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© Schattauer 2014 Tierärztliche Praxis Großtiere 1/2014 49 Schlüsselwörter Lahmheiten, Klauen, Schaf, Ziege, Tierwohl, Haltungsempfehlungen Zusammenfassung Mit der Publikation der „Empfehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ durch die Fachgruppe Krankheiten der kleinen Wiederkäuer der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft wurden Schafhal- tern, praktizierenden Tierärzten und Kontrollbehörden Leitlinien an die Hand gegeben, die auch für die Beurteilung des Tierwohls dienen. Um die Anwendung dieser Leitlinien in der Praxis zu erleichtern, werden in Ergänzung dazu die im Zusammenhang mit Lahmheiten bei Schaf und Ziege getroffenen Aussagen anhand der verfügbaren Literaturquellen diskutiert und anhand praktischer Beispiele kommentiert. Diagnosti- sche Werkzeuge, Kriterien und Richtwerte werden ebenso wie ent- sprechende Maßnahmen und Zielvorgaben besprochen. Key words Lameness, hoof disease, sheep, goat, welfare, guidelines Summary The publication of the “Recommendations of husbandry and welfare of sheep and goats” by the German Small Ruminant Veterinary Asso- ciation provides guidelines that are also used for assessing animal welfare. The included statements concerning lameness are reviewed according to the available literature and commented on with the help of practical examples. Diagnostic tools, criteria, appropriate measures and target values are discussed to facilitate the application of the guidelines. Korrespondenzadresse Dr. Heinz Strobel Am Hopfenberg 8 89352 Stoffenried E-Mail: [email protected] Influence of lameness caused by hoof disease on welfare in sheep and goats. A comment on the guidelines of the German Small Ruminant Veterinary Association Tierärztl Prax 2014; 42 (K): 49–58 Eingegangen: 24. Juni 2013 Akzeptiert nach Revision: 3. September 2013 Der Einfluss von Klauenerkrankungen auf das Tierwohl von Schaf und Ziege Ein Kommentar zu den Haltungsempfehlungen der DVG H. Strobel 1 ; M.Ganter 2 ; D. Spengler 3 1 Tierarztpraxis Dr. Strobel, Stoffenried; 2 Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Hannover; 3 Tierseuchenkasse Baden-Württemberg, Schafherdengesundheitsdienst, Freiburg Einleitung Solange Klima und Futteraufwuchs es erlauben, werden Schafe und Ziegen in Koppel- oder Hütehaltung im Freien gehalten. Die Öffentlichkeit der Schaf- und Ziegenhaltung ist überwie- gend mit positiv bewerteten Effekten für das Image der Schaf- haltung und ihrer Produkte verbunden. Der ungehinderte Zu- gang eines der Landwirtschaft weitgehend entfremdeten Publi- kums führt jedoch dann zu Konfliktsituationen, wenn Hal- tungsmängel vermutet werden. Die Prüfung, inwieweit dies zu- trifft, wird dann als Aufgabe der amtlichen Tierärzte betrachtet. Handelt es sich um Beanstandungen wegen lahmender Tiere, stehen diese vor der schwierigen Aufgabe, eine mögliche Tier- schutzrelevanz objektiv zu beurteilen. Das erforderliche Spezi- alwissen über kleine Wiederkäuer und die daraus abzuleiten- den Kriterien standen bislang nicht in einer allgemein aner- kannten und applikablen Form zur Verfügung. Mit der „Emp- fehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ der Deut- schen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG), Fachgruppe Krankheiten der kleinen Wiederkäuer (17, 18), wurde diese Lü- cke geschlossen und Schafhaltern, praktizierenden Tierärzten und Kontrollbehörden Leitlinien an die Hand gegeben, die sich auf die verfügbaren wissenschaftlichen Quellen beziehen. Rahmen und Umfang des Themas erlaubten dabei nicht für alle Teilbereiche der Tierhaltung gleichermaßen exakte und detaillierte Angaben und Literaturhinweise. Für die Umsetzung dieser Emp- fehlungen sind daher Interpretationen und praktische Hinweise nützlich und notwendig. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es des- halb, insbesondere die Angaben zur Klauengesundheit anhand der Quellen zu diskutieren, mit Bezug auf das Tierwohl zu kommen- tieren und anhand konkreter Beispiele zu erläutern sowie Krite- rien und Verfahren für die Beurteilung tierschutzrelevanter Situa- tionen in der Praxis zu empfehlen. Kommentare und Anmerkungen zu den Empfehlungen Der Wortlaut des Kapitels 6.3 Klauen der „Empfehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ (18) wird im Folgenden ab- Für Studium und Praxis For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2017-05-29 | IP: 54.191.40.80

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© Schattauer 2014 Tierärztliche Praxis Großtiere 1/2014

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SchlüsselwörterLahmheiten, Klauen, Schaf, Ziege, Tierwohl, Haltungsempfehlungen

ZusammenfassungMit der Publikation der „Empfehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ durch die Fachgruppe Krankheiten der kleinen Wiederkäuer der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft wurden Schafhal-tern, praktizierenden Tierärzten und Kontrollbehörden Leitlinien an die Hand gegeben, die auch für die Beurteilung des Tierwohls dienen. Um die Anwendung dieser Leitlinien in der Praxis zu erleichtern, werden in Ergänzung dazu die im Zusammenhang mit Lahmheiten bei Schaf und Ziege getroffenen Aussagen anhand der verfügbaren Literaturquellen diskutiert und anhand praktischer Beispiele kommentiert. Diagnosti-sche Werkzeuge, Kriterien und Richtwerte werden ebenso wie ent-sprechende Maßnahmen und Zielvorgaben besprochen.

Key wordsLameness, hoof disease, sheep, goat, welfare, guidelines

SummaryThe publication of the “Recommendations of husbandry and welfare of sheep and goats” by the German Small Ruminant Veterinary Asso -ciation provides guidelines that are also used for assessing animal welfare. The included statements concerning lameness are reviewed according to the available literature and commented on with the help of practical examples. Diagnostic tools, criteria, appropriate measures and target values are discussed to facilitate the application of the guidelines.

