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1 9. Schulentwicklung I. Unterrichtsentwicklung 1 EVA (Klippert) Eigenverantwortliches Arbeiten (EVA) und Lernen ist eine Methode, um bei Schülern die Schlüsselqualifikationen Selbstständigkeit, Methodenkompetenz, Kommunikations- fähigkeit, Teamfähigkeit, Kreativität, Eigeninitiative, Zielstrebigkeit, Verantwortungs- bewusstsein möglichst wirksam zu fördern. Diese Erkenntnis ist unter Pädagogen seit langem bekannt und wurde in den letzten Jahren von Heinz Klippert unter diesem Begriff systematisiert und vermarktet. Diese Qualifikationen können nur schwer von Schülern erworben werden, wenn ausschließlich der Lehrer exzerpiert, strukturiert, interpretiert, analysiert, argumentiert, organisiert, Probleme löst oder den Unterricht in sonstiger Weise managt und dominiert. Hochformen wie Projektarbeit, Stationenbetrieben oder Wochenplanunterricht können nicht von Anfang an eingesetzt werden. EVA muss viel schlichter im ganz normalen Fachunterricht intensiviert werden - kleinschrittig und unspektakulär. Die Intensivierung des eigenverantwortlichen Arbeitens und Lernens setzt voraus, dass Schüler über tragfähige methodische Kompetenzen und Routinen verfügen, die ihnen persönlichen Erfolg sichern und nachhaltige Motivationen aufbauen helfen. Basiskompetenzen wie gängige Lern- und Arbeitstechniken (Markieren, Exzerpieren, Strukturieren und Visualisieren), grundlegende Argumentations- und Kommunikationstechniken und die systematische Kultivierung von Teamfähigkeit müssen also gelernt, geübt und im Regelunterricht ständig gepflegt werden. Erst diese Sockelqualifikationen (Methodentraining, Kommunikationstraining und Teamentwicklung) bilden das solide Fundament für EVA. Wenn man voraussetzt, dass neben der Fachkompetenz auch das Erlernen von Teamfähigkeit, das Erwerben methodischer und kommunikativer Kompetenz notwendig ist, muss der Lehrer seine Rolle neu überdenken. Er ist nicht mehr der Initiator, nicht mehr der alleinige Instrukteur, sondern mehr Moderator, Berater und Arrangeur. Wer sich zuerst als Beobachter und Helfer versteht, wird Selbstständigkeit vermitteln können. Das eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen zeichnet sich durch einen klaren Lehrplan- und Themenbezug aus sowie dadurch, dass die Schüler veranlasst werden, sich in vielfältiger Weise in das jeweilige Thema "hineinzubohren" bzw. "hineinzudrehen", um möglichst nachhaltig inhaltliche und methodische Kompetenzen aufzubauen. Der Begriff Lernspirale soll dieses "eindringliche" Lernen belegen.

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9. Schulentwicklung

I. Unterrichtsentwicklung

1 EVA (Klippert)

Eigenverantwortliches Arbeiten (EVA) und Lernen ist eine Methode, um bei Schülern die Schlüsselqualifikationen Selbstständigkeit, Methodenkompetenz, Kommunikations-fähigkeit, Teamfähigkeit, Kreativität, Eigeninitiative, Zielstrebigkeit, Verantwortungs-bewusstsein möglichst wirksam zu fördern. Diese Erkenntnis ist unter Pädagogen seit langem bekannt und wurde in den letzten Jahren von Heinz Klippert unter diesem Begriff systematisiert und vermarktet. Diese Qualifikationen können nur schwer von Schülern erworben werden, wenn ausschließlich der Lehrer exzerpiert, strukturiert, interpretiert, analysiert, argumentiert, organisiert, Probleme löst oder den Unterricht in sonstiger Weise managt und dominiert. Hochformen wie Projektarbeit, Stationenbetrieben oder Wochenplanunterricht können nicht von Anfang an eingesetzt werden. EVA muss viel schlichter im ganz normalen Fachunterricht intensiviert werden - kleinschrittig und unspektakulär. Die Intensivierung des eigenverantwortlichen Arbeitens und Lernens setzt voraus, dass Schüler über tragfähige methodische Kompetenzen und Routinen verfügen, die ihnen persönlichen Erfolg sichern und nachhaltige Motivationen aufbauen helfen. Basiskompetenzen wie gängige Lern- und Arbeitstechniken (Markieren, Exzerpieren, Strukturieren und Visualisieren), grundlegende Argumentations- und Kommunikationstechniken und die systematische Kultivierung von Teamfähigkeit müssen also gelernt, geübt und im Regelunterricht ständig gepflegt werden. Erst diese Sockelqualifikationen (Methodentraining, Kommunikationstraining und Teamentwicklung) bilden das solide Fundament für EVA. Wenn man voraussetzt, dass neben der Fachkompetenz auch das Erlernen von Teamfähigkeit, das Erwerben methodischer und kommunikativer Kompetenz notwendig ist, muss der Lehrer seine Rolle neu überdenken. Er ist nicht mehr der Initiator, nicht mehr der alleinige Instrukteur, sondern mehr Moderator, Berater und Arrangeur. Wer sich zuerst als Beobachter und Helfer versteht, wird Selbstständigkeit vermitteln können. Das eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen zeichnet sich durch einen klaren Lehrplan- und Themenbezug aus sowie dadurch, dass die Schüler veranlasst werden, sich in vielfältiger Weise in das jeweilige Thema "hineinzubohren" bzw. "hineinzudrehen", um möglichst nachhaltig inhaltliche und methodische Kompetenzen aufzubauen. Der Begriff Lernspirale soll dieses "eindringliche" Lernen belegen.

