der plattfuß – ursachen, untersuchung und behandlung lung beteiligt. neben dieser...

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A m 22. November 1991 veröffentlich- te E. Rosenthal in der New York Times: „Der Plattfuß ist funktional perfekt und kann beim Sport ein Vorteil sein.“ Auch über den Vorteil des hypermobilen Platt- fußes von israelischen Rekruten in Marschstiefeln (Knobelbecher) wurde be- richtet. Trotzdem sehen wir in der fußor- thopädischen Ambulanz täglich Patienten mit symptomatischen Plattfüßen, so dass eine differenziertere Betrachtung dieser Fehlstellung des Fußes angebracht erscheint. Wird der Pes planus, der genau wie der Klumpfuß eine dreidimensionale Fehlstellung darstellt, alleine auf die Ab- flachung des Längsgewölbes reduziert, kann er bei intakter Gelenkstellung und Gelenkfunktion entwicklungsbedingt, familiär und in Bezug auf einige menschliche Rassen ebenfalls keine behandlungsbedürftige Pathologie dar- stellen. In der Vergangenheit haben sich ver- schiedene Orthopäden mit dem Plattfuß beschäftigt. Einer der ersten war Pieter Camper, der 1774 die Bedeutung der Schuhe auf die Fußentwicklung be- schrieb. Nicoladoni stellte 1890 den Hammerzehenplattfuß vor. Auch Adolf Lorenz bearbeitete in seiner Habilita- tionsschrift 1883 die Lehre vom erwor- benen Plattfuß. Diese Liste ließe sich noch endlos weiter fortsetzen. Die Monographie von Wilhelm Thom- sens „Kampf der Fußschwäche“, welche 1939 in der 1. Auflage erschien und wahrscheinlich auf Grund der Nähe zum Nationalsozialismus und wegen der tur- bulenten Zeit nur wenig Beachtung fand, sollte jedoch noch Erwähnung finden, da in diesem Buch wesentliche Anmerkun- gen zur Pathobiomechanik des Platt- fußes enthalten sind. Schlussendlich war es R. I. Harris, der 1948 zusammen mit seinem Kollegen T. Beath die klassische Studie zu Fußer- krankungen bei kanadischen Rekruten durchführte und herausfand, dass der Plattfuß nur symptomatisch ist, wenn eine Wadenverkürzung oder eine tarsale Coalitio (Verschmelzung von Rückfuß und Fußwurzelknochen) vorliegen. Harris empfahl eine spezielle Röntgenaufnahme zum Nachweis einer talokalkanearen Coalitio im Bereich des Sustentaculum tali (Balkon des Fersenbeins zur Unter- stützung des Taluskopfes). Klinisches Erscheinungsbild Der Plattfuß beschreibt als dreidimensio- nale Deformität zunächst ein Absinken des medialen Fußlängsgewölbes. Klinisch zeigt sich dieses in der seitlichen Be- trachtung durch eine teilweise oder voll- ständige Aufhebung des inneren Fußge- wölbes (Abb. 1). Meist findet sich über dem inneren Sprungbeinkopf und Kahn- bein eine deutliche Schwiele durch die unphysiologische Mehrbelastung in die- sem Bereich. In der seitlichen Röntgenstandauf- nahme (Abb. 2) wird dieses durch eine Negativierung des Winkels zwischen Sprungbeinlängsachse und erstem Mit- telfußknochen deutlich. In der seitlichen MEDIZIN & TECHNIK 40 ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK 5|16 Der Plattfuß – Ursachen, Untersuchung und Behandlung VON LUDWIG SCHWERING 1 Klinisches Erscheinungsbild des aufgeho- benen Fußgewölbes. 2 Röntgenbild eines Plattfußes von der Seite. Zusammenfassung Der Plattfuß (Pes planus) beschreibt eine dreidimensionale Deformität mit Abfla- chung des Fußlängsgewölbes, Abspreizung des Vorfußes und Knickfuß. Zusätzlich be- steht eine Innendrehungsfehlstellung des Vor- gegen den Rückfuß und eine Spitzfuß- komponente des Rückfußes mit regelmäßig vorhandener Verkürzung der Wadenmusku- latur. Neben konstitutionellen Formen bestehen sekundäre Formen, bei denen strukturelle, stoffwechselbedingte und neurologische Ursachen den Pes planus hervorrufen. Je nach Alter, Ausprägung und Beschwerdebild wird von der Einlagenver- sorgung mit Abrollsohle bis zur komplexen operativen Rekonstruktion stadiengerecht vorgegangen. Die sorgfältige Untersuchung und subtile Stufentherapie führt zu zufrie- denstellenden Ergebnissen.

