alopecia areata; alopecia areata;

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Hautarzt 2013 · 64:806–809 DOI 10.1007/s00105-013-2576-3 Online publiziert: 2. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 V. von Felbert · H.F. Merk Univ.-Hautklinik Aachen, RWTH Aachen Alopecia areata Das Krankheitsbild der Alopecia area- ta ist seit über 2000 Jahren bekannt. Als Erstbeschreiber gilt Cornelius Cel- sus (ca. 30 v. Chr.). Der Begriff der Alo- pecia areata geht auf Sauvages zu- rück, der ihn erstmals in den 1760 veröffentlichten Nosologia Medica verwendete [19]. Die Alopecia areata ist heute eine der häufigsten Autoim- munerkrankungen. Allein in den USA sind etwa 5 Mio. Menschen betroffen [5, 9]. Die Prävalenz ist abhängig von ethnischen Einflüssen und wird auf 0,1–0,2% weltweit geschätzt; 1,7% aller Menschen können im Laufe ihres Lebens von dieser Erkrankung betrof- fen sein [9]; 0,7–3,0% aller Patienten, die einen Dermatologen aufsuchen, leiden an einer Alopecia areata [9]. Die Alopecia areata (AA) manifestiert sich erstmalig bei vergleichsweise jungen Pa- tienten: 44% sind jünger als 20, 66% jün- ger als 30 Jahre und nur 30% älter als 40. Die meisten Patienten sind zwischen 15 und 29 Jahre alt [9, 5]. Das Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln, ist um 16% erhöht. Dazu zählen Autoim- munerkrankungen wie Schilddrüsen- erkrankungen (8–28%), Vitiligo (4–9%) und Lupus erythematodes (4,3%), rheu- matoide Arthritis (3,9%), Morbus Crohn (6,3%) und Typ-I-Diabetes (11,1%; [5, 8]). Ein weiterer Risikofaktor für AA ist die Atopie. So fand sich in einer Gruppe von 2613 AA-Patienten bei 39% eine atopische Diathese [3]. Auch wird ein gleichzeitiges atopisches Ekzem als prognostisch un- günstiger Faktor angesehen [4]. Die AA ist für die betroffenen Patien- ten mit einer erheblichen psychischen Belastung assoziiert, so werden Depres- sionen bei 25,5% aller Patienten beobach- tet [8]. Klinik Klinisch manifestiert sich die AA durch den plötzlichen Haarausfall in umschrie- benen kreisrunden Arealen normaler Haut. Dieser Haarausfall muss nicht auf den behaarten Kopf beschränkt bleiben, sondern kann auch andere Areale ein- schließlich Wimpern und Augenbrauen erfassen. Die AA ist Folge einer Entzün- dungsreaktion, die nicht mit einer Nar- benbildung einhergeht. Unter den bei der AA auftretenden „Ausrufezeichenhaaren“ versteht man im Randbereich der Läsio- nen auffallende Haare, die sich wegen der gestörten Keratinisierung nach unten hin verjüngen. Weiße Haare werden meist von der Krankheitsaktivität ausgespart. Die AA kann sich zu einer AA tota- lis mit völligem oder fast völligem Verlust der Kopfbehaarung ausweiten. Bei der AA universalis kommt es zusätzlich zum Verlust der Körperbehaarung. Beglei- tend können Nagelveränderungen auftre- ten (Tüpfelnägel, Querrillen und Aufrau- ungen der Nagelplatte). Differenzialdia- gnostisch sollten vor allem eine Tricho- tillomanie, eine Alopecia syphilitica, ein Lupus erythematodes, eine Mykose oder eine postfebrile Alopezie ausgeschlossen werden. Gelegentlich ist bei chronischen Herden auch eine Abklärung vernarben- der Formen der Alopezie sinnvoll. Pathophysiologie Das Konzept einer Autoimmunpathoge- nese der AA ist in den letzten Jahren we- sentlich durch Tiermodelle, vor allem die C3H/HeJ-Maus und die „Dundee experi- mental bald rat“ (DEBR) sowie Genom- assoziationsstudien validiert worden [17, 20]. Ein wesentlicher Aspekt ist der Ver- lust des „immunologischen Privilegs“ des Haarfollikels im Bereich der AA. Im ge- sunden Haarfollikel wird die Expression von Oberflächenmolekülen unterdrückt, die für die Autoantigenpräsentation not- wendig sind. Dazu zählen MHC-Klasse-I- und -Klasse-II- sowie ICAM-1-Oberflä- chenmoleküle [5]. In den AA-Herden werden diese Moleküle dagegen expri- miert. Damit sind Wechselwirkungen mit immunkompetenten Zellen wie CD-8- positiven T-Zellen möglich [5]. Melano- zyten und Melanogenese-assoziierte Pro- teine gelten als potenzielle Autoantigene [6]. Diese Hypothese wird auch dadurch gestützt, dass vor allem die Pigment-pro- duzierenden Haarfollikel im Stadium III– VI der Anagenphase betroffen sind [5]. Schließlich bestehen Hinweise, dass auch das Pigmentepithel der Retina mit be- troffen sein kann [22]. Allerdings sind die Melanozyten im AA-Herd nur in be- grenztem Umfang betroffen, und es fin- den sich auch keine Alterationen an Mela- nozyten außerhalb der Läsionen. Zudem können auch weißhaarige Mäuse eine AA entwickeln, sodass offensichtlich ein kom- plexerer Zusammenhang besteht [2]. In einem neuen transgenen Maus- modell verfügen C57BL/6J-Mäuse über CD8 + -Zellen mit einem definierten T- Zell-Rezeptor. Diese Lymphozyten ent- wickeln eine hohe Spezifität für Haar- follikel. Dadurch entsteht schon früh ein erheblicher Haarausfall, der in eine AA universalis mündet [2]. Die Erkrankung kann durch diese T-Lymphozyten über- tragen werden und ist MHC-Klasse-I-ab- hängig. Die pathologischen T-Lymphozy- ten exprimieren neben IFN-γ in der frü- hen Phase auch IL-17, danach verstärkt IL-4 und IL-10 [2]. Vielleicht wird es die Kenntnis des reaktiven T-Zell-Rezeptors in diesem Modell erlauben, die zur Auto- immunreaktion führende antigene Struk- tur zu charakterisieren. Der Bezug zu IL- 17 produzierenden T-Lymphozyten ist 806 | Der Hautarzt 11 · 2013 Leitthema