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Frontalunterricht (Gudjons, Herbert)

Frontalunterricht richtig eingesetzt

Frontalunterricht ist nicht überholt, Projektarbeit nicht das Allheilmittel gegen Langeweile und Fremdbestimmung. Herbert Gudjons, Professor für Erziehungswissenschaft in Hamburg, macht Lehrerinnen und Lehrern Mut, den verpönten Frontalunterricht, der - mit schlechtem Gewissen - während 75 % der Unterrichtszeit praktiziert wird, bewusster und gekonnter einzusetzen. Wichtig ist dabei, frontale Unterrichtsphasen mit anderen, offeneren Unterrichts- oder Sozialformen zu kombinieren. Und das ist auch die Grundthese des Autors.

Frontalunterricht hat unverzichtbare didaktische Funktionen. Er kann, wenn er "in Unterrichtsformen integriert ist, die Eigentätigkeit, Selbstverantwortung, Selbststeuerung und Kooperation der Lernenden fördern" (S. 8). Wichtig ist vor allem, dass Lehrende sich bewusst machen, dass es "nicht möglich und sinnvoll [ist], im Frontalunterricht ständig fertige Wissenssysteme zu vermitteln, [...] das Lernen im Gleichschritt anzustreben, ohne Spielräume für die Eigenaktivität der Lernenden zu eröffnen." (S. 144) Mit dem Konzept des "integrierten Frontalunterrichts" dagegen kann eine Verbindung von induktivem - also entdeckendem - und deduktivem Lernen gelingen. Denn entdeckendes Lernen kann umgekehrt nur auf der Basis ausreichenden Vorwissens erfolgen. Somit bleibt die instruktionale Anleitung durch die Lehrkraft unverzichtbar. Instruktion und Konstruktion sind keine Gegensätze.

Frontalunterricht ist also keine "Allzweckwaffe" (S. 46), sondern für ganz bestimmte Unterrichtsziele sehr effektiv. Gudjons nennt eine ganze Reihe von Vorteilen dieses integrierten Frontalunterrichts, z. B. die gemeinsame Ergebnissicherung, das Üben und Wiederholen oder die Stärkung der Klassengemeinschaft. Zu jedem Punkt gibt er didaktische Hinweise und macht auf häufige Fehler aufmerksam. Beispielsweise ist im verbreiteten fragend-entwickelnden Unterrichtsstil der Sprechanteil des Lehrers mit 70% meist viel zu hoch und die Wartezeit nach einer Frage mit knapp einer Sekunde viel zu kurz. Gudjons schlägt zwei bis drei Sekunden vor. Durchschnittlich stellen Lehrer im Natur- und Sozialkundeunterricht der Primarstufe pro Stunde etwa 150 Fragen, so dass Gudjons zu dem Resultat gelangt, an dem 1908 bereits von Gaudig bemängelten Despotismus der Lehrerfrage habe sich wenig geändert. Die Aktivität der Schüler wird größer, wenn der Lehrer weniger fragt.

Der Methodenteil ist systematisch aufgebaut und macht vielfältige weiterführende Vorschläge, so zum Einstieg in ein Thema, zum Lehrervortrag, zur Arbeit mit der Tafel oder Folien und dem richtigen Einsatz von Bildern und den damit verbundenen Gefahren - z.B. dass der Lehrer den Lernstoff einfach darbietet, anstatt ihn von den Lernenden erarbeiten zu lassen -, oder zu Gesprächsformen und Interaktionsspielen. Immer wieder werden die theoretischen Überlegungen durch Beispiele aus der Praxis illustriert. Sehr wertvoll sind auch die Hinweise zum Klassenmanagement, zum Klassenklima, zu Details wie der Sitzordnung der Schüler, der Position der Lehrkraft

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im Raum und vor allem ihrer Körpersprache. So sollte ein Lehrer vor dem Sprechen Blickkontakt zu den Schülern aufbauen, aber einzelne Schüler nicht zu lange und intensiv ansehen. Allein schon die Körperhaltung kann aktive Beiträge der Schüler ermuntern, wenn sie entspannt ist, oder umgekehrt auch hemmen. Kohäsion, Vertrauen und Disziplin in einer Klasse zu fördern, ist kein überflüssiger Luxus, sondern beeinflusst massiv die Lernleistung der Schüler. Gerade diese profunden psychologischen Analysen machen das Buch so wertvoll.

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Projektorientierter Unterricht (Dewey, Gudjons, Frey)

Definitionen, Phasen und Kriterien

Projektorientiertes Arbeiten kann eine für den gemeinsamen Unterricht geeignete Unterrichtsform sein. Zunächst sollen die folgenden Beschreibungen eine Bandbreite dessen aufzeigen, was "Projekt" ausmacht bzw. ausmachen kann, um dann Gemeinsamkeiten herauszufiltern, die es auch der Einsteigerin oder dem Einsteiger erleichtern, einen übersichtlichen Zugang zum "Projektunterricht" zu bekommen.