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Page 1: Der Plattfuß – Ursachen, Untersuchung und Behandlung lung beteiligt. Neben dieser Abspreiz-komponente zeigt sich in der dritten Ebene, der Betrachtung von hinten, ein Rückfußvalgus

Am 22. November 1991 veröffentlich-te E. Rosenthal in der New York Times:

„Der Plattfuß ist funktional perfekt undkann beim Sport ein Vorteil sein.“ Auchüber den Vorteil des hypermobilen Platt-fußes von israelischen Rekruten inMarschstiefeln (Knobelbecher) wurde be-richtet. Trotzdem sehen wir in der fußor-thopädischen Ambulanz täglich Patientenmit symptomatischen Plattfüßen, sodass eine differenziertere Betrachtungdieser Fehlstellung des Fußes angebrachterscheint.Wird der Pes planus, der genau wie

der Klumpfuß eine dreidimensionaleFehlstellung darstellt, alleine auf die Ab -flachung des Längsgewölbes reduziert,kann er bei intakter Gelenkstellung undGelenkfunktion entwicklungsbedingt,familiär und in Bezug auf einigemenschliche Rassen ebenfalls keine behandlungsbedürftige Pathologie dar-stellen. In der Vergangenheit haben sich ver-

schiedene Orthopäden mit dem Plattfußbeschäftigt. Einer der ersten war PieterCamper, der 1774 die Bedeutung derSchuhe auf die Fußentwicklung be-schrieb. Nicoladoni stellte 1890 denHammerzehenplattfuß vor. Auch AdolfLorenz bearbeitete in seiner Habilita -tionsschrift 1883 die Lehre vom erwor-benen Plattfuß. Diese Liste ließe sichnoch endlos weiter fortsetzen. Die Monographie von Wilhelm Thom-

sens „Kampf der Fußschwäche“, welche1939 in der 1. Auflage erschien undwahrscheinlich auf Grund der Nähe zum

Nationalsozialismus und wegen der tur-bulenten Zeit nur wenig Beachtung fand,sollte jedoch noch Erwähnung finden, dain diesem Buch wesentliche Anmerkun-gen zur Pathobiomechanik des Platt-fußes enthalten sind. Schlussendlich war es R. I. Harris, der

1948 zusammen mit seinem Kollegen T. Beath die klassische Studie zu Fußer-krankungen bei kanadischen Rekrutendurchführte und herausfand, dass derPlattfuß nur symptomatisch ist, wenn eine Wadenverkürzung oder eine tarsaleCoalitio (Verschmelzung von Rückfußund Fußwurzelknochen) vorliegen. Harrisempfahl eine spezielle Röntgenaufnahmezum Nachweis einer talokalkanearen Coalitio im Bereich des Sustentaculumtali (Balkon des Fersenbeins zur Unter-stützung des Taluskopfes).

Klinisches ErscheinungsbildDer Plattfuß beschreibt als dreidimensio-nale Deformität zunächst ein Absinkendes medialen Fußlängsgewölbes. Klinischzeigt sich dieses in der seitlichen Be-trachtung durch eine teilweise oder voll-ständige Aufhebung des inneren Fußge-wölbes (Abb. 1). Meist findet sich überdem inneren Sprungbeinkopf und Kahn-bein eine deutliche Schwiele durch dieunphysiologische Mehrbelastung in die-sem Bereich.In der seitlichen Röntgenstandauf-

nahme (Abb. 2) wird dieses durch eineNegativierung des Winkels zwischenSprungbeinlängsachse und erstem Mit-telfußknochen deutlich. In der seitlichen

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Der Plattfuß –Ursachen, Untersuchung und BehandlungVON LUDWIG SCHWERING

