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(Aus der Universitiits-AugenheilanstaIt zu Leipzig.) Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut und seine Beziehungen zu den melanotischen Tumoren. Ein Beitrag zu der Lehre yon der Gesehwulstentwicklung am Auge. Vort Dr. M. Wolfrum, Privatdozent und Assistent an der Klinik. Mit Taf. X--XIII, Fig. 1--27 und 2 Figuren im Text. Die Meinungen fiber die Entwicklung und den Aufb~u der Naevi befinden sich noch im Fluss, eine einheitliehe Auffassung ist, wie eine Durchsieht der reichhaltigen ophthalmologischen, patholo- gischen und dermatologischen Literatur ergibt, noch nicht vorhanden. Sowohl der epithelialen wie der bindegewebigen Genese wird in den verschiedensten Abhandlungen energiseh das Wort geredet. An "der Hand eines reichhaltigen Materials, das in tier Folge unterbreitet werden soll, war ich in der Lage, sichere Anhaltspunkte iiber die Entwicklung der Iquevi an der Conjunctiva bulbi zu ge- winnen und auch gewisse Beziehungen zu den melanotisehen Tumoren zu finden. Klinisehes. In einer ausfiihrliehen und sorgffiltigen Statistik stellt Ludwig 1) fest~ dass yon 150 melanotisehen Tumoren, welehe an den ~usseren Teilen des Auges zur Beobachtung kamen, 115 ihren Ursprung yon der Conjunetiva bulbi nahmen. Ist diese Tatsaehe schon au und f'iir sich bemerkenswert~ so gewinnt sie noch erhShtes Interesse, wenn man berficksichtigt, dass die Conjunetiva bulbi nach den Mitteilungen oph- thalmologischer und histologiseher Lehrbficher gewShnlieh nnr sehr wenig Pigment aufzuweisen hat und trotzdem so hgufig zum Aus- gangspunkt maligner melanotischer GesehwiiIste wird. 1) L u dwig, Ein Fall yon melanotischer Geschwulst der Caruncula laeri- malls und diffuser Pigmentierung der Conjunctiva. Leipzig 1902. v. Graefe's Archly Ffir Ophthalmologle. LXXI. 2. 14

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Page 1: Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut und seine Beziehungen zu den melanotischen Tumoren

(Aus der Universitiits-AugenheilanstaIt zu Leipzig.)

Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut und seine Beziehungen zu den melanotischen Tumoren. Ein B e i t r a g zu der Leh re yon der G e s e h w u l s t e n t w i c k l u n g

am Auge.

Vort

Dr. M. Wol f rum, Privatdozent und Assistent an der Klinik.

Mit Taf. X- -XII I , Fig. 1--27 und 2 Figuren im Text.

Die Meinungen fiber die Entwicklung und den Aufb~u der Naevi befinden sich noch im Fluss, eine einheitliehe Auffassung ist, wie eine Durchsieht der reichhaltigen ophthalmologischen, patholo- gischen und dermatologischen Literatur ergibt, noch nicht vorhanden. Sowohl der epithelialen wie der bindegewebigen Genese wird in den verschiedensten Abhandlungen energiseh das Wort geredet.

An "der Hand eines reichhaltigen Materials, das in tier Folge unterbreitet werden soll, war ich in der Lage, sichere Anhaltspunkte iiber die Entwicklung der Iquevi an der Conjunctiva bulbi zu ge- winnen und auch gewisse Beziehungen zu den melanotisehen Tumoren zu finden.

Klinisehes.

In einer ausfiihrliehen und sorgffiltigen Statistik stellt Ludwig 1) fest~ dass yon 150 melanotisehen Tumoren, welehe an den ~usseren Teilen des Auges zur Beobachtung kamen, 115 ihren Ursprung yon der Conjunetiva bulbi nahmen. Ist diese Tatsaehe schon au und f'iir sich bemerkenswert~ so gewinnt sie noch erhShtes Interesse, wenn man berficksichtigt, dass die Conjunetiva bulbi nach den Mitteilungen oph- thalmologischer und histologiseher Lehrbficher gewShnlieh nnr sehr wenig Pigment aufzuweisen hat und trotzdem so hgufig zum Aus- gangspunkt maligner melanotischer GesehwiiIste wird.

1) L u dwig, Ein Fall yon melanotischer Geschwulst der Caruncula laeri- malls und diffuser Pigmentierung der Conjunctiva. Leipzig 1902.

v. Graefe's Archly Ffir Ophthalmologle. LXXI. 2. 14

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Dieser geringe Pigmentgehalt in der Conjunetiva bulbi finder sieh aber naeh den Mitteflungen yon Fischer1) nur beim Europiier~ w~ihrend bei den melanotischen Rassen (F i sche r hat die Augen yon Negern, Melanesiern~ Indiern, Chinesen, Japanern auf ihren Pigmentgehalt untersueht) nnd bei allen Tieren sich Pigment in der Conjunctiva. bulbi finder. Abbildungen yon solchen Pigmentierungen bei melano- tischen Rassen finden wit in der Arbeit yon Coppez jr.-°).

Nun trifft man abet auch in der Conjunctiva des Europiiers nicht selten bei der klinischen Untersuehung eircumscripte Pigment- anh~,iufungen, wie sie yon W i n t e r s t e i n e r 3) und Ulbrich~) be- sehrieben wordea sind. Ihr Standoff kann ausserordentlieh variahel sein~ aueh ist ein Auftreten in mehrfacher Anzahl nicht selten. Diese Pigmenti]ecke babe ich zum Gegenstande der naehfolgenden Unter- suchungen gemacht, indem ich urspriinglich yon der Annahme aus- ging, dass diese k]einen Pigmentfleeke in ihrer Struktur yon gleicher oder i~hnlicher Beschaffenheit seien, wie die Pigmentierungen, welche F i s c h e r als ein normales Vorkommen besehrieben hat.

Die Untersuchungen waren fiir reich also nrspriinglieh in erster Linie yon vergleiehend anatomischem Interesse. Bei dem weiteren Fortgange hat sich jedoch gezeigt~ class mit diesen Pigmentierungen pathologisehe Befunde im Bindegewebe einhergehen, die als Naevus bereits beschrieben sind.

Zun~chst habe ieh an dem grossen poliklinischen Materiale tier Leipziger Augenklinik die Conjunctiva einer grossen Anzahl yon Patienten auf deren Pigmentierungszustand n~her angesehen und fiber- all da, we Pigmentierung schon mit unbewaffnetem Auge zu finden war, diese dann aueh mit stitrkerenVergrSsserungen der Zeissschen hinokularen Lupe genauer untersucht~ und, da mit dieser Lupe ein ausgezeiehnetes Tiefenwahrnehmungsverm5gen zu erreichen ist~ diese Pigmentierungen auch nach tier Tiefe zu lokalisieren reich bemiiht.

Die Linsensysteme, welehe ich dabei benutzte, gestatteten gerade noeh die roten BlutkSrperchen als rote Punkte in den Blutgef~ssen

~) Fischer, E., Ober Pigment in der menschliehen Conjurletiva. Verhancl- lungen der anat. Gesellsch. 1905 (5.--10. Aug.).

~) Coppez~ It., Etudes sur la pigmentation de la conjonctive. Bulletin de l'Acad@mie Royale de M~deeine de Belgique. 1905.

~) Wintersteiner, Beobaehtungen und Untersuchungen fiber den Naevus ur,~d das Sarkom der Conjunctiva. Ber. fiber die 27~ Vers. d. 0phth. Ges. zu Heidelberg. 1898. S. 253.

4) Ulbrich, Die natfirliehen Pigmentflecke und die Pigmenttumoren der Bindehaut. Zeitschr. f. Heilk. Abt. f. Chir. 1904. S. 260.

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sich fortbewegen zu sehen, man war also aueh im stande vereinzelte Pigmentzellen, welche ja ihre Lage ruhig beibehalten und durch- schnittlich grSsser sind als ein rotes B]utkSrperehen~ einzeln wahr- nehmen zu kSnnen, es sei denn~ dass ihre Lagerung eine zu diehte war.

Bei meinen Untersuchungen habe ich alle Pigmentierungen un- beriicksiehtigt gelassen, welehe episkleral lagen und den tiefsten Schichten des Conjunctivalstromas angehSrea. Sie machen sieh durch den leicht violetten Farbenton, weleher der Pigmentfarbe beigemischt ist und dureh alas iibergelagerte Conjunetivalgewebe zu stande kommt, kenntlich und stammen yore Uvealpigment.

Es konnte sieh natfirlieh in ttinsieht auf das sehon Bemerkte nur um Patienten handeln, welehe niemals l~ngere Erkrankungen der Bindehaut durchgemaeht hatten und aueh niemals mit Silberl5sungen behandelt worden waren. Zuerst besehr~nkten sich, wie bemerkt, meine Untersuehungeu nur auf Patienten~ welche sehon makrosko- pisch bei guter Beleuehtung irgend welehe Pigmentierungen erkennen liessen.

Auf Grund meiner Untersuehungen komme ich aber zu dem all- gemeinen Resultate, dass Pigmentierungen in der Conjunetiva des Europ~ers oder spezieller gesagt in der Bindehaut der s~chsischen Be- ~51kerung gar nicht so selten vorkommen, sondern bei gewissenhafter und sorgf~ltiger Untersuehung einen 5fteren k]inisehen Befund dar- stellen. Sucht man vollends jede Conjunetiva bei guter Beleuehtung mit der Zeisssehen Impe ab, so sind Pigmentpunkte bei einem ziem- lich grossen Prozentsafze der Untersuchten auhufinden.

Auch die mit dem blossen Auge wahrnehmbaren Pigmentierungen sind gewShnlieh klein1).

Die Farbe des Pigments war nicht gleichm~ssig~ sondern weehselte vom dunkeln Braun bis zum hellen Gelb in allen Nuancierungen. Ieh lasse nun eine Reihe yon ausgew~hlten Krankengesehiehten folgen~

x) Im fibrigen sind sie ganz unabhi~ngig yore sonstigen Pigmentierungszu- stande des Individuums. Denn ich babe sie nicht nur bei dunklen, sondern aueh bei blonden Menschen gefunden. Welchen Sehiehten der Bindehaut diese Pigmenteinsprengungen angeh~rten, konnte ich natfirlieh nicht mit der Lupe entscheiden, sie konnten ebensowohl im Bindegewebe wie im Epithel sitzen. Ich konnte nur feststelten, dass die PigmentkSrnchen nebeneinander in reeht wechseln- der Tiefe lagen. Da ich aber in der Lage war, eine gauze Reihe yon gr~sseren pigmentierten excidierten Conjunctivalstficken anatomisch zu untersuchen, so liesse~l sich Ieicht mit Hilfe des mikroskopisehen Pr~parates, alas ausserdem manche interessante Befunde gew~thrte, Aufschlfisse fiber die Lage des Pigments gewinnen.

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aus denen man sich ungof~hr ein Bild fiber die Ar t der Pigmentie- rungen machen kann. Ich habe dabei a]les iiberfl[issige weggelassen und reich nur auf die wichtigsten Angaben und das znm Thema ge- hSrige beschri~nkt.

1. B.~ Ida~ 34 Jahre. Emmetropie beiderseits. Vis. s[5 beiderseits. Am reehten Auge den unteren nasalen Quadranten einnehmend~ eine

sehr schmale~ rein auf den Corneallimbus beschriinkte Pigmentierung~ welche anr wenig auf die Conjunctiva bulbi iibergreift. Mit der Zeissschen Lupe ist eine streifenartige Anordnung des Pigmentes ohne weiteres wahrzunehmen. Es weehseln he]lere nahezu unpigmentierte Stellen mit dunkel pigmentierten ab. Die Streifen haben ungef~hr eine radienartige Anordnung zur Horn~ hautmitte. Es Iiisst sieh ausserdem noch feststellen~ dass die dunkel pig- mentierten Strei~'en tief~r liegen~ als die dazwischen befindlichen hellen. Die tibrige Conjunetiva ist fi'ei yon Pigment.

Das linke Auge ist fi'ei yon Pigmentierung.

2. H., Bernhard~ 58 Jahre. Presbyopie und Hypermetropie. Vis. s[o beiderseits -4-1,5~ als Lese-

brille -~- 3,5. Rechtes Auge. 0hne Befand. Linkes Auge. Im unteren nasalen Quadmnten kleine Pigmentierung

am Limbus mit streiflger Anordnang~ welehe auch noeh streifig auf die Hornhant ilbergreift.

3. L, Berta~ 30 Jahre. Conjunctivitis catarrhalis oe. utr, R. Emmetropie; L. Hypermetropie

+ 0,75; R. L. +0,75. An beiden Augen am unteren Cornealrande in einer Ausdehnung yon

6- -7 mm p~trallel zum Hornhautrande Pigmentierungen. Die Pigmentie- rungen sind nicht nur im Bereiche des Limbus, sondern greifen auch noeh ziemtich weit auf die Conjunetiva bulbi nach unten iiber. Im Bereiche des Limbus zeig~en die Pigmentierungen die streifenfSrmige, radienarfige Anord- nung. Sie werden aber in kurzer Entfernung veto Limbus in tier Con- junefiva bereits vollstandig unregelm~issig and mehr diffus.

4. M.~ Max~ 39 Jahre. Conjunctivitis eceematosa oc. d. Merkt seit etwa 4 Jahren~ dass er

am Auge im Weissen branne Stellen hat. Reehtes Auge. Naeh unten veto Cornealrande etwa 2 mm veto Lim-

bus an beginnend eine rotbraaae Pigmentierung. Die einzelnen Pigment- punkte sind diffus, anscheinend oberfiiiehlieh~ dazwisehen finder man danklere braune Punkte eingelagert. Dichtere Anh~iufungen yon Pigment fehlen.

Linkes Auge. 3 Pigmentierungen am Limbus. 2 liegen am oberen Ende des nasalen unteren Quadranten, die 3. am oberen Ende des tempo- ralen Quadranten. Die Pigmentierungen sind klein~ liegen dem Rand- schlingennetz unmittelbar auf~ zeigen keine regelmiissige Anordnung and verlieren sieh diffus in der Conjunetiva bulbi.

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5. N.~ Wilhelm~ &9 Jahre. Emmea'opie, Presbyopie. 6[5 beiderseits ohne Glas. Versehiedentlich

Limbuspigmentierung~ aher durchwegs unregelm~ssiger Art. Rechtcs Augc. Temporal in] Limbus Pigmentierung yon 2 mm kon-

zentriseher Ausdehnung. Pigment anseheinend sehr oberfl~ehlleh liegend Eine zweite Pigmentierung nach unten, etwas nach innen yon der Verti- kalen liegend, ebenfalls im Bereiehe des Limbus befindlich.

Linkes Auge. 3 Pigmentfleeke ebenfalls am Limbus. Einer nasal, der zweite in der Mitte des unteren nasalen Quadranten, der dritte etwas tem- poral yon der Vertikalen.

6. S, Pauline~ 53 Jahre. Myopia permagna oc. utr. R. Mit - - 1 4 , 0 G]6o; L. --lZl~0 6]1oo. Rechtes Auge. Nach oben aussen am Limbus feine Pigmentierung,

welche sich yon hier in die Conjunctiva bulbi herein zieht und diffus ver- teilt. Ebensolche aber ganz sehwache Pigmentierungen nasal am Limbus.

Linkes Auge. Keine Pigmentierungen.

7. Sch., Eduard~ 58 Jahre. Hypermetropie, Presbyopie. Mit -~-5,0 6[6 beiderseits. Beiderseits am unteren Rande der Col'uea~ nur im Bcreiche des Lira-

bus befindliche feinste Pigmcntierungen~ welche sich mit der Zeissschen Lupe in Punkte aufl6sen lassen und fief liegen.

8. H., Hermann, 60 Jahre. Hyperopia oc. sin. L. Mit -~-2~0 6[9. Cat. mature o.d. R. Hand-

bewegnngcn 2~5 m. Rechtes Auge. Am nasalen Limbus rechterseits 2 braune Punkte.

Mit Zeissseher Lupe unregelmassige punkffSrmige Pigmentierung.

9. K , Emma, 37 Jahre. Anisomctropie, Myopia permagna oc. sin, Strabism. div. oc. sin.

R. Mit - - 4 , 0 6112. L. Mit - - 1 4 , 0 6]36. Weiss niehts davon, dass sic braune Ftecken im Auge hat.

Reehtes Auge. Am Limbus, im unteron ~iusseren Quadranten~ Pigmen- tierung, die noch diffus in die Coujunetiva bulbi iibergeht. Eine zweite Pigmontierung am Limbus unten innen, jedoeh kleiner wie die laterale Pig- mentierung.

Mit der Lupe l/isst sich feststcllen, dass die gauze untere Cireumf'erenz tier Cornea pigmenfiert ist. Furchenartige Einsenkung des Epithels erkenn- bar aus den weehselnden pigmentierten und unpigmentierten Stellen am Lira- bus (vgl. dazu die n$chsten Seiten).

Linkes Auge. Totale Pigmentierung des Limbus in der unteren Cireum- ferenz. Auch hier nur die Epithelcinsenkungen pigmentiert. Nasal ira Be- reich der Lidspalte ziemfich grosser pigmentfleek in einer Ausdehnung yon 1,5--2~0 mm in jeder Richtung. Sfl'eifenf6rmige Anordnung des Pigments.

10. W., Friedr. Ernst~ 32 Jahre. Corpus alienum. Am linken Auge temporal etwas oberhalb der Horizontalen einige mm

vom Limbus ein etwa 5 mm grosse b leicht pigmentierter Fleck. Die Pig-

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mentierungen zeigen sich an der Lupe punktfSrmig~ hSher nnd tiefer liegend. Ausserdem finden sich in dem leicht gegen die tibl"ige Conjuncfiva erhabene Flecke zwei wasserblau% nahezu stecknadelkopfgrosse Blaschen eingelagert (Cysten).

11. V, Richard~ 35 Jahre. Errosio corneae sinistrae. An beiden Augen eine die untere Cireumferenz der Cornea einnehmende~

rein auf den Limbus besehr~inkfe dunkelbraune Pigmentierung. Die Zeiss- sche Lupe zeigt keine kontinuierliehe Pigmentierung~ sondern das Pigment ist in radi~iren Streifen zur Itornhaut angeordnet.

12. G, Auguste~ 68 Jahre. Hypermetropie. Cataracta ineipiens od. R. -[-2~0 611 s. L. --~ 2~0

61192 Keine weitere Besserung des Vis. Am linken Auge nach oben nasal 3 mm yore Limbus Pigmentiernng.

Die einzelnen Zellen erseheinen mit der Lupe lang gestreekt~ die Haupt- masse der Pigmentierung scheint in der Tiefe zu liegen.

Ich kSnnte die Reihe der Mitteilungen auf welt tiber 100 ver- mehren~ wotlte ich jede kleinste Pigmentierung bier verzeichnen. welehe ich gefunden babe. Doch wiirden sieh dabei nut Wieder- holungen ergeben und nichts wesentlich neues beigebracht werden. Naeh ahem aber, was wit anch schon aus den angefiihrten~ ausgefiihrten 12 Fiillen entnehmen kSnnen, lassen sich zwei Arten yon Pigmentie- rungen nach dem klinischen Bride als wesentliche unterscheiden.

I. Solch% bei welchen sich das Hauptdepot des Pigments am Limbus finder und welche in sichelf~rmiger Anordnung einen Tell des Cornea]randes umgeben. Pigmentierungen~ welche als geschlossener Ring die Hornhaut vollst~ndig umgaben, babe ieh bei Europiiern nicht gefunden. Bei solchen rein am Limbus befindlichen Pigmentanhiiufungen hatte das Pigment eine bestimmte Anordnung. Es wechselten sehwach oder nicht pigmentierte Streifen mit stgrker pigmentierten, tiefer liegen- den in radienfSrmiger Anordnung um den Hornhantrand. Die kurzen Streifen, welehe eine Liinge yon der Breite der Gesamtpigmentierung hatten, waren ungef~hr gegen die Horn- hautmitte gerichtet. Nur selten aber traten solche Limbuspig- mentierungen allein auf, sondern waren gewShnlieh mit an- dern vergesellschaftet~ welche als die zweite Art zu betraeh- ten sind.

IL Solche n~mlich, welche der tlauptsache nach in der Conjunc- tiva bnlbi lagen nnd in griisserer oder geringerer Entfernung sich yore Limbus befanden. Sie zeichneten sieh vor altem

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durch ihren, wechselnden Pigmentgehalt und die Unregel- mfissigkeit in der VerteiIung des Pigments aus. Anch diese Art yon Pigmentierung war allein zu beobachten.

W~hrend man nun bei der zweiten Art yon Pigmentierung oft in der Lage war, mit der Ze i sssehen Lupe die einzelnen Pigment- zellen zu sehen, war dies bei den ersteren in den dunkler pigmentier- ten Streifen am Limbus nicht mehr mSglieh, da hier die Pigmentzellen massenhafter und dichter angeh~uft waren.

Auffallend war ausserdem, dass die Pigmentierungen im Bereiehe der Lidspalte reiehlicher und gr(~sser waren nnd dort bestimmte Pr~-

dilektionsstellen batten. So waren vor allem die Limbuspigmentie- rungen zum grSssten Teile am unteren frei liegenden Cornealrande zu finden 1).

Aus diesem Grunde dr~ngte sieh mir aueh der Gedanke auf, dass eine Erk]~rung der Pigmentierungen als rudiment~re Erschei- nungen nieht allein geniigt, sondern dass dabei auch gussere Einfliisse, denen nattirlich die Conjunctiva bulbi im Bereiehe der Lidspalte am meisten ausgesetzt ist, eine Rolle mitspielen. Die F~thigkeit Pigment zu bilden mag den Epithelzellen yon Geburt an inne wohnen, ja vielleieht war schon bei der Geburt bei solehen Individuen eine ge- ringe Pigmentierung vorhanden. Zu einer st~rkeren Pigmentbildung

ist es wohl erst unter dem Einfluss jener ~usseren Faktoren gekommen, und als solehen glaube ieh, mtissen wir vor allem die Liehtwirkung betraehten, deren pigmentbildende Wirkung ja jedermann bekannt ist. Ich verweise hier vor allem auf die neueren Untersuchungen yon B i r c h - t t i r s e h f e l d .

Dass ausserdem irgendwelche andere Faktoren, wie kontinuier- licher Reiz durch Staub, mitgewirkt haben, halte ich nicht fiir wahr- seheinlieh.

1) Ich befinde mich damit in einem gewissen Widerspruche zu den Win te r - steinerschen Angaben, welcher (loc. cit.) auf dem 27. Heidelberger KongTesse mitteilte, dass er die Pigmentierungen in der Conjunctiva iiberall gleich haufig, ja viellei~ht etwas haufiger in der Ubergangsfalte beobachtet babe. Ich habe auch speziell auf die Ubergangsfalten und die Conjunctiva tarsi geachtet, babe abet dort nicht so haufig Pigmentflecke angetroffen. Dieser Widerspruch ist aber nicht so schwer zu 18sen. Das Menschenmaterial diirfte an den Wiener Kliniken durch die Beimischung slavischen Blutes durehgangig starker pigmen- tiert sein, als in der Leipziger Klinik, wo wir zwar aueh eine Mischrasse haben, wo abet die Durchsetzung mit wendischen Elementen nur in geringem Grade sich geltend macht. Damit dfirften die divergierenden Befunde eine zwanglose Erkl~rung finden.

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Es ist eben anzunehmen, dass diese Zellen, yon denen wir welter unten sehen werden~ class sie eine Reihe yon Eigensehaften in er- h5htem Masse besitzen, aueh die F~higkeit der Pigmentbildung in h~herem Umfange aufweisen, und dass bereits ein viel geringerer tteiz als bei der gewShnliehen Epi~helzelle zur AuslSsung solcher Funktionen geniigt~

In einer Abhandlung fiber excessive Pigmentierungen am Men- sehenauge yon Sehein 1) finden wir einen ~hnlichen Gedankengang angegeben.

Von der zweiten Art yon Pigmentierungen w~re noeh zu er- w~hnen, dass die Pigmentpunkte teils heller teils dunkler waren. Bei seharfer Lupeneinstellung konnte man aueh mit Sieherheit feststellen, dass die einzelnen Zellelemente sieh in versehiedener Entfernung yon der OberflSehe befanden. Und w~hrend die oberfl~Lehliehen Elemente mehr eine runde Form zeigten, war in den tieferen Sehiehten die ge- streekte Forn) die vorherrsehende.

Dabei zeigte die Conjunetiva bulbi mauehmal in mehr oder min- der grossem Umkreise der Pigmentierungen zweiter Art einen etwas andern Charakter. Sie war dureh leiehte Erhabenheit gegen die fibrige Conjunctiva abgesetzt, wie vor allem im Fa]le 10 und 12. Im FaIle 10 fanden sich aueh wasserklare Bl~schen in die erhabenen Stellen eingelagert, welehe sich ziemlieh sehaff yore umgebenden Ge- webe abhoben. Es handelte sieh bier urn kleinste Cysten, wie mir die mikroskopisehe Untersuehung eines solchen Falles nachher be- stgtigte. Erst mit Hilfe der naehfolgenden mikroskopisehen Unter- suehung war ieh im stande, mir eine riehtige Deutung dieser Beob- achtungen zu verschaffen.

Anatomisches und Pathologisches .

Wenn ich nun zu der genaueren Analyse des mikroskopischen Bildes iibergehe, so ergibt sich: dass aueh auf Grund der mikrosko- pisehen Befunde die eben gegebene klinische Einteilnng sich als ge- reehtfertigt erweist. Die Pigmentierungen am Limbus finden sieh niimlich in der ttauptsache der basalen Epithelschicht eingelagert. Hier finden wir die Zellen zum Tell vollgepfropft roll PigmentkSrn- ehen. Die Chromatophoren unter dem Epithel treten dagegen nur in geringer Anzahl auf. Das klinische Bild der streifenfSrmigen Pig-

1) Sehein~ Albert, I~ber excessive Pigmentierungen am Menschenauge. Beitr. zur Augenheilk. Heft 64. S. 75. 1905.

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mentierung ist also allein yon der basalen Epithelsehieht abh~ingig. Nun finden wir aber an Schnitten, welehe tangential zum Limbus gelegt sind, dass die Basalschicht des Epithels durchaus keinen gleich- mgssigen PigmentgehaIt aufzuweisen hat1).

Nur die Epitheleinsenkungen haben mit PigmentkSrnern ver- sehene basale Zellen~ w~hrend das Epithel da, wo es auf den da- zwischen liegenden Erhebungen des Bindegewebes sich befindet und unverh~Itnism~ssig diinn ist, in seiner basalen Schicht yon Pigment vSllig frei sein kann. Mit der Zeisssehen Lupe sehen wir daher in ganz entspreehender Weise im Bereiche des Limbus ein radigres Streifensystem. Die tiefer liegenden Sehichten des Epithels sind die pigmentierten, die hSher liegenden die pigmentfreien Streifen. Dureh diese ungleiehmgssige, aber regelreehte Art der Verteilung des Pig- ments sind wir in der Lage, den anatomischen Bau des Limbus schon mit der Lupe in vortrefflicher Weise bei solehen Pgllen be- obachten zu kSnnen. Wie dann ein genaueres Studium mit dem Mikroskop noch ergibt, sind auch die basalen Zellen der Epithel- einsenkungen nieht durchwegs pigmentiert~ sondern inmitten der l%ihe treffen wir welche an, welche unpigmentiert sind oder nur wenig Pigment enthalten. Zuweilen lassen sich aber diese Verh~lt- nisse, wenn auch nicht so gut, in unpigmentiertem Zustande mit der Lupe erkennen.

Im iibrigen unterscheidet sich diese basale pigmentierte Epithel- schicht gerade am Limbus durch nichts yon gewShnliehen basalen Epithelzellen. Wir finden aneh hier die Protop]asmabriieken, welche ringsum die Zellen miteinander verbinden, wir finden die im Proto- plasma der Zellen suspendierten Fibrillen, welche durch die Brticken und das Protoplasma der Zellen yon einer Zelle in die andere ziehen.

I) Zum Verstandnis ]st es nStig, in Ktirze die anatomischen VerhMtnisse des Limbus zu besprechen. W~hrend die Conjunctiva bulbi eine glatte mehrschich- tige Epithellage bildet, ~ndert sich das Bild am Limbus insQfern, als sich die Epitheldecke in FMtchen radiar zum Limbus wirft. Epitheleinsenkungen wechseln ab mit Erhebungen des subepithelialen fibrill~ren Bindegewebes. Man hat dann auf Taugentialschnitten den Eindruck yon Papillen der Bindehaut. Es handelt sich aber, wie Serienschnitte ergeben und wie auch die Betrachtung mit der Lupe lehrt, um richtige fortlaufende furchenartige Einsenkungen des Epithels, welche mit Erhebungen des Bindegewebes abwechseln. Sowohl die Furchen .(Einsen- kungen des Ephitels) wie die dazwischen befindlichen Erhebungen des Binde- gewebes (Leisten) sind in ihrer Ausdehnung auf den Limbus beschr~nkt, stehen senkrecht auf dem Cornealrand nnd zielen ungefahr zur Hornhautmitte. An der Oberflache sind die Niveauunterschiede durch dickere und diinnere Zellagen des Epithels vollstandig ausgeglicher, Ich verwsise hier aaf Taf. X, Fig. 1.

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An der basalen Seiie beobachten wit eine wohl ausgebitdete Basal- membran, nur ist all dies nicht so leicht zu sehen, wie an unpigmen- tierten Elementen.

Meine Befunde decken sich in diesem Punkte vollkommen mit den Angaben yon Ba r t e l s t ) , Manzsche Driisen konnte auch ich in der Conjunctivg des 1VIenschen nicht finden.

Ebenso verhielten sich die Pigmentierungen~ welche in einiger Entfernung yore Limbus anzutreffen waren. Aueh hier fanden sich in der glatten Epithelschicht 2) vereinzelte, manchmal zu grSsseren Komplexen zusammenliegende, mit Pigment beladene Zellen, wenn- gleich da ihre Zahl geringer und ihre Verteilnng viel unregelmiis- siger als am Limbus war. Das Pigment war vorzugsweise in der Basalreihe des Epithels deponiert, doch waren auch Zellen in den hSheren Schichten zu finden, welehe mit PigmentkSrnchen versehen waren.

Wenn wir nun die his jetzt beschriebenen Erscheinungen zu- sammenfassen, so kSnnen wir unser Urteil dahin zusammenfassen, dass wir es hier lediglich mit einem Rudiment desjenigen normalen Befundes zu tan ha.ben, wie ihn uns F i s c h e r und Coppez jr. an Tieren und melanotischen Rassen gezeigt hat.

In der Tat hatten auch diese pigmentierten Epithelzellen, die man auch sonst bei Untersnchung normaler Bulbi als Zufatlsbefund ganz vereinzelt antreffen kann, in ihrer Struktur nichts besonderes und yon dem normalen Aufbau einer Epithelzelle abweichendes auf- zuweisen, wenn iiberhaupt das Epithel an der betreffenden Stelle nor- mal war.

Es h~itte also dieser Befund nichts auffallendes, wenn nicht da- mit eine zweite Erscheinung verkniipft w~ire, welche das Interesse in Anspruch nehmen muss und welche wit bereits in den Bereich des Pathologischen verweisen miissen.

Es waren niimlich im subeonjunetivalen Gewebe Zellansamm- lungeu anzutreffen, welche ebenfalls Pigmentzellen enthielten. Unter dem Epithel des Limbus, also direkt am Cornealrande, waren sie ge- wShnlich nicht so reichlich, nahmen dagegen mit der Entfernung vom IAmbus an Masse zu. Sie folgten in ihrer Lagerung in mehrfachen Etagen den Ziigen des subeonjunctivalen Bindegewebes und waren

1) Bartels~ M., Zur Darstellung der Manzschen Driisen und ihre Be- ziehungen zu den Cysten. Zeitsehr. f. Augenheilk. Bd. XX, 3. Sept. 1908.

~) Das Deckepithel iiberzieht Ms eine volls~ndig glatte, yon Pupillen freie 6--8 schichtige Zellage das reguliire und spartich vorhandene lockere Bindegewebe.

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tells vollst~ndig unpigmentiert, tells hinwieder reichlich mit Pigment beladen.

Dieser Befund harmoniert ganz mit dem Bilde tier Zeissschen Lupe; auch mit der Lupe wareu die Pigmentpunkte in weehselnder Tiefe zu finden. Doch konnte man natiirlich nicht entscheiden, wie viel davon sich im Epithel und wie viel sieh unter dem Epithel be- land. Das mikroskopisehe Bild lehrt uns nun erg~nzend, class das Gros der Pigmentierungen bei den abseits yore Limbus liegenden Zellhaufen unter dem Epithel deponiert ist.

Bei der Betrachtung und der Deutung solcher Bilder kann man gar nieht im Zweifel dariiber sein, dass wires hier mit dem patholo- gisch-mikroskopischen Bilde des Naevus in der reinsten Form zu tun haben. Und zwar fanden sich in meinen Pr~tparaten alle Stadien, yore ersten Anfange der Naevusbildung his zu dem vSllig ausgebil- deten Zustande des Naevus pigmentosus, jedoch waren auch die aus- gebfldeten Naevi gewShnlieh klein, dabei flaehenhaft und erreiehten hSchstens eine GrSsse yon 5--7 mm Durehmesser. Dass es sieh um Naevi handelte, ergibt nieht nur das mikroskopisehe Gesamtbild, so- wie ein Studium aller einscht~gigen VerhEltnisse, sondern, wie sieh aus dem Fo]genden ergibt, aueh eine genauere Analyse der einzelnen Elemente.

Ich will damit zwar nieht behaupten, dass jede Conjunetiva, welehe Pigmentierung im bas~len Epithel besitzt, nun aueh unter dem Epithel einen Naevus in Form einer eireumseripten Zellanh~u- lung mit den chars~kteristisehen Eigensehaften aufweisen miisse, es kSnnte sich j~ wirklieh einmal nur um ein Rudiment jener den melanotischen Rassen eigenttimliehen Erscheinungen h~ndeln. Je- doeh muss ich betonen, dass meine sgmtlichen excidierten Con- junctivalsttieke~ welche bereits m~kroskopiseh siehtbare Pigmentiernngen aufwiesen, ausser der Epithelpigmentierung aueh subepitheliale Zell- anhEufnngen in Begleitung hatten, class Zellansammlungen, wenn aueh manehmal in mgssiger Form, auf einer Reihe yon Schnitten stets zu beobachten w~ren, und class somit doeh diese Annahme in hohem Grade wahrseheinlieh erseheint. Damit w~re fiir alle Pigmentierungen der Conjunetiva die Bezeiehnung ,,Naevus" die angebraehte.

