständnis für euren Wunsch,

das Schiff zu verlassen, und bin bereit, ihnzu erfüllen. Vorher aber möchte ich nochüber eines Klarheit haben, Oso.«

»Und das wäre?«Rhodan hatte den Eindruck, daß ihm

selbst der Ersterweckte plötzlich nicht mehrmit der gleichen Offenheit begegnete. Es ko-stete ihn Überwindung, Voires Schicksal zurSprache zu bringen.

Er glaubte, Erschütterung allein aus denBewegungen und Gesten der zweihundertPorleyter erkennen zu können. Der dominie-rende Eindruck jedoch war Ablehnung undnoch mehr Verschlossenheit, als er ihnenvon Voires Tod und den Umständen berich-tete, die dazu geführt hatten.

»Soviel ich begriffen habe«, endete er,»handelte es sich bei Voire um ein Ge-schöpf, eine Aura, in die euer Volk von sei-nem ungeheuren ethischen und positiven Po-tential große Anteile abgab – um die Seeleder Porleyter. In ihr manifestierte sich alldas, was euch selbst ausmachte.«

»Das ist richtig«, antwortete Oso zögernd.Er ließ dabei keine Gefühlsregung erken-

nen, doch wieder hatte Rhodan den Ein-druck, daß die ihm entgegenschlagende Ver-schlossenheit eine erneute Steigerung erfuhr.

Doch war die Erschütterung der Porleyternicht nur allzu verständlich? Ihre tiefe Ver-bitterung?

Mußte er sie nicht jetzt auf der Stelle ent-lassen? Bereitete er ihnen nicht nur noch un-nötige Qualen?

Er zwang sich zur nächsten Frage:»Oso, ihr habt Voire geschaffen, als ihr

noch als Vorläufer der Ritter der Tiefe fürdie Kosmokraten wirktet.

Ihr tatet es nicht ohne Sinn. Sollten diePorleyter irgendwann im Lauf ihrer Ent-wicklung einmal in Gefahr geraten, negati-ven Kräften zu erliegen, dann sollte Voire dasein, um dies zu verhindern. Stimmt auchdies soweit?«

»In etwa, ja«, gab Oso zu.Aber es wirkte, als habe er jedes Interesse

an einer Unterhaltung mit dem Terraner ver-loren.

»Oso«, sprach Rhodan die Vermutungaus, die sich nach allem, was er von Calla-mon gehört hatte, aufdrängte, »kannst du dirvorstellen, daß Voires Dahinscheiden einGrund für das veränderte Verhalten der Por-leyter während der letzten Stunden ist?«

Die zeitliche Übereinstimmung war auf-fallend. Voire mußte auf Zhruut gestorbenoder erloschen sein, wenige Stunden, bevordie Porleyter an Bord der RAKAL WOOL-VER wieder unruhig zu werden begannen.

Doch konnte das, was immer ihr Tod be-wirkt haben mochte, über eine solche Ent-fernung hin wirken?

»Oso!«Der Ersterweckte gab keine Antwort. Es

war offensichtlich, daß er und die anderenzweihundert nicht mehr die Absicht hatten,mit Rhodan über Voire zu reden.

»Laßt uns jetzt gehen!« forderte Oso stattdessen. »Es ist auch in eurem Interesse. Laßtuns das Schiff verlassen, bevor es zu spätist.«

Rhodan mußte es tun, obgleich ihm dieArt und Weise, wie sich auch Oso nun ihmgegenüber verhielt, nicht behagte.

»Du hast mir versprochen, daß ich hierAufklärung über zumindest die erste der dreiUltimaten Fragen erhalten würde, Oso«, be-harrte er.

»Was ist der Frostrubin?«

Der Weg der Porleyter 21

Page 22: Der Weg der Porleyter

Oso schien mit sich zu ringen.Endlich richteten sich seine Augen wieder

auf den Terraner, nachdem er den Kopf zurSeite gewendet hatte.

»Nun gut«, sagte der Porleyter dumpf,während die anderen immer unruhiger wur-den. »Du weißt, daß unsere letzte große Tatim Auftrag der Kosmokraten darin bestand,den Frostrubin zu verankern. Dies geschahvor etwa 2,2 Millionen Jahren eurer Zeit-rechnung.«

»Und?«Rhodan mußte die in ihm aufsteigende Er-

regung niederkämpfen, daß nun endlich einweiterer Teil des Schleiers gelüftet würde.

»Wir sprachen schon davon, was seithermit dem Anker und dem Frostrubin geschah,Perry Rhodan. Doch du sollst die Koordina-ten erhalten, die den Ankerplatz des Frostru-bins bestimmen. Bevor wir das Schiff ver-lassen, werde ich sie der Zentralpositronikübermitteln.«

»Oso, was ist der Frostrubin?«Wieder zögerte der Porleyter. Rhodan hat-

te fast nichts anderes mehr erwartet.»Wir haben unseren Teil der Abmachung

erfüllt, Oso«, erinnerte er sein Gegenübermit Nachdruck.

Osos Aktionskörper schien sich zu ver-steifen.

»Wir werden unser Versprechen auch hal-ten! Doch dazu ist es erforderlich, daß wirdas Schiff verlassen und uns auf Zhruut um-sehen! Wir müssen wissen, was sich wäh-rend unserer langen Abwesenheit veränderthat! Dann sollst du auch diese Antwort er-halten!«

Diese Taktik war Rhodan inzwischennicht mehr unbekannt. Doch er sah ein, daßer auch diesmal wieder würde nachgebenmüssen.

Bei Osos momentanem Zustand war vonihm kein Entgegenkommen mehr zu erwar-ten. Rhodan blieb nur die Hoffnung darauf,daß die Porleyter zur Ruhe kamen, waren sieerst einmal wieder auf ihrer Welt.

»Ihr könnt gehen«, sagte er tonlos.Er wandte sich um und verließ die Messe.

Es war ihm, als hätte jemand ein feinesBand zerschnitten, das sich bislang zwischenihm und Oso gespannt hatte.

Auf einem Korridor erwartete ihn Gucky.»Ich brauche keine Telepathie, um zu

wissen, was du jetzt denkst, Perry«, sagteder Ilt leise.

»Du hast gelauscht?«»Ein wenig, ja. Perry, irgendwie fürchte

ich mich vor dem, was geschehen wird,wenn alle 2011 Porleyter erst einmal vondem Besitz ergriffen haben, was Zhruut fürsie bereithält.«

»Sie sind vielleicht tiefer von Voires Todbetroffen, als wir das jemals ermessen könn-ten, Kleiner«, hörte Rhodan sich sagen –und wußte im gleichen Moment, daß er da-bei war, sich etwas einzureden.

Schweigend setzten sie ihren Weg fort,bis Gucky sagte:

»Auch Clifton ist erschüttert. Er versucht,seine Verzweiflung zu überspielen, indem erSprüche macht oder sich in Bewunderungunserer neuen Technik ergeht. Er tut mirleid, Perry.«

Rhodan blieb stehen und strich demMausbiber sanft über das Fell.

»Ihr habt euch damals gut verstanden,oder? Vor mehr als sechzehn Jahrhunderten.Aber niemand gibt ihm eine Schuld an dem,was geschah. Natürlich denkt er in anderenBahnen als wir heute, aber er ist ein Mann,der sich anpassen wird. Er braucht seineZeit.«

»Hätte er nicht gegen Dano gekämpft,dann wäre der Wahnsinnige nun im Besitzdieser furchtbaren Waffe – des Kardec-Schildes. Voire hätte sich so oder so gegenDano gestellt und ihr Leben gegeben. Clif-ton tat es nicht aus selbstlosen Gründen, Per-ry. Aber er tat es letztlich für uns.«

Rhodan zwang sich zu einem Lächeln.»Ist ja schon gut, Kleiner. Ich sagte dir,

ich mache ihm keinen Vorwurf.«»Und das mit dem Anpassen, das sagst du

so einfach. Er lebt immer noch in seiner al-ten Zeit. Er liefe am liebsten in einer putz-blanken Admiralsuniform herum und erwar-

22 Horst Hoffmann

Page 23: Der Weg der Porleyter

tet, daß unsere Leute ihn mit ›Sir‹ und›Admiral‹ anreden. Und dann diese Siezerei.Das ist fast so schlimm wie mit der Hamil-ler-Tube in der BASIS …«

Da stand er nun mit betrübtem Gesichtund wie ein Fürbitter vor ihm, Gucky, dersonst immer zu Spaßen aufgelegt war – undselbst jetzt schaffte er es, Rhodan für einenMoment die bittere Realität vergessen zulassen.

»Gucky, so kenne ich dich überhauptnicht! Clifton wird die Lästereien der Besat-zung ertragen. Er kann einiges einstecken.Und in deiner fürsorglichen Obhut, was soll-te ihm da schon geschehen? Nur gut, daß duwenigstens mich rechtzeitig genug davonunterrichtetest, wie ich ihn anzureden habe.«

»Ich finde das gar nicht so lustig«, be-klagte sich der Ilt.

»Lustig und erfreulich ist hier überhauptnichts«, entgegnete Rhodan. »Nicht Ceraisund Nurus sinnloser Tod und nicht das, wasauf uns zukommen mag. Nun komm. Ichwill in der Zentrale sein, wenn die Porleyterdie RAKAL verlassen. Es soll nicht nochmehr Opfer geben. Fast hat es den Anschein,als hätte sie jeder zu beklagen – die Porley-ter, Clifton und wir.«

*

Der zweite Grund, der Rhodan in die Zen-trale trieb, waren die von Oso in Aussichtgestellten Koordinaten des Frostrubins.

Nach den jüngsten Erfahrungen mit demPorleyter hatte der Terraner seine Zweifeldaran, daß Oso sein diesbezügliches Ver-sprechen wahrgemacht hatte.

Dann aber, als er zusammen mit Gucky,Tekener und Jen Salik vor einer Ausgabe-einheit der Positronik stand, mußte er Oso inGedanken Abbitte leisten.

»Das ist fast exakt auf halbem Weg zwi-schen unserer Milchstraße und der GalaxisNGC 1068«, sagte Tekener, nachdem er diegenauen Koordinaten abgelesen hatte.

»NGC 1068«, wiederholte Rhodan. Erblickte von Xanthen an. »Soweit ich mich

erinnere, handelt es sich dabei um eine Sey-fert-Galaxis.«

»Radioastronomische Bezeichnung 3 C71«, nickte von Xanthen. »Völlig richtig,Perry.«

»Seyfert-Galaxien«, war Geoffry Warin-gers Stimme zu vernehmen, der unbemerktdie Zentrale betreten hatte, »haben wie dieRadiogalaxien eine relativ kurze Aktivitäts-phase. Ihre Aktivität ist schon im optischenSpektralbereich erkennbar: Linien des ein-fach und zweifach ionisierten Sauerstoffs,von Stickstoff, aber auch von Ne 4 und so-gar Fe 6 erscheinen in Emission und deutenauf sehr wirksame Ionisations- und Anre-gungsprozesse hin. Daneben werden auchWasserstofflinien emittiert. Die große beob-achtete Breite der Linien rührt von Doppel-verschiebungen aufgrund ungeordneter Be-wegungen der emittierenden Gasmassen her.Die zugehörigen Geschwindigkeiten gehenbis zu 5000 Kilometer in der Sekunde undliegen damit sicher im Bereich der Ent-weichgeschwindigkeiten. Ein Teil diesesGases verläßt somit den Kern einer Seyfert-Galaxie, was die nur kurze Aktivitätsphasezur Folge hat. Seyfert-Galaxien haben einstarkes, nicht unbedingt thermisches IR-Kontinuum und …«

Waringer zuckte die Schultern, als er sah,wie die Umstehenden ihn anblickten.

»Tut mir leid. Ich schätze, da sage icheuch nicht viel Neues.«

Rhodan legte ihm lächelnd eine Hand aufdie Schulter.

»Das vielleicht nicht, Geoffry. Aber duwirst verstehen, daß uns der Froststrubin imMoment mehr interessiert. Wenn du uns erstüber ihn einen Fachvortrag halten kannst,sind wir ein gutes Stück weiter.«

»Das liegt nicht in erster Linie an uns,oder?«

Tekener verschränkte die Arme über derBrust. Jennifer Thyron hängte sich bei ihmein.

»NGC 1068 ist etwa 60 Millionen Licht-jahre von der Milchstraße entfernt«, sagteder Pockennarbige. »Das bedeutet 30 Millio-

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nen Lichtjahre bis zu jener Stelle, an der derFrostrubin durch die Porleyter verankertwurde. Perry, was haben wir uns unter ei-nem solchen Anker vorzustellen?«

»Gegenfrage: Was ist der Frostrubin undwie kann er verankert werden?«

»Das hört sich nach Galgenhumor an«,stellte Jennifer Thyron fest.

»Vielleicht«, erwiderte Rhodan. »Aber eshat eher damit zu tun, ob wir Oso und seineArtgenossen jemals wiedersehen und end-lich zum Reden bringen können.«

Dabei deutete er auf die Schirme, auf de-nen die Prozession zu sehen war, in der die2011 Porleyter nun die RAKAL WOOL-VER verließen.

Von Xanthen hatte an die im und amRand des Talkessels befindlichen Mitgliederder Landungstrupps den Befehl ausgegeben,die Porleyter unter keinen Umständen aufzu-halten oder ihnen sonst wie in den Weg zutreten.

»Da marschieren sie in ihren Aktionskör-pern hin«, sagte Jen Salik. »Was erwartensie zu finden?«

»Die Vergangenheit, sich selbst«, mur-melte Waringer. »Sie wollten der Evolutionein Schnippchen schlagen und mit Gewalteinen Schritt auf der Leiter nach oben tun.«Er zuckte die Schultern. »Jetzt sind sie wie-der dort, von wo aus sie aufbrachen. Nichtals Superintelligenz, wie sie erhofften, son-dern als …«

»Vielleicht als Heimatlose«, sagte Teke-ner.

Rhodan nickte finster.»Die Kälte und Ablehnung, die von ihnen

ausstrahlt, ist bis hierher zu spüren. Wirmüssen sie beobachten, und zwar ununter-brochen.«

»Du rechnest nicht mit ihrer Rückkehr?«fragte Salik.

»Vielleicht kommen Oso und ein paar an-dere zurück. Die anderen …«

Hatten sie bereits konkrete Pläne ge-macht?

Rhodan sah sie den Rand des Talkesselserreichen und zwischen den Gebäuden ver-

schwinden – und dies plötzlich mit einerSchnelligkeit, die seine Befürchtungen be-stätigte.

Sie verteilten sich dabei geschickt undverstanden es, die gelandeten Beiboote undderen Besatzungen zu umgehen.