1 Klinisches Erscheinungsbild des aufgeho-benen Fußgewölbes.

2 Röntgenbild eines Plattfußes von der Seite.

ZusammenfassungDer Plattfuß (Pes planus) beschreibt einedreidimensionale Deformität mit Abfla-chung des Fußlängsgewölbes, Abspreizungdes Vorfußes und Knickfuß. Zusätzlich be-steht eine Innendrehungsfehlstellung desVor- gegen den Rückfuß und eine Spitzfuß-komponente des Rückfußes mit regelmäßigvorhandener Verkürzung der Wadenmusku-latur. Neben konstitutionellen Formen bestehen sekundäre Formen, bei denenstrukturelle, stoffwechselbedingte und neurologische Ursachen den Pes planushervorrufen. Je nach Alter, Ausprägung undBeschwerdebild wird von der Einlagenver-sorgung mit Abrollsohle bis zur komplexenoperativen Rekonstruktion stadiengerechtvorgegangen. Die sorgfältige Untersuchungund subtile Stufentherapie führt zu zufrie-denstellenden Ergebnissen.

Page 2: Der Plattfuß – Ursachen, Untersuchung und Behandlung lung beteiligt. Neben dieser Abspreiz-komponente zeigt sich in der dritten Ebene, der Betrachtung von hinten, ein Rückfußvalgus

Betrachtung kann der Pes planus auchals dekompensierter Spitzfuß verstandenwerden, da es durch das Absinken des in-neren Fußlängsgewölbes regelmäßig zueinem Fersenhochstand kommt. Diesesgeht, wie schon zuvor beschrieben, re-gelmäßig mit einer verkürzten Waden-muskulatur einher (s. Kasten „Silfver-skiöld-Test“ S. 42). Offensichtlich kann sowohl die Insta-

bilität des unteren Sprunggelenkes zu einer verkürzten Wadenmuskulaturführen, die ihrerseits bei dem gestörtenAbrollverhalten die Entwicklung des Pesplanus fördert, als auch eine primäreVerkürzung der Wadenmuskulatur einenPes planus bei entsprechender Disposi tionverursachen. Die klinische Betrachtungzeigt, dass beides möglich ist. Zur Überprüfung der verkürzten Wa-

denmuskulatur hat sich der Test nachSilfverskiöld bewährt (s. Kasten). Wird der Plattfuß von hinten betrach -

tet, so zeigt sich eine Abspreizungskom-ponente der Fußwurzel gegenüber dem

Rückfuß. Meist ist das hauptsächlich be-troffene Gelenk das Sprungbein-Kahn-beingelenk (Abb. 3). Es ist aber auch dasuntere Sprunggelenk und das Fersen-bein-Würfelbeingelenk an der Fehlstel-lung beteiligt. Neben dieser Abspreiz-komponente zeigt sich in der drittenEbene, der Betrachtung von hinten, einRückfußvalgus und das sogenannte Zei-chen der zu vielen Zehen, da bei einemphysiologisch ausgebildeten Fuß bei derBetrachtung von hinten etwa 1,5 Zehen,nämlich der 5. und der 4. Zeh, neben der

Fibula zu sehen sind und auf Grund derAbspreizposition des Vorfußes beimPlattfuß eben mehr Zehen zu sehen sind(Abb. 4). Dieses verdeutlicht sich ebenfallsin der Röntgenstandaufnahme des Fußesin der Projektion von oben (Abb. 5).Auf Grund der besonderen Biomecha-

nik der Chopart’schen Gelenklinie führtdie Abspreizung in diesem Gelenk auch zueiner Rotationsbewegung. Diese wirdauch durch den längeren Hebelarm desVorfußes im Vergleich zum Rückfuß nochunterstützt, so dass bei korrigiertem

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3 Abspreizstellung des Vorfußes beimPlattfuß.

4 Der Knickfuß mit dem „Zeichen der zuvielen Zehen“ von hinten.

5 Röntgenbild des Fußes im Stehen in der Betrachtung von oben.

6 Hohmanns Darstellung der Vorfußinnen-drehung bei korrigiertem Rückfuß.

7 Frühkindlicher physiologischer Plattfuß.

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Page 3: Der Plattfuß – Ursachen, Untersuchung und Behandlung lung beteiligt. Neben dieser Abspreiz-komponente zeigt sich in der dritten Ebene, der Betrachtung von hinten, ein Rückfußvalgus

Rückfuß eine Vorfußsupination (Vorfuß -innendrehung) resultiert (Abb. 6).