Doeh diirften wohl noch umfangreichere Untersuchungen wiin. schenswert erscheinen, um das Zusammenfallen beider Erscheinungen, der Epithelpigmentierung und der pigmentierten Zellansammlung unter dem Epithel als Regel hinzustellen. Um dafiir sichere Resultate zu erhalten, geniigt es aber nicht, einige Schnitte aus einem solch ex-

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cidierten Stiickchen anzufertigen und zu untersueben, sondern es ist notwendig~ sich eine ltickenlose Serie herzustellen, weft sonst leicbt der subepitheliale Zellherd der Beobachtung entgehen kann. In seiner Ausdehnung ist er gewShnlieh kleiner als die epitheliale Pig- mentierung.

Ich babe die excidierten Conjunctivalstfiekehen, die ja stets sehr klein waren, unmitte]bar nach der Excision auf einem Stfickehen Bill- roth-Battist sorgf~ltig ausgebreitet und dann in die Fixierungsfliissig- keit gebracht, um damit eine die topographische ~bersieht vollst~n- dig vernichtende Faltung und Sehrumpfung hintanzuhalten. Dies ist mir auch in jedem Fa]le gelungen. Die konservierten Stfieke habe ich in liickenlose Serienschnitte yon 5- -6 / l Dicke zerlegt and in griisserer Anzahl auf einze]nen Objekttr~gern untergebracht und bei den einzelnen Objekttr~igern Fiirbungen der verschiedensten Art an- gewendet.

Vor allem war ich bemfibt~ solehe F~rbungen in Anwendung zu bringen, mit welehen eine priizise Darstellung des Protoplasmas und ausserdem des Bindegewebes ermSglicht wnrde. Die H e i d e n h a i n - sche Fiirbung des ProtopIasmas, vor allem in der Heldsehen Modi- fikation, um die feinsten Protoplasmastrukturen und Protoplasmaver- bindungen beobaehten zu k5nnen, und die Fi~rbung nach Mal lo ry , um die feinsten Bindegewebsfasern sichtbar zu maehen, leisteten mir ausgezeichnete Dienste. Siimtliche Pr~parate waren in Z en k e r scher LSsung fixiert und in Paraffin eingebettet.

Dabei machte icb ausserdem noch die Erfahrung, dass man wobl an keiner andern Stelle fiber die Entstehung der Nae~d so sichere Aufsehlfisse gewinnen kann, wie gerade an der 0onjunetiva bu]bi. Dies liegt vor allem daran, class alas Conjunctivalepithel voll- st~ndig glair ohne Papillenbildung fiber der subepithelialen Binde- gewebsschicht liegt, dass ausserdem die Bindegewebssehiehten diinn und nur spiirlich mit ze]ligen Elementen durchsetzt sind.

Wenn irgendwo~ so musste aus den angefiihrten Griinden bier fiber die tterkunft der iNaevuszellen, fiber welehe unter den Autoren, wie eine Durchsieht der Literatur ergibt, noeh grosse Meinungsver- sehiedenheiten herrsohen, Aufschtuss zu erhalten sein. Ieh babe daher gerade auch in dieser Hinsicht meine Pr~parate einer genauen Prfifung unterzogen.

Zwei grosse Gruppen yon Anschauungen stehen sich in der Be- nrteflung fiber die Entwieklung der pigmentierten M~ler in patho- logisch-anatomisehen Kreisen gegeniiber.

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 207

Die eine schreibt ihnen eine mesodermale Entstehung zu, sei es nun, dass sie aus den Endothelien der Blutgef~isse oder aus Endo- thelien der Lymphrgume hervorgehen, oder aber aus Pigmentzellen oder embryonalen BindegewebszeHen ihren Ursprung nehmen sollen.

Demiev i l l e 1) hat wohl als erster auf einen Zusammenhang zwischen den Blutgef~sswgnden und den Naevuszellen hingewiesen. Er land aber in den folgenden Arbeiten fiber dieses Gebiet nur we- nig Anklang und Anhgnger seiner Anschauung, teilweise hielt man die Naevuszellen fiir endothelialer, teiiweise fiir perithelialer Abkunft.

Nur L S w e n b a c h 2) vertritt in einer neueren Arbeit wiederum die Abkunft der Naevuszellen yore Endothel der Blutgefgsse. Hierher ist aueh die Arbeit yon F o s t e r s) zu zghlen~ welcher den Blutgefass- endothelien einen Anteil bei der Entstehung der Naevi einr~umt.

Und als vo]]ends kurze Zeit naeh der Arbeit D e m i e v i t l e s die Untersuehangen yon R e c k l i n g h a u s e n 9 bekannt wurden, welcher yore Lymphgefiissendothel die Entstehung der Naevi herleitete, wurde diese Ansehauung in weiten Kreisen der Pathologen und Dermato- logen die herrschende und hat vide Jahre hindureh iiberwiegende Gettung besessen. Die auff~tlligen Beziehungen der Naevuszellen zu den Lymphgef~ssw~nden sind auch yon spgteren Untersuehern, wenn- gleich sie auf Grund eigener Untersuehungen anderer Meinung tiber die Herkunft der Naevuszellen waren, ausdriicklich hervorgehoben worden. Ausserdem wurde die Theorie yon R e c k ] i n g h a u s e n dureh eine Reihe yon Arbeiten aus andern Instituten gestiitzt.

Der endothelialen Abstammnng l~sst sich ein Entstehungsmodus gegeniiberste]len, der aus den freien Zellen des Bindegewebes die Naevuszellen hervorgehen lgsst.

Schon S imon s) hat im Jahre 1848 sich als erster ftir eine bindegewebige Entstehung der iNaevuszellen ausgesproehen. Diese Anschauung~ welche auch yon V i r ehow und Andern vertreten wurde, hat in neuerer Zeit gewisse Modifikationen erfahren.

~) Demieville, Uber die Pigmentflecke der Haut. Virchows Arch. Bd. LXXXI. S. 333. 1880.

~) LSwenbach, Zur Histiogenese der weichen Hautnaevi. Virch. Arch. Bd. CL¥II. S. 485. 1899.

s) Foster, Uber unpigmentierten Naevus der Bindehaut. Klin. Monatsbl. 1904. I.T.S. 525.

~) Recklinghausen, Ft., Uber die multiplen Fibrome der Haut usw. 1882. 5) Simon, G., Die Hautkrankheiten dutch anatomische Untersuchungen er-

liiutert. Berlin 1848.

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R i e h l und sein Schtiler R i e c k e 1) erkl~ren die Naevuszellen flit A bkSmm]inge embryonaler~ nieht welter entwickelter Bindegewebszellen.

R ibber tS ) und seine Sehule leiten dagegen aus einer scharf um- sehriebenen Zellart des Bindegewebes, den Chromatophoren, die Nae- vuszellen und Zellen der melanotischen Tumoren ab, sie finden weit- gehende Analogien zwisehen der Entstehung der Naevus- und Tumor- zel]en und der norraalen Entwicklung der Cromatophoren. Diese Richtung hat vor allem neuerdings B o r r m a n n 3 ) vertreten.

Es wfirde viel zu welt ffihren, diese einzelnen Theorien fiber mesodermale Entstehung klJtisch zu prtifen und yon seinen theore- tischen Gesichtspunkten aus zu untersuehen. Es soll dies vielmehr sp~terhin bei der Besprechung der eigenen Befunde~ soweit es nStig erscheint~ geschehen.

D i e z w e i t e (} ruppe l~sst den Naevus seinen Ursprung aus dem Epithel nehmen. Der Begrfinder und Vertreter dieser Anschau- ung ist Unna~), welcher seit dem Jahre 1893 mit Naehdruek die Anschauung verfocht, dass die Naevi sich aus dem Epithel ent- wickeln~ und zwar aus der Basalschieht des Deckepithels. Sie sind also demnach ektodermaler Abkunft.

Ein weehselndes Geschick ward dieser Theorie U n n a s zu tell. Ein Literaturstudium zeigt uns, dass sie bei ihrem ersten Bekannt- werden hartngckig bekgmpft wurde. Aber allmghlieh haben auch eine Reihe ihrer Gegner sich zu ihr bekannt. Und auf die Seite U n n a s haben sich eine Reihe yon Dermatologen und Patho- logen, wie K r o m a y e r S ) , MarehandG) , O r t h und ihre Schiller ge- stellt~ w~hrend yon seiten der Gegner, zu denen konsequenterweise alle gehSrten, welche aueh fiirderhin noeh ffir die mesodermale Ab-

1) Riecke, E., Zur Naevusfrage. Arch. f. Dermatol. u. Syphilis. Bd. LXV, 1. ~) Ribbert , Uber das Melanosarkom. Beitr. z. Anat. u. Path. Herausgeg.

v. E. Ziegler. Bd. XXI. S. 471. 1897. 8) Borrmann, Pathologie der Geschwfilste. Lubarseh u. Ostertag, Er-

gebnisse der allgem. Pathologie. 1900--1901. S. 855. 4) Unna, NaeYi und Naevicaroinome. Berl. klin. Wochenschr. Jahrg. XXX.

Nr. 1. S. 14. 1893. - - Die Histopathologie der Hautkrankheiten. 1894. S. 1145. Zur epithelialen Abkunft der Naevuszellen. Virch. Arch. Bd. CXLIII.

S. 224. 1896. -- Histologischer Atlas zur Pathotogie der Haut. Heft 5. 1901. 5) Kroraayer , Zur Histiogenese der weichen Hautnaevi, Metaplasie yon

Epithel zu Bindegewebe. Dermat. Zeitschr. Bd. III. S. 263. 1896 . - Erwide- rung auf den Aufsatz Prof. Ribberts fiber dasMelanosarkom. Ziegiers Beitr. ]~d. XXII. S. 412. 1897. - - Die Parenchymhaut und ihre Erkrankungen. Arch. f. Entwicklungsmechanik d. Organism. Herausgeg. v. Roux. Bd. VIII. S. 253. 1899.

s) Marchand, VerhandL d. deutsehen pathol. Ges. in ~finchen. 1899. S. 84.

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 209

kunff des Naevus eintreten, Griinde der verschiedensten Art gegen die Ausfiihrungen U n n a s und gegen die K r o m a y e r s ins Feld ge- fiihrt wurden.

Speziell hat R i b b e r t in seiner schon erwi~hnten Arbeit fiber das Mel~nosarkom die Ang~ben U n n a s und K r o m a y e r s einer seharfen Kritik unterzogen und dabei eine neue Theorie fiber die Entwiek- lung der Naevi und der Melanosarkome aufgestellt. Als schwer- wiegendsten Einwand seiner Ausffihrungen maeht er wohl geltend, dass es sieh in den beschriebenen Fiillen gar nieht um ein AblSsen yon Zel len 'aus dem epithelialen Verbande, sondern um ein Gegen- wuchern der Naevushaufen yon unten her gegen das Epithel handle, und so komme die Verbindung zwischen ~'aevus und Epithel zu stande; deshalb habe es such den Anschein, als ob die Naevuszellen in Epithelien iibergingen.

In dieser Weise ha, t sich such R i e c k e (loe. dr.) geiiussert und ausserdem H e r x h e i m e r 1) zu wiederholten Malen. B o r r m a n n 2 ) , ein Sehtiler R i b b e r t s , bringt ausserdem als weiteren Grund gegen U n n a , dass man sich bei seiner Auffassung unmSglich erkliiren kSnne, wie ein aus dem ]3asalepithel entstandener Naevus dort an dem Orte seiner Entstehung nieht seine grSsste Ausdehnung erreiehe, sondern erst in mehr oder minder grosser Entf'ernung davon. In diesem Sinne sind vor allem die Arbeiten yon A b e s s e r s) und L a r - ras ¢) interpretiert worden, welehe sich ganz auf den Unnasehen Standpunkt stellten.

Wenn wir uns, abgesehen yon diesen gegnerischen Ansichten, welche uns bei der Bespreehung der eigenen Beobaehtungen noeh ausfiihrhcher beschgftigen werden, die Lehre U n n a s in ihren Details betrachten, so finden wir, dass das Phgnomen der ZellablSsung aus dem Epithel in verschiedener Weise beobaehtet und in verschiedener

1) Herxheimer, Neoplasmen der Ha ut. Ergebn. d. spez. Pathol., l~orph. u. Physiol. d. Sinnesorgane. Abt. IV. ]896. -- U. Loetsch, Neoplasmen der Haut. Ergeb. d. allgem. Pathol. u. pathol. Anat. Jahrg. IV. 1897. -- u. Hilde- brand, Neoplasmen der Haut. Ergebn. d. allgem. Pathol. u. pathot. Anat. Jahrg. VII. S. 362. 1900--1901.

~) Borrmann, Pathologie der Geschwiilste. Ergebnisse der allgem. Path. u. path. Anat. Jahrg. VII. S. 558. 1900--1901.

a) Abesser, M., ~ber dieHerkunft und Bedeutung der in den sog. Naevi der Haut vorkommenden Zellhaufen. ¥irch. Arch. Bd. CLXVI, 1. S. 40. 1901.

4) Larras , 0., Beitr~ge zur Kenntnis der melanotischen ~eubildungen. Arbeit aus d. pathol.-anat. Abt. d. kgl. Hygien. Inst. zu Posen. Herausgeg. yon O. Lubarsch.

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Weise gedeutet worden ist. U n n a selbst spricht yon einem Ab- tropfen tier Zellen aus dem epithelialen Verbande. K r o m a y e r glaubt, dass die aus dem epithelialen Verbande losgelSstea Zellen durch dan weitere Wachstum des B indegewebes welter veto Epithet abgeriiekt werden, ja er sehreibt ihnen sogar dann Eigenschaften yon Bindegewebszellen zu, n~mlich die F~higkeit.en, eollagene und elastisehe Bindegewebsfibrillen zu bilden.

Diese Beobaehtungen K r o m a y e r s sind yon nachfolgenden Untersuehern teils best~tigt, tefls in Abrede gestellt worden. Aueh in der lmueren Arbeit yon F a v e r a 1) konnten derartige Funktionen der Naevuszellen nicht gefunden werden.

Gerade die Ausfiihrungen K r o m a y e r s werden uns aber im Naehfolgenden ansfiihrlieher beschiiftigen mfissen, zumal da eigene Befunde uns veranlassen, dazu genauer Stellung zu nehmen.

Aus tier ophthalmologischen Literatur mSehte ieh hier noch die zusammenfassende Arbeit yon Saemisch ~) erwiihnen.

Er hat im gandbuche der Augenheilkunde yon Gr a e fe - S a e m i s c h eine umfassende ausgezeiehnete Zusammenstellung fiber alle bereits be- schriebenen Fiille yon Naevus der Conjunctiva zusammengestellt und dabei auch die allgemein pathologisch wichtige Frage ventiliert~ ob die ~qaevi epithelialer oder bindegewebiger Abkunft sind, liisst sie j edoeh often.

Fuchs 3) nimmt in seinem Lebrbuehe eine bindegewebige Ab- kunft der Naevuszellen an.

Wenn ieh nun zu tier Beschreibung meiner eigenen Befunde tibergehe~ so l~sst sieh das allgemeine vorweg sagen, dass die yon mir untersuchten Naevi entsprechend dem ganzen Milieu ihres Stand- ortes stets klein waren und niemals die Dimensionen yon •aevis er- reichten, wie wir sie bei Hautmglern finden. Das grSsste Objekt hatte nnr die GrSsse einer halben Erbse, also fiir seinen Sitz am Auge doch eine ziemlieh betrachtliche Ausdehnung. Die Kleinheit der Objekte ist aber ganz gewiss, kein ~qaehteil fiir die mikroskopische Untersuehung, bietet vielmehr eine ganze Reihe yon Vorziigen. J a wenn man die Frage nach der Entstehung beantworten will, sind mSglichst kleine Objekte wohl eine unerli~sstiche Bedingung. Denn da bei grSsserem Wachstum der ~qaevi stets ~[achbargebiete mit in

1) Favera, Ein Beitrag zur Kenntnis der Pigmentnaevi. Aus dem pathol. Inst. zu Leipzig. Zieglers Beitr. Bd. XLIII. S. 43. 1908.

~) Saemisch, Die Krankheiten der Conjunetiva, Cornea und Sklera yon Th. Saemisch. Graefe-Saemiseh, II. Aufl.S. 631.

3) Fuchs, Lehrb. d. Augenheilk. 1903. S. 148.

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Der ~Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 211

ihren Bereich einbezogen werden und dadurch Zusammenhi~nge zwi- schen Gewebsteilen geschaffen werden kSnnen~ weiche nur sekundiirer Natur sind, so kSnnen fiiglich derartige Objekte ftir das Studium der Genese nur mit grSsster Vorsicht herangezogen werden, ein Mange], der aueh einem grossen Tell der an der Haut besehriebenen ~aevi an- haftet. Ausserdem war ich noch in der vorteilhaften Lage, infolge der Kleinheit des Objektes liickenlose Sehnittserien yon dem ganzen excidierten Conjunctivalsttick anlegen zu kSnnen.

Bet meinen kleinsten Objekten handelte es sich um Ansamm- lungen yon nur 20--30 Zellen unter dem Epithel, der Vergleich aber mit ausgebildeten :Formen braehte auch hier den sicheren Beweis, dass man es mit ~qaevis zu tun babe.

Ich beginne nun mit der Beschreibung eines der kleinsten Naevi. Es hande]te sich um recht spitrliche Zellansammlungen unter dem Epithel~ die ausnahmsweise im Limbusgebiet unter den Epithelfalten sich ~orfanden. Doch ergaben sich hier schon derartig eigentiimliche Charakteristica der Zellen, dass sieh die ~aevusform nieht in Abrede ste]len lgsst.

I. Fall. F.~ Martha~ 35 Jahre. Hypermetropia oc. utr. Rechts d- 5,0, links --~ 4~0. War niemals augenkrank.

Am linken Auge im unteren ~iusseren Quadranten bis in den Limbus sich erstreckender~ etwa 2- -3mm grosser Pigmentfleck. Mit der Zeiss- schen Lupe ist im Bereich des Limbus eine dicht streifenfSrmige und radi~ir zum Limbus gestellte Anordnung des Pigmentes zu beobachten. Ausserhalb des Limbus sind mit der Lupe hellere und dunklere Pigmentpunkte erkennt~ tieh~ welche anseheinend ebenfaIls ziemtich oberfl~ichlieh liegen.

Excision mit dem Messer, welche sieh glatt bewerkstelligen l~sst~ Aus- breitung auf Billroth-Battist und Fixierung in ZenkerlSsung.

Mikroskopische Untersuchung. Quel~chnittserie tangential zum Limbus, Schnittdicke 5,u. F~trbung

Heidenhain nach der Modifikation yon t te ld, sowie Fiirbung nach Mallory. In der ganzen Schnittserie wechseln Epitheleinsenknngen mit Binde-

gewebserhebungen. Die basale Epithelschicht ist durchgehends stark pig- mentiert. Die Einsenkungen des Epithels sind unregelmitssig~ nach unten vielfaeh kolbig verdickt and deft zuweilen noch sekund~,r einige Male ge- teilt~ so dass ein solcher Epithelfortsatz sich manehmal welt unter der ba- salen Schicht hin erstreckt. Man tfifft dann diese Epithelforts~tze als seheinbar isolierte Epitheihaufen unter dem Epithel an. An den diinneren Sehichten ist das Epithel 4--5schichtig~ es besitzt aber an der Stelle der Einsenkungen bis zu 10 und inehr Lagen.

Die epithelialen Zellverbindungen in den oberfl~chlichen Lagen sind gut ausgebildet~ die Protoplasmabriicken iiberall leicht nachweisbar. Je-

v. Graefe's Archly Flit Ophthalmologie. LXXI. 2. 15

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doch sind in der hasalen Epifllelsehicht die Epithelverb~inde teilweise deut- Iieh geloekert~ die Protoplasmabriieken fehlen zuweilen vollst~ndig uncles maeht dann den Eindruck, als ob manehe Zellen der basalen Reihe ganz isoliert t~igen.

An einer Stelle nun finden wir dureh die ganze Sehnitfserie eine solehe flu'ehenartige Epitheleinsenkung in ihrem Baue gelockert. Das Epi- thel ist in einzelne Zellen auf~elSst, die nur noeh in ihrer Gesamtlagerung den Eindruck eines Epithels maehen und dadureh~ dass wir sie in der direkten Fortsefzung der Epifhelreihe finden. Jedoch finden wir nur einen ~iusserst sp~rlichen, ja zuweilen iiberhaupt keinen Zusammenhang der Zellen mehr. Der ganze Epithelhaufen maeht den Eindruck~ als wenn er ausein- anderffesprifzt w~ire. Die Zellen tragen zum gressen Tell nicht mehr den Charakter yon Epithelzellen, sie sind nicht polyg0nal~ sondern teilweise mehr l~inglieh~ das Protoplasma ist sp~irlieher. Dass w i r e s hier mit ether voll- sliindigen Aufli~sung der Epithelmasse in ihre einzelnen Elemente zu tun haben~ kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Die Erscheinung ist um so augenf~liger~ als sie sieh sonst nirgends im ganzen Epithelbelag zeigt.

Das Bindegewebe ist im allgemeinen locker angeordnet. Die Fibril- len~ weldm zum grSssten Teil aus eollagenen Fasem bestehen (es finden sich nut sp~irliehe elastisehe Elemente eingestreut)~ liegen in Btindeln feiner Fasern parallel oder senkreeht znr basalen Epithelschicht~ vielfach sieh auch in schriiger Riehtung durehkrenzend. Sie sind in ihrem ¥erlaufe yon den zahlreiehen~ ziemlieh voluminSsen Gef~issen abh~ingig~ welche zuweilen fast nnmittelbar nnter dem Epithel zu liegen kommen.

Die zelligen Elemente der subepithelialen Fibl~llensehieht rekrutieren sich erstens aus gewShnlichen Bindegewebszellen~ welche in ihrer langge- streckten Form mit vielen I-h'otoplasmaauslaufern unverkennbar sind. Ausser- dem sind gar nieht selten Mastzellen anzutreffen~ welche mit ihren ungemein groben r sieh dunkel f~irbenden ~rotoplasmagranula sogleich in die Augen fallen. Drittens finden sieh aber Zellen in ziemlieh reiehlieher Weise ein- gelagert~ welehe einen hiiehst merkwtirdigen Charakter tragen und an manehen Stellen gehS.uft an~'efen.

Letztere liegen zu mehreren oder vereinzelt gewi~hnlieh dieht unter dem Epithel~ ohne gr~issere Haufen zn bilden. Vet allem fSJlt auf~ dass sie durehwegs eine rundliehe oder polygonale Form haben, das Protoplasma ist im Verhaltnis zu dem grossen blasehenf~rmigen Kern sp~rlieh, Ausl!~ufer fehlen vollstiindig. Eine Granulierung des Protoplasmas ist nirgends naeh- weisbar~ doeh finder man nieht selten im Protoplasma vereinzelte Pigment- kSrnehen eingelagert. Charakteristiseh far die Zellen ist, dass sie mit einem haarseharfen sieh dunkler tingierenden Rande~ sozusagen mit einer Grenz- membran ihres Protoplasmas auf das priiziseste gegen das umgebende Bindegewebe abgesetzt sind. Sie sind aueh noeh dadureh gekennzeiehnet~ class sie nieht einkernig, sondern weitaus in der Mehrzahl der F~lle zwei- kemig sind. Ihre Deutung ist nieht ohne weiteres zu geben. Jedenfalls erinnern sie im ganzen Aussehen naeh Form und sonstigen Eigenschaften sehr an Epithelzellen, man wiirde sie wohl am besten als epitheloide Zellen bezeiehnen.

Umdas ganze mikroskopisehe Bitd verstitndlieher zu maehen, bedarf

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noch eine Erseheinung am Epithel genauer Beschreibung. Wie ieh sehon bemerkte~ beobaehtet man allenfllalben an der basalen Epithelsehieht Locke- rungen im epithelialen Verband% ja Zellen, wetche mitten in der Reihe isoliert tiegen~ sind gar nicht selten zu finden, und sogar solch% welche aus dem Epithel gegen das Bindegewebe vorgeriiekt und aus dem epithe- lialen Verbande auszuscheiden im Begriffe sind. Dieser Vorgang, welcher sich in allen Stadien genau beobachten l~sst, spielt sieh ungef~ihr folgen- dermassen ab.

Eine Epithelzelle, welehe sonst ringsum in t'estestem Konnex durch Protoplasmabrfieken mit den benachbarten Zellen steht, verliert diesen Zu- sammenhang an irgend ether Stelle, so zwar~ dass eine VakuoIe im Proto- plasma auffritt. Es spielt sieh dieser Vorgang der Vakuolenbildung stets am Rande des Protoplasmas unmittelbar vor den Protoplasmabrfieken ab, dieser Raum dehnt sich sehliesslieh um die ganze Zelte mit Anfgabe s~mt- lieher protoplasmatiseher Verbindungen tier Naehbarschaft ans~ nnd der Endeffekt ist~ dass eine solehe Zelie in einem Hohlraume liegt, der rings umgeben yon den benachbarten Epithelzellen~ gegen das Bindegewebe abet yon der ehemaligen Basalmembran abgeschlossen ist. Der Hohlraum wird gr5sser, die Basalmembran wSlbt sieh infblgedessen gegen das loekere Bindegewebe vor, sie reisst schliesslich ein und damit ist der Zelle der Weg in das subepitheliale Bindegewebe often.

W~thrend sic]] aber dieser Prozess abspielt, hat sich die ringsum Ios- gelSste Zelle bereits wieder mit einer festeren Aussenschieht yon Protoptasma~ einer Basalmembran umgeben~ welche manchmal sehon als ein dunkter Saum zu beobaehten ist~ wean sie noch mitten im Epithel liegt. Und so kann man denn solche Zetlen~ welche bereits die Charaktere der im Bindegewebe anzutreffenden Zellen aufweisen, bet einiger Anfmerksamkeit auch tiberall im geloekerten Epithelverband antreffen. Es ist ohue Zweifel~ dass wir hier vor der Erseheinung stehen~ dass sich Zellen der basalen Sehieht aus dem epithelialen Verbande losmaehen und in das Bindegewebe geraten. Der Endeffekt ist dann~ dass sieals die schon besehriebenen Gebilde im Binde- gewebe liegen nnd da aueb noch in unverkennbarer Weise ihren Charakter als Epithelzellen beibehalten.

Ieh fiige aber gleieil hier eta, dass bet dieser LoslSsung aus dem epithelialen Verbande noch eine zweite Kategorie yon Zellen entstehen kann, welehe grundversehieden yon jener ersten Form ist und den Charakter als Epithelzetle in keiner Weise mehr erkennen tiisst. Dieser Modus war bier wenig ausgesprochen und soll bet den sp~teren F~illen seine nahere Be- sehreibung finden.

Ieh bemerke nur noch fiber die Zellen ersterer Art~ dass sie naeh ihrem Kern sich in zwei Gruppen einteilen ]assen. In solehe, welehe einen mit Chromatin vollgepfropften, fast sehwarz gefarbten Kern und solch% welehe einen relativ chromatinarmen hellen Kern auhuweisen batten. Sie verllalten sich also auch so wie im Epithel. KernkSrperehen gr(isserer Art waren nur selten anzutreffen~ ausserdem fehlten Mitosen vollstKndig. Es ist dies um so bemerkenswerfer~ als es sieh um lebensfrisch excidierte und fixierte Pr~iparate handelte.

Ieh verweise hier auf Tat. X~ Fig. 1 und 2. In Fig. 1 sind 15"

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die subepitheliaien Zellen, in Fig. 2 ist die LoslSsung der Zeilen zu sehen.

II. Fall. F., Hermann, 44 Jahre. Reehts Vis. 616. Links Finger im unteren Teile des~Gesichtsfeldes auf 2 m. Ablatio retinae sinistrae. Patient war wegen des linken Auges noch nicht behandelt worden.

Linkes Auge: Im nnteren ~iussel'en Quadranten des Bulbus Pigmenfie- rung~ welehe im Limbus etabliert ist. Unter dem vorhandenen Gerontoxon sieht man die Pigmentierung sieh etwa noeh I mm weit in die Hornhaut hineinziehen. Ausserdem erstreekt sie sich aber noch 3 - -~mm in die Conjunetiva bulbi. Bier ist die Pigmentierung unregelm~ssiger und an- seheinend aueh oberflaehlieher als im Limbus. Naeh unten ist die Pigmen- tierung im Limbus bis zur Vertikalen zu verfolgen. Die F/~rbung ist im ganzen gelbbraun.

Excision der Pigmentierung in der Conjunetiva bulbi~ die pigmentierte Stelle in der Hornhaut wnrd% um eine Sehadigung des Hornhautgewebes zu vermeiden~ belassen.

Mikroskopisehe Untersuehung. Die Epithelsehieht ist 8--10sehichtig~ Papillen fehlen in der ganzen

Ausdehnung des Ep]thels. l~berali finden sieh mit Ausnahme der obersten Schichten pigmentierte Epithelzellen. Das Pigment liegt sowohl auf der basalen wie ant der freien Seite der Zellen und ist gewShnlieh durch einen feinen siehelfSrmigen Hot veto Kern getrennt. Das Epithel zei~ auch bet starken VergrSsserungen mit Ausnahme ether Stelle~ welch¢ wetter unten ausffiliriicher besproehen werden soil, keine veto gewShnlichen Aufbau~ vor allem aueh im gegenseitigen Verbande, abweichenden Erscheinungen. Als einzig auffaUendes l~sst sich nur feststellen~ dass die Basalmembran streeken- weise kein seharfes Gepr~ge zeigt~ sondern dureil Zeliforts~tze an den ba- salen Zelle% weiehe sekund~r wieder sieh in naeh alien Riehtungen sieh erstreckende Endffisschen fbrtsetzen~ unterbroehen erseheint.

Das subepitheiiale Bindegewebe ist zeliarm~ die Bindegewebsfibrillen liegen meist in paratleler oder sehr~ger Riehtung zur basaten Epithelsehicht.

An einer Stelle aber verliert sowoht das Epithel wie das unterliegende Bindegewebe seinen normalen Charakter. Je n~her wir dieser Stelle bet tier Durchmusterung des Schnittes kommen~ desto mehr vermissen wit eine besondere Basalmembran~ sie hSrt dort sehliessiich ganz auf. Eine Ab- grenzung zwisehen subepithelialer Bindegewebsschieht und Epithel ist da fiberhaupt nieht festzustellen.

Da n~imlieh im subepithelialen Bindegewebe aud~ hier die Zellansamm- lung reichlieher wird, so erfolgt ein unmittelbarer, gar nicht abzugrenzen- tier Ubergang yon Epithel in das Bindegewebe. Dabel ist abet tier Cha- rakter tier direkt in der Epithelkontinuit~t befindlichen ZeUen sehon ein total ver~nderter. Das Epithel selbst hat seinen epithelialen Charakter nahezu voltst~ndig verloren. Die Zellen liegen vereinzelt, sind nur zu- weilen dureh ganz sehwache Protoplasmabriicken noeh verbunden. Sie haben ihre polygonale Form eingebi~sst~ sind l~nglieh~ spindelig geworden nnd zuweilen mit wenig Pigment betaden. Naeh der Tiefe zu ziehen sich

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die Zellen~ obwohl sic nseh in protsplasmatischer Verbindung sind~ wsiter auseinander~ stchen etwas mehr voneinander ab und gehen so allmlihlich nnter weitersr Zerstreuung ganz diffus in das Bindegswebe tiber. Dabei wird im grossen und ganzen der Charakter der Spindslform beibshalten. Zwischen die Zellen erstreckt sich das collagene Fibrillengewebe weir in das Epithel herein.

An feineren histologisehen Befunden ist noch hervsrzuheben~ dass die Kerne zuweilen einen degenericrten Eindruck machen. Es ist nut wenig f~rbbares Chromalin in ihnen zu sehen. Dagegen f indet sich s te ts ein g ro s se r YNueleoius. Im Protoplasma der Zellen finden sich 5ftsrs KSrnchen eingeschlossen in Granulaform~ welche sich nach He idenha in intensiv fSrbcn. Diese Erscheinung finder man sowohl in den noch an das Epi- thel angeschIossenen Zellen wie bei den vollstfindig frei liegenden~ es hart- dell sich also um identische Elemente. Wie das welt ausgezogene und einseitig vorgeschobene Protoplasma vieler Zellen zeigt~ sind sie offenbar in einer Wanderung begriffen~ und zwar meistenteils in eincr vom Epithel weg gerichteten Bewegung. Wir haben hier die zweite bei FaU I schon erwlihnte Zellform vor uns. Der epitheliale Verband vcrliert hier ohne Zweifel seinen eigentiimlichen Charakte 5 die einzelnen Elements zcrspIittern sieh und wandern in die Tiefe.

Tar. X~ Fig. 4 zeigt diesen Vorgang. Ausserdem habe ich noch yon einem zweiten Fall% der hier nicht bcsehrieben ist, der aber dieselben Verhaltnisss aufweist~ sine Abbildung bsigegeben (Tar: X, Fig. 5).

III. Fail. R., Brun% 20 Jahre, Arbeiter. Conjunctivitis chronica. Vis. ~[s oc. utr.

Am linken Auge eine vom nasalen Rande des Limbus iibsr 3 mm sich nasenwSrts anf die Conjunctiva bulbi crstreckend% leicht erhabene~ br~iunliehe Pigmentierung mit ziemlich reiehlicher Vaskularisation. Excision der Pigmentierung in dreieckiger Form.

Mikroskop i sche Un te r suchung .

Die Sehnitte wurden yon der Spitze des excidierten Lappens zur Basis am Cornealrand~ also anch parallel zum Cornealrande gefiihrt. In den 3 ersten Schnittserien zeigto sieh ein schSner regelrechter Bau des Epithels. Die ZelIen waren sehr regelm~issig gelagert und tiberall durch wohlausgebildete und deutlich sichtbare Protoptasmabrticken verbunden.

Abel" schon in der 3. Schnittserie war eine Lockerung im Aufbau des epithelialen Verbandes zu konstatieren. Wahrend vorher direkt unter dem Epithel eine zellfreie sehmale Bindegewebssehicht festzustcllen war, l~st sich hier schon beobachten~ dass die Zellen des Bindegewebes unmittelbar bis an das Epithel sich herandr~ngen. Dabei muss man aber berticksich- tigen~ dass man sieh noch sehr welt weg veto Limbus befindet. Ich et ~- w~hne dies ausdrticklich, weil ein solches Verhalten des subepithelialen Zell- gewebes im Bereiche des Limbus zur Norm gehSrt.