»Neuer Befehl, Bradley!« rief Tekener.»Die Boote sollen aufsteigen und sich soverteilen, daß kein Porleyter ihnen entgehenkann. Jedes Gebäude, in dem einer von ih-nen verschwindet, muß hierher gemeldetund überwacht werden. Zusätzlich schleusenwir Mikrosonden aus.«

»Ich hatte nichts anderes erwartet«, lä-chelte von Xanthen. »Und was ist mit denBooten der zweiten Welle, die weiter drau-ßen auf Erkundung sind?«

»Sie sollen den ganzen Planeten absu-chen«, sagte Rhodan. »Sektor für Sektor. Esist möglich, daß ihre Beobachtungen unsHinweise dafür geben, welche der farblichgekennzeichneten Gebiete von besondererBedeutung sind.«

»Liegen da schon Ergebnisse vor?« wand-te von Xanthen sich an Tan Liau-Ten, derauf der DAN PICOT Cheffunker gewesenwar. Der Chinese arbeitete jetzt an einemAnalysator.

»Nichts«, gab er wortkarg, ganz gegenseine sonstige Art, zurück.

Rhodan kannte den Grund dafür und ahn-te, wie es in den anderen ehemaligen Besat-zungsmitgliedern der DAN PICOT aussah.

Sie alle trauerten um Nuru Timbon, aufder DAN ihr Erster Stellvertretender Kom-mandant. Sie hatten ihn gemocht, ebensowie Cerai Hahn, Zweite StellvertretendeKommandantin.

Marcello Pantalini war jetzt bei dem, denCerais Tod am schwersten traf – bei ihremMann Geiko Alkman.

Rhodan hoffte, daß er bald selbst die Zeitfand, Geiko sein Mitempfinden auszuspre-chen, auch wenn dies Cerai nicht wieder le-bendig machte.

Die Porleyter ließen ihm diese Zeit nicht.Noch bevor von Xanthen die neuen An-

weisungen an die Landungstrupps funken

24 Horst Hoffmann

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konnte, wurde von drei der in der Luft be-findlichen Beibooten zugleich gemeldet, daßdie Porleyter, die inzwischen alle aus demTalkessel verschwunden waren, regelrechtin den gewaltigen Anlagen des Planeten ver-sickerten.

Sie verschwanden zwischen Gebäudenund unter der Oberfläche, als hätten sie sichvon einem Moment auf den anderen in Luftaufgelöst.

Hunderte von Mikrosonden wurden ausder RAKAL WOOLVER ausgeschleust. DieBoote im und am Rand des Kessels erhobensich und bildeten ein dichtes Netzwerk umdas Flaggschiff herum.

»Ein Kommando soll dieses Depot mitden Kardec-Schilden besetzten und abrie-geln«, sagte Rhodan. »Die anderen Boote er-forschen, wie besprochen, den Planeten. Je-de festgestellte Energieemission muß sofortgemeldet werden. Ich fürchte, jetzt brauchenwir einen umfassenden Überblick über allewichtig erscheinenden Anlagen sehr schnellund dringend.«

Gucky brauchte seine Befürchtungennicht mehr zu wiederholen. Jen Salik setztezu keiner weiteren Verteidigung der Porley-ter an.

Die erste Hiobsbotschaft kam nur Minu-ten später von Nikki Frickel, die ebenso wiedie beiden anderen Mitglieder der berühmt-berüchtigten Nachtschwärmertruppe vonWaigeo, Narktor und Wido Helfrich, ihreSpace-Jet als eine der ersten aus der RA-KAL WOOLVER herausgebracht hatte.

»Hat sich was mit dem Depot«, erklärtesie in der ihr eigenen, burschikosen Art.»Ich fürchte, die Kardec-Schilde können wirvergessen. Die Tore, von denen dieser Al-tadmiral sprach, sind geschlossen. Wir kom-men nicht ins Depot hinein.«

»Es sei denn«, warf Narktor ein, »wirbrennen die Tore auf und …«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«wehrte Rhodan den Übereifer des Springersschnell ab.

»Dann eben nicht. War ja auch nur einVorschlag.«

»Wenn ihr uns hier nicht braucht, sehenwir uns dort drüben im roten Sektor um«,verkündete Nikki.

Kein Porleyter zeigte sich. Die Sondenübertrugen nur Bilder von wie tot und ver-lassen daliegenden Anlagen, die sich in alleRichtungen bis hin zum Horizont erstreck-ten, und von den eigenen Beibooten.

»Es war doch ein Fehler, sie von Bord ge-hen zu lassen«, sagte Tekener finster.

Rhodan antwortete nicht.Das taten die Meldungen für ihn, die nun

plötzlich von einem halben Dutzend Beiboo-ten zugleich eingingen.

Und das war erst der Anfang.

4.

»Überarbeite dich nicht.«Joan saß mit über der Brust verschränken

Armen weit in ihrem Sitz zurückgelehnt undsah Harry dabei zu, wie er die von den Opti-ken der HULLY GULLY aufgefangenenBilder zur RAKAL WOOLVER funkte.

Dann und wann sprach er einen kurzenKommentar dazu, wenn er meinte, etwasentdeckt zu haben, das sich auf die eine oderandere Weise aus dem roten Einerlei heraus-hob.

Sämtliche Meßinstrumente liefen ununter-brochen, ohne daß bisher nur das geringstehätte festgestellt werden können. Diese Ar-beit versah Don, während Gregor sich etwasüberflüssig vorkam und höchstens einmalbereits gemachte Aufzeichnungen vom Spei-cher des Bordcomputers abrief und verson-nen betrachtete.

Die Space-Jet flog mit geringer Ge-schwindigkeit in einer Höhe von etwa zwei-hundert Metern nach wie vor über den Tür-men, Kuppeln, Flachbauten und phantasti-schen Röhren- und Kugelkonstruktionen derroten Zone, von der inzwischen bekanntwar, daß sie ein exaktes Quadrat mit einerKantenlänge von 48,3 Kilometern bildete.

Zwei weitere Schiffe vermaßen diese Zo-ne, und doch würde es noch einige Stundendauern, bis sie damit fertig waren.

Der Weg der Porleyter 25

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»Allmählich«, sagte Joan, »wünsche ichmir fast, in der RAKAL geblieben zu sein –trotz der Porleyter. Hier tut sich absolutnichts. Wenn ihr mich fragt, hier möchte ichnicht meinen Urlaub verbringen.«

»Wer von uns will das schon?« lachteGregor. »Aber Befehl ist Befehl.«

Joan warf ihm einen undefinierbarenBlick zu.

»Harry, du könntest die beiden Boote dortdrüben anfunken und ganz unverbindlichfragen, ob wir die Suche nicht etwas verkür-zen können.«

Harry schrak aus seinen Beobachtungenauf, die von der Angst ablenkten, die er nachwie vor verspürte.

»Was?«Sie nickte.»Stell dich nicht dümmer an, als du bist.

Die Leute dort drüben haben bestimmt ge-nau wie wir die Nase von dieser Idiotenar-beit voll. Wenn sie und wir also einige die-ser Anlagen aussparen und hinterher über-einstimmend aussagen, daß wir fertig sind,dann …«

Harry winkte entschieden ab.»Kommt nicht in Frage, Joan. Ich muß

dich nicht an heute morgen erinnern, oder?Außerdem wird man in der RAKAL wissen,warum man uns 'rausschickte.«

»Oh Harry«, seufzte die Kommandantin.»Du bist die Gewissenhaftigkeit in Person.«

»Was man von dir nicht immer behauptenkann«, konterte er. »Und jetzt laß mich inRuhe arbeiten.«

»Des Menschen Wille ist sein Himmel-reich, Harry. Aber gut, langweilen wir unsweiter, denn ich kann euch versichern: Hierfinden wir nichts, und hier passiert nichts.«

»Gott sei Dank nicht«, sagte Don.Das war genau zwei Minuten, bevor die

Nachricht eintraf, daß die Porleyter vonBord der RAKAL WOOLVER gegangenund kurz darauf spurlos verschwunden sei-en.

Die Beiboote erhielten den Befehl, nochkonzentrierter zu beobachten und vor allemauf möglicherweise auftauchende Porleyter

zu achten.»Es wird überhaupt nichts geschehen«,

sagte Gregor sarkastisch. »Rein gar nichts.«»Mach dich nicht lächerlich!« rief Joan

aus. Immerhin aber klang dies nicht sehr si-cher. Außerdem beugte sie sich vor undübernahm wieder selbst die Steuerung, nach-dem bisher der Autopilot die HULLY GUL-LY auf den Linien eines festgelegten Gitter-netzes über die Anlagen geführt hatte.

»Außerdem«, fügte sie hinzu, »sind wirein gutes Stück vom Talkessel entfernt – zir-ka 50 Kilometer. So schnell können die Por-leyter gar nicht sein, daß sie plötzlich hierauftauchen sollten.«

»Hoffentlich nicht«, kam es von Harry.»Aber wer sagt uns, daß sie keine Transmit-ter in ihren subplanetarischen Anlagen ha-ben?«

»Jaja«, winkte Joan ab. »Und Bandstra-ßen, Rohrbahnen, Fahrzeuge, die natürlichalle heute noch funktionieren.«

Don und Gregor blickten sich bezeich-nend an.

Sie kannten Joan lange und gut genug, umzu wissen, was sie von ihren Reden zu hal-ten hatten.

Im Grunde wünschte sie sich nichts sehn-licher, als nun die erste zu sein, die das Auf-tauchen eines Porleyters an die RAKALWOOLVER melden konnte.

Ihre lässige und immer etwas aufsässigeArt war mühsam gepflegtes Image. Wie siewirklich war, das konnte sie sehr schnell zei-gen, wenn die Situation dies erforderte.

Eine solche Verwandlung kündigte sichbereits an, als sie Gregor aufforderte, jetztden Kontakt mit den beiden anderen überder roten Zone fliegenden Space-Jets zu hal-ten.

»Und daß mir auf jede Kleinigkeit geach-tet wird!«

Sie selbst ließ die HULLY GULLY umetwa fünfzig Meter sinken, als sich vor ihrzwei Gebäuderiesen von annähernder Pyra-midenform auftürmten. Joan steuerte dasBeiboot in die zwischen ihnen klaffendeSchlucht hinein und holte über die Teleopti-

26 Horst Hoffmann

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ken die Bilder von deren Rändern näher her-an. Zusätzliche Scheinwerfer flammten auf,deren Lichtkegel die nur schwache Dunkel-heit wandernd durchschnitten.

»Und hier wird sich überhaupt gar nichtstun, und hier gibt's überhaupt gar nichts zufinden«, spottete Gregor.

»Mund halten und Augen aufsperren!«Selbst Harry grinste und vernachlässigte

für Sekunden seine Schirme.Das war, als Joan die HULLY GULLY

zwischen den Pyramiden wieder hochzogund leicht beschleunigte.

Im nächsten Augenblick hörte der Antriebauf zu arbeiten.

*

»Kann mir vielleicht jemand sagen«, frag-te Bradley von Xanthen, »was wir davon zuhalten haben? Inzwischen sind es dreizehnBoote, deren Kommandanten von unerklärli-chen Phänomenen berichten, was in dreiFällen dazu führte, daß sie sich aus ihrenOperationsgebieten zurückziehen mußten.«

»Die Frage ist doch«, meinte Ronald Te-kener, »ob die Porleyter nach ihrem Ver-schwinden schon Zeit genug hatten, be-stimmte Anlagen zu aktivieren, die für dieVorkommnisse verantwortlich sind.«

Geoffry Waringer sah ihn nachdenklichan.

»Deine Meinung, Geoff?« erkundigte sichRhodan nüchtern. Sein Unbehagen hattemittlerweile einen Punkt erreicht, der selbstihn zunehmend gereizter erscheinen ließ.

»Keine Spur von den Porleytern«, antwor-tete Waringer zögernd. »Natürlich dürfenwir nicht ausschließen, daß sie die Vorfälleinszenieren. Es erscheint sogar nahelie-gend.«

»Aber?«Waringer breitete die Arme aus.»Wir wissen zu wenig über sie und ihre

Technik. Wir können letztlich nur immerwieder versuchen, uns in ihre psychologi-sche Situation hineinzudenken. Aber wersagt uns, daß wir sie wirklich in vollem Um-

fang erkennen? Theoretisch ist nicht auszu-schließen, daß alle 2011 Porleyter irgendwoan einer zentralen Stelle zusammen sind undgar nichts tun – zumindest nicht bewußt. Ichkönnte mir vorstellen, daß die verschiedenenAnlagen allein auf ihr Hiersein, auf ihreRückkehr nach mehr als zwei Millionen Jah-ren reagieren.«

»Eine nicht sehr wissenschaftlich klingen-de Theorie«, meinte Jen Salik.

Waringer fuhr sich über die Stirn.»Diesen Anspruch können wir auch gar

nicht stellen, Jen. Wir glauben, einiges überdie Porleyter und ihre Technik zu wissen. Inbegrenztem Umfang trifft das auch zweifel-los zu. Aber das dort draußen ist zu fremd.«

»Sie bereiten sich auf irgend etwas vor«,sagte Jennifer Thyron überzeugt.

»Worauf?« fragte Rhodan.»Vielleicht auf einen kollektiven Selbst-

mord«, sagte Salik leise. Er nickte und schi-en gleichzeitig vor den eigenen Gedanken zuerschrecken. »Sie haben alles verloren, wassie sich an Hoffnungen aufgebaut hatten.Und die Geschichte, die uns Oso erzählte,beweist doch, daß sie in ihrer bisherigenExistenz keinen Sinn mehr sehen können.«

»Und«, fügte Tekener düster hinzu, »daßsie gewohnt waren, Nägel mit Köpfen zumachen. Was sie in Angriff nahmen, warlange vorher sorgfältig geplant und mußteeinfach gelingen. Vielleicht ist dies das er-stemal, daß sie scheiterten.«

»Hört auf«, bat Rhodan. »Oso wird zu-rückkehren!«

Aber glaubte er wirklich noch daran?Sollte die lange Suche nach den Vorläu-

fern der Ritter der Tiefe und deren Befrei-ung aus ihren selbstgewählten Gefängnissenüberall in M 3 nur dazu gut gewesen sein,daß sie sich nun hier endgültig auslöschten?

Wenn es so ist, stellte sich ihm die quä-lende Frage, wie können wir sie daran hin-dern?

»Auf die Gefahr hin, daß ihr es nicht ger-ne hört«, sagte Ronald Tekener, »könnenwir nicht einmal ausschließen, daß die Por-leyter in diesem Fall eine gigantische Ma-

Der Weg der Porleyter 27

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schinerie in Betrieb setzen, die nach ihremTod diese ganze Fünf-Planeten-Anlage indie Luft jagt – und uns mit ihr, wenn wir aufZhruut bleiben.«

»Sollen wir die Beiboote zurückrufen?«fragte von Xanthen.

»Nein!« wehrte Rhodan ab. »Die Suchegeht weiter!«

Die Blicke der Umstehenden bewiesenihm, daß er mit dieser Entscheidung nichtauf volle Zustimmung stieß.

Sie haben das Depot vor uns verschlos-sen! durchfuhr es ihn.

Jeder der 2011 kann inzwischen im Besitzeines Kardec-Schildes sein!