Der kindliche PlattfußGroße Probleme hinsichtlich einer not-wendigen Behandlung weist bisweilender kindliche Plattfuß auf. Da das kindli-che Fußgewölbe zunächst physiologischflach ist und da der sogenannte Spitzy’-sche Fettkörper das mediale Fußlängsge-wölbe nach der Geburt nahezu vollstän-dig ausfüllt, erscheint der kindliche Fußzunächst als Plattfuß (Abb. 7). Aus denentsprechenden Publikationen und dereigenen Erfahrung zeigt sich, dass diesernatürliche kindliche Plattfuß sich jedochzwischen dem 4. und 6. Lebensjahr spon-tan aufrichtet, so dass in der Phase vor

dem 4. Lebensjahr eine orthopädietech-nische Therapie wie die Einlagenbehand-lung zurückhaltend angeboten werdensollte. Dennoch kann im Einzelfall auchvor Abschluss des 4. Lebensjahres einmaleine orthopädietechnische Versorgungbei entsprechend starker klinischer Aus-prägung notwendig werden.

Testmethoden für die Flexibilität des Plattfußes Als Tests zur Überprüfung der Flexibilitätdes Plattfußes werden verschiedene Test-verfahren beschrieben. Hübscher inaugu-rierte 1906 das sogenannte Hübscher-Manöver, bei dem es durch die passiveDorsalextension der Großzehe beim ste-henden Fuß zu einer Aufrichtung des

Fußlängsgewölbes kommt (Seilwinden-mechanismus) (Abb. 8). Auch der soge-nannte Jack Test (der Name kommt vondem englischen Wort Jack für den Wa-genheber) richtet sich der Rückfuß-Knick-fuß im Zehenspitzenstand auf und die x-ige Rückfußkonfiguration wandelt sich ineine leichte O-Konfiguration (Abb. 9).Der Rumpfdrehtest (Abb. 10) zeigt,

dass es bei der Rumpfdrehung nachrechts zu einer Verbesserung der Platt-fußkonfiguration rechts und zu einerVerschlimmerung links kommt. Bei derDrehung zur linken Seite kommt es dannzu einer Verbesserung der Position linksund zu einer Verschlimmerung der Posi-tion rechts, da der Talus mit der Sprung-gelenksgabel aus der Fußgelenkspfanne(Gelenkstruktur, die vom Kahnbein, demPfannenband und dem Sustentaculumtali gebildet wird) und so die Deformie-rung noch verstärkt. Bei der Drehung desRumpfes zur betroffenen Seite kommt esquasi zur Reposition in diesem Bereich.

Ursachen Die Ursache des Plattfußes ist vielfältig.Zunächst sei hier eine vermehrte Binde-gewebselastizität genannt. Besonders inKombination mit Übergewicht und einemX-Bein kommt es hier bei Heranwach-senden regelmäßig zur Ausprägung einesPes planus.Auch die muskuläre Imbalance kann

an der Ausbildung eines Plattfußes be-teiligt sein. Die verkürzte Wadenmusku-latur wurde oben schon angesprochenund sollte in die Untersuchung und Be-handlung stets mit einbezogen werden. Bei einem physiologisch ausgerich-

teten Fuß besteht eine harmonische Ba-lance zwischen den Innendrehern (vor-derer und überwiegend hintererSchienbeinmuskel) und den Außendre-hern (langer und kurzer Wadenbein-muskel). Ein Ungleichgewicht kanndurch eine Schwäche des hinterenSchienbeinmuskels entstehen, derdurch seinen Sehnenverlauf unterhalbdes Innenknöchels bis zur knöchernenRauigkeit des Kahnbeins einen innerenStabilisator des Sprungbein-Kahnbein-gelenkes bildet. Wenn dieser Muskel durch eine Ver-

letzung (Tibialis posterior Insuffizienz)oder eine neurologische Abschwächungausfällt, ist quasi der Weg nach innen fürden Sprungbeinkopf frei. Umgekehrt kann ein Überwiegen der