Wir findsn abel" ausserdem noeh folgendes: Je weitsr wir die Sehnitt- serie verfolgen~ desto mehr stellen sich Unregelmiissigkeiten im Bane des Epithels ein. Die Zellschichten sind vervielfacht. Dabei h~ingen die Zellen

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aber untereinander gar nicht mehr in der Form des Stachelpanzers zusammen~ sondern nur noch vereinzelte Protoplasmaverbindungen sind wahrzunebmen. Zuweilen finden sieh Inseln im Epithel eingesprengt, in denen die Zellen total ihren Charakter ver~ndert haben. Diese Haufen ver~nderter Zellen h~ngen zwar noeh ringsum mit dem normalen Epithel dureh manehmal recht weit ausgezogene Protoplasmaverbindungen zusammen. Im tibrigen abet hubert die Zellen ihre epitheliale Form v~ltig eingebtisst~ sie sind mehr 15rag- lieh geworden. Das Protoplasma ist sp~irlieher und nimmt nac.h der Held- schen Fib-bung nicht mehr den seh~inen sattblauen Farbenton an~ sondern wird mehr sehmutzigbraun, es enffiirbt sieh eben mit tier Differenzierungsfltissig- keit viet sehneller als die umgebenden normalen Epithelien. Ebenso ver- halten sieh auch die Kerne~ sie sind durehwegs ehromatinarm. Dass diese Zellen jedenfalls durch eine sehr sebnelle Teilung entstanden sind~ kann man aus dem Umstand sehliessen, dass man viele mehrkernige Zellen antrifft~ auch Riesenzellen mit 10 und mehr Kernen sind keine seltene Erscheinung. Sie sind ohne Zweifel dadurch entstanden, dass die Kerne sieh geteilt haben ohne eine naehiblgende Teilung des Protoplasmas. In den einzelnen EIementen dieser Zellnester fund sieh allenthalben Pig- ment. Es war aber nieht so reiehliet~ dass dadureh eine Wabrnehmung der feineren Strukturverhifltnisse des Protoplasmas verwiseht worden w~tre.

In einigen solehen Nestern fanden sich nun such wider Erwarten einige Mitosen. Sie gehSrten aber, wie sich aus einem genaueren Studium ergab~ normalen Epithetzellen an, welehe mitten in die Zellhaufen hinein- geraten waren. Die £4_quatorialplatte und die aehromatisehe Spindel mit den ZentralkSrpern zeigten eine mathematiseh genaue Anordnung aller ein- zelnen Teile.

Hat-ten sich nun, was man 5fters zu beobaehten Gelegenheit hatte~ zwei solche Herde benaehbart entwiekelt und waren zwiseben beiden einige nor- male Epithelzellen in Form eines Zapfens stehen geblieben~ so wurde dieser dureh das weitere Waehstum der ]~[erde und deren Vordr~ingen gegen alas Bindegewebe erheblieh ausgezogen, wie dies im Beginn in Tat. X~ Fig. 9 zu beobachten ist. An einigen Stellen land sieh so Herd an Herd tiber lange Streeken gereiht.

Trotz dieser enormen Veriinderungen im Epithel war es aber im sub- epithelialen Gewebe, yon einigen wenigen Zellen abgesehen, durehaus nieht zu einer Zellansammlung gekommen. Und obwohl ieh die gauze lticken- lose Serie auf das genaueste dm'chsuchte, so war es mir nieht mSglieh, nnter dem Epithel einen Tumor zu finden~ auf dessen Kosten wir die ge- samten Erscheinungen setzen miissten.

Trotzdem mtissen wir den Prozess als eine beginnende Naevusbildung deuten. Die Zellen unterscheiden sieh in keiner Weise yon Naevuszetlen. Sie trageu auch in tier Form vollst~dig diesen Charakter, nur dass sie hier eben im Epithel fiegen und zwar in einem yon PapiUen freien Epi- thel. Es handelt sieh um weitgehende Verlinderungen des "Epithels~ die maka-oskopiseh als Pigmentfleek imponierten. Deshalb seheint mir diese Be- obaehtung yon Wiehtigkeit zu sein. Die Zellen waren meist yore Typus II.

Die Fig. 8~ 9 und 10a~ Tat. X~ .gehSren diesem Falle zu. In finden wit bet sehwaeher VergTSsserung 2 Herde im Epithel, in 9 ein ~ihn-

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 217

liches Bild bei starkerer VergrSsserung, es sei auf die Riesenzellen bei X aufmerksam gemacht. In 10a kOnnen wir die LoslOsung der Zellen und die Einwanderung in alas Bindegewebe mit Deutlichkeit wahrnehmen. Die 3 eben besprochenen F~ile hatten das gemeinsame, class es sieh fast nur um Epithelveriinderungen handelt. Umsehriebene Zellansammlungen unter dem Epithel waren nur im I. Fall nnd da in einer ausserordentlich sp~- lichen Weise nicht zu findcn.

Die n~ichsten Fglle unterschdden sich nun dadurch, dass wir hier auch unter dem Epithel mitunter eine Zel]ansammlung finden. Die Tumoren waren zwar klein, hatten jedoch die unverkennbaren Merkmale der Naevi aufzuweisen.

IV. Fall. S.~ Selma, 39 Jahre~ Arbeitersfrau. Myopia permagna oe. utr. Rechts - - 1 0 , 0 6/loo , Links --8,0 6]~.

Am linken Auge in der Conjunetiva bulbi im temporalen Teile des Lidspaltenbereiches schwach pigmentierter Naevus. Excision mit Verschonung des Limbus~ so class also das Stiick nm- aus dem glatten Tell des Epithols der Conjunetiva bulbi entnommen ist.

Mikroskopische Untersuchung. Unter der Conjuncfiva butbi ist mit schwachen Yergr~isserungen eine

Zellansammlung zu finden~ die eine l~iugste Ausdehnung yon etwa 1~0 mm und eine Dicke an den st~irksten Stellen yon h~iehstens 0,3 mm aufweist. Die Zellen sind Naevuszellen yon beiderlei Art. In den zentralen Teilen liegen sie dichter und sind durch die gegenseitige Aneinanderlagerung ab- geplattet~ w~hrend an den R~ndern der kleine Tumor aufgeloekert ist~ seine Kompaktheit eingebiisst hat. Die Zellen liegen hier vereinzelt und haben dadurch ihre ursprtingliche Form bewahrt. Sie sind polygonai~ etwas grSsser als die mehr zenlral gelegenen und enisprechen in ihrem gahzen Aus: sehen nach Kern und Protoplasma den im I. Fall beschriebenen sp~ir- liehen~ unter dem Epithel gefundenen Zellen. Das Zentrum des Zellhanfens ist leicht pigmentiert~ doeh finden sich ebenso am Rande pigmentierte Zell- haufen, eine bestimmte Anordnung l~isst sieh nieht erkennen.

Auf der einen Seite, wo sich der Tumor in die Randpartien aufl~ist, l~isst sich mit Deufliehkeit erkennen~ wie die Zellmassen entspreehend den Ziigen des subepithelialen Bindegewebes gelagert sind. Aueh sonst macht die gauze Tumormasse den Eindruck~ als wenn sie in ihrem Aufbau dureh die Lagerung des fibrill~iren Stromas zum grossen Tell bedingt w~ire.

Uber dem ganzen Gebilde verl~uft das Epithel vollstandig glatt~ und kommt fiber dem Tumor selbst nirgends in direkte Beriihrung mit dem Zellhaufen. Das Epithel bleibt auf der H5he des Tumors durch eine deut- fiche Schieht yon Bindegewebe yon ibm getrennt, vor allem auch da, wo er seine massigsten Stellen aufweist. Das Epithel selbst erscheint bei schwachen VergrOsserungen unveriindert~ es ist 6--8reihig. Mit starken VergrSsserungen abel" ist iiberalt eine Loekerung in den basalen Sehichten naehzuweisen.

Am Rande des Zellhaufens jedoch~ wo er bei seiner fliichenhaften Form

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in das normale subconjunctivale Bindegewebe tibergeht~ ver~indert sich auch der Charakter des Epithels vollst~indig. Hier gehen ungemein zahlreiche Eiusenkungen in das Bindegewebe~ welche abel" keineswegs den Charakter yon Papillen haben. Sie sind an ihren Enden moistens kolbig verdickt und vielfach mit benachbarten Epithelleisten durch ebensolche Zwischen- ziige verbunden.

Sowohl die Epitheleinsenkungen, wie die kolbigen Verdickungen in der Tiefe finden wir vielfach ihres cpithelialen Charakters entkteidet~ auch zeigen sie vielfach keine scharfe AbgTenzung gegen das umgebende Binde- gewebe. Basalmembranen f~hlen. Sie gehen viehuehr unmerklich in das umgebende Bindegewebe iiber~ ~ihnlich etwa wie Endotheliome sich im Ge- webe verlieren. Dabci sind die Zellen (ifters mehrkernig~ ja es lassen sich Riesenzellen in der ausgesprochensten Form mit 8 - - 1 0 und mehr Kernen beobachten. Diese Ubergange in das Gewebe gehen in der Mehrzahl nach einer Richtung und sind gegen den Tumor gerichtet. Die direkten Uber- g~inge und die allm~ihliche Xnderung des ZeUcharakters vom Epithel zum Naevus sind mit aller Sicherheit festzustellen. Auch mit Malloryf~trbungen l~isst sich zwischengetagertes Bindegewebe nicht feststellen.

Ausserdem beobachten wir noch s~mtliche Phanomene der Einzelab- liisung~ wie wir sie im I. Fall und der Naevusentwicklung im Epithel, wie wit sie im III. Fall kennen gelernt haben. Diese kleinen Naevusherde lagen bier vielfach an tier Seite tier Epitheleinsenkungen~ welche dem Tumor ent- gegengesetzt war. Noch eines aber bedarf ausdrficklicher Erwiihnung~ was sich auf die Angaben K r o m a y e r s bezieht~ welcher den Naevuszellen die Eigenschaiten zusprach~ Bindeg'ewebsfibrillen zu produzieren.

Man finder vielfach Ze]len, welche ungemein dicht an eine elastische Faser angeschmiegt sind, und bekommt man gtinstige Bilde% so sieht man ohne weiteres~ vor allcm auf Querscllnitten, dass diese Fasern im Proto- plasma der Zellcn verlaufen. Zuweilen l~sst sich beobachte% dass solcho Fasern mit vielen Windungen, geradezu aufgeknKuelt in eine Zelle einge- schlossen sind. Auch konnte ich die Beobachtung machen, dass manchmal dicke collagene Fasern in das Protoplasma der Zelle hereinziehen und dort in unmittelbarer N~ihe des Kerns scharf abgeschnitten aufhiiren. Solche Bilder lassen sich nat[irlich nur am Rande des Naevus~ wo die Zellen noch locker liegen und das Bindegowebe weitmaschig ist~ beobachten, niemaIs abet in den mehr zentralcn Schichten~ wo durch die Zusammendr~ingung der einzelnen Elemente derartige Beobachtungen unmSglich gemacht werden. Sie lassen sich nur im Sinne einer Aufnahme und AuflSsung der Fasern im Zellprotoplasma deuten.

Ich babe yon diesem Falle 4: Abbildungen beigegeben. In 11 und 12 ist zu sehen~ wie sich die Zellen in Komplexen aus

dem epithelialen Verbande losliisen. Ich babe die betreffenden Bezirke bei schwiicherer und st~trkerer VergrSsserung photographiert~ und bei 13 finden wir eine yore Epithel ausgehende Wucherung~ welche sich an ihren R~in- dern unmittelbar in Naevuszellen aufliist. Sie ist aus den Randteilen des Naevus, wie sich auch aus dem Schnittende crkennen l~isst. Hier ist der unmittelbare Ubergang yore Epithel in die Naevuszellen ohne weiteres in die Augen fallend. In Taft XI, Fig. 147 finden wir eine Epithelein-

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Der ~Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 219

senkung, welche in ihrer linksseifigen Fortsetzung eine Riesenzelle aufzu- weisen hat.

V. Fall. N, Auguste~ 60 Jahre. Dakryoeystitis purulenta oe. sin. Das rechte Auge ist frei yon entziindlichen Erscheinungen. In der

Conjunctiva bulbi~ im temporalen oberen Quadranten mehrere Millimeter veto Limbus entfernt ein etwa 1 mm grosser~ leicht erhabener br~unlicher~ scharf begrenzter Naevus.

Mikroskopische Unte rsuehung . Excision. Der Zellhaufen unter dem Epithel hat etwa eine L~inge

yon 0~75 mm und einen Dickendnrchmesser yon 0~4 ram. Das Epithel ver- liiuft fiber der einen H~ilfte glatt. Ungef~br fiber der Mitre des Haufens erheben sich aus dem Epithel m~ehtige Einsenkungen~ die andere H~ilfte, teilweise nach der Tiefe umgreifcnd~ welche in ziemlicher Entfernung vom :Naevus noch zu finden sind. Sie sind unregelm~issig~ in den Formen bizarr~ schtauebarfig~ teilweise zusammenhgngend. GewShnlich sind sie nicht solid, sondern weisen im Innern mehr oder minder grosse Hohh'~iume (Cysten) auf. ~ber die Einsenkungen hinaus~ abseits veto Tumor~ finden wir die Epitbdformation aus zusammengeballten~ kleinen~ nicht untereinandcr zusam- menhSngenden ZeIlhaufen gebildet~ die zuweilen eine scharfe Abgrenzung gegen das normale Epitbel zeigen. Sic tragen in mehr oder minder aus- gepr~igter Weise bereits den Typus yon :Naevuszellen.

Unter den Epitheleinsenkungcn~ soweit sic tiber dem noch nicht mit Naevuszellen durchsetzten Conjunctivalstroma liegen, finden wir~ durch eine diinne eoltagene ]~briilenlage veto Epithel getrennt~ eine auffatlend reichliche nnd dichte Ansammlung yon elastischen Fasern. Sic sind in soleher Reieb- lichkeit und Dichte nur unter den Epithel.einsenkungen anzutreffen~ w~ihrend die Conjunetiva bulbi gleiche an andern Steilen niebt aufzuwcisen hat. Zwischen den leicht gewellten und gekr~nselten Faser% die entsprechend den Epitheleinsenkungen verlaufen, finden sich Zellen e~ngelagert, welehe als ihre Bildner anzusprechen sind. Sic tragen in Form und Kernba~l die nnverkennbaren Kennzeichcn yon Bindegewebszellen, ausserdem finden wir an den bea'effenden Stellen keine Naevuszellen.

Der Zellhaufen selbst zeigt eine diehte Lagerung der einzelnen Ele- mente und ist nut an den Randschiehten etwas lockerer. Die Zellen der Randschichten haben einen st~rkeren Pigmentgehalt als die zentralen Par- tien. Auffallend h~ufig finden wir hier auch Zellelemente, welebe die scharf begTenzten diehteren Aussenschichten des Protoplasmas tragen und ihre epitheliale Herkunft dadurch noah dokumentieren.

Im grossen und ganzen sind die Zellen der Randscbiebten grSsser als im kompakten Naevushaufen. Nieht nur der ganze Protoplasmaleib ist reiehlicher, sondern aueh der Kern zeigt eine bedeutendere GrSsse und reichlicheren Chromatingehalt. Wir finden Zellen~ welehe den im I. und II. Falle beschriebenen vollkommen entsprechen~ also eine dichtere Randschieht des Protoplasmas mit seharfer Begrenzung zeigen. Die Zellformen sind sonst ausserordentlieh variabel und zeigen eine Mannigfaltigkeit der Form~ wie wir sic in ~leieher Weise nur bei wandernden Leukoeyten beobaehten

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kSnnen. Ausserdem finden wir aber bier in den ~ussersten Schichten noch Elemente~ welehe mit ihren vielfachen Protoplasmaverzweigungen und ihrer Pigmenfierung sich eigentlieh schwer oder gar nicht yon normalen Chromatophoren nnterscheiden. Naeh Durehmusterung tier zahlreiehen Serien komme ieh auch in diesem Falle zu dem Ergebnis~ dass die Zellen tier Randsehiehten ether selbstiindigen Wanderung fahig sind. Ob diese Chroma- tophoren AbkSmmlinge der Naevuszellen oder normale Elemente des Ge- webes stud, will ieh an spiiterer Stelle entseheiden.

Der Zellhaufen selbst ist nach allen Richtungen yon elastischen Fasem durchzogen. Die wenigsten verlaufen gestreckt~ die meisten sind leicht ge- wellt. Im Kaliber sind sie durehwegs ziemlieh dick nnd maehen vielfach einen gequollenen Eindruck. Fiirberiseh sind sie gewiihnlich nicht mehr So gut darzustellen, wie an normalen Stellen~ sondern aueh bet intensiver Fiirbung bleibt der Farbenton ganz im Oegensatz zu den in dor Umge- bung befindlichen Fasern blass. Xhnlieh verhalten sich die Fasern der Randpartien, wo sie zwar reichlieher liegen~ aber ebenso ihre gestreekte Form verloren haben, ja zaweilen ganz aufgekn~uelt sind und die gute Fih-bbarkeit eingebtisst haben.

Eine sorgf~iltige Beobachiung der feineren histologischen Details ergab~ wie ich sehon oben andeutete, aueh hier, dass die Zellen in den Rand- psu'tien des Naevus vielfhch in Wanderung begriffen waren. Eine Aus- nahme machten dabei anseheinend nur diejenigen Zellen~ welehe die dichteren scharf begrenzten Aussensehiehten des Protoplasmas aufzuweisen hatten~ sie waren meist rundlich. Jedoch liessen sich aueh an ihnen Protoplasma- ibrts~itze und alle (]'bergSnge zu den mobilen Zellarten naehweisen. Man geht wohl nieht fehl~ wenn man in den epitheloiden nnd wandernden Zellen die jiingere Generation erbliekt~ diejenig% welehe sich vor verh~iltnism~issig kurzer Zeit aus dem epithelialen .Verbande losgemacht und noeh nicht an den 1Naevushaufen angesehlossen hat.

Die wandernden Elemente waren gerade vielfaeh stark pigmentiert und deshalb aneh die vorgeschobenen ]?rotoplasmaauslaufer gut zu sehen. Am besten war die Beobaehtung zu machen~ wenn sie ganz vereinzelt lagen. Daraus liess sich sieher schliessen~ (lass die versehiedenen Formen nieht dureh die urn- oder anliegenden Zellen veranlasst waren.

Aueh in diesem Falle waren die unverkennbaren Anzeiehen histolyti. scher Eigenschaften der Naevuszellen vorhanden. Elastisehe Fasern waren im Yrotoplasma aufgenommen. Collagene Fasern hSrten seharf abgesehnit- ten im Zelleib anf. Es liess sich dutch Drehung der Mikrometersehraube mit Sicherheit feststellen~ dass wir es nieht etwa mit Mikrotommessereffekten zu tun batten. Die Zellen maehten dabei einen geradezu geschwanzten Eindruek, als wenn 2 oder 3 eollagene Iqbrillen auf tier einen Seite von ihnen ausgingen. Dabei liess sieh abet immer feststelIen~ class es sieh um kr~ftige Fibrillen handelte, welehe dann pl~tzlieh im Protoplasma aufh~rten.

Die Epitheleinsenkungen trugen an ihren tiefsten Stdlen, wie man mit Hilfe starker VergrSsserungen erkennen konnte, sehon vielfaeh den Typus yon reinen Naevuszellen. Wir mtissen aueb den Epitbeleinsenkungen sehon solehe histolytisehe Eigenschaften wie den einzelnen Naevuszellen zuspreehen. Ohne sie ist ihre Entstehungsweise nieht gut denkbar. Denn zuweilen

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steekten zwisehen den Einsenkungen noeh Bindegewebsresfe, die wie die Serienschnitte zeigten: yon der Umgebung wie mit dem Rasiermesser ge- schieden waren.

Ausserdem war an vielen Stellen, wie aueh im vorhergehenden Fatle, die Einzelauswanderung nachzuweisen. Ich betone dies alles um so mehr, als es sieh um ein 60j~hriges Individuum handelte.

Eine Mitose konnte ieh in siimtliehen Sehnitten nieht finden, jedoch war die :direkte Zellteilung in allen Stadien zu beobachten. Im grossen und ganzen iihnelt also dieses Objekt sehr dem vorhergehenden.

Ieh babe 2 Abbildungen beigeftigt: I. eine Gesamttibersicht (Tar. XI~ Fig. 15), II. (Taf. XI~ Fig. 16) zeigt die Epitheleinsenkungen und ihre Um- wandlung zu Naevuszellen.

VI. Fall. Naevus cysticus der Bindehaut. Dieser Naevus weieht~ was sein makroskopisches und mikroskopisehes

Verhalten anlangt~ von den 5 schon beschriebenon im wesentlichen ab: Es konnte n~imlich klinisch die Diagnose nieht gestellt werden.

Der betreftende Patient kam in die Poliklinik mit dem Bemerken, dass er im Bereiche des ~iusseren linken Augenwinkels schon seit Jahren eine kleine GesehwuIst habe~ die ganz langsam etwas griisser geworden sei~ und da sie ihm leictlte Besehwerden verursache~ entfernt werden mSge.

Im Bereiche des ~iusseren linken Lidwinkels land sich ein etwa halberbsen- grosset Tumor yon sehmutziggelbIieher Farbe. Er war vollkommen un- durehsiehtig. Aueh mit tier Lupe waren irgend welche Details nicht zu er- kennen. Bet der Betastung zeig~e sieh, dass die Geschwulst ungemein welch war~ etwa wie ein lockerer Schwamm. Eine stiirkere Gefiissinjektion war nirgends zu beobachten~ entziindliche Erseheinungen fehlten im Um- kreis. Das gauze Gebilde war auf der Conjunctiva leieht versehieblieh.

Die Excision war infolgedessen sehr leieht zu bewerkstelligen. Die mikroskopische Untersuchung lieferte ein hiichst merkwiirdiges Bild~

das den Aufsehluss ftir das eigenttimliche makroskopische Aussehen gab. Es handelte sieh bet der Betraehtung des mikroskopisehen Pr~iparates

um eine Reihe grosser Cysten~ welehe im Inneren mit Zdldetritus geftillt waren. Dutch die fortIaufende Sehnittserie liess sieh mit Sieherheit ibst- stellen~ dass es sieh um Epitheleysten handelte~ da der Znsammenhang mit dem Oberfl~ichenepithel bet jeder einzelnen Cyste~ ja solehe Zusammenh~inge mehrfb~eh nachgewiesen werden konnten. Jedoeh war der Epithelbetag~ weleher die Cysteninnenwand auskleidete, insofern ver~dert~ als die einzelne Zelle ganz itaeh geworden war und eher einem Endothel~ etwa dem Deseemet - schen, iihnelte.

Es wiirde uns diese Erseheinung, welehe sieh bet der Beobach- tung stark in den Vordergrund driingt~ durchaas nieht die Bereehtigung geben~ diesen Fall hier anzuftihren. Ansserdem waren aber Zellansamm- lungen im snbepithelialen Gewebe vorhanden, welche vollkommen den Cha- rakter der Naevuszellen trugen. Ja sie waren ebenso~ wie bet den andern FSllen, zuweilen pigmentiert.

Die einzetnen Cysten waren yon einem Walt yon Zellen umgeben, der vor allem an den gri~sseren Cysten 4 - - 5 Zellagen und noeh mehr

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ausmachte. Zwischen das die Cyste auskleidende Epithel und jene Zelt- ansammlungen war du Zug feinfaserigen collagenen Bindegewebes einge- schoben, der beide Zellagen an den meisten Stellen scharf getrennt er- scheinen liess.

Dieses sogenannte Randbindegewebe war auch unter dem Oberfl~ehen- epithel, sowdt es in den mittleren Pargen das gauze Cystenkonglomerat liberdeckt% nachzuweisen. Hier war das Epithel in einer so regelm!is- sigen Weise aufgebaut~ dass es als der Typus eines normaIen Epithets gelten konnte. Der Stacbelpanzer war regelreeht~ ltickenlos ansgebildet. Die Basalzdlen sassen auf einer wie mit der Feder gezogenen Basalmem- bran. Nur die dort naeh der Tiefe abgehenden Verbindungen mit den eystischen Hoh]riiumen verrieten einen pathologischen Zustand des Epithels.

Ganz anders verhielten sieh dagegen bestimmte Stellen in der Cysten- wand und im Oberfliiehenepithel, da wo der Tumor in die normale Binde- haut tiberging. Hier waren alle jene Erscheinungen zu beobachten, welche ieh ~ehon in den fi'tiheren FNlen angegeben habe. Die Einzelabliisung der Zellen aus dem epithelialen Verbande und in gr(isseren Komplexen war in allen Stadien zu beobaehten. Das Epithel hatte viel yon seinen normalen Strukturverhgltnissen eingebtisst, die Protoplasmabrticken waren vielfach ver- loren gegangen. Und im Epithel fanden sich ausgelSst aus allen epithe- lialen Verbindungen oder doch zum gr(issten Tell nicht mehr im Znsammen- bange Zdlen~ welche mit ihrem spitrlichen Protoplasma und sehleeht fiirb- baren Kernen ebenso unter dem Epithel anzutreffen waren und die' Naevus- zellen charakterisierten.

Von diesem Naevus habe ieh ein {}bersichtsbild beigegeben (Taf. XI~ Fig. 17).

D e r N a e v u s de r :Pl ica s e m i l u n a r i s . Von der Ptica semilunaris standen mir zwei Naevi zur Unter-

suchung zur Verfiigung. Sie waren beide klein und liessen sieh in- folge ihrer Lage leicht exstirpieren.

Da die Pliea semilunaris keinen derartig regelmiissigen Epithel~ bau aufzuweisen hat, wie die Conjunctiw bulbi, so gestalteten sich die Untersuchungsverhgltnisse etwas komplizierter.

VII. FaLl. 1. Seh, Emilie~ 74 aahre~ Presbyopi% Naevus plicae semi- lunaris dextr.

In der Pliea findet sieh ein kldner sebw~rzlieher Tumor yon etwa Italbsteeknadetkop fgrSsse.

Patientin vermag nieht anzugeben~ wie Iange sie den kleinen schwarzen Fleck im reehten Auge hat.

Mikroskopische Untersnehung . Excis ion mit dem umgebenden Gewebe. Das Epithd ist tiber

der ganzen Plica und auch im Bereiche der mitausgesehnittenen Conjune- tiva 6--8reihig. Im Bereiehe der Pliea selbst finden sich anscheinend Drtisen~ die vom Epithel aus sieh dnsenken. Doeh handelt es sich bei genauer Untersuehnng nieht um eehte Driisen~ sondern nur um Epithetein- senkungen. Ein Ausftihrungsgang mit Lumen fehlt auf den Serienschnitten.

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De:" Naevus de:" Bindehaut des Augapfets und der Aderhaut usw. 223

Das Unterhautbindegewebe ist gut und regelmltssig entwiekelt und reiehlich rait elastischen Fasern durehsetzt.

An verschiedenen Stellen finden sieh ira Unterhautbindegewebe zeli- ansararatungen, die nieht korapakt sind, sondern die Zetlen sind ura einen diehteren Kern locker ira Gewebe suspendiert. Die grSsste und korapak- teste Zellansararalung finder sich in der Pliea selbst. Sic hat sieh um eine EpitheleinsttiIpung gruppiert. Sic zeiehnet sieh yon den iibrigen Zellan- samralungen aueh dadureh aus~ dass sic in der Aussensehicht zura grSssten Teile aus pigraentierten Zellen besteht, die wohl dera kleinen Tumor raa- kroskopiseh das sehwarzliehe Aussehen gegeben haben.

Das Epithel war aueh in seinen feineren Strukturverhaltnissen regel- raltssig gebaut, die Intereellularbriieken und Protoplasraafaserung waren gut siehtbar. Vielfach fanden sieh zwischen den gewShnliehen Epithelien solche rait Sehleiminhalt. Aud~ fanden sich ganz vereinzelte regelreehte Mitosen. Das Randbindegewebe war bis auf einige Stellen, die sogleich niiher be- sproehen werden sollen~ regelmitssig entwickelt~ die Basalraerabran ebenso~ his auf eben diese Stellen tiberall seharf abgrenzbar.

W~hrend nun in den vorangehend besehriebenen F/illen yon Miilern, die auf der Conjunetiva bntbi ihren Standoff haben~ vieliheh die Verbin- dungen zwisehen Epithel und Naevushaufen naehzuweisen waren, fehlte diese Erseheinung hier zwar nieht vollstiindig, war jedoeh in erhebliehera Masse ge:inger, als dies dort der Fail war. Die EinzelablSsung yon ZelIen war ebenfalls viel sparlieher naehzuweisen.

Jedoeh fehlten in einem cireumseripten Bezirke auf der tt(ihe tier Pliea nieht die in (tie Tiefe gehenden allerdings kleinen und sich naeh unten aufsplit- ternden Epithelzapfen. Es ist wohl ohne Zweifel~ und darauf hat sehon Unna hingewiesen, dass :nit dera zunehmenden Alter diese Erscheinungen geringer werden.

Die unter dera Epithel vorhandenen Zellen batten :nit Ausnahrae der Bindegewebszellen fast durchwegs die epitheloide Form, welehe man aueh in den vorhergehenden F/tUen beobaehten konnte. Ausserdera war aber das Protoplasraa vielfaeh von einer stark granuli~ren Besehaffenheit. Die einzelnen Zetlfbrraen liessen sieh urn so besser beobaehten~ als sic an vielen StelIen vereinzelt ira Gewebe lagen.

In dera IIauptnaevushaufen in der Ptiea serailunaris selbst waren die Zellen vielfaeh so lest aneinander gelagert~ dass sic viel yon ihrer urspriing- lichen Form eingebtisst batten. Jedoch waren sic aueh bier racist rundlieh. Hier nun spielte sieh eine Erscheinung ab~ die ira Naevushaufen selbst vor aUem aber deutlieh an der Peripherie zu beobaehten wa~'.

Man land in vielfaeh aufgeknaueltera Zustande dicke elastisehe Fasern, welehe zura Tell in einera aufgequollenen Zustande sieh befanden. Diese Fasern nun lagen zura gri~ssten Teile innerhalb der Zdlen. Man konnte dies vor allera an den in den Randsehichten vorhandenen pigraentierten Zellen beobaehten. Das gelbbraunliehe Pigment hob sieh rait aller Seharfe gegen den blauen Ton der Fasern ab.

Dass es sieh nieht etwa ura eine Neubildung yon Fasern handelte, liess sieh dutch allerlei Moraente rait Sieherheit feststellen. Die Fasern waren yon Protoplasraa lest uraschlossen und lagen hart am Kern, dabei

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waren sie meist autgekniiuelt~ aueh waren sie vielfach nur streckenweise vorhanden. Ansserdem land man ZeUen~ die yon einem Gekriimel, das sieh genau wie die elastisehen Fasern tingierte, erfiillt waren. In andern wieder fanden sieh nur kurze Reste yon elastischen Fasern und dies alles vor allem in pigmentierten Zellen, die eine exakte Beobaehtung ermSg- liehten. Es handelte sieh ohne Zweifel um eine intracellulare Aufliisung yon elastischen Elementen.

Besonders zu erwiihnen w~re noeh~ class solche Fresszellen vielfach amiiboide Formen aufweisen~ sie batten die Fasern geradezu umflossen und sieh bis zu einem gewissen Grade der Form der Fasern angepasst.

Ich babe yon diesem Objekt ein lJbersichtsbild (18) gegeben, um aueh noeh die kleineren Zelthaufen~ welehe sieh ansserhalb der eigenfliehen Plica fanden~ mit zur Abbildung bfingen zu kiinnen.

Um die Aufnahme und die Histolyse elastiseher Fasern im Bilde zu zeigen, babe ich eine Zeiehnung mit Apoebromat-Immersion 3mm 1740 Apertur und Kompensafionsokular (12) anfertigen lassen. Denn leider lassen sieh solche feine histologisehe Details dureh Mikrophotographie nicht in geniigender KIarheit zur Darstellung bringen. Man muss verschiedene Einstellungen der Mikrometersehraube benutzen~ und kann in einem solchen Falle das Mittel der zeiehnerischen Wiedergabe nieht umgehen.

Man finder in Tat: XII~ Fig. 19~ nun alle die eben hervorgehobenen Moment% ich glaub% es wird wohl niemand auf den Gedanken kommen~ dass es sich bier um Nenbildung yon Fasern handelt.

VIII. Fall. 2. D, Gottfried~ 73 Jabr% Arbeiter. Presbyopie~ Syn- ehysis seintillans.

In der linken Plica finder sich ein oberfl~ehlieh tiegender~ dnnkel- brauner Naevus.

Excision. 0bwohl in diesem Falle es sieh ebenfalls sehon um ein ziemlich altes Individuum handelte, so lagen die Verh~iltnisse hier doch an- ders als im I. Fall und ieh will deshalb ant die Unterschiede etwas n~iher eingehen.

Vor allem war die Pliea viel reiehiicher als in dem vorhergehenden Falle mit Einsenkungen des Epithels yon der Obe~iche bier ausgestattet. Doeh war dies nur auf der einen ttalfte der Fall~ w~ihrend ant der andern ein vollst~ndig glatter Epithelbelag vorhanden war.

Zwisehen die Epitheleinsenkungen, welehe zum Tell aus eehten Drtisen bestanden, zum Teil abet nut solide Einsenkungen darstellten~ befand sieh der Zellhaufen des Naevus~ tier zum grifssten Teil aus dunkler pigmen- tierten Zellen gebildet war. Sie waren stark zusammengedr~ingt und de- formierten in ihrer dichten Lage zwischen den Driisen zum Teil die Drtisen- lumina. Infolge. tier unregelmassigen Konfiguration des Epithels nnd der festen Zusammenlagerung zwisehen Epithel und Naevus waren irgendwelehe Beziehungen zwisehen beiden an diesen Stellen nieht zu erkennen. Die Naevus- zellen selbst waren ausserdem so roll Pigment gestopft~ dass man weder Kern noeh Protoplasma unterseheiden konnte. Aber doeh wahrten die ein- zelnen Elemente die rnndliehe oder polygonale Form~ nur an den Ri~ndern der gaut~n konnte man mehr langgestreckte Formen wahrnehmen.

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Der ~qaevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut user. 225

An dem glatten Epithelbelag nun~ der fret yon Einsenkungen war~ konnte man die Auswanderung der Zellen in allen Stadien naehweisen. Auch hier ging, wie in den vorher besehriebenen Fi~llen~ tier LostSsnng der Zellen eine Loekerung des epithetialen Verbandes voraus. Der teilweise Verlust des Stachelpanzers oder auch die vollst~indige Aura, abe der Yerbin- dungen mit den benachbarten Zellen bewirkten eine Isolierung tier Zellen der eine allmi~hliehe Wanderung in das Bindegewebe gefolgt war. Dabei waren an solchen Stellen: wo diese Einzelauswandel-dng sich vollzog~ die reine epitheloide Form der ZeIlen~ wie ich sie sehon in den vorhergehen- den F~llen besehrieben habe, die vorhelTsehende. 0bwohl diese Einzel- auswanderung mit aller Deutlichkeit zu beobaehten war~ so fehlten doeh an solchen SteUen die Epitheleinsenkungen~ wir miissea aber aueh hier beriiek- siehtigen~ dass wir ein schon verh~ltnism~sig altes Individuum vor nns haben. Ieh habe yon diesem Falle nnr ein ~bersichtspr~iparat beigegeben. Zur Untersuchung feinerer histologischer Details war er wegen der dichten Lagerung der ZeUen nicht geeignet (Ta£ XII, Fig. 20).

