bauchdeckentumor mit bandstellung der kerne

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(Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Rostock.- Direktor: Prof. Dr. W. Fischer.) Bauchdeckentumor mit Bandstellung der Kerne. Von Dr. Karl Hille. Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 27. April 1926.) Durch Lauche und Krumbein ist die Frage nach der Natur und Histo- genese der Tumoren mit ,,Bandstellung der Kerne" erneut aufgeworfen und durch die Theorie des rhythmischen Wachstums mesodermalen Ge- schwulstgewebes in ein neues Licht geriickt worden. Die Geschichte der Forschungen fiber diese Geschwiilste ist vielfaeh ausfiihrlich mit Anfiihrung fast aller einsehli~gigen Arbeiten, aber trotz- dem kaum erschSpfend und klar, beschrieben worden (Verocay, Wallner, Frei/eld). Sie nimmt ihren Ausgang yon der Neuromlehre. Der Uber- sichtlichkeit halber werden die geschichtliehen Daten am besten in 3 Perioden eingeteilt, die teilweise ineinandergreifen, abet jede von einem vorwiegenden Gesichtspunkte beherrscht wird. Die erste Periode, etwa yon 1803 bis 1898 zu reehnen, kniipft sieh an die Namen Odier, Virchow, v. Recklinghausen und Knauss. 1803 beschrieb, meines Wissens als erster, Odier ein ,,Neurom"; er bezeichnete damit eine Geschwulst im wesentlichen allein nach ihren 5rtlichen Beziehungen zum Nervensystem, ohne die Histologie und Histogenese zu berfick- siehtigen. In der Folge wurden jedoch fiir die weiteren Beobachter histologische und histogenetische Gesichtspunkte ffir die Beurteilung und Klassifizierung dieser Tumoren bestimmend. Die Deutung der mannigfachen mikroskopisehen Befunde geschah bald in dem Sinne, dab es sich um Wucherung echten Nervengewebes, also ektodermale Tumoren, handle, bald in der Auffassung, dab eine fibr6se, also mesoder- male Geschwulst vorl~ge. Die wesentlichen Arbeiten zu dieser Frage lieferten Virchow, v. Recklinghausen und Knauss. Virchow schied die Nerventumoren in wahre (eehte nerv6se, d. h. ektodermale), in falsche (fibr6se, d.h. mesodermale) und gemisehte Neurome. v. Recklinghausen (1882) stand im wesentliehen auf dem Boden der mesodermalen Theorie und hatte mit seinen Ausfiihrungen solchen Erfolg, dab Knauss (1898) Zeitschrift ftir Krebsforschung. 28. Bd. 27

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Page 1: Bauchdeckentumor mit Bandstellung der Kerne

(Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Ros tock . - Direktor: Prof. Dr. W. Fischer.)

Bauchdeckentumor mit Bandstellung der Kerne. Von

Dr. Karl Hille.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 27. April 1926.)

Durch Lauche und Krumbein ist die Frage nach der Natur und Histo- genese der Tumoren mit ,,Bandstellung der Kerne" erneut aufgeworfen und durch die Theorie des rhythmischen Wachstums mesodermalen Ge- schwulstgewebes in ein neues Licht geriickt worden.

Die Geschichte der Forschungen fiber diese Geschwiilste ist vielfaeh ausfiihrlich mit Anfiihrung fast aller einsehli~gigen Arbeiten, aber trotz- dem kaum erschSpfend und klar, beschrieben worden (Verocay, Wallner, Frei/eld). Sie nimmt ihren Ausgang yon der Neuromlehre. Der Uber- sichtlichkeit halber werden die geschichtliehen Daten am besten in 3 Perioden eingeteilt, die teilweise ineinandergreifen, abet jede von einem vorwiegenden Gesichtspunkte beherrscht wird.