Außendreher ebenfalls zu einem Un-

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Zur Überprüfung der verkürzten Waden-muskulatur hat sich der Test nach Silfver-skiöld bewährt. Der Behandler steht aufder zu untersuchenden Seite neben demauf der Untersuchungsliege liegenden Pa-tienten. Mit der Hand umfasst er die Fer-se so, dass die Ferse in physiologischerNeutralstellung gehalten wird und mitdem Daumenballen das Fußlängsgewölbeunterstützt wird. Die andere Hand stabili-siert in 90° Hüftbeugung und Kniebeu-gung das Knie im suprakondylären Be-reich. So wird der m. gastrocnemiusentlastet und vorwiegend der m. gastro-soleus überprüft. Normalerweise sollte eine Fußhebung vonetwa 20° – 25° möglich sein. Aus dieser

Position heraus wird dann das Knie gestreckt und die Zunahme der Muskel-spannung durch eine Abnahme der Dor-salextension festgestellt. Eine Reduzie-rung der Dorsalextension von etwa 5° istein physiologisches Phänomen, welchesaus der Verlängerung der Strecke von An-satz und Ursprung des m. gastrocnemiusbei Kniestreckung resultiert.Man spricht von einem positiven Silfver-skiöld-Test, wenn die Dorsalextension re-duziert ist. Der Test kann einfach positivsein. Dieses betrifft dann meist die Fußhe-bung in Kniestreckung. Der Test wird alsdoppelt positiv bezeichnet, wenn dieFußhebung sowohl in Kniebeugung alsauch in Kniestreckung vermindert ist.

Der Silfverskiöld-Test

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gleichgewicht führen, wie dieses regel-mäßig bei der Spastizität beobachtetwerden kann.

Die Bedeutung des Os tibiale externumFrederick Kidner beschrieb in seinem Ar-tikel „der Einfluss des Prae-Hallux auf diePlattfußgenese“ 1929 die Bedeutung des

Os tibiale externum auf die Plattfußent-wicklung. Das Os tibiale externum ist einvariab les Knöchelchen im Ansatzbereichder hinteren Schienenbeinmuskelsehne,das entweder wie eine kleine Perle imAnsatzbereich der Sehne liegt, ohne mitdem zentralen Kahnbeinkörper verbun-den zu sein, oder als ein größerer zu-sätzlicher Knochen mit dem Ansatzbe-

reich des Kahnbeins eine knorpelige oderbindegewebige Verbindung bildet.Schluss endlich kann dieser variable Kno-chen auch vollständig mit dem Kahnbeinverschmolzen sein. Dann wird diese Kon-figuration als Os cornutum bezeichnet.Überwiegend im zweiten Fall kommt

es regelmäßig durch die Verlagerung desAnsatzes der Sehne des hinteren Schien-

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8a und b Hübscher Manöver. 9a und b Jack-Test. 10 Rumpfdrehtest.

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beinmuskels nach innen zu mehr Raumfür den Taluskopf nach innen und damitzur Entwicklung eines Pes planus. Die operative Therapie dieser Konstel-

lation ist die Resektion des Os tibiale externum. Dieses kann durch ein Längs-spalten des hinteren Schienbeinmuskel-sehnenansatzes sehr schonend durchge-führt werden. Dabei wird das Os tibialeexternum vollständig entfernt und derÜbergang zum Kahnbein geglättet. Ge-gebenenfalls kann bei diesem Eingriffdas Pfannenband auch gerafft werden,falls dieses erforderlich ist. In der Nach-behandlung sollte eine vorübergehendeUnterstützung des inneren Fußlängsge-wölbes durch eine langsohlige Sustenta-culum-Stützeinlage vorgenommen wer-den.