»Ich möchte, daß jemand Kerma-Jo undSagus-Rhet in die Zentrale bittet. Wahr-scheinlich werden wir ihre Hilfe bald brau-chen können.«

»Wir sollten die Entwicklung nicht überGebühr dramatisieren«, sagte Jennifer Thy-ron. »Zumindest, was unsere Boote draußenbetrifft, so kann bisher noch keiner der Vor-fälle als Feindseligkeit gewertet werden.«

Gucky und Clifton Callamon hatten dieZentrale betreten. Callamon trug nun stattder zerlumpten Admiralsuniform eine einfa-che Kombination der Kosmischen Hanse.

Er hatte den letzten Teil der Unterhaltungmithören können. Er sagte nichts und verzogkeine Miene.

Allein seine Blicke verrieten genug vondem, was er dachte:

Hättet ihr auf mich gehört und rechtzeitigeinige Kardec-Schilde aus dem Depot ge-holt, als es noch für uns offenstand …

Zwei weitere Zwischenfälle wurden ge-meldet, und diesmal konnte nur ein unheil-barer Optimist noch behaupten, daß es sichdabei nicht um feindliche Akte handelte.

»Zwei unserer Boote funken um Hilfe«,sagte von Xanthen mit tonloser Stimme. Erballte die Fäuste. »Irgend etwas traf sie mitsolcher Wucht, daß sie nur noch notlandenkonnten.«

Und jetzt überschlugen sich die alarmie-renden Nachrichten.

»Überall sind plötzlich Barrieren, gegen

die die Beiboote prallen!« rief eine Funke-rin. »Weitere Hilferufe und Bitten um Ver-haltensanweisungen! Das sieht aus, als wür-den unsere Leute dort draußen … beschos-sen!«

Ein Bildschirm zeigte trudelnde Space-Jets oder Boote, die plötzlich aus ihrem bis-herigen Kurs ausbrachen und völlig sinnloserscheinende Manöver flogen.

Und das geschah überall in der näherenund weiteren Umgebung der RAKAL-WOOLVER.

Eine Space-Jet stürzte ab. Die Besatzungkonnte sich nur noch durch Absprengen derKuppel und mit Hilfe ihrer Flugaggregateretten.

»Bist du immer noch der Meinung, wirsollten weitersuchen?« fragte von Xanthenerregt.

»Nein«, sagte Rhodan mit erstickter Stim-me. »Sie sollen zurückkehren – alle. DieRAKAL wird in Alarmbereitschaft ver-setzt.«

Selbst die letzten, die noch vor wenigenMinuten an Zufälle oder harmlose Effektezu glauben bereit gewesen waren, wurdennun durch die Häufung der »Unfälle« undderen dramatische Wandlung eines Besserenbelehrt.

Die einlaufenden Nachrichten ließen er-kennen, daß ganz bestimmte Regionen vonZhruut regelrecht abgesperrt wurden.

»Du zweifelst nicht mehr daran, daß diePorleyter hinter dem Spuk stecken, Perry?«fragte Gucky.

»Sie wollen uns nicht in Neu-Mora-gan-Pordh haben«, sagte Rhodan hart. Inseinem Gesicht zuckte es. »Wir sind uner-wünscht. Das haben sie uns nun mit allemNachdruck zu verstehen gegeben. Wir war-ten die Rückkehr der Boote und Landungs-trupps ab und sehen dann weiter.«

Bradley von Xanthen schüttelte grimmigden Kopf.

»Von einem Boot fehlt die Bestätigungdes Umkehrbefehls. Kommandantin ist …«Von Xanthen zog die Augenbrauen zusam-men. »Joan Lugarte. Aber war das nicht die,

28 Horst Hoffmann

Page 29: Der Weg der Porleyter

die …?«»… auf diesen Porleyter schoß«, bestätig-

te Jennifer Thyron. »Und die erst eine be-sondere Aufforderung brauchte, die RAKALzu verlassen. Wo befand sie sich zuletzt?«

»Über der roten Zone!« rief die Funkerin.»Dahin wollten doch Nikki und Narktor«,

kam es von Ronald Tekener. »Sie sollen sichum sie kümmern!«

»Und vorsichtig sein«, mahnte Rhodan.»Wenn sie in einer halben Stunde nichts ge-funden haben, sollen sie umkehren.«

Dabei traute er Nikki Frickel am ehestenvon allen einen Erfolg zu.

Plötzlich schien ihm die Zeit zwischenden Fingern zu zerrinnen. Aus Verständnis-losigkeit für das Verhalten der Porleyterwurde Verbitterung und Enttäuschung, einedumpfe Wut, die sich allein mit der Rationicht mehr bekämpfen ließ.

Die bange Frage hieß nun: Würden sichdie auf so erschreckende Weise verändertenPorleyter, die immer weniger mit denen ge-meinsam hatten, die sie oder ihre Vorfahreneinmal gewesen waren, auch weiterhin nurauf Aktionen gegen die Beiboote und derenBesatzungen beschränken?

Würden sie ihre Angriffe einstellen, wenndie Männer und Frauen wieder an Bord derRAKAL WOOLVER waren – oder dieMenschen dazu zwingen, sich ganz aus ih-rem System zurückzuziehen?

Im Schiff herrschte Gelbalarm.Rhodan stand einsam vor einer Monitor-

galerie und verfolgte, wie die Space-Jets ei-ne nach der anderen in ihre Hangars zurück-kehrten.

Eine gespenstische Stille breitete sichüber den gewaltigen Anlagen von Zhruutaus – mit den dort schlummernden Kräften,an die Rhodan nicht zu denken wagte.

Gucky gähnte und stand auf.»Ich lege mich für ein Stündchen aufs

Ohr. Ihr könnt mich ja sowieso nicht brau-chen, oder?« Er watschelte zum Ausgang.»Bei allen Wolpertingern von Vulkan, binich müde. Aber das kommt davon, wennman nur noch die Füße benutzen kann und

nichts sieht als diese Kuppeln und Türmeund Kugeln und … und überhaupt ist dieskeine Welt, auf der sich ein kultivierter Iltwohl fühlen könnte …«

»Was ist denn mit dem los?« fragte Calla-mon entgeistert. »Gucky ist müde, wo hierjeden Moment die Fetzen fliegen können?Das habe ich noch nicht erlebt!«

*

»Hast du was, Narktor?« Nikki Frickelschielte auf den Bildschirm rechts von ihrenKontrollen, auf dem das Gesicht des Sprin-gers abgebildet war.

»Hat sich was mit etwas haben!« knurrteder untersetzte Rothaarige mit dem Rau-schebart. Narktor war nie ein Kind von Son-nenschein, wenngleich sich unter der rauenSchale eine gehörige Portion Gutmütigkeitverbarg. Jetzt wirkte er so verdrossen wieselten. »Und diese halbe Stunde ist einScherz, ein verdammt schlechter. Wir kön-nen stundenlang suchen und finden nichtsohne jede Ortung!«

»Wir haben jetzt etwa die Position er-reicht, an der die HULLY GULLY zuletztgesehen wurde.« Die Beibootkommandantinließ einen Scheinwerferkegel über die Ober-fläche einer der beiden pyramidenähnlichenGebäude voraus wandern. »Ich gehe tiefer.«

»Dann paß auf, daß dir nicht das gleichepassiert wie denen in der … wie heißt dasSchiff?«

»HULLY GULLY.«Narktor grinste gequält.»Wer zum Teufel denkt sich so einen Na-

men aus?«»Frag sie danach, wenn wir sie gefunden

haben!«Nikki Frickel lachte trocken. Durch die

transparente Kanzeldachkuppel sah sie dieLichter von Narktors Space-Jet in einigerEntfernung scheinbar in die Höhe wandern.

Sie überzeugte sich davon, daß YanoTurkys und Elisa Merckes festgeschnalltwaren. Beide kannte sie kaum. Sie flog zumerstenmal mit ihnen.

Der Weg der Porleyter 29

Page 30: Der Weg der Porleyter

»Achtet auf Leuchtzeichen oder Bewe-gungen. Da wir nichts orten können, müssenwir wohl oder übel davon ausgehen, daß dasBoot irgendwo dort unten am Boden liegt.«

»Wer sollte uns auf sich aufmerksam ma-chen?« fragte Yano. »Sie müssen bewußtlossein oder tot. Ansonsten hätten sie uns dochlängst sehen und anfunken müssen.«

»Das muß nicht unbedingt gesagt sein.Wir haben gehört, daß einigen Booten ganzeinfach sämtliche Energien entzogen wur-den. Nur merkten deren Besatzungen frühgenug, was da geschah, und funkten um Hil-fe.«

Langsam steuerte Nikki ihr Schiff weiterauf die Pyramiden zu. Die Scheinwerferleuchteten die zwischen ihnen klaffende, et-wa fünfzig Meter tiefe und einen halben Ki-lometer lange Schlucht ab, deren Boden undRänder völlig eben waren.

»Da ist nichts«, murmelte Elisa Merckes.Sie hielt den Funkkontakt zur RAKAL

WOOLVER. Nikki hoffte darauf, daß eineder zahlreichen Mikrosonden die HULLYGULLY fand und ihr die Suche erleichterte.

Sie hatte ein schlechtes Gefühl und rea-gierte prompt, als einer der Lichtkegel plötz-lich ins Leere stieß.

Das war, als sich die Space-Jet mittenzwischen den Pyramiden befand. Es sah soaus, als hätte irgend jemand den Lichtstrahleinfach nach zweihundert Metern abge-schnitten.

Nikki zog die Space-Jet in einer rasantenSchleife in die Höhe, nahm anschließendFahrt weg und verharrte schließlich genauüber einer der Pyramiden.

»Was war das für ein Kunstflug?« melde-te sich Narktor.

»Mach's nach! Narktor, ich nehme an, ei-ne dieser Barrieren steht etwa einhundertMeter hinter einer gedachten Linie zwischenden Spitzen der Pyramiden. Sie schlucktLicht und wahrscheinlich auch unsere Ener-gie, wenn wir in sie hineinfliegen.«

»Du meinst also, diese HULLY DULLYist hinter ihr abgestürzt? Hast du vielleichtauch eine Vorstellung davon, wie wir sie

dann bergen sollen?«»HULLY GULLY, Narktor. Wie hoch

stehst du jetzt über uns?«»Dreihundert Meter etwa.«»Fein. Dann richte jetzt deine Scheinwer-

fer nach vorne.«»Wenn du glaubst, daß die Barriere nur

eine begrenzte Höhe hat …« Er rief einemMitglied seiner Besatzung etwas zu. »Nikki,ich könnte dir verdammt sagen, was wir bes-ser tun würden!«

»O ja«, seufzte sie. »Ein paar Schüsse indie Pyramiden, vielleicht ein paar kräftigeSalven, und alle Probleme sind gelöst – oderwir im siebten Himmel, Narktor.«

»Licht kommt nicht durch«, knurrte derSpringer. »Zweihundert Meter.«

»Dann versuche es in größerer Höhe wie-der.«

»Wie du befiehlst, mein Schatz!« Nikkibehielt ihre Position bei. Yano, ein dunkel-häutiger Südamerikaner, warf ihr einen selt-samen Blick zu.

»So unterhaltet ihr euch immer?« fragte eran.

Sie winkte lachend ab.»Nicht immer. Wir reden auch latei-

nisch.«»Der Springer?«»Nein, das Pferd. Sieh mich nicht so ent-

geistert an. Er hat ein Pferdegesicht, ist aberein lieber Kerl.«

»Wer?« kam es aus dem Lautsprecher.»Wido?«

»Achte lieber auf deine Leuchter,Narktor. Höhe?«

»Hoch genug, um dir zu sagen, daß eskeinen Sinn hat. Die Scheinwerferkegel ver-schwinden noch immer im Nichts. Ich binjetzt auf … He, was ist das!«

»Narktor?«Der Springer antwortete nicht mehr. Der

Bildschirm, auf dem er eben noch zu sehengewesen war war dunkel.

»Narktor!«»Sinnlos«, sagte Elisa Merckes tonlos.

»Wir haben ihn nicht mehr in der Ortung.Die Space-Jet ist verschwunden, einfach

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weg!«Nikki schluckte. Ihre Hände wurden

feucht.»Das Boot kann sich nicht in Luft aufge-

löst haben!« sagte sie heftig. Aller Spaß warvorbei. »Und Narktor merkte, daß etwas mitihm geschah. Wir steigen auf seine letzteHöhe!« Sie deutete mit einer Kopfbewegungauf das Funkgerät. »Davon brauchen sie inder RAKAL nichts zu erfahren, Elisa. Siemerken schon früh genug, was hier vor sichgeht. Bis sie sich melden, haben wir Zeit.«

»Wofür?« fragte Yano unsicher. »Nikki,zwei Boote haben wir hier schon verloren,und du willst hinter dem Rücken von Xan-then …«

Die Raumfahrerin aktivierte bereits dieSchutzschirme der Space-Jet und ließ daskleine Diskusschiff langsam steigen – inkonstanter Entfernung zur lichtschluckendenunsichtbaren Wand.

»Yano, ich mache nichts hinter irgend je-mandes Rücken. Elisa, wenn auch wir in einFeld oder sonst etwas geraten, merken wir'swie Narktor. Ich möchte, daß dann alles,was wir beobachtet oder in Erfahrung ge-bracht haben, gebündelt zur RAKAL geht.Bitte bereite das vor und schick's ab, sobalddu merkst, daß irgend etwas nach uns greiftoder mit uns geschieht.«

Elisa Merckes nickte und begann, schnellin ein Mikrophon zu sprechen. Nikki undYano sagten nichts mehr. Mit zusammenge-preßten Lippen sah die Beibootkommandan-tin abwechselnd auf die Anzeigeinstrumen-te, die Monitoren und in den sternübersätenHimmel.

Bald würde ein neuer Tag anbrechen.Nikki kannte diese strahlend hellen Nächtein M 3 nun lange genug, und doch war siejedes Mal aufs neue beeindruckt.

Yano funkte, ohne Antwort von Narktoroder den Männern und Frauen aus der HUL-LY GULLY zu erhalten.

Nikki programmierte den Autopiloten.Auf Knopfdruck würde er die Space-Jet vonder Barriere wegreißen, sobald ein ersterFremdeinfluß spürbar wurde – und falls die

Besatzung nicht mehr dazu in der Lage seinsollte.

»Jetzt Achtung!« rief Nikki. »Wir errei-chen Narktors Höhe! Elisa, du …«

Sie kam nicht mehr dazu, zu Ende zusprechen. Sie hörte Yanos Aufschrei undspürte ihren Herzschlag, als sie das Gefühlhatte, daß ihr der Magen umgestülpt, daß siemit einem Schlag vollkommen schwereloswurde. Ein stechender Schmerz durchzuckteihren Schädel. Dann war die Umgebung ingrelles, bläulichweißes Licht getaucht.

Nikki wurde sich dessen kaum bewußt,daß ihr Zeigefinger den Autopiloten akti-vierte. Auch der Schmerz ging in einerplötzlich aufwallenden Panik unter. Die Hel-ligkeit blendete, und doch starrte die Raum-fahrerin aus weit aufgerissenen Augen aufden schemenhaften Umriß der Space-Jet, diewie von Fesselfeldern gehalten im Zentrumdes hellen Leuchtens stand.