Die erste Periode, etwa yon 1803 bis 1898 zu reehnen, kniipft sieh an die Namen Odier, Virchow, v. Recklinghausen und Knauss. 1803 beschrieb, meines Wissens als erster, Odier ein , ,Neurom"; er bezeichnete damit eine Geschwulst im wesentlichen allein nach ihren 5rtlichen Beziehungen zum Nervensystem, ohne die Histologie und Histogenese zu berfick- siehtigen. In der Folge wurden jedoch fiir die weiteren Beobachter histologische und histogenetische Gesichtspunkte ffir die Beurteilung und Klassifizierung dieser Tumoren bestimmend. Die Deutung der mannigfachen mikroskopisehen Befunde geschah bald in dem Sinne, dab es sich um Wucherung echten Nervengewebes, also ektodermale Tumoren, handle, bald in der Auffassung, dab eine fibr6se, also mesoder- male Geschwulst vorl~ge. Die wesentlichen Arbeiten zu dieser Frage lieferten Virchow, v. Recklinghausen und Knauss. Virchow schied die Nerventumoren in wahre (eehte nerv6se, d. h. ektodermale), in falsche (fibr6se, d .h . mesodermale) und gemisehte Neurome. v. Recklinghausen (1882) stand im wesentliehen auf dem Boden der mesodermalen Theorie und hat te mit seinen Ausfiihrungen solchen Erfolg, dab Knauss (1898)

Zeitschrift ftir Krebsforschung. 28. Bd. 27

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das g~nzliche Fehlen yon VerSffentlichungen fiber echte Neurome sei~ der 35 echte Neurome zusammenstellenden Arbeit von Courvoisier (1886) auf Recklinghausens Arbeit zurfickffihren zu mfissen glaubte. Knauss selbst t-rat nun erneu$ warm ffir das Vorkommen echter Nerventumoren ein.-- Es muI~ bier betont werden, dab die y o n ihm geschilderten und in dieser Zeit umstr i t tenen ,,paraUelfasrigen Biindel" keinerlei Kern- b~ndstellung aufwiesen; es handelt sieh offenbar um ganz andere Bilder als bei den Kernbhndern, die sp~terhin fiir die histologische Diagnose solehe Bedeutung erlangt haben.

Die Zweite Periode umfal~t die Jahre 1892--1925; sie ist eng ver- knfipft mi t den Namen v. Hippel, Veq'ocay und Frei/eld. 1892 hat~en v. Hippel zum ersten Male ein neues Monient in die Forschung der Ner- ventumoren gebracht: die sogen~nnte , ,Bandstellung" der Kerne. Diese gab Verocay (1908 und 1910) Veranlassung, eine neue ektodermale Ur- sprungstheorie aufzustellen: er leitete die Nerveutumoren yon den Sehwannschen Zellen ab und gab ihnen den Namen ,,5[eurinome". Diese Auffassung fand solche Anerkennung, dab zum Tefl die Begriffe Neu- rofibromatose und Neurinomatose identifiziert wurden (Wallner). Der Widerspruch war relativ gering (Harbitz, Kau/mann, Ribbert u.a .) . Eine wesentliche Unterstfi tzung wurde Verocay durch die Arbeit von Frei[eld (1914) zutefl. Diese Autorin ging aus yon der Forschung der vorwiegend malignen, solit~ren Sympathoblas tome (Lit. Frei[eld, Ehrlich-Derman); sie fand gutartige Tumoren, in deneu Kernb~nder radi/ir um ein zentrales Gef/~B angeordnet waren, und glaubte, in diesen Geschwfilsten das Bindeglied der verschiedenen ektodermalen Nerventumoren sehen zu mfissen. - - Ausgehend yon den Verocaysehen Befunden bei den mul- t iplen Gesehwfilsten der Neurofibromatose hat man dann auch bei soli- t~iren Tumoren die Kernbandstel luug allein als beweisend ffir ein Neu- rinom, d. h. einen ektodermalen Tumor angesehen (Askanazy, Antoni). Die sonstigen Kriterien der Verocaysehen Geschwiilste: multiples Auf- treten, zweifelsfreie Beziehungen zum Nervensystem uud Gelbf/irbung der Fibrillen (bei F/~rbung nach van Gieson) zwischen den Kernreihen wurden dabei vSllig unberiicksichtigt gelassen, weft zweifelsfreie meso- dermale Cesehwfilste mit Kernbandstel lung nicht bekannt waren (As- kanazy).

