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Technische Universität Berlin Fakultät IV - Elektrotechnik und Informatik Institut für Telekommunikationssysteme Fachgebiet Formale Modelle, Logik und Programmierung Sekr. FR 6-10 Franklinstr. 28/29 10587 Berlin [email protected] Abstraktion in der Abbildungstheorie KIT-Report 157 Berlin, 14. August 2009 Andrea Hillenbrand [email protected] Zusammenfassung Klaus Grue entwickelte mit der Abbildungstheorie eine ma- thematische Fundierung der Informatik, die dieselbe Ausdrucks- stärke besitzt wie die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre, dar- über hinaus aber den konzeptionellen Vorteil bietet, dass sie Pro- gramme im selben Formalismus notiert wie deren Eigenschaften. Diese Ausarbeitung soll zum einen eine illustrierte Einführung in deutscher Sprache liefern, die auf Grues Veröffentlichungen zu diesem Thema basiert und zum anderen die klassische Ab- straktionstheorie auf die Abbildungstheorie anwenden.

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Technische Universität BerlinFakultät IV - Elektrotechnik und InformatikInstitut für TelekommunikationssystemeFachgebiet Formale Modelle, Logik und Programmierung

Sekr. FR 6-10

Franklinstr. 28/29

10587 [email protected]

Abstraktion in der Abbildungstheorie

KIT-Report 157

Berlin, 14. August 2009

Andrea Hillenbrand

[email protected]

Zusammenfassung

Klaus Grue entwickelte mit der Abbildungstheorie eine ma-thematische Fundierung der Informatik, die dieselbe Ausdrucks-stärke besitzt wie die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre, dar-über hinaus aber den konzeptionellen Vorteil bietet, dass sie Pro-gramme im selben Formalismus notiert wie deren Eigenschaften.Diese Ausarbeitung soll zum einen eine illustrierte Einführungin deutscher Sprache liefern, die auf Grues Veröffentlichungenzu diesem Thema basiert und zum anderen die klassische Ab-straktionstheorie auf die Abbildungstheorie anwenden.

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

1 Einführung 1

2 Die Programmiersprache der Abbildungstheorie 3

2.1 Die Syntax von M 3

2.2 Die Semantik von M 5

2.2.1 Applikation bzw. Funktionsanwendung 6

2.2.2 Verzweigung bzw. Fallunterscheidung 6

2.2.3 Parallele Disjunktion 6

2.2.4 Existenz 6

3 Einführung in die Abstraktionstheorie 9

4 Die abstrakte Maschine der Abbildungstheorie 11

4.1 Der M-Computer 11

4.2 Gleichheitskonzepte und Abstraktion 12

4.3 Quartum Non Datur 14

4.4 Elementare Axiome und Inferenzregeln 15

4.4.1 Elementare Axiome 15

4.4.2 Inferenzregeln für die Verzweigung 16

4.4.3 Inferenzregeln für die Applikation 16

4.4.4 Inferenzregeln für die parallele Disjunktion 17

4.4.5 Inferenzregeln für die einfache Existenz 18

4.5 Extensionalität 19

4.6 Scott-Ordnung, Monotonie und Minimalität von Fixpunkten 19

5 Grafische Modellierung der Abbildungstheorie 23

5.1 Bäume als Abbildungen 23

5.2 Primfaktorzerlegung von Abbildungen 25

5.3 Kohärente Abbildungen 25

i

Inhaltsverzeichnis

6 Abstraktion in der Abbildungstheorie 29

6.1 Abstrakte Logiken 29

6.1.1 Syntax und Semantik der abstrakten Logik 30

6.1.2 Abstraktion des Theoriebegriffs 30

6.2 Abstrakte Logik in der Abbildungstheorie 32

6.2.1 Aussagenlogische Operatoren 32

6.2.2 Syntax und Semantik der abstrakten Aussagenlogik 34

Anhang 37

Foliensatz 37

Priorisierung ausgewählter Operatoren 37

Assoziativität ausgewählter Operatoren 38

Literatur 40

Index 41

ii

A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S

Abbildung 2.1 Induktive Struktur der Programmiersprache M 4

Abbildung 4.1 Der M-Computer 11

Abbildung 4.2 Inklusionen der Relationen 14

Abbildung 5.1 Mögliche Blätter in einer grafischen Darstellung 24

Abbildung 5.2 Grafische Darstellung von λv.T 24

Abbildung 5.3 Grafische Darstellung von λv1. if(v1, F, λv2.v2) 24

Abbildung 5.4 Primfaktorzerlegung von λv1.v1 25

iii

Abbildungsverzeichnis

iv

1E I N F Ü H R U N G

Klaus Grue entwickelte mit der Abbildungstheorie1 eine ma-thematisch-fundierte Theorie, auf dem die Informatik als Wis-senschaft von der systematischen Verarbeitung von Informatio-nen aufbauen kann. Sie verbindet die Welt der Programmier-sprachen und informationsverarbeitenden Technologien mit ei-ner klassischen, axiomatischen Theorie, die dieselbe Ausdrucks-stärke wie die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre (ZFC) besitztund somit ihrem Anspruch als mathematisch-fundierte Theo-rie gerecht wird. Jedoch übertrifft die Abbildungstheorie ih-re scheinbar allmächtige Konkurrentin auf dem Gebiet der In-formatik sogar, indem sie eine notationelle und konzeptionelleEinheit der Entwicklung von Programmen und ihrer Verifikati-on bietet, dadurch dass sie Programme im selben Formalismusnotiert wie deren Eigenschaften und sich somit Korrektheitsbe-weise vereinfachen lassen: Mit einem homogenen System kön-nen Programme, Theoreme, Eigenschaften sowie Beweise ausge-drückt werden und dadurch lässt sich der zusätzliche Aufwandzur Übersetzung von prozeduralen Aussagen in die ZFC-Men-genlehre einsparen.

Die Entwicklung der Mathematik wurde in den vergangenenJahrhunderten stetig durch die Naturwissenschaften, insbeson-dere durch die Physik, vorangetrieben, so dass sich mit der ZFC-Mengenlehre ein Axiomensystem herausgebildet hat, das sichin der Denkweise der meisten Mathematiker wiederfinden lässt.Trotz der rasanten Entwicklung der Informatik als Computer-wissenschaft hat sich die Mathematik noch nicht auf deren Be-dürfnisse eingestellt; die Abbildungstheorie stellt eine Mög-lichkeit dar, diese künstliche Grenze aufzuheben und die Infor-matik nahtlos in die Mathematik zu integrieren.

Die Abbildungstheorie basiert auf dem untypisierten Lamb-da-Kalkül mit Urelementen2 (genannt λU) als eine Theorie der Urelementberechenbaren Funktionen. Bislang ist λU die einzige Theorieder berechenbaren Funktionen, für die die Verallgemeinerungzu der oben beschriebenen Mächtigkeit geführt hat. Dabei be-einflusst die Wahl der Urelemente diese Ausdrucksstärke nicht,

1 In den ausschließlich englischen Veröffentlichungen wird diese Abbildungs-theorie genannt. Zwar birgt eine Übersetzung immer die Gefahr einer Bedeu-tungsveränderung, jedoch ist dies hier angesichts der relativ eindeutigen Rück-übersetzung vernachlässigbar vor dem Hintergrund, den Anglizismus einspa-ren zu können.

2 Urelemente sind Elemente von Klassen oder Mengen, die selbst keine Elemen-te enthalten, wie zum Beispiel die leere Menge oder Nichtmengen.

1

einführung

wohl aber steigt die notationelle Komplexität mit der Anzahlder Urelemente an. So fällt die Wahl nicht schwer, True als ein-ziges Urelement in das Axiomensystem zu integrieren. Auf denersten Blick könnte man annehmen, dass die ZFC-Mengenlehreohne Urelemente auskäme und somit der Abbildungstheorie

überlegen wäre, jedoch stellt sich bei genauerem Hinsehen her-aus, dass die ZFC-Mengenlehre mit versteckten Nichtmengenwie dem Begriff der Wahrheit arbeitet und somit keine „reine“Mengenlehre ist.

Diese Ausarbeitung soll einerseits eine mit Beispielen illus-trierte Einführung in deutscher Sprache liefern, die inhaltlichund methodisch auf Grues Veröffentlichungen zu diesem The-ma basiert und andererseits die Abbildungstheorie mit Hilfeder klassischen Abstraktionslehre auf die in diesem Fachgebietvon Philip Zeitz [Zei99] in Anlehnung an John Cleave [Cle91]entwickelten abstrakten Logiken übertragen. Sie entstand im An-schluss an das Projekt Angewandte Logiken, das vom FachgebietFormale Modelle, Logik und Programmierung an der TechnischenUniversität Berlin im Sommersemester 2007 angeboten und vonSebastian Bab und Tina Wieczorek betreut wurde und basiert imWesentlichen auf [Gru01] und [Gru07]. Die didaktische Struktursowie die gewählten Notationen der Abbildungstheorie sindteilweise – aus sicher einleuchtenden Gründen – den erwähntenQuellen entlehnt; die Notation des Lambda-Kalküls entsprichtder üblichen Notation im Fachgebiet, welche die vollständige,normalisierende Reduktionsstrategie (NOR) andeutet.

Klaus Grue stellte die Abbildungstheorie 1992 in [Gru92]vor, verifizierte deren Axiome und Inferenzregeln und zeigteauch, dass diese konsistent in ZFC ist. Zusammen mit Chan-tal Berline wies er in [GB97] nach, dass die Abbildungstheorie

ein natürliches Scott-Modell besitzt. Mit [Gru01] entwickelt ereine umfassende Beschreibung der Abbildungstheorie sowierund 380 KB Beweisschemata für automatische Theorembewei-ser. In [Gru07] stellt er eine neue Axiomatisierung vor, die dieerzeugenden Axiome durch eine Definition ersetzt, jedoch stehtein formaler Beweis für die Korrektheit der Axiome und Infe-renzregeln in [Gru07] noch aus.

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2D I E P R O G R A M M I E R S P R A C H E D E RABBILDUNGSTHEORIE

Im folgenden Kapitel werden Syntax und Semantik der Program-miersprache M für einen fiktiven M-Computer vorgestellt.1 Da-bei dient die Syntax von M als Pseudo-Code der Abbildungs-theorie und die Semantik von M als normalisierende Reduk-tionsstrategie im Sinne einer interpretierenden, abstrakten Ma-schine.

