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Außerschulische Lernorte im Geschichtsunterricht
Geschichtstag Aurich03. März 2011
Prof. Dr. Dietmar von ReekenÜberarbeitete Fassung (07.03.2011): um Literaturangaben ergänzt und (aus
Urheberrechtsgründen) weitgehend ohne Bilder
Zum Einstieg
Geschützter pädagogischer Raum
Keine „Störungen“ von außen
Didaktisch vorstrukturierte Materialien, die Lernen möglich machen/erleichtern (Gestaltete „Lernumgebung“)
►Also: Warum überhaupt die Schule verlassen?
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Definitionsfragen
Was ist Lernen an „außerschulischen Lernorten“? ► Begriffsvielfalt:
Realbegegnung
unmittelbare Begegnung
Lernen außerhalb des Klassenzimmers
Originale Begegnung
Regionales Lernen …
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Definitionsfragen
Historisch: Forderungen vor allem in der Ära der Reformpädagogik; Grundmotive:
Heimatorientierung
Lebensnähe
Anschauung
Selbsttätigkeit der Schüler …
► Kritik an der „lebensfernen“ Schule, Konsequenz: Öffnung von Schule
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Didaktische Legitimation
Vorteile/Erwartungen:
Verknüpfung von (gesellschaftlicher, natürlicher etc.) Wirklichkeit und schulischem Unterricht („authentische“Situationen)
Anschauungen ermöglichen (nicht nur „Abbilder“ von Realität oder nur „Reden über …“)
Selbsttätigkeit ermöglichen …
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Didaktische Legitimation
Vorteile/Erwartungen:
… mehrere Sinne sind beteiligt
Entdeckendes/forschendes Lernen
handlungsorientiertes Lernen
emotionale/soziale Erfahrungen
►Neugier, Interesse, Motivation fördern
►bessere Behaltensleistungen (?)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Bedingungen und Probleme
Außerschulisches Lernen …
ist sinnvoll, wenn das Umfeld für die Lernerfahrung konstitutiv ist
ist sinnvoll bei komplexen Sachverhalten, deren Komplexität Schülern deutlich werden soll
ist nur sinnvoll, wenn der jeweilige Ort für die Lernenden auch zugänglich und durchschaubar ist
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Bedingungen und Probleme
Außerschulisches Lernen …
profitiert von der Aufgabe der 45-Minuten-Häppchen
muss nüchtern im Hinblick auf die Aufwand-Nutzen-Relation betrachtet werden
bedarf der intensiven Vor- und Nachbereitung in der Schule (auch empirisch nachgewiesen)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Bedingungen und Probleme
Außerschulisches Lernen …
bedeutet für die Lehrkräfte meist eine höhere Belastung, bringt aber auch Gelingenserfahrungen mit sich
Literatur (hier nur ein kleines Beispiel – hierzu gibt es relativ umfangreiche Literatur):
Manfred Bönsch: Unterrichtsmethodik für außerschulische Lernorte, in: http://www.schullandheim.de/dokumente/slh_boensch_methodik.pdf (07.03.2011)
Als Beispiel für eine empirische Untersuchung:
Pascal Guderian: Wirksamkeitsanalyse außerschulischer Lernorte. Der Einfluss mehrmaliger Besuche eines Schülerlabors auf die Entwicklung des Interesses an Physik. Diss. rer. nat. Berlin 2007 (http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/guderian-pascal-2007-02-12/PDF/guderian.pdf (07.03.2011)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Geschichtsunterricht
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Allgemeine Diskussionen über außerschulische Lernorte meist fokussiert auf …
Natur/wissenschaft
Technik
Wirtschaft/Arbeitswelt
►Geschichte??
Geschichtsunterricht
Geschichtsdidaktische Argumentation: Beispiel Günther-Arndt 2007/10
Literatur:
Hilke Günther-Arndt: Umrisse einer Geschichtsmethodik, in: Dies. (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 9-24
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Erkundender Geschichtsunterricht
Merkmale:
Verlassen der Schule (unterschiedliche Ziele)
Begegnung mit originalen Quellen
Geschichtskulturelle Realerfahrungen
► Aber: unterschiedliche Schwerpunkte, je nach Lernort
Literatur:
Hilke Günther-Arndt: Erkundender Geschichtsunterricht, in: Dies. (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 119
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Erkundender Geschichtsunterricht
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Geschichtskulturelle Realerfahrungen:
Begegnung mit geschichtskulturellen Einrichtungen, die Geschichte „machen“ (Relikte bewahren, Geschichte darstellen/präsentieren, Geschichte diskutieren, Geschichte erforschen …)
Begegnung mit geschichtsgesättigter (lokaler) Umwelt (Gebäude, Straßennamen, Denkmäler, historisch engagierten Menschen etc.)