"Ein Projekt"

stellt den gemeinsamen von Lehrern, Schülern, hinzugezogenen Eltern, Experten usw. unternommenen Versuch dar, Leben, Lernen und Arbeiten derart zu verbinden, dass ein gesellschaftlich relevantes, zugleich der individuellen Bedürfnis- und Interessenlage der Lehrer und Schüler entsprechendes Thema oder Problem innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers aufgearbeitet werden kann. Der Arbeits- und Lernprozess, der durch die Projektidee ausgelöst und organisiert wird, ist dabei ebenso wichtig wie das Handlungsergebnis oder Produkt, das am Ende des Projektes stehen soll.

(MEYER 1987, 143-144)

"Projektmethode"

wird als ein Stufenschema von Zielsetzung, Planung, Ausführung, Auswertung beschrieben, dass als Lernort das soziale Umfeld anstrebt, also über den schulischen Rahmen hinausgeht, und versucht Einstellungsänderungen sowohl bei den Lernenden als auch in der Öffentlichkeit zu erzielen. (vgl. MEYER 1986, 339.)

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"Projekt"

lässt sich durch einen Merkmalskatalog von 10 Punkten beschreiben:

• Situationsbezug und Lebensweltorientierung • Orientierung an den Interessen der Beteiligten • Selbstorganisation und Selbstverantwortung • gesellschaftliche Praxisrelevanz • Zielgerichtete Projektplanung • Produktorientierung • Einbeziehen vieler Sinne - Soziales Lernen • Interdisziplinarität • Grenzen (GUDJONS 1986, 58ff).

Als Komponenten für einen idealisierten Projektverlauf nennt Frey:

• Auseinandersetzung mit der Projektinitiative (Projektskizze) • Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes (Projektplan) • Projektdurchführung • Beendigung des Projekts (FREY 1990, 58ff).

Projektunterricht

ist eine schulische Arbeitsform, die von einer gemeinsamen Arbeitsaufgabe für eine Gruppe ausgeht, und auf ein vorweisbares bzw. vorführbares Ergebnis als Werk gerichtet ist. Die Aufgabenstellung orientiert sich dabei an den Möglichkeiten und - zum Teil erst durch das Projekt geweckten - Interessen der Schülerinnen und Schüler, von denen jeder einen Arbeitsteil, der zur Vollendung des Werkes oder zur Lösung des Problems notwendig ist, übernimmt und ausführt. (vgl. STRUCK 1980, 21).

HÄNSEL listet Aufgaben auf, die von Lehrern bewältigt werden müssen, um Projektunterricht durchführen zu können:

Inhaltsbezogene Aufgaben:

• Eine wirkliche Sachlage auswählen, die für die Schülerinnen und Schüler ein echtes Problem darstellt.

• einen gemeinsamen Plan zur Problemlösung entwickeln, • eine handlungsbezogene Auseinandersetzung mit dem Problem herstellen, • die gefundene Problemlösung an der Wirklichkeit überprüfen.

Methodenbezogene Aufgaben:

• Die Voraussetzungen des Experimentes klären. • Das Ziel des Experimentes bestimmen • Versuchsbedingungen herstellen • Das Ergebnis des Experiments überprüfen (HÄNSEL 1991, 39).

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Projektstruktur

Projektidee

o eine Projektidee "entsteht"

1. Auseinandersetzung mit der Projektidee o die Projektidee diskutieren o eigene Ideen und Wünsche einbringen o soziale Regeln und Regeln der Diskussion beachten o eine Ideensammlung erstellen o eine Projektskizze erstellen

2. Gemeinsame Absprachen über die Vorgehensweise o die Ideensammlung/Projektskizze auf Durchführbarkeit überprüfen o Meinung äußern o Absprachen über die Aufgabenverteilung treffen o einen Projektplan erstellen

3. Durchführung des Projektes o Organisationsformen und Methoden festlegen o den Weg zum Ziel planen o Arbeitszeiten und Arbeitsorte planen

4. Projektpräsentation o die Projektpräsentation planen o die Projektpräsentation durchführen

Projektorientierter Unterricht im Gemeinsamen Unterricht

Im Gemeinsamen Unterricht stehen Lehrerinnen und Lehrer vor der Aufgabe, einen Widerspruch aufzuheben:

Zum einen soll der Unterricht auf alle Schülerinnen und Schüler der Klasse ausgerichtet sein, zum anderen sollen Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung ihrer individuellen Lern- und Leistungsvoraussetzungen gefördert werden und dies bei einer vergrößerten Bandbreite im Vergleich zu Regelklassen.

Eine Lösungsmöglichkeit scheint eine am Projekt orientierte Unterrichtsform zu sein. Das Projektthema stellt eine gemeinsame Aufgabe für alle beteiligten Schülerinnen und Schüler dar. Jede Schülerin und jeder Schüler kann sich entsprechend ihrer oder seiner individuellen Fähigkeiten auf unterschiedlichen Niveaustufen zum Thema einbringen bzw. einbezogen werden.

Damit lassen sich, unter Berücksichtigung der o.g. Projektphasen und -kriterien, als wichtigste Kennzeichen für projektorientierten Unterricht im Gemeinsamen Unterricht nennen:

• Gemeinsame Aufgabe für alle Beteiligten (Hauptproblem, Rahmenthema, Projektidee).