2.1 die syntax von m

Definition 2.1 BNF-Syntax von M BNF-Syntaxvon MDie Programmiersprache M sei durch folgende induktive Struktur in

BNF-Syntax2 definiert:

Objekt-Variable V ::= v1 | v2 | v3 | . . .

Urelement U ::= T

Funktion F ::= λV .T

Normalform N ::= U | F

Funktionale Applikation A ::= (T )T

Verzweigung B ::= if (T , T , T )

Parallele Disjunktion D ::= T || T

Einfache Existenz E ::= ∃̂T

Reduzierbarer Term R ::= A | B | D | E

Term T ::= V | N | R

Terme aus T sind z. B. v1, T, λv1. if(∃̂λv1.T || T, v2, T) oderλv1.(λv2.v2)T. Reduzierbare Terme aus R ⊆ T sind z. B. T || T,(λv2.v2)T oder if(∃̂λv1.T || T, v2, T).

1 Ich folge der Definition in [Gru07] und der Notation des Lambda-Kalkülsaus [Rev88] wie oben dargelegt.

2 Die Backus-Naur-Form ist eine formale Metasprache, um kontextfreie Gram-matiken darzustellen. Streng genommen müssten danach Terminalsymbole inAnführungszeichen oder Nichtterminalsymbole in spitze Klammern gesetztwerden, jedoch wird darauf verzichtet, da genau die Symbole, die ausschließ-lich auf der rechten Seite vorkommen, Terminalsymbole sind. Weiterhin wer-den die Nichtterminalsymbole als Bezeichner für Mengen verwendet, die ge-nau die Wörter als Elemente umfassen, die in der entsprechenden Grammatikabgeleitet werden könnten.

3

die programmiersprache der abbildungstheorie

T

V N

U F

R

A

T T

B

T T T

D

T T

E

T

Abbildung 2.1: Induktive Struktur der Programmiersprache M

Definition 2.2 Normalform(Wurzel-)Normalform Ein Term ist in (Wurzel-)Normalform, wenn er das Urelement oder

eine Funktion ist.

Ein Term ist also in Normalform (blaue Knoten in Abb. 2.1),wenn er in der Menge N enthalten ist. Reduzierbare Terme undeinzelne Variablen sind nicht in Normalform, jedoch kann einTerm durchaus in Normalform sein und einen reduzierbarenTeilausdruck enthalten. Der Term λv1. if(∃̂λv1.T || T, v2, T) istnicht reduzierbar, enthält aber den reduzierbaren Teilausdruckif(∃̂λv1.T || T, v2, T).

M unterscheidet sich vom Lambda-Kalkül also nicht nur inder Existenz eines Urelements, sondern auch in der Definitionder Normalform, die im Lambda-Kalkül ein Lambda-Ausdruckist, der keinen β-Redex enthält. Zum Beispiel ist in der Abbil-dungstheorie der Term λv1.(λv1.v1)(λv1.v1) in Normalform,während er im Lambda-Kalkül zu λv1.λv1.v1 β-reduziert wer-den könnte und damit nicht in Normalform ist.

Weiterhin sei die Menge der geschlossenen Terme wie folgtdefiniert:

Definition 2.3 Geschlossene TermeGeschlosseneTerme

C := { t ∈ T | Free(t) = ∅ },

wobei Free(t) die Menge aller Objekt-Variablen bezeichnet, die frei int vorkommen, und wie folgt induktiv definiert ist:

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2.2 die semantik von m

Free(t) :=

{t}, falls t ∈ V ;∅, falls t ∈ U ;Free(t) \ {v}, falls t = λv.u ∈ F ;Free(u) ∪ Free(v), falls t = (u)v ∈ A

oder t = u || v ∈ D;∪i=u,v,w Free(i), falls t = if(u, v, w) ∈ B;Free(u), falls t = ∃̂u ∈ E .

2.2 die semantik von m

Die Semantik von M umfasst eine mathematische Beschreibungdessen, wie ein Computer Terme reduzieren soll. Dabei werdennur geschlossene Terme betrachtet, so dass bei der Reduktionnach festgelegten Reduktionsregeln in jedem Fall eine Wurzel-Normalform angegeben werden kann, wenn die Berechnung ter-miniert. Die Semantik von M kann deshalb durch eine partielleFunktion f∗ des Typs

f∗ : C → N

angegeben werden, wobei der Funktionswert f∗(t) genau danndefiniert ist, wenn t zu einer Wurzel-Normalform reduziert wer-den kann. Die bevorzugte Ableitungsstrategie bei der Abbild-ungstheorie ist wie beim Lambda-Kalkül die normalisierendeReduktionsstrategie (NOR), da diese vollständig ist, d. h. falls eseine Normalform gibt, so wird diese auch abgeleitet.

Dabei wendet f∗ solange f1 an, bis sich der Funktionswertnicht mehr ändert, wobei f1 genau einen Reduktionsschritt dar-stellt und die Berechnung genau dann terminiert, wenn f∗(t) =

f∗( f1(t)). Das heißt f∗(t) initiiert und unterhält die Reduktions-

sequenz t0f1→ t1

f1→ t2

f1→ · · · , wobei t0 = t ist. Ein Reduktions-

schritt kann als f1(ti) = ti+1 dargestellt werden, wobei i ∈ N

und f1 : C → C eine totale Funktion ist, die wie folgt definiertist:

f1(t) :=

t, falls t ∈ N

fA(t), falls t ∈ A

fB(t), falls t ∈ B

fD(t), falls t ∈ D

fE (t), falls t ∈ E

Wenn also ein ti ∈ N für ein i ∈ N existiert, dann ist f∗(t) defi-niert durch ti und die Berechnung terminiert. Falls dies nicht derFall ist, ist f∗(t) nicht definiert und die Berechnung terminiertnie. Die Hilfsfunktionen von f1 sind folgendermaßen definiert:

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die programmiersprache der abbildungstheorie

2.2.1 Applikation bzw. Funktionsanwendung

Applikation

fA((x)y) :=

x, falls x ∈ U

apply(x, y), falls x ∈ F

( f1(x))y, falls x ∈ R

wobei apply : F × T → T o.B.d.A. durch apply(λv1.a, b) :=〈a|v1 := b〉 definiert ist und der im Lambda-Kalkül üblichen β-Konversion entspricht.3

2.2.2 Verzweigung bzw. Fallunterscheidung

Verzweigung

fB(if(x, y, z)) :=

y, falls x ∈ U

z, falls x ∈ F

if( f1(x), y, z), falls x ∈ R

2.2.3 Parallele Disjunktion

ParalleleDisjunktion

fD(x || y) :=

T, falls x oder y ∈ U

λv1.((x)v1) || ((y)v1), falls x, y ∈ F

f1(x) || f1(y), sonst

wobei v1 eine „frische“ Variable darstellt.

2.2.4 Existenz

ExistenzfE (∃̂x) := (x)S || (x)K || (x)T || (x)B || (x)D || (x)E || (A)x

wobei

S := λv1.λv2.λv3.((v1)v3)(v2)v3

K := λv1.λv2.v1

B := λv1.λv2.λv3. if(v1, v2, v3)

D := λv1.λv2.v1 || v2

E := λv1.∃̂v1

A := λv1.∃̂λv2.∃̂λv3.(v1)(v2)v3

S und K entsprechen dabei den gewohnten Kombinatoren ausdem Lambda-Kalkül. Man kann jedem beliebigen Lambda-Aus-druck einen extensional gleichwertigen Ausdruck zuordnen, der

3 In [Rev88, S. 20 ff.] wird dies als Vereinfachung eines Lambda-Ausdrucks be-schrieben, ohne dessen Bedeutung zu verändern und als Instanz der β-Regel(λx.P)Q → [Q/x]P definiert, wobei [Q/x]P als eine Substitution von Q füralle freien Variablen x in P induktiv über der α-Kongruenz definiert wird unddem Prinzip der Bindungsbereiche und der Verschattung von Variablen ge-recht wird.

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2.2 die semantik von m

allein aus diesen Kombinatoren zusammengesetzt ist, und somitjede beliebige Funktion im Lambda-Kalkül durch S und K aus-drücken. So wird ∃̂x berechnet, indem alle Ausdrücke (x)y füralle y ∈ C parallel berechnet werden (es gilt Linksassoziativitätder Applikationen bzw. Disjunktionen). ∃̂x ergibt genau dann T,wenn (x)y für einen geschlossenen Ausdruck y zu T berechnetwird.

Betrachtet man den Begriff der Normalform noch einmal un-ter semantischen Gesichtspunkten, so lässt sich wie oben bereitserwähnt feststellen, dass die Definition der Normalform vomStandard im Lambda-Kalkül abweicht. Im Lambda-Kalkül ist einLambda-Ausdruck in Normalform, wenn er keinen β-Redex ent-hält, also keinen Teilausdruck der Form (λv.t)u. In der Abbil-dungstheorie ist ein Ausdruck in Wurzel-Normalform, wenner von der Form T oder λv.t ist. Zum Beispiel wird der Term(λv1.(v1)v1)λv2.λv3.(v2)v2 sowohl im Lambda-Kalkül, als auchin der Abbildungstheorie folgendermaßen β-reduziert bzw. be-rechnet:

(λv1.(v1)v1)λv2.λv3.(v2)v2f17→ oder ⇒β

(λv2.λv3.(v2)v2)λv2.λv3.(v2)v2f17→ oder ⇒β

λv3.(λv2.λv3.(v2)v2)λv2.λv3.(v2)v2 ⇒β . . .

Der Term λv3.(λv2.λv3.v2v2)(λv2.λv3.v2v2) := t′ ist in Wurzel-Normalform; die Berechnung von f∗ terminiert, denn t′ ∈ F ⊆

N und damit gilt f1(t′) = t′. Er ist aber weder in (schwacher)Kopf-Normalform noch in der Normalform im üblichen Sinne Kopf-

Normalformdes Lambda-Kalküls. Der Ausdruck besitzt sogar gar keine Nor-malform im Lambda-Kalkül, da dort in der Regel nach der voll-ständigen Normal-Order Reduktion β-reduziert wird.