Erkundender Geschichtsunterricht
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Begegnung mit originalen Quellen:
nicht nur Quellen, die im Schulbuch abgedruckt sind, sondern Originale „aus der Geschichte“
►Authentizität, „Aura“
sinnliche Erfahrungen, vielfältigere Lernmethoden (vor allem bei gegenständlichen Quellen), Förderung der Imaginationsfähigkeit
Erkundender Geschichtsunterricht
Allerdings:
Curriculare Verankerung dieses zentralen Lehr-/Lernkonzepts des Geschichtsunterrichts leider immer noch recht mager (Grundlage: Analyse der aktuellen Kerncurricula in Niedersachsen für die verschiedenen Schulformen/stufen: nur marginale Erwähnung!)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: Differenzierungen
Erste Unterscheidung: Erreichbarkeit
Exkursionen/Klassenfahrten(„Feiertagsunterricht“): Geschichte lernen, Heft 113, 2006: Klassenfahrten
Lernorte „vor Ort“(alltäglich)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: DifferenzierungenLiteratur:
Ulrich Mayer: Historische Orte als Lernorte, in: Ders. u.a. (Hrsg.): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2004, S. 389-407
Ulrich Baumgärtner: Historische Orte, in: Geschichte lernen 106, 2005, S. 12-18
Dietmar von Reeken: Gegenständliche Quellen und museale Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2003, S. 137-150
Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München: Geschichte vor Ort. Anregungen für den Unterricht an außerschulischen Lernorten. Handreichung für den Geschichtsunterricht am Gymnasium, Donauwörth 1999
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: Differenzierungen
Zweite Unterscheidung: Lernortcharakter
Nicht-institutionell
Institutionell
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: Differenzierungen
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Nicht-institutionelle Lernorte:
Gebäude (Burgen, Kirchen, Rathäuser, Fabriken, Wohnsiedlungen …)
Straßen, Wasserwege
Denkmäler
Landschaften
usw.
prinzipiell aus allen historischen Epochen
Lernorte: Differenzierungen
Nicht-institutionelle Lernorte: Merkmale
Offenheit der Situation, Lernort ist nicht für Lernprozesse vorstrukturiert
mitten im Leben – Störungen vorprogrammiert
zeigen Bedeutung von „Geschichte“ in der Alltagswelt
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: Differenzierungen
Nicht-institutionelle Lernorte: Merkmale
zeigen historische Objekte an „ihrem Ort“, ermöglichen räumliche Erfahrungen
andere Unterrichtsvorbereitung: keine Experten vor Ort, sondern eigene, forschende Anstrengungen von Schülern und Lehrern („Lokalkompetenz“ von Lehrkräften erforderlich)
► Es ist überall viel mehr da, als man denkt …
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernorte: Differenzierungen
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Institutionelle Lernorte: Merkmale
Lernorte sind „auf Schüler eingestellt“
Institutionelle Rahmenbedingungen beachten (Öffnungszeiten, Anmeldungen, Verhaltensvorschriften …)
Vorabsprachen der Lehrkraft sinnvoll (professionelle Experten sind vor Ort vorhanden)
►Vier Formen
Lernort Archiv
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
meist Stadt- oder Staatsarchive in erreichbarer Nähe zur Schule
verfügen über zahlreiche originale Dokumente (vor allem Textquellen, aber auch Fotos, Karten, Pläne, Ansichtskarten, Filme usw.)
keine „Selbsterkundung“ durch Schüler möglich
Lernort Archiv
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
keine „normalisierten“ (geglätteten, gekürzten, sprachlich vereinfachten, kommentierten) Texte, sondern Originale
Quellen enthalten häufig weitere Spuren von Authentizität
fördern durch die notwendige Entschlüsselung von Schriften und das Aufspüren unbekannter Zusammenhänge eine detektivische/forschende Haltung
Lernort Archiv
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Archive erlauben durch ihren lokalen/regionalen Sprengel eine Historisierung der lokalen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler► Anknüpfung an …
bekannte Gebäude
bekannte Straßenzüge/namen
bekannte Personennamen usw.