KorrespondenzadresseDr. Heinz StrobelAm Hopfenberg 889352 StoffenriedE-Mail: [email protected]

Influence of lameness caused by hoof disease on welfare in sheep and goats. A comment on the guidelines of the German Small Ruminant Veterinary AssociationTierärztl Prax 2014; 42 (K): 49–58Eingegangen: 24. Juni 2013Akzeptiert nach Revision: 3. September 2013

Der Einfluss von Klauenerkrankungen auf das Tierwohl von Schaf und ZiegeEin Kommentar zu den Haltungsempfehlungen der DVGH. Strobel1; M.Ganter2; D. Spengler3

1Tierarztpraxis Dr. Strobel, Stoffenried; 2Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Hannover; 3Tierseuchenkasse Baden-Württemberg, Schafherdengesundheitsdienst, Freiburg

Einleitung

Solange Klima und Futteraufwuchs es erlauben, werden Schafe und Ziegen in Koppel- oder Hütehaltung im Freien gehalten. Die Öffentlichkeit der Schaf- und Ziegenhaltung ist überwie-gend mit positiv bewerteten Effekten für das Image der Schaf-haltung und ihrer Produkte verbunden. Der ungehinderte Zu-gang eines der Landwirtschaft weitgehend entfremdeten Publi-kums führt jedoch dann zu Konfliktsituationen, wenn Hal-tungsmängel vermutet werden. Die Prüfung, inwieweit dies zu-trifft, wird dann als Aufgabe der amtlichen Tierärzte betrachtet. Handelt es sich um Beanstandungen wegen lahmender Tiere, stehen diese vor der schwierigen Aufgabe, eine mögliche Tier-schutzrelevanz objektiv zu beurteilen. Das erforderliche Spezi-alwissen über kleine Wiederkäuer und die daraus abzuleiten-den Kriterien standen bislang nicht in einer allgemein aner-kannten und applikablen Form zur Verfügung. Mit der „Emp-fehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ der Deut-schen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG), Fachgruppe Krankheiten der kleinen Wiederkäuer (17, 18), wurde diese Lü-

cke geschlossen und Schafhaltern, praktizierenden Tierärzten und Kontrollbehörden Leitlinien an die Hand gegeben, die sich auf die verfügbaren wissenschaftlichen Quellen beziehen.

Rahmen und Umfang des Themas erlaubten dabei nicht für alle Teilbereiche der Tierhaltung gleichermaßen exakte und detaillierte Angaben und Literaturhinweise. Für die Umsetzung dieser Emp-fehlungen sind daher Interpretationen und praktische Hinweise nützlich und notwendig. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es des-halb, insbesondere die Angaben zur Klauengesundheit anhand der Quellen zu diskutieren, mit Bezug auf das Tierwohl zu kommen-tieren und anhand konkreter Beispiele zu erläutern sowie Krite-rien und Verfahren für die Beurteilung tierschutzrelevanter Situa-tionen in der Praxis zu empfehlen.

Kommentare und Anmerkungen zu den Empfehlungen

Der Wortlaut des Kapitels 6.3 Klauen der „Empfehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen“ (18) wird im Folgenden ab-

Für Studium und Praxis

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schnittsweise zitiert (Text in Kursivdruck) und im Anschluss da-ran näher betrachtet.

Lahmheiten bei Schaf und Ziege können aufgrund von infektiösen, traumatischen und orthopädischen Ursachen oder als Symptom sys-temischer Erkrankungen auftreten und sind aufgrund der Vielzahl der möglichen Risikosituationen (geologisches Terrain, Vegetation, Fluchtsituationen, Klima) bei der Haltung von Schafen im Freien nicht vollständig zu verhindern.Die weitaus größte Zahl der Lahmheiten bei Schaf und Ziege wird durch Probleme im Klauenbereich verursacht. Traumata, Fraktu-ren, Arthritiden und Arthrosen sowie eigentliche Lähmungen ste-

hen als Ursachen von Lahmheiten zahlenmäßig weit hinter den Klauenerkrankungen zurück und werden deshalb nachfolgend nicht mehr berücksichtigt. Am häufigsten treten infektiöse Klau-enspaltentzündungen und Moderhinke auf (38). An zweiter Stelle in der Reihenfolge der Klauenerkrankungen stehen Klauenverlet-zungen. Solche werden individuell durch Dornen und Fremdkör-per (z. B. Stacheldraht, Glasscherben) oder durch unsachgemäße Klauenpflege (z. B. Spitzenabszesse nach Verletzung der Klauen-spitze) verursacht oder treten kollektiv auf steinigem, hartgefrore-nem oder abgeerntetem Grund auf (Stoppellähme, traumatisches Lahmheitssyndrom) (41). Lahmheiten als Begleitsymptom (z. B. von Lippengrind) sind dagegen vergleichsweise selten, ebenso wie weitere Differenzialdiagnosen von Klauenerkrankungen (▶ Tab. 1).

Während bei anderen Tierarten in Stallhaltung vor allem Technopathien als Ursachen von Lahmheiten eine Rolle spielen, sind bei Schaf und Ziege die Bedingungen der Haltung im Freien ursächlich und/oder können als Faktoren bakteriellen Infektio-nen der Klauen Vorschub leisten. Ein Modell zur Pathogenese infektiöser Klauenerkrankungen verdeutlicht dies (▶ Abb. 1) (44). Exposition und Kontagiosität der beteiligten Erreger ent-scheiden über die weitere Ausbreitung von Klaueninfektionen in der Herde.

Die Aufgabe des Tierarztes besteht darin, zu beurteilen, inwie-weit Faktoren durch den Betreuer der Tiere beeinflusst werden können und sich kritische Situationen vermeiden lassen. In Bezug auf Technik und Zeitpunkt der Klauenpflege trifft dies zu, wäh-rend Klimafaktoren (anhaltende Nässe etc.), geologisches Terrain (steiniger Untergrund, saure Böden) und Ansteckung (z. B. Mo-derhinke durch Muffelwild) in der Regel nicht vom Betreuer zu verantworten sind (35). In der Praxis ist in einigen Fällen auch feh-lerhaftes Verhalten Dritter in Betracht zu ziehen. So treten in der Folge von maschinellen Entbuschungsaktionen auf Landschafts-pflegeflächen oder im Zusammenhang mit Baumfällaktionen nicht selten komplizierte Trittverletzungen durch Dornen und Splitter auf. Schafe, die z. B. von streunenden Hunden aufge-schreckt wurden, ziehen sich bei der panischen Flucht in steinigem Gelände Hornrisse zu, die akute Lahmheiten hervorrufen können. Auch bei der Ansteckung moderhinkefreier Herden durch freilau-fende infizierte Schafe kann sich die Frage nach der Haftung stel-len.