Die dritte Periode yon 1925 ab ist charakterisiert durch die Nameu yon JLauche und Krumbein. G/inzlich befriedigt hat te Verocay8 Theorie nie, so dal~ Kau]mann 1922 sagen mu6te, weitere Untersuchungen und Beobachtungen seien nStig. Diese erfolgten im letzten Jahre in den Ar- beiten yon Lauehe und Krumbein. Sie gingen aus yon dem neu erhobenen Befund (Prym), dal~ Kernb/inder auch in Tumoren zweifellos mesodermalen Ursprungs (Myomen, Sarkomen) vorkommen. Askanazy hat 1914 noeh daran festgehalten, dab bis dahin soiche Kernbandstel iung lediglieh in

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solchen Tumoren v o r k o m m t , die ek tode rma le n Ursp rungs sind, wenn auch die ZugehSr igke i t manche r dieser Geschwfi ls te zu den Neurof i - b r o m e n schwer e r k e n n b a r ist . Wei t e rh in wurden Beziehungen zum GefEflsystem e n t d e k t . Diese g~nzlich neuen Befunde gaben Lauche und Krumbein Veranlassung, die K e r n b a n d s t e l l u n g generel l als A u s d r u c k e i n e r W a c h s t u m s f o r m mesodermalen Geschwuls tgewebes aufzufassen.

W i r s tehen d a m i t e iner neuen Anschauung gegent iber , die zweifel- ]os aul~erordentl ich viel fi ir sich ha t . T ro t zdem k a n n m a n es noch n ichf ffir s icherges te l l t e rachten , dab diese Theorie genereUe Bedeufung h a l und somi t die M6gl ichkei t auch andere r E n t s t e h u n g der Ke rnb / inde r ausschliel~t. Ehrlich-Derman h a b e n als einzige b i sher die neuen An- s ich ten erw/ihnt und nehmen eine durchaus abwar t ende , jedenfa l l s keineswegs zus t immende H a l t u n g ein. Sie wollen auch wei te rh in die l e tz tverSf fen t l i ch ten Tumoren , die den , , ~ b e r g a n g s f o r m e n " zwischen S y m p a t h o b l a s t o m e n u n d Ncur inomen im Sinnc yon Frei]eld entsprechen , als e k t o d e r m a l e n Ursp rungs aufgefaBt wissem U n t e r diesen U m s t ~ n d e n scheinen wei tere B e o b a c h t u n g e n auch j e t z t erforderl ich.

Wh ' h a t t e n Gelegenhei t , e inen So l i t~ r tumor der Bauchdecken zu un te r suchen , der K e r n b a n d s t e l l u n g aufwies. E r sei im fo lgenden kurz beschr ieben :

Die klinische Beobachtung, fiir de ren Mi t t e i lung wir H e r r n Dr. Brewitt- Lfibeck zu D a n k verpf l i ch te t sind, e rgab fo lgendes :

Ein etwa 50jahriger Mann bemerkte seit 2 Monaten eine Schwellung in der linken Bauchseite. Allgemeinbefinden und Appefif lieBen zu wiinschen iibrig. Die Diagnose wurde mit Wahrscheinlichkeit auf einen Tumor der Bauehfaseie gestellt. Bei der Operation lieB sich die - - unfen eingehend geschilderte - - Ge- schwulst in toto entfernen. Das Gewebe, innerhalb dessen sie lag, war 5demat6s geschwollen. Die Heilung erfolgte per primam. 14 Tage nach der Operation wurde eine energische Bestrahlung angeschlossen. Am 18. III . 1926, 4Monate nach dem Eingriff, war das Allgemeinbefinden des Kranken ausgezeichnet; die Narbe war reaktionslos; der Patient hatte an Gewicht zugenommen und tibte seinen Beruf wieder ungestOrt aus.