Narktor! durchfuhr es sie. Sie wollte eshinausschreien, doch kein Laut kam über ih-re Lippen. Ihre Glieder gehorchten ihr nichtmehr. Sie konnte den Kopf nicht drehen,doch hätte sie es getan, so hätte sie Yanound Elisa wie zu Stein mitten in der Bewe-gung erstarrt gesehen. Eine schrecklicheStille wie die des Todes umfing die drei.

Sie wußte hinterher nicht zu sagen, wielange dieser Zustand angehalten hatte, dersie an den Rand des Wahnsinns brachte; wielange sie Narktors Schiff inmitten fließenderStröme aus wabernden Energien, einemstrahlenden Meer aus puren Farben wie zumGreifen nahe und doch fürchterlich verzerrtgesehen hatte.

Irgend etwas traf das Boot mit verheeren-der Wucht. Vor Nikkis Augen tanztenschwarze Sterne. Sie hatte das Gefühl, ir-gend etwas explodierte in ihrem Gehirn. FürAugenblicke – oder Minuten? – war es so,als müßte ihr Körper bersten, als rissen Un-sichtbare an ihren Gliedern.

Dann waren sie aus dem Licht heraus.Wie von einer gigantischen Bogensehne ab-gefeuert, schoß die Space-Jet über die rot-schimmernden Anlagen des Planeten dahin.

Der Weg der Porleyter 31

Page 32: Der Weg der Porleyter

Yanos, Elisas und ihre eigenen Schreie zer-rissen die furchtbare Stille. In sie mischtensich die vertrauten Geräusche der Aggregateund eine überlaut aus dem Funkempfängerkommende Stimme.

Nur allmählich beruhigten sich die drei.Nikki schwitzte und sah sich um.

Es war, als wäre überhaupt nichts gesche-hen, als wäre die Space-Jet niemals in denBann gleichermaßen unerklärlicher wie un-überwindbarer Kräfte geraten.

Nikki übernahm wieder die Steuerung,wendete das Schiff und sah die Pyramidenetwa zwei Kilometer entfernt. Es schien kei-ne energetische Blase zu geben, in derNarktors Diskus gefangen war.

»Was … war das?« stöhnte Yano.»Ein verdammt übler Trick«, schimpfte

Nikki, bevor sie ein Einsehen mit Bradleyvon Xanthen hatte, dessen erregte Stimmeihr in den Ohren hallte.

Sie berichtete knapp und endete mit derÜberlegung, daß sie es allein dem Autopilo-ten zu verdanken hatten, daß sie nun nichtwie Narktor und dessen Mannschaft in ei-nem Stasisfeld gefangen waren.

»Es kann sich auch ganz anders verhalten,Bradley. Aber falls wir recht haben, legt die-ses Feld auch das Willenszentrum der Men-schen lahm. Narktor könnte sich also befrei-en, wenn er in der Lage wäre, sich zu rührenoder wie wir den Autopiloten programmierthätte.«

Für Sekunden war nichts als von Xan-thens Atmen zu hören.

»Ihr kommt zurück«, befahl er dann. »Wirberatschlagen an Bord der RAKAL weiter,was wir unternehmen können – falls über-haupt etwas.«

»Was soll das heißen – falls überhaupt et-was?«

»Das soll heißen, daß ihr auf der Stellehierher zurückkommt, Nikki! Und daß wirin der RAKAL schon genug Probleme ha-ben!«

Damit schaltete von Xanthen sich aus.Nikki, Yano und Elisa warfen sich be-

stürzte Blicke zu.

Mit einer Verwünschung beugte sich Nik-ki Frickel über die Kontrollen.

Noch bevor sie auf Kurs gehen konnte,geschahen zwei Dinge gleichzeitig.

»Dort unten!« rief Elisa Merckes. »Dagibt jemand Leuchtzeichen!«

Nikki hörte sie kaum, denn über derSpace-Jet stand ein zweiter Diskus inmitteneiner Aura aus langsam verblassendem,weißblauem Licht.

5.

Der neue Tag war zwei Stunden alt, alssich mit Nikki Frickel, Narktor, derenMannschaften sowie Joan Lugarte und derendrei Begleitern sämtliche Mitglieder derLandungs- und Erkundungskommandoswieder an Bord der RAKAL WOOLVERbefanden. So richtig wußte noch niemand inder Zentrale des Flaggschiffs, was sie dortdraußen wirklich erlebt hatten. Nikki Frickelwurde zum Bericht erwartet, sobald sie sichumgezogen und frisch gemacht hatte.

Auch ohne sie gab es Sorgen genug. Wiees aussah, unterließen die Porleyter nunwirklich nichts mehr, das den Terranernklarmachen konnte, welche Folgen es für siehaben sollte, gegen ihren Widerstand in ihrVersteck eingedrungen zu sein.

Die RAKAL WOOLVER befand sichnach wie vor im Alarmzustand. Wie einBerg stand sie im Talkessel und überragtedie Anlagen der blauen Zone. Um sie herumherrschte Stille. Nichts rührte sich – unddoch war sich jeder der Verantwortlichen anBord darüber im klaren, wie sehr diestäuschte.

Niemand glaubte mehr an die Selbstmord-theorie. Die Porleyter waren da, unsichtbar,aber auf erschreckende Weise präsent.

Über ihren Anlagen standen die unsicht-baren Barrieren. Rhodan war überzeugt da-von, daß kein Beiboot das Schiff mehr ver-lassen konnte, ohne nach wenigen Kilome-tern ein Opfer dessen zu werden, was diePorleyter in ihren subplanetarischen Schalt-stationen inszenierten.

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Page 33: Der Weg der Porleyter

Die RAKAL WOOLVER war in ihreSchutzschirme gehüllt. Rhodan bezweifelte,daß sie dadurch vor dem geschützt war, wasdie Porleyter noch an Überraschungen inpetto hatten.

Gegen die Müdigkeit und Erschöpfungder Mutanten richteten sie schon gar nichtsaus.

Was angesichts Guckys plötzlichemSchlafbedürfnis eine dumpfe Ahnung gewe-sen war, hatte sich inzwischen bestätigt.Sämtliche Mutanten litten wieder unter derbereits hinlänglich bekannten Erschöpfung.Dagegen war bei den Zellaktivatoren nochkeine Fehlfunktion feststellbar.

Auch das wird sich ändern! dachte Rho-dan verbittert.

Inzwischen waren seine Hoffnungen dar-auf, daß wenigstens Oso sich melden würde,auf ein Minimum gesunken. Es schien keineGruppe mehr zu geben, die mit den Men-schen sympathisierte.

»Warum?« fragte Jen Salik zum wieder-holten Mal. »Warum wollen sie nicht, daßwir hier sind? Haben wir ihnen irgendeinenGrund zum Mißtrauen gegeben?«

Von einer Dankbarkeit redete ohnehinschon niemand mehr.

»Welche Pläne verfolgen sie, von denenwir nichts wissen dürfen?«

Selbst diese Fragen waren inzwischenrein akademischer Natur.

Rhodan wußte, daß sie früher oder späterzum Verlassen von Neu-Moragan-Pordh ge-zwungen waren. Tekener und von Xanthenplädierten bereits für einen sofortigen Start.Und immer mehr Männer und Frauenschlossen sich dieser Forderung an.

Die krasse Gegenposition vertrat CliftonCallamon. Es war ihm unbegreiflich, daßman sich das Verhalten der Porleyter so ein-fach gefallen ließ – besaß man doch mit derRAKAL WOOLVER ein Machtinstrument,mit dem man, wie er es ausdrückte, die Por-leyter schnell und nachhaltig zur Räson brin-gen konnte.

Wieder sah sich Rhodan in die Rolle des-jenigen gedrängt, von dem die Entscheidung

erwartet wurde.Er fühlte sich zerschlagen und ertappte

sich wieder dabei, wie er sich Fragen nachdem ganzen Sinn der langen Suche nach denPorleytern stellte. Gleichzeitig wußte er, daßer dieses psychische Tief überwinden mußte.

Ein ungemein bedeutendes Ergebnis hattedie Expedition trotz allem gebracht: Die Ko-ordinaten des Frostrubins, beziehungsweiseder Stelle, an der er verankert war – was im-mer unter einem solchen Anker zu verstehensein mochte.

»Perry?«Gucky stand neben ihm und blickte ihn

besorgt an. Der Mausbiber war nur für kurzeZeit verschwunden gewesen. Tapfer kämpf-te er gegen die Müdigkeit an. Wie ihm ange-sichts des Verlusts seiner Mutantenfähigkei-ten zumute sein mußte, ließ sich nur erah-nen.

Rhodan zwang sich zu einem Lächeln underhob sich.

»Ich möchte mir erst Nikkis Bericht anhö-ren«, verkündete er Salik, Tekener und RasTschubai. Alle anderen hatten sich vorüber-gehend zurückgezogen. Lloyd befand sich inseinem Quartier. Ihm schien die Müdigkeitund Erschöpfung am schlimmsten zu schaf-fen zu machen. Waringer arbeitete im physi-kalischen Labor. Jennifer Thyron hatte ihnauf Rhodans Wunsch dorthin begleitet, wieüberhaupt immer mindestens zwei Zellakti-vatorträger ständig beisammen sein sollten,damit sofort einer Alarm schlagen konnte,wenn er beim anderen verdächtige Sympto-me feststellte.

Alaska Saedelaere befand sich bei Fell-mer.

»Was erwartest du dir noch davon?« woll-te Ronald Tekener wissen.

Rhodan brauchte nicht zu antworten, dennin diesem Augenblick betrat die Beiboot-kommandantin die Zentrale.

In allen Einzelheiten berichtete sie überihre Erlebnisse und Beobachtungen. Sieschloß mit der Vermutung:

»Sie haben es nicht auf unser Leben abge-sehen. Sie wollen uns von hier vertreiben

Der Weg der Porleyter 33

Page 34: Der Weg der Porleyter

und vor allem von bestimmten Zonen fern-halten. Offenbar genügt es ihnen noch, unsihre überlegenen Machtmittel zu demon-strieren. Joan Lugarte erklärte, daß ihr An-trieb versagte und sie die Space-Jet erstknapp über dem Boden abfangen konnte.Dann setzten alle Systeme wieder aus. Siemußten zu Fuß durch die Barriere hindurch,denn auch Flugaggregate und anderes warenzu nichts mehr zu gebrauchen.«

»Das heißt, daß wir die Barrieren zu Fußdurchdringen können?« fragte Tekener über-rascht. Er lachte gekünstelt.

Nikki zuckte die Schultern und warf ihmeinen nachdenklichen Blick zu.

»Nicht unbedingt. Die Porleyter haben sieaufgebaut, um uns daran zu hindern, in be-stimmte Zonen vorzustoßen. Daß Joan undihre Mannschaft diese eine passieren konn-ten, kann nur darauf zurückzuführen sein,daß sie zur RAKAL zurückkehren sollten.Und das bestätigt ja nur meine Vermutun-gen. Auch Narktors Space-Jet wurde freige-geben, nachdem uns allen ein gehörigerSchreck eingejagt wurde. Wir sollten nichtversuchen zu begreifen, was wir nicht ver-stehen können. Für mich steht fest, daß wirvon hier fortgeekelt werden sollen.«

»Das wissen wir auch schon«, meinteGucky. »Nun, Perry?«

Rhodan verzog keine Miene. Doch un-willkürlich lauschte er in sich hinein, ver-suchte ein erstes Anzeichen dafür zu finden,daß sein Zellaktivator nicht fehlerfrei funk-tionierte.

Er spürte nichts.»Ich glaube«, sagte er gedehnt, »daß wir

nun die Bestätigung dafür haben, daß diePorleyter noch nicht so negativ gewordensind, um unser Leben willentlich zu gefähr-den.«

Ras Tschubai lachte trocken.»So, das tun sie nicht? Perry, es beginnt

mit uns Mutanten und wird mit allen Zellak-tivatorträgern enden.«

»Das weiß ich«, entgegnete Rhodan.»Doch sie wissen genau, daß wir uns dannrechtzeitig zurückziehen. Und bis dahin …«

Er breitete die Arme aus und seufzte. »Bisdahin werden wir warten.«

»Auf Oso? Darauf, daß er sein Verspre-chen wahrmacht und uns sagt, was der Fros-trubin ist?«

War es ein Versprechen gewesen? Undwar Oso noch der gleiche, der ihm vor demVerlassen der RAKAL WOOLVER gegen-übergestanden hatte?

Rhodans Gedanken drehten sich im Kreis.Es waren immer wieder die gleichen Fragen,die ihn bewegten – und auf die er doch keineAntwort fand.

»Wir warten«, entschied er. »Ich würdeeuch und mich selber betrügen, wollte ichbehaupten, daß ich viel Hoffnung in Oso set-ze. Doch dieser winzige Rest Zuversicht, deruns bleiben muß, sollte es wert sein, die Un-gewißheit noch für ein paar Tage zu ertra-gen.«

»Für Tage?« entfuhr es Tekener.»Bis die Zellaktivatoren streiken. In einer

solchen Lage waren wir schon mehrere Ma-le, Tek. Und wie damals wird der Spuk vor-bei sein, wenn wir aus M 3 heraus sind.«

Nicht nur Tekeners Gesicht verriet Skep-sis, obwohl er Rhodans Entscheidungschließlich guthieß.

Doch selbst die größten Pessimistenkonnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht ah-nen, wie sehr er sich täuschte.

*

Zwei Tage vergingen, ohne daß etwasNeues geschah. Die Mutanten litten unterder zunehmenden Erschöpfung. Rhodangönnte sich kaum eine Stunde Schlaf undmußte sich bei Anbruch des dritten Tagesschweren Herzens eingestehen, daß er sichwahrhaftig nur etwas vorgemacht hatte.

Wäre Oso willens gewesen, sich noch ein-mal zu melden, und sei es nur, um die Terra-ner nochmals zum Rückzug aufzufordern, sohätte er nun lange genug Zeit dazu gehabt.

Eine neue Unruhe bemächtigte sich seinerin zunehmenden Maß, ohne daß er ihrentieferen Grund zu erkennen vermocht hätte.

34 Horst Hoffmann

Page 35: Der Weg der Porleyter

Die Zahl derer, die auf sofortigen Auf-bruch drängten, wuchs beängstigend schnell,und Rhodan konnte sich deren Argumentennicht mehr verschließen.

Sein Entschluß stand endgültig fest, als erzu Waringer in dessen Kabine gerufen wur-de.

Waringer lag kreidebleich auf einer Liege.Irmina Kotschistowa war bei ihm. Als sieRhodan erblickte, huschte ein Schatten überihr Gesicht.

»Es ist soweit, Perry«, flüsterte sie. »Ich… spüre es auch bereits.«

Rhodan setzte sich auf die Kante und be-gegnete dem Blick des ehemaligen Schwie-gersohns.