Grundsätzlich führen die umfangreiche Differenzialdiagnose, die multifaktorielle Ätiologie und die Vielzahl möglicher Risiko -situationen dazu, dass bei der Haltung von Schafen und Ziegen im Freien auch bei optimalem Management immer mit einer Anzahl von lahmenden Tieren zu rechnen ist.

Lahmheiten können tierschutzrelevant sein, wenn die dadurch ver-ursachten Schmerzen und Leiden vom Besitzer oder Betreuer „vor-sätzlich oder fahrlässig“ „ohne vernünftigen Grund“ aktiv oder pas-siv zugefügt werden.Ein Tierhalter erfüllt den Tatbestand von § 1 Tierschutzgesetz (6) und handelt ordnungswidrig nach § 18, wenn er einem Tier „vor-

Tab. 1 Differenzialdiagnosen der Klauenkrankheiten

Table 1 Differential diagnoses of hoof diseases.

Einzeltier-probleme

hohle Wand

Hornriss

Verletzungen

Klauenabszess

Klauen-geschwür

Limax

Epidermolysis bullosa

Herdenprobleme

Klauenspaltentzündung

Moderhinke

Panaritium (Fußabszess, „Hitzfuß“)

Contagious Ovine Digital Dermatitis

Ulcus pedis

atypische Moderhinke

traumatisches Lahmheitssyndrom

Allgemein-erkrankungen

Klauenrehe

Lippengrind

Rotlauf

Blauzungen-krankheit

Maul- und Klauenseuche

Abb. 1 Pathogenese von Klaueninfektionen (modifiziert nach West et al. [44])

Fig. 1 Pathogenesis of hoof infections (modified from West et al. [44]).

Verletzungen,Klauenschäden

Feuchtigkeit,aufgeweichte Hautim Klauenspalt

Fusobacterium necrophorum

Klauenspaltentzündung

traumatischesLahmheitssyndrom

Trueperellapyogenes Dichelobacter

nodosus(virulente Stämme)

HitzfußPanaritiumFußabszess

Moderhinke

+

+ +

Verletzungen,Speidel

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sätzlich oder fahrlässig“ „ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt“. Er macht sich strafbar, wenn er dies aus Rohheit tut (§ 17, 2a) oder „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zu-fügt“ (§ 17, 2b). Dies gilt für denjenigen, der ein Wirbeltier „hält, betreut oder zu betreuen hat“ (§ 18,1), mithin nicht nur für den Tierbesitzer. Den Tatbestand erfüllt dabei nicht nur, wer aktiv und vorsätzlich „erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt“, sondern auch wer dies fahrlässig oder passiv durch Unterlassen entsprechender Maßnahmen tut (25).

Zweifellos verursachen Klauenerkrankungen Schmerzen, die zu offensichtlichen Entlastungsreaktionen führen und über erhöh-te Plasmawerte der Stressindikatoren Kortisol (30), Vasopressin (28), Prolaktin (28), Adrenalin (29) und Noradrenalin (29) verifi-zierbar sind. Zweifellos kann es sich dabei auch um „länger anhal-tende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ im Sinne des Gesetzes handeln, die sogar in der Lage sind, ein so genanntes Schmerzgedächtnis zu aktivieren (31).

In der Praxis wird nicht zuletzt aufgrund der damit verbunde-nen Leistungsdepressionen (36) kein „normaler“ Betreuer seinen Tieren solche Schmerzen aktiv und „vorsätzlich“ zufügen und si-cher gibt es dafür in der Regel auch keinen „vernünftigen Grund“. Als „fahrlässig“ zugefügt könnten beispielsweise Lahm-heiten be urteilt werden, die durch Kontakt mit ätzenden Chemi-kalien (Branntkalk und Dünger auf landwirtschaftlichen Flä-chen, unsachgemäße Fußbäder etc.) entstehen oder durch Verlet-zungen bei der Klauenpflege (39a). Übermäßiges Kürzen der Klauenspitzen, übermäßige Kraftanwendung und falsche Schnittführung mit Klauenscheren oder zu dünne Hornschich-ten nach der Verwendung von Flexscheiben können Problemen verursachen, wenn die gesetzten Schäden über einzelne, verse-hentlich zugefügte Traumata hinausgehen. Wesentlich häufiger als eine aktive oder fahrläs sige Erfüllung eines tierschutzrelevan-ten Tatbestandes ist in der Praxis der Vorwurf des passiven Zufü-gens von Leiden durch das Unterlassen entsprechender Pflege-maßnahmen.

Grundsätzlich lösen Lahmheiten Handlungsbedarf aus. Um Aussagen über adäquate Maßnahmen und deren zeitlichen Ablauf zu treffen, ist zunächst eine fachgerechte Befunderhebung und ei-ne Diagnose erforderlich.

Die Beurteilung von Lahmheiten beim Einzeltier erfolgt in der Pra-xis durch Zuordnung definierter Lahmheitsgrade und durch die Klauenuntersuchung. Eine Beurteilung auf Herdenebene kann durch Schätzung der Zahl lahmender Tiere und durch Untersuchung der Klauen bei einer Stichprobe vorgenommen werden.Eine differenzierte Bewertung von Lahmheitsymptomen lässt sich mit dem Locomotion Scoring System (24) vornehmen. In der Pra-xis reicht jedoch die Beurteilung nach einem vereinfachten Sche-ma, wie es in ▶ Tab. 2 dargestellt ist, in der Regel aus (39b).

Um geringgradige Abweichungen vom physiologischen Bewe-gungsablauf festzustellen, ist eine Beobachtung der Tiere in ihrer natürlichen Bewegung notwendig, da Schafe im Falle geringgra -

diger Lahmheiten schon bei leichter Beunruhigung Entlastungs-haltungen vermeiden. Deutliche Lahmheiten (++/+++) zeigen sich jedoch auch im Behandlungsgang.

Die Zahl lahmender Tiere kann durch Schätzung im weiten Gehüt oder durch Zählen im Treibgang ermittelt werden und als Grundlage für die Festlegung einer Stichprobengröße herangezo-gen werden (39b). Die Stichprobe sollte groß genug sein, um auch unterschiedliche Ursachen gleichzeitig auftretender Lahmheiten zu erfassen (z. B. 10% der lahmenden Schafe durch Panaritien, 10% durch Klauenabszesse, 80% durch Moderhinke).

Nach der Lahmheitsdiagnose erfolgt die spezielle Untersu-chung der Klauen. Für eine Beschreibung der Epidemiologie und des Heilungsverlaufs sind wiederholte Schätzungen und Untersu-chungen unter gleichen Bedingungen erforderlich.