Verwachsungen zwischen Kahnbein und FersenbeinDie Coalitio talonavicularis (Verwach-sung zwischen Kahnbein und Fersenbein)

beschreibt eine Brückenbildung zwischendem unteren und äußeren Anteil desKahnbeins zum vorderen Anteil des Fer-senbeins. Diese Konfiguration bedingt,dass der kindliche Fuß sich nicht natürlichentwickeln kann. Die Zwingenbildungzwischen Kahnbein und Fersenbein be-dingt, dass das wachsende Sprungbeineine innenrotatorische Bewegung imVergleich zum Fuß macht. Diese Konsti-tution lässt sich leicht dadurch erkennen,dass das physiologische Ausmaß der In-nendrehung und Außendrehung desFußes vermindert ist und sich der Rück-fuß-Knickfuß im Zehenspitzenstandnicht aufrichtet.

Neuromuskuläre ErkrankungenBesonders neuromuskuläre Erkrankungenwie die Spina bifida und Cerebralpareseweisen regelhaft extreme Formen desPlattfußes auf. Wenn diese Plattfüßigkeitdurch Orthesen nicht beherrschbar ist,haben sich in der Therapie besondersSehnenverlagerungen und versteifendeKorrekturoperationen bewährt.

Konservative Therapie Grundsätzlich sollte die Behandlung deshypermobilen Plattfußes einer Stufen -therapie folgen.

EinlagenversorgungWie schon oben beschrieben, sollte imKleinkindalter eine Einlagenversorgungnur sehr zurückhaltend erfolgen. In mo-

deraten Fällen ist hier eine Stimulations-behandlung des Fußes und Dehnungsbe-handlung der Wadenmuskulatur hilfreichund kann in der weiteren Entwicklung zurvollständigen Korrektur führen.Sollte jedoch eine Einlagenversorgung

notwendig sein, hat es sich bewährt, denAbdruck zur Anfertigung einer Einlagemit einer Gipslonguette zu modellieren,um manuell den Fuß so weit zu redres-sieren, wie es schlussendlich möglich ist(Abb. 11).Die Einlage sollte als langsohlige,

fersenumgreifende Sustentaculum-Stüt-zeinlage nach Gipsabdruck gefertigt seinund gegebenenfalls mit einem Supina -tionskeil versehen werden, um ein Abkip-pen nach medial im Schuh zu vermeiden.

PhysiotherapieEssentiell ist jedoch die Physiotherapie,die als Triggerpunktbehandlung der ver-mehrt tonisierten Wadenmuskulatur, alsDetonisierung des m. gastrocnemius undDehnung der Wadenmuskulatur sowie alsAntagonistentraining in Kombination mit Koordinationsübungen durchgeführtwerden sollte.

OrthesenLiegt auf Grund der Ausprägung desPlattfußes eine vollständige Dekompen-sation des inneren Fußgewölbes mit einem gravierenden Rückfußvalgus vor,kann auch im Einzelfall eine Orthesenbe-handlung sinnvoll sein.

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12a - f Behandlung eines schweren hypermobilen Plattfußes mit einem Schienenschellenapparat (Fertigung der Fa. Storch und Beller, Karlsruhe).

11 Gipsabdruck eines korrigierten Platt-fußes zur Einlagenherstellung.

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Hier hat sich die Anfertigung einerUnterschenkelorthese im Sinne desSchienenschellenapparates mit einemHessing-Schnürschuh sehr bewährt(Abb. 12). Wenn bei Beginn der Therapienoch genügend Wachstumspotenzialvorhanden ist, kann die regelmäßige An-wendung der Orthese zu einer Wachs-tumslenkung und damit zu einem Aus-heilen des Plattfußes führen. Auf jedenFall kann der chirurgische Therapieauf-wand schlussendlich deutlich reduziertwerden, um so langfristig bessere Ergeb-nisse zu erzielen.

