blickpunkt galizien

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70. Jahrgang – Nr. 2 Stuttgart – März/April 2016 E 3603 1 Soldatenfriedhof Sawadka 2015 (S.12) Ukrainer entdecken Unterwalden (S. 5–8) ZEITUNG DES HILFSKOMITEES DER GALIZIENDEUTSCHEN E.V. Mit regelmäßiger Beilage der LWW-Zeitung »Weichsel-Warthe« 70 Jahre Kulturtagung in Lambrecht: 3. bis 5. Juni 2016 – Programm und Anmeldung Jahreshauptversammlung 2. bis 3. Juni 2016 Stanislau – Stanisławów – Івано-Франківськ Dmytro Schmidl, Kulturpraktikum in Berlin (S. 3) Die Kulturmetropole im Vorkarpatenland hatte einen starken Auftritt auf der Buchmesse Leipzig 2016: Sofija Andruchowytsch (2.v.l.) präsentierte ihren Stanislau-Roman »Der Papierjunge«. In der Podiumsdiskussion hielten auch der Lemberger Literat Jurko Prochasko (geb. in Iv.-Frankivsk, 3. v. l.) und Prof. Andrij Portnov (re) dem Westen einen Spiegel vors Antlitz. (S. 4)

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Німецький журнал, в якому опублікована стаття про відновлення українцями німецького цвинтаря в с.Підгайчики

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Page 1: Blickpunkt Galizien

70. Jahrgang – Nr. 2Stuttgart –

März/April 2016

E 3603

1

Soldatenfriedhof Sawadka 2015 (S.12) Ukrainer entdecken Unterwalden (S. 5–8)

zeitUng Des Hilfskomitees Der galizienDeUtscHen e.V. Mit regelmäßiger Beilage der LWW­Zeitung »Weichsel­Warthe«

70Jahre

Kulturtagung in Lambrecht:

3. bis 5. Juni 2016 – Programm und Anmeldung

Jahreshauptversammlung 2. bis 3. Juni 2016

Stanislau – Stanisławów – Івано-Франківськ

Dmytro Schmidl,Kulturpraktikum in Berlin (S. 3)

Die Kulturmetropole im Vorkarpatenland hatte einen starken Auftritt auf der Buchmesse Leipzig 2016: Sofi ja Andruchowytsch (2.v.l.) präsentierte ihren Stanislau-Roman »Der Papierjunge«. In der Podiumsdiskussion hielten auch der Lemberger Literat Jurko Prochasko (geb. in Iv.-Frankivsk, 3. v. l.) und Prof. Andrij Portnov (re) dem Westen einen Spiegel vors Antlitz. (S. 4)

Page 2: Blickpunkt Galizien

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Wochenspruch für die Woche vom 13. – 19. März 2016

Jesus Christus spricht: Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen. Er kam, um zu dienen und sein Leben hinzugeben, damit viele Menschen aus der Gewalt des

Bösen befreit werden. (Matthäus 20,28)

Aus gegebenem Anlass nehmen wir diesmal einen Wochen­spruch für unsere Andacht. Pfarrer Matthias Opitz nimmt das Bibelwort für die 11. Kalender woche 2016 zum Anlass, auf das Wirken der Schwestern aus dem Diakonissenmutterhaus Ariel – Zöcklersche Anstalten in Göttingen hinzuweisen. Die­ses Mutterhaus existiert zwar nur noch als Restbestand. In den ehemaligen Räumen der Diakonissen lebt nur noch ein einziges Mitglied der Schwesternschaft, Elisabeth Hoyer (sie wird am 25. April 89 Jahre – wir gratulieren von dieser Stelle herzlich –, vgl. Hlg.Bd.05/2012), und der Abriss des Gebäudes wird endgültig im kommenden Jahr zugunsten eines Erweite­rungsbaues des Krankenhauses erfolgen, aber in Göttingen bleiben die Diakonissen in ehrenvoller Erinnerung. Dies auch des wegen, weil aus dem Kreis der am Auflösungsprozess der alten Zöcklerschen Anstalten Beteiligten die Idee einer Hospiz­gründung geboren wurde, mit der das Motto »Bleiben wenn andere gehen…« in Göttingen seither mit großem öffentlichen Anklang in christlich motivierte Sterbebegleitung umgesetzt wird. Dies dokumentiert auch die Ausstellung »Bleiben, wenn andere gehen – 60 Jahre Diakonissen mutterhaus Ariel in Weende« (mit der Vorgeschichte aus Stanislau, Wolfshagen/Westpr. und Stade), über deren Verbleib nach Abriss des Hau­ses derzeit beraten wird.

In Göttingen gelang es den Stanislauer und Wolfshagener Diakonissen zunächst noch, einige junge Frauen für das Leben in ihrer zölibatären Frauengemeinschaft zu begeis­tern. Diese jungen Diakonissen und Anwärterinnen zählten dann zu den wenigen in der neuen Heimat, die sich mit der auslandsdeutschen Herkunft der Alten ernsthaft auseinan­dersetzten, Einblicke auch in Privateres gewannen und da­für Verständnis aufbringen konnten. Eine besondere Frucht für sich selbst konnten sie damit aber kaum ernten, saßen doch beide Seiten in einem im Sinken begriffenen Boot: Der Entschluss zum Dienst als Diakonisse bekam zunehmend Seltenheitswert, ebenso das Interesse z. B. an Galizien. Da ihnen nun ihre Altersversorgung durch eine nachrücken­de Generation nicht mehr gewährleistet werden konnte, musste ihnen in den 70­er Jahren nahegelegt werden, um Dispens von ihrem Gelübde zu bitten. Ihre Lebensplanung drohte die klare Orientierung zu verlieren. Eine von diesen Umschwüngen Betroffene war Gisela Schünemann, die im Februar diesen Jahres verstarb. Sie war keine Galiziendeut­sche, aber ihr zeitweise enges Zusammenleben (auch) mit Galiziendeutschen hat ihr tiefen Einblick in die galiziendeut­sche Seele gewährt. Ihrer sei hier erinnert und ein ehrendes Andenken bewahrt. (C.Z.)

»Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene . . .«

»Ey, du Knecht!« … … so beschimpfen sich Schüler auf dem Schulhof. Dienen ist nicht angesagt. »Wer dient, hat kein Selbstbewusstsein!«, den­ken viele. Unter dem Naziregime wurden mit der Rede vom Dienen die jungen Leu­te schulklassenweise als Kanonenfutter verheizt. Kein Wunder, dass heute keiner

mehr dienen will. Wem denn auch? Doch Dienen hat durchaus nicht immer mit Unterwürfigkeit zu tun: Die alten Diakonissen aus dem Diakonissenmutterhaus Ariel zum Beispiel (Anm. d. Red.: das waren die Stanislauer Schwestern aus dem Mutterhaus Sarepta der Zöcklerschen Anstalten von 1913, die nach der Umsiedlung 1939/40 von den Diakonissen aus dem Mutterhaus Ariel in Wolfshagen/West-preußen aufgenommen wurden) das waren selbstbewusste, stolze Frauen. Die wussten, was sie geleistet hatten: Sie hatten nämlich die Heimbewohner durch die Wirren des Krieges bis nach Stade gebracht und dann ab 1951 hier in Göttingen das Evangelische Krankenhaus Weende aufgebaut. Sie haben den Leuten zum Leben gedient. Das gibt Selbstvertrauen! Noch heute erlebe ich das: Wie junge Leute sich im Laufe eines frei­willigen sozialen Jahres hier im Krankenhaus verändern: Die spüren, wie sie gebraucht werden, erleben die Dankbarkeit der Patientinnen und erfahren, was sie können. Das macht selbst­bewusst! Dienen macht also nicht schwach. Dienen macht stark! Es kommt nur darauf an, wem man dient. Jesus ging in seinem Dienst ganz nach unten. Doch genau damit diente er dem Leben. »Ey, du Knecht!« — Im Grunde genommen ist das keine Beschimpfung, sondern die Bezeugung von Respekt.Pastor Matthias Opitz, (Klinikseelsorger im Evang. Kranken-haus Göttingen-Weende) (aus GT vom 13. März 2016)

Diakonisse Gisela Schünemann (1933 bis 2016)

Sie wurde geboren am 21. Juni 1933 in Fin­kenwalde/Pommern, gehörte vom 15. April 1953 bis zum 31. August 1975 dem Diako­nissen­Mutterhaus »Ariel« in Göttingen­Weende an. Sie arbeitete nach Probezeit und Ausbildung im Ev. Krankenhaus Ween­de als Krankenschwester. 1962 wurde sie zur Diakonisse eingesegnet. Im Januar