Lernort ArchivLiteratur:
Thomas Lange, Thomas Lux: Historisches Lernen im Archiv, Schwalbach/Ts. 2004
Günther Rohdenburg: Archiv. Verstaubt sind nur die Regale, in: Lothar Dittmer, Detlef Siegfried (Hrsg.): Spurensucher. Ein Praxisbuch für die historische Projektarbeit. Überarb. u. erw. Neuaufl. Hamburg 2005, S. 45-64
Thomas Lange: Archivarbeit, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2004, S. 446-460
Jürgen Kessel: Geschichte im Archiv, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 128-133
Lernort Archiv, in: Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München: Geschichte vor Ort. Anregungen für den Unterricht an außerschulischen Lernorten. Handreichung für den Geschichtsunterricht am Gymnasium, Donauwörth 1999, S. 163-200
Internetseiten zur Erleichterung der Archivarbeit (vor allem zum Erlernen von Schrift):
http://www.adfontes.uzh.ch/1000.php (07.03.2011)
http://www.genealogy.net/slp/ (07.03.2011)
http://www.suetterlinschrift.de/ (07.03.2011)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernort Bibliothek
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Fachdidaktisch bislang „tabula rasa“!!
Sonderfall: Originale Quellen spielen nicht so eine große Rolle wie in den anderen Lernorten
eher: systematische Recherche nach Geschichtsdarstellungen (Kinder- und Jugendbücher, Heimat-/regionale Literatur, fachwissenschaftliche Literatur)
Literatur:
Uwe Reimer: Im Labyrinth der Bibliotheken, in: Lothar Dittmer, Detlef Siegfried (Hrsg.): Spurensucher. Ein Praxisbuch für die historische Projektarbeit. Überarb. u. erw. Neuaufl. Hamburg 2005, S. 29-44
Lernort Museum
Unterschiedliche Typen geeignet:
Historische Museen
Heimatmuseen
Freilichtmuseen
Kunstmuseen
Technikmuseen
Völkerkundliche Museen
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernort Museum
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Vorteile:
Authentizität/Aura der (meist gegenständlichen) Objekte
Vorbereitung für Lehrer möglich, weil Objekte bekannt
Objekte bereits kontextualisiert
Museum bietet viele methodische/mediale Möglichkeiten
Professionelle Unterstützung vor Ort
Lernort Museum
Zu beachten:
Objekte isoliert, aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen – Notwendigkeit der Re-Kontextualisierung
Museum präsentiert nicht „die“ Geschichte, sondern eine mögliche Geschichtsdeutung
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernort Museum
Literatur:
Dietmar von Reeken: Gegenständliche Quellen und museale Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2003, S. 137-150
Berit Pleitner: Geschichte im Museum, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 120-127
Bodo von Borries: Präsentation und Rezeption von Geschichte im Museum, in: GWU 1997, S. 337-342
Lernort Historische Ausstellung und Lernort Heimatmuseum, beide in: Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München: Geschichte vor Ort. Anregungen für den Unterricht an außerschulischen Lernorten. Handreichung für den Geschichtsunterricht am Gymnasium, Donauwörth 1999, S. 201-234 und 235-267
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Lernort Gedenkstätte
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Sonderfall eines „zeitgeschichtlichen Museums“ am authentischen historischen Ort!
erwartete Anschaulichkeit (Gaskammern etc.) nicht immer gegeben
aber auch emotionale Überforderung möglich (Ort des Verbrechens, der Trauer, Friedhof)
historisch-politische Bildung zentrales Ziel aller Gedenkstätten
Prof. Dr. Dietmar von Reeken
Unterschiedliche Absichten eines Besuchs:
Verbrechen erforschen
Empathie mit den Opfern
Gedenken
Gedenkstättenentstehung/konzeptionuntersuchen
Lernort Gedenkstätte
Literatur:
Meik Zülsdorf-Kersting: Gedenkstättenarbeit, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 142-147
Außerschulische Lernorte im GU: Fazit
Vernetzungen von Lernorten nutzen, z. B.
Denkmal -> Archiv-/Bibliotheksrecherche zur Entstehung
historisches Ensemble -> Modell/Pläne in Heimatmuseum oder Bibliothek
dauerhafte Kooperationen mit den institutionellen Lernorten vor Ort aufbauen (Kontakte verstetigen, Austausch über Erfahrungen/Bedingungen im Kollegium, Wünsche an Institutionen melden usw.)
Prof. Dr. Dietmar von Reeken