Abschließend sei darauf hinweisen, dass sich die Syntax na-türlich auch auf komplexere Datenstrukturen wie z. B. Listen er-weitern lässt und sich entsprechend Listenoperatoren bzw. -kom-binatoren definieren lassen mit der üblichen Semantik. Dabeikann hier eine Designentscheidung maßgebend sein, Daten undProgramme gleichwertig als Terme oder diese konzeptuell ge-trennt zu behandeln. Eine Einführung in die Thematik der Lis-tenmanipulation im Lambda-Kalkül ist in [Rev88, S. 59 ff.] zufinden, wobei bei der Definition von Datenstrukturen berück-sichtigt werden sollte, dass in der Abbildungstheorie der Wahr-heitswert True als Urelement integriert ist und nicht als Lambda-Abstraktion. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich das Kon-zept der Beta-Gleichheit, welches im Lambda-Kalkül von zen-traler Bedeutung ist, und die Gleichheitskonzepte in der Abbil-dungstheorie insofern unterscheiden, dass das Church-Rosser-

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die programmiersprache der abbildungstheorie

Theorem umformuliert werden müsste gemäß der Bedingung,dass die Abbildungstheorie nicht an Ausdrucksstärke verlie-ren würde, die es erlaubte, sie zu einer Theorie zu verallgemei-nern, die ZFC ebenbürtig ist.

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3E I N F Ü H R U N G I N D I EA B S T R A K T I O N S T H E O R I E

In dieser Ausarbeitung soll auf verschiedene Abstraktionen inder Abbildungstheorie hingewiesen werden und damit eineweitere Motivation im Hinblick auf die Bedeutung der Infor-matik als Wissenschaft von der systematischen Informationsdar-stellung und -verarbeitung geliefert werden, welche den obenerwähnten Vorteil gegenüber der ZFC-Mengenlehre widerspie-geln. Der bildungssprachliche Ausdruck Abstraktion bedeutet derEnzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie [Mit04, S. 37

ff.] zufolge im ursprünglichen Wortsinn einerseits die Operati-on, mit der man zu den dann abstrakten Gegenständen (Ab-straktionen) genannten Genera und Spezies gelangt, anderer-seits bezeichnet der Terminus der Abstraktion auch die abstra-hierten Gegenstände selbst. Diese im Folgenden Abstrakta ge-nannten Objekte werden durch Allgemeinnamen benannt, densogenannten Prädikatoren, im Gegensatz zu den auf konkre-te Gegenstände referenzierenden Eigennamen, den sogenanntenNominatoren. Die klassische Abstraktionstheorie umfasst nun(spätestens seit Boethius, der als bedeutender spätantiker Schrift-steller die griechische Philosophie ins Lateinische übersetzte undsomit zwangsläufig auch inhaltlich Einfluss nahm) sowohl dieAristotelische Lehre der Aphairesis, gr. αϕαιρεσις ‚Wegnehmen‘, Aphairesiseiner Theorie über mathematische Gegenstände, als auch dieAristotelische Lehre der Epagoge, gr. επαγωγη ‚Heranführung‘, Epagogeeiner Theorie des Übergangs vom Besonderen zum Allgemei-nen.1 Ich möchte an dieser Stelle nicht darauf eingehen, ob Ab-strakta gemäß des ontologischen Realismus unabhängig oder ge-mäß des Nominalismus nur in den Individuen existieren oder obAbstrakta gemäß eines psychologisierenden Empirismus oderKonzeptualismus nur in der Vorstellung existieren und verwei-sen auf die zahlreichen Publikationen im historischen und mo-dernen Universalienstreit. Vielmehr möchte ich lediglich begrün-den, warum die Abbildungstheorie mit der klassischen Ab-straktionstheorie auf vielfältigste Art motiviert und erklärt wer-den kann.

Die Abstraktion im klassischen Sinne verbindet als Operationalso das Absehen von unwesentlichen Merkmalen und das Her-vorheben von wesentlichen Merkmalen konkreter Gegenstände

1 Eine detaillierte Begründung, wie es zu der Vermischung und Identifizierungder beiden Theorien mit der Abstraktionstheorie kam, ist in der Dissertationvon H.J. Schneider in [Sch70] nachzulesen.

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einführung in die abstraktionstheorie

hin zu den abstrakten Gegenständen. In Kapitel 4 wird disku-tiert werden, inwiefern der M-Computer als abstrakte Maschineeine Interpretation im Sinne der Aphairesis ist.

Mit Epagoge wird ein Verfahren bezeichnet, das die Annahmevon Axiomen im Zusammenspiel mit dem deduktiven Systembegründen soll (vgl. [Fri64]). Wie oben bereits dargelegt wur-de, entspricht die Syntaxdefinition der Abbildungstheorie ei-ner induktiven Struktur, die einerseits durch ein deduktives Sys-tem, den M-Computer, interpretiert wird und andererseits wirddurch die Syntax eine axiomatische Theorie der Fundierung derInformatik liefert. Die Abbildungstheorie kann also in zwei-erlei Hinsicht als Epagoge verstanden werden. Nach Aristote-les genügt bereits eine methodisch sinnstiftende, exemplarischeErklärung (Heranführung) eines Einzelfalls, um allgemeine Zu-sammenhänge verdeutlichen zu können. [Mit04, S. 562/3] Inso-fern wird vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen, wasin der Literatur häufig mit dem Prinzip der Induktion beschrie-ben wird. Die induktive Definition der Abbildungstheorie alseine axiomatische Fundierung ist insofern gerechtfertigt, dasssie dem Wesen der Informatik als Wissenschaft von der syste-matischen Verarbeitung von Informationen viel eher entsprichtals die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre. Dadurch, dass dieEigenschaften von Programmen in derselben Syntax formuliertwerden können wie das Programm selbst, ist die Einsicht in dieBegründungszusammenhänge des deduktiven Systems viel di-rekter und somit erfolgversprechender.

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4D I E A B S T R A K T E M A S C H I N E D E RABBILDUNGSTHEORIE

In [Gru07, S. 7 ff.] schlägt Grue eine Interpretation im Sinne ei-ner Implementierung der Programmiersprache M auf einer ab-strakten Maschine, dem M-Computer, vor. Im folgenden Kapitelsoll die auf der bereits eingeführten Semantik basierende Funk-tionsweise dieses fiktiven Rechners beschrieben werden. Dazuwerden analog zu [Gru01, Gru07] zentrale Konzepte der Abbil-dungstheorie eingeführt, diese anhand von Beispielen disku-tiert und abschließend die Abstraktion der Theorie von M imSinne der Aristotelischen Aphairesis erläutert.

4.1 der m-computer

Als Implementierung der Programmiersprache M kann man sicheinen M-Computer vorstellen, der zwei Lampen und eine Tas-tatur besitzt. Die eine Lampe ist dabei mit T gekennzeichnet,die andere mit F ; auf der Tastatur kann man geschlossene Ter-me in BNF-Syntax eingeben und die Berechnung der Reduktionstarten. Wenn der Term zu einer Wurzel-Normalform reduziertwerden kann, leuchtet entsprechend die eine Lampe für das Ur-element T (wahrer Term) und die andere Lampe für eine Funkti-on aus F (Funktionsterm) auf. Wenn keine Wurzel-Normalformfür den eingegebenen Term existiert, terminiert der M-Computernicht, es leuchtet also keine der beiden Lampen (jemals) auf.Dies ist gleichbedeutend mit der Tatsache, dass der Bottom-Term⊥ := (λv1.(v1)v1)λv1.(v1)v1 reduziert wird. Bei keiner der dreiverschiedenen Berechnungen wird der gewöhnliche Benutzer jeerfahren, welche Berechnungsschritte durchgeführt worden sind,insbesondere weiß er nicht, wie das Ergebnis genau aussieht,wenn die Lampe F aufleuchtet. Er weiß auch nicht, ob die Be-rechnung terminieren wird, da dies nicht entscheidbar ist.

U F

Abbildung 4.1: Der M-Computer

11

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

4.2 gleichheitskonzepte und abstraktion

Diesen einleitenden Betrachtungen folgend können drei Defini-tionen unterschieden werden, wann zwei Terme „gleich“ sind,je nachdem in welchem Kontext die Gleichheit von Termen be-trachtet wird. Um mit den verschiedenen Gleichheitskonzeptennicht durcheinander zu kommen, werden im Folgenden die Be-griffe Wurzelgleichheit, Äquivalenz und Identität explizit definiert.

Definition 4.1 WurzelgleichheitWurzelgleichheitZwei Terme r, s ∈ C sind wurzelgleich, geschrieben r ≈ s, wenn⋄ r und s zu T reduzierbar sind,

⋄ r und s zu einem Term aus F reduzierbar sind oder

⋄ weder r noch s zu einer Wurzel-Normalform reduzierbar sind.

Anders ausgedrückt, zwei Terme sind wurzelgleich, wenn siebeide wahre, Funktions- oder Bottom-Terme sind. Zum Beispielsind folgende Terme wurzelgleich, da sie vom M-Computer bei-de zu ⊥ reduziert werden:

f1(if(λv.⊥, T, λv.v)⊥)fB→

f1((λv.v)⊥)fA→

f1(⊥)f1→

f1(⊥)f1→ . . .

und

f1((λv.⊥)T)fA→

f1(⊥)f1→

f1(⊥)f1→ . . .

≈ ist eine nicht-berechenbare bzw. nicht-entscheidbare Relati-on über den geschlossenen Termen. Das bedeutet, dass es keinenAlgorithmus gibt, der die Wurzelgleichheit von zwei Termennach einer endlichen Anzahl von Schritten berechnen kann, bzw.nicht terminiert, wenn es sich um ⊥ handelt. ≈ ist eine Relationvom Typ C × C, die die Eigenschaften einer Äquivalenzrelationerfüllt:

r ≈ r Reflexivität

r ≈ s ⇔ s ≈ r Symmetrie

r ≈ s und s ≈ t ⇒ r ≈ t Transitivität

12

4.2 gleichheitskonzepte und abstraktion

Gilt r ≈ r′ und s ≈ s′, dann gilt auch r ⊗ s ≈ r′ ⊗ s′ füralle Operationen ⊗, so dass ≈ sogar eine Kongruenzrelation ist.Man kann mit Hilfe dieser Äquivalenzrelation den Quotientenvon C bezüglich ≈ bilden, also C/≈ = { [t]≈ | t ∈ C}. Wählt mandrei charakteristische Äquivalenzklassen dieses Quotienten aus,so erhält man nach Vereinigung dieser wieder die Menge dergeschlossenen Terme:

{ [T]≈} ∪ { [λv.T]≈} ∪ { [⊥]≈} = C

Es sei wie folgt ein weiteres Gleichheitskonzept betrachtet wer-den, nämlich das der Äquivalenz.