Ein weiterer Fall yon einem 18j~ihrigen Mensehen~ den ich zu unter- suchen Gelegenheit hatte, verhielt sieh ebenso.

D e r ANaevus d e r C a r u n e n l a l a c r y m a l i s .

Ebenso, wie yore Naevus der Plica~ standen mir yore Naevus der Karunkel zwei ]~'i~lle zur Verfiigung. In beiden Fii!len war die Karunkel durch den :Naevus in erhebliehem Masse vergrSssert und dr~ingte sich als teilweise dunkel pigmentierter Xnoten durch den nasalen Teit der Lidspatte etwas hervor. Sie imponierte als kleine fast erbsengrosse Geschwulst. Die Excision liess sich in beiden Fi~llen leicht und glatt bewerkstelligen.

Ieh bemerke im voraus, dass man naeh sorgfaltigem Studium dieser beiden Objekte im Zweifet dariiber sein konnte, ob man es mit dem reinen pathologiseh-anatomisehen Bride des Naevus zu tun hatte oder ob es sic, h bereits um beginnende Tumorenbildung handelte. Dies wird aueh aus der nachfolgenden Beschreibung hervorgehen. Um so mehr abet seheinen mir die beiden Objekte einer genauen Analysierung wert.

Es ware vielleieht am Platze nnd fiir den Leser wi]lkommener~ etwas naher bier auf die Anatomie der Xarunkel einzugehen~ jedoeh muss ieh mir dies hier versagen nnd verweise auf die Arbeit yon St iedal ) , vor allem aber auf die neuerdings yon E n s l i n ~) erschienene Abhandlung.

1) Stieda, CTber die Caruncula lacrymalis des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXII.

~) Ens]in, E., Die Histologie der Caruncu]a Iacrymalis des Menschen. Arch. f. Augenheilk. Bd. LI. S. 253. 1905.

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Ich mSchte nur kurz erwiihnen, dass sich auch in meinen Pr~- paraten massenhafte Schleimze]len im Oberfl~chenepithel~ und i'n den Driisenschl~iuchen vorfanden. Auch accessorisehe Trgnendriisen

fehlten nieht.

IX. Fall. 1. K , Amali% 63 Jahre. Tumor earunculae sin. Tdl- weise hSckerig und mit Pigmenteinsprengungen versehen.

Mikroskop i sche Un te r suchung . Exc i s ion des Tumors . Die Serienschnitte wurden yon der Spitze

des Tumors zur Basis gelegt~ in ether ungef~ihr zur Basis parallelen Rich- tung. Des Epithel fiber der ganzen Karunkel war 6--8sehiehtig und war fiberall scharf gegen des unterliegende Bindegewebe abgegrenzt. Auf der H(ihe der Karunkel und an den Seiten waren ausser Drtiseneinsenkungen oder Einsttilpungen an den Haarsch~ften an den Serienschnitten nirgends irgend- welche Epitheleinsenkungen zu sehen.

Der Stachetpanzer war gut entwickelt und hatte nirgends Liieken er- heblicher Art aufzuweisen~ im Epithel waren in ziemlieh hi~ufiger Anzahl wohl ausgebildete Mitosen zu beobachten. Die basale Zellsehieht des Epi- fl~els war gegen das unterliegende Bindegewebe sebarf abgrenzbar, jedoch war die Verbindung zwischen den Basalzellen und der subepithelialen Faser- sehiebte eine .eigenttimliehe. Die Zellen waren, wie dies schon E n s l i n (Ioc. cit ) besehrieben hat~ an ihrer Unterfl~ehe mit F~isschen versehen~ gez~hnelt. Und diese einzelnen Forts~itze ragten mehr oder minder fief in des fibr[l- l~ire Gewebe hinein.

Ich konnte bier eine Erseheinung beobaebten, welche besondere Be- achtung verdient Es handelt sieh n~mlieh um zahlreiehe protoplasmatisehe Verbindungen zwisehen jenen Fiisschen und den Ausliiufbrn der unterlie- genden Bindegewebszellen. Sie sind bisber nur bet niederen Tieren von Schube rg und Leyd ig 1) besebrieben worden~ existieren aber auch, wie sieh hier zcigen l~isst~ beim Mensehen. Der Gedanke~ dass sie etwa unter dem Einfluss der benaehba'ten pathologischen Verh~il~isse en~tanden seien, also gar keine normal anatomische Erscheinung darstellen, ist yon der Hand zu weisen. Da die Naevuszellen fret yon Ausliiufern waren und sicb durch ihre rundliche Form auf das schlirfste yon Bindegewebszellen unter- schieden~ meist auch in einiger Enffernung yon solehen Stellen lagen, so konnte cs sich nur um normale Bindegewebszellen handeln, die mit ihren vielfaehen ungemein langen und zarten Ausl~iufern sich nicht nut' unterein- ander~ sondern auch mit dem Protoplasma des Epithels in diehte Verbin- dung setzten.

Die Verbindungen zwisehen Epithel und Bindegewebszellen waren sehr feiner Art~ aber mit aller Sieherheit zu beobaehten. Es handelte sich um direkte Anastomosen und nicht etwa am ein Hineingehen yon protoptas- matisehen Anslaufern zwisehen zwei Zellgrenzen des Epithels.

Durch die gauze Karunkel nun war in den Schnitten eine Zellmasse

1) Ich verweise hier auf die Ausfiihrungen in den letzten Seiten meiner Arbeit.

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Der h~aevus der Bindehaut des Augapfels und tier Aderhaut usw. 227

ausgebreitet~ welehe zum grSssten Teil in tier Form aus rundliehen Zelten bestand~ welche eine versehiedene GrSsse hatten. Teils waren sic ein- kernig, teils mehrkernig, hatten dabei aber vietfaeh jene seharfen Aussen- grenzen mit dunklerem Saum, wie ieh sic schon im ersten FalIe besehrieben habe. Ihre Lagerung war bald Iockerer, bald diehter. Ein bestimmtes Prinzip in der Gruppiernng, etwa um die Gefiisse, war nieht naehzuweisen~ jedoeh war die Zellagerung nach der Oberfl~che der Karunkel gegen das Epithel zu etwas dichter (vgl. Taf. XIII) Fig. 22).

Ausserdem waren noch andere Zelfformen zu beobaehten~ bald mehr langgestreekt~ bald nur mit einem Auslliufer versehen, es handelte sich hier zweif'elsohne am in Bewegung befindliehe Elemente.

Nun waren in regelloser Weise verstreut aaeh pigmentierte Zellen zu finden. Eine Abh~ngigkeit der Pigmentierung etwa yon den Blutgef~sen konnte ich nieht in sicherer Weise feststellen. Das Pigment war tells in Form feinsten Staubes und sp~rlich, teils reiehlich und in groben Sehollen in den Zetlen angeh~uft. Dabei spidte die Zellform keine Rolle.

Ein bequemes Studium der einzelnen Elemente war bei der an man- chert Stellen vorherrschenden Einzellagerung sehr gut miiglich. Und da zeigte sich denn~ dass die mit Pigment versehenen Zellen in keiner Weise yon den andern versehieden waren, sic waren durehaus nieht reiehlicher mit Auslliufern versehen. Eine Ahnliehkeit in der Form mit den Chroma- tophoren der Haut oder der Chorioidea war nieht zu erkennen.

Ich babe im Photogramm (21) eine Stetle wiedergegeben, we pigmen- tierte neben unpigmentierten ZeUen lagen, ein Unterschied in der Form wird sich da sehwerlich feststellen lassen.

Nun finden sich abet aueh pigmenfierte Zellen~ welehe eine l~ingliebe Form aufweisen, sic sind zwar spi~rlieh vorhanden, jedoch gerade deswegen liisst sieh mit ziemtieher Sicherheit ihr Entstehen feststellen. Von der run- den Zelle bis zur langgestreekten finden sieh alle ~berg~inge~ und im Mikro- photogramm sind an einer Stelle Zellen; welehe mehr die langgestreckte Form annehmen. Es handelt sich ohne Zweifel aueh hier um in Bewe- gung befindliehe Elemente.

Die Naevusmasse in der Karunkel ergab auf mindestens einigen hun- derten Sehnitten keinen Zusammenhang mit dem Oberflliehenepithel~ es maehte vielmehr den Eindruek, als ob hier gar kein soleher besttinde. Wie sehon erw~hnt~ war die Sehnittserie yon tier Spitze zur Basis gelegt.

Erst als die Serie die Basis traf~ war das Einwnehern yon Epithel- zapf'en und da allerdings in ungeheurer Menge sowie die direkte AuflSsung in einzelne Elemente zu beobachten. Einzelne Schnitte kSnnen da gar kein Verstandnis der topographischen Verhiiltnisse liefern. Nut bei syste- matiseher Verfolgung eines solehen vielfach gedreht und gewundenen Epi- thelzapfens dureh 10 und 20 Sehnitte gelingt es~ den Ubergang yon Epi- thel zu Naevuszellen mit aller wtinsehenswerten Sieherheit in vielen F~lllen nachzuweisen. Es findet sieh eben bier dasselbe Bild~ alas ich bei Sehil- derung der vorhergehenden F~ille in ansreiehender Weise gezeiehnet habe~ nnd ieh glaub% dass ieh mir bier eine n~here Besehreibung ersparen kann. Auch bier maehten die Epitheleinsenkungen bei obel~chlieher Betrachtung vielfaeh den Eindruek yon unregelm~issig gebauten Drtisen: jedoeb war bei

v, Graefe's Archly ftir Ophtbalmologie. LXXI . 2. 16

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genauer Untersuehung festzustellen~ dass es sieh nm ganz andere Ersehei- nungen handelte.

Auffallig war namlieh, dass die ganze Karunkel ausserordenilieh arm an Driisen war. Ausser den Haarsch~fften~ die ebenfalls teilweise degeneriert waren~ und den Zellmassen des Naevus waren regelm~issig konsfruierte Gebilde in der Karunkel nieht auffindbar. Es liegt nahe~ daran zu denken~ dass die Drtisen in der Bildung des Naevus bereits aufgegangen sind. Es l~isst sich dies mit ziemlicher Sieherheit beweisen~ well der n~ichste FaII die ent- spreehenden Belege dafiir bringen wird.

Ausserdem waren noch eine Reihe yon Erscheinungen vorhanden~ welehe auf eine beginnende Matignit~t des kleinen Tumors hinwiesen. So fanden sieh~ allerdings nur ganz vereinzelt, Mitosen in den Gesehwuls~zellen, welehe man ja sonst beim Naevus nie finder. Ausserdem konnte ich be- obaeh~en~ wie an verschiedenen Stellen die Naevusmassen sich ansehiekten~ in Gef~isse einzubreehen. Ieh habe auch yon einer solehen Stelle ein Mikro- photogramm angefertigt und den Abbildungen beigegeben (23).

X. Fall. R.~ Gustav~ 66 Jahre. Lues basalis eerebri, Aceommoda- tionsl~hmung.

Naevus der r eeh ten Karunkel . Aus dem medialen Lidwinkel ragt bei ge(iffnefen Lidern an der Stelle

der Karunkel ein kleiner grauschwarzlieher~ etwa 4 mm im Durchmesser haltender rundlieher Tumor~ der auch beim Lidsehluss sich zwisehen den Lidern hervordr~ngL Der Tumor ist gestielt. Er llisst sieh mit Mitnahme yon gesnnder Conjunetiva der Umgebung dureh einige Scherensehlage leicht abiragen.

Mikroskopische U n t e r s u e h u n g in l t iekenloser Sehni t t se r ie . In der einen Hitlfte ist die vergr~sserte Karunkel verhi~Itnismassig nur

wenig yon Naevuszellen durehsetzt, w~ihrend in der andern H~ilfte eine bunte Durehmisehung yon Epithelschl~iuchen~ die teilweise weir cystisch auf- getrieben sind nnd yon lose liegenden Zelthaufen und Zellen~ typischen Naevuszellen~ zu sehen ist. Das Oberfi~tehenepithel macht dm'ehwegs einen gesunden Eindruek. In dem mehr normalen Teile .der Karnnkel finden sieh an der Oberfiiiche die Ausmt'mdungsg~inge yon 2 aceessorisehen Triinen- drtisen~ w~ihrend an dem ver~inderten Teile yon der Oberfi~iehe reichliche Epitheleinsenkungen in die Tiefe gehen.

Diese EpithelsehlSuehe sind teils mit Lumen versehen~ tells lumenlos. Sie sind vollst~ndig unregelm~issig gebaut~ erstrecken sieh ungemein welt nnd tief in das Gewebe und sind vielfach verzweigt. In der Achse diesel' Epithelztige finden sich vielfaeh Sehleimzellen vor, so dass der Eindmek, dasses sieh hier nm Reste nolcnaler Driisen handelt~ grosse Wahrseheinlieh- keit gewinnt. Diese mucinhaltigen Zellen finden sieh immer nur in den zentralen Partien der Epithelsehl'~uche~ w~ihrend gegen die Aussenseiten die Epithelzellen ihren Charakter ale Epithel und Driisenzellen feilweise oder ganz eingebtisst haben und dabei an vielen Stellen direkt in die Naevus- hanfenzeUen iibergehen. Der Ubergang ist an manehen Siellen mehr all- m~ihlieh zu beachten~ tells vollzieht er sieh abrupt~ indem die unmittelbare

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfets und der Aderhaut usw. 229

Fortsetzung der Driisenreste Naevushaufen bilden. Bindegewebe fund sieh an solehen Stellen auch nicht in feinsten Ztigen zwisehen die einzelnen zelligen Etemente zwisehengelagert.

Die Naevuszelleu lagen tells in ttaufen, wie gerade an solehen Stel- len a wo das seheinbare Ende eines Driisenganges vorhanden wa 5 teilweise lagen sie auch mehr einzeln verstreut und hatten in loekerer Weise das gauze Stroma der Karunkel his an das 0berfi~chenepithel durchsetzt (siehe Taft XIII~ Fig. 24). Es handelt sich also hier ohne Zweifel um einen yon ehemaligen Drtisen ausgehenden Naevus, und zwar um die Schleimdriisen~ wie sie yon Ensl in in seiner sehon erwahnten Arbeit besehrieben wordeu sind. Auch der Befund in dem vorhergehenden Objekte~ in dem sich iiber- haupt keine Driisen mehr fanden, weist darauf bin, dass sie mit der Nac- vusbildung einem atlm~hliehen Untergange anheimfallen.

Die Naevuszellen selbst waren in Form und sonsfigen Eigensehaften yon der Art~ wie sie bereits in den vorhergehenden Fgllen besehrieben worden sind. Vielfaeh verhielten sie sich wie im I. Fall und waren einzeln zu enormer GrSsse herangewaehsen. Es handelt sieh um ein Waehstum des Kerns und des Protoplasmas. Die dunklere Anssenzone des Protoplasmas war dabei auch deutlieher geworden. Die rundliehe Form war die vor- herrsehende.

Teilweise waren die Zellen auch kleiner und mehr l~inglieh. Die Formen waren in solchen Fallen vielfach dutch die Aneinanderlagerung bestimmt. Die grossen rundlichen Zellformen waren gegen die Oberfiaehe vorherr- schend.

Im grossen und ganzen war der Pigmentreiehtum der Zellen nur ein geringe 5 man fand nur vereinzelte pigmentierte Zellen zwisehen dem Gros der unpigmenfierten. Nach der 0berflitche zu war jedoeh eine auff~ltige Zunahme der Pigmentierungen zu beobachten. Sie verantasste offenbar auch das sehwi~rzliehe Aussehen des Tumors.

Die pigmentierten und unpigmentierten Elemente unterselfieden sieh in Form kaum voneinande 5 vielleieht waren die pigmenfierten Zellen etwas grSsser wie die unpigmentierten.

Zu diesem Fatle gehSren die Taf. XIII~ Fig. 24 u. 25. In Fig. 24 finden wir bei sehwaeher Vergri~sserung die Epitheleinsenkungen mit den eystischen Hohlraumen. In Fig..25, bei sffirkerer~ wie solche Epithelein- senkungen in Naevuszellen iibergehen.

Obwohl mir noch eine Reihe yon Objekten zur Verftigung stand, so will ich doch mit dem ngchsten Falle die Reihe der einzeln be- schriebenen Objekte schliessen. E r kam mir zuerst in die [d~nde und hat die Verantassung zu diesen Untersuchungen gegeben. Da er ungefahr schon die G-rSsse einer halben Erbse erreicht hart% so liessen sich fiber die Entstehung nicht mehr so sichere Anhaltspunkte wie in den vorhergehenden F~tllen gewinnen. Doch ist sein Studium in mancher Beziehung lehrreich. Es zei.gt, welch komptizierte Ver- h~ltnisse beim Aufbau dieser relativ kleinen Tumoren sich ausbilden

16"

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kSnnen. Mit dem Eintreten solcher kSnnen bindende Schliisse fiber die erste Entstehung kamn mehr gewonnen werden.

XI. Fall. U.~ Liddy~ 12 Jahre. NaGh Aussage des Vaters findet sich seit der Geburt im Weissen des

linken Auges an tier Sehliifenseite ein sehwarzer Fleck. Da el" in den letzten Monaten auf doppelte Gr6sse angewaehsen ist~ so bringt dcr Vater das Kind in die Klinik.

In der Conjunction des tinken Auges finder sigh ungef~hr in der Hori- zontalen etwa 1 mm vom Hornhautrande beginnend ein etwa halberbsen- grosser, leicht erhabene b tiefsGhwarzer Tumor.

Die Excision gelingt leiGht anseheinend im ganzen Umfange~ da aueh keine Verwacbsung mit der Sklera vorhanden ist. Ein Rezidiv ist his jetzt naGh fast 2 Jahren night aufgetreten, obwohl sigh be ider mikroskopischen Untersuehung sofort herausstellte~ dass die Excision night vollst~ndig ge- lungen war.

Der Tumor zeigt auf der ganzen Schnittserie einGn ziemlieh kompli- zierten Baut indem Epithelien und Naevuszcllen in bunter Unordnung dureheinander gewtiri~lt ersGheinen. Diese ErsGbeinung beherrsGht das gauze pathologisGh-anatomische Bild. ~ber dem kleinen Tumor zieht sieh das Oberfl~Ghenepithel in 3 - - 4 Zellreihen hin~ vollstandig glatt~ ohne irgend- wclche Einsenkungen und Einlagerungen. An den Randern andert sigh jedoch der Charakter des Epithels vollstiindig. Das Epithel wird mehr- schiGhtig. Die tiefen Schichten sind unterbroehen durch eingelagerte ~Nae- vuszetlennester und dazwisGhen dringen tiefe Epitheleinsenkungen welt in die Naevusmasse hinein. Von einem solchen am Rande beginnenden Epithel- zug riihrten auch die in der Mitre des Tumors befindlichen Epithelien her, die sigh auch auf tier Abbildung vorfinden. Sic liessen .sich in exakter Weise bis zu ihrem Zusammenhang mit dem Oberfl~chenepithel veriblgen (Tar. XIII~ Fig. 26).

Eine sGharfe Abgrenzung zwisGhen Epithet und Naevuszellen l~st sicll nur an den wenigsten Stellen beobaehten~ sondern fast iiberall finden sich allm~hliche Uberg~nge zwisGhen den versehiedenen Zellarten. In der Ab- bildung finden wir diesc Ubergangszellen stark pigmentiert~ doGh finden siGli auGh unpigmentierte an andern Stellen des Praparates. Sic erinnern noGh in der Form an den Epithelcharakter. Dabei ist das Bindegcwebe zwisGhen den Zellen ausserordentliGh sp~irlieh entwiGkelt und fehlt~ wie ja auch das Photogramm zeigt, an vielen SteUen ganz.

Die Epithelzellen inmitten des Tumors sind mit Pigment in allen ~ber- gang~formen beladen. Es ist dabei bald fein-~ bald grobkSrnig, bald holler odor dunkler in der Farbc. An den nur in geringem Masse mit Pigment beladenen Epithelzellen l~isst sich nun eina charakteristische Lagerung der Pigmentkiirnchen zum Kern in jedem einzelnen Falle beobaehten. Sic liegen stets in seincr unmittelbaren NaGhbarsehaft, ja man kann manehmal ira Zweifel dartiber sein, ob night manGhc KSrner noGh dem Kerngebiet angehSren. VielfaGh fund sich der kleine Pigmenthaufen in Buchten des Kernes oder in einem heUen Ho G unmittelbar an der Kernmembran, den man bei Epithelien nieht selten antrifft. Es legen diese Befunde den Ge-

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danken nahe, dass bei der Pigmentbildung dem Kern ein wesenfliches Moment einzur~umen ist (TaL XIII, Fig. 27).

An dem Rande des Tumors nun finden wir am Epithel durchwegs jene Erseheinungen der Epiflmldnsenkung und Epithelwucherung, wie ich sie ausffihrlieh im Vorhergehenden beschrieben habe. Ich maehe darauf auf- merksam und ieh werde bei meinen sp~teren Ausftihrungen noch darauf zurtickkommen, dass sich diese Vorgange am Rande des Tumors finden, dass damit das ganze fl~chenhaffe Fortschreiten des Prozesses vers~ndlieh wird.

Ich hatte in die Reihe der einzeln besehriebenen 0bjekte noah eine Anzahl weiterer einffigen kSnnen~ jedoeh sehe ich davon ab~ well sie niehts neues bieten. Ich werde sie jedoeh in meinen sp'~teren Ausftihrungen wenigstens zum Teil gelegenfl}eh erwghnen, da sie in manehen untergeord- neten Punkten zum Verst~ndnis des Ganzen beizutragen vermSgen.

Zusamm enfassung.

Wenn wir nun die eben besehriebenen F~lle unter gemeinsamen Gesichtspunkten zusammenfassen, so kSnnen wir sie yon vornherein in solche seheiden, wo wir fast nur Epithelvergnderungen mit gusserst geringfiigigen subepithelialen Zellansammlungen fanden, so dass yon einem ~qaevus schleehtweg nicht die Rede sein kann.

In allen iibrigen F~llen batten wir jene Haufen yon Zellen ge- funden, welche als Naevi gelten miissen und in Form und @rSsse der Zellen, in Pigmentierungszustand und sonstigen Eigenschaften den Typus der Naevuszellen erkennen liessen.

Da ieh nun vorhabe, zuerst genauer auf den allgemeinen Bau des Naevus und die sich da ~bspielenden Vorggnge einzugehen und dann die Entwieklung zu behandeln, so miissen vor der Hand diese drei ersten Fglle bei der Besprechung ausseheiden. Sie werden aber desto ausfiihrlicher ihre Erw~hnung finden, wenn spgterhin yon der Herkunft und der Entwieklung tier Naevusze]]en die Rede sein soil.

Die Ze l lhau fen .

Die einzelnen Zellhaufen waren verschieden gross, bei den kleinen Objekten dazu nur einfach. Nut bei den grSsseren waren mehrere Haufen vorhanden, wie wir dies so h~ufig an der Haut finden. Im allgemeinen erreichten sie aber hie die Gr5sse wie bei den Hantnaevi.

An einem solchen Hanfen liess sich nun vor allem ein kom- pakter Kern und eine viel lockerere Rindenschicht unterscheiden. Die Zellen des Kerns lagen gewShnlieh ungemein dieht, ja zusammen- gepresst und batten Formen angenommen, die gewiss zum grossen Tell yon der innigen Zusammenlagerung herriihrten. Vielihch waren sie polygonal, manchmal mehr spindelfSrmig. Durehggngig

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waren sie mit sp~rliehem Protopl~sma versehen, das sich ebenso wie der Kern nieht besonders gut tingierte. Bei F~rbemethoden, welche eine nachtr~gliche Differenzierung erfordern, wnrde die F~rbe des Kerns unverh~ltnismiissig rasch ausgezogen. Die Kerne maehten ausserdem vielfach einen recht chrom~tinarmen Eindruek. Nur yon dem grossen KernkSrperehen wurde manchmal die F~rbe auffi~llig lange und lest behalten.

Das fibrill~re Gewebe zwischen den Zellen war in ganz ver- schiedener Menge ~erteitt. Ieh konnte Zellgruppen beobaehten, wo aueh mit den besten Bindegewebstinktionen (Mallorymethode fiir Collagen) und Weigertsehen F~rbung (fiir e!astisehe Fasern) Fibril- len zwischen den einzelneIi Zellen nieht gefunden werden konnten. An andern Stellen fanden sieh die Fasern yon beiderlei Art wieder in ziemlieher Reichlichkeit, wobei zuweilen die el~stischen Elemente vorherrsehend waren. Nach dem Rande des Zellhaufens nahmen die Fasern aber stets an Menge zu.

Dabei zeigten die elastischen Fasern oftmals ein merkwiirdiges VerhMten. Normalerweise sind sie im Priiparate gestreekt oder leieht gewellt und haben einen sattblauen Farbenton. Solche Stellen lassen sieh in den normalen Teilen des Priiparates leicht finden. Im Be- reiehe des Naevus waren sie vielfaeh stark geh'~iuselt~ j~ zusammen- gekn~flelt. Der sehSne blaue Farbenton war in bestimmten Bezirken iiberhaupt nieht vorhanden, die l~asern waren blass, ihre Konturen unscharf.

Ohne Zweifel w~ren an manchen Stellen gerade die elastisehen Fasern fiber die Norm vermehrt, es handelte sieh dabei aber niemals um Stellen im Naevus se]bst, sondern sie lagen stets ausserhalb des- selben in geringer Entfernung yore Epithel, mitunter in grosser N~he der Epitheleinsenkungen. Gerade d~ waren an manehen Stellen ganze Haufen yon elastisehen Pasern zu beobaehten. Diese Stellen, welche eine Vermehrung der elastisehen Fasern und aueh der eolla- genen Fibrillen zeigten, hatten gewShnlieh nut wenige Naevuszellen, nnter Umst~nden fast gar keine aufzuweisen.

Wenn wir die Zellmassen und ihre Einzelindividuen im Zentrum des Naevus mit normalen Zellen im mensehlichen Organismus ver- gleiehen, so erinnern sie zweifelsohne noch am meisten an embryo- nale Bindegewebszellen. Bei niiherer Untersuehung ergibt sieh je- doch Bin durchgreifender Untersehied. Embryonale Bindegewebszellen haben zwar such polygonale Formen, aber sie haben ausserdem noch als wesentliehe Erseheinung welt sieh verzweigende, mit den Naeh-

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barzelten iiberall ira Zusammenhange stehende Protoplasmaausl~ufer. Sie finder man stets, wenn man gute Plasmaf~rbemethoden an- wendet , und sie fehlen auch in den allerjiingsten embryonalen StadieL~ nieht. Solche Protoplasmaausl~ufer feMten mit einer Einschriinkung, welehe ich sogleieh noch erwiihnen werd% den I~aevuszellen ganz. Die streng isolierte Einzetlagerung der Zellen war fiir gew5hnlich ein nicht zu verkennendes Merkmal, auch wenn die Zellen einander recht nahe lagen.

Ahnlich lagen in dieser Beziehung die Verh~iltnisse in den Rin- densehiehten. Hier lagen die Zellen vereinzelt oder manehmal zu mehreren perlschnurartig angereiht in den Gewebsmasehen. Es liess sich feststellen, dass vereinzelte Zellen gar nicht selten reeht weir weg veto eigentliehen Herde lagen, durch Gef~sse und Bindegewebe yon ibm" getrennt. An so vereinzelten Zellen konnte man die Form genau feststellen, yon der sieh zwei Typen unterscheiden lassen. Entweder sie war fund oder polygonal, oder sie war langgezogen~ mit einseitig ausgezogenem Protoplasma. Die rundlichen Zellformen waren vielfaeh mit einer dunkleren Aussensehieht ihres Protoplasmas um- geben, welche das ganze Zellterritorium scharf gegen das umgebende @ewebe abgrenzte. Der Chromatingehalt des Kerns war wechselnd. Aber aueh hier war die Einzellagerung der Zellen mit Ausnahme derjenigen F~ille, we durch eine eben stattgefundene Teilung noeh das lProtoplasma im Zusammenhange geblieben war oder sich regel- reehte Riesenzellen entwiekelt batten, die normale Erseheinung. Auch die einseitig ausgezogenen Zellen batten die streng isolierte Form gewahrt und nur einen Ans]gufer. Wie sie aufzufassen sind, darfiber an sp~iterer Stelle.

Die strenge Einzellagerung der Zellen in Kern- und Rinden- sehichten ist meines Erachtens neben den andern Formersch~innngen ein wertvolles Kriterium ftir die Frage, ob die Naevuszellen als Binde- gewebszellen und Bindegewebsbildner aufgefasst werden kSnnen, Wir wissen durch die ITntersuchungen yon Spule r l ) , FlemmingS), l~[allS) und neuerdings yon Golowinski~), dass die Bindegewebs-

I) Spuler, A., Beitrage zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stiitzsubstanz. Merkel-Bonnetsche ttefte. 1896.

S) F1 e mmi ng, W., ~ber die Entwickhng der collagenen Bindegewebs- fibrillen bei Amphibien und S~ugern. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. A:bt. 1897.

s) Mall, T. P., On the development of the connective tissues syneytium. Amer. Journ. of Anat. ¥ol. I. S. 329. 1902.

4) G o 1 owi I~ s k i, J., Zur Kenntnis der Histiogenese der Bindegewebsfibrillen. Anat. Hefte. Bd. XXXIII, 1. 1907.

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fibrillen sich aus dern Ektoplasrna der Zellen entwickeln und dass sie sich yon den L~ingsseiten der Zdlen , yon ihren Protoplasma- ausl~ufern abspalten. Da ich~) selbst friiher tiber Bindegewebs- entwicklung gearbeitet habe, so sind rnir solche Bilder recht wohl gel~iufig.

Da das Zentrurn den ~lteren TeiI des Naevus darstellt und also gerade yon diesen Zellen infolge ihres l~ingeren Verweilens irn Binde- gewebe anzunehrnen w~re, dass sie die Metamorphose zu Binde- gewebsbildnern durchgemacht haben, so miissten wir an ihnen solche Erscheinungen am allerbesten beobachten kSnnen. Man w~re dann zu der Annahrne gezwungen, dass sich die Fibrillen eirkul~r am Aussenrande urn die polygonale Zelle entwickeln, well die Zellen keine Ausl~iufer und Verbindungen aufweisen.

Protoplasmaausl~ufer, die daffir verantwortlieh gernael~t werden kSnnten, fehlen den Naevuszellen fast stets.

Die Ansehaunng, dass die Naevuszellen zu Bindegewebsbildnern werden, riihrt yon K r o m a y e r 2) her. Er ist yon dem epithelialen Ursprung der Naevuszetlen iiberzeugt, l~isst sie abet rnit dern l~ngeren Verweilen im Bindegewebe eine vollst~ndige Umwandlung zu Binde- gewebsbildnern durchrnaehen und fibrill~res Gewebe produzieren. Ausser ibm haben noch S e h e u b e r s) und J u d a l e w i t s c h 4) die gleiche Ansicht ausgesprochen.

Ieh kann rnich nun naeh den sorgfgltigsten Untersuchungen, welche ich gerade in dieser Hinsieht angestellt babe, den Ausfiih- rungen K r o r n a y e r s nieht anschtiessen. Insbesondere habe ieh auch niernals BJlder gefunden, welche )[hnlichkeit mit den yon J n d a l e w i t s e h auf Tar. I I seiner Arbeit Fig. 17 und 18 haben

i) .Wolfrum, M., Beitr~tge zur Entwicklungsgeschlchte der Cornea der S~uger. Anat. ttefte. 1902. -- Beitr~ge zur Anatomie und Histologie der Ader- haut beim Menschen und bei hSheren Wirbeltieren. Arch. f. 0phth. Bd. LXVII, 2. 1908.

3) Kromayer, Zur ttistiogenese der weichen Hautnaevl, Metaplasie yon Epithel zu Bindegewebe. Dermat. Zeitschr. Bd. IL 1896. -- Erwiderung auf den Aufsatz Prof. Ribberts ,,fdber das IVIelanosarkom". Beitr. zur pathoI. Anat. Bd. XXI. 1897. -- Die Parcnchymhaut und ihre Erkrankungen. Arch. L Ent- wickhngsmech, d. Organism. Bd. VIII. 1899. -- :None biologlsche Beziehungen zwischen EpitheI nnd Bindegewebe. Desmoplasie. Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. LXII. 1902.

s) Scheuber, Uber den Ursprung der weichen Naevi. Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. XLIV, 2. 1898.

4) Judalewitsch~ Zur Histiogonese der weichen Naevi. Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. LVIII, 1. S. 15. 1901.

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kSnnten. In einer neueren Arbeit konnte auch D M l a F a v e r a 1) keine Befunde erheben, we]che zugunsten dieser Auffassung sprecheu.

Von R i b b e r t ist der Kromayersche Standpunkt nebst andern Momenten~ auf welche ieh sp~iter noch zu spreehen kommen werde, als ein kr~ftiges Argument gegen die Theorie yon der epithelialen Abstammung der Naevi geltend gemaeht worden. Um so mehr glaube ieh, dass eine Naehpriifung geboten ist.

Wenn wir uns die Bindegewebsfibrillen nach prggnanten Fgr- bungen bei starken VergrSsserungen ansehen, so finden wir, class sie im allgemeinen im Zentrum des Naevus sp~irlieh vorhanden sind. tiler miissten wir aber gerade die reichlichste Entwieklung erwarten, well wir bier die gltesten Elemente and damit diejenigen vor uns haben, ~velehe am langsten ira Bindegewebe verweilt haben. In meinen Fiilten, w o e s sich allerdings nur um kIeine I~aevi handelt, finde ich aber kein Moment, was zur Annahme einer Bindegewebs- proliferation yon seiten der Naevuszellen veranlassen wiirde. Im Gegen- teil~ je grSsser der Naevus war~ desto weniger Fibrillen fanden sieh zwischen den Zellen eingdagert.

Die spgrlichen Fibrillen~ welehe man finder, mSgen wohl schon vorhanden gewesen sein und nur eine Auseinanderdr~ngung dureh sich dazwischen lagernde Zellen erfahren haben. Auch der Ver- lauf deutet nichts an, was fiir ein Hervorkommen aus dem Proto- plasma der INaevuszellen sprieht, ein eirkulgrer gerlauf am einzelne Zellen war nicht nachweisbar, sondern sie verliefen meist geschlgngelt oder geradlinig dureh die Zellhaufen. Eine Neubildung yon Fibrillen yon seiten der Naevuszellen muss ieh also in Abrede stellen. Da- gegen halte ieh eine vermehrte I~eubildung yon Fibril!en yon seiten der Bindegewebszellen nieht fiir ansgesehlossen~ ja sogar aus einer Reihe yon Oriinden ftir recht wahrscheinlich~).