Der zeitliche Verlauf lässt sich anhand des Ernährungszustandes (Body Condition Score) und sekundärer Symptome wie Dekubitus (offene Brust) und Muskelatrophien oder die Bewertung der durch spezifische Klaueninfektionen verursachten Läsionen be-schreiben.

Tab. 2 Vereinfachtes Schema für einen Lahmheitsscore

Table 2 Simplified lameness score.

Score

+

++

+++

Kennzeichen

physiologischer Bewegungsablauf

geringfügig veränderter Bewegungsablauf

Schrittverkürzung bei Belastung der kranken Klaue, Nicken

Entlastung auch in Ruhe

Tab. 3 Beurteilung der Körperkondition beim Schaf (Body Condition Score) nach West et al. (44)

Table 3 Body Condition Scoring (BCS) in sheep according to West et al. (44).

1

2

3

4

5

Score

stark abgemagert

leicht mager

normal

leicht fett

stark verfettet

Kennzeichen

schwach entwickelter Rückenmuskel ohne Fett -abdeckung

Rücken: Dornfortsätze ohne Druck fühlbar, Querfortsätze mit leichtem Druck fühlbar; leichte Fettabdeckung

Rücken: nur mit Druck Dorn- und Querfortsätze fühlbar; mäßige Fettabdeckung

Rücken: Dornfortsätze nicht mehr einzeln fühlbar, Querfortsätze nicht mehr fühlbar, starke Fett -abdeckung

Rücken: keine Dorn- und Querfortsätze mehr fühl-bar, stattdessen Rinne zwischen den Fettauflagen beider Rückenmuskel; sehr starke Fettabdeckung

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Da eine adspektorische Beurteilung bei Schafen und Ziegen im-mer subjektiv und bei bewollten Tieren nicht zuverlässig möglich ist, müssen für die Beurteilung tierschutzrelevanter Situationen immer objektivierbare und für die jeweilige Tierart definierte Bo-dy Condition Scores (BCS) ermittelt werden. Eine Beurteilung des Ernährungszustandes erfolgt beim Schaf durch Palpation im Len-denbereich (45) (▶ Tab. 3, ▶ Abb. 2) bzw. nach dem Sternalen und Lumbalen Score-System bei Ziegen (34, 37). Dabei wird die Ab -deckung der Dorn- und Querfortsätze der Lendenwirbel bzw. des Brustbeins durch Fett und Bindegewebe beurteilt. Neben einer Aussage über den Ernährungszustand der Herde lassen sich damit weitere Aussagen durch den Vergleich von lahmenden und gesun-den Tieren treffen.

Muskelatrophien und Dekubitus können als sekundäre Krite-rien gelten. Erstgenannte lassen sich bereits nach wenigen Tagen feststellen. Dekubitus (offene Brust) kann bei schweren Tieren (Böcke und hochtragende Schafe) auch aus anderen Gründen auf-treten, deutet jedoch immer auf vermehrtes Liegen über längere Zeit hin.

Wie aus einem Forschungsprojekt des BÖLN (Bundespro-gramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft) hervorgeht, wurde die Berücksichtigung des All-gemeinzustandes der Tiere in der Vergangenheit bei Betriebskon-trollen vernachlässigt. Deshalb soll künftig tierbezogenen Indika-

toren wie Lahmheiten und BCS ein größeres Gewicht bei der Ein-schätzung tiergerechter Haltung zukommen (12).

Eine exakte Befunderhebung kann durch Untersuchung aller Einzel-tiere, mit Dokumentation und Bewertung von Klauenbefunden er-folgen. Für die Beurteilung der Tierschutzrelevanz ist dies dann er-forderlich, wenn kein Konsens über die Ergebnisse von Schätzungen erzielt werden kann.In Vergleichsuntersuchungen wurde eine gute Übereinstimmung der Schätzdaten von Tierhaltern mit dem Ergebnis genauer Einzel-tieruntersuchungen festgestellt (23). In der Regel liefern Schätz-werte und stichprobenartige Untersuchungen belastbare Ergebnis-se und reichen daher für einvernehmliche Problemdarstellung völ-lig aus. Im Hinblick auf juristische Auseinandersetzungen sind die Identifikation der untersuchten Schafe und eine Dokumentation von Klauenbefunden anzuraten. Dies sollte anhand allgemein anerkannter Definitionen wie z. B. den Moderhinkegraden nach Egerton erfolgen (15) (▶ Tab. 4).

Befunde können beispielsweise mit der Lahmheitskarte (32) oder mit Fotos dokumentiert werden (40). Sinnvoll ist dies auch im Hinblick auf die Kontrolle des Behandlungserfolgs.

Klauenpflege, d. h. eine Inspektion der Klauen mit Pflegeschnitt ist bei allen erwachsenen Tieren in der Regel einmal pro Jahr erforder-lich, unter Berücksichtigung des rassespezifischen Hornwachstums und der haltungsbedingten Abnutzung des Klauenhorns auch öfter.Das Hornwachstum der Klauenwand bei Schaf und Ziege beträgt 2–6 mm pro Monat. Bis auf wenige Ausnahmen (Rassen mit ge-ringem Hornwachstum oder Haltung in abrasivem Gelände) reicht die natürliche Abnutzung nicht aus, um Fehlstellungen durch die Hornzubildung an Wand und Spitze zu vermeiden. In den meisten Herden ist daher eine Klauenkontrolle bzw. ein Kor-rekturschnitt erforderlich. Bei der Haltung von Schafen in felsigem Gelände muss dieser unter Umständen nur bei einem Teil der Tie-re erfolgen. Werden Tiere von Schafrassen, die genetisch an raue Umweltbedingungen angepasst oder auf die Eignung zur Wander-schafhaltung gezüchtet wurden, auf weichen Böden gehalten, kön-nen mehrere Pflegeschnitte pro Jahr notwendig sein (39c).