Die pathologisch-anatomische Untersuchunff ergab makroskopisch einen 170 g schweren, 10 cm langen, 5 em breiten und 4 cm hohen, ovoiden Tumor yon blaB- grau-gelblicher, leicht transparenter Farbe. Die Konsistenz ist ziemlieh lest; Erweichungen und Nekrosen finden sich nirgends. Die Oberfl~tche ist teicht ge- weUt, im ganzen aber glatt. Die eine H~lfte isf bedeckt mit einer 4 mm dicken, lockeren, gegen den Tumor m~l~ig verschieblichen Bindegewebskapsel, die an der anderen ~[~lfte offenbar dureh den operativen Eingriff verloren ist. Ein Stiel mit grSi~eren Gef~Ben oder ein Nerveneintritt in den Tumor ist nirgends festzu- stellen. Auf dem Durchsehnitt dureh die Geschwulst erkennt man, dab sie aui]en begrenzt ist yon einer 1/2 bis 2 mm dieken Bindegewebslage, die eng mit dem Ttlmorgewebe verbunden ist und sich nicht abl0sen laBt. Von dieser Kapsel ziehen weiBliche, leicht prominente Faserziige von 1--3 mm Breite ganz unregelmal3ig angeordnet in das Innere und teilen das eigentliche Tumorgewebe in fiinfpfennig- his dreimarksttiekgroBe Partien, die den gewellten Charakter der 0berfl~che be- dingen. In diesem weiI~en Fasergewebe linden sieh vereinzelt erbsen- bis bohnen-

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grol3e glattwandige Cysten mit glasigem Inhalt. Das Geschwulstgewebe selbst, hellgrau-gelb, ist festfa~erig; die Oberfl/~che des Schnittes ist rein gek6rnt.

Die mi]~roskopische Betrachtung bietet ein wechselvolles Bild. Die Geschwulst- kapsel besteht aus dickfascrigcm Bindegewebe, das nicht scharf begrenzt ist, sondern in kleinen~ sich auffasernden Ziigen in das eigentliche Tumorgewebe hineinreieht. :Daneben entsendet das Kapselgewebe brcitc Fasern, entsprechend den makroskopisch beschriebenen weil~lichen Ziigen, in das Innere des Tumors. ]:)as eigentliche Geschwulstgewebe ist reich an Fasern und Kernen. I)ie Kerne sind lang, spindelig, quergetroffen kreisrund; Kernk6rperchen und Kernteilungs.

Abb. :[.

figuren sind nicht nachzuweisen, ebenso keine Verzerrungen der Kerne und keine Fetttr0pfchen. Entsprechend dcn nach allen Richtungen sich durchflechtenden Fasern sind auch die Kerne bald 1/s bald schr/~g, bald quer getroffen. Innerhalb dieses Grundgewebes sieht man, mehr in den inncren als in den /~uBeren Partien des Tumors, mit Lupenvergr6i3erung fleckf6rmige, traubcn/ihnliche Kernan- h/~ufungen. Jedes dieser ,,Tr~ubchen" l/il~t sich schon bei dieser schwachen Ver- grSl3erung in meist 2 bandfSrmige Kernreihen mit dazwischenliegender kernloser Fasersubstanz auflSsen. Makroskopisch dihffte dieser histologischcn Einheit die feine Granulierung der Schnittfl~che entsprechen. Bei st~trkerer und st/~rkster VergrSl3erung erkennt man, dab jedes dieser ,,Kernb/inder" wieder aus 2 bis 3 l~eihen parallel dicht nebeneinanderliegcnder 1/~nglicher, spindeliger, senkrecht zur L~ngsachse der B/~nder stehender Kerne besteht. Zwischen je 2 solchen Kern- b/~ndern liegt eine, der Breite der Kernb/~nder ungef~hr entsprechende kernlose Partie, die eine feinfibrill~tre Struktur zeigt. Die Fibrillen verlaufen meist ge- streckt, seltener geschwungen oder zwiebelschalenartig. In der Regel sind nicht