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Page 1: Alopecia areata; Alopecia areata;

Hautarzt 2013 · 64:806–809DOI 10.1007/s00105-013-2576-3Online publiziert: 2. November 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

V. von Felbert · H.F. MerkUniv.-Hautklinik Aachen, RWTH Aachen

Alopecia areata

Das Krankheitsbild der Alopecia area-ta ist seit über 2000 Jahren bekannt. Als Erstbeschreiber gilt Cornelius Cel-sus (ca. 30 v. Chr.). Der Begriff der Alo-pecia areata geht auf Sauvages zu-rück, der ihn erstmals in den 1760 veröffentlichten Nosologia Medica verwendete [19]. Die Alopecia areata ist heute eine der häufigsten Autoim-munerkrankungen. Allein in den USA sind etwa 5 Mio. Menschen betroffen [5, 9]. Die Prävalenz ist abhängig von ethnischen Einflüssen und wird auf 0,1–0,2% weltweit geschätzt; 1,7% aller Menschen können im Laufe ihres Lebens von dieser Erkrankung betrof-fen sein [9]; 0,7–3,0% aller Patienten, die einen Dermatologen aufsuchen, leiden an einer Alopecia areata [9].

Die Alopecia areata (AA) manifestiert sich erstmalig bei vergleichsweise jungen Pa-tienten: 44% sind jünger als 20, 66% jün-ger als 30 Jahre und nur 30% älter als 40. Die meisten Patienten sind zwischen 15 und 29 Jahre alt [9, 5]. Das Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln, ist um 16% erhöht. Dazu zählen Autoim-munerkrankungen wie Schilddrüsen-erkrankungen (8–28%), Vitiligo (4–9%) und Lupus erythematodes (4,3%), rheu-matoide Arthritis (3,9%), Morbus Crohn (6,3%) und Typ-I-Diabetes (11,1%; [5, 8]). Ein weiterer Risikofaktor für AA ist die Atopie. So fand sich in einer Gruppe von 2613 AA-Patienten bei 39% eine atopische Diathese [3]. Auch wird ein gleichzeitiges atopisches Ekzem als prognostisch un-günstiger Faktor angesehen [4].