Die Fasern im ~aevus selbst waren meist verhgltnismiissig grob~ w~ihrend feine fibrilt~re Etemente in grosser Anzahl an tier Peripherie oder in einiger Entfernung yon dem Zellhaufen unter den El~ithel- einsenkungen zu beobachten waren. Sie setzten sich mitunter aus Ziigen allerfeinster Fibrillen zusammen und mitten in ihnen lagen Zellen mit langgestreckten Protoplasmaausliiufern. Hier handelt es sich also wohl ohne Zweifel nm Neubildung yon Fasern. Da solche

~) Dalla Favera, Ein Beitrag zur Kenntnis tier Pigmentnaevi. Beitr. zur pathol. Anat. u. zur allgem. Pathol. Bd. XLIII. S. 75. 1908.

~) Daffir spricht auch die yon mir in einigen Fallen beobachtete Yermeh- rung der elastischen Fasern am Rande des l~aevus.

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Stellen zumeist noch vollst~ndig frei yon Naevuszellen waren, so konn- ten fiir die Erscheinung nur Bindegewebszellen verantwortlich gemaeht werden. Die Zellen zwischen den Fibrfllen trugen auch in allem den Charakter yon Bindegewebszellen. Ich komme damit zu der Anschauung~ dass dutch die Entwicklung des Naevus zwar eine Neu- bildung yon Bindegewebsfibrillen in beschr~nktem Umfange veranlasst wird, dass diese Erscheinung aber als eine Reaktion yon seiten der normalen Gewebe, speziell der Bindegewebszellen aufzufassen ist.

Die Z e l l v e r m e h r u n g .

Obwohl meine s~mtliehen Pr~parate lebensfrisch exeidiert und wohl kaum im ganzen dicker Ms 1--3 mm waren, damit also in kiir- zester Zeit fixiert sein mussten, so war ich doch nicht in der Lage, mit Ausnahme der beiden F~ilte an der Karunkel, nur eine einzige Mitose an Naevuszellen~ die an manehen Stellen in reger Teilung waren~ nachzuweisen. Es waren doppelkernige Zellen und solche mit mehr Kernen in den Randsehiehten in Massen zu beobaehten, in den mittleren Schichten des Naevus fehlten sie zuweilen ganz. Die direkte Kernteilung selbst war in allen Stadien zu sehen, eine Mi- tose war aber nicht ztt finden.

Jedoch lagen die Verh~ltnisse nieht so, class in meinen Pr~- paraten iiberhaupt keine Mitosen vorhanden waren. Im normalen Epithel waren in der Naehbarschaft der Naevushaufen unweit yon den Epitheleinsenkungen manchmal vSllig regelrecht ausgebildete karyokinetisehe Figuren zu beobachten.

Es ist nun durchaus noch nicht klargestellt~ warm und unter welchen Bedingungen im fertigen Organismus sieh die direkte Zell- teilung crier die indirekte Zellteilung, eine rege]rechte Mitose, ein- stellt. Der Epithelersatz an Wundfl~chen zeigt uns, class beide Arten der Zellvermehrung sieh nebeneinander abspielen kSnnen, die direkte Kernteilung unmittelbar am Rande des Defektes, die Mitose etwas welter nach rtiekw~ts, im normalen Epithel. In der WundheHung yon M a r c h a n d 1) finden wir dariiber ausfiihrlich berichtet.

Es ist auff~llig, dass die Art der Zellteilung bei der Naevus- bildung und bei der Epithelregeneration hSchst eigentiimliche _~hn- liehkeiten aufzuweisen hat. Bei "der Naevusbitdung finden sieh ge- legentlich beide Arten der Zellvermehrung~ jedoch die Mitose nur im

1) Marchand, Prozess der Wundheilung. Eulenburgs Realencyklo- padie. S. 149.

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benaehbarten normalen Epithel, im Naevus jedoeh in verh~ltnism~ssig ~Jel reieh]icherem Masse nur die direkte ZellteiIung. Letztere spielt auch bei der normalen Epithelregeneration die grSssere Rolle und be- trifft die sieh stark vermehrenden lockeren Randschiehten des Epithels, die also dem epithelialen Verbande nicht £est eingefiigt sich fiber den Hautdefekt h er~iberschieben. Da wir die Zellvermehrung meist nur ilt den ~usseren Schichten des Naevus und, wie ieh welter zeigen werde, in lokomotionsf~higen jiingeren Zellen, welehe hSehstwahrscheinlich zuletzt aus dem epithelialen Verbande losgelSst ~vorden sind, so be- steht also in versehiedenen Punkten eine weitgehende Analogie.

Sehfitz~) h~lt die direkte Kernteilung an NaevuszeIlen ffir eine aussergewShnliche Erscheinung. Wenn man sich abet fiir eine epi- theliMe Abkunft tier Naevuszellen entscheidgt, so wird naeh dem Ge- sagten die Erseheinung gar niehts befremdliehes haben. ~Neuerdings hat auch B i r c h - H i r s c h f e t d ~) festgestellt, dass durch Bestrahlung mit RSntgenstrahlen~ also auch bier unter pathologisehen Verhfilt- nissen, eine ungemein reichliche Doppelkernigkeit des Cornealepithels jedenfalls dureh direkte Kernteilung auftritt.

Auff~illig bleibt immerhin, dass diese Art der Vermehrung in den Naevuszellen so gesetzm~ssig auftritt.

Der mathematisch genau geregelte Vorgang der Mitose drangt uns zu der Annahme, dass damit auch die besonderen Qualit~ten, welche an das Substrat gebunden sind~ in gleich exakter Weise auf die Toehterindividuea tiberft~hrt werden. Ieh verweise auf die Untersuehungen yon Flemming~ Rabl und die neuerdings fiber die Zelle erschienene Monographie yon Heidenhain.

Dies scheint bei der direkten Zellteilung keineswegs in gleicher Weise der Fall zu sein. Wir wissen nicht einmal~ ob alle wesentliehen Bestandfeile der Zelle auf die Tochterindividuen fibertragen werden~ dass sie vollends nieht zu gleichen Teilen fibertragen werden~ ist aus vielfaeher Beobachtung l~ngst bekannt. Konsequenterweise mfissen wit sehliessen~ dass sole.he Zellen auch tier Qualitat nach ungleieh sein kSnnen und Varian- ten in den Eigensehaften aufweisen. Wie welt diese gehen kSnnen, bedm.f besonderer Untersuchtmg, es seheint mir aber dieser Punkt ffir das Ver- st~tndnis der Geschwulstentwieklung nicht unwichtig zu sein.

Die P igmen t i e rung .

Die Pigmentierung der Naevuszellen war in meinen Pr~paraten im allgemeinen nur gering, doch fehlte sie, wenn sie auch manchmal

~) Schfitz, Zur Atio]ogie des Carcinoms. Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. LXII. S. 98. 1902.

~) Birch-Hirschfeld, Die Wirkung der RSntgen- und Radiumstrahlen auf das Auge. Arch. f. Ophth. Bd. LIX, 2. S. 270 u. 296.

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in nur geringem Grade vorhanden war, in keinem Objekt vollst~ndig. Eine regelm~ssige Anordnung des Pigments nach Schichten etwa im Zentrum oder in der Peripherie der kleinen Tumoren war nieht zu finden. Man fund unter vSllig unpigmentierten Zellgruppen unver- mittelt und rege]los ein oder mehrere pigmentierte Elemente. Dabei war auch in den einzelnen Zellen die Pigmentierung verschieden stark ausgepr~gt. Pigmentierungen mit nur einem oder einigen Pigment- kSrnehen bis zur vSlligen Vollstopfung des ganzen Zelleibes weehsel- ten in allen Zwisehenstadien.

Besonders hervorgehoben muss werden, dass der Aspekt eines Tmnors in vivo und sein Pigmentgehalt unter dem Mikroskop keines- wegs immer miteinander harmonierten. Zellgruppen, welehe bei der blossen Betraehtung einen relativ dunkten Eindmek maehten, waren manehmal unter dem Mikroskop nur wenig mit Pigment beladen. Im grossen und ganzen zeigte sieh auch der Pigmentgehalt yon der Ver- teilung der Blutgefiisse, wie dies aueh sehon die Untersuehung mit der Zeisssehen Lupe ergab, unabh~tngig.

Die PigmentkSrner waren, was Form und GrSsse aulangt, voll- st~ndig ungleiehmi~ssig. Dies war sehon in der einzelnen Zelle zu beobaehten. Kristalloid geformtes Pigment konnte ieh nirgends fin- den, die PigmentkSrner und -broeken hatten meist rundliehe Formen. Aueh Farbenuntersehiede waren im Pigment vorhanden. Vorzugsweise war es ein gelbbraunes Pigment~ welches die Zellen fiillte, doeh war auch des 5fteren der Farbenton ein rauehgrauer. Beide TSne waren abet stets in versehiedenen Zellen vorhanden. Mit der GrSsse der ein- zelnen PigmentkSrnehen wurde aueh die Nuance dunkler.

Das Pigment war nieht an bestimmte Zellformen oder vor- zugsweise an solehe gebunden, sondern trat sowohl in rnndliehen Formen wie in den gestreckten Chromatophoren in Erseheinnng.

13ber die Pigmentierung des Epithels babe ieh sehon weiter vorne beriehtet. Es muss hervorgehoben werden, dass in dem zuletzt be- sehriebenen Falle vidfaeh die zwisehen den Naevuszellen eingelager- ten Epithelzellen Tr'gger des Pigmentes waren. Sic erschienen auf diinnen Sehnitten znweilen vollstiindig sehwarz. Da aber die einzelnen Zellterritorien sehr gross waren nnd manehmal nut wenig Pigment aufwiesen, so gaben sic dn bequemes Objekt ftir das Studium der Genese des Pigmentes ab. Die Frage naeh der Herkunft des Pig- mentes ist an& heute noeh in keiner endgiiltigen Form zur LSsnng gelangt. Jedoch hat sieh die Erkenntnis fiber die Entstehung des Pigments insofern erweitert~ als man sowohl auf ehemisehem 15rege Ms

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durch fbrtgesetzte morphologische Untersuchungen zu dem tibereinstim- menden Urteile kam, dass das Pigment im Organismus der Zelle bereits in gewissen Vorstnfen existiere. Ich verweise hier auf die sorgf~l- tigen ehemischen Untersuehnngen yon S p i e g l e r l ) , yon S c h m i e d e - b e r g ~) u. A.

Die milcroskopischen Untersuchungen yon Hel lmichS) , RSssle*) und eine ganze Reihe Arbeiten yon MeirowskyS)~ besonders seine letzte ausftihrliehe Publikation best~tigen die chemischen Befunde. Sie finden iibereinstimmend, dass durch Ausstossung yon Xernsub- stanz, ,,~neleolarsnbstanz", Pigment in der Zelle sich bride.

In der Tat lassen sieh beim Naevus die ]deziehnngen zwischen Pigment und Kern leicht erkennen, ja es dtirfte sogar sehwer fallen, sie zu iibersehen. Da man alle l~berg~[nge der Pigmentierung hier finder, so ist man leicht in der Lage, fiir solehe Untersuchnngen die entspreehenden Bilder zu gewinnen. Hierfiir eignen sieh vor ~llem Zellen mit geringem Pigmentierungszustand.

Ein besonders giinstiges Objekt war dafiir der schon erwghnte zuletzt besehriebene Fall. Das Pigment lag in den Epithelzellen stets unmittelbar dem Kerne an, entweder in Buchten des Kernes oder in kleinen ZellenhSfen. Sie finden sieh vielfaeh in Epithelzellen nnd sitzen dem Kern ~ie eine Kappe auf. Zuweilen nmgab das Pigment schalenf6rmig den gsnzen Kern.

Manehmal konnte man wirklieh im Zweifel dar~iber sein~ ob nieht einzelne sehr kleine PigmentkSrnehen noch dem Kern selbst angehSren. Ich l~sse jedoch diese Frage offen~ d~ sie ebenso wie die, ob das Pigment in .,INue]eolarsubstanzen" des Kernes seine Vor-

1) Spiegler, Eduard, Uber das Haarpigment. Beitr. zur chem. Physiol. u. Pathol. Bd. IV. S. 40--58. 1904.

e) Schmiedeberg, Ober Elementarformeln einiger EiweisskSrper und fiber die Zusammensetzung nnd die Natur der Melanine. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. XXXIX. 1897.

~) t te lhnich, Experimenteller Beitrag zur Genese des Epidermispigments. Monatsh. f. prakt. Dermat. 1907. Inaug.-Diss. Bern 1907.

*) RSssle, Der Pigmentierungsvorgang im Melanos~rkom. Zeitschr. L Krebsforschung. Bd. II~ 3. S. 291ff. 1904.

5) Meirowsky, Die Entstehung des Oberhautpigments beim Menschen in tier Oberhaut selbst. Monatsh. f. prakt. Dermat. Bd. XLII. S. 391. 1906. -- Ursprung und Bi]dung des Cutispigments beim ~enschen. ~Ionatsh. f. prakt. Dermat. ]3d. XLIII. B. 155f. 1906. -- LTber den Ursprung des melanotischen Pigments der Haut und des Anges. Monographie, Leipzig 1908. Verlag yon KIinkhardt.

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stufen besitze, ein Spezialstudium erfordert. Jedenfalls aber sprechen diese Befunde fiir die Berechtigung solcher Ansehauungen.

Das Problem, in welchen Gewebsarten im tierisehen Organismus primiir Pigment auftreten kann, ist aueh ffir den Naevus nicht ohne Bedeutung. Denn stellt man sich auf den Standpunkt, dass die ~Taevuszelten epithelialer Abkunft sind, sprieht aber dabei den Epi- the]zelten die F/ihigkeit Pigment zu bildeu ab, nimmt vielmehr an, dass die Epithelien ihr Pigment nut dureh einen Transport aus den mesodermalen Elementen fiberkommen, so wird eine geniigende Er- kl~irung der regellosen Pigmentierung der i\Iaevuszellen sehr schwierig, zum mindesten sehr kompliziert.

Durch Beobachtungen bei der Entwieklung des Auges ist nun tiingst zur Tatsache geworden, dass der erste Entstehungsort yon Pig- ment iiberhaupt das gussere Blurt der sekundiiren Angenb]gse, also Epithel ist. Eine gauze Reihe yon Forsehern ~iussern sich in fiber- einstimmender Weise in diesem Punkte. Xch verweise nur auf die Untersuchungen yon Kr f i ckmann 1) und R a b l ~) und auf die kiirz- lich erschienene Arbeit yon R~hlmann3), der sieh in eingehender Weise mit dem Auftreten der ersten PigmentkSrnchen in den Epi- the]ze]len beschgftigt.

Dutch die Untersuehungen yon Post*), M e r t s c h i n g 5) u. A. ist ausserdem auch bei der Bildung der Haare das primiire Auftreten yon Pigment im Epithel festgestellt.

Ansserordentlieh gut eignet sieh zu solchen Untersuchnngen fiber prim~e P~gmententstehung, wie ich gefunden habe~ die Palpebra tertia der Tier% die an ihrem Rande ja stets stark pigmentiert ist. In Ubereinstimmung mit den eben angefiihrten Beobaehtungen konnte ieh feststellen, dass das Auffreten des Pigments in den Epithelzellen den ersten Anzeichen der Pigmentierung im subconjunctiva]en Ge- webe zeitlich welt vorausging. Stets war eine kontinuierliche Reihe yon Epithelzellen pigmentiert, ehe iiberhaupt im Mesoderm nut Spuren yon Pigment zu finden waren. Es muss damit auch den Epithelien der Conjunctiva die selbst~ndige F~higkeit, Pigment zu bilden, zuge- sproehen werden. Ausserdem machte es mir nieht den Eindruek, als

~) Kriickmann, Ein Beitrag fiber die Pigmentzellen der Retina. Arch. f. Ophth. Bd. XLYII u. XL¥III.

~) Rabl, Uber den Bau und die Entwicklung der Linse. III. Teil. S. 1~4. 8) Rahlmann, Zeitschr. f Augenheilk. Bd. XVII. S. 1. 1907. ~) Post, Pigmentierung der 0berhaut. Virch. Arch. Bd. CXXXV. 1894. 5) Mertsching, Uber Keratohyalin und Pigment. Virch. Arch. Bd. CXVI.

1889.

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Der ~Naevus der Bindehaut des Augapfels and der Aderhaut usw. 2~11

ob an diesen Stellen die Pigmentbitdung im Epithel in Beziehung zu den Blutgef~issen stiinde. Auch hier trat das Pigment zuerst an der basalen Seite der Zellen auf.

Naeh dem jetzigen Stande der Forsehungen kann wohl die E h r - mannsehe 1) Theorie, dass das Pigment seine Ursprungsst~tte in Me]anoblasten habe~ welehe aus dem Mesoderm stammen, als unhalt- bar gelten. Ihr widersprechen alte jene Befunde, weIche angeben, dass Pigment im Epithel zu einer so friihen Zeit anzutreffen sei, we wir solches im Mesoderm noeh nieht vorfinden. Zur Erkl~irnng des Pigmentierungsvorganges im l~aevus ist die Ehrmannsehe Theorie iibrigens nicht nStig, da mit dem Befunde der epithelialen Abstam- mung der I~aevuszellen diese Frage sieh in einfaeher Weise erledigt.

In seiner bekannten Abhandlung fiber das Melanosarkoln hat R i b b e r t aueh die Frage fiber die Entstehung der l~aevi and ihrer Zellen besprochen, l~aeh seinen Ausfiihrungen sind aueh die Zellen der Naevi yon den Chromatophoren herzuleiten and die rundliehen Formen speziell als analog den Jugendzustiinden der Chromatophoren aufzu~hssen.

Wenn ieh nun in dieser Frage meinen eigenen Beobachtungen folge, so finale ich~ class die primgre Zellform bei der Entstehung veto iNaevus vorzugsweise die rundliche oder poIygonale ist. Wenn nun langge- streckte Formen auftraten, and sie traten bei pigmentierten und nnpig- mentierten Zellen gleieh oft auf, so waren sie gewShnlieh nur in einer Riehtung gestreckt, Erseheinungen, wie sie Zellen in Bewegnng auf- weisen. Dabei konnte es natfirlieh vorkommen~ class die Zellen durch Protoplasmaforts~tze zusammenhingen, wenn sich die Kerne eben ge- teilt batten. Es resultieren dadurch Bilder, die grosse Ahnlichkeit mit Chromatophoren haben. Aus diesen Griinden, weil wir Bewe- gungszust~nde vor uns haben, glaube ieh aber aueh, dass die Form kein massgebender Anhaltspunkt ffir die Herkunft der Naevuszellen ist, insbesondere, da d~e neueren Untersuchungen yon S c h r e i b e r und W e n g l e r 2) ergeben haben, dass die Jugendzust~inde der eehten Chromatophoren keine runden Formen, wie dies R i b b e r t betont~ auf-

1) Ehrmann, Das melanotische Pigment und die pigmentbildenden Zellen des Menschen und der Wirbeltiere in ihrer Entwicklung. Bibliotheca medica. Bd. II, 6. ~896.

~) Schreiber, I,. und Wengler, F., Eine Methode zur Darstellung yon Pigmenten und ihrer farblosen Vorstufen mit besonderer Beriieksichtigung des Augen- und Hautpigments. Sonderdruck aus d. Miinchner reed. Wochenschr. l~r. 37. 1908.

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weisen, sondern sehon mehr oder minder die liingliche Form in frfihen Zustgnden, in ihren mlpigmentierten Vorstufen, zeigen.

Es kann nattirlieh die eine Form jeden Augenblick in die andere iibergehen in dem Moment, wo die ruhende Zelle sich zu bewegen anf~ngt. Irgend welche Bedeutung hinsiehtlieh der Herkunft kann man daher meines Eraehtens weder der einen noch der andern Form beimessen. In erh5htem Masse ist dies natiirlieh bei Tumoren der Fall~ wo Bewegung und Zellteilung der einzelnen Zellindividuen noch eine viel grSssere Rolle spielen. Dass auf die Form nur wenig Ge- wieht zu legen sei, haben in einer neueren Publikation auch W i e t i n g und H a m d i 1) betont.

Wenngleieh ich in diesem Punkte den Ausfiihrungen der eben genannten Autoren befstimmen muss, so kann ich reich doeh keines- wegs ihrer Ansehauung fiber die physiologisehe Pigmentierung spe- zielt im Uvealtractus ansehliessen. Ieh habe sehon betont, dass pri- mgre Pigmentbildner in der Haut und in der Retina die Epithelien sin& Es hiesse aber doeh den Tatsachen Gewalt antun, wollte man annehmen, dass die s~mflichen Chromatophoren des Uvealtractus einer selbstgndigen Pigmentbildung nieht fghig sind und bei der Entwick- lung ihr Pigment lediglich aus der Retina beziehen.

Weleher Herkunft die Chromatophoren des Uvealtraetus sind, ist eine Frage ftir sieh, die sehwer zu ]Ssen ist nnd zweifelsohne sehr kompli- ziert liegt. Abet maa~ ist mit den Annahmen der genannten Autoren tiberhaupt ausser stande, die Pigmentierung der Aderhaut zu erkl~ren. Eri'~hrungsgem~ss ist n~mlich zwisehen die Pigmentepithelsehicht und die Chromatophorenlage die Choriocapillaris und eine nnpigmen- tierte Zellage zwisehengeschaltet, h'iemals finden sich aueh nur die feinsten Protoplasmaverbindungen in den Xapillarinterstitien der Choriocapillaris, welche mit Pigment beladen gewesen wgren. Man miisste daher zu der Annahme greifen, dass die Chromatophoren aus dem vorderen Angenabschnitt nach hinten eingewandert sind und im ~Torderen Abschnitt in der I~egenbogenhaut und im Corpus eiliare ihr Pigment durch direkte ]3eriihrung iiberkommen haben. Doch maeht sieh auch bier das Bedenken geltend, dass die Pigmentierung im Stroma erst einsetzt, wenn sich der Dilatator iridis entwiekelt hat. Also anch hier hat sieh diesem Vorgange ein gindernis in den Weg gelegt.

~) Wieting und Hamdi, ~Tber die physiologische und pathologische Mela- ninpigmentierung und den epi~elia]en Ursprung tier Melanoblastome. Ein pri- m~res Melanoblastom der Gallenblase. Z ieglers Beitr. Bd. XLII. S. 24. 1907.

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhauf~ usw. 243

Ich war aber ausserdem in der Lage, zwei sehr kleine Naevi der Chorioidea in liickenlosen Schnittserien untersuehen zu kSnnen. Auch hier war der kleine Tumorhaufen vom Pigmentepithel dureh die Choriocapillaris stets seharf getrennt, irgend welehe Beziehungen zwischen beiden liessen sich nicht auffinden. Dass aber in dem Tu- mor in loco eine starke Pigmentvermehrung stattgefunden hatte, liess sich auf den ersten Blick erkennen. Also aueh diese Erseheinung sprieht gegen die Angaben der beiden Autoren. Dass sieh in fort- geschritteneren Stadien des Geschwulstprozesses das Pigmentepithel an der Tumorbildung beteiligen kann, ist nicht zu leugnen (Leberl), dtirfte aber kaum zugunsten der Theorie yon W i e t i n g und H a m d i zu deuten sein.

Leedha m Green s) hat die Pigmentierung der Naevi zum Gegenstand eines besonderen Studiums gemacht. Er hat gefunden, dass weitgehende Differenzen zwischen Epithel und Naevuspigmen- tierung in Verteilung und Masse des Pigments bestehen. Er kommt infolge des untersehiedliehen Pigmentierungszustandes zu dem Schlusse , dass die Naevi nieht epithelialer Abkunft seien. Meines Erachtens kann gerade diese Erscheinung zum Gegenstande eines begrtindeten Einwurfes gegen die Unnasehe Lehre nicht verwendet werden. Kann man doeh im :Naevus se]bst pigmentierte Stellen und vSllig unpig- mentierte ganz dieht nebeneinander finden. Schon infolge der Un- m5gliehkeit, fiir diese Erseheinung eine geniigende Erklitrung beizu- bringen, sind wir zu der Schlussfolgerung genStigt, dass wir leider tiber die Ursachen der Pigmentierung hier noch recht im Unklaren sind. Xhnlieh liegen iibrigens die Verh~ltnisse bei den metanotischen Tumoren. Metastasen k5nnen da vSIlig unpigmentiert sein. Und wollte deshalb etwa jemand die verwandtsehaftlichen Beziehungen zwisehen Primgrtumor und Toehtergeschwnlst teugnen? Ebenso steht es aber auch mit dem Pigmentierungsverhiiltnis zwischen Epithel und :Naevus. Wir miissen immer bedenken, dass den Epithelien in der basalen Schicht die Pigmentierungsfghigkeit, wenn auch zuweilen latent~ innewohnt~ dass aber die Naevuszellen mit ihrer LoslSsung aus dem epithetialen Verbande Qualit~ten erhalten, die doch grosse Unter- sehiede vom normalen Epithelien bedeuten. Mir seheint es nieht ein-

J) L e b e r , Th., Uber die Aderhautsarkome und die Iterkunft ihres Pig- mentes, v. G r a e f e ' s Arch. Bd. XL[V, 3.

~) L e e d h a m Green , D'ber Naevi pigmentosi und deren Beziehungen zum Melanosarkom. Virch. Arch. Bd. CXXXIV. S. 231. 1893.

Vo Graefe's Archfv f'fir Ophthalmologie. LXXI. 2. 17

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244 M. Wolfram

real ang~ngig, aus der Form des Pigments, ob krystallinisch oder amorph bindende Schl~isse fiber die Herkunft zu tun.

Welt mehr aber t~sst sich dieser Eiawurf gegen die endotheliale Theorie geltend machen. Endothelien sind niemals pigmentiert, es wohnt ihnen aueh nirgendwo die Pigmentierungsf~higkeit inne. Dies kann man am besten am Ange selbst beobachten. Obwohl in dem ganzen Geflecht des Kammerwinkels die Chromatophoren in unmittel- barer :Nachbarsehaft der Endothelien liegen, so finder man doch hie- reals im Kammergerfistwerk auch nur eine Endothelzelle, welehe Pig- menttr~iger w~re. Und bier l~ge doch dies so nahe, ja w~re gerade- zu zu erwarten. Die endotheliale Theorie ist ja aueh noch aus viel.en andern Gr[inden unhaltbar, die ich unmSglich alle wieder bier an- f~ihren kann. Ich verweise bier auf die Ausffihrungen yon Unna~ K r o m a y e r und Ribbert . Ich habe aber dieses Kriterium noch a ngefiihrt~ well es mir yon nieht zu unterseh~tzender Bedeutung f~ir diese Frage zu sein scheint.

Es w~re verwunderlich, wenn in den Zellen, die sonst niemals und nirgends Pigment enthalten~ plStzlieh diese ganz neue Eigen- schaft auftreten wfirde. Im Epithel ist sie ja yon vornherein vor- handen, wenn aueh nicht manifest. Sie ist damit keine unerwartete Erscheinung, wenn sie im Naevus auftritt, jedoch mfissten wir, wenn wir eine endotheliale Abstammung annehmen, sie als eine ganz aussergewShnliche Erscheinung betrachten. Es gilt dieser Einwand nieht nur gegen die Reek l inghausensche Auffassnng, sondern aueh vor ahem gegen die Ausffihrungen L5wenbaehs l ) , weleher die ~aevuszelten yore Blutgef~ssendothel herleitet.

Eine auff~llige Erseheinung der Conjunetiva bulbi ist~ dass ge- rade da, wo sieh der subepitheliale Zellhaufen vorfindet, meist auch eine ausgedehntere Pigmentierung im Epithel anzutreffen ist. Dass letztere das zeitlieh Prim~re ist, dfirfte wohl kaum in Zweifel ge- zogen werden. Da sie abet fast stets mit der ~aevusbildung verge- sellsehaftet ist, so kSnnen wir daraus mit einiger Sieherheit den Schluss ziehen, dass jene rudimentiiren Erscheinungen tier Figment- bildung im Epithel, wie wir sie anfangs als solche des n~heren be- sprochen haben, in einer noeh nicht greifbaren Beziehung zu jenem pathologisehen Yorgang der ~aevusbildung stehen mfissen. Jedoeh muss ich bemerken, dass ieh in einem vereinzelten Falle das Epithel

2) LSwenbach, G., Beitrage zur Itistiogenese der weichen Hautnaevi. ¥irch. Arch. Bd. CLXXV. S. 485. 1899.

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und tier Aderhaut usw. 245

vollsti~ndig frei yon Figment land, wi~hrend die Naevuszellen in dem Moment, wo sie sich ads dem epithelialen Verbande 15sten, aueh be- reits die ersten PigmentkSrner aufwiesen, ttier setzte also ausnahms- weise die Pigmentierung erst mit der Naevusbildung ein, stand aber aueh in Beziehung zur Naevusbildung.

Die Pigmentierung sowohl ira Epithel wie im Naevushaufen kann innerhalb betr~chtlieher Grenzen schwanken. Doeh war sie an den Naevis der Conjunctiva im allgemeinen gelinger als etwa an der Haut. Manchmal war sie sogar nur in sehr geringem Umfange zu beobachten, nur sehr sp~rliche Zellen batten Pigmenteinsehliisse auf- zuweisen. Es mag daher bei solchen Objekten die Bezeiehnung Naevus pigmentosus kaum angebracht erscheinen, weft das Pigment da, wenn es auch nieht vollkommen fehlt, ganz in den Hintergrund tritt.

H i r s c h 1) hat einen solchen unpigmentierten Naevus beschrieben und es mSgen ihn dabei wohl ~hnliche wie die eben angeffihrten Er- w~gungen geleitet haben. Der Fall stimmt in allen Punkten mit den sonst beobachteten und auch mit meinen F~llen iiberein. H i r s c h spricht sich auch fiir eine epitheliale Abkunft seines Tumors aus. Wir k5nnen aber daraus und aus dem oben angefiihrten schliessen, dass bei der Nae~usbildung in der Conjunctiva bulbi eine auffallende Anwesenheit yon Pigment nieht immer vorhanden ist, wenngleich sie wohl kaum ganz fehlen mag. Hierher gehSren auch die F~lle yon Oatmann2) , sowie der yon F o s t e r s) und der kiirzhch mitgeteilte yon RSnne4). F o s t e r besch~ftigt sich in seiner Abhandlung mit der tterkunft der Naevuszellen. Dariiber an spiiterer Stelle.

Erw~hnen mSehte ich noch bei dieser Gelegenheit, dass ich keine Versuche gemacht habe, eine mikrochemische Eisenreaktion zu er- zielen. Die Serien waren mir dazu zu wertvoll und der Pigment- gehalt zu gering. Vielfache chemische Untersuchungen melanotischer Tumoren haben iiberdies ergeben, dass das Melanin meist eisenfrei ist, vielfach aber Schwefel enth~ilt (MSrner , B r a n d l und Pfeiffer) .

Durch neuere Untersuchungen ist ausserdem festgestellt, dass

1) Hirsch, Der unpigmentierte Naevus der Augenbindebaut. Zeitsehr. fl Angenheilk. Bd. IV. S. fi25. 1900.

3) O atmann, E., Epithelial cystoma of the conjunctiva. Arch. of 0phth. Bd. XXXIII, 2. p. 113. 1904.

~) Foster, E. E., Uber unpigmentierten Naevus tier Bindehaut. Kiln. Monatsbl. 1904. S. 525.

~) RSnne, g., Naevus conjunctivae non pigmentosus. Klin. Monatsbl. April 1909. S. 894.

17"

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auch bet Pigmentierungen, die aus dem Blut~ stammen und lkingere Zeit in den Geweben lagern, die Berliner-Blaureaktion versagen kann, wi~hrend die ehemische Analyse noeh Eisengehalt des Pig- mentes ergibt (Schmidt). Der Wert der Reaktion ist daher nur ein besehr~nkter.

Im Anschluss hieran mSchte ich bemerken, dass ieh auf Grund der Emanue l schen 1) Angaben auf dem letzten tteidelberger Kon- gresse meine siimfliehen Serien ether nochmaligen Durchsicht unter- zogen habe, um die Beziehungen zwischen den Nervenscheiden und Naevi zu untersuchen. Die Conjunetiva bulbi ist sehr nervenreich, eine Reihe yon Quer- oder Schr~gschnitten von Nervenst~mmehen kann man fast in jedem Sehnitte finden. Nieht selten kommt es vor, dass die ~aevuszellen sieh hart an die Nervenscheiden anlegen. Innigere Bezie- hungen aber, welche auf eine Proliferation yon Naevuszellen durch die Zellen der bTervenseheiden hingedeutet hiitten, vermochte ich nieht zu finden. Ich kann reich deshalb auch nieht den Soldanschen ~) und Emanuelsehen Anschaunngen anschliessen, die eine Entstehung yon Naevuszellen aus Nervenscheiden vertreten. Dass abet die Ner- venseheiden unter Umsti~nden bei progredienten Tumoren eine sehr gute Leitbahn abgeben, davon babe ieh reich selbst iiberzeugen kSn-

h e n und durum mug es sich wohl aueh in dem Emanuelschen Fal]e gehandelt haben.

E p i t h e l e i n s e n k u n g e n .

Zu dem wesentlichen Bilde eines Naevus der Conjunetiw ge- hSren such die Epitheleinsenkungen, welche ich in allen meinen Fallen mit Ausnahme der drei ersten gefunden habe. Auf Serien- sehnitten finder man, dass diese Epitheleinsenkungen nur am Rande des subepithelialen Zellhaufens angelegt stud. Man bekommt daher in der Schnittserie stets das gleichfSrmige ]3ild, dass zuerst eine Reihe yon Epitheleinsenkungen zu beobachten ist. AllmBhlich kommt auch der Zellhaufen in den Schnitt~ and je grBsser er wird, desto mehr finden sich die Epitheleinsenkungen an den beiden RBndern. Schliess- lich finden wir wieder die ~Terkleinerung des Tumors, die Epithel-

1) Emanuel, Ein Beitrag zur Kenntnis der epibulb~tren metanotischen Tumoren, besonders ihre Beziehungen zur Neurofibromatose. Klin. Monatsbl. hiai 1908. S. 539. -- Pr~tparate yon einem melanotischen Tumor der Caruncula lacrymalis bet einer Patientin mit regioniirer multipler LNeurofibromatose ether unteren Extremit~t. Heidelberger Bericht 1908.

~) S o 1 d a n, l~ber die Beziehungen der Pigmentmiiler zur Neurofibromatose. Arch. f. klin. Chir. Bd. LIX. S. 261. 1899.

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Der l~aevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 247

einsenkungen n~thern sich einander und treffen wieder zusammen, wenn der Zellhaufen nicht mehr in der Schnittserie oder nur noch mit einem kleinen Rest sich in den Sehnitten befindet. Es kommt nicht selten vor, dass eine solehe Epitheleinsenkung ungemein ausge- dehnt ist und welt in den Naevushaufen hinein auf der Schnittserie zu verfo]gen ist. Jedenfalls aber zeigt uns diese Durehmusterung der Serie auf das bestimmteste, dass der Zellhaufen entweder ringsum oder wenigstens in grosser Ausdehnung yon einem Kranz yon Epithelein- senkungen umgeben ist.