1974 ist sie aus gesundheitlichen Gründen aus der Kranken­pflege ausgeschieden, war drei Monate zur Kur in Breklum, arbeitete von Mai 1974 bis März 1975 im Alten­ und Pflege­heim »Friedehorst« des Bremer Diakonissenhauses in Bremen­Lesum und ab April 1975 als Hausschwester im Diakonissen­Mutterhaus »Ariel« zur Versorgung der Feier­abend schwestern. Am 31. August 1975 trat sie aus dem Dia­konissen­Mutterhaus aus. – Am 26. September 1975 heirate­te sie und hieß seitdem Glauer. Die Ehe wurde am 4. Januar 1977 geschieden. Sie arbeitete dann vom 1. Februar 1977 bis zum 31. Dezember 1993 als Nachtschwester im Einbecker Krankenhaus. – 20 Jahre hat sie tapfer gegen die Parkinson­krankheit angekämpft mit bewundernswerter Geduld und Demut. Am 5. Februar 2016 durfte sie zu Hause in Einbeck friedlich und problemlos einschlafen. Ein Leben geprägt durch den christlichen Glauben und den Dienst am Nächsten ist zu Ende gegangen. Helga Lammerich, 37574 Einbeck

Die Schwester der Verstorbenen, Frau Lammerich, schreibt uns zu ihrem Nachruf und im Anschluss an einen Vortrag, den unser Mitglied im Hilfskomitee Christine Klose aus Doli-na (s.Hlg.Bd. 01/2013) in Einbeck gehalten hat:»Das Mutterhaus »Ariel« war 22 Jahre Schwester Giselas Zu­hause, in dem sie sich sehr wohl und geborgen gefühlt hat. Sie

weiter auf Seite 4

Vorbemerkung zu den Diakonissen aus »Sarepta« / Stanislau und »Ariel« / Wolfshagen

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Einladung  Pauschale I zur Jahreshauptversammlung der Vertrauensleute des Hilfskomitees der Galiziendeutschen am 2./3. Juni 2016 in der Pfalzakademie, Lambrecht (Pfalz)

Donnerstag, 2. Juni 2016bis 15:00 Uhr Anreise der Vertrauensleute 15:30 Uhr Kaffeetrinken16:30 /18:00 Uhr Beginn der Jahreshauptversammlung

Freitag, 3. Juni 201607:15 Uhr Frühstück08:30 / 12:00 Uhr Fortsetzung Jahreshauptversammlung 12:30 Uhr Mittagessen

Einladung –  Pauschale II zur Kulturtagung des Hilfskomitees der Galiziendeutschen e. V., vom 3. – 5. Juni 2016 in der Pfalzakademie, 67466 Lambrecht (Pfalz), Franz-Hartmann-Straße 9

P r o g r a m m Freitag, 3. Juni 2016bis 14:00 Uhr Anreise der Gäste zur Kulturtagung 14:30 Uhr Kaffeetrinken15:15 Uhr Eröffnung und Begrüßung der

Tagungsteilnehmer und Gäste

15:45 Uhr – Vortrag: Prof. Erhard Stölting: 16:45 Uhr Die Ukraine in der Krise

17:00 Uhr – Vortrag: Dr. Halyna Petrosanyak: 17:50 Uhr Erinnerungen an Galizien in der

Ukraine – heute

18:00 Uhr – Vortrag: Hans Christian Heinz: 18:45 Uhr Die aktuelle politische Situation in

der Ukraine19:00 Uhr Abendessen20:30 Uhr Abend der Begegnung mit

Dr. Dieter Schäfer über Aktivitäten und Initiativen des HIKO

Sonnabend, 4. Juni 2016ab 7:30 Uhr Frühstück9:00 Uhr Tagesausflug nach Wissembourg =

Weißenburg/Elsaß mit Führung D. Uhrig10:45 Uh Führung durch die gotische Kirche »St.

Peter & Paul«, begleitet mit Orgelmusik 12:00 Uhr Mittagessen in Wissembourg

«Restaurant de la Couronne«,13:15 Uhr Stadtrundfahrt in Wissembourg mit dem

»Touristenbähnchen«15:00 Uhr Fahrt nach St. Martin, Vorderpfalz,

Weinprobe18:00 Uhr Rückfahrt nach Lambrecht

19:30 Uhr Abendessen

ab 20:30 Uhr Abend der Begegnung mit Prof. Dr. Erich Müller über das alte Lemberg in Wort, Bild und mit Musik

Sonntag, 5. Juni 2016ab 7:30 Uhr Frühstück

9:00 Uhr – Ökumenische Andacht: 9:45 Uhr Pfarrer Friedhelm Hans

10:00 Uhr – Horst Vocht bzw. Vorstand: 10:30 Uhr Information über den Verlauf und die

Beschlüsse der Jahreshaupt­versammlung

10:45 Uhr – Vortrag: Pfarrer Friedhelm Hans11:00 Uhr Das Gustav Adolf Werk und seine

Tätigkeiten in Polen und Galizien von den Anfängen bis heute

Anschließend Podiumsdiskussion mit Prof. Stölting, H. Petrosanyak, Pfarrer Hans Zusammenfassung: Galiziendeutsche und

Westukraine heute – wer hilft wem und wie?

13:00 Uhr Mittagessenanschließend Abreise

Änderungen vorbehalten!Tagungsort: Pfalzakademie, Franz­Hartmann­Str. 9,

67466 Lambrecht/Pfalz, Tel. 06325 – 1800­0

PreisePauschale 1 pro Personvom 2. 6. 15:00 Uhr bis 3. 6. 2016 14:00 Uhr. 1 Übern. DZ = 82,– €; EZ = 105,– €;

Pauschale 2 pro Personvom 3. 6. 14:00 Uhr bis 5. 6. 2016 14:00 Uhr. 2 Übern. DZ = 137,– €; EZ = 164,– €;

Unterbringung in der Pfalzakademie mit D/WC, mit Vollpen­sion (ohne Getränke)

Anmeldungen (mit Angabe, ob Teilnahme an der Busfahrt) richten Sie bitte schriftlich bis zum 30.04.2016 an Horst Vocht, Wittbruchstr. 36, 47167 Duisburg, Tel. 0203 / 5019513, Fax (0203) 5019512; E­Mail: horst­vocht@t­online.deWenn Teilnehmer mit der Bahn an­ und abreisen, werden sie bei Angabe ihrer Ankunfts­ und Abfahrtzeiten mit einem Shuttlebus vom Bahnhof Lambrecht abgeholt und wieder hingebracht.

Teilnahme an der Busfahrt nach Wissembourg mit Stadt­führung. – Begleitung: Detlef Uhrig – (30,– €/Person).

Mittagessen in Wissembourg »Restaurant de la Couronne« (Selbstzahler) Der Betrag für die Fahrt nach Wissembourg plus Führung wird im Bus eingesammelt.

Die Pauschale I beinhaltet 1x Kaffee/Kuchen, 1x Über­nachtung/Frühstück, 1x Mittagessen, 1x Abendessen

Die Pauschale II beinhaltet 1x Kaffee/Kuchen, 2x Über­nachtung/Frühstück, 1x Mittagessen, 2x AbendessenDie Pauschalen sind bei Anreise an der Rezeption zu bezahlen! Stand 17. 3. 2016

»Praktikum for Understanding«

Im Januarheft 2015 stellte Bettina Tietze ihr Projekt »Skype for Understanding« vor: wie sie mittels kostenloser Inter­net­Telefonie einer jungen Ukrainerin Deutsch­Lernen hilft, dabei selbst Kenntnisse über die Ukraine gewinnt und so Freundschaften begründet. Das Ehepaar Kulenisch (neu im Hilfskomitee seit der Galizienreise 2015) geht noch einen Schritt weiter: sie stellte dem jungen Dmytro Schmidl aus Kolomea, Deutsch­Student in Ivano Frankivsk, Wohnraum

zur Verfügung und ermöglichte ihm so ein »Kultur­ und Sprachpraktikum« in Berlin. Er war in einer Schulklasse zu Gast, besuchte die Vagantenbühne (Foto S. 1) und eine Ukraine­Veranstaltung der DGO, sprach mit Botschafts­angehörigen, lernte Berlin und deutsches Familienleben kennen, half im Büro Herrn Kulenischs und in der Redakti­on von »Blickpunkt Galizien« aus und – installierte beiden Skype auf den Computer! Ein nachahmenswertes Beispiel: Praktikum for Skype for Understanding for Friendship! (Informationen für Nachahmer erteilt die Redaktion – C.Z.)

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fand in dieser christlichen Schwesternschaft eine geistliche Heimat und eine neue Familie im Dienste Jesu Christi. Mir fällt auf, daß sie auf den Fotos immer in die Mitte genommen wur­de. Sie ist aus christlicher Überzeugung und Nächstenliebe ganz bewusst Diakonisse geworden und hat ihren Dienst dort und auch in Einbeck ganz im Sinne Jesu Christi ausgeübt.