Eine Klauenpflege bei Mastlämmern ist nur beim Auftreten von Lahmheiten erforderlich, bei Zuchtlämmern jedoch anzuraten.Eine Aussage zur Klauenpflege bei Mastlämmern in den Empfeh-lungen der DVG wurde aufgrund der Tatsache getroffen, dass in der Praxis bei der Schlachttierbeschau mangelnde Klauenpflege gelegentlich Anlass zur Rückverfolgung gibt und eine retrospek -tive Beurteilung, ob damit Schmerzen und Leiden verbunden waren, erforderlich macht. Entscheidend für die Beurteilung und als tierbezogener Indikator (12) geeignet ist dabei das Alter der Schlachtlämmer: Bei der Haltung von Mastlämmern auf Tiefstreu über wenige Monate wird nachwachsendes Klauenhorn nicht ab-genutzt, verursacht jedoch in der Regel keine mit Schmerzen ver-bundene Änderung der physiologischen Bewegungsabläufe. Dies trifft für Lämmer zu, die aufgrund guter Tageszunahmen bereits

Abb. 2 Handhaltung beim Bo-dy Condition Scoring nach West et al. (44)

Fig. 2 Hand position for body condition scoring according to West et al. (44).

Tab. 4 Moderhinkegrade nach Egerton

Table 4 Foot rot scores according to Egerton.

Grad

0

1

2

3

4

5

Befunde

Klauenspalt ohne Veränderungen, behaart

Entzündung der Haut im Klauenspalt, Rötung

schmierige, stinkende Beläge im Klauenspalt

Ablösung von Ballenhorn und Innenwand

Ausdehnung auf gesamte Sohle und Außenwand

Ausdehnung bis zur Spitze, Ausschuhen

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nach 3–5 Monaten die Schlachtreife erreichen. Eine Klauenpflege ist bei solchen Lämmern daher nur beim Auftreten von Lahmhei-ten erforderlich. Umgekehrt können Lahmheiten die Tageszunah-men und damit das Schlachtalter negativ beeinflussen. Insbeson-dere bei Zuchtlämmern, die bereits früh an Moderhinke erkran-ken, kann eine Klauenpflege aufgrund des beschleunigten und oft fehlgerichteten Klauenwachstums notwendig sein, um Fehlstellun-gen und unregelmäßige Hornformen zu vermeiden. Die Anfällig-keit für Klaueninfektionen dient zudem als Selektionskriterium für die Zucht moderhinkeresistenter Schafe. Klauenkontrolle und Pflegeschnitt sind daher im Sinne eines vorausschauenden Ge-sundheitsmanagements sinnvoll und anzuraten, bevor Lämmer zur Remontierung der Herde verwendet werden (27).

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Klauenpflege und dem Auftreten infektiöser Klauenerkrankungen wie Moderhinke besteht nicht zwangsläufig. Bei infektiösen Klauenkrankheiten sollte der Klauenschnitt zur Diagnose und nicht zur Behandlung angewendet werden. Eine Unterlassung der Klauenpflege führt nicht zwangsläu-fig zu Lahmheiten. Mangelhafte Klauenpflege kann dann festgestellt werden, wenn Lahmheiten durch Fehlstellungen und Hornrisse als Folge stark deformierter Klauen auftreten.Diese Aussage wird in den betroffenen Berufsgruppen kontrovers diskutiert und ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass sich die Lehrmeinung zu diesem Thema im Lauf der vergangenen Jah-re grundlegend geändert hat. Die neueren Forschungsergeb nisse haben erst im Lauf der letzten Jahre Eingang in die Praxis gefun-den (41) und werden nachfolgend erläutert:

Mangelhafte Abnutzung bzw. unterlassene Klauenpflege hat zur Folge, dass sich das Wandhorn auf die Sohlenfläche umschlägt (▶ Abb. 3). Werden solche Klauen sich selbst überlassen, führt dies entweder zur Entwicklung so genannter Stallklauen oder zum Abbrechen der überwachsenden Hornteile. Lahmheiten werden dadurch nur bei einem Teil der Tiere durch unphysiologische Fehlstellungen oder durch Verletzungen der Lederhaut bei unvoll-ständigem Abriss verursacht. Entsprechend dem aktuellen Wis-sensstand lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen mangelhafter Klauenpflege und dem Auftreten von Lahmheiten daher nicht pauschal, sondern nur bei einzelnen Tieren feststellen. Im Zusammenhang mit infektiösen Klauenerkrankungen wie Mo-derhinke kann mangelhafte Klauenpflege allenfalls als prädispo-nierender Faktor bezeichnet werden, der ohne Infektion mit spezi-fischen Erregern (Dichelobacter nodosus) ohne Folgen bleibt. Ein ursächlicher Zusammenhang besteht deshalb nicht (26).

Andererseits konnte in verschiedenen Untersuchungen nach-gewiesen werden, dass ein exzessiver Klauenschnitt in Bezug auf die Heilungsdauer infektiöser Klauenerkrankungen kontrapro-duktiv ist (43). Grundsätzlich sollte zur Bekämpfung der Moder-hinke die Infektion der Klauen zunächst durch systemische anti-biotische Behandlung bekämpft werden. Erst nachdem sich auf der Lederhaut wieder eine Schicht intakten Horns gebildet hat, sollte eine Klauenpflege durch einen Korrekturschnitt erfolgen. Leider wird bis dato ein sorgfältiges Freipräparieren aller verän-

derten Stellen in Lehrbüchern als notwendige therapeutische Maßnahme empfohlen (19, 49), obwohl sich Schmerzen und Lei-den der Tiere dadurch zunächst verschlimmern (▶ Abb. 4). Ein „vernünftiger Grund“ für bewusst traumatisierende Klauenpflege kann künftig nicht angeführt werden, sofern eine antibiotische Therapie möglich ist.

Handlungsbedarf beim Einzeltier ist dann gegeben, wenn akute Lahmheiten länger als einen Tag bestehen.Ungeschicklichkeit und harmlose Unfälle können auch bei Tieren kurzfristige Lahmheiten verursachen, die nach wenigen Stunden wieder abklingen. Da eine Untersuchung von Einzeltieren in Her-den immer auch mit Stress für die gesamte Herde verbunden ist, macht es Sinn, bei akuten Lahmheiten eine Frist von maximal einem Tag für eine mögliche Selbstheilung einzuräumen, ohne dies als Unterlassung notwendiger Maßnahmen zu verstehen. Ein unverzüglicher Handlungsbedarf besteht in der Endphase einer Moderhinkesanierung, wenn es darum geht, letzte latent infizierte

Abb. 3 Mangelhaft abgenutz-te Klauen eines Scha-fes (Foto: Strobel)

Fig. 3 Overgrown hooves of a sheep (photo: Strobel).

Abb. 4 Blutiger Klauenschnitt (Foto: Strobel)

Fig. 4 Traumatic foot paring (photo: Strobel).

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Tiere zu erkennen und damit die Reinfektion anderer Tiere zu ver-meiden (39d).