Natfirlich kSnnen fiber eine solche Erseheinung niem~ls einige oder ein willkfirlieh ausgewiihlter Schnitt Aufschluss geben. Hier kann man eben nur mit einer liiekenlosen oder wenigstens ann~hernd lfieken- ]osen Serie zu riehtigen Ansehauungen gelangen. Wenn wir uns des- ha]b in der ophthalmologischen Literat.ur umsehen~ so finden wir die verschiedenartigsten A_bbildungen, wenn es sieh um die Besehreibung dieser kleinen Geschwfilste handelt. Und ich sehreibe gerade dem Umstande, dass niimlich nicht in Serienschnitten untersucht wurd% zu, dass so ganz v e r s c h i e d e n e D e u t u n g e n gegeben wurden. Hat man ni~mhch einen Randschnitt vor sich, ~uf dem nur Epithel- einsenkungen und kein eigentlieher Zellhaufen vorhanden ist, so wird man weir eher die Diagnose Epitheliom oder beginnendes Carcinom stellen, weil man die Epitheleinsenkungen fiir das wesentliehe hi~lt und den vielleieht geringen subepithelial vorhandenen Zellmassen gar keine Be~ehtung schenkt and keine Bedeutung beimisst.

In Ausnahmefi~llen kSnnen die Epitheleinsenkungen durch die ganze Serie das anatomisehe Bild beherrsehen, wi~hrend die iibrigen Zellansammlungen in den Hintergrund treten. Dies ist beim Naevus cystieus der Fall und an manehen allerdings umschriebenen Stellen auch bei den Naevi der Karunkel.

Wean wir nun die Beschreibungen zum Vergleiehe heranziehen, welehe in dermatologischen und pathologiseh-anatomischen Zeitsehri£ ten gemacht wurden, so trifft das yon dem subepithelialen Zellhaufen entworfene Bild auf das genaueste ffir die in der ophthalmologischen Literatur und speziell bei meinen Untersuchungen gewonnenen Be- funde zu. Anders verh~lt es sich aber sehon, wenn die Veriinde- rungen des Epithels und deren Beziehuugen zum Naevus in Betracht kommen.

Eine gewisse Unsicherheit li~sst sieh da nieht vermeiden, weil die Haut Papillen tr~gt und aueh eine normale Epitheleinsenkung recht wechselnd konfiguriert sein kann.. Man wird daher in manchen F~illen

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schwerlich entscheiden kSnnen, ob eine Wucherung vorliegt, also ein pathologischer Prozess, oder ob man die Erscheinung noch in den Be- reich des Normalen rechnen solI.

Der Sorge nun ist man, wenn man seine Studien an der Con- junct~va bulbi macht, vSllig enthoben. Da sie einen glatten Epithel- belag besitzt, so mfissen wir auch die kieinste Abweichung yon diesem Bau, jede knopffSrmige Einsenkung, als ¢inen die Norm iiber- schreitenden Befund, fiir einen pathologischen Zustand erkl~ren.

Freilich ist man auch an der 0onjunctiva bnlbi, wenn einmal diese Epitheleinsenkungen eine gewisse GrSsse iiberschritten haben und wenn der subepitheliale Zellhaufen eine bestimmte Ausdehnung erreicht hat, nicht in der Lage, noch ein bestimmtes Urteil abzu- geben, wetche Wucherungen des Epithels spontan, welche durch den gegen- und dazwischenwuchernden Naevuszellhaufen veranIasst wor- den sind. Wir finden solche Bilder im 11. Falle. Wir kSnnen eben daraus schliessen, da s se s lediglich auf eine Beobachtung der AnfangszustKnde ankommt, um die Entstehung der epithelialen Ein- senkungen beurteilen zu kSnnen.

Ich habe nun diese Epitheleinsenkungen in allen meinen Ob- jekten, mit Ausnahme der drei ersten, gefunden. Ieh halte sie da- her fiir einen integrierenden Bestandteil des Naevus, wenn seine Ent- wicklung bereits in Form eines subepithelial angelegten Zellhaufens erfolgt ist. Die drei ersten F~lle geben uns deutliche Hinweise, wie die Epitheleinsenkungen entstanden zu denken sind~ sie zeigen uns die ersten Anfhnge.

Die Epithelzapfen~ welche in die Tiefe gehen, sind keines- wegs immer solid, sondern das Epithel behalf in den Einsenkungen seine T~itigkeit bei, es desquamiert sich, die SehMmzellen b]eiben noch in T~tigkeit~ und so kann es zur Ausbildung grosser Hohlr~ume kommen, welche das Bild vollst~ndig beherrschen. Solche F~lle liegen bei meinen Beobachtungen unter 6 und 10 und einem nicht ausfiihrtich mitgeteilten vor. W i n t e r s t e i n e r hat (loc. cir.) auf diese Erscheinung schon hingewiesen und P i n d i k o w s k P ) hat eine beson- dere Form mit Bezugnahme auf die W i n t e r s t e i n e r s c h e n Mitteilungen als ~aevus pigmentosus cysticus auf Grund eines untersuchten Falles aufgestellt.

In der ophthalmologischen Literatur haben die Epitheleinsen-

i) Pindikowski, Uber den Naevus pigmentosus cysticus der Bindehaut. Arch. fi Augenheilk. Bd. XLII. S. 296. 1901.

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kungen, welche wegen der Gl~tte der Conjunctiva bulbi am Auge am reinsten zur Beobachtung kommen, eine verschiedenartige Beur- teflung erfahren, insbesondere ist die Entstehung ofters besprochen worden. Mit Ausnahme yon L a n d s t r 5 m 1) ist meines Erachtens eine richtige Erkl[irung dafiir nicht gegeben worden, obwohl ge- rade diese Erscheinung bei einer Reihe yon Beschreibungen in den Vordergrund gestellt wurde. Die Autoren mussten sich zum Tell ~ t komplizierten, ad hoc konstruierten Anaahmen behelfen. Eine ungezwungene Erkliirungsweise lassen sie iiberhaupt nur zu, wenn man, wie wir sparer sehen werden, die Naevi sich aus dem Epithe[ entwickeln l~sst.

Die Epitheleinsenkungen liefern zuweilen hSchst eigentiimliche groteske Bilder. Fast niemals sind sie einzeln~ sondern zu mehreren und hiingen ia der Tiefe an ihren am meisten gegen das Bindege- webe vorgeschobenen Stellen untereinander zusammen. Die Quer- verbindungen sind gewShnlich solide. In den Epitheleinsenkungen~ die yore Oberfl~iehenepithel abgehen, kSnnen wir recht oft noeh die einzelnen Schiehten des Epithels unterscheiden, jedoch ist auffiillig~ dass fast durehwegs die Protoplasmabriicken vollstiindig verloren ge- gangen sin& Mit einem anormalen Verhalten des Epithels sind also die Vorgiinge ohne Zweifel verkniipft.

DGr Vollsiiindigkeit wegen erwahne ich auGh an diesGr Stelle dig Mit- teilungen yon Schapringer~)~ Vossius 3) und Wintersteiner~). DoGh sGheint mir nur der Fall yon Schapr inger hierher zu gehiiren und zwar zu den GystisGhen :Naevi im Sinne yon Pindikowski~ hier handGltG es sigh um vom Oberii~GhenGpithel ausgGhende WuchGrungen. Die yon Vo ssi u s und Win te r s t e ine r erhobenen BefundG betrafGn Cysten, weIche sich aus Driisensehl~uGhen der Conjuncfiva bulbi gebildet batten. In den Winter- steinerSGhen Mitteilungen handGltG GS sigh ausserdem auch um Konkre- mente~ welche dnrch Retention entstandGn waren.

Dies geht unter anderm auch daraus hervor, dass im letzten Falle die Zellen der Epithelziige eine enorme YergrSsserung und teil- weise eine auffallend starke Pigmentierung aufzuweisen hatten. Uber-

~) LandstrSm, 0ber Naevus conjunctivae. Mitteil. aus d. Augenkl. zu Stockholm, herausgeg, v. Widmark. Heft 5. S. 67.

2) Schapringer, Benign cystic epithelioma of the bulbar conjunctiva. Mew York eye and ear Infirmary Reports. 1898.

~) Y o s siu s, Uber einen Fall yon Cystenbildung der Conjunctiva der oberen Augenlider. Sitzungsber. d. Ophth. Ges. zu Heidelberg. 1896.

~) Win te rs te iner , (~ber Cysten und Konkremente in der Lidbindehaut und 0bergangsfalte. Arch. f. Ophth. Bd. XL¥I.

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haupt schwankte in allen .meinen 0bjekten die GrSsse der Zellen in den Epitheleinsenkungen in erhebliehem Umfange. Die letzten Ausl~ufer waren zudem so hochgradig ver~ndert, dass yon einem epithelialen Verbande keine Rede mehr sein konnte. Der innige Zusammenschluss der Zellen fehlte, sie lagen vereinzelt nebeneinander, die polygonale oder kubische Form war meist zu vermissen. Durch Teilung der Kerne war es sogar zur Ausbildung vielkerniger Riesenzellen gekommen. Naeh allem hatte man eben keine Epi- thelien mehr vor sich, sondern ~[aevuszellen, und es bestand so ein kontinuierlicher Ubergang vom normalen Epithel zur ausgebildeten Naevuszelte.

Der direkte Ubergang des Epithels in den Naevus ist vielfach bestritten women, vor allem yon R ibbe r t in seiner schon erw[~hnten Arbeit fiber das Melanosarkom, sodann aber auch yon andern Auto- ren wie Demievi l l e , Bauer~ Soldan~ Riecke u . A . Ich babe nun in meinen Pr~paraten und ich verweise dabei vorzfiglich auf die F~ille 4, 5 und 67 diese Uberg~nge mit absoluter Deutlichkeit finden kSnnen. Auch die subtilsten F~rbemethoden vermochten nieht nur an dieser Beobachtung niehts zu ~tndern~ sondern sie waren gerade wie die Malloryf~rbung und die Hetdsche Protoplasmaf~rbung be- sonders geeignet, diese Anschauung nachdriicklich zu stiitzen, weil damit Zellgrenzen sehr exakt zur Darstellung kommen und jede Spin ° yon Bindegewebe seharf hervorgehoben wird. Ich komme damit auf die vielfach ventilierte Frage fiber die Entstehung der ~qaevi zu sprechen. Sie kann meines Erachtens iiberhaupt nieht diskutiert werden~ wie ich an sp~iterer Stelle zeigen werde, ohne die Epithel- einsenkungen einer genauen mikroskopisehen Analyse zu unterziehen.

Beides, der subepi~e]iale~ gewShnlieh verschiedenartig pigmen- tierte Zellhaufen und die Epitheleinsenkungen mit dem ver~nderten Epithelcharakter sind besondere Kennzeichen des ~aevus an der Con- junctiw bulbi. Wie eine Durchsicht der Literatur ergibt, haben sie sehon vielfach in ophth~lmologischen Zeitschriften ihre Beschreibung erfahren. Ja sie geben dem Naevus ein so eigenartiges scharfes Ge- pr~ge, dass wir ihn damit aueh da zu erkennen vermSgen~ wo er unter einem andern Namen gefiihrt worden ist.

Es handelt sieh bier darum, eine besondere in ihrem pathologisch- anatomischen Bride scharf Umschriebene Geschwulstgruppe zu kenn- Zeichnen, und [ch glanbe deshalb, class es yon Wert ist, noeh einmaI n~iher auf die einzelnen F~lle in tier Literatur einzugehen, obwohl dies sehon yon L a n d s t r S m geschehen ist.

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In der Beurteilung der Fiflle yon Reiss l ) , Best2), K a t t s) und P a r i n a u d , bin ich derselben Meinung wie L a n d s t r S m , sie sind insgesamt als ~aevi aufzufassen. Der Fall yon R e i s s wurde ur- sprtinglich als teleangiekta~isches Angiom der Conjunctiva be- schrieben. S a e m i s c h erwghnt aber bereits in dem einschlggigen Kapitel des Handbuches fiir Augenheilkunde, dass Re i s s jetzt nach miindlicher Mitteilung die Geschwu]st zu den •aeVi rechnet.

Die Fglle yon Bes t , K a l t und Par inaud~) sind als Epithe- liome aufgefiihrt women. Es ist dies sehr naheliegend. Hier fiihrte eben der Schnitt, wie ich schon oben erw~hnte, durch Stellen, wo die Epitheleinsenkungen besonders reichlich waren~ wi~hrend der eigent- liche Tumor in den Hintergrund trat. Ein Epitheliom kann da recht wohl vorgetiiuscht werden. Und vergleicht man die Abbildungen~ so findet man in der Tat, dass hauptsiichlich die Epitheleinsenkungen getroffen sind.

Nun glaube ich aber, dass auch der neuerdings yon @utmann 5) pnblizierte Fall 3 in seiner Mitteilung fiber die Geschwtilste der Caruncula lacrymalis zu den Naevi zu rechnen ist~ G u t m a n n rechnet ihn zwar zu den weichen Fibromen. Er hat aber so grosse Ahnlichkeit mit meinen eigenen an der Karunkel beobachteten Ob- jekten, dass ich reich zu dieser Auffassung berechtigt glaube. Man kSnnte da einen Widerspruch zu meinen frtiheren Ausfiihrungen ent- decken. Denn G u t m a n n berichtet nichts yon Epitheleinsenkungen und ich babe frfiher angegeben, dass ich sie fiir einen integrierenden Bestandteil des ~aevus halte.

Aus der Abbildung yon G u t m a n n geht aber hervor, dass der Hals der Karunkel nicht mitgetroffen ist, und gerade im Halse finden sich die Epitheleinsenkungen. Auch ich habe sie erst nach langen Bemiihungen, nach Anlegen zahlreicher Schnittserien an der Karunkel gefunden, aber dann in solchen Mengen, dass man das

1) Reiss, W.~ Ein Fall yon teleangiektatischem Angiom der Conjunctiva bulbi mit Cystenbildung. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Jahrg. 37. 1900.

~) Best, 0her gutartige cystische Epitheliome der Bindeha1+t. Beitr. zur Augenheilk. Heft 37. 1899.

~) Kalt, Sur une tumeur gpith61iale b6nigne de la conjonctive bulbaire (Dermoepith6Iiome de Parinaud). Arch. d'opht. T. IX. p. 158." 1889.

4) Parinaud, Dermo6pith61iome de l'oeiI (tumeur non d6crite). Arch. d'opht. T. IV. p. 344. 1884:.

~) Gutmann~ A., Zu den Geschwiilsten der Caruncula lacrymalis. Zeitschr. f. Augenheilk. Heft 1. S. 16. 1908.

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ganze Bild der pathologischen Erseheinungen dem an der Conjunctiva bulbi an die Seite zu stellen sieh genSfigt sieht.

Ich habe bei dieser Sichtung der Literatur natiirlich yon allen F~illen abgesehen, welche bereits als Naevi publiziert worden sind, uad deren gibt es eine reichliche Anzahl.

Es miigen aber wohl noch eine ganze Reihe yon Geschwiilsten in der'Literatur beschrieben women sein, welehe denselben Ersehei- nungskomplex dargeboten haben, aber unter andern Namen gefiihrt worden sind. Es h~ilt im einzelnen Falle aber schwer zu zeigen~ dass es sieh um einen ~aevus handelte~ wenn die Besehreibung eine ungeniigende ist.

Ich halte es fiir ausser allem Zweifel, dass auch die neuerdings yon Bar re l s 1) publizierte Besehreibung eines Tumors der Bindehaut des Bulbus hierher zu reehnen ist. Es handelt sich um einen jener unpigmentierten Naevi, wie sie yon H i r s e h besehrieben sind. Aueh die cystisehen ttohlr~ume, wie sie yon P ind ikowsk i angegeben sind, finden sieh da. Dais iibrigens die mikroskopischen Bilder des Nae- vus~ wie Bar re l s erw~ihnt~ eine grosse A_hnlichkeit mit den patho- logiseh-anatomischen Befunden bei Friihjahrskatarrh aufweisen kSnnen, geht auch aus meinen Beobaehtungen hervor.

Der Frtihiahrskatarrh geh5rt mit gewissen Einschr~nkungen ebenso, wie die yon W e s s e l y ") jiingst auf dem Heidelberger Kongress ge- machten Beobachtnngen, zu jenen krankhaften Affektionen der Binde- haut, welche mit Wueherungen des Epithels einhergehen. W e s s e l y hat die Wucherungen des Epithels am Limbus experimentelI dureh Injektionen yon Seharlachrot erzeugt. Beziiglieh der Limbuswuehe- rungen bei Friihjahrskatarrh verweise ich auf die Arbeiten yon U h t - hoff 3) und die umfassenden Abhandlungen yon Axenfetd4). In dem Falle yon U h t h o f f handett es sich um geradezu carcinomiihnliche Wucherungen.

Ich hatte selbst Gelegenheit, mehrere Fi~lle yon Limbuswuche- rungen bei Friihjahrskatarrh, insbesondere aber ein Friihstadium yon Limbusaffektion in Sehnittserien anatomiseh untersuchen zu kSnnen.

1) Barrels, M., Tumor der Conjunctiva bulbi mit Follikel- und Schleim- cysten (atypischer Frtihjahrskatarrh?). Zeitschr. f. Augel~aeilk. Bd. XX, 3. S. 193. 1908.

~) Wessety, Dber Epithelversuche am Auge. Heidetberger Kongr. 1908. 3) Uhthoff, Arch. f. 0phth. Bd. XXIX, 3. S. 174. ~) Axenfeld, Rapport sur le catarrhe I~rintanier. Socidtd francaise d'opht.

Congr~s de 1907. Paris, Steinheil. -- u. Rupprecht, Die Pathotogie des Friih- jahrskatarrhs. Klim ~onatsbl. 1907.

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Ich kann eine vollsti~ndige Beschreibung dieser in vieler Beziehung histopathologisch interessanten Objekte bier nicht geben. Nach meinen Untersuchungen kommt es abet beim Friihjahrskatarrh nicht nur zu einer Einsenkung des Epithels in geschlossenen Ziigen, sondern man findet schon in den Frtihstadien der Erkrankung~ dass vereinzelte Epithelzellen aus dem epithelialen Verbande ausscheiden und in die Tiefe zwischen die Ziige des Bindegewebes geraten.

Wenn man yon den entziindlichen Erscheinungen bei Friihjahrs- katarrh absieht~ so haben wir bier der •aevusbildung verwandte Momente gegeben. Nur l~sst sieh beim Friihjahrskatarrh nicht mit soleher Sieherheit entscheiden, ob die einzelnen Elemente durch eine aktive Tatigkeit der Zelle oder nur in passiver Weise an tier Verlagerung in das Bindegewebe beteiligt sind. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass sich das vielgestaltige eigenartige Bild der Epithelwucherungen am Limbus kaum durch die T~itigkeit des Binde- gewebes allein in zufriedenstellender Weise erkl~iren l~sst.

Wir haben also an der Conjunetiva eine ausgezeiehnete Gels- genheit, die versehiedenartigsten ~%rmen der Epitheleinsenkungen ge- nauer kennen zu lernen~ zumal da wir auch noch das Carcinom~ das da gar nicht so selten auftritt und in seinen ersten Anf~ngen be- obachtet wird~ hierher reehnen miissen. Es diirfte aueh ftir den pa- thologischen Anatomen kanm ein gtinstigeres Feld geben, um die ein- gehendsten Studien tiber die ersten Anfiinge yon Epitheleinsenkungen zu machen. Ein wesentlich erleichterndes Moment ist ja dabei auch der einfaehe Aufbau der Conjunctiva bulbi, wi~hrend sonst der Ban des Epithels an der t taut dureh Papitlen, an dem Darm dureh Zotten und Driisen kompliziert ist. Es verlohnt sieh daher~ auf die Epithelwucherungen etwas nigher einzugehen.

Bei den folgenden Ausftihrungen sehe ieh yon den durch Scharlaehrot erzeugten Epithelwucherungen ab, well fiber sie schon Fischer~) bei seinen Experimenten an der t taut ausfiihrlieh gehan- delt hat.

Bei Frfihjahrskatarrh handelt es sieh am Epithelwucherungen, die mit entzfindlichen Erseheinungen einhergehen~ und beim Naevus um solche~ wo wir entziindliche Erscheinungen vermissen.

Jedem Kliniker ist nun bekannt, dass tier Frtihjahrskatarrh ein

~) Fischer, B., Die experimentelle Erzeugung atypischer Epithelwuche- rung und die Eatstehung bSsartiger Geschwiilste. ~Iiinch. reed. Wochenschr. Mr. 42. S. 204. 1906. -- Uber experimentelle Erzeugung yon Epithelwucherung und Epithelmetaplasie. Verb. d. Derm.-Pathol. Ges. X. S. 20. 1906.

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sehr h~rtn~ckiges, dabei aber relativ harmloses Leiden ist, dessen Ver- lauf sich fiber viele Jahre erstrecken kann.

Das pathologisch-anatomische Bitd ist aber deswegen so inter- essant nnd wertvo]l, weil wir bier alle Bedingungen erfiillt finden, wie sie Ribber t in seiner Theorie fiber die Entwieklung des Car- cinoms aufstellt. Die Infiltration des subepithelialen Gewebes, die unter Umst~inden jahrelang anhNt, dabei die Wueherungen des Epi- thels, die mit zahlreichen Mitosen einhergehea und zu den kompli- ziertes~n Epithelverzweigungen und Einsenkungen fiihren, alles dies wiirden nach Ribber t Momente sein, um die Entstehung eines Car- cinoms in weitem Masse zn f5rdern. Dabei. verlieren die EpitheIien den Zusammenhang mit dem Mutterboden vollst~ndig, das Binde- gewebe dringt zwischen sie ein, die normale Gewebsspannung geht vollst~ndig verloren. Und doeh kommt es nieht zur Entwick- lung eines Carcinoms, der Prozess bleibt immer innerhalb gewisser Grenzen nnd gutartig, das Waehstum wird hie ein unbesehr~nktes. Mfissen wir nicht angesichts dieser Befunde zu dem Schlusse kom- men, dass derartige Momente nicht genfigen, mn die Malignit~t einer Epithelwuchemng hervorzurufen, sondern dass ein wesentliehes Moment Andemngen des biologischen Charakters der Zelle ausmaehen miissen ?

Anderseits a.ber wird dies aueh direkt bewiesen durch die aller- ersten Anfiinge der Naevusbildung. Hier kommt es zu Epithelein- senkungen, ohne class wit irgendwelehe Veriinderungen im bindege- webigen Substrat naehzuweisen im stande sind. Wean diese Epi- thelwucherungen auch nicht ohne weiteres zur Bildung eines malignen Tmnors ffihren~ so sind sie doch pathologische Erseheinungen.

Wir mtissen hier gezwungenermussen den Anlass zur Einsenkung im Epithel setbst suchen. Stets ist das prim~re eine Vermehrung der epithelialen Elemente und mit ihr macht sieh zugleieh ein Vor- dringea in das Gewebe bemerkbar. Ich werde an spiiterer Stelle zeigen, dass dabei ohne Zweifel fermentative histologisehe FEhigkeiten der Zellen eine grosse Rolle spielen. [ch verweise jetzt nur auf zwei Ab- bildungen (Tar. X, Fig. 6 und 7), "welehe ich aus diesem Grunde bier beifiigte, obwohl ieh den Naevus selbst, um den Umfang tier Arbeit nicht zu sehr zu erhShen, nieht in die Beschreibung mit auf- genommen habe. Die beiden Befunde lagen unmittelbar nebeneinander, eine weitere Beschreibung ist eigentlich iiberflfissig. Ich bemerke nur, dass Ta£ X~ Fig. 6 reeht deutlich alas Eindringen des auf seiner HShe getroffenen Epithelzapfens in das Bindegewebe zeigt, und dass

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Der ~Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 255

auf der liickenlosen Schnittserie irgend welche Zusammenh~nge mit der Umgebung nicht zu finden waren.

Tar. X, Fig. 7 zeigt einen weiter fortgeschrittenen Zustand. Im Anschluss hieran erlaube ich mir nur noch eine praktisch

wichtige Beobachtung anzukniipfen. Obwohl ieh bei meinen Exci- sionen tier ~aevi reichlieh yon der umgebenden anscheinend norma- len Conjnnetiva mitnahm, so wurde ieh doeh durch das Studium des mikroskopischen Pr~p~r~tes darauf aufmerksam gemaeht~ dass ieh in den wenigsten F~llen im Gesunden operiert butte. Die Epithelein- senkungen hatten manchmM noeh grSssere Ausdehnungen und fanden sich durchtrennt. Man kann Mso die Excision nicht gross genug machen, will man wirklich alles zum Naevus gehSrige mitnehmen.

Es ist diese Erfahrung yon Bedeutung, wenn es sich durum handelt, einen in maligner Entartung begriffenen Naevus zu beseitigen, wo nut eine mSglichst radikale Entfernung yon Nutzen sein kann. Hier muss man vor allem darauf bedacht sein, im Gesunden zu ex- eidieren, und deshalb nehme man mSglichst reiehlich makroskopisch normal aussehendes Gewebe mit. Die Pigmentierung kann nns kei- neswegs als Ausmass fiir die GrSsse der Excision dienen, da die Ob- jekte ja aueh vielfach unpigmentiert sind.

Nachdem wir nun im Vorhergehenden ulle jene Merkmale be- sproehen haben, welche dem Naevus sein eigenartiges charakteristi. sches Gepriige verleihen, eriibrigt es noch zwei Punkte einer ngheren Untersuchung zu wiirdigen, n~imlich die Entstehung des 5Taevus und eine Reihe yon andern Erscheinungen an den Naevuszellen, welche hSehst merkwiirdige Beziehungen zu den melanotisehen Tumoren er- kennen lassen.

Die E n t w i c k l u n g des Naevus.

Die Entwicklung des Naevus der Haut ist vielfach in eingehen- der Weise behandelt worden. Die gr(isste Anzahl der Autoren neigt sieh wohl jetzt, seit den Publikationen Unnas , wenn auch nach vielfachen Kontroversen, der Anschauung zu, class die Naevi epithe- lialer Abkunft sind.

Die Haut ist nun nicht einmal fiir mikroskopische Untersuchungen ein besonders giinstiges Objekt. Die sch]eehte Sehneidbarkeit erlaubt es nur selten diinne Schnitte anzufertigen~ and Serienschnitte gelingen, ohne dass es mitunter Zerreissungen gibt, nur selten gut.

Diese Nachteile batten gliicklicherweise meine Objekte, zumal die ~us der Conjunctiva bulbi excidierten, nicht aufzuweisen.

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Diese B e m e r k u n g e n muss ich vo raussch icken , um n ich t E i n w ~ n d e zu e r fahren , die schon oft B e a r b e i t e r d ieses Ge- b ie tes e r f ah ren haben. Auch war das Gewebe so zart, duss et- waige Schiebungen der Schnitte beim Schneiden mit dem Mikrotom- messer als ausgeschlossen gelten kSnnen.

Die wichtigsten Punkte in dem Aufbaue der Conjunctiva habe ich schon im Anfange meiner Arbeit vorausgesehickt. D a a b e r ge- rude Epithelver~nderungen bei der Entwicklung des Naevus eine Hauptrolle spielen, so ist es nStig~ dass wir hier noch etwas n~her auf den Bau des Epithels der Conjunctiva eingehen.

Zunfichst verweise ieh auf eine Abbildung (3), die in einer viel- leicht etwas iibertriebenen Weise auf einem Photogramm die Proto- plasmafaserung in den Epithelzellen wiedergibt. Ich habe das Bild beigegeben, well es sehr instruktiv ist, und wenn auch die Protoplas- mafaserung nicht immer in gleieh deutlieher Weise zur Beobaehtuag kommt, so ist es doch ein bequemes Objekt, um ihr Verhalten genau kennen zu lernen.

Wir sehen, wie die Fasern yon einer Zelle zur andern ziehen, wie sie in den intercetlu]~ren R~umen ziemlieh kr~ftig spindelfSr- mig anschwellen. An einigen Stellen l~sst sich auch verfolgen, wie die Fasern dureh ein Zellterritorium yon Anfang his zu Ende in Kontinuit~t hindurehziehen~ um in das nKehste einzutreten und dort weiter zu verlaui~n. Der gesetzm~ssige architektonische Verlauf der Protoplasmafaserung, wie er an der Haut besehrieben und durch eine Reihe neuerer Arbeiten dargelegt worden ist~ finder sich also aueh. au der Conjunetiva butbi, nur finden wir die diesbeziiglichen Bilder nicht so ausgesprochen, well der Epithelbelag in der Conjunctiva bulbi verh~ltnism~ssig sehmal zu sein pflegt. Ieh verweise auf die Arbeiten you S t u d n i e z k a t) uud die neue Auflage des Lehrbuches yon Szymonowicz2).

Die Epithelfaserung ist ohne Zweifel ein integrierender Bestand- teil des gesunden Epithelbelags. Sie l~isst sich mit guten F~rbe- methoden (Kromayer hat dafiir eine besondere Methode angegebent stets zur Darstellung bringen.

Wenn wir nun den Epithelbelag in der N~he yon einem sol- chen Naevus genauer untersuehen, so finden wir die Protoplasma-

x) Studniczka, Die Analogien der Protoplasmafaserungen der Epithel- und Chordazellen mit Bindegewebsfasern. Sitzungsber. d.k. BOhm. Ges. d. Wissensch. 11. ~luli 190"2.

"~) Szymonowicz, L., Lehrbuch tier Histologie. 2. Aufl. S. 40.

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faserung teilweise gesehwunden. Die Zellen h~ngen zwar noch viel- fach mit Protoplasmabriicken zusammen, aber auch diese sind sp~r- licher und unregelm~ssiger; vor allem fehlen aber die Fibrillen, welche das Protoplasma intracellul~r durchsetzen.

Aus dem Folgenden nun wird sieh zeigen, dass wir Sehritt ftir Schritt die Entwicklung des Naevus aus den Epithelzellen ~ertblgen kSnnen. In diesem Schwinden der Protoplasmafaserung haben wir die erste siehtbare mikroskopiseh naehweisbare Erscheinung, welehe auf den Beginn des Prozesses der Naevusbildung hinweist.

Erst wenn die intrace]lularen Fibrillen verschwunden sind, kommt die Reihe an die Protoplasmabriieken, welche die Zelle mit den be- nachbarten verbinden. W~hrend weleher Zeit sieh diese Prozesse abspielen, dariiber werden sich schwerlich bestimmte Angaben machen lassen kSnnen, jedenfalls gehen sie sehr langsam vor sieh.

Es geniigt fiir solche feine histologisehe Untersuchungen dureh- aus nieht, beliebig fixierte und gef~rbte 0bjekte zu verwenden. A1- kohol and Formolfixierung ist daftir nieht verwendbar. Meine Ob- jekte waren fiir diese Unsersuehungen in Zenkerseher LSsung fixiert und einer sorgfiiltigen Nachosmierung unterzogen worden. Mit sorgfiiltigen F~irbungen des ProtopIasmas nach H e l d bekommt man dann Bilder, wie ieh sie in 3 und 10b photographisch wieder- gegeben habe.

Im weiteren Verlaufe des Prozesses nun kommt es zur voll- st~ndigen LoslSsung einer oder mehrerer Zellen aus dem epithe- lialen Verbande. Diese vereinzelten Zellelemente liegen zun~chst isoliert im umgebenden Epithel. In der Mehrzahl der Fiille, oder noch besser gesagt, wohl fast durchwegs, sind es Basalzellen, an denen sich solehe Erseheinungen abspielen (Tar. X, Fig. 1 und 2 nnd 10@

Es ist hier wohl die bere&tigte Frage aufzuwerfen, was aus den Protoplasmaverbindungen und aus den Protoplasmafibfillen ge- worden ist. Es ist weder yon den intracelluli~ren Fibrillen noeh yon den Protoplasmabriicken etwas naehzuweisen. Es bleibt nur die Annahme iibrig~ dass sie yon der zugehSrigen Zelle absorbiert wor- den sind. Es hat diese Erseheinung eigentlieh gar niehts auffallen- des, da ja aueh bei Uberziehung yon Epitheldefekten die Protoplas- mafaserung verschwindet. Anderseits muss es uns aber doeh in hohem Grade befremden, dass hier ein Phiinomen in Erscheinung tritt, das wir sonst nur bei der Regeneration yon Epithel zu sehen gewohnt sind.

Dureh welehe Ver~nderungen in der Lebenstiitigkeit der Zellen,

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spezieller der Epithelzelle, diese Erscheinungen hervorgerufen werden, wird sich wohl schwerlich exakt nachweisen~ sondern nur anniihernd in Erfahrung bringen lassen. Der Vorgang wird uns aber verst~nd- licher werden, wenn wir den ganzen Komplex der Erscheinungen, welche sich nacheinander an solchen Zellen abspielen, durchge- sprochen haben, ~ls wenn wir bereits bei der einzelnen Tatsache den Versuch machen, ihn genauer analysieren zu wollen. So viel ist jedenfalls sicher~ dass die Zelle mit ihrer Losliisung aus dem epithelialen Verbande eine viel grSssere Selbst~adigkeit gewonnen hat und jetzt nicht mehr in Abh~ngigkeit yon andern gleichgearteten Individuen existiert, wie eben im epitheIialen Verbande.

Der Schwund der Protoplasmabriicken und der Protoplasmafa- serung ist speziell bei der Entstehung der Naevi an der Haut schon 5i~ers beobachtet worden und yon Unna , Kromayer~ S c h e u b e r (loc. cir.), J u d a l e w i t s c h (loc. cir.) beschrieben und yon T e o d o r a M e n a h e m 1) zum Gegenstand eines eingehenden Studiums gemacht worden.

Ganz besonders schSn lfisst sich der Prozess beobachten, wenn nur vereinzelte Zellen sich aus dem epithelialen Verbande losmachen, und zwar besonders an solchen Stellen, wo sonst noch die Zell- riffelung in der Umgebung unversehrt erhalten ist.

Man finder da folgende Bilder. Im Anfangsstadium der Los- 15sung finder man, dass an irgend einer Stelle die Protoplasmabriicken im epithelialen Verbande unterbrochen sind~ und dort finder man einen kleinen Hohlraum zwischen zwei Zellen (Ta£ X, Fig. 10). Solch ein Hohlraum~ den man in den verschiedensten GrSssen an- treffen kann, vergrSssert sich immer mehr und hat sich schliesslich um die ganze Zelle ausgedehnt~ die Protoplasmabriicken sind voll- st~ndig geschwunden. Die Zelle ist in einen yon Fliissigkeit er- fiillten Hohlraum eingeschlossen (vgl. Taf. X, Fig. 2).