• Situationsbezug, Interessensbezug zu den Beteiligten. • Gemeinsame Planung und Durchführung der Aufgaben gemessen an den

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Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. (Individualisierung, Handlungsorientierung)

• Fächerübergreifend oder sogar über den schulischen Rahmen hinausgehend. • Produktorientierung • Gesellschaftliche Relevanz

Eine umfassendere Sichtweise dieses Aspektes des Gemeinsamen Unterrichts findet sich in Feusers 'didaktischer Struktur integrativer Pädagogik' (vgl. FEUSER 1989, 31 und DEMMER-DIECKMANN 1991, 22-34), die er an einem Baum-Bild veranschaulicht: Der Stamm veranschaulicht die gemeinsame Thematik, an der alle Schülerinnen und Schüler arbeiten. Die Fach/Humanwissenschaften bilden die Wurzeln, während Äste und jeweils deren Zweige die einzelnen Lernbereiche mit ihren konkreten Lernzielen für die Schülerinnen und Schüler darstellen. Lernziele können auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus angestrebt werden: sinnlich konkret (am Astansatz) wie auch in abstrakt-logisch symbolischer Weise durch Sprache, Schrift, Formeln (an der Astspitze).

Formen des Projektunterrichtes

1. Projektunterricht 2. projektorientierter Unterricht 3. fachbezogenes Unterrichtsprojekt

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Entdeckendes Lernen (Bruner)

Das Prinzip des entdeckenden Lernens lässt sich bis zu Sokrates zurück verfolgen. In Platons Stück "Menon" will Sokrates dem Menon vorzeigen, dass jeder durch Denkart Neues finden kann. Seitdem haben viele Pädagogen und Didaktiker die Forderung gestellt, dass Unterricht dem Schüler die Möglichkeit zur Entdeckung bieten sollte.

Jerome Bruner gilt als Hauptvertreter des entdeckenden Lernens. Er hat in den 70er Jahren auf der Grundlage kognitionspsychologischer Lerntheorien ein Konzept entwickelt, das von Heinz Neber, E. Klewitz/H. Mitzkat1[1] weiterentwickelt wurde und vor allem in mathematisch- naturwissenschaftlichen Fächern erprobt wurde.

Es ist schwer in der Literatur eine eindeutige Definition für „entdeckendes Lernen“ zu finden, da der Begriff sowohl in die Bereiche der Pädagogik als auch der Lernpsychologie einzuordnen ist. Unter dem Begriff werden nicht nur Unterrichtsmethoden, „Entdeckung als Lehrverfahren“ und Lernprozesse des Schülers „Entdeckung als Lernakt“, sondern auch Lernziele des Unterrichts „Entdecken als Lernziel“ verstanden.i[2]

Somit ist es kaum möglich, eine formal allgemeingültige Definition zu finden.ii[3]Als

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vereinfachende Arbeitsgrundlage für diese Arbeit soll daher die Begriffsbestimmung von Manfred Bönsch genügen, demzufolge zielt entdeckendes Lernen:

„...auf den Erwerb von Wissen, Ordnungen, Beziehungen, das/die das für den Lernenden von subjektiver Neuartigkeit ist/sind und eigenständig erworben wird/werden, also nicht von einem Wissenden vermittelt wird/ werden.“ iii[4]

Bruner sieht „...Lernen durch Entdeckung als den einzigen und unübertroffenen Erzeuger von Selbstvertrauen, intellektueller Begeisterung und Motivation für Problemlösen und kreatives Denken an.“iv[5]

Denn Lernen ist häufig unmittelbar an Kontrolle durch Belohnung oder Bestrafung gekoppelt. Das bedeutet, wenn das Gelernte nur gelernt wurde, um eine Belohnung von Eltern oder Lehrern zu erhalten oder gar um einen Misserfolg zu vermeiden, dann führt es dazu, dass das Kind sich anpasst, um zu erfüllen, was von ihm erwartet wird. Die Forschung zeigt, dass Kinder, die in der Schule früh solche „overachiever“ werden, eher dazu neigen, Informationen „wiederzugeben“, anstelle sie zu verwandeln oder an die übrigen kognitiven Aktivitäten anzupassen.v[6]

Jerome Bruner stellt die folgende These auf: Soweit das Kind in einer Aufgabe etwas entdecken kann, statt „etwas darüber zu lernen“, so wird das Kind dazu neigen, seine Lernaktivitäten mit autonomer Selbstbelohnung durchzuführen und es entsteht eine eher intrinsische Motivation, das heißt, die Entdeckung wird zur Belohnung selbst.vi[7]Das Kind soll einen Weg finden mit seiner Umwelt aktiver umzugehen und seine Befriedigung aus der Bewältigung von Problemen finden.vii[8]

Die selbstständigen Entdeckungen stärken somit das Selbstvertrauen und das Kompetenzgefühl der Schüler. Das Lernen ist dadurch aktiver gestaltet und das Gelernte kann auf diese Weise besser behalten werden.

Bruner sieht im entdeckenden Lernen mehr als eine bloße Anreicherung des Wissens. Er geht von der Annahme aus, „...daß Entdeckung ihrem Wesen nach ein Fall des Neuordnens oder Transformierens des Gegebenen ist. Dies so, daß man die Möglichkeit hat, über das Gegebene hinauszugehen, das so zu weiteren neuen Einsichten kombiniert wird.“viii[9]

Dabei werden heuristischeix[10] Methoden des Problemlösens erlernt und zu einem Problemlösungsungs- oder Fragestil verallgemeinert, der sich auf jede oder fast jede neue Aufgabenart anwenden lässt.x[11] Neben den Lerninhalten kann somit auch das systematische Wissen um eine Lernmethode in den Vordergrund gerückt werden.