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mehr als 2 parallele Kernb/~ndcr an eincr Stellc zu sehcn; nur selten kommt ein 3. hinzu, und dieses ist dann erheblich schlechter ausgebildet. Die Kernb/inder verlaufen meist einigermal~en geradc, sclten winklig abgeknickt, sehr seltcn bogen- f6rmig oder geschwungen - - etwa Kreissektoren vergleichbar; hier stehen die Kerne dann, besonders in dem kleineren Kernband, das - - um den Vergleich fort- zusetzen - - mehr dem Kreismittelpunkt zu hegt, oft facherf6rmig angeordnet. Die Richtung der Kernbander in den verschiedenen, traubenf6rmigen Kernband- fibrilleneinheiten ist auBerordentlich wechselvoll und regellos. Sichere Beziehungen der Kernbiinder zu den elasticaarmen Gefi~Ben sind nicht nachweisbar. Im Gegen- teil liegen die zahlreichen, meist sehr kleinen Gef&13e vorwiegend in den kernband- losen Teilen des Tumors. - - Die van Gieson-F~rbung hebt dam kapsulare und strangftirmige, ins Innere des Tumors ziehende Bindegewebe schSn leuchtend rot hervor. Die Fibrillenstrcifen zwischen den Kernbi~ndern sind ebenfalls rot, wenn auch weniger intensiv gefi~rbt. Die Mallory-F~rbung zeigt diese Streifen leuchtend blau und last an den kernbandfreien Stellen besonders schSu reticul&res Binde- gewebe erkennen. Nervenfasern und Ganglienzellen sind nirgends nachweisbar; ebenso ist das Ergebnis der Fettf~rbung negativ.

Als .Diagnose crgibt sich: An spindeligen Zellen reicher, mesodermaler, faserigcr Tumor (,,Fibrosarkom") mit eigenartiger, nicht gleichmallig fiber die ganzc Ge- schwulst verteilter ,,Bandstellung" der Kerne.

Nach friiherer Anschauung, ohne K e n n t n i s der neucn Arbe i ten yon Lauche u n d Krumbein, h/tt ten auch wir, wie seinerzeit Askanazy, die Diagnose auf Neurofibrom, resp. Neur inom (Verocay) stellen miissen. Denn die Ke rnbands t e l l ung war bisher nu r in 3, n ich t scharf vonein- ander ge t renn ten Geschwulstformen, die fast a l lgemein als echte Nerven- wucherungen, also ektodermaler Herkunf t , gal ten bekann t , n~mlich:

1. Dem klassisehen, mul t ipe l au f t r e t enden Neur inom (Verocay); 2. Dem Sympathoblas tom, resp. dessert , ,Ubergangsform" zum Neu-

r inom (Frei]eld). 3. Dem solit~ren, kernbandha l t igen , ebenfalls als Neur inom bezeich-

ne t en Tumor (Askanazy, Antoni u. a. m.). Den beiden e r s tgenann ten Geschwiilsten entspr icht der yon uns

beobaehte te Tumor n ich t : Das Sympathoblastom, resp. dessert ,,!:)ber- gangsform" zum Neur inom (Frei/eld) hat zwar dieselben f/irberischen Eigenschaf ten und Kernbands t e l l ung aufzuweisen. Aber die radi/ire A n o r d n u n g der Kernb~inder um ein Gefhf3, die Rose t t en und Ganglien- zellen, schlielMich die mehr ovoide Zellform dieser Tumor e n fehlen in unserer Geschwulst. Das klassische h'eurinom (Verocay) wiederum zeigt i iberwiegend gleiche Fa rb reak t ionen und ebenfalls Kernb/ inder . Ande- rerseits weist es offenkundige Beziehungen zum Nervensys tem auf, k a n n bisweilen Ganglienzel len - - oft in groBer Zahl - - en tha l t en ; seine zwi- schen den Kernb / inde rn gelegenen Fibr i l len sind gelb gef~rbt, und die Zahl der paral lelen Kernb/ inder ist re la t iv groB ; alle diese Momente fehlen