». . . auf den Fotos wurde Sie immer in die Mitte genommen . . .« Einsegnung der neuen Diakonissen am 25. März 1962: (v.li.) Oberin Leni Zöckler, Maria Ankermann, Gisela Schünemann, Pastor Mar-tin Zöckler, Gerda Reinholz, Schulschwester Lotte v. Unruh

Als sie 2012 im Weender Krankenhaus zur Reha war, haben wir die Ausstellung und Schwester Elisabeth Hoyer besucht; sind im ehemaligen Schwesterngarten gewesen. Kontakt hatte sie bis dahin auch mit den ehem. Mit­Schwestern Irmtraut Vaupel und Christa Schwedler. Gerda Reinholz ist schon am 8. 8. 1993 gestorben. Rosemarie Büttner lebt noch in Einbeck, hat geheiratet und heißt Schünemann.Das Buch »Gott hört Gebet« über das Leben Theodor Zöck­lers habe ich meiner Schwester in ihren letzten Lebensmo­naten vorgelesen. Das Buch »Ihr sollt leben« von Erasmus Zöckler werde ich auch noch lesen. Ich bin Frau Klose für ihren Vortrag in unserem Frauenkreis sehr dankbar, mit dem sie die Bedeutung des Weender Diakonissenhauses wieder ins Bewusstsein gerückt hat.« Helga Lammerich

Leipziger Buchmesse

»Der Papierjunge« – Sofia Andruchowytsch stellt deutsche Übersetzung ihres Stanislau-Romans vorSofia Andruchowytsch wurde 1982 in Iwano Frankiwsk (Stanislau) geboren; sie ist die Tochter des international und auch den Leser*innen unserer Zeitung wohlbekannten, in Stanislau lebenden Schriftstellers Jurij Andruchowytsch. Mit diesem Roman gelang ihr der literarische Durchbruch, er wurde im Jahre 2014 zum Buch des Jahres in der Ukraine gewählt. Zu Beginn der Buchlesung fragte die Moderatorin Natascha Freundel die Autorin, welches Motiv sie hatte, diesen Roman zu schreiben? »Ich wollte mehr über meine Heimatstadt Iwa­no Frankiwsk erfahren«. Sie berichtet, dass sie in Zeitungen und Archiven von Stanislau aufwendig recherchiert habe, um die Zeit um 1900 zu verstehen, als diese Stadt in Galizi­en zur Österreichisch­Ungarischen Monarchie gehörte. So betont denn auch der österreichische Residenzverlag: »Ein Buch wie eine Wunderkammer, weil Sofia Andruchowytsch ein lebendiges Bild der galizischen Stadt Stanislau um 1900 entstehen lässt und raffiniert mit Illusion und Wirklichkeit spielt.« Für den deutschen Leser mit galizischem Hintergrund ent­steht das Bild der den Vorfahren vertrauten Heimatstadt. Ein paar Textstellen sollen dies belegen und neugierig darauf

machen zu prüfen, wie weit der Blickwinkel dieser jungen Ukrainerin mit dem der Galiziendeutschen übereinstimmt.Auf Seite 8: »(…) Pedro arbeitet in der Werkstatt von Kasi­mir Bembnowytsch in der Sapiezyszinskagasse, gegenüber der zum Himmel strebenden deutsch lutherischen Kirche . Dort wo die Pappelalle zum Friedhof abzweigt. (…)«Auf Seite 30: »(…) Dr. Angers Großvater und sein Vater ge­hörten zu den ersten Siedlern von Neudorf, die sich im Jahr 1783, zur Zeit der Josephinischen Kolonisation (…)«Auf Seite 70: Das Dienstmädchen Stefa Tschornenko ist mit dem Fahrrad in Stanislau zum Markt in schneller Fahrt durch die Gassen unterwegs…: « (…) und bekomme Gezeter in drei Sprachen zu hören….Hinter mir schreit jemand auf Uk­rainisch, flucht ein anderer auf Polnisch und einer zischt auf Deutsch (…)« Auf S. 142: Bei der Schilderung Stanislaus um 1900 ist der Autorin sogar das erst 1896 gegründete Kinderheim des Theodor Zöckler nicht entgangen. »(…) Dann sagte er, er wol­le den protestantischen Pastor Zeckler (!) bitten, das arme Kind in »Bethlehem«, dem Waisenhaus in der Sapiezyszins­kagasse aufzunehmen (…)«. Andere Überlegungen sind, ob man das wundersam aufgetauchte Kind nicht vielleicht zu den Juden, Armeniern oder in das Mädcheninternat der Basi­lianer­Nonnen, das bis vor kurzem noch von der Gesellschaft russischer Damen geführt worden sei, bringen könne.Auf Seite 159: Nicht fehlen darf natürlich die Feier zum 70. Geburtstag des Kaisers am 18. August 1900: »(…) Letzte Woche feierte unsere Stadt den siebzigsten Geburtstag un­seres Kaisers Franz Joseph I. Lange vor dem großen Tag wurde die Stadt mit Blumen und Fahnen geschmückt und erhielt ein ungewohnt festliches Aussehen (…)«

Sofia Andruchowytsch, Der Papierjunge (Ukr. Originaltitel: Felix Austria) – Residenzverlag, Salzburg – Wien 2016, ISBN: 978 3 7017 1663 0 – Auch als E­Book erhältlich (€ 22,95) Texte und Fotos von der Buchmesse: Dieter Schäfer.

Im Brennpunkt – eine Podiumsdiskussion (s.Titelfoto)

Der Konflikt um die UkraineDie Veranstaltung wurde organisiert in Zusammenarbeit von:Literarisches Colloquium Berlin, Leipziger Buchmesse und Auswärtiges Amt. Ein prominent besetztes Podium nutz­te die Gelegenheit zur Warnung des deutschen Publikums vor der irrigen Annahme, das noch vor einem Jahr auch die deutsche politische Debatte beherrschende Thema, heute aufgrund der Flüchtlingskrise etwas in den Hintergrund ge­treten, würde sich friedlich­freundlich irgendwie von selbst lösen. Unser Titelbild zeigt auf dem Podium: von links nach rechts: Maria Weissenböck, Übersetzerin; Sofia Andru­chowytsch; Jurko Prochasko, Natascha Freundel, Mode­ratorin; Andrij Portnov, (HU Berlin). Der aus der Ostukraine (Dnipropetrovsk) gebürtige Historiker ergänzte die »galizi­sche« Sichtweise der beiden Westukrainer und widerlegte

Fortsetzung von Seite 2

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die Legende vom »russischen Osten«. Jurko Prochasko, der ebenso als Vermittler der deutschen Kultur in der Ukraine wie umgekehrt bekannte politische Philosoph und Kulturkritiker, bewertete die Lage der ukrainischen Zivilgesellschaft seit dem Euromaidan 2014 bis heute. Er spricht davon, dass sich die gesellschaftsverändernden Prozesse sehr verlangsamt haben und Müdigkeit und Enttäuschung um sich griffen. Nach wie vor sei die Korruption in der politischen Klasse ein großes Problem. In Richtung deutsche Öffentlichkeit mahn­te er, in der aktuellen europäischen Flüchtlingskrise nicht zu vergessen, dass es in der Ukraine seit 2014 etwa 1.8 Mio.(!) Binnenflüchtlinge gibt, die von den westlichen Landesteilen getragen werden müssen. Es war die Besorgnis zu spüren, dass auch die deutsche Öffentlichkeit ermüde, des ungelös­ten Konfliktes überdrüssig werde und glaube, auch Russ­land sehne sich nach einer friedlichen Lösung. Die Ukrai­ne braucht die Wachsamkeit und Unterstützung durch ihre Freunde! Dieter Schäfer 21.03.2016

Überwältigende Reaktion nach Aufruf:

Paten für FriedhöfeDas hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwar­tet: Am Tag als dieser Aufruf erschien, meldete sich Herr Krämer und erklärte für seine Familie, die Patenschaft für den Friedhof in Reichenbach zu übernehmen! Wir erinnern uns: Bei der Galizienfahrt 2010 war Frau Sonja Breitländer (jetzt verh. Pewert) von der Begegnung mit den Wurzeln ih­rer Familie Krämer in Reichenbach so ergriffen (s. Bericht im Hlg.Bd. 5/2011), dass sie für das nächste Jahr eigenständig eine Fahrt für Mitglieder ihrer Familie dorthin organisierte. Darüber berichtete ihr Cousin, der oben genannte Peter Krä­mer in zwei Folgen im Hlg.Bd. 7­8.9/2012. (An dieser Stelle möchten wir der schwer erkrankten Frau Pewert herzliche Grüße senden und mit ihr hoffen, dass sie ihre Krankheit endlich doch besiegen kann, mit Gottes Hilfe, liebe Sonja!) Familie Krämer weiß, welch schwieriges Patenamt sie in Angriff genommen hat, und unsere Leser werden es beim Betrachten der beiden Fotos von 2014 (S. 6) auch erahnen können. Gutes Gelingen, liebe Familie Krämer! – Zur selben Zeit leitete uns Dr. Philipp W. Müller, der den Friedhof von Bronislawiwka mit seinem Großonkel Walter Müller (97 J.) gerettet hat und seither betreut (Hlg.Bd. 11/2013 u.ö.) eine Anfrage eines jungen Ukrainers aus Pidhaichyky / Unter­walden weiter, der um Hilfe für ein Projekt bat, Spuren des früheren deutschen Lebens in dem Dorf zu finden und den ziemlich verkommenen Friedhof zu retten. Welch großartige Aktion daraus in Zusammenarbeit von unserer Webmistress Frau Steinmann, dem Betreuer des Internet­Forums Herrn Serwatka und der Redaktion „Blickpunkt Galizien“ mit der Gruppe von jungen Ukrainern entstanden ist – sehen Sie selbst auf unseren Bildseiten 6/7! Die Krönung wäre es, wenn sich für diese Aktivisten ein Pate von uns – am besten mit Wurzeln in Unterwalden – finden ließe! (C.Z.)