Bei wirksamer Behandlung von Einzeltieren innerhalb von 3 Tagen ist es möglich, die Zahl lahmender Schafe unter 5% zu halten. Wenn dieser Richtwert überschritten wird, sind Maßnahmen auf Herden-ebene erforderlich. Beim Vorliegen endemischer Klaueninfektionen kann unter widrigen Umständen die Ausbreitung in der Herde nicht verhindert werden, sodass die Zahl lahmender Tiere kurzfristig stark ansteigen kann.“Die Angaben in der Literatur in Bezug auf eine akzeptable Anzahl lahmender Tiere in Schafherden variieren zwischen 2% und 5%, in Abhängigkeit vom Vorliegen endemischer Klaueninfektionen wie Moderhinke (20). Dabei handelt es sich um Richtwerte, die bei fachgerechter Betreuung im Jahresdurchschnitt erreichbar sein sollten. Dies bedeutet einerseits, dass bei Einhaltung dieser Werte zum Untersuchungszeitpunkt kein Unterlassen erforderlicher Maßnahmen vermutet werden kann. Andererseits können konta-giöse Klauenerkrankungen dazu führen, dass diese Werte für eine begrenzte Zeit bis zum erfolgreichen Abschluss von Therapiemaß-nahmen überschritten werden. Im Fall akuter Ausbrüche von Mo-derhinke oder Contagious Ovine Digital Dermatitis (CODD) ist unter entsprechend schlechten Umweltbedingungen mit einer Prä-valenz von über 80% zu rechnen.

Beim akuten Auftreten von Lahmheiten soll unverzüglich eine Ver-dachtsdiagnose durch den Betreuer gestellt werden. Sofern keine Selbstheilung spontaner Luxationen oder geringfügiger Verletzungen zu erwarten ist, ist die Lahmheitsursache durch Einzeltieruntersu-chung festzustellen und innerhalb der ersten 3 Tage eine entsprechen-de Behandlung durchzuführen.Unverzüglich im juristischen Sinn bedeutet ein Handeln ohne schuldhafte Verzögerung und schließt die Möglichkeit ein, die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen abzuwägen. Da für das Ein-fangen, Identifizieren und Untersuchen von Einzeltieren aus Her-den in Weidehaltung entsprechende logistische Voraussetzungen erfüllt sein müssen, können bei schlechter Witterung längere Re-aktionszeiten als unvermeidbar betrachtet werden. Gleiches gilt für Herden, die unter besonders extensiven Bedingungen mit ver-längertem Betreuungsintervall (18) gehalten werden.

In der Praxis ist das Ergebnis der Verdachtsdiagnose entschei-dend. So wird z. B. bei Verdacht auf Dorntritte, Frakturen etc. ein sofortiges Handeln notwendig. Im Fall von infektiösen Klauener-krankungen sind logistische und epidemiologische Gesichtspunk-te ausschlaggebend für die Wahl eines erfolgversprechenden Be-handlungszeitpunktes. Der Richtwert von 3 Tagen ergibt sich aus den Erfahrungen bei der Kontrolle akuter Moderhinkeausbrüche: Bei Behandlung innerhalb der ersten 3 Tage kann die Ausbreitung der Infektion in der Herde erfolgreich eingeschränkt und eine Hei-lung der Tiere vor einer Ablösung des Horns von der Lederhaut erreicht werden (43).

Folgende Maßnahmen können durch den Tierhalter bzw. den Tier-arzt erfolgen: Pflegeschnitt, Entfernung von Fremdkörpern, lokale und systemische Behandlung. Lässt sich die Zahl der Lahmheiten durch Einzeltierbehandlung nicht begrenzen, sind – je nach Diagno-se – Schutzimpfungen, Fußbäder und Herdenbehandlungen erfor-derlich.Die Auflistung verschiedener prophylaktischer, metaphylak tischer und therapeutischer Maßnahmen bedeutet auch, dass in vielen Fällen mehrere unterschiedliche Behandlungsverfahren kombi-niert werden müssen, da die Therapie einzelner Tiere für eine Pro-blemlösung unter Umständen nicht ausreicht (48, 46). Die Aus-wahl der verfügbaren Medikamente ist in Deutschland nicht nur durch Zulassungsbeschränkungen, sondern auch durch das kom-merzielle Angebot stark eingeschränkt (16). Ein daraus in der Pra-xis resultierender Behandlungsnotstand kann dann eine Umwid-mung von Arzneimitteln notwendig machen (41).

Kritisch zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang die Schmerztherapie. Eine Umwidmung der für andere Tierarten zu-gelassenen NSAID-Präparate (non-steroidal anti-inflammatory drugs) wäre aus Gründen des Tierwohls in vielen Fällen wün-schenswert und ist im Einzelfall (Chirurgie) sicher indiziert, wenn dadurch der Heilungsprozess beschleunigt werden kann (13). In vielen Fällen legt jedoch die Unterscheidung zwischen „functional pain“ (33), also Schmerz, der schmerzlindernde Entlastungsreak-tionen auslöst und weiteren Gewebeschaden verhindert, und „non-functional pain“ bzw. „non-useful pain“ (33) einen Verzicht darauf nahe. Zudem ist eine Umwidmung für lebensmittelliefern-de Tiere problematisch und eine wirksame Anwendung über meh-rere Tage unter Praxisbedingungen kaum möglich. Der Farm Ani-mal Welfare Council (FAWC) kommt daher zum Schluss, dass “praktische Methoden für eine Schmerztherapie im Feld erst ent-wickelt werden müssen” (9).

In gravierenden Fällen ist ein strategisches Vorgehen auf der Grund-lage eines Behandlungsplans zu empfehlen, der Angaben zu Behand-lungszielen, Zeitrahmen und Prognose unter Berücksichtigung der logistischen Möglichkeiten auch im Hinblick auf eine Elimination spezifischer Erreger enthalten soll.Gravierende Probleme entstehen, wenn das Behandlungsziel nicht kurzfristig erreicht werden kann oder häufige Rezidive eine erfolg-reiche und dauerhafte Kontrolle verhindern.