unserem Tumor . Ganz anders verb/fit es sich mi t der d r i t t en Gruppe, den solit/iren,

ke rnbandha l t i gen Geschwiilsten. I h n e n fehlen auBer tier K e r n b a n d -

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stellung alle ftir das klassische Neurinom (Verocay) charakteris$isehen, eben zusammengestellten :Eigenschaften; lediglich wegen der eigen- artigen Kerns te l lung werden sie zu den Neurinomen gerechnet. Von dieser Geschwulstform 1Kf3t sich unser Tumor in keiner Weise abgrenzen; die auffallende Ahnlichkeit besonders mit der von Askanazy beschrie- benen Geschwulst macht die ldent i t~t zur Gewil3heit.

Seit der crsten Beschreibung dieser letztgenannten Geschwtilste be- stehen auch die Zweifel, ob sie ektodermalen oder mcsodermalen Ur- sprungs sind. Gar zu vie1 Grtinde sprechen gegen die ektodermale Theorie : es fehlen jegliche offenkundigen Beziehungen zum Nervensystem, es feh- len Ganglienzellen. Niemals konnten echte Nervenfasern naehgewiesen werden. Ganz unbefriedigend blieb die Auffassung, dab die Kernbgnder durch quere Teilung der Kerne entstanden wi~ren (l)urante-Francini); niemals konnte dieser Kernteilungsmodus nachgewiesen werden (Lauche). Sehlieglich spraeh aueh die rote Fgrbung der Fasern naeh van Gieson gegen die ektodermale Genese. Mit dem Augenblick aber, wo das einzige bisher fiir die Abs tammung vom Nervensystem ffir entscheidend geltende Krite- rium, die Kernbandstellung, auch in zweifelsfrei mesodermalen Tumoren nachgewiesen werden konnte, mugte daher die ektodermale Ursprungs- theorie fallen. Der Nachweis dieser eigenartigen Kernstellung in Myomen und Sarkomen ist in den Arbeiten yon Lauche und Krumbein, wie dureh die Untersuchungen yon Prym gebracht. Somit steht unseres Erachtens nichts im Wege, diese solitdren Kernbandtumoren, und damit aueh die bei uns beobachtete Gesehwuls~, als mesodermale Geschwfilste aufzufassen.

Eine andere weitere Frage legt uns jedoch unser Tumor vor: werden die Kernb~inder in den mesodermalen Geschwiilsten immer durch rhyth- misches Wachstum,, um oder an Gefii.Ben entlang zu erkl~ren sein ? Die yon Lauche und Krumbein besehriebenen, unserm Tumor in allen anderen Punkten ~nalogen Fhlle erscheinen restlos im bejahenden Sinne aufge- kl~irt. Bei unsrer Untersuehung hat sich eine zweifelsfreie Beziehung der Kernb~inder zum GefiiBsystem nicht ergeben. I m Gegenteil liegen die GefiiBe zum g r S I ~ n Teil aui3erhalb der Kernbandfiguren im Tumor- resp. Bindegewebe. Auffallend ist auch, dab wir stets nur 2, h6ehstens 3 Kernb~nder parallel laufend gefunden haben, w~thrend in den meisten sonst verSffentlichten F~i]len, viel]eicht mit Ausnahme derer yon As- kana~y, welt mehr parallele Reihen gefunden worden sind. Somit ist in unserm Tumor die Erkl~rung der Kernbandbildung dureh ,,ryhth- misches Wachstum infolge enger Beziehung zum Gef~iBsystem" sehr un- wahrscheinlich; andrerseits ist es vorerst aber auch nicht mSglich, eine andere Erklgrung fiir die Genese der Kernbhnder unsrer Geschwulst zu geben. Jedenfalls ist die Forderung von Lauche und Krumbein, die die Beziehungen der Kernb~nder zum Gefiif3system als wesentliche Stfitzung der mesodermalen Theorie der Kernbandtmnoren betrachten, nicht er-