Definition 4.2 Äquivalenz ÄquivalenzZwei Terme r, s ∈ C sind äquivalent, geschrieben r ≡ s, wenn für allegeschlossenen Terme t gilt, dass (t)r ≈ (t)s.

Zwei Terme gelten also als äquivalent, wenn sie sich im glei-chen Kontext als Argument gleich verhalten, also angewandt aufeinen beliebigen geschlossenen Term zwei wurzelgleiche Termeergeben. Zum Beispiel verhalten sich die (im Lambda-Kalkül α-kongruenten) Terme λv1.v1 und λv2.v2 für jeden Operator gleich.Auch wenn man sich q als Funktion vorstellt, die den Sortieral-gorithmus Quicksort implementiert und sich b als Funktion vor-stellt, die den Sortieralgorithmus Bubblesort implementiert, sosind q und b äquivalent.

Was sich gleich verhält, ist im Übrigen auch wurzelgleich. Seix ≡ y :⇔ ∀t ∈ C : (t)x ≈ (t)y, dann folgt daraus sofort, dassauch x ≈ y gilt. Die Umkehrung gilt jedoch nicht: Zum Beispielist λv1.v1 ≈ λv1.T, aber es gilt nicht λv1.v1 ≡ λv1.T. Sei t :=λv2.(v2)⊥ ein Operator, dann gilt:

(λv2.(v2)⊥)λv1.v1 ≈ (λv2.(v2)⊥)λv1.T ⇔

(λv1.v1)⊥ ≈ (λv1.T)⊥ ⇔

⊥ ≈ T

Zuletzt sei das Gleichheitskonzept der Zeichengleichheit be-trachtet, nämlich die Identität.

Definition 4.3 Identität IdentitätZwei Terme r, s ∈ T sind identisch, geschrieben r = s, wenn sie exaktzeichengleich sind.

Aus der Zeichengleichheit zweier Terme folgt natürlich, dassdiese auch äquivalent bzw. wurzelgleich sein müssen, so dasssich die Relationen eingeschränkt auf C ×C als Mengen im Venn-Diagramm darstellen lassen (siehe Abb. 4.2).

13

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

≈ ≡ =

Abbildung 4.2: Inklusionen der Relationen

Abstraktionstheoretisch sind diese Inklusionen insofern nach-vollziehbar, dass jeweils von innen nach außen von mehr Merk-malen abstrahiert wird, so dass der Umfang der Mengen grö-ßer wird, also mehr Objekte unter den Begriff der entsprechen-den Relation fallen. Hier wird insbesondere der Charakter derAbstraktion als Äquivalenzrelation deutlich: Abstraktionen sindauf bestimmte Merkmale reduzierte Beschreibungen, die unterden konkreten Objekten Äquivalenzklassen bilden in Bezug aufdiese als gleichartig beschriebene Abstraktionsrelation. So gehö-ren konkrete Objekte genau dann derselben Äquivalenzklassean, wenn sie die gleichen ausgewählten Merkmale besitzen undsomit auf abstrakter Ebene äquivalent sind. Plausibler wird diesin obigem Fall, wenn man die umgekehrte Richtung betrachtet:Nimmt man zu der Wurzelgleichheit das Konzept der Kontext-abhängigkeit hinzu und betrachtet die Abbildungen, die sichgleich verhalten für verschiedene Argumente (analog: Abbildun-gen, die sich in verschiedenen Kontexten gleich verhalten, siehedazu Kap 4.5 zum Extensionalitätsprinzip in der Abbildungs-theorie), so fallen entsprechend weniger Abbildungspaare un-ter den Begriff der Äquivalenz im Vergleich zur Wurzelgleich-heit, letztere ist also abstrakter. Entsprechendes gilt für die größt-mögliche Einschränkung bzw. ausführlichste Merkmalsbestim-mung der Identität, welche unter den Gleichheitsrelationen dieam wenigsten abstrakte ist und entsprechend die kleinsten Äqui-valenzklassen bezüglich der Abstraktionsrelation generiert.

4.3 quartum non datur

Im Gegensatz zur klassischen Logik („A trifft zu oder A trifftnicht zu“) gilt in der intuitionistischen Logik („A ist bewiesenoder A ist widerlegt“) der Satz vom ausgeschlossenen Dritten(„Tertium Non Datur“) nicht.1 So spricht Grue in der Abbil-

1 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Brouwer mit dem Intuitionismus einedem Konstruktivismus nahestehende Auffassung von den Grundlagen derMathematik programmatisch zusammengefasst [Bro92], welcher nur mit Hil-fe der geistigen, sprachfreien und schöpferischen Denktätigkeit durch endli-che Existenzbeweise effektiv-konstruierbare mathematische Objekte anerkann-te (vgl. [BK71, S. 182]) und damit dem Realismus als Auffassung entgegen-gesetzt ist, der darüberhinaus die Existenz abstrakt-realistischer Gesetzmäßig-

14

4.4 elementare axiome und inferenzregeln

dungstheorie analog vom ausgeschlossenen Vierten („QuartumNon Datur“), denn diese kann insofern als klassisch betrachtetwerden, als dass alle Terme, deren Berechnungen nicht termi-nieren, mit nur einem Wert ⊥ gleichgesetzt werden, es wirdalso von den verschiedenen Möglichkeiten, wie eine nicht-ter-minierende Berechnung zustandekommen kann, abstrahiert. Eingeschlossener Term kann also nur T, ein Funktionsterm oder derBottom-Term sein.

Betrachtet man also mit B die Menge der Wahrheitswerte (Boo-lesche Werte), dann gilt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten:

⊢ ∀x ∈ B : x ∨ ¬x ≡ T

Im Gegensatz dazu ist aber 0 x ∨ ¬x ≡ T, denn falls x ≡ ⊥

dann gilt ⊢ ⊥ ∨ ¬⊥ ≡ ⊥ (zur Definition der aussagenlogischenOperatoren siehe Kapitel 6.2.1).

Das Quartum Non Datur kann wie folgt formalisiert werden:

(x)T ≡ (y)T ⇒

(x)λv1.(t)v1 ≡ (y)λv1.(t)v1 ⇒

(x)⊥ ≡ (y)⊥ ⇒

(x)t ≡ (y)t

Das bedeutet, dass wenn sich zwei geschlossene Terme x undy für T, λv1.(t)v1 und ⊥ jeweils gleich verhalten, d. h. äquivalentsind, dann sind x und y extensional gleich. Diese Formalisierungmacht deutlich, dass man mit Hilfe des Quartum Non Datur undunter dessen Voraussetzung Beweise mit einer Unterscheidungvon drei Fällen führen kann.

4.4 elementare axiome und inferenzregeln

In [Gru07, S. 8 – 9] werden neunzehn elementare Axiome undInferenzregeln der Abbildungstheorie eingeführt, die hier imFolgenden kommentiert, bewiesen oder zumindest plausibel ge-macht werden. Dazu seien im Folgenden Terme x, y, z ∈ T undVariablen v ∈ V .

4.4.1 Elementare Axiome

i.

x ≡ y ⇒ x ≡ z ⇒ y ≡ z

keiten postuliert. Indirekte Beweise wie z.B. der Widerspruchsbeweis werdensomit im Intuitionismus abgelehnt.

15

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

Da ≡ rechtsassoziativ ist, gilt

x ≡ y ⇒ (x ≡ z ⇒ y ≡ z)

⇔ x ≡ y und x ≡ z ⇒ y ≡ z

Die erste Eigenschaft drückt also die Transitivität (und Kom-mutativität bzw. Symmetrie) von ≡ aus.

ii.

x ≡ y ⇒ λv.x ≡ λv.y

Sind zwei Terme äquivalent, also gilt (t)x ≈ (t)y für jedenTerm t, so gilt auch λv.(t)x ≈ λv.(t)y.

iii.

x ≡ y ⇒ (z)x ≡ (z)y

Sind zwei Terme äquivalent, also gilt (t)x ≈ (t)y für jedenTerm t, so soll auch ∀t : tzx ≈ tzy gelten, da sich x undy in jedem Kontext semantisch gleich verhalten sollen. Diezweite und die dritte Eigenschaft drücken also das Prinzipder extensionalen Gleichheit (vgl. η-Konversion im Lambda-Kalkül) aus.

4.4.2 Inferenzregeln für die Verzweigung

i.

if(T, y, z) ≡ y

Da bei der Berechnung von f1 die Hilfsfunktion fB aufgeru-fen wird und fB y zurückgibt, wenn x ∈ U in der Bedingungder Verzweigung steht, gilt offensichtlich die Äquivalenz.

ii.

if(λv.x, y, z) ≡ z

Entsprechend gibt fB z zurück, wenn x ∈ U ist.

iii.

if(⊥, y, z) ≡ ⊥

Da der Bottom-Term einem reduzierbaren Term entspricht,wird f1 auf ⊥ aufgerufen und offensichtlich terminiert dieseRekursion nie, weshalb der Term äquivalent zu ⊥ ist.

4.4.3 Inferenzregeln für die Applikation

i.

(T)y ≡ T

16

4.4 elementare axiome und inferenzregeln

Da bei der Berechnung von f1 die Hilfsfunktion fA aufgeru-fen wird und fA angewandt auf (x)y x = T zurückgibt, giltoffensichtlich die Äquivalenz.

ii.

(⊥)y ≡ ⊥

Da der Bottom-Term einem reduzierbaren Term entspricht,wird f1 auf ⊥ aufgerufen und offensichtlich terminiert dieseRekursion nie, weshalb der Term äquivalent zu ⊥ ist.

iii.

(λv.y)z ≡ x wenn x ∝ 〈y|v := z〉

Da x bis auf Umbenennung der gebundenen Variablen iden-tisch mit 〈y|v := z〉 ist und der Operator ein Funktions-term ist, wird in der Berechnung die Hilfsfunktion applyauf (λv.y)z angewandt, was durch 〈y|v := z〉 definiert ist.