Dieser Vorgang spielt sich fast immer an der Basalschicht ab. Den Abschluss des Hohlraumes gegen das Bindegewebe bildet die Basalmembran. Da sich der mit Fliissigkeit erfiillte Raum noch immer vergrSssert, so wird die Basalmembran gegen das Bindegewebe vor- getrieben, zu gleicher Zeit aber auch verdiinnt. Schliesslich reisst die Basalmembran an irgend einer Stelle ein und nun ist der Zelle der Zugang in das Bindegewebe erSffnet. Ich babe solche Bilder

~) Teodora Menahem, Das Verhalten tier Epithelfaserung wiihrend der Entwicklung der weichen Muttermi~ler and der alveoti~ren Carcinome. Monatsh. f. prakt. Dermat. Nr. 5. 1897.

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SO vietfach und in allen Variationen angetroffen~ dass das eben skiz- zierte Schema zwar nur einen Durchsehnitt yon vielfachen Befunden angibt, aber um so weniger an der Ausscheidung yon Zellen aus dem epithelialen Verbande einen Zweifel l~sst.

Welche GrSsse der Hohlraum schliesstich erreicht~ spielt bei dem ganzen Prozess gar keine Rolle, der Endeffekt ist eben immer, dass die Zelte die MSglichkeit erhglt, in das Bindegewebe iiberzutreten. Es ist ohne Zweifel, class sie an Or~ und Stelle bleiben wiirde~ wenn nicht durch andere Faktoren, die bier noch mitwirken und die gleieh hither zu schiIdern sind, die Zellen weir in das Bindegewebe hineingerieten.

Wenn wir den Ausfiihrungen K r o m a y e r s folgen, so handelt es sieh bei diesem Prozess um eine beginnende Umwandlung yon Epithelien zu Bindegewebszellen, sie ist das Agens. Die Zelle maeht sigh durch Aufgabe ihrer plasmatischen Verbindungen aus dem epi- thelialen Verbande los. Sie verliert ihre Epitheliophili% wie Kro - m a y e r sich ausdriickt, ~u~d wird schliesslich zur Bindegewebszelle.

I c h vermag mich abet den Anschauungen K r o m a y e r s , dass eine Zelle nach einem solchen Vorgange sieh an einer andern Stelle im Organismus mit andern~ jedoch normalen Funktionen (Bindegewebs- bildung) wieder betgtigt~ night anzuschliessen.

Wie wir weiter sehen werden, gussert sich yon dem Moment ab die Lebenstgtigkeit der Zelle nur in destruktiven Prozessen gegen- fiber dem Organismus, und als solchen haben wir auch die Aussehei- dung aus dem epithelialen Verbande, die Vernichtung der protoplas- matischen Verbindungen, zu betrachten.

Mag nun dieser Prozess mit einem Fliissigerwerden des Proto- plasmas einhergehen (mit einer Koltiquation, wie J u dale wit s eh sieh ausdriickt), jedenfalls haben wir das ganze Phgnomen als den Aus- druck einer erhShten Lebenst~tigkeit der Zellen anzusehen.

:Nun geben K r o m a y e r , J u d a l e w i t s c h , MSl ler 1) fiberein- stimmend an, dass sie die EinzelablSsung der Zellen in tier vorher- gehend gezeigten Weise an der Haut beobachtet haben, und sind auch in der Deutung des Vorganges insofern einig, als sie die einmal los- gelSste Ze]le durch einen passiven Vorgang, dureh eine Umwachsung yon seiten ties Bindegewebes veto Epithel sieh wegschieben lassen

Es kSnnte also, wenn wir nicht eine reaktive Wucherung des

i) M(iller, xNaevusstudien. Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. LXII. S. 55 u. 371. 190"2.

v. Graefe~s Archtv ffir Ophthalmologle. L X X I . 2. 18

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Bindegewebes annehmen wollen, dieser Prozess sich nur in der Ju- gend abspielen, solange noch norm~liter Bindegewebe angebildet wird.

Nun habe ich aber gefunden, dass gerade bei ~lteren Indivi- duen der Prozess der Einzelab]Ssung sich sehr gut und sehr sieher beobaehten lgsst nnd dass hier alle die Erseheinungen auftretea, wie wir sie an jusgen Individuen beobaehten. Solcher Naevi habe ieh eine ganze Reihe nntersnehen k~nnen.

Ich babe abet auch noeh an allen meinen Naevi auf das sieherste feststellen kSnnen, und ich babe dies bei der Besehreibung der ein- zelnen F~lle schon ngher mitgeteilt, dass die Naevuszellen in den Randsehiehten einer Eigenbewegung f~hig sind~ und ich babe zwei- fellos Bilder gefnnden, welche darauf hinweisen, dass die losgelSste Epithelzelle in selbst~ndiger :Bewegungsf~higkeit ihren Platz verlgsst, wie sie sich auch spgter im Bindegewebe selbstgndig bewegt. Ich verweise dabei anf Tar. X, ]~'ig. 2.

Die erhShte Lebenst~tigkeit der Zelle kommt also noch in einem zweiten Punkte zur Geltung, in der selbstgndigen Bewegungs- f~higkeit, die bei der Auswanderung arts dem Epithel sehon zu be- obachten ist. Ich glaube r~ieht, dass die Zelle nur passiv in das Bindegewebe gedrgngt wird, sondern dabei selbsttg~ig ist. Ira Ver- laufe welcher Zeiten dies gesehieht, dartiber erlaube ich mir gar kein Urteil. Jedenfalls aber w~re es vollstgndig verfehlt, wenn wir den Vorgang mit den sehnellen Bewegungsvorggngen der Leukocyten ver- gleiehen wiirden, wir miissen da mit viel lgngeren Zeitr~umen rechnen.

Die EinzelablSsung der Zellen ist keineswegs der einzige Punkt, auf den ieh auf Grund meiner eigenen Untersuchungen die epithe- liale Abstammung der Naevi stiitzen mSehte. Zwei weitere, viel wieh- tigere kommen bier noch hinzu~ n~mlich die AblSsung in ganzen Zell- komp]exen, die allerdings nut eine Abaft yon ersterer darstellt, und die Epitheleinsenkungen.

E s wird sich zun~chst um die Frage handeln: Wie sind die mitten in der Epithellage anzutreffenden Naevnshaufen zu deuten? Sind sie eine Folge der gegen das Epithel gegengewucherten Tumor- massen, oder haben sie sieh in loco dutch Umwandlung tier Epithel- zellen entwickelt ?

Wenn sonst keine absolut zwingenden Beweispunkte vorhanden w~ren, so w~re bei dem Ftir und Wieder der Meinungen das einzige, womit ein Beweis gefiihrt werden kSnnte, nnd was aueh Ribber t in der Kontroverse gegen K r o m a y e r als Postutat anfgestellt hat, eine liickenlose Schnittserie. Sie mfisste uns im einzelnen Fatle zei-

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fen, ob diese Zellhaufen im Epithel mit dem subepitheliaten Zell- haufen zusammenhi~ngen oder ob sie sieh ohne Kontinuit~it selbstiindig im Epithel entwiekelt haben.

Ich habe nun lfickentose Serien in allen meinen Fi~]len ange- legt. Sie haben ergeben, dass in einem grossen Tell der F~lle diese Zellhaufen im Epithel ohne allen Zusammenhang mit dem Tumor selbst sein kSnnen. Ich lege aber diesem Befunde, obw0hl er als ein gewichtiges Argument fiir die epithe]iale Entstehung der Naevi geltend gemaeht wurde, gar keine so grosse Bedeutung bei. Im vorhergehenden babe ieh ja erw~ihnt, dass die Naevuszellen naeh meinen Befunden wanderungsf~hig sind und die autochthone Ent- wicklung wgre eben dann nur eine scheinbare, wenn sie erst durch Wanderung an den Ort der Entwieklung gelangt sind. Man kSnnte dies immerhin als Einwand gegen meine Ausfiihrungen geltend machen.

Wenn wir uns aber den Fall 3 ansehen, so trifft dieser Ein- wand nicht zu. ttier haben wir in der ganzen Schnittserie gar keine Zellansammlung unter dem Epithel. Hier hatte sich die gauze Naevusbildung in dem Momente, wo sie zur mikroskopischen Beobach- tung gelangte, iiberhaupt erst im Epithel etabhert; der Prozess war rein epithelial. Und gleichwohl waren die Ver~nderungen so enorme, class man yon einem wohl entwickelten Naevus reden konnte, wie denn auch das Bild in situ das eines leicht erhabenen Pigmentfleckes machte (Tar. X, Fig. 8, 9 u. 10).

Man muss nun dabei immer berfieksichtigen, dass es sick um einen glatten, papillenfreien Epithelbelag handelte~ der wohl an einer solchen Stelte dnrch reichliche Zellvermehrung eine betr'dchtliche Ver- dickung, jedoch an der Basalfliiche auch dort, wo die Naevusmassen eingelagert waren, einen ziemlich g]atten Verlauf aufwies und keines- wegs das unregelmiissige Gepri~ge wie an der Hant zeigte. Wenn wir also im Pri~parate die Linie verfolgen, welche an der Basis yore normalen Epithel fiber einen solehen Herd bis ~eder gegenseitig zum normalen Epithel verl~uft, so finden wir wohl eine nicht ganz unbetr~ehtlich% ganz allmi~hlieh ansteigende Vorbuehtung der Epi- thel- und Naevusgrenze gegen das Bindegewebe. Es ist aber noch eine reinliche Seheidung zwisehen letzterem und Epithel zugehSrigen Komplexen zu maehen. Dabei ist das unterliegende Bindegewebe in seinem Anfbaue ~ollstiindig normal, es feMt jedwede zellige Ansamm- lung in demsetben, es fehlen fiberhaupt alle Anhaltspunkte, welche nns einen Hinweis darauf geben kSnnten, dass derartige ira Epithel vor sieh gehende Prozesse durch zeit]ich vorher im angrenzenden

18"

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Bindegewebe sich abspielende Ver~nderungen ihre AuslSsung finden. Diese Tatsache ist yon nieht zu unterschgtzender Bedentung. Sie wird u n s u m so mchr in Anspruch nehmen, wenn wit in den n~ch- sten Seiten auf die Epitheleinsenkungen zu sprechen kommen.

Bindegew ebe •////~//~.~/gY///, .,..

Eplthel

Fig. I.

Ungefghr wie nebenstehendes Schema verhalten sich bei Durch- schnitten der Herd im Epithel und das zugehSrige Bindegewebe. Es handelt sich also um richtige grubige AushShlungen ~m Epithe], die durch die lokale Naevusbildung entstanden sind. Die Epithel- schichten sind, soweit sie noch normal sind, natiirlieh an den R~n- dern des Naevus vermehr 4 und es kann daher auch zu einer leichten Elevation der Oberflgche kommen. Es ist ohne Zweifel, dass dem Einsetzen des Prozesses eine Zellteilung vorausgegangen sein muss, die zur Vermehrung der Epithe]schichten ftihrte.

Fig. 2.

Nun kSnnen aber auch zwei und mehr solcher Herde neben einander im Epithel entstehen, nnd dan~ gestaltet sich das Schema wie nebenstehendes. Zwischen beiden Herden bleibt gew5hnlich eine schmale Wand normalen Epithels stehen, die wie lang ausgezogen erscheint.

Hat man nun gut fixiert, geh~irtet und gef~rbt, so finder man, dass trotz aller Vorsicht sich diese :Naevusherd% die ieh iibrigens in den versehiedensten Objekten gefunden habe, manchmal, aber nicht immer etwas veto Epithel zurtickgezogen haben. Ob dies auch in vivo so ist, l[%sst sich nicht sicher entscheiden~ jedenfalls kann die Erscheinung bei der Beurteilung keine Rotte spielen. Solche Bilder lehren uns aber auf das deutlichste (vgl. Tar. X, Fig. 9), dass die ausgebildeten Naevusherde am Rande noch durch regelrechte Proto-

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plasmabriieken mit den umgebenden normalen Epithelzellen zusam- menh~ngen. Sie sind zwar nur vereinzelt, jedoeh tragen sie genau denselben Ch~rakter wie der Stachelsaumpanzer iiberh~upt. Wir ktinnen bier auf das sicherste beobachten~ wie aus der Epithelzelle eine ~ae- vuszelle wJrd, genau wie bei der EinzelablSsung, nur dass wit hier noch den Vorteil haben~ dass die verschiedenen Stadien des Vor- ganges nebeneinander liegen. Und ich meine, solehe Befunde mtissen auch den hartn~ckigen Gegner yon der epithelialen Abst~mmung zu der Uberzeugung bringen, dass wir es bier mit umge~-andelten Epi- thelzellen zu tun haben. R ibbe r t finder die Naevushaufen im Epi- thel immer scharf ~bgesetzt, was ich nach meinen Befunden nicht best~tigen kann; K r o m ayer h~lt die Itohlr~ume ftir Kunstprodukte, wahrscheinlich handelt es sich ~ber gerade so um perieellul~re Fltissig- keits~nsammlungen wie bei der Einzelausscheidung.

Es ist nun verschiedentlich der Einwand gemacht worden (Bauer , R ibbe r t S. 494 loe. cir., R i ecke S. 5 loe. cir.), dass bei d e r Annahme einer epitheli~len Abst~mmung der N~evuszellen die Umwandhmg eine ganz rapide sein mtiss% da Zwischenstufen nicht zur Beobachtung gelangten und ganz fehlten. Was in der Zelle biologisch-chemisch vorgeht, kSnnen wir leider nicht beobachten. ttalten wir uns abet an die morphologischen Erseheinungen, so glaube ich, k5nnen wir solcher Zwisehenstufen gerade genug wahrnehmen. Von der Aufgabe der ersten Protoplasmabrticken bis zur vollst~ndigen A~slSsung aus dam epithelialen Verbande ist ein weiterWeg. Andere Zwischenstufen aber als solche, welche sieh auf Ver~nderungen des Protoplasmas beziehen, lassen sich nieht ermitteln, da der Kern viel- faeh unver~ndert bleibt.

Verfolgen wir nun das weitere Sehieksal solcher im Epithel ge- bildeter Herde, so ist folgerichtig zu schliessen, dass die Epitheldecke durch Abstossung yon ZelIen immer dtinner wird und dass schliesslich ein solcher Zellhaufen, wenn es zum Durehreissen kommt, in den Con- junetivalsack entleert wird. Dass dieser Vorgang in der Haut sieh ebenso gestalten kann, hatte ich nieht ftir ausgesehlossen, jedoch bei der vorhandenen barren ttornschicht fiir wenig wahrscheinlieh. In der Conjtmetiva finder er aber sieher star% dafiir habe ieh beweisende Bilder.

Fiir gew0hnlich kommt es jedoch hierzu nicht; denn bev6r die Herde im Epithel eine solehe Grtisse erreichen, vollzieht sich eine Verlagel~ang in das subepitheliale Gewebe. ~Vir fragen uns, warum kommt im Fall 3 diese Verlagerung nicht zu stande, warum setzt

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sie im Fall 2 im allerersten Beginne der Naevusentwieklung ein? Die Beantwortung finden~ wir in der Untersuchung der Ft~lle selbst. Im Fall 2 sind die Zellen in lebhafter Wanderung begriffen und gehen in das ]~indegewebe, im Fall 3 fehlt ihnen die Eigenbewe- gung, sie bleiben im Epithel ]iegen.

Gesetzt den Fall, nur durch Bindegewebsanbildung nnd Zwi- schenwueherung wiirde die Verlagerung hervorgerufen~ so milsste ge- fade hn Fall 3, da ja bei einem jungen Individuum noch reich- liche Bindegewebsbildung erfolgt, die Verlagerung verhgltnism~ssig raseh sich vollziehen, die Herde stossen ja direkt an das Bindege- webe an: Davon ist aber nichts wahrzunehmen. Diese ErklSrungs- weise versagt also ffir diesea Fall und aueh flit den Fall 11, da sich hier ebe~alls bei einem jungen Individuum fast kein Bindege- webe zwischen den Zetlen gebildet hat. Wir m~issen also annehmen~ dass bier ein wiehtiger Faktor, and dieser ist die Eigenbewegung, fehlt. Fangen aiieMings die Zellen an zu wandern, entstehen Liieken in der Basalsehieht des Epithels, so fiillt ciiese das Bindegewebe durch Wueherung rasch aus. Ieh glaube daher mit Bestimmtheit anch bei :den mitten im Epithei entstehenden Naevushaufen eine selbst~n- dige ' Bewegung tier ZeHen annehmen zu mfissen, wenn wir ihre Ver- lagerung in das Bindegewebe verstehen wollen.

Betrachten wir nun noch einmal das vorher entworfene Schema und denken wir uns die Stellen der im Epithel gebildeten Naevus- haufen mit Bindegewebe geffillt, die Naevuszellen aber etwas in die Tiefe gerfiekt~ so haben wit in die Tiefe ragende Epithelzapfen, die zwischen sieh Bindegewebe mit ~Taevuszellen untermischt ~ssen. Und so h~tten wir damit die einfachste Entstehungsart der Epithelein- senkungen gegeben. Dass sieh der Prozess in ~hnlieher Weise ab- spielt, ist wohl ausser aiiem Zweffel. Die Epithe]einsenkungen w~ren damit anscheinend ein rein passiver Vorgang, aber man muss ber[ick- sichtigen, dass doch sehon bei der Entwieklung der mehrfaehen Epi- thelschichten es zu einer tieferen Einsenkung der Epithellage in ~das Unterliegende Bindegewebe gekommen ist, dass also die ganze Er- seheinung, wie auch die fortdauernde Proliferation zeigt, schliesslich anf e inen aktiven Vorgang im Epithel zuriickzufiihren ist. Damit wird aueh ohne weiteres erkl~rlich~ warum die Epitheleinsenkungen in bevorzugter Weise an den R~ndern der Naevushaufen etabliert sind. Sie entwickeln sich aber nicht immer nur auf diese Weise, sonc[ern sie kSnnen auch durch spontane Wucherung des Epithels ihren Anfang nehmen und in das Bindegewebe vordringen (vgl. Tar. X, Fig. 6 u. 7).

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 265

Und damit geben uns auch die Epithelelnsenkungen einen Anhalts- punkt fiir die epitheliale Entwic]dung der Naevushaufen, sie zeigen uns an~ welehe Prozesse im Epithel vor sieh gegangen sind.

Wie ich aber schon auf S. 2~9 ausfiihrte, pr~sentieren sieh die Epithelzapfen keineswegs immer in der eiIrfachen ].~orm~ wie sie uns das Schema an die Hand gibt. Auch diirfen wir uns nieht vorstellen, dass sie etwas starres, unver~nderlich die Form beibehalt, endes dar- stellen. Sie fliessen sekundKr vielfaeh an ihren tiefsten Stellen zu- sammen, verzweigen sich oftmals, und gehen dabei ganz allm~hlich oftmals in die Naevushaufen fiber. Also auch ihnen m~issen wir die F~higkeit einer _)~uderung einer Bewegliehkeit innerhalb gewisser Grenzen zusprechen, wir wiirden sonst kaum den bestehenden Formen- reichtmn zu erkl~ren vermSgen, auch uns nicht vorstellen kSnnen, warum bei dem fortw~hrenden LoslSsen yon Zellen die Forts~itze nicht kleiner~ sondern grSsser werden. Denn je grSsser der ~qaevus ist, desto gr~sser finden wir dm'chschnittlich auch die Epitheleinsenkungen.

Das st~rkere Wachstum, das im Epithel eingesetzt hat and all- m~ihlieh sich in das unter]iegende Bindegewebe Bahn schafft~ ist auch noch an den Zellen der Epitheleinsenkungen vorhanden. Die Pro- zesse sind aber offenbar sehr langsam vor sich gehende.

Bemerkenswert aber ist und mit Sicherheit zu beobachten, dass sie primgr im EpitheI einsetzen und dass dabei das Bindegewebe YSllig unver~ndert ist. Weder die Naevusbildung noch auch die Epitheleinsenkungen werden durch Vorg~nge im unterliegenden Binde- gewebe husgelSst. Spaterhin erleidet allerdings das Bindegewebe bedeu- tende Ver~nderungen. Den Aussehlag aber geben bei der Beurteilung nicht solehe Bilder, sondern nur eine genaue Beobachtung der initialen ¥org~nge, wie sie meine drei ersten ]~lle darbieten.

Wenn anch in der ophthalmologischen Literatur die Epithelein- senkungen ausfiihrlieher, wie ieh schon erwghnte, beschrieben wurden, so finden wir doch nur wenige Arbeiten~ ngmlich die yon S toewer ~) und Yon Reiss nnd Lands t rSm, welche sich mit einer kausalen Erklgrung dieser Epitheleinsenkungen beschgftigen. Ich sehe dabei ab Yon jenen Untersuchungen, welehe den ganzen Erseheinungskomplex. als eine primgr yore Epithel ausgehende Wuchemng, ffir ein Epi- theliom angesehen haben.

Nun haben aber S t o e w e r imd Reiss bei der Entstehung der Geschwiilste das PrimKre im Bindegewebe gesucht, und haben um

i) Stoewer, ~ber ~'ucherung des Bindehautepithels mit cystischer Ent- artung und ihre Beziehung zum Naevus. v. Graefe's Arch. Bd. LIV. S. 436.

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eine Erkl~rung dieser Epithelzapfen zu geben zu komplizierten Er- kliirungen greifen miissen. So schreibt S toewer : ,Am niichsten liegt mir die Annahme, dass die Naevusz'ellen zun~iehst nur in miissiger Masse vorhanden waren, und dass in diesem Zustande die Wucherung des Deekepithels angeregt wurde, daffir spricht auch der Zustand der peripheren Tefle d e r Gesehwulst. Die eindringenden Epithelzapfen miissten dann wiederum allmiihlieh eine Wueherung der Naevuszellen bedingt haben~ die zu Abschnfirung der Epithelzapfen und - - i n - folge yon Ern~ihrungsstSrungen - - zur teilweisen Atrophie des Con- junctivalepithels fiber dem eigenttiehen Tumor fiihrten." Der Autor nahm also eine wechselseitige Wirkung yon Epithel and unterliegen- dem Bindegewebe an und dazu Degenerationserscheinungen.

Reiss ftihrt in seiner schon erwi~hnten Arbeit die Wucherungen des Epithels auf vom Bindegewebe ausgehende Reize zurfick. P in- d ikowski und L a n d s t r S m nehmen eine selbst~ndige Wueherung des Epithels an.

Wenn wir nns nun, naehdem wir eingehend fiber den Aufbau und die epitheliale Entwicklung des Naevus gehandelt haben~ darfiber klar zu werden versuehen, zu welcher Zeit eine solche Naevusbildung einsetzt und wie lange sie his zur Ausbildung des ganzen Erschei- nungskomp]exes braucht~ so kSnnen wir eine solche Frage nur sehr im allgemeinen beantworten.

U n n a hat angegeben, dass er ungefiihr in der H~lfte der Fiille noch beim Erwaehsenen Strangbildung, also LoslSsung gefunden hat~ wi~hrend sie beim Neugeborenen in allen Fi~llen vorhanden war.

Ieh habe nun in allen meinen Fiilten, aueh bei den ~ltesten In- dividuen, die Beziehungen zwisehen Naevus nnd Epithel und eine Bildung aus letzterem nachweisen kSnnen. Entweder mfisste ich nun in der gltiekliehen Lage gewesen sein, gerade l~ei allen meinen F~llen solehe Zeitpunkte getroffen zu haben, wo ein neuer Nachschub in dem Prozess erfolgt% oder man mfisste annehmen, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein soleher Vorgang einsetzen kann, was eigent- ]ich nach meinen Befunden tier niiherliegende Sehluss ist.

Ich stelle damit keineswegs die Ansehanung U n n a s , class wir es bier mit kongenitalen Erscheinungen zu tun haben, in Abrede. Nur glaube ieh, dass, wenn auch die Disposition ffir ein solehes Ver- hatten des Epithels gegeben ist, es doeh nieht ohne weiteres schon bei tier Geburt zur Naevusbfldung zu kommen braucht. Diese Dis- position ~ussert sich ~,ielleicht ursprtinglich nur in einer stiirkeren Pigmentierung der basaIen Epithellage. Und erst im weiteren Ver-

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Der 5Taevus der Bindehaut des Augal)fels und der Aderhaut usw. 267

laufe des Lebens oder auch schon bei der Geburt kommt es dureh die Einwirkung yon Faktoren, welche sich einer genauen Analyse entziehen, zur :Naevusbitdung.

WoUten wit Yon einer solehen Erkt~rungsweise absehen, so w~ren wir ausser stande zu verstehen, wie an alten Individuen ein soleher Prozess anseheinend im Entstehen beobachtet werden kann.

Die B e z i e h u n g e n zu den m e l a n o t i s c h e n Tumoren .

Die Anschauung, dass der Ursprung yon Tumoren durch Mikro- organismen veranlasst sei, hat yon jeher bei den wenigsten Patho- logen Anktang gefunden. Die vor allem in letzter Zeit unternommenen Untersuchungen diirften wohl dahin gehende Bestrebungen als ge- scheitert erscheinen lassen. Die alte Anschauung kommt wieder in vollem Umfange zu ihrem Reehte, dass die Geschwulstelemente in letzter Instanz auf normale Gewebselemente zuriickzufiihren sind. :Nun finden wir aber an Geschwulstzellen so vielfache anders geartete Qualit:~ten, als sie der normale Mutterbodea aufweist.

Die weitere Untersuehung wird daher daralff gerichtet sein miissen, durch eine genaue Untersuchung der normalen Gewebs- elemente, durch ein Studium tier ihnen wohl teilweise latent inne- wohnenden und unter gewissen Bedingungen auslSsbaren Lebens- bet~tigungen vielleicht in mancher ttinsieht den Sehliissel fiir die bei Tumoren an den Zellea auftretenden Eigenschaften zu gewinnen. Es handelt sich darum, zu zeigen, wie solche untergeordnete Eigen- schaften ganz allm~hlich mehr an Boden gewinnen und sehliesslieh den wesentliehen Tell der Funktionen solcher Zellen ausmaehen.

Wenn wir zum Beispiel an Carcinomen eine enorme Wande- rungsf~higkeit der einzelnen Zellen nachweisen, so stiinden wir vor einem vollkommenen Riitsel, wenn as uns nieht gel~nge, nnter ge- wissen Versuchungsbedingungen in der betreffenden Epithelart~ aus weleher das Carcinom sich entwickelt, dasselbe nachzuweisen, wenn auch in viel geringerem Umfange. Nun wissen wJr ja gerade yon den Epithelzellen~ dass sie unter bestimmten Umst~nden lokomotions- f~hig sind, aber ~hnlieher Erscheinungen gibt es noeh eine ganze Reihe bei Tumoren~ die histolytisehen Eigenschaften, die in alas Unbegrenzte gesteigerte Vermehrung, und anderes mehr.

Wit kommen damit wenigstens in die Lage, wenn solehes ge- lingt, merkwiirdige Erseheinungen an Tumorzellen auf Anf~nge in den normalen Gewebszellen zurtiekzhfiihren~ und damit haben wir fiir die Betrachtungsweise tier Tumoren wenigstens etwas gewonnen. Wie

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diese Eigensehaf~en sodann in einem solc.h hohen Masse gesteigert werden kSnnen, kann damit nicht allein erkl~rt werden, sondern be- darf noeh besonderer~ biologischer Untersuchungsmethoden.

Ieh verweise hier vor allem anf zwei Arbeiten, welehe aus dem Leipziger pathologischen Institut 1) hervorgegangen sind.

Ieh erinnere aber ausserdem noch an die ausgezeiehnete Zusam- menfassung der Gesehwulstfragen yon L u b a r s c h 2) und die in dieser Hinsicht wertvollen Diskussionsergebnisse auf dem Comitg 8) ftir Krebs- forsehung 1902~ Miirz.

~Nun ist nicht nur durch klinische Erfahrungen, sondern auch dureh pathologischen Befund langst bekannt, dass maligne Geschwiilste -vielfaeh nieht mit einem Sehlage entstehen, sondern dass ihnen sozu- sagen gewisse Vorstadien vorausgehen. Wir kSnnen zum Beispiel ein Ulcus rodens jahrelang, ja dureh Jahrzehnte beobachten, ohne dass anscheinend eine nennenswerte Progression zu verzeichnen w~re. Anscheinend mit einem Schlage aber setzt dana ein schnelles Waehs- turn des Tumors ein. Es ist abet auch hier wohl kaum anznnehmen~ dass diese Erscheinung eine plStzliche ist, sondern dass es sich um eine ganz allmghliehe Entwicklung des Gesehwulsteharakters handelt~).

Dass dabei die Gesehwulstbildnng zeitlebens in einem relativ harmlosen Zustande verharren k~nn, haben ausserdem die Befunde yon Sektionen ergeben, indem man hgufig als Gelegenheitsbefund an- scheiaend noch gutartige Gesehwulstbildungen naehzuweisen ia der Lage ist. Jedenfalls haben sie ihrem Tr~iger w~ihrend des Lebens hie- reals irgend welche Beschwerden verursacht.

Wenn wir uns nach diesen Gesichtspunkten die I~aevi betrach- ten, so miissen wir auch sie als eine Art v0n Zwischenstufe zwischen normalem Gewebe und maligner Geschwulstbildung betraehten. Es ist jedermann bekann~, dass auf ihnen ats Boden sich die bSsa~tigsten Tumoren, die melanotisehen Tumoren entwickeln.

Naeh dem Vorhergegangenen wird man nun sich die t~¥age vor-

1} Marchand , ~ber Gewebswucherung und Geschwulstbildung mit Riick- sicht auf die parasithre Theorie der Carcinome. Deutsche reed. Wochenschr~ 1902. S. 39 u. 40.

Vers~, M., 0her die Entstehung, den]3au und das Wachstum der :Polypen, Admome und Carcinome des :Magen-Darmkanals. Arbeiten aus dem pathol. In- stitut, herausgeg, v. F. Marchand. Heft 5.

~) Lubar sch , Pathologische Anutomie und Krebsforschung. Ein Wort zur Yersti~ndigang. Bergmann, Wiesbaden. 1902.

a) Comit~bericht. Deutsche reed. Wochenschr. V. S. 147. 1902. ~) Ygl. auch dartiber die eben erwghnte Arbeit yon Yers&

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Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut usw. 269

legen: K~nnea wir histologiseh schon an den Naevi Beobachtungen m~ehen, welche auf eine Entwieklung solcher maligner Charaktere hindeuten.

Gerade in diesem Punkte nun habe ich eine Reihe yon Befun- den erheben kSnnen, welche n~her betraehtet zu werden verdienen.

Wenn alan n~mlich die Heldsehe ]~rbemethode anwendet, welche bei entsprechender Differenzierung ausserordentlieh prgzise Bilder in der Darstellung des Protoplasmas, aber auch der elastisehen Fasern liefert, so findet man nieht selten Einschliisse in den Zellen, ~'elche einen sattblauen F~rbenton aufweisen. Bei der Handhabung tier Mikrometerschraube kann es far keinem Zweifel unterliegen, class es sich um elastische Fasern handelt, welche nicht selten in ganzer Ausdehnung und dabei in einem aufgeknguelten Zustande, manchmal aber auch nur teilweise in einer Zelle eingesehlossen sind. Sie finden sich nieht etwa i n den l~andschiehten des Protoplasmas, sondern liegen, wie man sich an quergeschnittenen Fasern iiberzeugen kann, gs~r oft unmittelbar am Kern. Dabei handelt es sich meist um Fasern yon erhebliehem Kaliber. Dass es sieh hier etwa um eine Neubildung yon Fasern handelt, ist wohl direkt ~uszuseMiessen.

Man trifft nun solehe Bilder nicht einzeln, sondern ich babe sie an meinen Naevis an Stellen~ wo e]astische Fasern liegen, haufenweise beobaehten kSnnen. Vor allem eignen sich zu so]chen Untersuehungen teicht pigmentierte Zellen. Das Pigment, das in fein staubiger Form im Protoplasms~ verteilt, uns die Ausdehnung tier ganzen Zelle genau anzeigt~ gestattet uns fiber das Verhgltnis soleher Fasern zum Zell- leibe die exaktesten Beobaehtungen anzustellen. Dasselbe erreieht man jedoch auch mit einer guten Tinktion des Protoplasmas bei un- pigmentierten Zellen.

Nattirlieh habe ieh auch eine Reihe yon Kontrollpr~paraten an- gefertigt. Ich habe mit Weiger t seher FarbstofflSsung fiir elastische Fasern bis zum OptimUm unter Kontrolle des Mikroskopes gefgrbt und Safranin als Protoplasmafarbe verwendet. Dadureh wurde mir der auffgllige Befund aueh in dieser Weise best~ttigt.

Ich habe nun solehe Fasereinschliisse vielfach in Zellen gefun- den, welche in den Randschiehten des Naevus lagen. Aber ~ueh im Zentrum des Naevus fehlten sie durch~us nieht. Nur konnte man bier solche Beobachtungen nicht mit gleieher Sicherheit anstellen, weil die Zellen zu dicht aneinander lagen. Manehmal waren aaeh mehrere Zellen an dem Einsehluss soleher Fasern beteiligt, das Proto- plasma soleher Zetlen war noch im Zusammenhang und geradezu urn

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die Fasern herumgeilossen. Man kann sich diese Erscheinung nur so zu stande gekommen denken, dass sich die Zelle, welche urspriing- lich die Faser einschloss, inzwischen geteilt hat und dass nun auch die Tochterindividuen sich dann an diesem Prozesse beteihgt haben.

Dabei handeIte es sich aber meistens am ziemlich kr~ftige, ela- stische Fasern, die sich nur insofern verschieden verbielten, als ihr TinktionsvermSgen ganz erheblich schwankte, nicht um jene feinsten, sich dunkel tingierenden F~serchen; wie wir sie bei der Entwicklung in langer Streckung an der Aussenseite der Zellen beobachten.

W~ihrend yon den eingeschlossenen Fasern die einen schwarz- blau waren, wurden die andern nur noch durch einen zartblauen Farbenton angedeutet. In manchen Zellen fanden sich nur noch kurze Reste, oder blaue Krtimel, welche durch ihre Tinktion die Elastinreaktion erkennen liessen.

Es ist ohne Zweifel, dass diese Bilder nur so zu verstehen sind, dass elastische F~sern in Zellen ihrer AuflSsung und vollst~ndigem Untergange anheimfallen. Wie lange dies im einzelnen Falle dauern mag, l~isst sich schwer sagen~ jedenfalls ist es ein sehr langsam sich vollziehender Prozess~ da man an manchen Ste]len, auch noch in den zentralen also ~ltesten Partien des Naevus, solche Bilder antreffen kann.

Da wird nun sofort der Einwand erfolgen~ dass es sich bier um eine bereits einsetzende maligne Entartung des Naevus handete. Sotche Erscheinungen seien wohl Kennzeichen eines malignen Tumors~ hie- reals ~ber eines gewShnlichen Naevus.

