der schuman-plan: wie europas einigung begann · der schuman-plan: wie europas einigung begann 7....

5
Der Schuman-Plan: Wie Europas Einigung begann 7. Mai 1950 Robert Schuman schlägt eine europäische Montanunion vor Mit Kohle und Stahl waren die Waffen geschmiedet worden, um Europa in zwei Weltkriegen in Schutt und Asche zu legen. Der Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schuman, die Produktion dieser Rohstoffe im europäischen Rahmen zusammenzulegen, packte das Übel an der Wurzel – und damit auch die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Adenauer hatte im März 1950 ähnliche Gedanken formuliert. Mit dem vorliegenden Schreiben unterrichtete ihn Schuman zwei Tage vor der öffentlichen Ver- kündigung von seiner Initiative, die als „Schuman-Plan“ Weltgeschichte schreiben sollte. Das Konzept dazu stammte von dem französischen Unternehmer Jean Monnet. „Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch- deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Gestaltung, die für die Teilnahme anderer europäischer Länder offen ist.“ – So lautet die entscheidende Passage auf Deutsch (Blatt 2, 4. Absatz). Das Schreiben ist im offiziellen Notenstil des diplomatischen Schriftverkehrs gehalten. Am Ende bricht Schuman aber mit dem Briefzeremoniell und setzt der förmlichen französischen Gruß- formel handschriftlich und auf Deutsch seine persönlichen Grüße an Adenauer hinzu. Keine fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war dies eine kleine Geste von großer symboli- scher Bedeutung. Von einem Sondergesandten wurde das Schreiben nach Bonn überbracht. Noch am Abend des 9. Mai eröffnete Adenauer der Presse die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum Schuman-Plan. Die Verhandlungen über den Vertragstext waren schwierig, doch schließlich wurde der Vertrag über die Montanunion am 18. April 1951 in Paris unterzeichnet. Am 23. Juli 1952 trat er in Kraft. Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg gründeten damit die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Sie ist in der Europäischen Union aufge- gangen. Am 8. September 1852 eröffnete Adenauer die erste Sitzung des Ministerrats der EGKS. Mit dem Schuman-Plan hatte die Bundesrepublik den Weg betreten, durch wirtschaftliche und politische Integration als gleichberechtigtes Glied der westlichen Welt die Souveränität und am Ende auch die Einheit Deutschlands wiederzugewinnen. Regest und Formalbeschreibung: Paris, 1950 Mai 7 Französischer Außenminister Schuman an Bundeskanzler Adenauer: Sicherung des Friedens in Europa durch konkrete Taten, Beseitigung der deutsch-französischen Erbfeindschaft. Dazu Un-

Upload: trandan

Post on 22-Aug-2019

231 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Der Schuman-Plan: Wie Europas Einigung begann

7. Mai 1950

Robert Schuman schlägt eine europäische Montanunion vor

Mit Kohle und Stahl waren die Waffen geschmiedet worden, um Europa in zwei Weltkriegen in

Schutt und Asche zu legen. Der Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schuman,

die Produktion dieser Rohstoffe im europäischen Rahmen zusammenzulegen, packte das Übel an

der Wurzel – und damit auch die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Deutschland und

Frankreich. Adenauer hatte im März 1950 ähnliche Gedanken formuliert.

Mit dem vorliegenden Schreiben unterrichtete ihn Schuman zwei Tage vor der öffentlichen Ver-

kündigung von seiner Initiative, die als „Schuman-Plan“ Weltgeschichte schreiben sollte. Das

Konzept dazu stammte von dem französischen Unternehmer Jean Monnet.

„Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-

deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu

unterstellen, in einer Gestaltung, die für die Teilnahme anderer europäischer

Länder offen ist.“

– So lautet die entscheidende Passage auf Deutsch (Blatt 2, 4. Absatz).

Das Schreiben ist im offiziellen Notenstil des diplomatischen Schriftverkehrs gehalten. Am Ende

bricht Schuman aber mit dem Briefzeremoniell und setzt der förmlichen französischen Gruß-

formel handschriftlich und auf Deutsch seine persönlichen Grüße an Adenauer hinzu. Keine fünf

Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war dies eine kleine Geste von großer symboli-

scher Bedeutung.

Von einem Sondergesandten wurde das Schreiben nach Bonn überbracht. Noch am Abend des 9.

Mai eröffnete Adenauer der Presse die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zum

Schuman-Plan.

Die Verhandlungen über den Vertragstext waren schwierig, doch schließlich wurde der Vertrag

über die Montanunion am 18. April 1951 in Paris unterzeichnet. Am 23. Juli 1952 trat er in Kraft.

Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg gründeten damit die

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Sie ist in der Europäischen Union aufge-

gangen. Am 8. September 1852 eröffnete Adenauer die erste Sitzung des Ministerrats der EGKS.

Mit dem Schuman-Plan hatte die Bundesrepublik den Weg betreten, durch wirtschaftliche und

politische Integration als gleichberechtigtes Glied der westlichen Welt die Souveränität und am

Ende auch die Einheit Deutschlands wiederzugewinnen.

Regest und Formalbeschreibung:

Paris, 1950 Mai 7

Französischer Außenminister Schuman an Bundeskanzler Adenauer: Sicherung des Friedens in

Europa durch konkrete Taten, Beseitigung der deutsch-französischen Erbfeindschaft. Dazu Un-

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Das besondere Dokument, Folge 2

2

terstellung der Kohle- und Stahlproduktion beider Länder unter eine durch internationalen Ver-

trag zu schaffende Hohe Behörde. Das Eigentum an Unternehmen bleibt unberührt. Veröffentli-

chung des Vorschlags durch die französische Regierung vorgesehen für den 9. Mai.

Archivsignatur: PA AA, B 20–200, Bd. 20.

Schreiben im französischen Briefstil (sog. Note) in französischer Sprache, eigenhändig unterschriebe-

ne Ausfertigung. 27 x 21 cm, 3 Blätter, Vorderseiten in Maschinenschrift beschrieben, auf Bl. 3 hand-

schriftliche Grußformel. Kopfbogen „Affaires Etrangères“ – „Le Ministre“. Aufgesetzte Vermerke des

Empfängers: Unten möglicherweise Aktenzeichen des Bundeskanzleramtes „100“, oben nachträgli-

cher (!) Eingangsstempel des am 15. März 1951 gegründeten Auswärtigen Amts mit Eingangsdatum

„9. Mai 1950“ (handschriftlich korrigiert aus „1951“ und Tagebuchnummer „213 1 a“.

Faksimile auf den nächsten Seiten!

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Das besondere Dokument, Folge 2

3

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Das besondere Dokument, Folge 2

4

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Das besondere Dokument, Folge 2

5

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts 2014

Sie dürfen dieses Dokument mit Quellenangabe weitergeben, aber nicht verändern.

Creative-Commons-Lizenz CC-BY-ND