4.4.4 Inferenzregeln für die parallele Disjunktion

i.

T || x ≡ T

Da bei der Berechnung von f1 die Hilfsfunktion fD aufge-rufen wird und fD angewandt auf (T)x T zurückgibt, giltoffensichtlich die Äquivalenz.

ii.

x || T ≡ T

Entsprechend liefert fD ebenfalls T zurück (die Disjunktionist natürlich auch in der Abbildungstheorie kommutativ).

iii.

(λv.x) || (λv.y) ≡ λv.(x || y)

Gilt aufgrund von:

(λv.x) || (λv.y)Def. fD≡

λv.((λv.x)v) || ((λv.y)v)Ext.≡

λv.(x || y)

iv.

(λv.x) || ⊥ ≡ ⊥

Da weder (λv.x) noch ⊥ gleich T sind und auch nicht beideFunktionsterme sind, werden beide Terme durch den Auf-ruf von fD weiter parallel durch f1 reduziert und offensicht-lich terminiert diese Rekursion nie, weshalb der Term äqui-valent zu ⊥ ist.

17

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

v.

⊥ || (λv.y) ≡ ⊥

vi.

⊥ || ⊥ ≡ ⊥

4.4.5 Inferenzregeln für die einfache Existenz

Sei der Operator der Komposition als abkürzender Bezeichnerwie folgt definiert:

Definition 4.4 KompositionKomposition

x ◦ y := ((λv1.λv2.λv3.(v1)(v2)v3)x)y

i.

∃̂ T ≡ T

Da ∃̂TfE7→ . . . ||(T)T|| . . .

fA7→ . . . ||T|| . . .

fD7→ T auszuwerten ist,

gilt die Äquivalenz.

ii.

∃̂⊥ ≡ ⊥

Da ∃̂⊥fE7→ (⊥)S|| . . .

fA7→ ⊥|| . . .

fD7→ ⊥ auszuwerten ist, gilt

die Äquivalenz.

iii.

∃̂(x ◦ y) → ∃̂x

Es gilt: ∃̂x ≡

{

T, ∃y : (x)y ≡ T⊥, sonst.

Zu zeigen ist wegen der Definition von → als Operator derAbbildungstheorie, dass folgende Äquivalenz gilt:

if(∃̂(x ◦ y), ∃̂x, T) ≡ if(∃̂(x ◦ y), T, T)

Fallunterscheidung:

i. ∃̂(x ◦ y) ∈ U :∃̂x ≡ T

∃̂(x ◦ y) ≡ T◦⇔

∃̂(((λv1.λv2.λv3.(v1)(v2)v3)x)y) ≡ T∃̂⇔

∃z : (((λv1.λv2.λv3.(v1)(v2)v3)x)y)z ≡ Teins.⇒

∃z : (x)(y)z ≡ Tz′=yz⇒

∃z′ : xz′ ≡ T∃̂⇔

∃̂x ≡ T

18

4.5 extensionalität

ii. ∃̂(x ◦ y) ∈ F :T ≡ T

iii. ∃̂(x ◦ y) ≡ ⊥:⊥ ≡ ⊥

iv.

∃̂(? ◦ x) ≡ ∃̂x

Genau dann, wenn es ein Argument gibt, das ? ◦ x zu T aus-wertet, dann gibt es auch ein Argument, das x zu T auswer-tet und genau dann, wenn die linke Seite nicht terminiert,terminiert auch die rechte Seite nicht.

4.5 extensionalität

In den folgenden Kapiteln wird des öfteren das Konzept desExtensionalitätsprinzips verwendet, z. B. um die grafische Mo-dellierung zu motivieren. So definiert Grue in [Gru07, S. 11] Ex-tensionalität in der Abbildungstheorie in Anlehnung an dieZermelo-Fraenkelsche Mengenlehre, in der folgende Aussagenäquivalent sind:

i. x = y :⇔ x ∈ z ⇔ y ∈ z für alle Mengen z

ii. x = y :⇔ z ∈ x ⇔ z ∈ y für alle Mengen z

Überträgt man dieses Prinzip auf die Abbildungstheorie, solassen sich folgende äquivalente Aussagen treffen:

i. x ≡ y :⇔ (z)x ≈ (z)y für alle z ∈ C

Das bedeutet, dass zwei Terme äquivalent sind, wenn siein jedem Kontext wurzelgleich sind (d. h. beide zu T oderbeide zu einem Funktionsterm reduziert werden oder dieReduktion von beiden nicht terminiert).

ii. x ≡ y :⇔ (. . . (x)z1) . . . zn ≈ (. . . (y)z1) . . . zn für alle n ∈ N

und alle z1, . . . , zn ∈ C

Das wiederum bedeutet, dass zwei Terme äquivalent sind,wenn sie für jedes beliebige Argument wurzelgleich sind.

4.6 scott-ordnung , monotonie und minimalität von

fixpunkten

In diesem Abschnitt wird ein kurzer Überblick gegeben, wiein [Gru01] die Scott-Ordnung über Terme definiert wird, um dieEigenschaft der Monotonie bezüglich dieser Ordnung zu forma-lisieren. Monotonie ist einerseits ein entscheidendes Kriteriumbei der Semantik von rekursiven Funktionen, wie auch eine Ei-genschaft der Elemente der Basis von abstrakten Logiken, wenn

19

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

diese im Sinne Tarskis als bezüglich der Folgerung abgeschlos-senen Mengen betrachtet werden.

Sei also ≤root eine partielle Ordnung, die wie folgt definiertist:

x ≤root y :⇔ x ≈ ⊥∨ x ≈ y

Für alle x, y, z ∈ T gilt:

i. ≤root ist reflexiv: x ≤root x

ii. ≤root ist antisymmetrisch: x ≤root y und y ≤root x ⇔ x ≈ y

iii. ≤root ist transitiv: x ≤root y und y ≤root z ⇒ x ≤root z

Diese Ordnung besitzt eine Eigenschaft ähnlich des Extensio-nalitätsprinzips:

∀t ∈ C : (t)x ≤root (t)y ⇔

∀ti ∈ C :(. . . (x)t1) . . . tn ≤root (. . . (y)t1) . . . tn

Durch diese Eigenschaft lässt sich die Scott-Ordnung � defi-nieren:

Definition 4.5 Scott-OrdnungScott-Ordnung

x � y :⇔ ∀ti ∈ C : (. . . (x)t1) . . . tn ≤root (. . . (y)t1) . . . tn

Diese Ordnung ist ebenfalls eine partielle Ordnung, denn eslässt sich zeigen, dass �

i. reflexiv x � x

ii. antisymmetrisch x � y und y � x ⇔ x ≡ y und

iii. transitiv x � y und y � z ⇒ x � z ist.

Die Konstrukte von λT sind monoton bezüglich x � y, dennfür alle v ∈ V und x, y, z, x′, y′, z′ ∈ T gilt:

i. x � x′ ⇒ λv.x � λv.x′

ii. x � x′ und y � y′ ⇒ (x)y � (x′)y′

iii. x � x′ und y � y′ und z � z′ ⇒ if(x, y, z) � if(x′, y′, z′)

T ist maximal, λv.⊥ das Bottom-Element unter Funktionster-men und ⊥ ein Bottom-Element unter allen Termen bezüglichx � y, so dass folgende Lemmata gelten (v 6∈ Free(z)):

i. T � z ⇔ T ≡ z

ii. λv.⊥ � z ⇔ z ≡ λv.(z)v

iii. ⊥ � z ⇔ 0 = 0

Man kann verallgemeinern, dass die Scott-Ordnung die Eigen-schaft der Monotonie erfüllt, denn für alle Terme x, y, z ∈ T gilt:

x � y ⇒ (z)x � (z)y

20

4.6 scott-ordnung, monotonie und minimalität von fixpunkten

Die Scott-Ordnung lässt sich auch auf einem anderen Wegedefinieren, der dieselben Folgerungen erlaubt. Sei zunächst dasInfimum, also die größte untere Schranke von zwei Termen defi-niert.

Definition 4.6 InfimumInfimum

Infimum x ↓ y := if(x, if(y, T,⊥), if(y,⊥, λz.(x)z ↓ (y)z))

Die Scott-Ordnung enthält dann genau die Tupel, die die Äqui-valenz x ≡ x ↓ y erfüllen:

x � y :⇔ x ≡ x ↓ y

Das Extensionalitätsprinzip erlaubt es dann, Folgendes zu be-weisen:

i. x ↓ x ≡ x

ii. x ↓ y ≡ y ↓ x

iii. x ↓ (y ↓ z) ≡ (x ↓ y) ↓ z

Mit diesen Ergebnissen wiederum kann man nun beweisen,dass die Scott-Ordnung eine partielle Ordnung ist.

Abschließend sei nun zum Zweck der konzeptionellen Voll-ständigkeit die Minimalität von Fixpunkten für alle Terme x, y ∈

T gemäß [Gru01] kurz betrachtet.

Definition 4.7 Y-Kombinator Y-KombinatorDen Fixpunktkombinator Y sei wie üblich definiert durch:

Y := λ f .(λx.( f )(x)x)(λx.( f )(x)x)

Für alle f ∈ T gilt die Eigenschaft, dass ( f )(Y) f ≡ (Y) f ,so dass (Y) f ein Fixpunkt von f ist. Y liefert sogar minimaleFixpunkte, denn es gilt:

(x)y � y ⇒ (Y)x � y

21

die abstrakte maschine der abbildungstheorie

22

5G R A F I S C H E M O D E L L I E R U N G D E RABBILDUNGSTHEORIE

Um eine intuitive Vorstellung davon zu bekommen, was eine Ab-bildung d. h. ein geschlossener Term ist, wird in [Gru01] eine gra-fische Darstellung eingeführt. Diese anschauliche und gleicher-maßen intuitive Beschreibung eines mathematischen Objekts –einer Abbildung – mit Hilfe einer typischen informatischen Dar-stellungsweise – der Baumstruktur – steht ganz klar in der Tra-dition der Aphairesis als eine Ideation, welche sich spezifisch inder Informatik zu den abstrakten Interpretationsmechanismenvon funktionalen Programmiersprachen (wie z.B. der SECD-Ma-schine oder der lazy Variante der Graphreduktion) entwickelte.Dabei wurde je nach definierter, meist abstrakter operationaleroder denotationaler Semantik von (funktionalen) Programmier-sprachen von konkreten Gegebenheiten wie konkreter Syntaxoder Hardwarearchitekturen abgesehen und insofern im Sinneder Epagoge eine allgemeine Darstellungsweise geliefert. Diegrafische Modellierung der Abbildungstheorie folgt dieser Tra-dition, wie man im Folgenden feststellen kann. Zunächst werdenin diesem Kapitel Bäume als Darstellungsweise von Abbildun-gen eingeführt, um daraufhin Eigenschaften von Abbildungendiskutieren zu können.