Die AA ist für die betroffenen Patien-ten mit einer erheblichen psychischen Belastung assoziiert, so werden Depres-sionen bei 25,5% aller Patienten beobach-tet [8].

Klinik

Klinisch manifestiert sich die AA durch den plötzlichen Haarausfall in umschrie-benen kreisrunden Arealen normaler Haut. Dieser Haarausfall muss nicht auf den behaarten Kopf beschränkt bleiben, sondern kann auch andere Areale ein-schließlich Wimpern und Augenbrauen erfassen. Die AA ist Folge einer Entzün-dungsreaktion, die nicht mit einer Nar-benbildung einhergeht. Unter den bei der AA auftretenden „Ausrufezeichenhaaren“ versteht man im Randbereich der Läsio-nen auffallende Haare, die sich wegen der gestörten Keratinisierung nach unten hin verjüngen. Weiße Haare werden meist von der Krankheitsaktivität ausgespart.

Die AA kann sich zu einer AA tota-lis mit völligem oder fast völligem Verlust der Kopfbehaarung ausweiten. Bei der AA universalis kommt es zusätzlich zum Verlust der Körperbehaarung. Beglei-tend können Nagelveränderungen auftre-ten (Tüpfelnägel, Querrillen und Aufrau-ungen der Nagelplatte). Differenzialdia-gnostisch sollten vor allem eine Tricho-tillomanie, eine Alopecia syphilitica, ein Lupus erythematodes, eine Mykose oder eine postfebrile Alopezie ausgeschlossen werden. Gelegentlich ist bei chronischen Herden auch eine Abklärung vernarben-der Formen der Alopezie sinnvoll.

Pathophysiologie

Das Konzept einer Autoimmunpathoge-nese der AA ist in den letzten Jahren we-sentlich durch Tiermodelle, vor allem die C3H/HeJ-Maus und die „Dundee experi-mental bald rat“ (DEBR) sowie Genom-assoziationsstudien validiert worden [17, 20]. Ein wesentlicher Aspekt ist der Ver-lust des „immunologischen Privilegs“ des Haarfollikels im Bereich der AA. Im ge-

sunden Haarfollikel wird die Expression von Oberflächenmolekülen unterdrückt, die für die Autoantigenpräsentation not-wendig sind. Dazu zählen MHC-Klasse-I- und -Klasse-II- sowie ICAM-1-Oberflä-chenmoleküle [5]. In den AA-Herden werden diese Moleküle dagegen expri-miert. Damit sind Wechselwirkungen mit immunkompetenten Zellen wie CD-8-positiven T-Zellen möglich [5]. Melano-zyten und Melanogenese-assoziierte Pro-teine gelten als potenzielle Autoantigene [6]. Diese Hypothese wird auch dadurch gestützt, dass vor allem die Pigment-pro-duzierenden Haarfollikel im Stadium III–VI der Anagenphase betroffen sind [5]. Schließlich bestehen Hinweise, dass auch das Pigmentepithel der Retina mit be-troffen sein kann [22]. Allerdings sind die Melanozyten im AA-Herd nur in be-grenztem Umfang betroffen, und es fin-den sich auch keine Alterationen an Mela-nozyten außerhalb der Läsionen. Zudem können auch weißhaarige Mäuse eine AA entwickeln, sodass offensichtlich ein kom-plexerer Zusammenhang besteht [2].

In einem neuen transgenen Maus-modell verfügen C57BL/6J-Mäuse über CD8+-Zellen mit einem definierten T-Zell-Rezeptor. Diese Lymphozyten ent-wickeln eine hohe Spezifität für Haar-follikel. Dadurch entsteht schon früh ein erheblicher Haarausfall, der in eine AA universalis mündet [2]. Die Erkrankung kann durch diese T-Lymphozyten über-tragen werden und ist MHC-Klasse-I-ab-hängig. Die pathologischen T-Lymphozy-ten exprimieren neben IFN-γ in der frü-hen Phase auch IL-17, danach verstärkt IL-4 und IL-10 [2]. Vielleicht wird es die Kenntnis des reaktiven T-Zell-Rezeptors in diesem Modell erlauben, die zur Auto-immunreaktion führende antigene Struk-tur zu charakterisieren. Der Bezug zu IL-17 produzierenden T-Lymphozyten ist