Ich habe nati~rlich selbst zuerst die Vermutung gehabt, dass man es bier mit beginnenden Melanomen zu tun habe. Allein yon den etw~ 25 Naevi, die doch zum Tell jetzt fiber ein Jahr exstirpiert sind, ist nirgends ein Rezidiv zu beobachten gewesen, obwohl die Exstirpationen, wie sich aus dem Studium des histologischen Pr~pa- rates ergeben hat, zum Tell recht unvollkommen waren.

Auch w~re es jedenfalls ein hSchst merkw[irdiger Zufall, wenn diese F~lle gerade durchwegs in Entartung begriffen gewesen w~ren.

Nun ist aber diese auff~llige Beobachtung, dass das elastische Gewebe im Bereiche des Naevus fast vollstandig verschwindet~ auch U n n a schon l~ingst bekannt gewesen. Wit lesen auf S. 1151 der Histopathologie: ,Man iindet dann, dass fiberall dort, wo eine dichte Einlagerung und proliferative Verdickung der Epithelnester stattfindet, alles elastische Gewebe zwischen ihnen zugrunde geht." Ich machte den gleichen Befund.

Nut betreffs des Zustandekommens des Schwundes bin ich anderer

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Anschauung wie Unna~ dsr dem Druck der Zellmassen sine wesent- liche Rolle zuschisbt. Ich glaube und ich babe dafiir beweisende Bilder, dass durch eins histolytischs T~tigkeit der Zellen der Pro- zess sich vollzieht.

Ausserdem babe ich an collagenen Fasern (Mallorypr~paraten) disselben Erscheinungen beobachtst. Man findet n~mtieh ~Jelfaeh collagene ]Pasern nnd zwar sehr kr~iftige bis znm Ze]lksrn ziehsnd und dort scharf abgeschnitten aufhSrend, tt~t man die Kernmem- bran scharf eingestellt, so sieht man auch die Fasern, nnweit yon der Kernmembran nur (lurch einen kleinen Zwisehenraum yon ihr ge- trennt, wie kupisrt anfhSrsn. Es gelingt nicht dutch Drehung der Mi- krometsrsehraub% dis Fibrillen tiber oder unter dem Kern welter verlaufen zu sehen, es kann sich also auch nicht um T/tusehungen im mikroskopisehen Bilde handeln.

Ich muss also die Beobachtungen Kromaysrs~ der ein solches Hereingshen yon Fasern in die Zells bssehrieben hat, vollauf be- st~tigen, nur vennag ieh reich nieht der yon ibm gegebenen Deutung, dass es sich hier um eine Neubildung yon Collagen handsls, anzu. schliessen. Es passt vielmehr diese Beobachtung ganz und gar zu dsrjsnigsn, wslche ieh an den elastischen Pasern machte. Es kommt absr bei den collagensn Fasern nicht zu einem Einsehluss auf lgngsre Strecken im Zelleib, sondern soweit die Fasern in item Protoplasma aufgenommen sind, werden sis anch znm Sehwindsn gebracht, mit andern Worten, sie werden anfgeISst.

Disss Eigentiimlichksit kommt nun ksineswsgs allein den frei- gswordsnen und bereits im Bigdegewebsstroma liegenden Zelten zu. Aueh die Epitheleinsenkungen haben bereits solche histolytische Eigen- schaften wis die einzetnen Zellen aufzuweisen. Das Verhalten des Bindsgswebes um die Epitheleinsenkungsn lgsst solches mit Sicherheit erschtiessen. Wit" finden in ihrer Umgebung nicht die AuflSsung der grbbersn Btindsl in ein feinss tlandbindegewebe~), eine Zsrsplit- tsrung der hr~iftigeren Fasern in ein feinstes, kaum noch mit den besten Systemsn auflSsbares Pasergewirr, sondern scharf abgeschnitten h0ren manchmal m~Lehtigs, grebe JO~assrzfige unmittelbar an einsm solchen Zellzug anf. Und wedsr im Schnitt noch in der liickenlosen Serie ist ein Wsiterverlaufen soleher Btindel, als bis unmittelbar an

1) Bauer hat in seiner schon erwahnten Arbeit fiber den Naevus diesen TeiI des Bindege~vebes a]s Randbindegewebe bezeiehnet, meines Erachtens ein sehr treffender Ausdruck.

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die Zellen heran, nachweisbar. Auf Grund solcher Beobachtungen bleibt eben keine andere Deutung iibrig, als die, dass die Epithel- zinsenkungen bereits die F~higkeiten besitzen, das Bindegewebe zu usurieren.

Ja, ich gehe sogar noch weiter, indem ieh glaube, dass auch die Einze!auslSsung der Zellen die Verniehtung der Protoplasmabriieken auf die Anfiinge solcher Eigensehaften zuriickzufiihren ist.

Ich sehe reich deshalb in die ~otwendigkeit versetzt, den Nae- vuszellen histolytische Eigenschaften zuzusprechen. Die Befunde, welche ich an elastischen und collagenen Fasern, sowie an den Proto- plasmabriieken erheben konnte, repr~isentieren nur versehiedene Formen eines einheitlichen Prozesses. Da aber die elastisehen Elemente often- bar die widerstandsffihigeren im Gewebe sind, so dauert aueh ihre intracellulare Aufl5sung viel l~nger. Wir kSnnen sie deshalb noch beobachten, wie sie im Zelleib liegen, w~hrend die collagenen Fasern offenbar viel schneller der AuflSsung anheimfallen. Es kommt deshalb gar nicht zu einem intracellularen Einschlusse.

Es ist nicht abzuleugnen, dass diese Beobachtungen auffallig sind und zuniichst etwas befremdliehes haben. T~uschungen sind aber bei der ausserordentliehen Klarheit der Bilder, welche mir zu Gebote standen, ausgeschlossen.

Ich maehe an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass B lumen- tha l 1) dureh chemische Untersuchungen in der Krebszelle ein hetero- lytisches Ferment gefunden hat, dass ie bef~higt, Gewebsbestandteile aufzulSsen. )~hnlich verhalten sieh wohl aueh die Naevuszel]en. Es maehen aber diese Eigensehaften allein weder die Krebszelle noeh die Naevuszelle aus.

Des weiteren hebe ich nochmals hervor, wie ieh dies schon an verschiedenen Stellen getan~ dass unter Umst~nden die Naevuszellen Eigenbewegtmg besitzen. In den soliden und konglobierten Naevus- haufen finden wir allerdings keine Beweise dafiir.

Ganz anders steht es dagegen mit den RandscMchten, in denen wir den vorausgegangenen Untersuchungen gemfiss die jiingeren Ele- mente zu erblicken haben. Hier habe ich Bilder beobaehtet und zum Teil habe ieh sehon bei der Entwicklung des Naevus darauf hin- gewiesen, welche sehwerlich anders als eine aktive Wanderung der

1) B 1 u m e n t h a l , Die chemischen Vorg~nge bei der Krebskrankheit . Ergebn. der experim. Pathol. u. Therap. Bd. I. S. 65. 1907. - - Die chemische Abartung der Zelle beim Krebs. Zeitschr. f. Krebsforsch. Bd. V. S. 181.

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Der Naevus der Bindehaut.des Augapfels und der Aderhaut usw. 273

Zellen gedeutet werden kSnnen. Das einseitig welt ausgezogene und vorgesehobene Protoplasma, das nicht etwa dureh Druek yon seiten des umgebenden Gewebes so geformt ist, die Anordnung des Proto- plasmas im Zelleib selbst, alles weist auf eine aktive Wanderung him Wit haben hier dieselben Erseheinungsformen wie bei wandern- den Leukoeyten, nur lgsst sieh an der Kernbesehaffenheit nnd aueh an dem 5fter pigmentierten ,Protoplasmaleib erkennen, dass es sieh um Naevuszellen handelt.

Als weiteres beweisendes Moment kommt noeh hinzu, dass wit manehmal die Naevuszellen vereinzelt an Stellen beobaehten k5nnen, wo sie kaum Mlein dutch Sehiebungen des Gewebes hingekommen sein kSnnen, so z. ]3. jenseits yon grossen Gefitssen, so zwar, dass sie auf der yore EpitheI abgekehrten Seite der Geffisse zu finden sind.

Ausserdem habe ieh sehon gezeigt, dass sowohl die EinzelablS- sung der Zellen aus dem epitheliaIen Verbande wie die Epithelein- senkungen, welehe doeh yon einem glatten Epithelbelag stammen, sehwerlieh nut dureh meehanisehe Momente entstanden zu denken sind. Aueh diese Erseheinungen sprechen entsehieden zugunsten einer Eigenbewegungsf~higkeit der Naevuszellen.

Wie lange die Wanderungsfghigkeit speziell den abgel5sten Zellen noeh eigen ist, liisst sieh sehwerlieh feststellen, jedenfalls seheint sie zu sistieren oder in hohem Grade abzunehmen, wenn die Zellen sieh an den Naevushaufen angesehlossen haben. Es ist wohl mSglieh, dass dieser Zustand versehieden lange andauern kann, be- stimmb Angabe~ lassen sich jedenfalls nieht machen.

U n n a hat die abgel6sten Naevuszellen treffend mit dem Attri- but ,,amSboid" eharakterisiert.

In den skizzierten Erseheinungen haben die Naevuszellen unbe- streitbar Qualititen mit Tumorzellen gemeinsam, die eigentlieh die Ktuft zwisehen ihnen und ,den aus ihnen entstehenden Tumoren bis zu einem gewissen Grade iiberbriieken. Und doeh ist der Untersehied zwisehen beiden noeh ein sehr grosser.

Es mag ja sein, dass den Tumorzellen in einem noeh hSheren Grade diese Eigensehaften innewohnen~ eine neue Erseheinung sind sie aber damit an den Tumorzellen nieht. Es handelt sich ja in diesem Punkte nur um quantitative und nicht um qualitative Unter- schiede.

Trotzdem kSnnen wir eine ziemlieh seharfe Trennung zwisehen Tumorze]]en and Naevuszellen maehen. Sie liegt in der F~higkeit der Tumorzellen, sieh ins unbegrenzte zu vermehren, und diese Eigen-

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schaften auf eine endlose Menge yon Zeltindividuen zu iibertragen~ sie h~ngt also im wesentlichen yore Umfange dieses Prozesses ab. Da- mit also Qualitgten yon Tumorzellen entstehen, muss diese und auch noch andere Eigenschaften hinzukommen, und es ist bemerkenswert, dass sic nach vorliegenden Befunden nicht miteinander zu gleieher Zeit entstehen, sondern nacheinander sich ausbilden. Es sind da offenbar versckiedene Einfltisse nStig. Eines aber m~issen wir immer ber~icksichtigen.

Dadurch, dass die Naevuszelle aus dem normalen Verbande im Gesamtorganismus ausscheidet: und dadurch, dass sie die Gewebe des Organismus angreift, hat sie bereits eine sehr grosse Selbst~indigkeit gegentiber dem Organismus erlangt. Sie verhglt sich nicht mehr ats ein dem Organismus eingefiigter Tell, sondern der Organismus ist zu ihrem Nghrboden geworden. Eine besondere Funktion, die dem Ge- samtorganismus zugute kame, besitzt sie nicht mehr. Die Heran- ziichtung der neuenRasse hat sich damit, wie t t a u s e r sich bei seinen Untersuchungen fiber die Entstehung des Carcinoms ausdriickt, be- reits vollzogen, die biologische Umwandlung ist geschehen.

Fiir gewShnlich ist nun ffir die Naevuszellen der Organismus mit seinem S~ftestrom ein schlechter N~thrboden. Sie sind nur, wie ich sehon bemerkte, einer sehr begrenzten Vermehrung fghig und diese geschieht stets dutch direkte Kernteilung am Rande der Zell- haufen. Die Zellen verfallen dann in einen Ruhezustand, indem sie vielfaeh zugrunde gehen. Daraufhin deuten nicht nut die mikrosko- pischen Bilder~ sonderu aueh die Beobachtung~ dass Naevi ebenso wie sie entstanden sind, im Laufe der Zeit auch wieder verschwinden kSnnen. Dies gibt auch J u d a l e w i t s c h nnd F a v e r a (loc. cir.) fiir die Haut an. Im allgemeinen sind also die Naevi harmloser Natur, obwohi sie solche Eigenschaften aufweisen.

5I a r c h a n d (loc. cir.) hat darauf hingewiesen~ dass wir zwei getrennte Prozesse bei der Tumorenentstehung zu beobachten haben. 1. Die biologisehe Umwandlung der Zellen und 2. die Widerstandsf~higkeit des Organismus gegen derartig biologiseh anders geartete Elemente. Sie lassen sich hier bei der Entwicklung des Naevus und der arts ihm entstehenden Tumoren zum Tell getrennt beobachten.

Nachdem wir im vorhergehenden diese Verwandtschaft mit den melanotisehen Tumoren besprochen haben, ist die Frage zungchst- liegend, in weleher H~tufigkeit aus Pigmentierungen des Limbus Tu- moren entstehen, und ein Urteil dariiber zu gewinnen, zu welcher Art yon Gesehwttlsten sie zu z~hlen sind.

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In den Mitteflungen yon W i n t e r s t e i n e r und Ulb r i eh ist darauf hingewiesen, class die Entstehung yon melanotischen Ge- schwtilsten aus Pigmentflecken eine sehr h~ufige ist, und aus der Statistik yon Ludwig l~sst sich entnehmen~ dass tier Entstehung yon melanotischen Tumoren ungef~hr in 50O/o der F~lle jahrelang Pig- mentierungen vorausgegangen sind.

Es ist aber kaum daran zu zweifeln, dass auch diese Prozent- s~tze noeh viel zu niedrig gegriffen sind, da wir ja bei der Auf- stellung dieser Statistiken ganz auf die Beobachtungsf~thigkeit des Patienten und seiner Umgebung angewiesen sind. Gewfhnlich kommen die Patienten erst zum Arzt, wenn es sich bereits um einen dureh seine Grfsse auff~lligen oder stfrenden Tumor handelt. Die Frage, ob an der betreffenden Stelle sehon zu friiherer Zeit, etwa vor Jahren ein brauner Fleck gewesen sei, wird nun bald in bejahendem bald in verneinendem Sinne beantwortet. Dass aber auf eine verneinende Antwort in einem solehen Falle recht wenig Gewicht zu legen ist, kann man schon daraus entnehmen, dass ich bei meinen Untersueh- ungen fiber F]gmentierungen] die Patienten gar oft auf grosse Pig- mentflecke aufmerksam machte~ yon deren Vorhandensein sie gar keine Ahnung hatten. ][st urspriinglich nun gar der Naevus unter dem deekenden Lide gelegen, so kfnnen wir natiirlieh nur eine negative Antwort erhalten. Es ist deshalb mit grosser Wahrscheinliehkeit an- zunehmen~ dass die melanotisehen Tumoren noch mit einem viel gr~sseren Prozentsatz, Ms die Statistik uns an die Hand gibt, aus Naevi sieh entwiekeln.

Dass dies zuweilen aueh unter den Augen des Arztes gesehieht, beweist der kiirzlich publiziert~ Fail yon v. Sicherer})~ nnd eine ghn- liche Beobachtung ist yon L a u b e r s) mitgeteilt. Auch die hfchst interessante Publikation yon M e n a c h o 3) ist hierher zu rechnen. Meines Eraehtens handelte es sich in letzterem Falle um yon Naevi ausgehende Neubildungen, worauf aueh die Pigmentierungen am andern Auge hinweisen. Es wiire ,~dllkommen, wenn hier aueh noch der weitere ¥erlauf der Erscheinungen bekannt wiirde.

3) v. S ] c h e r e r , Ein epibulbares pigmentiertes Sarkom. Zeitschr. f. Augenheilk. Bd. X'~TII. S. 429. 1907.

~) L a u b e r ~ Ein diffuses Melanosarkom der Bindehaut, nebst Bemer- kungen usw. Zeitschr. f. Augenheilk. 1908. S. 132.

s) M e n a c h o , Melanosis des rechten Auges (Cornea usw.) und multiple melanotische epibulb~re Iqeubildungen. Ubersetzt yon Dr. G o e r l i t z . Klin. Monatsbl. 1905. Okt. S. 354.

v. Graefe's Archiv ffir Ophthalmologie. LXXL 2. 19

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Wer in der ]etzten Zeit die Geschwu]stliteratur etwas genauer verfo]gt hat~ der findet, dass sieh des Bestreben geltend macht, eine Elassifikation der Geschwfilste nach bestimmten Gesichtspunkten als eine gesieherte Basis ffir weitere Forsehung und gegenseitige Ver- stiindigung zu schaffen.

Man ist sich dariiber li~ngst einig geworden, dass zur richtigen Auffassung fiir des Wesen einer Geschwulst keineswegs der Aufbau allein ohne weiteres genfigenden Aufschluss gibt. Denn erstens ist das Aussehen einer Geschwulst an verschiedenen Stellen oft recht verschieden~ und zweitens lgsst sich zeigen, dass Gesehwiilste, deren Ursprung man nachzuweisen in der Lage ist, z. B. Carcinome, einen heteromorphen Charakter annehmen und ganz des Aussehen yon Sar- komen gewinnen kSnnen, nnd umgekehrt so Sarkome.

Man war deshalb bemiiht und dies ist vor allem auf Veranlas- sung yon M a r e h a n d i) geschehen, die Geschwiilste naeh histio- genetischen @esichtspunkten zu ordnen. Wo dies gelingt, sind weitere Zweifel fiber den Charakter der Gesehwulst behoben.

Gelingt es aber nicht den Ursprungsort nachzuweisen, so sind wir darauf angewiesen~ alle Kriterien des morphologischen Verhaltens zu Hilfe zu nehmen, um zu einer priizisen Auffassung zu gelangen.

Dass dabei aber auch grosse Sehwierigkeiten auf'treten kSnnen, zeigen unter andem die interessanten Untersuchungen yon W ilms ~) fiber Mischtumoren. W i l m s kommt mit Zuhilfenahme theoretischer Erwigungen zu der Anschauung, dass die yon ihm beschriebenen Tumoren aus Anlagen der drei Keimbliitter sieh entwickelt haben, und dass durch ein latentes Verhalten, durch eine Keimausschaltung und erst durch ein spiiteres Manifestwerden des VermSgens dieser nicht ira normalen Verbande liegenden Zellen die Geschwulstentwick- lung zu erkl~ren sei.

:Einen weiteren Fortschritt in dieser Angelegenheit bedeuten so- dann vor allem die Untersuchungen yon Krompeehera)~ welcher nach sorgfi~ltig erhobenen histiogenetischen und morphologiscllen Ge- sichtspunkten eine Reihe yon Geschwiilsten in einer besonderen Gruppe unter dem Namen der Basalzellentumoren unterbrachte. Als beson-

1) Marchand, Vel~handl. d. pathol. Ges. 2. Tagung. S. 74. 1899. ~) Wilms, Die Mischgeschwfilste. ]~Ieft I--III. Leipzig 1899--1902. ~) Krompecher~ Der Basalzellenkrebs, eine Studie betreffend usw. Ver-

lag Gustuv Fischer, Jenu. -- Dber Verbindungen, l~bergiinge und Umwandlungen zwischen Epithel, Endothel und Bindegewebe bei Embryonen niederer Wirbel- tiere und Geschwiilsten. Zieglers Beitr. Bd. XXXVIL 1904.

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ders wichtig ftihrt er an, dass erstens die Basalzellen des Epithels vielfach noch embryonalen Typus haben, und zweitens, dass sie sehr nahe Beziehungen zum Bindegewebe haben, da sie an ihrer Basis die f~rberische Reaktion des Bindegewebes naeh van Gieson er- geben. Ausserdem weist er darauf bin, dass M a u r e r , Leydig , S c h u b e r g u. A. sehr innige Beziehungen zwischen den Basalzellen des Epithels und den Bindegewebszellen in der Entwicklu~lg und beim ausgebildeten Organismus naehgewiesen habea.

Die Angaben Mau rers~) beziehen sich nur auf niedereWirbel- tiere, indem hier ein Ausscheiden yon Zellen aus dem ektodermalen Verbande noch zu einem relativ sp~ten Zeitpunkte der Entwiektung zu beobachten sein soll, und Leyd ig 2) und S c h u b e r g 3) hat eben- falls bei niederen Wirbeltieren protoplasmatische Verbindungen zwischen der basalen Epithelschieht und den Zellen des Mesoderms nach- gewiesen.

Ich verweise dabei auch auf die Beobachtungen, welche ich ira Falle 9 gemaeht babe.

Es wird nun gerade yon den Vertretern der Keimblattlehre in strengerem Sinne eine solche Uberwanderung yon Zellen aus dem ektodermalen in den mesodermalen Verband entschieden ia Abrede gestetlt. Es ist dies wohl eine Frage der Histogenese fiir sieh, die atterdings yon einschneidender Bedeutung fiir die ganze Auffassung der Keimblattlehre ist. Jedenfalls k5nnen wir aber bei pathologischen Zust~nden mit aller Sicherheit jene LoslSsung der Zellen aus dem Epithel nachweisen. Aueh K r o m a y e r bezieht sieh in seinen neueren Publikationen auf jene Untersuehungen yon L e y d i g und M a n r e r und hat die LoslSsung vielfach naehgewiesen, er hglt sie sogar ftir einen normalen Vorgang.

Wenn wir yon solchen neueren G'esiehtspunkten der Geschwulst- lehre aus die i~ dieser Arbeit niedergelegten Beob~chtungen zusam- menfassen, so lgsst sich der Sehluss gewinnen, dass wires bei tier BiIdung der Naevi und der aus ihnen sich entwickelnden malignen. Geschwtilste mit Basalzellentumoren im Sinne K r o m p e c h e r s zu tun

~) Maure r , Die Epidermis und ihre AbkSmmlinge. Leipzig 1895. ~) L e y d i g , Beitrage zur anatomiechen Kenntnie der Hautdecke und Haut-

sinneeorgaue der Fische. Naturf. Gee. z. Halle. 1879. - - Zelle und Gewebe. 1885. s) Schube rg , Uber den Zueammenhang yon Epittlel und Bindegewebe. •

Sitzungeber. d. Wiirzb. phys.-reed. Gee. 30. Mai 1891. - - ~'ber den Zusammen- hang versehiedenartiger Gewebszellen im Tierorganiemus. Sitzungeber. d. Wiirzb. phye.-med. Ges. 25. Febr. 1893.

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h~ban. Und in dar Tat lassen sich naah allen Erscheinungen die Naevi diesar Gasehwulstgattung ainreihen.

Der ganze Modus der Entstehung~ das lunge unver~nderte Be- stehen der Nae~i, die AblSsung der Zellen einzeln ader in Gruppen aus dem epithelialen Verbande, die lunge bestehende relat, ive Gut- artigkeit, aueh wenn die Gesahwulst sahon eine gewisse GrSsse erreiaht hat, alles weist darauf bin, dass dar Gesehwu]staharakter derselbe ist, wie ihn K r o m p e c h e r gezeiahnet hat.

Es kann nun hier durchaus nicht die Aufgabe sein, auf eine Klassifikation der Gesahwiilste ngher einzugehen, es wiirde dies weir den lZahmen dieser Arbeit iibersehreiten und aueh besser in einer patho- logischen Zeitschrift abgehandelt warden. Maines Erachtens ganiigt bier der ttinweis und die Erw~hnung der Tatsache, dass sich ein rein mor- phologisahas Einteilungsprinzip der Gesehwulstformen, je lgnger die Untersuchungen gefiihrt wurden, desto mahr sieh als unzureiehend erwiesen hat. Ich verweise hier auch noeh auf die Ausfiihrungen yon Bor s t in seiner Gesehwulstlehre S. 28ff.

Und deshalb mug es vielleiaht dem Leser nicht iiberfltissig er- saheinen, warm in den vorhergehenden Seiten in so ausf[ihrlicher Weise der histogenetische Nachweis der EuLstehung der Naevi der Conjunativa bulbi und der damit zusammenhgngenden melanotisehen Tumoren gafiihrt worden ist.

Aus den dargelegten Gesiahtspunkten halte ich es daher niaht fiir richtig, wenn wir die melanotisehen Tumoren und die Naevi auf eina besondere Zellform, die Chromatophoran, zuriiakfiihren wollen. Es lgsst sich mit aller wiinsehenswarten Sieherheit naahweisen, dass wir bier als Matrix das Epithel anspreehen miissen. Es ist dies ftir die Gesehwulstlehre am Auge um so wiahtiger, als wir an dem im Verh~ltnis zum ganzen t{Srper kleinen Organe eine ganz versahiedene Herknnft der Pigmentgeschw[ilste beobaahten kSnnen.

Ieh begone dies ausdriieklich. Ich bin n~mlieh anderseits mit l{ ibber t vollst~ndig derselben Ansicht, dass die melanotischen Tu- moren des Uvealtractus sieh aus den Chromatophoren entwickeln, ja ich babe dafiir schlagende Beweise.

De r Naevus der A d e r h a u t .

Durch Zufall bin ich in den Besitz yon zwei etwa stecknadel- kopfgrossen iNTaevi yon der Chorioidea gelangt~ die ich schon uuf S. 243 erw~hnt habe. Sie habe ich in ltickenlose Schnittserien zer-

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legt. Es handelt sich um gleiche F~lle, wie einen F u c h s I) auf dem tteidelberger Kongress beschrieben und als beginnendes Melanosar- kom gedeutet hat2).

In dem einen Falle handelte es sieh um ein vS1]ig normales Auge, das infolge eines Epithelioms der 0rbita mit exstirpiert wet- den musste, und im zweiten Falle um das vollig normale Auge eines 40j~hrigen Hingerichteten. In beiden F~llen hatten sich die kleinen Tumorea in den tieferen Schichten der Aderhaut etabliert und lagen unweit des llinteren Poles. Die Tumoren waren so gross, dass die Lamina elastica mit der Choriocapillaris auf den Schnitten eben eine merkbare Vorbuchtung zeigte.

Das Wichtige aber war, dass auf der ganzen ltickenlosen Schnitt- serJe der Tumor dureh die Choriocapillaxis und die Lamina elastiea scharf vom Pigmentepithel getrennt war. Nirgends liessen sieh ~uch nur irgend welche Beziehungen zum Pigmentepithel feststellen. Da- bei konnte msm aber yon vornherein feststellen~ dass die Zellen, welche die Geschwulst ausmaehten, einen ganz andem Charakter trugen wie an der Conjunetiva. • Hier waxen es in der Tat Chroma- tophoren, weIehe das Bild beherrschten. Die Zellen waren meist lang gestmckt~ spindelfSrmig und feinkSrnig pigmentiert, unpigmen- tierte Zellen waxen kaum zu finden. Es scheint mir dieser ~efund mit Riicksieht auf die Angaben yon E i b b e r t (loe. cir.) und Sch ieck s) yon Bedeutung zu sein, dass die Me]anosarkome unpigmentierte Vor- stadieu in Rundzellenform aufweisen. Fiir diese beiden beginnenden Geschwiflste, die etwa halbsteeknadelkopfgross waren, ist diese Angabe nicht zutreffend, sondern bier war ein ungewShnlicher Pigmentreich- turn und der Chromatophorentypus in der Form yon vornherein an vielen Stellen vorhanden~ also der gleiche Befund, wie ihn F u e h s (loc. cir.) fiir seinen Fall auf dem tteidelberger Kongress mitgeteilt hat. Da es sieh nunmehr um im ganzen drei solche Fitlle handel% kanu man dies wohl kaum als einen Ausnahmezus~and bei der Ent- wicklung des Melanosaxkoms ansehen, sondern es handelt sich da um eine doch 5fters vorkommende Erscheinung.

1) I~uehs, Bet. d. Vers. d. 0phth. Ges. zu Heidelberg. 1900. 2) Kliniseh ist ein ~veiterer Fall yon Segalowitz beschrieben. 0phth.

Klin. 1906. S. 225. Es s011en sich bier bei langerer Beobachtung niemals Ver- ~nderungen gezeigt haben. Und ausserdem anatomisch ein Fail yon Purtscher, den er gelegentlieh bei der Beschreibung yon Bulbis und Ophthalmia hepatica land. Arch. f. Ophth. Bd. L. 1900.

a) S chieck, Das Melanosarkom als einzige Sarkomform des Uvealtractus. Eine pathol.-anat. Abhandl. Wiesbaden 1906.

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Anderseits muss ich aber damit die Anschauungen yon Abesser t ) , die allerdings nur theoretiseher Natur sind, in Abrede stellen. Er meinte, gerade bei der Urea l~ge doeh eine Beteiligung des Pigment- epithels am Geschwulstaufbau in den £riihesten Stadien, bei der Nae- vusbildung~ sehr nahe, da das Pigmentepithel in so unmittetbarer Nachbarschaft der Aderhaut l~ge. Die Beobachtungen yon Friih- stadien stehen damit in direktem Widerspruch.

Es liegt mir aber fern, eine Beteiligung des Pigmentepithels bei fo~tgesehrittener Gesehwulstentwicklung in Abrede stellen zu wol]en. Lebe r 2) hat bereits in einer Arbeit die Mitbeteiligung des Pigment- epithels eingehend behandelt. Er hat sodann seinen Standpunkt in tier Arbeit yon B r u n s 3) genauer formutiert mit den Worten: ,,dass yon einer aktiven Beteillgung des Pigmentepithels a,n dem Wuche- rungsprozess in den ersten Stadien nieht die Rede sein kann. Ieh mSehte hiernaeh annehmen, dass die yon mir beschriebenen Vorg~nge yon seiten des Pigmentepithels als sekund~r zu betrachten sind." Naeh den fibereinstimmenden Befunden in der Literatur und der Be- obaehtung solcher Frfihstadien diirfte also wohl kaum noeh daran zu zweifeln sein, dass die Me]anosarkome des Uvealtractus yon den Chromatophoren ausgehen~ und class es dazu einer Mitbeteiligung des Pigmentepithels nicht bedarf.

In kliniseher Beziehung kann ieh leider fiber diese hSehst inter- essanten Objekte niehts mitteilen. Da ieh in beiden F~llen nieht in der Lage war, vorher eine Augenspiegeluntersuchung zu machen, so ist mir aueh nichts dariiber bekannt, ob am Fundus siehtbare Er- scheinungen vorhanden waren.

Obwohl Mso diese kleinen Tumoren in ihrer Genese ohne Zweifel yon den an der Conjunetiva sich bildenden grundverschieden sind, so haben sie doch mit ihnen Merkmale gemeinsam.

Es war n~mlich in beiden F~llen die Zellmasse vorziiglieh in der Supraehorioidea ausgebreitet und hatte das dort in reichliehem Masse vorhandene elastisehe Gewebe in betr'~[chtlicher Weise destruiert. Ich wage zwar nieht mit Sieherheit zu bestimmen, class es sich um denselben Vorgang der in~raprotoplasmatischen AuflSsung yon elasti-

~) Abesser, Uber die gerkunft und Bedeutung der in de n sogenannten ~T~evi der H~ut vorkommenden Zellhaufen. Virch. Arch. Bd. CLXVI. S. 40. 1901.

~) Leber, ~ber die Aderhautsarkome und die tterkunft ihres Pigmentes. v. Graefe's Arch. Bd. XLIV, 3.

3) Bruns, Beitr~ge zur Lehre-yon den Aderhautsarkomen. v. Graefe's Arch. Bd. LIV. S. 578.

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schen Fasern wie bei den Naevis der Conjunctiva handelte. Schla- gende Beweise fehlen mir dafiir. Die Zellen lagen bei den riiumlich engen Verhi~ltnissen und der flachen Anordnung der Elemente in der Chorioidea zu dicht aneinander, um diese Beobachtung mit absoluter Sicherheit anstellen zu kSnnen. Mit einer gewissen Wahrscheinlich- keit abet liess sie sich doch machen. Und es liegt doch sehr nahe, well wir den Verlust yon elasfischen Fasern vorfinden, auch an die gleiche Ursache des Verlustes zu denken.

Ich lasse es dahin gestellt~ ob diese kleinen Geschwtilste als Naevi oder als beginnende Melanosarkome zu deuten sind. Ich habe meinen Standpunkt in dieser Frage ja in den vorhergehenden Seiten in ausfiihrlicher Weise dargelegt, und ich glaube, dass in dieser Hin- sicht, was ftir die Naevi der Conjunctiva gilt~ auch fiir die Naevi der Aderhaut gelten kann.

Die R e s u l t a t e me iner A r b e i t lassen sich kurz fo lgen- d e r m a s s e n z u s a m m e n f a s s e n :

D i e an der Conjunctiva vorkommenden Pigmentierungen sind grSsstenteils als Naevi aufzufassen, indem sich neben der epithelialen Pigmentierung noch im subconjunctivalen Bindegewebe eine mehr oder minder stark pigmentierte Zellansammlung vorfindet, deren epi- theliale Herkunf~ sich bei sorgfNtigen Untersuchungen in den Friih- stadien in jedem einzelnen Fall erweisen liisst.

Die Fi~higkeiten der Zellen histolytisch zu wirken und zu wan- dern, haben sie mit den Tumoren gemeinsam and sind als verw~ndte Momente zu betrachten.

Dementsprechend sind die aus diesen Zellhaufen hervorgehenden Geschwiilste als Carcinome aufzufassen, jedoch nicht Ms Carcinome im gewShnlichen Sinne des Wortes. Sondern~ da sie sich meist aus den Basalzellen entwickeln, mtissen wir sie als Basalzellenkrebse im Sinne K r o m p e c h e r s betrachten.

Die Naevi bzw. beginnenden ~elanosarkome des Uvealtractus ent- wickeln sich aus den dort vorhandenen Chromatophoren. Es besteht also ein weitgehender Unterschied in der Genese zwischen beiden, obwohl beide Geschwulstformen in fortgeschrittenen Stadien sehr ein- ander gleichen kSnnen.

Auf Grund dieser Beobachtungen scheint eine Einteilung der Geschwiilste allein nach morphologischen Gesichtspunkten nicht ge- rechtfertigt, sondern das Studium der ttistiogenese nach M a r c h a n d muss auch hier als Forderung aufgestellt werden als ein sicherer Weg

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fiir das Verstiindnis der Entstehung des Geschwulstcharakters und eine feste Basis fiir die Einteilung der Geschwiilste.

Zum Schlusse betrachte ich es als eine angenehme Pi~cht~ g e r m G e h e i m r a t S a t t l e r , meinem verehrten Ch@ fiir das wohl- wollende Interesse, das er meinen Un~ersuchungen und der Abfas- sung der Arbeit entgegenbrachte, an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen.

Die s~mtlichen Abbildungen auf den Tafeln sind mit Ausnahme yon Bild 19 auf mikrophotographischem Wege hergestellt. Die Vergriisserungen waren teils stSrkerer, teils schw~icherer Art, je nachdem es sich da.rum handelte~ Ubersichts- bHder oder mehr Details zu geben. Ich habe bereits im Text auf die einzelnen Abbildungen verwiesen, so dass ich mir eine nochmalige Beschreibung er- sparen kann.

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