»Tut mir leid, Perry. Ich …«»Sag jetzt nichts, Geoffry. Wenn sich hier

irgend jemand Vorwürfe zu machen hätte,so bin ich das.« Er nickte. »Ja, Geoffry, ichhätte mich nicht in etwas verrennen dürfen.Von den Porleytern haben wir nichts mehrzu erwarten – jedenfalls nichts Gutes.«

»Du wolltest nicht glauben, daß sie sichso verändern können, oder?«

»Das auch. Wir haben alle genug Zeitzum Nachdenken gehabt, und wenn ich ganzehrlich sein soll, so wird auch mir angst undbange, wenn ich daran denke, was sie dortdraußen vorhaben oder vorbereiten. Etwassagt mir, daß wir so lange auf Zhruut blei-ben sollten, bis wir es wissen. Aber das istvorbei, Geoff. Die RAKAL WOOLVERwird in Kürze starten, und wir verlassen M 3mit der ganzen Flotte.«

Waringer richtete sich auf. Er lächelte Ir-mina schwach an, als sie die Stirn in Faltenlegte.

»Es geht schon wieder. Macht euch ummich keine Sorgen. Aber Perry, das ist nichtalles, oder? Du wärest nicht du, wenn dunicht schon ein neues Ziel im Auge hättest.«

Rhodans Blick richtete sich in die Ferne.»Wir verlassen M 3 so schnell wie mög-

lich. Wir haben die Koordinatenangabe desAnkerplatzes des Frostrubins. Auch wennwir nicht erfahren werden, was uns dort er-wartet …«

Er erhob sich und legte Waringer sanft ei-ne Hand auf die Schulter.

»Aber bevor wir an eine neue Expeditiondenken sollten, müssen wir alle erst einmalwieder aus diesem Sternhaufen heraus sein.Bist du sicher, daß du …«

»Schicke mir um Himmels willen keinenMedo-Klempner!« Waringer stand auf undbreitete die Arme aus, wie um zu demon-strieren, daß sein Schwächeanfall vorüberwar. »Geh in die Zentrale und bring uns vonhier weg.«

»Sofort, Geoff!«Als Waringer und die Mutantin allein wa-

ren, schüttelte der Wissenschaftler heftigden Kopf – etwas zu heftig, denn sofortmußte Irmina ihn wieder stützen.

»Ich möchte nicht in Perrys Hautstecken«, sagte Waringer leise. »Weißt du,was ihm hier an Bord vielleicht am meistenaufstößt?«

»Daß er sich in eine Rolle versetzt sieht,die seinem Status längst nicht mehr ent-spricht«, erriet die Metabio-Gruppiererin.

Waringer nickte schwach.»Sein Status, Irmina. Genau das trifft es.

Er ist ein Ritter der Tiefe wie Jen Salik. Erwar auf Khrat und hat eine Aufgabe zu er-füllen, um die ihn keiner von uns beneidet.Manchmal frage ich mich, ob er überhauptnoch zu uns gehört.«

»Geoffry!«»Du weißt genau, was ich meine. Er ist

Hanse-Sprecher, zugegeben. Er steht aberweder der LFT vor noch der GAVÖK. Unddoch erwarten sie alle von ihm, daß er seineEntscheidungen für sie trifft. Irmina, ich ha-be ihn erlebt, wie er war, als ich seine Toch-ter Suzan heiratete. Ich habe ihn erlebt, wieer seine Späße mit Gucky trieb oder sich mitBully oder Atlan in die Haare geriet. Irmina,er ist einsam geworden.«

»Aber der gleiche geblieben, und er wirdauch diese seine neuen Aufgaben meistern.Er wird Fehlschläge erleiden, schlimmer alsdiesen hier und heute. Soll ich dir sagen,was ich so an ihm schätze?«

»Was?«

Der Weg der Porleyter 35

Page 36: Der Weg der Porleyter

Sie lächelte versonnen.»Daß er jung geblieben ist. Jünger als vie-

le von uns.«Waringer ließ sich seufzend auf die Liege

fallen.»Nun fehlt nur noch, daß du sagst, er

brauchte endlich einmal wieder eine Frau.«Sie lachte.»Ich will ja nichts sagen, Geoffry. Aber

ist dir vielleicht einmal aufgefallen, wie erdiese Nikki Frickel ansieht …?«

*

Genau diese Nikki Frickel sah erstauntauf, als zwei Gestalten die Messe betraten,in der sie mit Narktor und Wido Helfrich amTisch saß, der – wie schon in der DAN PI-COT – für die ehemaligen Nachtschwärmervon Waigeo quasi reserviert war.

Außer den dreien befanden sich kaummehr als zehn Raumfahrer zu diesem Zeit-punkt in der Messe, und die hatten mit sichselbst zu tun. Nur zwei blickten kurz auf, alssie Joan Lugarte und Harry eintraten sahen.

»Nun schaut euch das an«, seufzte Nikki.»Die heilige Johanna und ihr Rittersmann …eher Knappe.«

»Wer ist das?« erkundigte sich Wido Hel-frich. »Sagt bloß, die wollen zu uns.«

»Das sind zwei von denen, über die wirdie ganze Zeit geredet haben«, wurde er vonNarktor belehrt. »Die Fußmarschierer.«

»Sie kommen tatsächlich auf uns zu«, flü-sterte Nikki. »Vielleicht, um sich zu bedan-ken?«

Die drei drehten sich so, daß sie Joan undHarry zugewandt waren. Nikki schlug legerdie Beine übereinander und lächelte.

»Na?« fragte sie. »Wieder erholt?«»Danach hast du dich bei mir die ganze

Zeit über noch nicht erkundigt«, beklagtesich Narktor in gespielter Entrüstung. »Undich wäre zehnmal lieber um diesen ganzenverrückten Planeten herummarschiert als indieser Lichtblase zu sitzen und auf den letz-ten Augenblick zu warten.« Er warf demPferdegesichtigen einen Seitenblick zu. »Du

wolltest einen Kommentar dazu geben, Wi-do Helfrich?«

»Seid mal still!« kam es von Nikki.Joan und Harry standen vor ihnen, und es

hatte den Anschein, als müßte die Frau sicherst überwinden, bevor sie schließlich her-vorstieß:

»Harry wollte euch etwas sagen. Dasheißt, es ist mehr eine Frage.«

»Was nun?« seufzte Narktor.Joan gab dem um einen Kopf Kleineren

einen Rippenstoß.»Na los, Harry. Raus damit!«Er schien sich zu winden, starrte Helfrich,

Narktor und Nikki der Reihe nach an undmachte dann eine wegwerfende Geste.

»Es ist gar nichts, und ich hätte mich auchnicht von ihr erpressen lassen sollen, mitzu-kommen. Vergeßt es.«

Er drehte sich um und machte zwei, dreiSchritte vom Tisch fort. Joan packte ihn amKragen der Kombination und holte ihn mitsanfter Gewalt zurück.

»Ich habe dich nicht erpreßt, Harry!Glaubst du etwa, mir macht es Spaß, michhier als dein Kindermädchen aufspielen zumüssen, nur weil du dich genierst?«

»Ah so? Das tust du nur für mich, JoanLugarte? Ich will dir sagen, wie ich das se-he. Ich denke nämlich, daß du nur versuchst,diese Sache von vorvorgestern morgen wie-der wettzumachen. Dabei denkt schon keinMensch mehr an den Vorfall – außer dir.«

»Harry, wer will die Porleyter gesehenhaben – du oder ich?«

Narktor lehnte sich weit zurück undstemmte die Fäuste in die Hüften.

»Was soll das darstellen? Eine Variete-nummer? Ist ja nett von euch gedacht, unsdamit beglücken zu wollen, aber dann wer-det euch allmählich mal einig. Du hast Por-leyter gesehen, Harry? Denk mal an, wirauch.«

Harry warf ihm einen undefinierbarenBlick zu.

»Das ist ihre fixe Idee«, beklagte er sich.»Joan hat ein schlechtes Gewissen unddenkt, jetzt auf meine Kosten die Sache

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glattbügeln zu können.« Er preßte die Lip-pen aufeinander und machte eine Geste, dieso einiges über die Wertschätzung verriet,die er der Raumfahrerin entgegenbrachte.»Ich war ein Vollidiot, daß ich's ihr über-haupt sagte.«

»Was?« erkundigte sich Nikki freundlich.»Er kam vor einer Stunde zu mir und sag-

te, daß er zwei Porleyter sah, die sich offen-bar bekämpften«, antwortete Joan für ihn.»Harry ist ein Hasenfuß, aber er leidet nor-malerweise nicht unter Halluzinationen.

Ich lachte ihn zuerst auch aus, aber dannkam mir die Sache doch nicht ganz geheuervor. Und da dachte ich, wir fragen euch, wasihr davon haltet, bevor wir Rhodan damitauf die Nerven fallen.«

Wido lachte wiehernd.»Ihr … wollt damit zu Rhodan?«»Ich will damit nirgendwohin!« kreischte

Harry, daß sich die an den anderen TischenSitzenden überrascht umdrehten. »Sie will!«

»Langsam solltet ihr euch wirklich eini-gen«, sagte Nikki. »Mir ist zwar schleier-haft, wieso ihr damit an uns herantretet, aberbitte. Zwei Porleyter, die aufeinander losge-hen. Das hatten wir noch nicht. Wo imSchiff soll das gewesen sein?«

»Nicht im Schiff«, knurrte Harry.»Draußen.«

»Oha!« machte Wido. Er setzte eine tod-ernste Miene auf. »Dem Glücklichen schlägtoft die Stunde im Sturm und in der tiefstenFinsternis.«

»Die lateinische Version hast du nicht aufLager?« seufzte Nikki. »Wido Helfrich, dusolltest ihn ausreden lassen. Und auch du,Narktor.« Sie beugte sich leicht vor undnickte Harry aufmunternd zu. »Hör nicht aufihr Gerede und vergiß einmal, daß Joan ne-ben dir steht. Wie war das mit den Porley-tern?«

»Das … das …!« Helfrich faßte sich anden Kopf und sah Narktor verzweifelt an.»Nikki, du nimmst ihm das doch nicht ab,oder? Eine halbe Armee war draußen, umnach dem Verbleib der Porleyter zu suchen,und jetzt kommt einer daher und behauptet

frei von der Leber weg, er hätte …«»Wido!«»Jaja, ich bin schon still. Narktor, wie war

das mit dem Defekt an deinem Boot?Komm, sehen wir's uns an und lassen diedrei mit den Porleytern allein.«

»Ich sehe keine«, tat der Springer erstauntund blickte sich um.

»Eben deshalb.«Nikki sah ihnen nach, als sie die Messe

verließen, und nickte Harry abermals zu.»Also?«Er holte tief Luft und sagte mit sich über-

schlagender Stimme:»Damit Joan ihre Ruhe hat: Es war, nach-

dem wir die HULLY GULLY verließen. Jo-an, Don und Gregor versuchten noch, denGrund für das völlige Erlöschen der Energi-en herauszufinden, als ich sah, wie sich zwi-schen zwei Stahltürmen etwas bewegte. Ichkonnte es kaum erkennen und bin mir jetztsicher, daß ich einem Schattenspiel aufsaß.Aber es sah eben genauso aus, als hättensich zwei Porleyter in ihren Aktionskörpernaufeinandergestürzt. Sie kämpften gegenein-ander und waren dann verschwunden. So,und jetzt schlagt mich tot, wenn ich irgendetwas gesagt haben will!«

Nikki lachte ihn nicht aus.Joan stand erwartungsvoll vor ihr und hob

zu einem Kommentar an, als Nikki abwink-te.

Sie blickte Harry ernst an.»Ich will dir mal etwas sagen, mein

Freund. Wenn du gekommen wärst, um mitdieser Geschichte aufzuschneiden, würdeich genauso reagieren wie Wido undNarktor. Aber das bist du nicht. Du hast esgesehen, oder? Du hast nur zwei Tage langden Mund nicht aufgemacht, weil du Angsthattest, von allen ausgelacht zu werden.«

»Es ist …!« Harry breitete verzweifelt dieArme aus. »Ja, vielleicht. Zum Donnerwet-ter, und weil ich mir eben nicht vollkommensicher war!«

Nikki stand auf. »Jetzt melden wir unserst einmal bei der Zentrale.«

Harry machte einen Schritt zurück. Ab-

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wehrend streckte er die Hände aus.»Ich will das nicht. Ich …«»Ich fürchte«, lächelte Nikki, »du mußt.«»Na bitte!« kam es von Joan. »Ich wußte

gleich, daß Harry kein Träumer ist.«Sie schickte sich an, den beiden zu folgen.

Nikki schüttelte ernst und entschieden denKopf.

»Harry hat sie gesehen – oder?«

*

In der Hauptleitzentrale der RAKALWOOLVER traf die dort Anwesenden NikkiFrickels überraschende Eröffnung mitten inden abschließenden Vorbereitungen zumStart. Rhodan begab sich zum Interkom undließ sich von Harry in allen Einzelheitenüber dessen Beobachtungen berichten.

»Ändert das jetzt noch etwas?« fragte Ro-nald Tekener.

Rhodan schüttelte den Kopf. Tekener hat-te sich inzwischen von einem Schwächean-fall erholt, und doch genügte allein ein Blickin sein farbloses Gesicht, um Rhodan in sei-nem einmal gefaßten Entschluß zu bestäti-gen.

»Zumindest vorerst nicht, Tek. Vielleichtwerden wir ein oder zwei Schiffe hierher zu-rückschicken, um die Entwicklung in Neu-Moragan-Pordh aus gebührender Entfernungzu beobachten. Ich darf die Besatzung derRAKAL keiner Gefahr durch die Porleytermehr aussetzen.«

Er verriet dabei nicht, was er von derAussage des Technikers hielt.

Alle Stationen des Schiffes waren besetzt.Zum letzten Mal wurde die Besatzung perRundrufanlage vom bevorstehenden Startunterrichtet.

Die Minuten zogen sich schier endlos lan-ge dahin. Niemand sprach viel. Was zu sa-gen war, war in zahlreichen Diskussionenund Debatten gesagt worden.

Die Zentralebesatzung arbeitete fieber-haft. Bildschirme leuchteten auf, Kontroll-lichter blinkten. Ziffernreihen wechseltenauf den Monitoren in schneller Folge.

Der Countdown lief ab. Die RAKALWOOLVER hob sich jedoch um keinenZentimeter. Dafür stieß Bradley von Xan-then eine heftige Verwünschung aus.

Rhodan lief ein kalter Schauder über denRücken. Er hörte die erstaunten und bestürz-ten Ausrufe der Menschen neben sich underfaßte augenblicklich, was geschehen war.Männer und Frauen sprangen aus ihren Sit-zen auf und schrieen durcheinander. Auf ih-ren Gesichtern spiegelte sich mehr als nurVerständnislosigkeit – das war blankes Ent-setzen.

Dutzende von Interkomanrufen gingenein. Aus fast allen Stationen wurde völligesVersagen der relevanten Systeme gemeldet.