806 |  Der Hautarzt 11 · 2013

Leitthema

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wiederum sowohl unter dem Aspekt einer Autoimmunreaktion wie auch möglicher neuer therapeutischer Targets interessant [25]. Interessanterweise wurde kürzlich bei Koreanern eine Assoziation zwischen dem IL17A/IL17RA-Gen-Polymorphis-mus und der AA gefunden [11].

D Die Alopecia areata tritt in 10–25% der Fälle familiär gehäuft auf.

Dabei scheint es sich um eine polyge-ne Vererbung zu handeln. Es wurde aber auch eine Konkordanz bei eineiigen Zwil-lingen beobachtet [4]. Das familiäre Vor-kommen ermöglichte bislang 2 genom-weite Assoziationsstudien („genome-wide association studies“, GMAS) mit je-weils unterschiedlicher Methodik [12, 18]. Auch diese Untersuchungen unterstützen die Annahme einer Autoimmunpathoge-

nese der AA, weil verschiedene betroffene Genloci auch bei anderen Autoimmuner-krankungen gefunden wurden (u. a. bei rheumatoider Arthritis, Typ-I-Diabe-tes, Morbus Crohn, Lupus erythemato-des, multipler Sklerose, Psoriasis; s. [17, 18]). Auch Assoziationen mit bestimm-ten HLA-Genotypen bestätigten frühere Beobachtungen einer HLA-Assoziation [9]. Darüber hinaus wurden auch assozi-ierte Genloci für typische Strukturen des Haarfollikels gefunden. Dazu zählt STX17 (Chr. 9q31.1). Die STX-Gene bilden Syn-taxine, deren Funktion aber bislang nicht näher bekannt ist. Es wurde aber eine Be-deutung von STX17 für die Entstehung von grauen Haaren bei Pferden gesehen, was möglicherweise einen Hinweis auf die Beziehung zur Depigmentierung bei AA bietet [9].

Als erste genauer untersuchte Ziel-struktur für mögliche neue Therapie-optionen erwies sich das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen 4 (CTLA4; [10, 17]). Seine normale Funk-tion ist die Inhibition der T-Zell-Akti-vierung, da es die Bindung von CD28 (T-Lymphozyten) an CD80/86 (Antigen-prä-sentierende Zelle) verhindert. Durch Bin-dung von CTLA4 an ein humanes IgG1 entsteht ein lösliches Fusionsprotein, das Abatacept, das an CD80/86 bindet und be-reits zur Therapie der rheumatoiden Ar-thritis Verwendung findet [14]. Nach Vor-untersuchungen an den bereits erwähnten C3H/HeJ-Mäusen wird seit August 2013 eine klinische Studie zur Erprobung von Abatacept bei moderater bis schwerer Alopecia areata durchgeführt ([21]; Cli-nical Trials.gov; http://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01917058?term=Alope-cia+areata&rank=10).

Therapie

Die Ausprägung der Krankheitsaktivi-tät ist meist wegweisend für die Langzeit-ergebnisse. Leichte Formen der AA kön-nen spontan abheilen. Die Häufigkeit von Spontanremissionen wurde von verschie-denen Autoren mit 34–80% innerhalb von einem Jahr angegeben [13]. Daher sollte bei leichteren Formen diskutiert werden, ob man auf eine therapeutische Inter-vention verzichtet. In Abhängigkeit vom Schweregrad der AA sollten verschiedene

Abb. 2 8 Patientin mit Alopecia areata diffusa a vor und b nach der Therapie mit Diphenylcyclopro-penon

Abb. 3 8 Patientin mit Alopecia areata diffusa a vor und b nach der Therapie mit Diphenylcyclopro-penon

Abb. 1 8 Patientin mit Alopecia areata totalis. a Ansprechen zu Beginn, b während und c nach der Di-phenylcyclopropenon-Therapie

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Therapiealternativen mit ihren möglichen Nebenwirkungen und in der Literatur be-schriebenen Abheilungsraten mit dem Pa-tienten erörtert werden.