Einlagenversorgung umstrittenLynn Staheli, einer der bekanntestennord amerikanischen Kinderorthopäden,hat in seinem Artikel über den Plattfuß1999 geschrieben, dass die Behandlungvon Kindern mit einem physiologischenabgeflachten Fußlängsgewölbe mit Einla-gen oder Schuhzurichtung nicht nur un-effektiv und unkomfortabel sind, sondernauch behindernd und für das Kind mit einem verringerten Selbstwertgefühl imErwachsenenalter verknüpft sein sollen. Ein weiterer Artikel, der in die gleiche

Kerbe schlägt, war die Publikation vonWenger aus dem Jahre 1989. Hier wurdeeine prospektiv randomisierte Plattfuß-studie bei Kleinkindern durchgeführt. DieStudie bestand aus einer Kontrollgruppeund drei unterschiedlichen Therapie-gruppen. Zum einen wurde mit einerKonfektionseinlage behandelt, zum an-deren mit einer Fersenkappe undschluss endlich mit einer sogenannten„University of California Gate Lab“-Ein-lage. In der Studie zeigte sich über dreiJahre hinweg, dass sich das medialeFußlängsgewölbe in allen Gruppen ver-

besserte und keine signifikante Verbes-serung zum natürlichen Verlauf bestand. Sowohl die Äußerung von Staheli als

auch die Studie von Dr. Wenger habenletztendlich auch im deutschsprachigenRaum dazu geführt, dass viele Kinder -orthopäden Abstand von Einlagenversor-gung genommen haben. Klar ist, dasskein seriöser Behandler eine physiologi-sche Plattfüßigkeit behandeln will. Bei Wengers Studie wurde jedoch

nicht darauf geachtet, dass die verkürzteWadenmuskulatur überhaupt keine Be-achtung fand. Hier ist in der Abbildung zusehen, dass in der seitlichen Röntgen-standaufnahme der Fuß zwar mit einersehr schönen Einlage unterstützt wird,aber wegen der begleitenden Wadenver-kürzung kann die Ferse jedoch nicht nachunten kommen. So kann sich kein Fußge-wölbe ausbilden. Mit anderen Wortenschaukelt hier der Fuß nur auf der Einla-ge. Dieses führt natürlich zu einer weite-ren Tonisierung der Wadenmuskulatur, zueinem Rückfuß-Spitzfuß und damit zueinem vermehrten Plattfuß (Abb. 13) .Daher ist es Bestandteil unseres Kon-

zeptes, die Einlagenversorgung immernach Gipsabdruck durchzuführen. Solltedann bei aufgerichtetem Fußlängsge-wölbe eine Einschränkung der Fußhe-bung auf Grund der kontrakten Waden-muskulatur vorhanden sein, wird diesezunächst durch eine Abrollsohle kom-pensiert, die dann entfernt werden kann,

wenn die oben beschriebene Kran-kengymnastik erfolgreich war und wiedereine angemessene Dorsalextension er-zielt werden kann.

Operative TherapieBesteht nahe dem Erwachsenenalter wei-terhin ein symptomatischer hyper mobilerPlattfuß, hat sich das folgende operativeVorgehen bewährt (Abb. 14). Erster Be-standteil der Operation ist fast immer dieVerlängerung der Wadenmuskulatur. Liegthier nur eine Gastrocne miusverkürzungvor, wird die Gastrocnemiusaponeurose inder modifizierten Technik nach Strayerquer durchtrennt oder bei Beeinträchti-gung des m.gastrocnemius und m.gastro-soleus eine Achillessehnenverlängerungdurchgeführt. Dieses kann Z-förmig oderperkutan in der Technik nach Hoke durch-geführt werden. In einem zweiten Operationsschritt

wird das mediale Fußlängsgewölbe inder Technik nach Young rekonstruiert.Diese Methode beschreibt die Um -lenkung der Sehne des vorderen Schien-beinmuskels, die durch eine seitliche Nutim Bereich des Kahnbeins geführt undgegebenenfalls auch mit dem Pfannen-band zur dynamischen Unterstützungdes inneren Fußlängsgewölbes vernähtwird. Außerdem wird der temporär ab-gelöste Sehnenansatz der hinterenSchienbeinmuskelsehne zur Stabilisationzusätzlich über diesen Komplex genäht.