Vereinfacht ausgedrückt sollen die Schüler erlernen, sinnbringende, weiterführende Fragen zu formulieren, zu beantworten und sich somit selbstständig neues Wissen anzueignen, um schließlich ihre Methodenkompetenz zu erweitern. Entdeckendes Lernen versteht sich folglich als Gegenteil vom belehrenden Unterricht. Es ist nicht lernziel- sondern prozessorientiert.

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Bruner geht davon aus, dass der Lernende eine Kenntnis oder eine Idee nur dann wirklich besitzt, wenn er sie selbst oder durch eigene Einsicht entdeckt hat. Die Gestaltung von Schule müsse sich daher an diesem Unterrichtsprinzip orientieren. Dafür müssen nach Bönsch die Lerninhalte nicht „völlige Neuartigkeiten“ sein, es genüge, wenn es sich um „subjektive Neuartigkeiten“ handelt, „d.h. für die jeweiligen Schüler/Schülerinnen gegebene Neuartigkeiten“.xi[12]

Der Ansatz des „entdeckenden Lernens“ ist aber bis heute nicht unumstritten geblieben. Ausubel, Novak und Hanesian, Hauptkritiker Bruners, geben zu bedenken, dass in der Diskussion häufig der Akt des Entdeckens mit dem Akt des Verstehens verwechselt wird.xii[13] Ihrer Ansicht nach ist es unmöglich, Lernen durch Entdecken pädagogisch in der Schule zu realisieren, denn damit sei ein außerordentlicher Zeitaufwand verbunden. Außerdem ist das Ergebnis aus den Untersuchungen der Kinder für den Lehrer nicht immer vorhersehbar. Für die effektive Vermittlung von Fachwissen sei die Methode daher ungeeignet.

Zudem ist ein entscheidendes Merkmal menschlichen Lernens die verbale Kommunikation auf einer abstrakt-begrifflichen Ebene, die es einzuüben gilt. Doch selbst Ausubel hält die Methode des entdeckenden Lernens für unentbehrlich bei der „...Überprüfung der Bedeutungshaltigkeit des Wissens und für das Lehren wissenschaftlicher Methoden ...“.xiii[14]

Deshalb muss man als Lehrkraft, abhängig vom jeweiligen Unterrichtsinhalt selbst abwägen, inwieweit die Methode des entdeckenden Lernens trotz des größeren Zeitaufwandes in der Schulpraxis realisierbar ist.

Durch die Freiräume des entdeckenden Lernens ist es dem Schüler weitgehend freigestellt, sich selbst den Lernstoff je nach individuellem Lerntyp anzueignen. Das Lernen ist somit im Idealfall vom Lernenden selbst gelenkt.

Skeptiker geben jedoch zu bedenken, dass die Kinder alleine nicht in der Lage seien, selbstständig etwas herauszufinden, sondern dazu die Hilfe eines anderen benötigen.

Daraus entwickelten sich zwei Formen des entdeckenden Lernens. Einerseits selbstentdeckendes Lernen „self discovery learning“, das ohne weitere Hilfe und Steuerung des Lehrers ganz in den Händen der Schüler liegt und andererseits das entdeckende Lernen „guided discovery learning“, bei dem die Lehrkraft durch die Bereitstellung der Themenauswahl und des Arbeitsmaterials lenkend eingreift.xiv[15]

Für das methodische Vorgehen des entdeckenden Lernens gibt es keine „festen Rezepte“.2[16] Betrachtet man jedoch die Forderung nach einer Entdeckung, dem Auftauchen von Problemen und dem Entwickeln von Fragen und Lösungen, so kann man eindeutig eine Analogie zu wissenschaftlichen Verfahren erkennen.

[1] Klewitz,E.; Mitzkat,H.: Endeckendes Lernen und offener Unterricht, Braunschweig; 1977 [2] Soostmeyer, M.: Problemorientiertes Lernen im Sachunterricht, Paderborn; 1978, S.121 [3] Vergl. Soostmeyer zur Schwierigkeit der Begriffsbestimmung, a.a.O., S.135-146

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[4] Bönsch, Manfred in: Keck, Rudolf W.; Sandfuchs, Uwe (Hrsg.): Wörterbuch Schulpädagogik, Bad Heilbrunn; 1994, S.86 [5] Bruner, J.S. in: Neber, Heinz (Hrsg.): Entdeckendes Lernen, 3. Aufl., Weinheim und Basel; 1981, S.21 [6] Bruner, a.a.O.,S. 21 [7] Ebenda, S.22 [8] Ebenda, S.25 [9] Ebenda, S. 16, Rechtschreibung ist wörtlich übernommen. [10] Def. :Heuristik =Lehre von den Verfahren, Probleme zu lösen und Neues zu finden, in : Der kleine Duden Fremdwörterbuch, Wien, Zürich; 1983 [11]Bruner, a.a.O., S.26 [12] Bönsch, M.: Forschendes Lernen als Lernprozeß im Sachunterricht der Grundschule, in: Sachunterricht und Mathematik in der Primarstufe, Heft 7, 1994, S. 286 [13] Ausubel, D.P.; Novak, J.D.; Hanesian, H.: Psychologische und pädagogische Grenzen des entdeckenden Lernens, in: Neber, Heinz, a.a.O.,S.32

II. Schulentwicklung

A Interne Schulentwicklung

1.