5.1 bäume als abbildungen

Die grafische Modellierung der Abbildungstheorie basiert aufden folgenden Fakten:

i. Jeder geschlossene Term ist entweder T, ein Funktionstermoder ⊥.

ii. x ≡ T gilt genau dann, wenn x ∈ U .

iii. x ≡ ⊥ gilt genau dann, wenn x ein unentscheidbarer Termist.

iv. x ≡ y :⇔ (. . . (x)z1) . . . zn ≈ (. . . (y)z1) . . . zn für alle n ∈ N

und alle z1, . . . , zn ∈ C.

Abbildungen werden durch Bäume dargestellt, deren Knotenmit T, ⊥ oder λ und deren Kanten mit geschlossenen Termenbeschriftet werden. Die Abbildung, die mit dem geschlossenenTerm a beschriftet ist, wird folgendermaßen konstruiert: Wenna ein Urelement, also T ist, dann wird a durch einen einzelnenKnoten beschriftet mit T dargestellt. Wenn a ein unentscheidba-

23

grafische modellierung der abbildungstheorie

rer Term, also ⊥ ist, dann wird a durch einen einzelnen Knotenbeschriftet mit ⊥ dargestellt.

T ⊥

Abbildung 5.1: Mögliche Blätter in einer grafischen Darstellung

Ist a ein Funktionsterm, so wird die Konstruktion des Baumsrekursiv aufgebaut: Ein Knoten wird mit λ beschriftet und alsWurzelknoten dieses (Teil-)Baums betrachtet. Für jeden geschlos-senen Term b wird der Baum zu (a)b gezeichnet, als Kindknotenmit a verbunden und die dazugehörige Kante mit dem Term bbeschriftet. Als Beispiel sei hier die grafische Darstellung vonF = λv.T notiert:

λ

T

T

T

T

λv.v

. . .

. . .

Abbildung 5.2: Grafische Darstellung von λv.T

Als weiteres Beispiel betrachte man die grafische Darstellungvon λv1. if(v1, F, λv2.v2):

λ

λ

T

T

T

T

T

λv.v

. . .

. . .

λ

λv.v

T

T

λ

λv.v

T

T

λ

λv.v

T

T

. . .

λv.v

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

Abbildung 5.3: Grafische Darstellung von λv1. if(v1, F, λv2.v2)

24

5.2 primfaktorzerlegung von abbildungen

5.2 primfaktorzerlegung von abbildungen

Ausgehend von der grafischen Darstellung wird in [Gru01] einePrimfaktorzerlegung von Abbildungen entwickelt. Dazu wirdzunächst die Kompaktheits- und die Prim-Eigenschaft von Ab-bildungen definiert, um dann die Primfaktorzerlegung am Bei-spiel der Identitätsfunktion zu zeigen.

Definition 5.1 Kompakte Abbildungen KompakteAbbildungenc ist genau dann eine kompakte Abbildung, wenn es eine Abbildung

χc gibt, so dass für alle Abbildungen d gilt:

i. c � d ⇒ (χc)d ≡ T

ii. c � d ⇐ (χc)d ≡ T

Für alle kompakten Abbildungen c von M gibt es eine endlichegrafische Darstellung, die c repräsentiert. Dies gilt auch, wennman darauf besteht, alle Kantenbeschriftungen selbst zu zeich-nen. Eine kompakte Abbildung kann viele endliche wie auchunendlich große Darstellungen besitzen.

Definition 5.2 Unteilbare Abbildungen UnteilbareAbbildungenc ist unteilbar oder prim, wenn

i. c eine endliche Zahl an Knoten hat und

ii. jeder Knoten höchstens eine ausgehende Kante hat.

Die Primfaktorzerlegung von λv.v kann also wie folgt grafischdargestellt werden:

λ

λ

T

T

λ

λ

λv.v

λ

λ

λv.v

T

T

. . .

Abbildung 5.4: Primfaktorzerlegung von λv1.v1

5.3 kohärente abbildungen

Definition 5.3 Kohärente Abbildungen KohärenteAbbildungenx und y sind kohärent, geschrieben ≍ (x, y), wenn es eine obere

Schranke z gibt, so dass x � z and y � z.

25

grafische modellierung der abbildungstheorie

Wenn zwei Abbildungen x, y eine gemeinsame obere Schran-ke z besitzen, so haben sie auch eine kleinste obere Schranke↑ (x, y, z).

Definition 5.4 Kleinste obere SchrankeSupremumDie kleinste obere Schranke ↑ (x, y, z) von zwei Abbildungen x und ymit oberer Schranke z ist definiert durch:

↑ (x, y, z) := if(z, x : y : T,¬x : ¬y : λv. ↑ ((x)v, (y)v, (z)v))

x : y := if(x, y,⊥)

Für jede endliche Menge S von paarweise kohärenten Abbildun-gen bezeichne ↑ S die kleinste obere Schranke aller Abbildungenin S.

Untersucht man beispielsweise die beiden Terme λv.⊥ undλv.T auf Kohärenz, so kann man zunächst feststellen, dass λv.Teine obere Schranke darstellt. Da das Infimum der beiden Termeλz.⊥ ist, d. h. auf Grund von

λv.⊥ ↓ λv.T

= if(λv.⊥, if(λv.T, T,⊥), if(λv.T,⊥, λz.(λv.⊥)z ↓ (λv.T)z))

= λz.(λv.⊥)z ↓ (λv.T)z)

= λz.⊥ ↓ T

= λz.⊥

weiß man, dass die beiden Terme in der Relation der Scott-Ord-nung stehen (siehe Kapitel 4.6):

λv.⊥ � λv.T ⇔

λv.⊥ ≡ λv.⊥ ↓ λv.T

Trivialerweise gilt ebenso λv.T � λv.T aufgrund der Reflexi-vität der Scott-Ordnung, so dass λv.T eine obere Schranke fürλv.T und λv.⊥ ist. (Da T bezüglich der Scott-Ordnung maximalist, stellt T zwar immer eine obere Schranke dar, jedoch gäbeuns diese Wahl nicht den gewünschten Übungseffekt.) Es exis-tiert also eine kleinste obere Schranke, die wie folgt berechnetwird:

↑ (λv.⊥, λv.T, λv.T)

≡ if(λv.T, λv.⊥ : λv.T : T,¬λv.⊥ : ¬λv.T :

λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u))

≡¬λv.⊥ : ¬λv.T : λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u)

≡ if(¬λv.⊥,¬λv.T : λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

26

5.3 kohärente abbildungen

≡ if(if(λv.⊥, F, T),¬λv.T : λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

≡ if(T,¬λv.T : λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

≡¬λv.T : λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u)

≡ if(¬λv.T, λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

≡ if(if(λv.T, F, T), λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

≡ if(T, λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u),⊥)

≡λu. ↑ ((λv.⊥)u, (λv.T)u, (λv.T)u)

≡λu. ↑ (⊥, T, T)

≡λu. if(T,⊥ : T : T,¬⊥ : ¬T : λu. ↑ ((⊥)u, (T)u, (T)u))

≡λu.⊥ : T : T

≡λu. if(⊥, T : T,⊥)

≡λu.⊥

Somit muss λv.T � λv.⊥ ≡ λu.⊥ gelten und mit λv.⊥ � λv.Tfolgt, dass λv.T ≡ λv.⊥, da die Scott-Ordnung antisymmetrischist. Da es aber einen geschlossenen Term t := λv1.(λv2.v2)v1 gibt,so dass

(λv1.(λv2.v2)v1)λv.⊥ ≡ ⊥ 6≈ T ≡ (λv1.(λv2.v2)v1)λv.T

und somit ergibt sich ein Widerspruch!

27

grafische modellierung der abbildungstheorie

28

6A B S T R A K T I O N I N D E R ABBILDUNGSTHEORIE

Im folgenden Kapitel wird basierend auf dem bisher entwickel-ten Begriff der Abstraktion der Formalismus der abstrakten Lo-giken, wie er in [Zei99] vorgestellt wurde, auf die Abbildungs-theorie angewandt. Abstrakte Logiken in der Form von Zeitzeignen sich dazu, jede beliebige Logik in größtmöglicher Ab-straktion zu notieren, so dass ein einheitlicher Formalismus zurBeschreibung verschiedener Logiksprachen gegeben ist. Es kanninsofern jede beliebige Logik dargestellt werden, dass der Forma-lismus der abstrakten Logik nur verlangt, dass eine Syntax undeine Semantik gegeben sein muss, wobei die Semantik so zu ver-stehen ist, dass bestimmte Sätze der Logik ausgezeichnet sind.1

Die Syntax- und Semantikdefinition der abstrakten Logiken ver-langen jeweils keine Grammatik oder induktiv-strukturelle Inter-pretation, sondern einzig eine Aufzählung der Sätze bzw. ausge-zeichneten Sätze als beliebige Teilmengen der Sätze.

6.1 abstrakte logiken

Die abstrakten Logiken werden durch mengentheoretische Mit-tel auf Basis der Tupelbildung, welche ebenfalls in der Kuratow-ski-Notation als Menge dargestellt werden kann, und auf Basisder Elementrelation beschrieben. Die Abbildungstheorie ver-wendet ebenfalls implizit diese 2-Tupel-Notation insofern, dasssie „nacheinander“ Syntax und Semantik definiert, so dass dieNotation der abstrakten Logiken durchaus gerechtfertigt werdenkann. Die Abbildungstheorie verwendet dabei eine konkrete,induktiv strukturierte Syntax von Sätzen, deren Wörter funktio-nalen Charakter haben und Sätze somit als Programme betrach-tet werden können. Wendet man nun die abstrakte Darstellungs-weise der abstrakten Logiken auf die Abbildungstheorie an,so fällt die Analogie des abstrakten M-Computers als Black-Box,wie sie in Kapitel 4 beschrieben wurde, und der abstrakten Se-mantik der Auszeichnung von bestimmten Sätzen in abstraktenLogiken auf.