Bericht aus Pidhaichyky / Unterwalden

Müllhalde oder Gedenkstätte? – Ein Dorf setzt ein ZeichenPidhaichyky, 26. März 2016 – An diesem Samstag trafen sich an die 10 Dorfbewohner zum Frühjahrsputz auf dem al­ten deutschen Friedhof von Unterwalden. (Anmerkung: Von 1784 – 1939 existierte in Pidhaichyky die deutsche Siedlung Unterwalden). Den ganzen langen Tag hörte man den Lärm von Motorsägen und Rasenmähern, die meterhohes Gras und Buschwerk beseitigten. Die Dorfbewohner setzten da­

mit das Projekt »Unterwalden – Müllhalde oder Gedenkstät­te?« in die Tat um.Der historische Hintergrund: In der zweiten Teilung Polens wurde Galizien Österreich zugesprochen. Wie in vielen ande­ren Dörfern Galiziens wurde auch in Pidhaichyky eine Sied­lung für deutsche Kolonisten errichtet. (Pidhaiychyky liegt nach heutiger Gebietsordnung in der Region Lviv, Distrikt Zolochiv, 1939 war es der Distrikt Przemyslany). Sie erhielten Grund und Boden aus der Liquidierung des dortigen Klosters. In Unterwalden wohnten damals ca. 50 deutsche Familien.Sie lebten dort bis 1939. Sie hatten ihre eigene Kirche, Schule, Dorfverwaltung, Friedhof. Sie erhielten reichlich Fel­der zur Bewirtschaftung. Die meisten Deutschen verfügten über handwerkliche Fertigkeiten. Mehrere Generationen lebten so als Nachbarn der angestammten Bevölkerung bis 1939, als im Zuge der Umsiedlungsaktion die allermeisten von ihnen ihre Heimat verließen.Ganz alte Bewohner Pidhaichykys erinnern sich noch, dass die Deutschen sehr gute Nachbarn waren. Es sei aber kaum zu gemischten Eheschließungen gekommen. Die Deutschen hätten moderne Methoden der Bodenkultivierung mitge­bracht. Viele Ukrainer haben deutsche Sprachkenntnisse erworben. Heute – im Jahre 2016 – scheint nichts mehr an die Gene­rationen­lange Anwesenheit der Deutschen in Unterwalden zu erinnern. Vielleicht hier und da ein Haus mit Steinmauern und Holzveranda … und natürlich der Friedhof, jedenfalls ei­nige verbliebene kleinere Areale desselben.In den vergangenen Jahren haben schon öfter Leute ver­sucht, den Friedhof zu säubern und zu restaurieren, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Heute gibt es noch ca. 40 Grab­steine. überwiegend aus Sandstein. Auch mehrere Marmor­platten sind erhalten. Der ganze Friedhof ist überwuchert von Buschwerk und hohen Bäumen.»Darf das sein?« – so fragt sich eine Frau, die in der Nähe des Friedhofes wohnt – »ich bin heute hier, um den verstor­benen und hier begrabenen Deutschen meine Ehrerbietung zu bezeugen.«Olena Yaremchyshyn, Teilnehmerin an der Putzaktion auf dem Friedhofsgelände: »Wir haben eine gemeinsame Vergangen­heit und wollen mit unserer Aktion ein Zeichen setzen und zei­gen, dass wir uns unserer Verantwortung für eine gemeinsa­me Zukunft in der europäischen Familie bewusst sind!«Menschen wie Olena gibt es zahlreich in Pidhaichyky, eben­so wie überall in der Ukraine. Die junge Generation, wie das Beispiel in Unterwalden zeigt, will die in der Ukraine einge­schlagene Richtung weitergehen. Deshalb wollen wir unser Projekt »Friedhof UNTERWALDEN – Erinnerungsort, kein Schuttplatz!« verstärkt voran bringen.Geplant ist, den Friedhof im Ablauf von zwei Jahren kom­plett zu säubern, alle Grabsteine zu restaurieren und den Platz als Gedenkstätte zu gestalten. Zugleich sollen die Be­mühungen verstärkt fortgeführt werden, nach Zeugnissen des deutschen Lebens in Unterwalden zu forschen, sie zu dokumentieren, Fotographien von Häusern und den ande­ren Gebäuden und vom Friedhof zu sammeln. Wir versuchen dabei Unterstützung seitens der Deutschen Gesellschaften und von Einzelpersonen in der Ukraine zu erhalten. Wir stel­len uns vor, eine historische Ausstellung und eine Kunstga­lerie in Pidhaichyky einzurichten, weil nicht jedes Dorf eine derart reiche Geschichte aufweisen kann. Übrigens: An der Friedhofsaktion nahm mit Nazar Krähen-biel ein Nachkomme der deutschen Siedler in Unterwal-den teil, der in Lviv lebt und intensiv nach Spuren seiner Vorfahren forscht.

weiter auf Seite 8

Page 6: Blickpunkt Galizien

Müllhalde oder Gedenkstätte? – Ein Dorf setzt ein ZeichenBilder aus Pidhaichyky / Unterwalden

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Plackerei mit Harke . . .

. . . und mit Motorsäge»Zur Dorfjugend gesellte sich ein Nachkomme einer galiziendeutschen Familie aus Unterwal­den, geboren 1971 in Lemberg: Nazar Krähenbiel (2. v. li.), aus dessen Verwandtschaft 1939/40 viele umgesiedelt wurden. Er ist sehr interessiert an deren Geschichte, fand das Haus seiner Vor­fahren heraus und auf dem Friedhof zwei Grab­steine mit seinem Familiennamen.Wir alle suchen begeistert nach weitereren Spu­ren der Deutschen in unserem Dorf. Wir sind glücklich, dass Sie in Deutschland uns dabei unterstützen wollen. Wir halten die Erinnerung an die, die in ukrai-nischer Erde begraben liegen, in Ehren!«

v. li.: Stepan Romanchuk, Nazar Krähenbiel, Volodymyr Romanchuk, Roman Yayko,

Mykola Makar, Olena Yaremchyshyn, Maria Fedun, Stanislav Klosovskyi

Gute Nachbarschaft: Die 2004 erbaute Griechisch-Katholische

»Kirche der Fürsprache der Jungfrau Maria« in Sichtweite . . .

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. . . deutsche Paten

Friedhof in Reichenbach/KrasivUnweit des würdigen Gedenksteines an die ehem. deutschen Bewohner in der Dorf­mitte von Reichenbach/Krasiv, den wir zuletzt im Heft 6/2015 abgebildet haben und den H. Schäfer in Google Maps gepostet hat, liegt versteckt, unzugänglich, völlig über­wuchert der ehem. Friedhof. Familie Krämer will sich dessen annehmen. Vorbildlich! Gutes Gelingen!

Stanislav K. schreibt zu der Aktion:

Ukrainische Taten . . .

Page 7: Blickpunkt Galizien

Müllhalde oder Gedenkstätte? – Ein Dorf setzt ein ZeichenBilder aus Pidhaichyky / Unterwalden

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. . . aber sonst ein Trümmerfeld, soweit das Auge reicht . . .

Frauenpower: von links, Olena Yaremchyshyn, Iryna Petrivska, Maryana Kinash, Anna Mazur.

v. li.: Stepan Romanchuk, Nazar Krähenbiel, Volodymyr Romanchuk, Roman Yayko,

Mykola Makar, Olena Yaremchyshyn, Maria Fedun, Stanislav Klosovskyi

Gute Nachbarschaft: Die 2004 erbaute Griechisch-Katholische

»Kirche der Fürsprache der Jungfrau Maria« in Sichtweite . . .

Page 8: Blickpunkt Galizien

Nach Abschluss ihrer Frühjahrsaktion haben die Aktivisten Informationsplakate und Hinweischilder auf dem Friedhof angebracht unter dem Motto:

»Wir halten die Erinnerung in Ehren an diejenigen, die hier in ukrainischer Erde begraben liegen!«Am Abend wurden alle Gräber mit Kerzen erleuchtet. Die jungen Leute versprachen: »Wir haben einiges erreicht – aber wir werden uns auf dem Erreichten nicht ausruhen: Wir machen weiter!«

Projekt – Koordinator: Stanislav Klosovskyi, Schastya Straße 21 a, PIDHAICHYKY 80726, Ukraine, Lviv region, Zolochiv district, [email protected] / www.facebook.com