Schulprogramm

(Quelle: Schulprogramm – learnline.nrw.de) Informationen, Hinweise und Beispiele für die Schulprogrammarbeit Schulprogrammarbeit ist in Nordrhein-Westfalen ein zentraler Bestandteile der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Die Schulen legen auf der Grundlage ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages die besonderen Ziele, Schwerpunkte und Organisationsformen ihrer pädagogischen Arbeit in einem Schulprogramm fest und schreiben es regelmäßig fort. Auf der Grundlage des Schulprogramms überprüft die Schule in regelmäßigen Abständen den Erfolg ihrer Arbeit (SchulG § 3 Abs. 2). Über das Schulprogramm entscheidet die Schulkonferenz (SchulG § 65 Abs 2). Das Schulprogramm ist somit das grundlegende Konzept der pädagogischen Zielvorstellungen und der Entwicklungsplanung einer Schule, das die verbindlichen Vorgaben und Freiräume im Hinblick auf die spezifischen Bedingungen vor Ort konkretisiert, Ziele und Handlungskonzepte für die Weiterentwicklung der schulischen Arbeit bestimmt und Formen und Verfahren der Überprüfung der schulischen Arbeit insbesondere hinsichtlich ihrer Ergebnisse festlegt. Zur Entlastung der Schulen wurde die Schulprogrammarbeit vereinfacht. Mit RdErl. des Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 16.9.2005 wurden die Vorgaben zur Schulprogrammarbeit neu gefasst. Der RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 29.4.2003 "Schulprogrammarbeit und interne Evaluation - Vorgaben für die Jahre 2003 und 2004" (BASS 14-23 Nr. 1) wurde aufgehoben. Damit entfallen die in den bisherigen Vorgaben festgelegten "Mindeststandards für Selbstevaluation".

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Außerdem muss die Vorlage des Schulprogramms bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde (Termin: 31.12.2005) nicht mit einem begleitenden Bericht über die Arbeit in den Bereichen Schulprogrammarbeit und interne Evaluation verbunden werden. Die Leitlinien für die Weiterentwicklung von Schulprogrammarbeit und interner Evaluation (Handreichung Schule in NRW Nr. 9042) beziehen sich auf den Stand des aufgehobenen Erlasses. Diese Leitlinien erhalten nunmehr empfehlenden Charakter im Hinblick auf die Erstellung eine Schulprogramms sowie dessen Fortschreibung und Überprüfung. Bisher hatten die Schulleitungen die Möglichkeit, nach Beratung in der Schulkonferenz zu entscheiden, ob ein Unterrichtstag im Schulhalbjahr für die Schulprogrammarbeit und die Evaluation genutzt werden soll. Diese Regelung wird nicht fortgeführt. Für das erste Schulhalbjahr 2005/2006 wurde eine Übergangsregelung erlassen. Nächster Termin für eine landesweite Vorlage des Schulprogramms bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde ist der 31.12.2005. Das Schulprogramm enthält als Grundbestandteile eine Schuldarstellung (Elemente z.B. Leitbild einer Schule, pädagogische Grundorientierungen und Erziehungsauftrag, Bericht über die bisherige Entwicklungsarbeit) und eine Planung der Schulentwicklung (mit den Elementen Entwicklungsziele, Arbeitsplan, Fortbildungsplanung, Planungen zur Evaluation). Dabei sind die Felder Unterricht und Erziehungsarbeit unter Einbeziehung des Prinzips der umfassenden Förderung aller Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise zu berücksichtigen. Die Schulen schreiben das Schulprogramm regelmäßig fort und überprüfen in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit des Schulprogramms sowie den Erfolg ihrer Arbeit. Die Schulaufsicht nutzt die Schulprogramme entsprechend ihrem Auftrag für die kontinuierliche Entwicklung und Sicherung der Qualität der schulischen Arbeit

2. Schulische Steuergruppen

Für die Steuerung der Schulentwicklungsvorhaben wurde zusätzlich an allen Projektschulen eine schulische Steuergruppe eingerichtet. Sie ist ein wesentliches Strukturelement bei der Übernahme von mehr Eigenverantwortung für die Entwicklung der eigenen Schule. Die Steuergruppen bestehen je nach Größe der Schule aus drei bis sieben Mitgliedern. Die Schulleiterin bzw. der Schulleiter ist gesetztes Mitglied der Steuergruppe. Die anderen Mitglieder der Steuergruppe werden von der Schule bestimmt. Bei diesem Auswahlprozess kommen die schuleigenen Traditionen und Kulturen zum Tragen. Den Berufskollegs wird wegen ihrer besonderen Struktur empfohlen, Steuergruppen auf der Ebene der Abteilungen oder Bildungsgänge einzurichten.

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Aufgaben der schulischen Steuergruppen sind:

• Zielklärung und –konkretisierung der schulischen (Unterrichts-) Entwicklung; • Planung und Koordinierung einer Umsetzungsstrategie sowie Herstellung von

Verbindlichkeit und Sicherstellung der schulinternen Evaluation; • Sicherstellung des Informationsflusses innerhalb des Kollegiums und der

gesamten Schule und Dokumentation der Entwicklungen; • Entwicklung zu einem arbeitsfähigen Team und Unterstützung des

Teambildungsprozesses im Kollegium; • Moderation des Entwicklungsprozesses und Umgang mit Konflikten und