D Das Rezidivrisiko ist hoch.

In einer Langzeitbeobachtung wurden Patienten, die zwischen 1983 und 1990 in einer Universitätshautklinik behan-delt wurden, nach ihrer Selbsteinschät-zung zur Beschwerdefreiheit der AA be-fragt. Zum Zeitpunkt der Erhebung im Jahr 2005 gaben 68% der initial leicht be-troffenen Patienten (<25% der Kopfbe-haarung), 32% der mittelschwer betroffe-nen (initial 26–50% Verlust der Kopfbe-haarung) und nur 9% der schwer Betrof-fenen (51–75% Haarverlust) sowie 7% der sehr schwer Betroffenen (76–99%) und 9% der Patienten mit AA totalis an, be-schwerdefrei zu sein [23].

Bei stärkerem Verlust der Kopf- oder Körperbehaarung besteht meist ein hoher Leidensdruck, sodass man eine Behand-lung einleiten sollte. Folgende Aspekte sind bei der Entscheidung für ein Thera-pieschema zu berücksichtigen:FKrankheitsbeginn,FProgredienz,FGrad des Haarausfalls,Fder Nachweis eines Ophiasistyps,FDauer des Bestehens der AA,Fzusätzliches atopisches Ekzem [3, 4].

Zur Evaluation des Schweregrades kann der SALT („Severity of Alopecia Tool“)-Score [15] verwendet werden. Im klini-schen Alltag praktikabler ist es, den Haar-verlust nach der Größe der betroffenen Kopfoberfläche zu quantifizieren. Dabei werden in der Literatur milde Verlaufs-formen einem Verlust der Kopfbehaa-rung von <25% zugeordnet. Schwere For-men bestehen ab einem Verlust von mehr als 50% der Kopfhaare.

Die üblicherweise zur Verfügung ste-henden Behandlungsoptionen sind in .Tab. 1 aufgelistet. Die oben beschrie-benen neuen grundlagenwissenschaftli-chen Erkenntnisse haben noch nicht zu neuen Behandlungsstrategien geführt, die durch klinische Studien validiert sind. Die Leitlinien der Britischen Gesellschaft für Dermatologie aus dem Jahr 2012 emp-fehlen bei milden Formen die Applika-

tion potenter topischer Glukokortikoi-de sowie intraläsionaler Glukokortikoi-de [13]. Bei schweren Verlaufsformen, da-runter der Alopecia areata totalis (AT) oder universalis (AU), ist eine lokale Im-muntherapie mit Diphenylcyclopropenon (DPCP) evidenzbasiert am wirksamsten ([13]; .Abb. 1).

Die Wirksamkeit der lokalen Kon-taktimmuntherapie ist mit Abheilungsra-ten von bis zu 78% nach 32 Monaten in der Literatur gut dokumentiert [26]. Al-lerdings kam es bei 62% der Patienten zu einem Rezidiv nach erfolgreicher Behand-lung [26]. Zudem waren die Ansprechra-ten bei Patienten mit einer AT/AU we-sentlich geringer. In unserem Patienten-gut mit AT/AU oder Haarverlust über 50% beobachten wir Abheilungsraten von über 60% (.Abb. 1). Rezidive wer-den bei den Patienten häufig durch akut belastende Ereignisse wie Autounfälle, Todesfälle in der Familie, Prüfungen oder schwierige Arbeitsplatzsituationen ausge-löst. Bei einer Patientin, die auf der Auto-bahn in eine Verfolgungsjagd eines Kri-minellen durch die Polizei geraten war, kam es innerhalb einiger Tage zu einem großflächigen Verlust der Kopfbehaarung (.Abb. 2a, .Abb. 3a). Unter der loka-len Immuntherapie mit DPCP wuchsen die Haare wieder gut nach (.Abb. 2b, .Abb. 3b).

Begleitende Erkrankungen und Man-gelzustände – wie Hashimoto-Immunthy-reoiditis mit Hypothyreose, Eisen-, Zink- und Vitamin-B12- oder Folsäuremangel – sollten behandelt werden.