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fiillt. Und dennoch besteht ffir uns nach dem oben Gesagten kein Zweifel an der mesenchymalen Abkunft unsefes Tumors, um so mehr, als wir keine Beweise fiir die ektodermale Abstammung aufweisen konnten, und auch keinerlei anderweitigen, etwa klinischen Befunde, darauf hinweisen kSnnten, dab hier etwa eine , ,versteckte" Form der Recklinghauscnschcn Krankhci t vorl/~ge.

Diese Tatsache kann yon prinzipieller Bedeutung sein! Denn Kern- b/~nder ohne Beziehungen zum Gef/if3system wurden bisher nur in Sympathoblas tomen und verSdeten Wurmfortsi~tzen gefunden; Lauche und Krumbein bezeichnen sie als , ,Pseudobandstellung". Diese Befunde konnten der generellen Bedeutung der Laucheschen Theorie keinen Abbruch tun, weft auch zahlreiche andere Erscheinungen der Sym- pathoblas tome die Wesensverschiedenheit von den , ,Tumoren mit echter Kernbandstel lung" bewiesen; als solehe echte Kernbandtumoren gelten ffir Lauche alle iibrigen Kernbandtumoren mit Ausnahme eben der Sympathoblastome. In unscrm Falle handclt es sich aber um eine Geschwulst, die in allen Erscheinungen den echten , ,Kernband- tumoren" Lauches gleicht, nur daf~ die Beziehungen zum Gefhf~system fehlen. Danach ist aber die genereUe Bedeutung der Bedeutung der Laucheschen Auffassung fiir alle , ,echten" Kernbandtumoren nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wir mfissen vielmehr zu der Annabme gelangen, dab die Lauchesche Theorie eine Erkl/irungsmSglichkeit unter mehreren fiir die , ,echten" Kernbandtumoren darstellt. I s t aber die ursSchliche Bedeutung des , ,rhythmischen Wachstums" nicht stets und ohne Aus- nahme vorhanden, so liegt auch kein stichhaltiger Grund vor, daran fest- zuhalten, dal~ es sich bei den ,,echten" Kernbandtumoren immer um mesodermale Bildungen handeln miisse.

Aus diesem Grunde scheint es uns nicht berechtigt zu sein, fiir alle F~lle eine ektodermale Matrix der ,,echten" Kernbandtumoren abzu- lehnen. Mindestens fiir die Sympathoblastome hat das Geltung; selbst Lauche und Krumbein geben das auf Grund ihrer Erkl/irung dcr formalen Genese dieser Tumoren zu, die v o n d e r Erkl/irung der iibrigen ,,echten" Kernbandtumoren wesentlich verschieden ist. Ferner ist zu erw/ihnen, daf~ die ,,echten" Kernbandtumoren untereinander erhebliche Unter- schiede und zum Teil Befunde aufweisen, die sich einer generellen meso- dermalen Theorie nur sehr schwer unterordnen und einfiigen lassen. Hierher gehSren folgende Befunde:

1. Die au$crordcntlich wcchsclnden Beziehungen der Kernband- tumoren zum Nervensystem. Bei der Recklinghausenschen Krankhei t sehen wir die meist multiplen Tumoren in engstem Zusammenhange mit den peripheren Nerven ; bei den weitaus meisten solit~tren ,,echten" Kern- bandtumoren ist i iberhaupt kein Zusammcnhang mit einem Nerven nach- weisbar. Lauche und Krumbein gehen vorwiegend yon solchen solit~ren

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Geschwiilsten aus ; diese Befunde auf die mult iplen Tumor e n der Reck- l inghausensehen K r a n k h e i t zu i ibertragen, geht n ich t ohne weiteres an. Lauches Unte r suchungen bei echter Reckl inghausenseher K r a n k h e i t s ind n ich t zahlreich genug, um beweisend zu sein, da die Befunde so aui~erordentlich wechselnd sind, dab z. B. viele Auto ren hierbei eben die K e r n b a n d s t e l l u n g i ibe rhaupt n ich t gefunden haben.