Widerständen. Die Anforderungen an die schulischen Steuergruppen verändern sich mit dem Schulentwicklungsprozess. Nach einer Anfangsphase, in der es darum gehen wird, in der Schule einen breiten Konsens und eine breite Unterstützung für das gemeinsame Entwicklungsziel herzustellen, wird es um die Erprobung neuer Konzepte, deren Adaption und Evaluation gehen. Nicht zu unterschätzen ist die Aufgabe, für die Implementation von Prozessen zu sorgen und so innovative Entwicklungen nachhaltig zu gestalten. Nach aller Erfahrung ist dies ein häufiger Mangel in Innovationsprozessen, dass zu wenig ausreichende Strukturen vorhanden sind, langfristige Entwicklungen sicher zu stellen. Die schulischen Steuergruppen sind ein wesentlicher Garant für genau diese dauerhafte Verankerung von Schulentwicklungsprozessen. In diesem Zusammenhang muss die Steuergruppe es sich dauerhaft zur Pflicht machen, die verschiedenen und häufig isoliert voneinander stattfindenden Entwicklungen einer Schule zu bündeln, zu priorisieren und auf ein gemeinsames strategisches Ziel hin auszurichten. Wenn davon die Rede ist, dass die Steuergruppe z.B. die Information und Kommunikation in der gesamten Schule sicherstellen muss, dann bedeutet dies explizit auch, dass dabei nicht nur das Kollegium in den Blick genommen werden darf. Die Steuergruppe muss auch dafür sorgen, dass die Eltern und insbesondere die Schülerinnen und Schüler am Schulentwicklungsprozess partizipieren können. Dabei sollte sie darauf achten, diese Kommunikation und Partizipation nicht ausschließlich auf die gewählten Vertreterinnen und Vertreter von Schülern und Eltern zu beschränken. Es muss ihr daran gelegen sein, ein sehr viel umfassenderes Verständnis von Partizipation zu entwickeln. Unter Umständen kann auch die Einbeziehung externer Partner bedeutsam werden. Die Steuergruppen werden im Laufe der ersten beiden Projektjahre zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben umfangreich und prozessbegleitend nach dem erprobten Konzept eines "Schulentwicklungsmanagements" qualifiziert.

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3.

Arbeitspläne

Arbeitspläne dienen der Arbeitskultur in der Schule und haben die Funktion, Prozesse von Entwicklungsvorhaben zu strukturieren und die Implementation zu sichern. Dabei geht es um inhaltliche Festlegungen, personenbezogene Aufgabenverteilung, zeitliche Strukturierung und die Beachtung wichtiger Gremien, um Transparenz und Beteiligung zu gewährleisten und eine Beschlussfassung mit möglichst großem Konsens herbeizuführen. Die leitende Frage bei der Erstellung von Arbeitsplänen lautet also: Wer erledigt was bis wann mit wem unter Beachtung welcher Gremien?

4.

Haus des Lernens (Klippert)

Das Haus des Lernens Die Kommission sah die "Schule der Zukunft" als Reform der heutigen Schule "bei laufendem Betrieb". Das Haus des Lernens war die anzustrebende Vision. Dabei wurden folgende Teilaufgaben beschrieben:

• Wissensvermittlung und Persönlichkeitsbildung • fachliches und überfachliches Lernen • soziales Lernen; soziales Erfahren • anwendungsorientiertes Lernen • Idenditätsfindung

Zitat: " Schule als Haus des Lernens

• ist ein Ort, an dem alle willkommen sind, die Lehrenden wie die Lernenden in ihrer Individualität angenommen werden, die persönliche Eigenart in der Gestaltung von Schule ihren Platz findet,

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• ist ein Ort, an dem Zeit gegeben wird zum Wachsen, gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt vor einander gepflegt werden,

• ist ein Ort, dessen Räume einladen zum Verweilen, dessen Angebote und Herausforderungen zum Lernen, zur selbsttätigen Auseinandersetzung locken,

• ist ein Ort, wo intensiv gearbeitet wird und die Freude am eigenen Lernen wachsen kann,

• ist ein Ort, an dem Lernen ansteckend wirkt. Im "Haus des Lernens" sind alle Lernende, in ihm wächst das Vertrauen, daß alle lernen können. Die Schule ist ein Stück Leben, das es zu gestalten gilt." [S. 86]

A Externe Schulentwicklung

1.

Bildungskommission NRW

Die Bildungskommission NRW wurde von Johannes Rau 1992 unter dem Namen Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft berufen. Er wollte (Zitat) "eine Diskussion in Gang bringen, die über die Tagesaktualitäten hinaus weit in die Zukunft weist." (Zitatende) Ergebnis der mehrjährigen Arbeit der internationalen und hochkarätig besetzten Kommission war das Buch Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft, das 1995 erschien.

Mitglieder der Kommission Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Karl_Peter Grotemeyer von der Universität Bielefeld arbeiten Prof. Dr. Friedrich Buttler vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, der vorher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg war, Prof. Dr. Per Dalin, International Movement towards Educational Chance aus Oslo, Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland von der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster, Erich Frister - vormals Präsident der Internationalen Vereinigung Freier Lehrergewerkschaften, Wiesbaden, Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Juliane Jakcobi von der Universität Potsdam, Prof. Dr. Wolfgang Klafki von der Universität Marburg, Hilmar Kopper von der Deutschen Bank, Frankfurt am Main, Dr. Gerhard Langemeyer, Dezernent der Stadt Dortmund, Drs. Theo Licket - vormals Generalinspektion für das Schulwesen in den Niederlanden, Prof. Dr. Siegrid Metz-Göckel von der Universität Dortmund, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Meyer-Dohm von der Internationalen Partnership Initiative, Wolfsburg - vormals Volkswagenwerk AG, Wolfsburg, Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß von der Universität Konstanz, Reinhard Mohn von der Bertelsmann Stiftung Gütersloh, Prof. Dr. Hans-Günter Rolff von der Universität Dortumung und Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS), Eva Rühmkorf, Ministerin a.D. aus Hamburg, Gisa Schulze-Wolters von der IBM Deutschland GmbH, Stuttgart, Dr. Uri Peter Trier von der Universität Bern, Elisabeth Vogelheim IGM Frankfurt/M, Prof. Dr. Maria Wasna von der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster, Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker vom Institut für Klima, Umwelt und Energie GmbH, Wuppertal, Dr. Wolfgang Meyer-Hesemann aus der Staatskanzlei NRW als persönlicher Beauftragter