1 Dies können z. B. die wahren Sätze einer Sprache sein, wenn man als erkennt-nistheoretische Annahme einen minimalen Realismus anerkennt, der zumin-dest approximativ wahre Sätze zulässt, ansonsten kann man auch als Verfech-ter des kritischen Rationalismus Theorien als besondere Teilmenge aller Aus-sagen sehen, die prinzipiell falsifizierbar sind.

29

abstraktion in der abbildungstheorie

6.1.1 Syntax und Semantik der abstrakten Logik

Definition 6.1 Syntax und Semantik einer abstrakten Logik2

Sei L = (L, B) eine abstrakte Logik, wobei L die Sprache der Lo-gik umfasst, deren Elemente (L-)Formeln genannt werden, und B ⊆

P(L) die Basis der Logik, deren Elemente beliebige Teilmengen derSprache sein können und (L-)Theorien genannt werden.

Abstrakte Logiken sind also ein Darstellungsformalismus imSinne einer besonders abstrakten Sprache der Logik: Sie abstra-hieren vom induktiven Aufbau der Wörter und Sätze einer Spra-che und definieren als Syntax eine beliebige Menge von Symbo-len, die die Rolle von Sätzen einnehmen und induktiv definiertsein können über einem bestimmten Alphabet. Weiterhin abstra-hieren sie von der Interpretation der Wörter als kleinste bedeu-tungstragende Einheiten (Linguisten mögen über diese Verall-gemeinerung an dieser Stelle hinwegsehen) und machen Sätzeinsofern zu den kleinsten bedeutungstragenden Einheiten, dasssie in extensionaler Deutung als wahr betrachtet werden odernicht. Unter letztere Kategorie fallen auch diejenigen Sätze, de-ren Wahrheitsbestimmung nicht terminierte, insofern wird auseiner dreiwertigen Sprache eine zweiwertige Sprache, weil nicht-wahre Sätze nicht in den Mengen enthalten sind, die alle wahrenSätze der Sprache enthalten, den Theorien.

6.1.2 Abstraktion des Theoriebegriffs

Dass ich hier den Terminus der Theorie gewählt habe, ist inso-Theoriefern eine eigentlich unzulässige Attributzuschreibung für eineMenge, da diese Menge keinerlei Einschränkungen unterworfenist. Insbesondere muss die Sprache der Logik nicht zwangsläu-fig realitätsbezogen interpretierbar sein, empirisch belegbar oderin Axiome und Hypothesen aufteilbar sein. Die einzige Bedin-gung, die an ein Element der Basis gestellt wird ist diejenige,dass sie abgeschlossen bezüglich der logischen Deduktion seinmuss, wobei hier mit logischer Deduktion lediglich eine Schluss-folgerungsweise gemeint ist, die von Theorien auf Einzelaussa-gen schließen lässt, die dadurch ebenfalls Bestandteil der Theo-rie sein sollen. Es kann also mit Sätzen der Theorie ein Argu-ment formuliert werden, deren Prämissen in einer intuitiv sinn-vollen Reihenfolge aufeinander aufbauen und in einer bestimm-ten, mit der Theorie vereinbaren Auffassung zu rechtfertigendenKonklusion führen. Diese Aussagenmenge soll nicht zuletzt des-halb Theorie genannt werden, weil eine Auffassung eines Sub-jekts idealerweise genau dann existieren soll, wenn diese Theo-

2 Ich wähle hier die Notation aus [Zei99], deren Motivation wiederumaus [Cle91] entlehnt ist.

30

6.1 abstrakte logiken

rie erfüllbar ist und wenn jeder Satz, der aus dieser Theorie folgt,bereits zu dieser gehört, also ebenfalls vereinbar sein soll mit derjeweiligen Auffassung oder „Logik“ eines Subjekts.

Dies ist insofern idealisierend, dass denkende Subjekte in allerRegel nicht alle Konsequenzen ihres Denkens akzeptieren wür-den, wenn sie den „Abschluss“ ihrer Auffassung bilden wür-den. Darüberhinaus soll eine Theorie als widerspruchsfrei gel-ten, d. h. keine analytische Falschheit enthalten, die ohne weite-re Annahmen in der Auffassung als falsch bezeichnet werdenwürde. Nun gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wasals analytisch falsch beurteilt wird und um auch davon zu ab-strahieren, gilt auch hier nur die Einschränkung der deduktivenAbgeschlossenheit, d. h. selbst eine Theorie, die alle L-Formelnenthielte, kann als widerspruchsfrei aufgefasst werden, da inihr damit nicht unbedingt das Prinzip des Widerspruchs ent-halten sein muss. Lediglich wenn die logische Falschheit oderderen Äquivalent in dieser L-Formelmenge enthalten wäre, wür-de man konsequenterweise diese nicht als Theorie akzeptieren,denn einer logischen Falschheit kann nicht ernsthaft als logischeWahrheit gedeutet werden. Die Semantik von Sätzen abstrak-ter Logiken wurde also nur auf die Existenz einer Interpreta-tion und die Unterscheidung zwischen wahr und falsch einge-schränkt, also einer gewissen Auszeichnung von Sätzen. Wie ge-nau diese Interpretation aussieht, ist beliebig und – in abstraktenWorten – von spezieller Natur und nicht von allgemeiner Natur.

Ob nun ein Satz einer abstrakten Logik ein wahrer Satz ist undin unserer Auffassung als solch ein wahrer Satz einer Theoriebetrachtet wird, entspricht technisch nur der Frage des Wort-problems: Ist dieser Satz in der Theorie enthalten? Vorausge-setzt die Repräsentation der Theorie läge bereits in deduktiv-abgeschlossener Form vor, so hätte eine Maschine, die prüft, obein Wort in dieser Repräsentation enthalten ist, höchstens linea-ren Aufwand. Wenn man davon ausginge, dass diese Maschi-ne auf einem Axiomensystem mit einer Schlussfolgerungswei-se operierte, würde diese versuchen, das gesuchte Wort zu de-duzieren und im Falle einer Entscheidung eine entsprechendeLampe aufleuchten lassen können. Man stellt wohl spätestenshier fest, dass diese abstrakte Maschine ein M-Computer seinkann, der über Formeln der Abbildungstheorie entscheidenkönnte. Dieser M-Computer würde also als eine Art Black-Boxden Reduktions- oder Deduktionsalgorithmus für Eingaben vonSätzen, also Programmen ausführen. Dies spiegelt die Abstrak-tion in der Notation der abstrakten Logiken direkt wieder undist ebenso eine Abstraktion gemäß der Aristotelischen Aphai-resis. Die diesbezüglich relevanten Merkmale von Sätzen derAbbildungstheorie sind jene, ob sie wahre Sätze sind und da-

31

abstraktion in der abbildungstheorie

mit gemäß unserer Auffassung akzeptiert werden würden imHinblick auf eine Theorie und eine Schlussfolgerungsweise.

6.2 abstrakte logik in der abbildungstheorie

Im Folgenden wird eine „konkrete“ abstrakte Logik in der Ab-bildungstheorie entwickelt, der Einfachheit halber die Aussa-genlogik La. Deren Semantik soll auf dem M-Computer simu-liert werden, welcher für den Benutzer als Black-Box erschei-nen kann, jedoch kann sich der Benutzer auch mit der opera-tionalen Semantik vertraut gemacht haben. Insofern ist diesesKonzept der Datenkapselung analog der Abstraktion der Seman-tik der abstrakten Logiken. Zunächst werden die aussagenlogi-schen Operatoren definiert und auf ihre Eigenschaften in der Ab-bildungstheorie untersucht und anschließend die Syntax derabstrakten Aussagenlogik in der Abbildungstheorie definiert.Weiterhin wird die Black-Box der Semantik konkret mit einerinduktiven Struktur definiert.

6.2.1 Aussagenlogische Operatoren

In der Abbildungstheorie lassen sich logische Operatoren defi-nieren, mit deren Hilfe anschließend am Beispiel der Aussagen-logik eine abstrakte Logik in der Notation der Abbildungstheo-rie formulieren wird, wodurch veranschaulicht werden soll, dassder abstrahierende Begriff der Basis der Abstraktion des M-Com-puters entspricht.

Definition 6.2 Aussagenlogische OperatorenAussagenlogischeOperatoren Die aussagenlogischen Operatoren seien wie folgt definiert:

Falsum F := λv1.T

Negation ¬x := if(x, F, T)

Konjunktion x ∧ y := if(x, if(y, T, F), if(y, F, F))

Disjunktion x ∨ y := if(x, if(y, T, T), if(y, T, F))

Implikation x → y := if(x, if(y, T, F), if(y, T, T))

Äquijunktion x ↔ y := if(x, if(y, T, F), if(y, F, T))

Mit den obigen Axiomen und Inferenzregeln aus Kap. 4.4 las-sen sich folgende Äquivalenzen beweisen. Wie man leicht fest-stellen kann, bewahren aussagenlogische Operatoren den Bot-tom-Term ⊥ (sie sind also bottom-preserving).

32

6.2 abstrakte logik in der abbildungstheorie

Negation ¬T ≡ F ¬F ≡ T ¬⊥≡ ⊥

KonjunktionT ∧ T ≡ T T ∧ F ≡ F T ∧⊥≡ ⊥

F ∧ T ≡ F F ∧ F ≡ F F ∧⊥≡ ⊥

⊥∧ T ≡ ⊥ ⊥∧ F ≡ ⊥ ⊥∧⊥≡ ⊥

DisjunktionT ∨ T ≡ T T ∨ F ≡ T T ∨⊥≡ ⊥

F ∨ T ≡ T F ∨ F ≡ F F ∨⊥≡ ⊥

⊥∨ T ≡ ⊥ ⊥∨ F ≡ ⊥ ⊥∨⊥≡ ⊥

ImplikationT → T ≡ T T → F ≡ F T → ⊥≡ ⊥

F → T ≡ T F → F ≡ T F → ⊥≡ ⊥

⊥ → T ≡ ⊥ ⊥ → F ≡ ⊥ ⊥ → ⊥≡ ⊥

ÄquijunktionT ↔ T ≡ T T ↔ F ≡ F T ↔ ⊥≡ ⊥

F ↔ T ≡ F F ↔ F ≡ T F ↔ ⊥≡ ⊥

⊥ ↔ T ≡ ⊥ ⊥ ↔ F ≡ ⊥ ⊥ ↔ ⊥≡ ⊥

Auf den ersten Blick könnte man die Konjunktion auch wiefolgt definieren:

x ∧ y?