Infektiöse Klauenerkrankungen wie Moderhinke treten häu-fig als Endemie auf und verursachen über Jahre hinweg wieder-holt Herdenerkrankungen mit wechselnden Lahmheitsprävalen-zen. Haltungsform, Klima und Reinfektionsrisiko entscheiden über die Möglichkeiten nachhaltiger Problemlösungen. Anstatt widrige epidemiologische Umstände resignierend zu akzeptieren wird ein strategisches Vorgehen auf der Grundlage eines Be-handlungsplans als adäquate Maßnahme empfohlen. In der Lite-ratur sind sowohl Behandlungspläne für Sanierungen als auch Konzepte für die Prophylaxe und die Kontrolle von Klaueninfek-tionen auf niedrigem Niveau beschrieben (1, 11, 21, 42), die an die jeweiligen Situation angepasst werden können (47). Ein sol-

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ches individuelles Behandlungskonzept sollte kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen und Ziele für verschiedene Herdenteile und Situationen definieren. Ein Zeitplan sollte die logistischen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten von Behandlungen berück-sichtigen. So kann die Wirksamkeit von Fußbädern und Antibio-tika in nasser Umgebung eingeschränkt und ein Aufschub von Herdenbehandlungen bis zu Situationen mit geringem Übertra-gungsrisiko sinnvoll sein (14, 22). Eine begründete Prognose und die Beurteilung, inwieweit eine dauerhafte Elimination spezifi-scher Erreger möglich ist, sollten ebenfalls Bestandteil eines Be-handlungsplans sein.

Ein Nachweis der Maßnahmen und Behandlungen, wie vom Arznei-mittelgesetz gefordert, kann durch Kennzeichnung der behandelten Tiere, Anwendungsbelege, sowie innerbetriebliche und tierärztliche Dokumentation erfolgen.Die übliche Betriebsdokumentation reicht in der Regel aus, um die Durchführung adäquater Maßnahmen im Sinne des Tierschutzes zu belegen (2). Behandlungskonzepte für Herdenprobleme werden im Rahmen einer regelmäßigen tierärztlichen Herdenbetreuung in der Regel fortlaufend aktualisiert und umgesetzt und sind daher anhand der Behandlungsunterlagen nachvollziehbar. Im Falle von Konfliktsituationen kann es darüber hinaus sinnvoll sein, Behand-lungspläne schriftlich zu hinterlegen.

In der Regel ist eine Besserung der Lahmheitssymptome bei Einzel -tieren innerhalb von 3–6 Tagen zu erreichen, sodass die Zahl lah-mender Schafe im Jahresdurchschnitt unter 2%, in Hütehaltung un-ter 3% und in Herden mit infektiösen Lahmheiten unter 5% gehal-ten bzw. nach akutem Ausbruch infektiöser Lahmheiten innerhalb von 3–6 Wochen wieder unterschritten werden kann, sofern dies nicht durch besondere Umstände verhindert oder begründet wird. Das Abklingen der Lahmheitssymptome zeigt das Ende von Schmerzen und Leiden an. Eine Kontrolle des Behandlungserfolgs im Sinne einer Heilung ist in der Regel 3 Wochen nach der Behand-lung sinnvoll.Das Abklingen der Lahmheitssymptome zeigt das Ende von Schmerzen und Leiden an, ist jedoch nicht mit der Heilung ur-sprünglicher Defekte und der vollständigen Symptomfreiheit gleichzusetzen (▶ Abb. 5). Die angegebenen Daten stellen Richt-werte (20) für die Beurteilung des Behandlungserfolgs unter opti-malen Bedingungen dar. Eine vollständige Heilung hängt vom Umfang der Gewebsläsionen im Einzelfall ab. Dies ist dann von Bedeutung, wenn Prognosen über die Marschfähigkeit von Wan-derschafherden gestellt werden sollen oder realistische Fristen für eine Reduktion der Lahmheitsprävalenz in Herden gesetzt werden müssen. Anhand der genannten Richtwerte können Prognosen über die für eine Besserung von Herdenproblemen in der Praxis erforderliche Zeit gestellt und entsprechende Zielvorgaben formu-liert werden.

Kein vorwerfbares Verhalten liegt vor, wenn trotz fachgerechter Be-handlung und der Umsetzung tierärztlicher Behandlungskonzepte

kein ausreichender und termingerechter Behandlungserfolg erzielt werden kann.Verstöße gegen §1 TierSchG durch Unterlassen sind nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die genannten Richtwerte und Fristen überschritten werden, ohne dass entsprechende Maßnahmen er-griffen werden. Kein vorwerfbares Verhalten liegt vor, wenn dies trotz durchgeführter Behandlungen geschieht, da ein Behand-lungserfolg auch vom Tierarzt nicht garantiert werden kann. In solchen Fällen ist es empfehlenswert, weiteren Sachverstand he-ranzuziehen (second opinion).

Die Aufstallung lahmender Tiere ist nicht zwangsläufig mit einer Schmerzlinderung verbunden und nur in besonderen Fällen oder epidemiologischen Situationen vorteilhaft, weil sich vermehrtes Liegen und Futterkonkurrenz im Stall negativ auf das Allgemein-befinden auswirken kann. Die im Vergleich zur Weide höhere Bele-gungsdichte und Stallklimafaktoren begünstigen die Vermehrung und Übertragung spezifischer Infektionserreger (z. B. der Moder-hinke).Die Entscheidung, ob eine Aufstallung lahmender Tiere sinnvoll ist, muss im Einzelfall im Hinblick auf das Tierwohl abgewogen werden. Grundsätzlich ist die Haltung im Freien der Stallhaltung vorzuziehen. Dies ergibt sich z. B. aus der Ablehnung der ganzjäh-rigen Stallhaltung kleiner Wiederkäuer in den EU-Empfehlungen (3, 4) und den Vorschriften der EU-Öko-Verordnung, nach der auch im Winter ein Auslauf verlangt wird. Zudem sind die Ein-schränkungen der Tierschutztransport-Verordnung zu beachten. Die Forderung, lahmende Tiere aufzustallen (10), kann daher nicht pauschal gestellt werden. Sie wird gelegentlich in der Absicht erhoben, kranke Tiere vor den Augen der Öffentlichkeit zu verber-gen. In der Praxis kann eine Stallhaltung mit eingeschränkter Be-wegungsmöglichkeit medizinisch bei chirurgischen Behandlungen mit langem Heilungsverlauf sinnvoll sein (z. B. Frakturen, Klauen-gelenksabszesse). Bei Klaueninfektionen mit guter Prognose für einen kurzfristigen Behandlungserfolg wäre eine Aufstallung unter Umständen mit Nachteilen verbunden (vermehrtes Liegen im Stall kann Dekubitus verursachen, bei Tem peraturen über 10° C steigt

Abb. 5 Abgeheilte Moder -hinke Grad 4 (Foto: Strobel)

Fig. 5 Healed footrot score 4-lesions (photo: Strobel).