Deutsch-polnische FriedhofspflegeAm 26./27.Februar 2016 fand in Posen eine Konferenz zur Pflege ehem. deutscher Friedhöfe statt. »Die Erde verbirgt noch viele Knochen«. Die vergessenen Erinnerungslandschaften – Pro-testantische Friedhöfe in Großpolen nach 1945. Sie erfolgte in Zusammenarbeit des Kulturreferates für Westpreußen, Posener Land, Mittelpolen, Wolhynien und Galizien mit dem Institut für Geschichte der Adam­Mickiewicz­Universität in Posen/Poznań.Eine thematisch verwandte Konferenz veranstaltet am 28. ­ 29. April 2016 in Fraustadt / Wschowa (früher Prov. Posen) unser Kulturreferat für Westpreußen (etc) in Kooperation mit dem Landesmuseum in Fraustadt sowie dem Denkmal­pfleger für die Woiwodschaft Lebus: Deutsch-polnisches Denkmalpflege-Forum – »Die historischen Friedhöfe. Ihre Bedeutung – Denkmalpflege und -schutz«. Der altstädtische evangelische Friedhof in Fraustadt gehört zu den ältesten Friedhöfen der Neuzeit in Europa, die »extra muros« gegründet wurden und die mit der traditionellen Lo­kalisation der Leichenacker neben der Kirche brachen. Das erste Begräbnis fand am 1. März 1609 statt. Damals wurde der Bürgermeister von Fraustadt Stefan Korczak bestattet (…). Der Friedhof wurde bis Anfang 1945 benutzt. Die Grab­platten, die sich dort befinden, sind heute kostbare Denkmä­ler. Die vergehende Zeit und die Klimaänderungen sind die Ursachen für die Veränderungen innerhalb des Denkmals. Die Ziele des Treffens in Fraustadt sind es, die Notwendigkeit des Denkmalschutzes der alten Friedhöfe, ihre Bedeutung für das Kulturerbe und die Bestimmung der Vorgehensweise bei den Denkmalpflegeprogrammen am Beispiel des Friedhofs in Halle, des hl. Nikolaus in Görlitz, des Kirchfriedhofs der Frie­denskirche in Swidnica (Schweidnitz) zu verdeutlichen.Als Teilnehmer des Forums wurden die Vertreter des regionalen Amts für Denkmalpflege, Wissenschaftler, Denkmalpfleger und die Besitzer der Denkmäler aus Deutschland und Polen einge­laden. – Leider reichten die begrenzten Kräfte unseres Hilfsko­mitees nicht aus, uns in diese – uns recht kurzfristig zur Kennt­nis gelangten – hoch interessanten Tagungen einzubringen. Magdalena Oxfort M.A., Kulturreferentin / C.Z.LE

Das Hilfskomitee Dankt seHr HerzlicH für folgenDe spenDen:

Spendenaufkommen 12. 1. 2016 bis 14. 03. 2016€ 200,00: Görz, Herbert und Richmuth; € 180,00: Weber, Waldemar; € 142,00: Schwarzwälder, Hans; € 110,00: Daum, Harald und Antonie; € 100,00: Bäcker, Karl; Prüter, Waltraud; Schlosser, Lothar und Gudrun; Stein, Ingeborg; € 96,00: Schäfer, Dr. Dieter; € 92,00: Brüggemann, Hans Dieter; € 89,00: Müller, Prof. Dr. Erich; € 88,00: Serwatka, Bernd; € 85,00: Venn, Dietrich; € 80,00: Phillips, Gertrud;

Müller, Erika; € 69,00: Schole, Dr. Marion; € 61,00: Vocht, Horst; € 60,00: Schuster Maria; Stockmann, Hedwig; Hap­pach, M und A. Rolland, Karin; Mann, Johanna; Specht, Arthur; Anweiler, Oskar; Müller, Irmgard und Helmut; Jaki, Richard; Grehl, Heinz und Sigrid; € 51,00: Peternek, Alois; € 50,00: Mohr, Valentin; Senft, Horst und Lieselotte; Weiß, Wilhelm; Single, Elke; € 40,00: Bäcker, Adolf und Gudrun; Butz, Ewald; Friedrich, Blandine; Oriwol, Edith; € 35,00: Sternbeck, Karolina; Bechtloff, Rudolf und Ursula; € 31,00: Zöckler, Dr. Christofer; € 30,00: Spies, Irene; Bock, Rudolf und Ingeborg; Link, Alfred; von Bischoffshausen, Werner und Ingrid; € 28,00: Kraus, Werner; € 25,00: Wendelberger, Alfred; Bauer, Helene; Baron, Josef; € 20,00: Fuchs, Ilse; Heil, Jürgen und Viola; Ball, Else; Losch, Johanna; Jacob, Joachim; Stieber, Rudolf; Mäurer, Johann und Erika; Gün­ther, Bruno und Inge; Koch, Josef, Ph.; Bredy, Ellen; Koch, Ernestus; € 15,00: Karge, Reinhard und Edeltraut; Holetsch­ka, Elfriede; Kloubert, Ilse; € 10,00: Lenz, Rudolf und Elisa­beth; Ulrich, Dr. Wilhelm; Unterschütz, Helmut und Ingrid; Judzinski, Michael, Johannes; Semmer, Anna; Blawitzki, Horst; Freitag, Dr. Christine; Köhle, Artur Walter; Gerbrandt, Elisabeth; Metzler, Wolfgang; Zwinger, Thomas; Domski, Elfriede; Staud, Helene; Oberhoffner, Edgar und Elisabeth; Prangenberg, Heinz und Angela; Daum, Adolf und Johanna; Lautenschläger, Inge; Ursel, Johann; Zaplatynski, Peter und Anna; Konrad, Manfred und Hella; Mossbauer, Alexander; Springer, Manfred und Ursula; Pfeiffer, Helmut und Mathil­de; Fries, Karin; Krausse, Gertrud; Keiper, Irmgard und Jür­gen; Jakobi, Gisela; Juds, Gerlinde; Konneker, Klaus.Vielen Dank für die vielen kleinen Spenden.

Wir gratulieren herzlich im monat mai

zum 97. Geburtstagam 1. 5. Frau E m i l i e M ü l l e r, geb. Jaki, aus Einsingen, in 85521 Riemerling, Eduard­Spranger­Straße 15;zum 90. Geburtstagam 23. 5. Frau E r n a S t o l l e , geb. Schick, aus Hartfeld, in 06333 Neuplatendorf, Neue Reihe 5am 30. 5. Frau A l m a J ä h n i c h e n , geb. Schneider, aus Hel­mitz/Neu Sandez, in 15926 Luckau, An der Schanze 25;zum 89. Geburtstagam 1. 5. Herrn K a r l G ö r z , aus Stryj, in North Delta B.C. V4E2E4 Canada, 7031 115 A St.;am 3. 5. Frau E l i s a b e t h B r i n k e ­ S c h i n k , geb. Beck, aus Reichenbach, in 31157 Sarstedt, Nordring 4;am 8. 5. Herrn Prof. Dr. E r i c h M ü l l e r, aus Lemberg, in 14129 Berlin, Ilsensteinweg 3 c;zum 87. Geburtstagam 20. 5. Frau A d e l e S t a c h o w s k i , geb. Kohl, aus Slawitz, in 21481 Lauenburg/Elbe, Auf der Höhe 35;am 28. 5. Frau G e rd a B e r n d t , geb. Bisanz, aus Einsiedel, in 02906 Sproitz­Nisky, am Schwarzen Schopf 13;zum 86. Geburtstagam 1. 5. Herrn O t t o B u rg h a rd t , aus Bitkov, in 30855 Lan­genhagen, Krummer Kamp 42;am 5. 5. Frau E r n a C ro n a u g e , geb. Schmidt, aus Stryj, in 04416 Markkleeberg, Nachtigallenweg 1;am 8. 5. Frau M a t h i l d e P f e i f f e r, geb. Seiler, aus Schönthal, in 06268 Obhausen, Straße des Friedens 29;

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am 8. 5. Frau A n g e l a P r a n g e n b e rg , geb. Jarschke, aus Bruckenthal, in 53560 Vettelschoß, Willscheider Weg 31;am 14. 5. Herrn E d u a rd H ü t t e r, aus Münchenthal, in 06114 Halle, Richard­Wagner­Straße 29;am 16. 5. Frau C a ro l i n e G ä b e l , geb. Roth, aus Brucken thal, in 04821 Brandis bei Wurzen, An den Birken 2;zum 85. Geburtstagam 20. 5. Frau A m a l i e S c h u b e r t , geb. Kohl, aus Machli­niec, in 06502 Thale, Lindenbergsweg 62;zum 84. Geburtstagam 27. 5. Frau M a r i a H ü t t e r, geb. Bäcker, aus Brunndorf, in 06114 Halle/Saale, Richard­Wagner­Straße 29;zum 83. Geburtstagam 27. 5. Herrn J a k o b H e x e l , aus Lindenfeld Nr. 5, in 49191 Belm, Ketteler Straße 8;am 27.‚5. Frau R o s m a r i e K u t z , geb. Koch, aus Baginsberg/Kolomea, in 96047 Bambergam Kranen 12a;zum 80. Geburtstagam 1. 5. Frau L i l o B u rg h a rd t , aus Bitkov, in 30855 Langen­hagen, Krummer Kamp 42;am 31. 5. Herrn A d o l f B ä c k e r, aus Kazimierowka, in 61350 Bad Homburg, Dorfweiler Str. 15;zum 77. Geburtstagam 12.‚5. Frau E l f r i e d e Z e i b i g , geb. Höhn, aus Ugarths­berg, in 01848 Hohnstein, Breidtscheidstraße 10;am 19. 5. Herrn R o b e r t K n e c h t , aus Josefow/Rad. in 33605 Bielefeld, Landberger Straße 36;am 23. 5. Herrn A l f r e d K o n r a d , aus Padew/Mieliec, in 70193 Stuttgart, Rominger Weg 2;zum 74. Geburtstagam 20. 5. Frau I n g e G ro ß m a n n , geb. Mohr, aus Rübenfeld/Krotoschin, in 06333 Sylda, Hauptstraße 30;