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Page 7: Der Plattfuß – Ursachen, Untersuchung und Behandlung lung beteiligt. Neben dieser Abspreiz-komponente zeigt sich in der dritten Ebene, der Betrachtung von hinten, ein Rückfußvalgus

Die regelmäßig, durch die dauerhaftbestandene Vorfußabspreizung verkürztelaterale Fußsäule wird durch eine Ver-längerungsoperation im Bereich des vor-deren Fersenbeinanteils in der Techniknach Evans durchgeführt. Dabei wirdentweder ein tricortikaler Knochenspanaus dem Beckenkamm verwendet oderein Kunstknochen (Abb. 14 b).Nach unserer Erfahrung heilen die

Kunstknochen etwas langsamer ein alsder eigene Beckenkammknochen. Dieseshat aber bei der notwendigen Gipsimmo-bilisation keine allzu große Konsequenz. In der Nachbehandlung wird der ope-

rierte Fuß mit einem Unterschenkel-Scotch-Cast in Korrekturstellung undmoderater Fußhebung von etwa 5° sechsWochen behandelt. Zwischendurch wer-den in zweiwöchigen Abständen regel-mäßige Gipswechsel durchgeführt undam Ende der 4. Woche während desGipswechsels ein Abdruck für eine Un-terschenkelorthese, wie oben beschrie-ben, gemacht. Diese Orthese ist dann amEnde der sechsten Woche im Rohbau ge-fertigt und kann im Rahmen der Hilfs-mittelabnahme endgefertigt werden. Be-gleitend wird eine Röntgenaufnahmedes Fußes durchgeführt, um festzustellen,ob der Knochenspan im vorderen Fersen-

beinanteil fest eingewachsen ist. Dannkann der Patient mit der Orthese mit derBelastung beginnen. Bei den operativen Verfahren hat sich

in den letzten Jahren bei vielen Kollegendie Arthroereisis zur Behandlung deskindlichen Plattfußes großer Beliebtheiterfreut. Dieser Begriff beschreibt eineMethode, bei der ein Implantat entwederden Sinus tarsi (= mit Fett gefüllter Hohl -raum zwischen Sprung- und Kahnbein)aufspreizt und so den Plattfuß korrigiertoder eine Schraube den äußeren Vor-sprung des Sprungbeins in Korrekturstel-lung des Fußes blockiert, so dass die Fehl-stellung vermieden wird. Ob es sich hierum ein notwendiges ergänzendes Verfah-ren handelt oder mit dieser Methode le-diglich leichtere Fälle, die auch konserva-tiv beherrschbar wären, therapiertwerden, kann trotz intensivster Beschäf-tigung mit dieser Materie vom Autor nochnicht abschließend bewertet werden.

FazitTatsächlich bietet der Plattfuß in der mil-den Ausprägung aufgrund seiner ver-mehrten Beweglichkeit im unterenSprunggelenk auch die Möglichkeit einervermehrten Anpassung an unebenesGelände. Gerade wenn diese Konstitu tion

noch von einem überknöchelhohen Therapie(leder)schuh (Knobelbecher) ge-schützt wird. So verwundern die anfangszitierten Publikationen nicht.Die Schwierigkeit in der Erarbeitung

klarer Therapierichtlinien für den Plattfußbesteht darin, dass alle oben beschrie-benen Ursachen in graduell unterschied-licher Ausprägung vorhanden sein könnenund diese Beschwerden verursachenkönnen, aber nicht müssen. Gerade beidem sich in der Entwicklung befindli-chen Kinderfuß ist viel Erfahrung nötig,um den goldenen Mittelweg zwischentherapeutischem Nihilismus und Über -therapie zu finden.Eine sorgfältige klinische Untersu-

chung und penible Hilfsmittelabnahmeführt bei dieser weit verbreiteten De -formität jedoch zu einem schnellen Anwachsen von Kompetenz, Sicherheit inder Indikationsstellung und zufriedenenPatienten.

Anschrift des VerfassersDr. med. Ludwig SchweringÄrztlicher Leiter der Technischen OrthopädieMathias-Spital RheineFrankenburgstraße 348143 Rheine

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a Plattfuß von seitlich.

14 a – d Schema: Operative Korrektur für hypermobile Plattfüße.

b Korrigierter Plattfuß durch Achillesseh-nenverlängerung, Ver lagerung der vorderenSchienbeinsehne durch das Kahnbein undVerlängerung der äußeren Fußsäule durchEinbringung eines Knochenspans im Bereich des vorderen Fersenbeins. c Plattfuß von oben. d Korrigierter Plattfuß

durch die Verlängerungder äußeren Fußsäule.

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