2. Der Befund yon , ,Ganglienzel len", die oft in grof~er Anzahl in den K e r n b a n d t u m o r e n gefunden werden, ist einer Erkl/~rung durch die Lauchesche Theorie ganz unzug/~nglich. Gerade in den F~llen, in denen sic in groBen Mengen gefunden werden, ist es mindes tens sehr wahr- scheinlich, dal] diese gewucher ten Zellen tats~chlich ektodermaler N a t u r waren. Aber auch in den Tumoren , in denen , ,Ganglienzel len" in ge- r ingerer Zahl vo rhanden sind, erscheint die Erk l~rung recht gezwungen, dab sie n u t eine rein passive l~olle spielen sollen.

3. Schlie/3lich mfissen die Befunde erw/ihnt werden, in denen die zwi- sehen den Kernb/~ndern liegerlden Fibr i l len nach van Gieson nich t rot, son- dern gelb gef~rbt sind. Das scheint ebenfalls dafSr zu sprechen, dab diese Fase rn demnaeh nieht mesodermaler N a t u r sind. Allerdings k a n n bezwei- felt werden, ob m a n auf diese f~rberischen Kr i te r ien immer viel geben darf.

So erscheint das Problem der K e r n b a n d t u m o r e n noch immer n icht rest- los befriedigend gelSst. Zwcifellos haben uns die Anschauungen yon Lauche und Krumbe in einen groBen Schri t t vorw/irts gebracht. Zur restlosen K1/i- rung gehSrt in A n b e t r a c h t der au[3erordentlich wcchselnden t~efunde abet eine grof~e Reihe weiterer Beobaehtungen, die auch die kl inischen Erschei- n u n g e n der Tumoren , ihre Gut- resp. BOsartigkeit, sch/irfer erfassen als bisher.

Literatur. 1) Antoni, tJber Riickenmarkstumoren und Neurofibromc. Mfinehen-~'ics-

baden 1920. - - ~) Askanazy, Arb. a. d. pathol. Institut zu Tiibingen 9. 1914. - - 3) Courvoisier, Die :Neurome. Basel 1886. - -Durante , Rev. neurol. 18. 1906 usf.; zit. nach 10. - - 4) Ehrlich-Derman, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 258. 1925. - - 5) Francini, I Nevromi; zit. nach 10. - - 6) Frei/eld, Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. 60. 1914. - - 7) Harbitz, Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. 62. 1916. - - s) v. Hippel, Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 2. - - 9) Kau/. mann, Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie. 7./8. Aufl. Bd. II, S. 1568ff. 1922. - - 10) Knauss, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 153. 1898. - - 11) Krumbein, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 255. 1925. - - 1~) Lauche, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 257. 1925 und Zentralbl. f. allg. Pathol. u. pathol. Anat. 36. - - la) Odier, Manuel de M4decine Pratique. Geneve 1803. - - 14) Prym, zit. nach 12. - - 15) v. Reclclinghausen, Uber die nmltiplen Fibrome der tIaut und ihre Bcziehungen zu den mu]tiplen :Neuromen. Berlin 1882. - - 1~) Ribbert, Geschwulstlehre. S. 140. 1 9 1 4 . - 17) Verocay, Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. 48. 1910. - - is) Virchow, Die krankhaften Geschwiilste. ]II. Bd., 1. Hi~lfte. Berlin. - - 19) Wallner, Virchows Arch. I. pathol. Anat. u. Physiol. 23~. 1922.