Wir gratulieren herzlich im monat Juni

zum 96. Geburtstagam 8. 6. Frau M a t h i l d e M e s s n e r, 6622 Montreal/Canada, 13. Ave. HIX2Y9;zum 93. Geburtstagam 1. 6. Frau E l s e H ö h n , aus Josefsberg, in 06130 Halle, Warschauer Straße 31;zum 92. Geburtstagam 2. 6. Herrn Va l e n t i n M o h r, aus Bredtheim, in 21149 Hamburg, Scharlberg 29A;zum 91. Geburtstagam 5. 6. Frau H e d w i g L ü t g e h a r m , geb. Schäfer, aus Se­werenowka, in 30182 Pattensen, Braunschweiger Straße 13;zum 90. Geburtstagam 15. 6. Frau N e l l y M o h r, aus Krakau/Brigidau, in 10319 Berlin, Schwarzmeerstraße 23/237;zum 86. Geburtstagam 12. 6. Frau A l m a H e r m s , geb. Becker, aus Brigidau, in 39524 Klietz, Feldstraße 4;zum 83. Geburtstagam 2. 6. Frau H e r m i n e Tr i b u t h , geb. Mohr, aus Josefsberg, in 14837 Wiesenburg, OT Schlamau Nr. 18;zum 81. Geburtstagam 6. 6. Frau H e r t a L o re n z , in 18435 StralsundKurt­Tucholski­Weg 16;

zum 80. Geburtstagam 4. 6. Frau E l s e W i c k , aus Zawadow/Stryj, in 30627 Han­nover, Reiherstieg 6;zum 78. Geburtstagam 6. 6. F r a u I n g e Te s s m e r, geb. Harlos, aus Hohenbach, in 92363 Breitenbrunn, Gartenstraße 10;zum 75. Geburtstagam 2. 6. Frau I r m g a rd S t e i n m a n n , geb. Mauer, aus Wien, in 65812 Bad Soden, Im Weiber 21;am 28. 6. Herrn Wa l d e m a r A l b e r t , aus Brest, in 24558 Henstedt­Ulzburg, Rebhuhnweg 6;

Geburtstagslisten:

Sparen am falschen Ort . . .Der Vorstand samt Vertrauensleuten gesteht einen Feh­ler ein: Wir haben beim Umstellen auf zweimonatliches Erscheinen unseres Mitteilungsblattes die Geburtstags­listen gekürzt und nur noch bis 1939 geborene Mitglieder darin belassen, mit der Begründung, nur diese seien von Geburt »echte Galizier«. Damit haben wir die während der Umsiedlungszeit Geborenen herausgestrichen und den Westgaliziern doppelt Unrecht getan. Wir hatten aus eini­gen Rückmeldungen den Eindruck gewonnen, die Jünge­ren betrachteten diese Listen als nicht mehr zeitgemäß und legten keinen gesteigerten Wert auf die Veröffentlichung ihrer Geburtstage. »Werch ein Illtum«, hätte Ernst Jandl gespottet. Wenn es auch nur max. 5 Jahre waren, in denen die (Ost­) Galiziendeutschen auseinandergerissen und neu zusam­mengewürfelt – überwiegend im Weichsel­Warthe­Gebiet ­ lebten, so haben sich auch und gerade in diesen Neu­ansiedlungen Schicksalsgemeinschaften gebildet, in de­nen man nach erneuter Zerstreuung und Flucht besonders stark das Bedürfnis entwickelte, über den Verbleib auch dieser »ehemaligen neuen Nachbarn« zu erfahren. Wir entschuldigen uns bei all denen, die diesen »Hinauswurf« durch die eigenen »Vertrauensleute« als schmerzlich emp­funden haben und danken jenen, die uns ihr Unverständnis für dieses »Sparen am falschen Ort« offen mitgeteilt haben. Eine Bitte: Für die Verwalterin unserer Geburtstags­ und Adress­Listen, die berufstätig voll geforderte Ärztin Frau Dr. Christine Freitag wäre es eine große Hilfe, wenn die hier betroffenen Landsleute (also die bis zur Flucht 1944/45 bzw. späteren Aussiedlung auf eh. galizischem Boden oder in den Umsiedlungsgebieten gewohnt haben) ihr den Wunsch, wieder in die Geburtstagslisten aufgenommen zu werden, durch eine kurze Mitteilung kund täten. (Vertrauensleute-Versammlung in Herne, 2./3.2.2016)

Buchhinweis: Ortfried Kotzian über ein aktuelles Thema

Was wissen wir von den Russlanddeutschen?Mit Willi Brandts neuer Ostpolitik kam eine erste Welle von Russlanddeutschen in die Bundesrepublik, mit dem Ende der Sowjetunion kehrten erheblich größere Mengen von der Wolga zurück in das Land ihrer Vorväter. Wenn es auch hin und wieder Spannungen gab zwischen den angestammt Einheimischen und den Zuwanderern, so hatten sich diese in der Zwischenzeit jedoch erheblich beruhigt. Die Russ­landdeutschen haben offenbar ihren Platz in der neuen Umgebung gefunden, und die Alteingesessenen wissen mit dem Begriff nicht viel anzufangen, weder im Positiven noch im Negativen. In jüngster Zeit kamen jedoch Irritationen mit den Gerüchten auf, unter den Pegida­Demonstanten seien auch Russlanddeutsche, sie betätigten sich z.T. als »Putins fünfte Kolonne« und sie organisierten wütende Demonstrati­

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onen als Reaktion auf die angebliche Vergewaltigung »ihrer« Lisa durch muslimische Asylbewerber. Da kommt ein Buch gerade recht, dass den Begriff »russ­landdeutsch« in all seinen Facetten, dennoch allgemein­verständlich klären möchte: »Wer sind die Russlanddeut-schen? - Leben, Schicksal und Kultur einer deutschen Volksgruppe im Osten Europas und in Mittelasien« (Augsburg 2015, ISBN 978­3­00­050942­1).Es stammt aus der Feder Ortfried Kotzians, eines ausgewie­senen Kenners der Auslandsdeutschen besonders im östli­chen Europa, wie u.a. seine inzwischen zum Standardwerk avancierte Abhandlung »Die Umsiedler« (2005 im Langen Müller Verlag erschienen) belegt. Darin stellt er u.a. die Ge­schichte der deutschen Volksgruppen in Wolhynien, Galizi­en, Bukowina, Bessarabien, der Karpato­Ukraine und der Dobrudscha dar. Kotzian, von 2002 bis 2012 Direktor des »Haus des Deut­schen Ostens« (HDO) in München (s.Hlg.Bd.02/2013), ist uns Galiziendeutschen kein Unbekannter, vielmehr ein enger Freund. Er referierte auf unserer Kulturtagung 2009 über »70 Jahre nach der Umsiedlung der Galiziendeutschen« (Hlg.Bd. 6 u.7/2009). Auf der LWW­Bundestagung 2012 unternahm er die Begriffsklärung »Umsiedler, Vertriebener, Flüchtling, Spätaussiedler«, differenziert nach alten und neuen Bundes­ländern (vgl. WW 8­9/2012). Beide Aspekte erscheinen auch im neuen Buch, die Galiziendeutschen treten aber – dem Thema gemäß ­ gegenüber ihren unmittelbaren Nachbarn und Schicksalsgefährten, den Wolhyniern zurück. Nach einem Einführungskapitel in die Thematik, deren Pro­blemhorizonte und Begriffsklärungen gliedert sich das Buch in 4 Kapitel über die historischen Etappen: – Auswanderung und Ansiedlungsgeschichte– Entwicklung der russlanddeutschen Siedlungsgebiete bis

zum 1. Weltkrieg– Die Russlanddeutschen in der Sowjetzeit 1917 – 1991– Neue Heimat Bundesrepublik – mit Perspektiven für die

Zukunft.Das Buch ist leserfreundlich, ansprechend und aufwendig (Hochglanz,Hardcover) gestaltet, enthält viele Abbildungen, Tabellen, Karten sowie eine Bibliographie für die Weiterar­beit der Leser/innen. Es basiert auf einer fünfteiligen Vor­tragsreihe, die von Dr. Ortfried Kotzian konzipiert und zwi­schen November 2014 und März 2015 durchgeführt wurde. Es wurde von der Landsmannschaft und dem Förderverein der Deutschen aus Russland in Augsburg e. V. herausgege­ben und finanziert. In der Ankündigung schreiben die He­rausgeber: »Dem interessierten Leser aus den Reihen der Aufnahmegesellschaft sollen Einblicke gegeben werden in die Entwicklung einer Volksgruppe, die als ein »Volk auf dem Weg" zu ihrem Ursprung zurückgekehrt ist. Bei den Russ­landdeutschen und ihren Nachkommen soll dieses Buch Wissenslücken schließen und Fragen zu ihrer Geschichte und kulturellen Identität beantworten.« Es kostet (nur !) 19,90 € und ist zu beziehen über den Förder-verein der Deutschen aus Russland in Augsburg e. V. Blü-cherstr. 89, 86165 Augsburg. (Tel. 08231 – 3491953 / E-Mail: [email protected]) (C. Z.)