Bradley von Xanthen stand vor Rhodanund würgte die Worte hervor, gegen die alleHiobsbotschaften der letzten Tage und Wo-chen zur Bedeutungslosigkeit degradiertwurden:

»Wir können nicht starten!«

*

Ronald Tekener hatte die Lippen aufein-andergepreßt und sah für Sekunden aus, alsmüßte er irgend jemandem an die Gurgelspringen.

Seine Blicke wanderten über die Gesich-ter der Männer und Frauen, die völlig rat-und fassungslos vor ihren Arbeitsplätzenstanden – dann über Reihen von Bildschir-men, die verschiedene Teile des Schiffeszeigten, vornehmlich im Bereich der Kraft-stationen. Die Menschen dort in den Schal-träumen boten kein anderes Bild als jenehier in der Zentrale.

»Das ist doch nicht möglich!« schrie derehemalige USO-Spezialist. »Bradley, wennes sich um Defekte handelt, werden wir de-ren Ursache suchen und beseitigen. Wir …«

»Wir können nicht starten!« wiederholtevon Xanthen, wobei er jedes Wort dehnteund einzeln betonte. Er drehte sich halb umund deutete auf die Monitoren. »Überzeugteuch selbst, oder glaubt hier vielleicht je-mand, ich hätte nicht längst die Techniker-

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trupps in Marsch gesetzt, wenn es hier etwaszu reparieren gäbe?«

»Dann werden wir festgehalten?« fragteJen Salik tonlos.

Von Xanthen lachte rau.»Fragt die Porleyter danach! Es kann alle

möglichen internen und externen Ursachenhaben, aber es bleibt dabei und steht fest:Die RAKAL hebt sich um keinen Millimeteraus diesem Talkessel, solange die Porleyterdas nicht wollen.«

»Aber das ist völlig sinnlos«, murmelteRhodan. »Sie setzen alles daran, uns vonhier zu vertreiben. Warum sollten sie unsdann nun ausgerechnet daran hindern, ihnendiesen Gefallen zu tun?«

»Aber sie tun es«, rief Jennifer Thyronvor einer Ausgabeeinheit der Zentralpositro-nik. »Hier habe ich eine Reihe von Wertenund Wahrscheinlichkeiten. Soweit ich über-haupt etwas damit anfangen kann, bestätigendiese ersten Analysen das Vorhandenseinvon starken Kraftfeldern, die sich um unsherum aufgebaut haben – ohne daß eineAussage über deren Natur gemacht werdenkann.«

»Versucht es noch einmal«, bat Rhodanden Kommandanten.

»Ich kann dir schon jetzt verraten, was da-bei herauskommt«, erwiderte von Xanthen.

Diesmal kam man nicht einmal mehr da-zu, den Countdown einzuleiten.

»Nichts!« fluchte Tekener. »Aus. Undwas nun?«

Perry Rhodan machte jetzt den Eindruckeines Mannes, den nichts mehr verwundernund erschüttern konnte. Mit erschreckenderRuhe sagte er:

»Wir haben noch die SODOM und derensowie unsere Beiboote. Ich möchte, daß je-des der Boote auf seine Start- und Flugtaug-lichkeit untersucht wird. Notfalls müssenwir Testmanöver außerhalb der RAKALversuchen. Wo ist Ras?«

»Wahrscheinlich in seiner Kabine«, ver-mutete Jennifer Thyron. »Soll ich ihn …?«

»Ich übernehme das selbst, danke. Dukannst die Flotte alarmieren. Sie soll versu-

chen, nach Zhruut vorzustoßen.«»Versuchen? Du glaubst selbst daran

nicht mehr?«Rhodans Schweigen war Antwort genug.Sie wollen uns nicht auf ihrer Welt haben

und halten uns doch fest! dachte er. Aberwelchen Sinn ergibt das?

War die erschreckende Entwicklung, diedie Porleyter während der letzten Tagedurchgemacht hatten, denn wirklich nur aufVoires Tod zurückzuführen? Mußte er jetztnicht davon ausgehen, daß sie von Seth-Apophis kontrolliert wurden?

Und er konnte noch weitergehen und sichdie Frage stellen, ob die Porleyter vielleichtüberhaupt nicht für die Zwischenfälle unddas Festhalten der RAKAL WOOLVERverantwortlich waren. Vielleicht verhielt essich völlig anders, und sie befanden sich ineiner ebenso verzweifelten Lage wie dieMenschen. Vielleicht war Seth-Apophis aufirgendeine unbegreifliche Art und Weise inNeu-Moragan-Pordh so stark präsent, daßdie Superintelligenz über die Köpfe der Por-leyter hinweg und ohne deren Hilfe, viel-leicht gar gegen ihren Widerstand handelnkonnte.

Unwillkürlich mußte Rhodan an die Aus-sage dieses Technikers denken.

Er riß sich von den Spekulationen los.Noch stand nicht fest, daß auch die SODOMbetroffen war.

Über Interkom nahm Perry Rhodan Ver-bindung mit Ras Tschubai auf. Er war sichdessen bewußt, daß er den Teleporter einemhohen Risiko aussetzte, auch wenn dieser er-klärte, sich noch kräftig genug für einenSprung in die SODOM zu fühlen.

»Aber allein werde ich da nicht viel ma-chen können«, sagte Tschubai. »Ich nehmeCallamon mit.«

»Ras, ich kann dich nicht …«Der Afrikaner winkte ab.»Ich denke, ich weiß, was ich mir zumu-

ten kann, Perry. Ich melde mich entwedervon der SODOM aus oder komme mit Cal-lamon direkt zu euch!«

»Viel Glück«, murmelte Rhodan, als der

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Schirm verblaßte.Er hörte, wie von Xanthen per Rundruf

die Besatzung der RAKAL WOOLVERüber den gescheiterten Startversuch unter-richtete und ermahnte, die Ruhe zu bewah-ren. Die Mannschaften der Beiboote erhiel-ten Anweisungen.

»Wenn du gleich dabei bist«, rief Rhodanihm zu, »dann bestelle diesen Technikerhierher, der die beiden Porleyter gesehen ha-ben will. Wie hieß er noch?«

»Harry«, sagte Jennifer Thyron.

6.

Nach zwei weiteren Stunden stand fest,daß zum ersten kein einziges Beiboot dieRAKAL WOOLVER mehr verlassen konnte– und zweitens, daß auch die kombinierteFlotte keine Hilfe bringen würde.

Überall zwischen den Planeten Neu-Moragan-Pordhs hatten sich erneut Sperrenaufgebaut, die den 280 Schiffen nicht nurden weiteren Einflug ins System verwehrten,sondern sie darüber hinaus zwischen demvierten und fünften Planeten festhielten. DieBarrieren wirkten in beide Richtungen. We-der die RAKAL WOOLVER noch die Flottesollten nach dem Willen jener, die für dieErrichtung der Sperren verantwortlich wa-ren, aus der Fünf-Planeten-Anlage und da-mit dem Zentrum von M 3 entkommen kön-nen.

Als dann endlich Ras Tschubai mit Clif-ton Callamon in der Zentrale materialisierte,brauchte eigentlich keiner der beiden mehretwas zu sagen.

Ras schüttelte nur schweigend den Kopf.Callamon aber schlug mit der rechten Faustin die linke offene Handfläche.

»Nichts!« erregte er sich. »In der SO-DOM rührt sich nichts! Wir haben zweiBoote klarzumachen versucht, aber hol michder Teufel, wenn wir jemals wieder einesvon ihnen in den Raum bringen!« Er suchteRhodan und trat vor ihn hin. »Und wasjetzt? Sir, sagen Sie nicht, daß wir tatenlosabwarten, bis die Porleyter uns den Garaus

machen! Sind Ihre Schiffe heutzutage nichtmehr bewaffnet? Täuschte ich mich viel-leicht, als ich bei der Landung der RAKALWOOLVER Geschütztürme sah? In was füreine Zeit bin ich geraten!«

»In eine bessere«, sagte Ras.Callamon bedachte ihn mit einem ab-

schätzenden Blick.»Natürlich!« sagte er mit sprühendem

Sarkasmus. »Was wir früher gemacht haben,war alles falsch. Wir hätten uns von denMaahks zusammenschießen lassen sollen,oder? Mister Tschubai, wären die Terranerdamals nicht aus anderem Holz geschnitztgewesen, gäbe es heute kein Solares Imperi-um mehr!«

»Es gibt kein Imperium mehr!« erwiderteder Teleporter ungewohnt heftig. Im näch-sten Augenblick griff er sich an die Schläfenund mußte sich zu einem Sitz führen lassen.Er schloß die Augen, bis der Schwindelan-fall vorüber war.

»Und es gäbe vielleicht keine Menschheitmehr, wären die Besatzungen unserer Schif-fe aus Ihrem Holz geschnitzt gewesen, alsdie Laren und all die anderen auftauchten,die uns …« Ras' Stimme versiegte. Plötzlichschienen seine Augenlider bleierne Gewich-te zu sein.

Eine junge Frau führte ihn aus der Zentra-le. Im Ausgang blieb Tschubai noch einmalstehen.

»So schnell vergessen Sie das, was VoireIhnen über die WAFFE sagte?«

Callamon schwieg bestürzt.Er drehte sich um und blieb vor einem der

Schirme stehen, die die Umgebung des Tal-kessels zeigten. Dann setzte er sich.

Und als alle Anwesenden bereits glaub-ten, er würde sie für die nächsten Minutenmit weiteren Ausbrüchen verschonen, als dieMänner und Frauen, Zentralebesatzung wieSpezialisten dumpf vor sich hinstarrten undniemand die bangen Fragen auszusprechenwagte, die sie alle bewegten, fuhr Callamonschon wieder in die Höhe und starrte ausweit aufgerissenen Augen auf den Bild-schirm.

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Er hob einen Arm, berührte die Videoflä-che mit dem Zeigefinger.

»Da … da ist einer von ihnen! Schlagtmich tot, aber da kommt ein Porleyter überden Rand des Kessels!«

Harry, der sich verloren und verlassen inder Zentrale vorkam, nachdem er Rhodannoch einmal von seinen Beobachtungen hat-te berichten müssen, zuckte heftig zusam-men.

»Was hast du da eben gesagt?« fragte erCallamon. »Schlagt mich …?«

Rhodan war heran und schob ihn sanft zurSeite. Er beugte sich über Callamons Schul-ter und sah es selbst.

»Das ist tatsächlich ein Aktionskörper«,sagte er leise. »Und es sieht ganz so aus, alssei er verletzt.«

»Er taumelt«, bestätigte Tekener, der sichdas Bild auf einen zweiten Schirm hatte ge-ben lassen.

Harry sah, wie sich die Blicke auf ihnrichteten.

Es könnte Oso sein! dachte Rhodan, als erweiter beobachtete, wie sich der Aktionskör-per mehr schlecht als recht über Hindernisseschleppte, bis er nach Minuten zwischenzwei Erhebungen zusammenbrach und sichnicht mehr rührte.

»Wir holen ihn!« hörte er sich sagen. »Erwollte zu uns.«

»Holen?« Von Xanthen lachte verzwei-felt. »Womit denn, wenn unsere Beibooteausfallen?«

»Zu Fuß. Ich gehe selbst mit, dazu jedervon den Mutanten, der sich noch dazu in derLage fühlt. Wahrscheinlich brauchen wir eu-re Unterstützung, Bradley. Wir wissen nicht,was uns dort draußen noch alles im Weg ste-hen mag. Aber dieser Porleyter wollte zuuns – und sein Zustand läßt vermuten, daß ersich gegen den Willen der anderen auf denWeg machte.«

»Du meinst, er wollte uns etwas mittei-len?« erkundigte sich Ronald Tekener. »Unsvielleicht darüber aufklären, was dieses gan-ze verdammte Theater zu bedeuten hat?«

»Ich hoffe es«, antwortete Rhodan.

»Und wir alle sollten hoffen, daß er nochdazu in der Lage sein wird.«

Oso! drängten sich Rhodan die dumpfenAhnungen wieder auf.

»Ich möchte mit euch gehen«, erklärteHarry – und erschrak im gleichen Momentvor sich selbst.

Was hatte er eigentlich hier in der Zentra-le verloren?

Er verwünschte Joan, verwünschte sichselbst dafür, daß er nicht den Mund gehaltenhatte.

Hatte er den Verstand verloren, daß ersich in Dinge einmischte, die für ihn, derbislang mit seinem ruhigen Dasein zufriedengewesen war, einige Nummern zu groß wa-ren?

Doch bevor er sich versah, steckte er be-reits in einer Schutzmontur und stand zwi-schen Perry Rhodan, Fellmer Lloyd, AlaskaSaedelaere und einem guten Dutzend ande-rer Männer und Frauen, die er nicht kannte,in einer Schleuse.

Eine feine Truppe! dachte er. Lloyd kannsich kaum noch auf den Beinen halten. Rho-dan und Alaska sehen alles andere als ge-sund aus. Und ich?

Zhruut ist keine Welt für Menschen!durchfuhr es ihn. Und plötzlich sehnte ersich wie nie zuvor nach Joan, Gregor undDon zurück, von der grausamen Angst ge-packt, er würde sie niemals mehr wiederse-hen.

Er sah, wie Rhodan ihn aufmunternd an-blickte und wußte, daß dieser Mann ihnnicht mitnehmen würde, wenn er nicht festdavon überzeugt wäre, daß er die beiden of-fenbar kämpfenden Porleyter wirklich gese-hen hatte.

Aber was erwartete er dann von ihm?Harry wußte es nicht. Nur eines war ihm

klar: Dieser Porleyter in seinem verletztenoder gar schon toten Aktionskörper mußtefür Rhodan unerhört wichtig sein.

»Ich möchte«, sagte der Aktivatorträger,als hätte er Harrys Gedanken gelesen, »daßdu versuchst, dich an jede Einzelheit diesesKampfes zu erinnern, Harry. An jede Klei-

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nigkeit, verstehst du?«Harry nickte nur. Das Außenschott fuhr

auf.Harry spürte einen Kloß im Halse sitzen.

Er schluckte. Die Schleuse befand sich gutund gerne fünfhundert Meter über dem Bo-den des künstlichen Talkessels. Harry sahdirekt in die blutrote Riesensonne, derenStrahlen die Anlagen der Blau-Zone in einunheimliches, unheilverkündendes Violetttauchten.

Es war ja noch nicht einmal heraus, obüberhaupt ein Mitglied der Gruppe sicherauf die Oberfläche dieser Sterilwelt hinab-schweben konnte!

Außer den Menschen befanden sich eini-ge Roboter der verschiedensten Typen in derSchleuse. Harry hörte, wie Perry Rhodan ei-nem der Maschinenwesen nun befahl, denentsprechenden Versuch zu wagen.

Er ertappte sich dabei, ihm einen Mißer-folg zu wünschen. Dann aber sah er wiederin Rhodans Augen und kam sich klein unddumm vor.

Der Roboter hob sanft ab und schwebteaus der RAKAL WOOLVER hinaus. Lang-sam sank er tiefer, wobei er sich mit gleich-bleibende Geschwindigkeit von dem Schifffortbewegte.