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das Risiko für die Übertragung von Moderhinke [21]) und somit als kontraindiziert zu betrachten.

Ein Transport lahmender Tiere ist daher sorgfältig abzuwägen. Ein Verladen lahmender Tiere ist nur dann erforderlich und vertretbar, wenn dies zur Behandlung notwendig ist oder über den täglichen Weidegang oder Hütebetrieb erheblich hinausgehende Strecken zu-rückgelegt werden müssten.Einzelheiten sind in der Tierschutztransport-Verordnung (8) gere-gelt. Tiere, die transportiert werden, müssen gesund und trans-portfähig sein (5), es sei denn, sie „sind nur leicht verletzt oder leicht krank und der Transport würde für sie keine zusätzlichen Leiden verursachen“. In der Praxis handelt es sich in vielen Fällen nicht um einen Transport im Sinne der VO, sondern um ein „in-nerbetriebliches Verbringen“ von der Weide in den Stall (27). Im Hinblick auf das Verladen kranker Tiere vor einer Marschbelas-tung in der Wanderschafhaltung kann daher analog die Interpreta-tion für den Transport hochtragender Schafe und neugeborener Lämmer herangezogen werden: „Dieses Vorgehen dient der Ver-meidung von Leiden und Schmerzen und ist deshalb dem Trans-port zum Zweck einer medizinischen Behandlung gleichzustellen“ (18). Im Zweifelsfall kann zur Beurteilung ein Tierarzt hinzugezo-gen werden.

InteressenkonfliktEin Interessenkonflikt besteht nicht, die Arbeit wurde ohne Fremdmittel erstellt.

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3. Anonym (1992a) Empfehlungen des Europarates für das Halten von Schafen vom 6. Nov. 1992, Ständiger Ausschuss des Europäischen Überein-kommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen. http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/EUHaltungSchafe.pdf;jsessionid=95408E82A 30206AB98B28217390FEC96.2_cid296?__blob=publicationFile.

4. Anonym (1992b) Empfehlungen für das Halten von Ziegen. Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in Landwirtschaftlichen Tierhal-tungen. http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/EUHaltungZiegen.pdf;jsessionid= 95408E82A30206AB98B28217390FEC96.2_cid296?__blob=publication-File.

5. Anonym (2005). Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen, Anhang 1 Kapitel 3, Nr. 1.9. ABl. L3 vom 05.01.2005.

6. Anonym (2006a). Tierschutzgesetz vom 18. Mai 2006 in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2006 (BGBl. I S. 1207,1313) zuletzt geändert durch Artikel 20 des Gesetzes zur Anpassung von Bundesrecht im Zustän-digkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1934).

7. Anonym (2007) Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion.

8. Anonym (2009). Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (Tierschutz-transportverordnung – TierSchTrV) vom 11. Februar 2009 (BGBl. I S. 375).

9. Anonym: Opinion on Lameness in Sheep. Farm Animal Welfare Council, London, Great Britain, www.fawc.org.uk, Abrufdatum 8. 4. 2012.

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FazitDie beschriebenen diagnostischen Werkzeuge und Kriterien zur Be -urteilung des Tierwohls im Zusammenhang mit Lahmheiten durch Klauenkrankheiten bei kleinen Wiederkäuern ermöglichen eine sach-liche Kommunikation zwischen Tierhaltern, Tierärzten, Behörden und Öffentlichkeit. Damit sollten unrealistische Anforderungen ebenso zu vermeiden sein wie die fatalistische Akzeptanz von Problemen. Die Auslegung der entsprechenden Rechtsvorschriften soll dem Einzelfall gerecht werden und gleichzeitig die besonderen Umstände der Hal-tung von Herden in der Natur berücksichtigen. Die Diskussion der Tierschutzrelevanz von Lahmheiten begründet gleichzeitig weiteren Forschungsbedarf und unterstreicht die Verantwortung, die Wissen-schaft, Staat und Industrie für die Bereitstellung der Medikamente und Impfstoffe tragen, die für die Durchführung entsprechender Maßnahmen (25) erforderlich sind.

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verlag GmbH 1994; 312.

Meldung

Lernverhalten von Färsen untersucht – Rinder hören auf eigenen NamenRinder sind in der Lage, auf individuelle Na-men zu reagieren und diese auch über länge-re Zeiträume zu behalten. Das ist das Ergeb-nis einer Studie, durchgeführt von der bayeri-schen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub. Moderne Haltungssysteme stellen mit ihren automatisierten Abläufen hohe Anfor-derungen an das Lernverhalten von Rindern. Das macht spezifische Kenntnisse zur Kondi-tionierbarkeit der Tiere erforderlich.

Den Färsen wurden „ihre“ dreisilbigen Na-men an der Kraftfutterstation über Lautspre-cher vorgespielt. Die sechs Fleckvieh-Färsen der

Versuchsgruppe im Alter zwischen 2 und 3 Jah-ren lernten zunächst ihren Namen mit einer Be-lohnungs-Futtergabe an der Futterstation zu ver-knüpfen. Danach wurden die Namen maximal dreimal gerufen. Erst dann bekamen Marion, Hermine, Franziska, Leonor, Stefanie und Anna-bell eine Kraftfutter gabe. Sie sollten ausschließ-lich auf den Ruf ihres eigenen Namens reagieren. Völlig fremde Namen, die keinem Tier aus der Gruppe zugeordnet waren, sollten die Färsen ignorieren und die Kraftfutterstation nicht aufsu-chen. Die letzte Testphase prüfte nach 4-wöchi-ger Pause das Erinnerungsvermögen der Färsen.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Der Lern -erfolg der Tiere stieg im Laufe der Untersu-chungen stetig an und betrug beim Erinne-rungstest vier Wochen später 93%. Die Stu-die zeigt, dass Rinder in der Lage sind, ein in-dividuelles akustisches Signal mit einer Be-lohnungsration an der Kraftfutterstation zu verknüpfen. Sie erinnern sich auch nach einer mehrwöchigen Pause daran.

Akustische Signale zum „Rufen“ der Tiere könnten künftig beispielsweise zur Optimie-rung des Kuhverkehrs oder zur Verringerung von Auseinandersetzungen zwischen den Tie-ren vor Kraftfutterstationen oder automati-schen Melksystemen eingesetzt werden.

Claudia Wester, www.aid.de

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