Russlanddeutsche – wie sie keiner kennt

»Wolgadaitsche Witze in Argentinie verzählt«Nachdem Zarin Katharina im 18. Jahrhundert Kolonisten aus Deutschland in Russland, vor allem an der Wolga, an­siedeln ließ, entstanden im Zarenreich zahlreiche deutsche Ortschaften. Ein bedeutender Anteil der Kolonisten stamm­te aus der Pfalz und anderen südwestdeutschen Gebieten,

wo sie unter restriktiven Regierungsbestimmungen gegen Protestanten litten, hinzu kamen Mennoniten aus Westpreu­ßen und andere religiöse Minderheiten. Unter dem Eindruck des wachsenden russischen Nationalismus seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setze ein Exodus aus Russ­land ein, die ersten Siedler ließen sich 1878 in Hinojo bei Olavarría, Provinz Buenos Aires, nieder. Nach der Oktober­revolution erreichte der Exodus in mehreren Wellen einen Höhepunkt. Heute schätzt man die Zahl der nach Brasilien, Paraguay und Argentinien ausgewanderten Rußlanddeut­schen auf 400.000 Personen.Ihrer bäuerlichen Kultur ist es zu verdanken, dass die Deut­schen von der Wolga ihre Sprache und ihre Konfession be­wahrt haben. Die Sprache auf Grundlage eines konservati­ven rheinfränkischen Idioms, gefärbt durch die Umgebung in den isolierten wolgadeutschen Gemeinden, in denen sie in rund 150 Jahren eine eigenständige Kultur aufgebaut hat­ten, setzten sie in ihren neuen Siedlungen in den Ländern links und rechts des Paranaflusses fort, besonders in der Provinz Misiones und in Paraguay. Zully Bauer und René Krüger haben nun mit einer Sammlung von Witzen ein liebenswertes, kurioses Dokument dieses Idioms herausgegeben. Sie bewahren damit ein schützens­wertes Sprach­ und Kulturdenkmal, das sich in den ländli­chen Gegenden der genannten Länder bis heute behauptet hat. Die Witze erzählt man sich u.a. in nachbarschaftlichen Erzählkreisen, in denen, wie zu hören war, herzhaft gelacht wird. Die Argentinienreisegruppe unter Leitung des Unter­zeichneten hat es im Februar 2016 aus Buenos Aires mit­gebracht. Hinweis zur Warnung auch für bundesdeutsche Liebhaber des Pfälzischen: Lachkrämpfe beim Lesen nicht ausgeschlossen! Friedhelm Hans»Mer händ doch so glacht! Wolgadaitsche Witze in Ar-gentinie verzählt«, Buenos Aires 2015, 80 S. ISBN 978-987-338808-8. - Das Büchlein kann für € 8,20 zzgl. Porto beim GAW Pfalz bestellt werden: Friedhelm Hans, GAW Pfalz, Horststraße 99, 76829 Landau in der Pfalz.

Zum Tode von Sieglinde Hexel

Weitere Würdigungen Ihres WirkensMit Betroffenheit und Trauer entnahmen alle Landsleute unserem Heimatheft 1/2016 die Nachricht vom Tode Sieg­linde Hexels. Die eindrucksvolle Bilddokumentation von Prof. Müller und Nachrufe ihres Bruders Heinrich sowie des Ehepaares Gertrud und Rudolf Parr stellten uns den uner­setzlichen Verlust, aber auch ihr großartiges Wirken für die alte Heimat und ihre Landsleute, für unseren Verein vor Au­gen. Wir fügen heute eine Reminiszenz Rudolf Brückners und einen Nachruf von Prof. Erich Müller an. Diesen hatten wir für unsere Beilage »Weichsel­Warthe« angekündigt, was sich aber aus drucktechnischen und terminlichen Gründen nicht machen ließ.

So war unsere Sieglinde!Es drängt mich ein weiteres Beispiel ihrer großen Hilfsbereit­schaft mitzuteilen, das damals alle Anwesenden tief beein­druckte: Ihre Grabrede für unseren Landsmann Herbert Krämer.Diesen meinen Freund habe ich bereits in meinem vorjäh­rigen Artikel in »schwäwischer« Mundart erwähnt (BpG 1/2015; über sein Leben siehe autobiographische Auszüge an Stelle eines Nachrufs im Hlg.Bd. 03/2004). Er wurde am 6.5.1912 in Dornfeld als jüngerer Bruder unseres galizischen Sprachforschers Dr. Julius Krämer geboren und war später Direktor der Volksschule in Weimar­Schöndorf. Zum Schluss lebte er im katholischen Altenpflegezentrum »St. Raphael«,

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wo ich ihn wöchentlich besuchte. Er äußerte den Wunsch, dass seine Trauerfeier von einem galizischen Pfarrer gestal­tet werden sollte. Da die Realisierung schwierig war, schlug ich ihm die Kontaktaufnahme mit Sieglinde vor. Sie erklärte sich bereit, an seinem Grab zu sprechen, obwohl sie da­mals noch in Köln lebte. Herbert starb am 4. Januar 2004. Bei seiner Beisetzung am 21. Januar 2004 löste Sieglinde ihr Versprechen gegenüber ihrem Landsmann aus dem Nach­bardorf vorbildlich und selbstlos ein, allen Reise­ und sons­tigen Hindernissen zum Trotz. Rudolf Brückner, Weimar

Sieglinde Hexel 1931 – 2015 Ein Nachruf aus dem Blickwinkel der Landsmannschaft Weichsel-Warthe

Die Verstorbene war die einzige galizien­deutsche Kulturpreisträgerin unserer Landsmannschaft. Sie starb am 12. De­zember 2015 im Alter von 84 Jahren. Mit ihr verlieren wir Deutschen aus dem Osten eine besonders aktive, bekannte, ge­schätzte und sympathische Persönlich­keit. Sie war jahrelang auch stellvertreten­

de Vorsitzende des Hilfskomitees der Galiziendeutschen und hatte dessen Arbeit in den beiden ersten Jahrzehnten der Nachwendezeit entscheidend mitgeprägt. Die Tochter des Bauern Heinrich Hexel und seiner Ehefrau Do­rothea geb. Parr wurde am 17. Juni 1931 in dem deutschen Siedlungsdorf Lindenfeld in Ostgalizien geboren, machte 1939 die Umsiedlung in den »Warthegau« und 1945 die Flucht mit, bis die Familie in Groß­Görschen bei Leipzig eine neue Heimat fand, wo Sieglinde nun auch beerdigt wurde. Nach Schule, Lehrerausbildung und dreijähriger Lehrtätigkeit in Thüringen hatte sie sich 1956 entschlossen, nach Westdeutschland zu wechseln. Sie besuchte die Pädagogische Akademie in Wup­pertal und war dann bis zu ihrer Pensionierung 1993 in Porz bei Köln als Lehrerin tätig. Ihr Vater hatte ihr bei ihrem Wegzug den Rat gegeben, Kontakt zu den im Westen Deutschlands lebenden Galiziendeutschen aufzunehmen. Das tat sie auch: Das Bild 44 im Heimatbuch der Galiziendeutschen »Aufbruch und Neubeginn« weist aus, dass Sieglinde bereits 1957 an Hei­mattreffen teilgenommen hatte. Auch danach versäumte sie kaum Zusammenkünfte ihrer Landsleute und wurde nach und nach auch Mitgestalterin von solchen Treffen, so etwa der im Jahre 1989 stattgefundenen Festveranstaltung »50 Jahre nach der Umsiedlung« in Wolfsburg. Ein besonderes Engagement entfaltete die Junggesellin nach der durch die Wende im Osten gegebenen Möglich­keit, in die alten Heimatgebiete zu reisen, die Elternhäuser, Kirchen, Friedhöfe zu besuchen und Kontakte zu der jetzt dort lebenden Bevölkerung aufzunehmen. Unter dieser gab es noch Dorfbewohner, die sich an die 1939 umgesiedelten Deutschen erinnerten. Aber gerade Sieglindes Heimat­ und Geburtsort Lindenfeld war militärisches Sperrgebiet, noch bis 1996 unzugänglich und im Übrigen durch Neu­ und Umbauten stark verändert. So konzentrierte sich Sieglinde auf das benachbarte Kirchdorf Dornfeld. Dort fand sie den verwahrlosten, von Bärenklau überwucherten und von um­gestürzten Grabsteinen übersäten deutschen Friedhof vor, dann die vielen Mängel in der ehemals deutschen Schule und die materielle Not der jetzt in diesem Dorf lebenden Menschen: Darin sah sie – unterstützt von befreundeten Landsleuten – ihre Aufgabe zu helfen, die Schule zu renovie­ren, sie mit benötigten Einrichtungen wie Computern auszu­statten, den Friedhof zu sanieren und die Bevölkerung mit