Harry hatte nicht viel von dem verstan-den, was in der Zentrale über die Art derKräfte gemutmaßt worden war, die die RA-KAL festhielten und auch ihre Beibootefunktionsuntüchtig machten. Er hatte denEindruck, daß die Verantwortlichen umRhodan selbst nur wild drauflosspekulierten.Aber wenn nun der Roboter von seinenFlugkünsten Gebrauch machen konnte, wes-halb waren dann die Space-Jets nicht ausden Hangars zu bringen?

Für Augenblicke brach der Techniker inHarry wieder durch, und verzweifelt ver-suchte er, eine logisch erscheinende Lösungdes Problems zu finden.

Als der Roboter sich noch etwa einhun-dert Meter über der Oberfläche befand, fieler wie ein Stein. Er hatte sich etwa eintau-send Meter von der RAKAL entfernt – die

halbe Distanz bis zum Talkesselrand, wo derAktionskörper lag.

Der zweite Roboter schwebte dicht überdem Boden bis zur Absturzstelle des ersten.Dort war auch für ihn Endstation.

»Die erste Barriere«, sagte Lloyd. »Nunsteht wohl fest, daß sie völlig senkrecht ist.Innerhalb von einem Kilometer können wiruns mit Hilfe der Aggregate bewegen.«

»Und dann kommen wir zu Fuß weiter«,hörte Harry sich murmeln.

Völlig sicher jedoch war er sich dessennicht.

Rhodan machte den anderen ein Zeichen.Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, akti-vierten sie die Gravo-Paks der Schutzanzügeund schwebten einer nach dem anderen ausder Schleuse.

Harry folgte als letzter. Etwas in ihmkrampfte sich zusammen. Er mußte gegenaufkommende Panik ankämpfen, hatte dasGefühl, in eine schreckliche Leere zu stür-zen.

Er sah, wie die Hülle der RAKAL schnellhinter ihm zurückblieb. Tausend Gedankenschossen ihm durch den Kopf, und einer da-von galt den beiden Dargheten, die dieGruppe von der Zentrale aus verfolgten undvon denen sich Rhodan offenbar etwas Be-stimmtes versprach.

Harry hatte wahre Wunderdinge von ih-nen gehört. Aber auch sie hatten bislangnicht das geringste gegen die Kräfte zuwegegebracht, die hier wie aus dem Nichts ent-standen.

Es kam Harry wie eine Ewigkeit vor, bisseine Füße endlich den Boden berührten.

Vor ihm lagen wie deaktiviert die beidenRoboter, deren Feldschirme – wieso funktio-nierten sie? – sie vor dem Zerschmettertwer-den bewahrt hatten.

Wortlos deutete Rhodan voraus – auf denreglosen Aktionskörper in tausend MeterEntfernung.

Ein Labyrinth! dachte Harry. Es ist wieein Labyrinth aus unsichtbaren, nicht zu or-tenden Barrieren, unsichtbaren Fallen undwas immer die Porleyter noch für uns bereit-

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halten mögen!Und jeden Moment kann eine solche Falle

zuschnappen!

*

Entgegen allen Befürchtungen bestand derFunkkontakt zur RAKAL WOOLVER auchnach dem Passieren der Sperre fort, die einejede weitere Fortbewegung in Richtung Tal-kesselrand mit technischen Hilfsmitteln un-möglich machte.

Perry Rhodan führte die zwanzigköpfigeGruppe an, und ihn bewegten ganz ähnlicheÜberlegungen wie den kleinen Techniker anseiner Seite. Die Roboter hatten vor der Bar-riere zurückbleiben müssen. Alle Systemeder Schutzanzüge waren deaktiviert, wenn-gleich Tests ergeben hatten, daß einige nochfunktionierten – vornehmlich solche, dienicht der Fortbewegung dienten.

Der Aktionskörper hatte sich nicht mehrgerührt. Rhodan trieb seine Begleiter zur Ei-le an. Die gleiche Eingebung drängte ihn da-zu, die ihm auch sagte, daß er wirklich nurOso dort vor sich haben konnte. Er ver-drängte den Gedanken daran, daß Oso be-reits tot sein könnte.

Flüchtig dachte er an die vielen Stundenbangen Wartens auf Klatau, bis es Kerma-Jound Sagus-Rhet endlich gelungen war, die-sen ersten Porleyter aus seinem Gefängniszu befreien. Sollte sich ein Kreis nun schlie-ßen?

Rhodan konzentrierte sich auf den Weg.Hindernisse mußten umgangen werden.Ständige Blicke auf die Anzeigen verrietennichts über mögliche Behinderungen undGefahren nicht sichtbarer Art. Und dochspürte der Terraner, daß sich überall um sieherum Kräfte aufbauten, die ihnen allen zumVerhängnis werden konnten, wenn sie auchnur einige Minuten zuviel verloren.

Dabei kostete ihn jeder Schritt Mühen.Wie zuerst auf Impuls II erfahren, hinktesein Zellaktivator in der Fehlfunktion denender Mutanten und anderen Aktivatorträgernur um kurze Zeit nach. Fellmer biß die

Zähne zusammen.Dennoch kam die Gruppe unangefochten

voran, bis sie sich dem Porleyter bis auf et-wa dreihundert Meter genähert hatte. AlsRhodan schon fast bereit war, seineschlimmsten Befürchtungen als unbegründetabzutun, brach der Kontakt zur RAKALWOOLVER ab.

»Weiter!« rief Rhodan seinen Begleiternzu.

Im nächsten Augenblick aber blieb er ste-hen wie gegen eine der unsichtbaren Barrie-ren geprallt.

Er sah, wie der Porleyter am Talkessel-rand sich aufzurichten versuchte und diesnicht schaffte. Seine Beine knickten ein.Noch einmal brachte er den vorderen Teildes Aktionskörpers in die Höhe, und die bei-den Arme machten eindeutige Gesten inRichtung der Terraner und der RAKALWOOLVER.

»Er will uns warnen«, sagte Lloyd heiser.»Er will, daß wir zurückgehen!«

Rhodan nickte verbissen. Genau den glei-chen Eindruck hatte auch er.

»Wir holen ihn!« bekräftigte er.Er ging weiter, lief ein Stück und blieb

stehen, bis der Schwindel verflogen war, derihn urplötzlich ergriffen hatte. Fellmer,selbst ein Bild des Elends, stützte ihn.

Die anderen Raumfahrer wirkten zuneh-mend verunsicherter. Selbst Alaska, der bis-her als einziger Aktivatorträger noch keineErmattungserscheinungen gezeigt hatte, sahimmer häufiger zum Schiff zurück.

»Weiter!«Der Aktionskörper brach endgültig zu-

sammen, nachdem noch einmal seine stum-me und verzweifelte Warnung zu den Men-schen herübergedrungen war.

Sie kam zu spät.Von einem Moment auf den anderen ver-

schwand die Umgebung vor den Augen derRaumfahrer. Was blieb, war ein Nichts ausdiffusem Grau, eine träge Masse aus wallen-den Nebeln, die sich um die Gruppe herumzusammenzog und sie zu ersticken drohte.

Rhodan spürte Panik in sich aufsteigen.

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Einem Impuls folgend und doch um dieSinnlosigkeit seines Handelns wissend,stülpte er sich die Haube der Schutzmonturüber und schloß sie. Automatisch wurdeAtemluft in sie hineingepumpt und blähtedie transparente Hülle.

Die Entsetzensschreie der anderen halltenin Rhodans Ohren. Er fuhr herum und sahnur noch verschwommen ihre Gestalten –verzerrte Gesichter und Arme, die heftigdurch das zähe Grau fuhren, als wollten siedie Nebel vertreiben, die sich gegen unge-schützte Schläfen preßten, als wollten sieKöpfe vor dem Bersten bewahren.

Dann hörte er sich selbst schreien, als dieStiche seinen Schädel durchzuckten, als obihm glühende Nadeln durchs Gehirn gesto-ßen würden. Seine Beine gaben nach. Dasschreckliche Gefühl, geistig ausbrennen zumüssen, das jeden klaren Gedanken lähmte,hielt nur für Sekunden an. Rhodan fand sichauf den Knien wieder, spürte, wie seineGliedmaßen immer schwerer wurden – undwar allein.

»Fellmer!« rief er. »Alaska! Irgend je-mand … melde sich doch!«

Nur völliges Schweigen antwortete ihm.Die Panik drohte ihn zu überwältigen. Al-lein. Allein inmitten dieses grauen Nichts, indem er schwebte wie in der dichten Atmo-sphäresuppe irgendeines Riesenplaneten.Doch kein Lufthauch rührte sich hier. Rho-dan starrte entsetzt auf seine Knie, unter de-nen er festen Boden fühlte und doch nichtssah als dieses endlose Grau.

Er kämpfte um seine Beherrschung, umein, zwei klare Gedanken.

Trugbilder! redete er sich ein. Sprach erlaut, oder dachte er es nur unter unsäglichenMühen?

Illusionen! Dagegen kämpfen! Ich bin aufZhruut! Dort hinter mir steht die RAKALWOOLVER! Vor mir ist Oso! Ich muß zuihm, zu ihm!

Und die anderen waren um ihn herum. Ersah sie nicht, nur das Grau. Jeder von ihnenmußte in der gleichen Lage sein wie er. Festdaran glauben!

Wer sagte ihm, daß sie nicht durch Trans-mittereffekte versetzt worden waren – daß ernicht in dieses graue, endlose Universum ab-gestrahlt worden war?

Er war doch mentalstabilisiert! Konnte erdenn dann überhaupt einem Einfluß unterlie-gen, der ihm Trugbilder in solcher Intensitätvorgaukelte?

Vor mir ist … Oso!Er konzentrierte sich auf diesen einen Ge-

danken, klammerte sich mit aller Kraft derVerzweiflung daran, ließ ihn von sich Besitzergreifen. Oso! Und … hin zu ihm! Jemandversucht, uns daran zu hindern, ihn zu ho-len!

Perry Rhodan richtete sich auf und hattedabei das Gefühl, gegen eine Schwerkraftvon einem Dutzend Gravos ankämpfen zumüssen. Er kam auf die Beine und taumeltevoran, vollführte mit den Armen regelrechteSchwimmbewegungen, wenn er vornüber-stürzte und lang hinschlug. Unter ihm wardas Nichts, das ihn doch auffing.

Und nur der Schmerz ließ ihn einen letz-ten Rest klaren Verstandes bewahren, warwie die kostbare Luft, die ein Ertrinkenderschnappte, der zwischen den Wogen eineralles vernichtenden Flut für eine Sekundeauftauchte.

Oso und … der Frostrubin! Die Porleyter!Ritter der Tiefe! Auftrag!

Das alles vermischte sich zu einem einzi-gen lautlosen Schrei, einem Aufbegehren,einem Stoß letzter Kräfte, die ihn vorantrie-ben, einen Schritt wankend vor den anderensetzen ließen.

Diese Zone ist räumlich begrenzt!Rhodan schleppte sich weiter, bedrängt

von der Panik, die nicht seine eigene war.Dann war es vorbei.Perry Rhodan lag auf dem Rücken und

starrte schwer atmend in die blutrote SonneAerthan.

Aerthan – Fünf-Planeten-Anlage der Por-leyter – RAKAL WOOLVER – Talkessel –Oso!

Er klammerte sich an diese Gedankenket-te, den Anker, der ihm in dem undurch-

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schaubaren Wirrwarr noch immer bedrän-gender Eindrücke einen Halt gab.

Aber er sah die reale Umgebung wieder.Als er sich aufrichtete, sah er die RAKAL,die durch die Ebene schwankenden Gefähr-ten – und als er sich drehte, Oso.

Rhodan begriff, daß die anderen noch im-mer in dieser Zone der Trugbilder und Pani-kimpulse gefangen waren. Er rief nach ih-nen, doch kein einziger reagierte. Sie muß-ten aus diesem Feld heraus – aber wenigeDutzend Meter entfernt lag der Aktionskör-per.

Wenn er erneut in die Zone eindrang, liefer Gefahr, abermals die Orientierung zu ver-lieren. Nur ein glücklicher Zufall hatte ihn inOsos Richtung marschieren lassen. Und der…

… starb!Noch nie war dieser Eindruck so stark ge-

wesen wie in diesem Moment des Zwei-felns, als Rhodan in die fast erloschenen Au-gen des Aktionskörpers blickte. Er zwangsich zu der Einsicht, daß er die Irregeführtennicht im Stich ließ, daß sie früher oder spä-ter von selbst aus der Panikzone herausfin-den würden. Für ihn gab es jetzt nur eines zutun.

Er fühlte sich wieder kräftig genug, dieseletzten Schritte hin zu Oso hinter sich zubringen. Doch wenige Meter vor dem reg-und hilflosen Porleyter spürte er erneut, wieetwas Fremdes nach seinem Bewußtseingriff.

Es traf ihn wie ein körperlicher Schlagund warf ihn zurück.

Rhodan raffte sich zu einem zweiten Ver-such auf, von Verzweiflung, Wut und Mit-leid mit Oso getrieben, dessen Aktionskör-per sich nun wieder aufrichtete und die Ar-me wie flehend nach ihm ausstreckte.

Er kam nicht weiter als beim erstenmal.Oso lag dort vor ihm, vielleicht fünf Me-

ter entfernt und doch unerreichbar. Rhodansah sich um und gewahrte Harry inmittender hilflos Taumelnden. Was hatte der Tech-niker beobachtet, das er vielleicht nichtdeutlich genug erwähnt oder einfach ver-

drängt hatte?War es denn vorstellbar, daß die Porley-

ter, die so lange für die ordnenden Kräftedes Universums gestritten hatten, nun einender Ihren bewußt töteten?

Versuchten sie, Oso in diesem Feld fest-zuhalten und langsam zu ersticken, damit erden Terranern nichts verraten konnte, dasdiese nicht erfahren durften?

Kein Weg schien an dieser bitteren Er-kenntnis mehr vorbeizuführen.

Rhodan versuchte vergeblich, die RA-KAL WOOLVER über Funk zu erreichen.

Dort lag Oso, sterbend. Dort kämpftenAlaska, Fellmer und die anderen einen ver-zweifelten Kampf gegen Kräfte, die sie un-barmherzig immer wieder ins Zentrum derPanikzone zurücktrieben. Und er, Rhodan,stand hier allein und konnte absolut nichtstun.

Er schrie den Porleyter an, doch seineWorte erreichten ihn nicht. Denn auch Osorief etwas, ohne daß es das Feld zu durch-dringen vermochte.

Rhodan war bereit, den Kombistrahler zuziehen und ihn auf alles zu richten, was ankleinen Kuppeln, Erhebungen und anderenmöglichen Behältnissen der Projektoren inFrage kam, die diese Felder aufrechterhiel-ten, als überraschend Ras Tschubai nebenihm materialisierte.