Therapiealternativen

Es gibt verschiedene Alternativen zu den oben genannten Therapien, die aber bis-her kaum in großen Fall-Kontroll-Studi-en oder Kohortenstudien von hoher Qua-lität untersucht wurden. Sie gelten daher eher als Therapien der 2. Wahl. Dazu zäh-len lokale Behandlungsoptionen wie Mino-xidil, Bexaroten, Psoralen plus UVA (PU-VA), die photodynamische Therapie (PDT) oder der 308-nm-Excimer-Laser. Weiterhin kann die systemische Gabe von Sulfasala-zin, Cyclosporin, Methotrexat, Azathioprin und der Biologicals Alefacept und Efalizu-mab erwogen werden [7, 16, 1]. Einige die-ser Präparate befinden sich aktuell in klini-

schen Prüfungen. Als zukünftige Kandida-ten für klinische Therapiestudien wurden unter anderem Anti-CD25, Anti-CTLA-4, Jak-1/2-Inhibitoren, Anti-NKG2D, Syk-Inhibitoren, Anti-IL-15, Anti-IL-6, Anti-IFN-γ, Anti-TAP2, Anti-IL-1, Anti-IL-17 und Anti-PDE4 diskutiert [7].

Fazit für die Praxis

FDie Alopecia areata ist eine familiär gehäuft auftretende Autoimmuner-krankung. 

Zusammenfassung · Abstract

Hautarzt 2013 · 64:806–809DOI 10.1007/s00105-013-2576-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

V. von Felbert · H.F. MerkAlopecia areata

ZusammenfassungEpidemiologische Studien wie auch tierexpe-rimentelle Modelle und genomweite Assozia-tionsstudien haben die Einordnung der Alo-pecia areata als familiär gehäuft auftretende Autoimmunerkrankung bestätigt. Aus den Er-kenntnissen über die beteiligten Gene resul-tieren neue potenzielle therapeutische Ziel-strukturen wie CTLA4. Ein vielversprechendes neues Agens, Abatacept, befindet sich zur-zeit in der klinischen Prüfung. Gegenwärtig werden vor allem topische und intraläsiona-le Glukokortikoide sowie die Immuntherapie mit dem Kontaktallergen Diphenylcyclopro-penon angewendet.

SchlüsselwörterAbatacept · IL-17 · Diphenylcyclopropenon · Glukokortikoide · Autoimmunerkrankung

Alopecia areata

AbstractThe epidemiology of alopecia areata as well as murine models of this disease and ge-nome-wide association studies support the concept of alopecia areata as an autoimmune disease. In addition, the genome-wide asso-ciation studies have led to the identification of new potential therapeutic targets such as CTLA4; these results have already led to the initiation of clinical studies, for example, with abatacept. Currently topical and intralesion-al corticosteroids as well as immunotherapy with diphenylcyclopropenone are most com-mon therapeutic approaches.

KeywordsAbatacept · IL-17 · Diphenylcyclopropenone · Corticosteroids · Autoimmune diseases

808 |  Der Hautarzt 11 · 2013

Page 4: Alopecia areata; Alopecia areata;

FDerzeit kommen therapeutisch vor al-lem topische und intraläsionale Glu-kokortikoide sowie die Immunthera-pie mit dem Kontaktallergen Diphe-nylcyclopropenon zum Einsatz.

FAus den Erkenntnissen über die betei-ligten Gene resultieren neue poten-zielle therapeutische Zielstrukturen wie CTLA4. 

FEin neues Agens, Abatacept, befindet sich zurzeit in der klinischen Prüfung.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. H.F. MerkUniv.-Hautklinik Aachen, RWTH AachenPauwelsstr. 30, 52074 [email protected]

Tab. 1  Behandlungsmöglichkeiten bei Alopecia areata

Topische Glukokortikoide der Klasse III–IV (z. B. Mometasonfuroat, Betamethason, Clobetasol)

– 1- bis 2-mal/Tag Applikation als Tinktur, Schaum oder Creme

– Cave: Langzeitnebenwirkungen von topischen Glukokortikoiden

Intraläsionale Glukokortikoide (z. B. Triamcinolonacetonid)