gesammelten Kleider­ und Sachspenden zu unterstützen. Mit ihrem freundlichen Wesen und ihrer Kontaktfreundlich­keit gewann sie mithelfende und mitreisende Landsleute, so dass sie jährlich eine Busfahrt in den Dornfelder Pfarrspren­gel unter Mitnahme vieler dort zu verteilender Hilfsgüter durchführen konnte: 21 Mal reiste sie so in die alte Heimat. Ein Höhepunkt ihres Wirkens war 2000 auf dem Dornfelder Friedhof der von ihr initiierte prachtvolle Gedenkstein, der – ökumenisch von vier Geistlichen unter Teilnahme der einhei­mischen Bevölkerung eingeweiht – mit deutschen und ukra­inischen Inschriften das Andenken an die einstige deutsche Siedlung und die dort bis 1939 lebenden Galiziendeutschen bewahrt 1). Zum Gedenken an ihren Geburtsort gab sie 2001 gemeinsam mit Oskar Wolf das Buch »Lindenfeld in Galizi­en« heraus. Dann erfolgte dort 2003 die Einweihung eines weiteren Denkmals. Auch an dem 2006 eröffneten Denk­mal in der früheren deutschen Kolonie Reichenbach war sie maßgebend beteiligt.Daneben begleitete Sieglinde die vom galiziendeutschen Hilfskomitee und der Landsmannschaft Weichsel­Warthe durchgeführten Studienreisen in die ostgalizischen Sied­lungsgebiete mit Kontaktaufnahme zu den dort entstande­nen »Deutschen Gesellschaften«, mit Besuchen verschiede­ner ukrainischer Schulen und danach auch von Universitäten in Lemberg, Ivano­Frankivsk (Stanislau) und Ternopil. Die im Gegenzug eingeladenen ukrainischen Schüler wurden gleichfalls von ihr bei ihren Aufenthalten und Rundreisen in der Bundesrepublik betreut, auch die eingeladenen uk­rainischen Professoren, Deutschlehrer, Kommunalpoliti­ker und Germanistikstudenten 2). Sieglinde nahm auch teil an der Arbeit des Konvents der zerstreuten evangelischen Ostkirchen, war auch Mitglied des Ostkirchenausschusses und Heimatkreisvertreterin für Galizien innerhalb der Lands­mannschaft Weichsel Warthe, an deren Veranstaltungen sie gleichfalls regelmäßig teilnahm: So wurde sie eine der bekanntesten Persönlichkeiten der alten Heimat, und die Landsmannschaft ehrte sie 2004 wegen ihres unermüdli­chen Einsatzes durch Verleihung des Dr. Kurt Lück­Preises. Alle, die sie kannten, trauern um sie und werden sie in eh­render Erinnerung behalten. Erich Müller

1) Sieglinde Hexel: Einweihungsfeier des Gedenksteines auf dem Dornfelder Friedhof am 4. Juni 2000. Jahrbuch Weichsel-Warthe 2002, S. 153

2) Rudolf Mohr: Schüleraustausch, ein wichtiger Beitrag zur Völkerverstän-digung. Jahrbuch Weichsel-Warthe 2007, S. 84

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Redaktionsschluß für Nr. 3 (Mai/Juni) ist Dienstag, der 2. Mai 2016

Bestelländerungen für Blickpunkt Galizien – Das heilige Band und Zeitweiser, Verwaltung der Adressen und Geburtstagslisten: Dr. Christine Freitag, Badener Str, 13a, 12623 Berlin, Telefon: 030­56 70 21 40, E­Mail: [email protected] der Publikationen des Hilfskomitees: Hans Schwarzwälder, Goldenstedter Weg 3, 28197 Bremen, Tel. (0421) 69 69 71 63,E­Mail: [email protected]: Dr. Christofer Zöckler, Kirchweg 40, 14129 Berlin,Tel. (0 30) 20 14 31­78 oder ­77 (Privat), E­Mail: christotz@t­online.deDruck: Chr. Killinger GmbH, Tübinger Straße 24, Postfach 2023,72710 Reutlingen, Tel. (0 71 21) 34 88 66, Fax (0 71 21) 34 88 99.Herausgeber und Verlag: Hilfskomitee der Galiziendeutschen e. V. c/o Ruthild Schalla, Saumweg 19, 70192 Stuttgart, Tel. (07 11) 2 57 81 79. Bankverbindung: Postbank Stuttgart 204 70702 (BLZ 600 100 70)IBAN: DE93 6001 0070 0020 4707 02Angaben für Auslandsüberweisungen: Postbank Stuttgart SWIFT/BIC PBNKDEFFSchatzmeister: Hans Steinmann, Im Weiber 21, 65812 Bad Soden, Tel. (0 61 96) 56 17 53, E­Mail: steinmann­hmc@t­online.de (zuständig für Bezugsgebühren und Spenden).Bezugsgebühr: € 40,– jährlich (im Mitgliedsbeitrag enthalten)Internetadresse: www.galizien-deutsche.de, Redaktion Internet: I. Steinmann, [email protected]

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Am 29. März 2015 besuchte unsere Korrespondentin mit ei­ner Lemberger Reisegruppe unter Führung von Hans­Chris­tian Heinz u. a. einen deutschen Soldatenfriedhof. Beide berichteten über die Exkursion; den Anfang des Textes von H. Heinz lasen Sie im Heft 3/2015, die angekündigte Fort­setzung entfi el bislang ebenso wie der Bericht von Oksana R. Sie berichtete damals: »Auf halbem Wege (zwischen Rehdorf/Sarniwka und dem ehem. deutschen Ehrendorf) besuchten wir den deutschen Sammelfriedhof aus dem II. Weltkrieg im Dorf Potelytsch; eine Kriegsgräberstätte, wo deutsche Sol daten ruhen. Man liest denkwürdige Worte von Albert Schweitzer (s.Abb.) und folgende Mahnung auf der Tafel: »Gedenkt der deutschen Soldaten und der Opfer aller Kriege; ihre Schicksale mahnen zur Versöhnung.«

Korrespondentin Oksana Romanyschyn (Lviv) berichtet

Weihe des Soldatenfriedhofes in SawadkaAnfang November 2015 wurde eine neu erforschte und wie­der aufgearbeitete Gedenkstätte für Gefallene des 1. Welt­krieges eingeweiht. Auf dem Soldatenfriedhof für Gefallene fand im Dorf Sawadka, Kreis Skole, im ukrainischen Galizi­en eine Messe für die Toten statt. Dem Trauergottesdienst wohnten viele Geistliche verschiedener Konfessionen bei. Daran nahmen auch staatliche Vertreter, nationale Gesand­te (Konsule aus Polen, Ungarn), Vertreter gesellschaftlicher Organisationen (Ungarisch­Ukrainische Freundschaft, Pol­nisch­Ukrainische Freundschaft), religiöser Gemeinschaf­ten, Bewohner der Gegend teil.Der 1. Weltkrieg war vor 100 Jahren zu Ende. Die größte Schlacht fand hier in Galizien, in den ukrainischen Karpa­ten, statt. Hier waren viele unbekannte Soldaten gefallen; im Dorf Sawadka liegen die Soldaten von fünf Nationalitäten.Dank der Lwiwer Gesellschaft für Ungarisch­Ukrainische Freundschaft sind die Gräber der Gefallenen aufgearbeitet worden. Am Rande des Dorfes Sawadka befi ndet sich die Gedenkstätte für die Soldaten des österreichisch­ungari­schen Heeres und ihrer Verbündeten, die auf dem Territori­um des Dorfes gefallen sind. Es waren die tapferen Kämpfer der deutschen, tschechischen, ukrainischen, ungarischen, polnischen und anderer Nationen.Das Gebirge Klywa war Zeuge der blutigen Kämpfe zwi­schen Russen und Österreichern, der Berg Klywa voll von Blut. Noch in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhun­derts konnte man hier Schanzen, Gewehre, Handgranaten und Patronen fi nden. Der Soldatenfriedhof ist einer der größten in den Karpa­ten. Insgesamt ruhen hier ca. 3000 Soldaten: 1422 der Deutschen Armee, 1333 der Russischen Armee, 248 der Österreichisch­Ungarischen Armee, 53 Ungarn. Der Militär­friedhof wurde neu angelegt. Wir Nachkommen sollen alle

zeitUng Des Hilfskomitees Der galizienDeUtscHen e.V.

Hilfskomitee der Galiziendeutschen e.V. c/o R. Schalla, Saumweg 1970192 Stuttgart, PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt.

gefallenen Soldaten im Gedächtnis behalten und den größ­ten Soldatenfriedhof in den Karpaten weiter pfl egen. Solche Gedenkstätten für die Gefallenen mahnen an die Sinnlosig­keit des Sterbens meist junger Menschen und möchten ih­nen ihre Würde zurückgeben. Der Soldatenfriedhof erinnert an ein dunkles Kapitel der europäischen Geschichte, das nie vergessen werden darf.Kontakt: Oksana Romanyschyn – Nedova Petschera 36/30 – 79038 Lviv, Ukraine / Tel: 0038-0 - 32 - 271-82-22

»Die Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens«

(Albert Schweitzer)

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Soldatenfriedhof Potelytsch