Der Teleporter bedeutete durch eine Ge-ste, daß er den Zellaktivator abgelegt hatte,was zwar jene Erschöpfung nicht bannenkonnte, die spezifisch bei den Mutanten auf-trat, wohl aber die andere, die durch dieFehlfunktion der Aktivatoren hervorgerufenwurde.

Im Gegensatz zu den Terranern waren diePorleyter sehr wohl in der Lage, individuelleUnterschiede bei ihren Gegenübern festzu-stellen. Nur so ließ sich das vielleicht letzteAufbäumen Osos deuten, als die Arme sei-nes Aktionskörpers nun heftig auf eine derkleinen Kuppeln in der unmittelbaren Um-gebung des Talkessels deuteten, dann immerwieder auf Ras.

»Er … will uns zeigen, woher diese Ein-

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flüsse kommen«, erriet Rhodan.Der Kommunikation mit dem Teleporter

stand inmitten dieser Zonen und Barrierennichts im Wege. Rhodan hörte TschubaisWorte klar und deutlich:

»Und er weiß, daß er sie nicht bannenkann – und wir auch nicht. Das heißt …«

Ras brauchte nicht auszusprechen.Sein Blick zurück zum Schiff genügte

völlig.Das heißt, dachte Rhodan, daß die Dar-

gheten vielleicht noch etwas retten könnten,wenn sie diesen Ansatzpunkt hätten.

Er zögerte, wissend, daß er gar keine an-dere Wahl hatte, als Osos Begehren au fol-gen.

Die Menschen sollten die Gewalt nichtnach Zhruut tragen. Aber war es nicht blan-ke Notwehr?

Würde Oso sie auf die Kuppel hinweisen,wenn die Gefahr bestünde, die Leben vonPorleytern zu gefährden oder einen unersetz-lichen materiellen Schaden anzurichten?

Die Augen des Aktionskörpers warenstarr auf ihn gerichtet, und wieder glaubte erdieses stumme, verzweifelte Flehen in ihnenzu sehen.

Und die Schwäche griff nach ihm. Für Se-kunden würde ihm schwarz vor Augen.

»Spring zurück, Ras«, stieß Rhodan hei-ser hervor. »Spring in die RAKAL zurückund bitte Kerma-Jo und …«

Er sprach ins Leere.Ras Tschubai war verschwunden.Das bange Warten begann – vielleicht auf

neue Angriffe der negativ gewordenen Por-leyter. Rhodan ging in die Hocke und stütztesich mit den Händen ab.

Er wußte, daß die nächsten Minuten sehr,sehr lang werden würden.

*

Für Harry zählte die Zeit nicht mehr.Der Techniker trieb inmitten der grauen

Masse und hatte mit seinem Leben abge-schlossen. Er fühlte keine Schmerzen undkeine Panik mehr. All das hatte sich in dem

Augenblick gelegt, in dem er jeglichen Wi-derstand gegen das unvermeidbar Erschei-nende aufgegeben hatte.

Er wußte nicht, ob die Raumfahrer um ihnherum noch dagegen ankämpften, ob es sieüberhaupt noch gab.

Seltsamerweise mußte er ausgerechnetjetzt an diesen Mann Callamon denken, anseine Verwünschung: »Schlagt mich tot!«

Ein irres Lachen durchflutete Harrys totalverwirrten Geist.

Dieser Callamon war ebenso unwirklichwie diese ganze verrückte Situation! Washatten zwei der Raumfahrer vor dem Betre-ten der Schleuse gesagt – Callamon, der im-mer mit »Sie« angeredet werden wollte, be-stehe fast nur noch aus Ersatzteilen? Er habekein Herz mehr, dafür künstliche Systemeim ganzen narbenübersäten Körper, die ihmsogar die relative Unsterblichkeit verliehen?

Harry konnte das gleichgültig sein. Ihmwar überhaupt alles egal.

Ging es den anderen ebenso? Folgte diesePhase zwangsläufig auf die Panik?

Was ging es ihn an!Schlagt mich tot! dachte er und meinte es

vielleicht sogar ernst. Irgend jemand bratemir eins über!

Harry kicherte. Auch diesen Ausdruckhatte er aus einem der uralten Video-Filme,die Don gelegentlich auf einem entspre-chend manipulierten Bildschirm ablaufenließ. Und dieser Callamon hätte gut zu denHaudegen gepaßt, die dort mit Blasternschossen und noch verrücktere Dinge taten.

Auch diese Phase ging vorüber. Ihr folgteeine Depression, die Harry schreien ließ, biser heiser war.

Und dann, als sich seine Hand um denGriff der Waffe schloß, mit der er seinenQualen ein Ende bereiten wollte, wich dasGrau, wichen die Schmerzen und die grau-envolle Angst.

Harry saß mitten zwischen den anderenam Boden. Nur wenige Meter von ihm ent-fernt stand Alaska Saedelaere, der sich denKopf hielt und hinter dessen Maske es hefti-ger leuchtete und blitzte, als Harry dies je-

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mals hatte beobachten können.Er schauderte zusammen, als er sah, wo-

hin der Transmittergeschädigte blickte.Eine kleinere Kuppel etwa fünfhundert

Meter links von dem Aktionskörper, vordem Perry Rhodan und Ras Tschubai knie-ten, glühte dunkelrot. In ihrer Hülle klaffteein häßliches Loch von mehreren MeternDurchmesser. Kleine blaue Flammen tänzel-ten wie Irrlichter um dessen nach außen ge-bogene Ränder.

Sie ist explodiert! durchfuhr es Harry.Erst jetzt nahm er die Stimmen wieder be-

wußt wahr, die sich laut und heftig zu einemunverständlichen Durcheinander vermisch-ten. Dann lachte und schrie er selbst, als erendlich begriff, daß der Spuk vorbei war.

Alaska und fünf andere liefen auf Rho-dan, Tschubai und den Porleyter zu. Von derRAKAL WOOLVER kamen drei große An-tigravscheiben herüber und landeten im glei-chen Augenblick, in dem Harry die Szeneerreichte. Rhodan und Ras Tschubai warenschon dabei, den Aktionskörper auf eine derScheiben zu bewegen, wobei dieser ihnennur wenig zu helfen vermochte. Zwei weite-re Männer mußten zupacken.

Warum machen sie es sich so schwer?fragte sich Harry. Ras ist doch hierher ge-sprungen. Er kann den Porleyter in die RA-KAL teleportieren.

Als er das Gesicht des Mutanten zu sehenbekam, wurde ihm klar, daß Tschubai nichteinmal sich selbst mehr irgendwohin verset-zen konnte.

»Ins Schiff zurück!« sagte Perry Rhodanmit tonloser Stimme. »Beeilt euch! Steigtauf die Scheiben. Wir wissen nicht, wie lan-ge unsere Gegner brauchen, um neue Barrie-ren und Illusionsfelder zu errichten!«

Harry hatte noch nie jemanden mit sol-cher Verbitterung das Wort Gegner ausspre-chen hören.

Er beeilte sich, einen Platz auf der nächst-besten Scheibe zu bekommen.

*

Clynvanth-Oso-Megh wurde in einen na-he der Außenhülle gelegenen Mannschafts-raum gebracht, wo einige dienstfreie Männerund Frauen eiligst Platz schufen, Tische undSitze zur Seite rückten und von einigen Lie-gen die Polsterungen lösten, um damit einausreichend großes Lager für den Aktions-körper zu bilden.

Perry Rhodan blieb bei dem tödlich Ver-letzten. Alaska Saedelaere sprach mit derZentrale und hatte bereits Medo-Roboter an-gefordert, die eintrafen und sich um Fellmerund Ras kümmerten. Rhodan winkte ab, alssie sich Oso näherten.

Sie konnten ihm nicht helfen. Oso selbstwollte nicht, daß sie es überhaupt versuch-ten. Er war nicht mehr in der Lage, den Ak-tionskörper zu bewegen – mit Ausnahme desKopfes. Daß er nur noch Minuten zu lebenhatte, war im Grunde die einzige Auskunft,die er auf alle Fragen gegeben hatte. Auchjene nach der Ursache seiner Verletzungenwar unbeantwortet.

Selbst jetzt noch, erkannte Rhodan be-stürzt, weigert er sich, die grausame Wahr-heit auszusprechen – daß sich Porleyter ge-geneinander gewendet haben!

Oder hatte Harry sich doch geirrt, und esverhielt sich alles ganz anders?

»Können wir denn gar nichts für dichtun?« fragte Rhodan noch einmal und kanntedie Antwort doch schon.

Osos Kopf drehte sich ihm noch ein Stückweiter zu. Ein Zittern durchlief den Aktions-körper.

»Perry Rhodan«, war seine Stimme ganzleise nur noch zu vernehmen. »Perry …Rhodan, wir wollten es verhindern, aberLafsater-Koro-Soth und seine Anhänger ha-ben längst die Oberhand gewonnen. Wirversuchten, euch von Zhruut und aus Neu-Moragan-Pordh zu vertreiben, um euch zuretten, aber es ist … nicht möglich!«

Was? durchfuhr es den Terraner. Erbrachte es nicht über sich, die kurze Frage,dieses eine Wort laut auszusprechen – wuß-te, wie wichtig jede weitere Einzelheit war,und schrak doch davor zurück, Osos Qualen

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noch zu verstärken.Der Porleyter redete weiter, wobei die

Pausen zwischen den einzelnen Sätzen im-mer länger wurden.

Perry Rhodan begriff, daß Oso vor seinemTod mit sich ins reine kommen wollte, seineSeele von einer Last befreien, die ihn viel-leicht mehr quälte als das, was ihm zugefügtworden war.

»Es war … Voires Ende«, hörten dieMenschen und die inzwischen hinzugekom-menen beiden Dargheten, »das diese …schlimme Wandlung in uns bewirkte. Wir… verloren im Verlauf von zwei MillionenJahren schon zuviel unserer positiven Sub-stanz, weil wir … alle Kraft für die Konser-vierung unserer verschiedenen Integrations-objekte brauchten. Voires Erlöschen beraub-te uns der einzigen Möglichkeit, wieder zuuns … zu finden.«

Wieder wurde der Aktionskörper von hef-tigem Zittern durchlaufen.

Rhodan blickte sich hilfesuchend um undsah erst jetzt die beiden Materiesuggestoren,was noch einmal schwache Hoffnung fürOso in ihm aufkeimen ließ. Wenn jemandihm helfen, ihn gar retten konnte, so warensie es.

Oso lenkte seine Aufmerksamkeit wiederauf sich.

»Koro und … die meisten von uns habenbeschlossen, euch festzuhalten. Hier im …Zentrum des Sternhaufens. Ihr … sollt nie-mals die Möglichkeit finden, das Geheimnisunseres Verstecks … zu verraten. Die weni-gen, die wie ich an euch glaubten, wolltendies mit mir zusammen verhindern. Wir …waren verantwortlich für die Barrieren undEffekte, die euch von Zhruut vertreiben soll-ten, Perry Rhodan. Aber wir … haben ver-sagt. Nun wird keines eurer Schiffe mehr ge-gen den Willen der Porleyter M 3 verlassenkönnen. Es … tut mir leid. Ich … wollte esnicht.«

»Ruhig, Oso«, hörte Rhodan sich sagen,obwohl ihm eine Frage auf der Seele brann-te.

Oso schien sie zu erahnen. In einem aller-

letzten Aufbäumen stieß er hervor:»Der Frostrubin ist eine … eine …«Als seine Augen erloschen und er in ver-

krampfter Haltung vor Rhodan lag, wußtedieser, daß er die Antwort von ihm nie mehrerhalten würde.

Oso hatte sein Versprechen wahrmachenwollen.

Zum Teufel damit! dachte Rhodan denTränen nahe. Vor ihm lag ein toter Aktions-körper, unbelebt wie vor jenem schicksal-haftem Augenblick, in dem Oso aus demkristallinen Integrationsobjekt auf Klatau inihn überwechselte.

Hier vor seinen Augen war ein Leben er-loschen, das länger als zwei Millionen Jahregewährt hatte. Er sah Osos Aktionskörpervor sich, wie dieser sich aufrichtete, undhörte die Worte des Befreiten wieder, dievon soviel Dank und Lebensmut zeugten –die Worte eines Wesens, das plötzlich wie-der eine Zukunft gehabt hatte.

Erloschen in einem kurzen Augenblick –und warum? Was war dieses Opfer wert?

Rhodan erhob sich und trat an Alaska undden inzwischen hier eingetroffenen RonaldTekener, Jennifer Thyron, Gucky, Jen Salikund Carfesch vorbei. Niemand wagte es, ihnjetzt anzusprechen. Rhodan blieb vor denDargheten stehen und blickte sie fragend an.

»Wir konnten nichts mehr tun«, erklärteKerma-Jo. »Es wäre anders gewesen, hättenwir mehr Zeit gehabt. Sein Aktionskörperwar von innen heraus zerstört, wie von Mil-lionen winziger Parasiten zerfressen. Dochdieser Vergleich ist nur ein Vergleich undtrifft nur zur Veranschaulichung seines Zu-standes zu.«

»Mit mehr Zeit zur Verfügung«, schloßsich Sagus-Rhet an, »hätten wir die submo-lekularen Strukturen möglicherweise ordnenkönnen.«

»Wurde er im Kampf verletzt oder bei ei-nem Unfall?« wollte Perry Rhodan nur wis-sen.

»Beides kann die Ursache gewesen sein.«Rhodan ging mit gesenktem Kopf davon.

Niemand kam auf den Gedanken, ihm jetzt

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zu folgen. Er mußte mit sich allein sein, umden Schmerz zu verwinden und sich über ei-ne Menge Dinge klar zu werden.

Mit Oso, das wußte er schon jetzt, hatte ereinen seiner letzten Freunde unter den Por-leytern verloren – vielleicht den allerletzten.

Übrig blieben 2010 Mitglieder dieseseinst so großen Volkes, die sich physischzum Negativen hin verändert hatten und nundort draußen Dinge taten, an die er nichtdenken wollte.

Die Porleyter hatten so viele bittere Ent-täuschungen erlebt, hatten zwei MillionenJahre lang in ihren Integrationskörpern gelit-ten und nun feststellen müssen, daß Voire,ihre Seele, nicht mehr war.

Konnte er ihnen dann bei aller Verbitte-rung einen Vorwurf machen?

Wie er es auch zu betrachten versuchte –von den hohen moralischen Werten der Vor-

läuferorganisation der Ritter der Tiefe schi-en nichts mehr geblieben zu sein.

Irgendwo hörte Perry Rhodan, daß weite-re Versuche mit Robotern ergeben hatten,daß die Barrieren rings um die RAKALWOOLVER wieder standen.

Niemand begegnete ihm in den langenKorridoren des Gigantschiffs. Eine unheil-volle Stille hatte sich über die RAKAL undden großen Talkessel gesenkt.

Wir sind Gefangene! durchfuhr es Rho-dan. Wir und die Flotte!

Und jeder Mann und jede Frau an Bordder RAKAL WOOLVER mochte ahnen, daßdiese Stille die Ruhe vor dem alles hinweg-fegenden Sturm war.

E N D E

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