– Kristallsuspension 1:2–1:5 verdünnt mit einem Lokalanästhetikum

– Intradermale Applikation alle 2 bis 6 Wochen mittels Spritze oder Dermojet

– Cave: Atrophie des Unterhautgewebes und der Haut, Katarakt/intraokulärer Druckanstieg/Erblin-dungsgefahr bei Applikation im Bereich von Augen, Schläfen oder vorderem Scheitelbereich

Topische Reiztherapie mit Dithranol

– 1-mal/Tag Minutentherapie, Beginn mit 1%iger Konzentration für die Dauer von 10 min, anschlie-ßend abwaschen. Es sollte eine lokale Reizung (Erythem, Pruritus) der Haut ausgelöst werden

– Bleibt eine toxische Kontaktdermatitis der Haut aus, zunächst Steigerung der Einwirkzeit bis auf 30 min. Anschließend Steigerung der Konzentration bis auf 3%

– Cave: Braunverfärbung von Wäsche und Haaren möglich

Topische Therapie mit Tretinoin

– 1- bis 2-mal/Tag Applikation von Tinktur oder Creme

– Cave: lokale Reizungen möglich, nicht während der Schwangerschaft anwenden

Topische Immuntherapie mit Diphenylcyclopropenon (DPCP)

– 1-mal/Woche Applikation als Lösung

– Zunächst lokale Kontaktsensibilisierung mit 2%iger Lösung. Nach 2 Wochen Applikation ggf. im Halbseitenvergleich einer niedrigen Konzentration (0,0001%). In wöchentlichen Abständen Steige-rung der Konzentration (0,001%, 0,01%, 0,05%, 0,1%, 0,5%, 1%) bis zur Auslösung eines Kontakt-ekzems (Erythem, Pruritus, evtl. Vesiculae). Behandlung sollte durch Arzt oder geschultes Personal erfolgen

– Cave: Lichtschutz innerhalb der ersten 24 h. Dosisreduktion bei starken lokalen Reaktionen.  Temporäre Lymphadenopathie. Kosmetisch störende Pigmentverschiebungen (Hyper-/Hypopig-mentierungen) möglich

Systemische Zinksubstitution

– 1-mal/Tag Zinkaspartat, Zinksulfat, Zinkorotat p.o.

– Laborkontrolle der Zinkwerte

Systemische Glukokortikoide

– In der Literatur sind unterschiedliche Dosierungen beschrieben

– Erfolgsrate ungewiss, häufig Rezidive nach Absetzen

– 1-mal/Tag 40–60 mg Prednisolon p.o. unter Magenschutz, schrittweise Reduktion

– Cave: Langzeitnebenwirkungen beachten, keine Dauertherapie

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  V. von Felbert und H. Merk ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Alkhalifah A (2011) Topical and intralesional thera-pies for alopecia areata. Dermatol Ther 24:355–363

  2.  Alli R, Nguyen P, Boyd K et al (2012) A mouse mo-del of clonal CD8+ T lymphocyte-mediated alopecia areata progressing to alopecia universalis. J Immu-nol 188:477–486

  3.  Barahmani N, Schabath MB, Duvic M (2009) History of atopyb or autoimmunity increases risk of alope-cia areata. J Am Acad Dermatol 61:581–591

  4.  Freyschmidt-Paul P, Happle R, Hoffmann R (2003) Alopecia areata. Hautarzt 54:713–722

  5.  Gilhar A, Etzioni A, Paus R (2012) Alopecia areata. N Engl J Med 366:1515–1525

  6.  Gilhar A, Landau M, Assy B et al (2001) Melanocy-te-associated T cell epitopes can function as auto-antigens for transfer of alopecia areata to human scalp explants on Prkdcscid mice. J Invest Dermatol 117:1357–1362

  7.  Hordinsky Maria K (2011) Treatment of alopecia areata: „What is new on the horizon?“ Dermatol Ther 24:364–368

  8.  Huang KP, Mullangi S, Guo Y, Qureshi AA (2013) Autoimmune, atopic, and mental health comorbid conditions associated with alopecia areata in the United States. JAMA Dermatol 149(7):789–794

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10.  John KKG, Brockschmidt FF, Redler S et al (2011) Ge-netic variants in CTLA4 are strongly associated with alopecia areata. J Invest Dermatol 131:1169–1172

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809Der Hautarzt 11 · 2013  |