:= if(x, if(y, T, F), F),

jedoch stellt sich bei genauerem Hinsehen heraus, dass sich füry ≡ ⊥ und x ∈ F die Äquivalenz x ∧ y ≡ F ergeben würde,statt des Bottom-bewahrenden Ergebnisses ⊥. Analoges gilt fürdie anderen aussagenlogischen Operatoren.

Für die Implikation gilt folgendes Lemma.

Lemma 6.3 Implikation

x → y gilt genau dann, wenn if(x, y, T) ≡ if(x, T, T)

Beweis 6.4 Implikation

i. x ≡ ⊥, y beliebig:

if(x, y, T) ≡ if(x, T, T) ⇒

⊥ ≡ ⊥

ii. x ∈ F , y beliebig:

if(λv.v, y, T) ≡ if(λv.v, T, T) ⇒

T ≡ T

33

abstraktion in der abbildungstheorie

iii. x ∈ U :

if(T, y, T) ≡ if(T, T, T)

i. y ∈ U :T ≡ T

ii. y ∈ F :y 6≡ T

iii. y ≡ ⊥:⊥ 6≡ T

iv. x ≡ ⊥, y beliebig:

if(x, y, T) ≡ if(x, T, T) ⇒

⊥ ≡ ⊥

Weiterhin ist Folgendes erwähnenswert: Zwar kann die ge-wohnte Tatsache, dass ¬¬¬x ≡ if(if(if(x, F, T), F, T), F, T) äqui-valent zu ¬x ≡ if(x, F, T) ist, in der Abbildungstheorie bewie-sen werden:

if(if(if(x, F, T), F, T), F, T)?≡ if(x, F, T)

i. x ∈ U : ¬¬¬x ≡ F ≡ ¬x

ii. x ∈ F : ¬¬¬x ≡ T ≡ ¬x

iii. x ≡ ⊥: ¬¬¬x ≡ ⊥ ≡ ¬x

Jedoch ist ¬¬x ≡ x in der Abbildungstheorie nicht gültig.Sei x = λv.⊥, so gilt

¬¬λv.⊥ ≡ if(if(λv.⊥, F, T), F, T) ≡ F ≡ λv.T

und das ist wiederum nicht äquivalent zu λv.⊥. Dies weist dar-auf hin, dass das Quartum Non Datur gemäß der intuitionis-tischen Kritik nicht unbedingt bedenkenlos eingesetzt werdenkann.

6.2.2 Syntax und Semantik der abstrakten Aussagenlogik

Um zu zeigen, dass abstrakte Logiken in der Abbildungstheo-rie dargestellt werden können und Sätze, also z. B. Programmevon aussagenlogischen Formeln vom fiktiven M-Computer „be-rechnet“ werden können, sei wie folgt konkret die abstrakte klas-sische Aussagenlogik in der Abbildungstheorie La definiert,welche der aussagenlogischen Sprache mit der gewohnten Se-mantik entspricht.

34

6.2 abstrakte logik in der abbildungstheorie

Definition 6.5 Syntax der abstrakten Aussagenlogik La

Die Syntax der abstrakten klassischen Aussagenlogik in der Abbil- Syntax der ab-strakten Aussa-genlogik

dungstheorie ist auf den disjunkten Alphabeten V , welches einemöglicherweise unendliche Menge von Aussagensymbolen enthält, und{¬,∧,∨,→, T, F} aufgebaut, wobei das Urelement dem Verum T ent-spricht, das Falsum dem „abstrahierten“ Verum λv.T und die Mengeder Operatoren wird wie oben definiert als Operatoren integriert durchdie folgende induktive Definition:

i. T, F ∈ L

ii. V ⊆ L

iii. Wenn a ∈ L, so ist auch ¬a ∈ L.

iv. Wenn a1, a2 ∈ L, so sind auch (a1 ∨ a2), (a1 ∧ a2), (a1 → a2) ∈

L.

v. Keine weiteren Elemente sind in L enthalten, so dass L die kleinsteMenge ist, die die obigen Eigenschaften erfüllt.

Die Semantik der abstrakten klassischen Aussagenlogik in derAbbildungstheorie entspricht der Basis der abstrakten Aussa-genlogik, welche auf verschiedene Art und Weise definiert wer-den kann.3 Im einfachen Fall soll davon ausgegangen werden,dass es keine Aussagensymbole mit beliebigen aber festen Zu-ordnungen von Auszeichnungsattributen gibt, d.h. im Falle derklassischen Logik mit beliebigen aber festen Wahrheitswerten,sondern nur die Wahrheitswerte auf die T bzw. F abgebildetwerden (die syntaktische Symbole sind). Die Theorie der Tauto-logien entspricht dann der kleinsten Menge THLa mit den fol-genden Eigenschaften:

i. T ∈ THLa

ii. F 6∈ THLa

iii. Wenn a ∈ L \ THLa , so ist ¬a ∈ THLa .

iv. Wenn a1, a2 ∈ THLa , so sind auch (a1 ∧ a2), (a1 ∨ a2), (a1 →

a2), (a1 ↔ a2) ∈ THLa .

v. Wenn a1 ∈ THLa und a2 6∈ THLa , so sind (a1 ∨ a2), (a2 ∨

a1), (a2 → a1) ∈ THLa .

vi. Wenn a1, a2 6∈ THLa , so sind (a1 → a2), (a1 ↔ a2) ∈ THLa .

Diese Definition ließe aber nicht die Möglichkeit offen für dasKonzept von Aussagensymbolen im Sinne von Theorien, diein der Wissenschaftstheorie gewöhnlicherweise auch Hypothe-

3 Hiermit ist nicht gemeint, dass die Basis eine beliebige Teilmenge der Potenz-menge über den Sätzen der Logik ist, dieses ist natürlicherweise der Fall. Viel-mehr soll hier gemäß der induktiven Struktur der gewohnten aussagenlogi-schen Formeln vollständige Theorien definiert werden. Wie dem Beispiel zuentnehmen ist, kann sowohl die Theorie der Tautologien ohne weitere An-nahmen definiert werden, als auch zusätzliche Annahmen hinzugenommenwerden, so dass verschiedene Theorien entstehen.

35

abstraktion in der abbildungstheorie

sen umfassen. Da die aussagenlogischen Operatoren mit demStandard-Konstruktor if modelliert wurden, welcher auf Termenaus T operiert, müssen die Aussagensymbole mit der Mengeder Variablen V identifiziert werden und davon ausgegangenwerden, dass der Benutzer des M-Computers „sinnvolle“ Sätzeals Eingaben formuliert, die als Terme auf T und F operieren,da kein Typisierungssystem implementiert ist. Weiterhin müssteein Konzept der Datenstrukturen realisiert sein, mit der eine Artvon Environment definiert werden kann, aus dem hervorgeht,wie die Aussagensymbole belegt wurden, um letztlich die ent-sprechende Lampe für T oder F aufleuchten lassen zu können.

Definition 6.6 Semantik der abstrakten Aussagenlogik La

Die Semantik der abstrakten klassischen Aussagenlogik in der Ab-Semantik derabstraktenAussagenlogik

bildungstheorie entspricht der Basis der abstrakten Aussagenlogik,welche aus folgenden Mengen induktiv definiert ist und über die Wahlder positiven Literale THLa ⊆ V als atomare, ausgezeichnete Sätzeaufgebaut wird und die Theorien voneinander unterscheidet.

i. T ∈ THLa

ii. F 6∈ THLa

iii. Wenn a ∈ L \ THLa , so ist ¬a ∈ THLa .

iv. Wenn a1, a2 ∈ THLa , so sind auch (a1 ∧ a2), (a1 ∨ a2), (a1 →

a2), (a1 ↔ a2) ∈ THLa .

v. Wenn a1 ∈ THLa und a2 6∈ THLa , so sind (a1 ∨ a2), (a2 ∨

a1), (a2 → a1) ∈ THLa .

vi. Wenn a1, a2 6∈ THLa , so sind (a1 → a2), (a1 ↔ a2) ∈ THLa .

vii. Keine weiteren Elemente sind in THLa enthalten, so dass THLa

die kleinste Menge ist, die die obigen Eigenschaften erfüllt.

Die Basis Ba von La ist also durch Ba := {B ⊆ L | V ⊆

THLa} definiert. La := (L, Ba) beschreibt also die klassischeAussagenlogik in der Abbildungstheorie.

36

A N H A N G

foliensatz

Während des Projektes stellten Florian Eilers, Helen Perkunderund Andrea Hillenbrand die Abbildungstheorie mit Hilfe ei-nes Foliensatzes vor, der unter http://user.cs.tu-berlin.de/

~patinkin/MTfolien.pdf heruntergeladen werden kann.

priorisierung ausgewählter operatoren

x ⋗ y bedeutet, dass x eine größere Priorität besitzt als y. x.= y

bedeutet, dass x dieselbe Priorität besitzt wie y.

xy ⋗

x ◦ y ⋗

x ↓ y ⋗

¬x.=

!x.=

?x ⋗

x ∧ y ⋗

∃̂x : y.=

∀x : y.=

∃x : y.=

εx : y ⋗

if(x, y, z)⋗

λx.y ⋗

x ≡ y.=

x � y ⋗

x → y ⋗

x : y ⋗

x := y

37

abstraktion in der abbildungstheorie

assoziativität ausgewählter operatoren

xyz.→ (xy)z

x ◦ y ◦ z.→ (x ◦ y) ◦ z

x ↓ y ↓ z.→ (x ↓ y) ↓ z

x ∧ y ∧ z.→ (x ∧ y) ∧ z

x ∨ y ∨ z.→ (x ∨ y) ∨ z

x → y → z.→ (x → y) → z

x ↔ y ↔ z.→ (x ↔ y) ↔ z

x : y : z.→ x : (y : z)

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