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des Ministerpräsidenten für die Bildungskommission und Prof Dr. Rainer Brockmeyer als Geschäftsführer zusammen. Auftrag der Kommission [Bearbeiten] Nach dem Willen von Johannes Rau sollte die Kommission "langfristig angelegte und gründliche Reformen" erarbeiten, um von "Reparaturmaßnahmen auf der Grundlage traditioneller Gestaltungsmuster und Verantwortungsstrukturen" wegzukommen. Damit sollten Perspektiven für die Entwicklungsprobleme im Bildungswesen und der Schule geschaffen werden. Insbesondere sollten in sog. Zeitsignaturen langfristige gesellschaftliche Entwicklungsprozesse benannt werden. Dazu zählten:

• die Pluralisierung der Lebensformen und der sozialen Beziehungen • die Veränderung der Welt durch neue Technologien und Medien • die ökologische Frage • die Bevölkerungsentwicklung und die Auswirkung der Migration • die Internationalisierung der Lebensverhältnisse • der Wandel der Wertvorstellungen und Orientierungen" [Seite XII]

Bildung sollte als Lern- und Entwicklungsprozess verstanden werden. Dabei sollten folgende Befähigungen erworben werden:

• den Anspruch auf Selbstbestimmung und die Entwicklung einer Lebens-Sinnbestimmungen zu verwirklichen

• diesen Anspruch auch für alle Mitmenschen anzuerkennen • Mitverantwortung für das Gestalten der ökonomischen, gesellschaftlichen,

politischen und kulturellen Verhältnisse zu übernehmen und • die Anforderungen der Gesellschaft in eine vertretbare Relation zu bringen." [S.

XII] •

Bei ihren Empfehlungen sollte die Kommission auf Selbstverständnis, Zielvorstellungen und Gegenstände schulischen Lernens und Lebens, die notwendigen Veränderungen in Verantwortung und Steuerung des öffentlichen Schulwesens und die veränderte Professionalität von Lehrer besonderen Wert legen.

Haus des Lernens siehe oben

Schule als Lern- und Lebensraum Schule solle als Lebensraum ganztägige Angebote machen [S.80], der Begegnung und Integration dienen und zur Verantwortung erziehen. Dazu müsse die Vorstellung von einem festen, geschlossenen Wissenskanon aufgegeben werden. Lernen solle vor allem der Identitätsfindung dienen und soziale Erfahrungen ermöglichen. Fachliches Lernen sollte selbstgesteuert ablaufen, statt Lernhäppchen sollten "vollständige Lernprozesse" [S.83] stattfinden, Lernen sollte selbstgestaltet sein. Lehrer sollten nicht mehr "vorrangig Wissensvermittler" sein, sondern "Lernberater" und "Lernhelfer" [S.85]. Neugestaltung der Aufgaben und Rechte von Schulen, Schulträgern und Schulaufsicht

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Als Grundorientierung forderte die Kommission im Gegensatz zur heutigen hierarchischen Organisation des Schulwesens die Selbstorganisation von Schule. Die Kompetenz zur Lösung von Problemen dürfe nicht länger möglichst weit oben (im Ministerium) angesiedelt sein, sondern ganz unten in der Schule vor Ort. Schulen sollten mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld vernetzt sein. Eltern, Schüler, Lehrer, Schulleitungen und Träger sollten in neuen Formen der Partizipation gemeinsam an ihrer Akzeptanz arbeiten. Der Staat solle nur die Rahmenbedingungen setzen und Standards sichern, aber "Selbstregulierung, Selbstverpflichtung und Selbstbindung wirksam entfalten helfen." [S. 155] Bildungszeit und Schulzeit Die Kommission lehnte starre Schulzeiten ebenso ab, wie starre (Aus-)Bildungszeiten. Schulische Abschlüsse sollten zeitlich flexibel erworben werden können. Insgesamt müsse das Bildungssystem so flexibilisiert werden, dass sowohl der Ausstieg aus der schulischen Bildung in eine berufliche Tätigkeit als auch der Wiedereinstieg in schulische Bildungsgänge aus einer beruflichen Tätigkeit zur Weiterqualifikation möglich werde. [S. 224ff] so sollte z.B. der Hochschulzugang nicht mehr vom Schulabschluss (Berechtigung zur allgemeinen Hochschulreife) abhängen sondern vom Gesamtbild der Qualifikation (Schulbildung, Berufserfahrung und berufliche Qualifikation, Weiterbildung) abhängig sein. Die Entscheidung müsse bei der aufnehmenden Bildungseinrichtung liegen.

2.

Schulentwicklungsgesetz 27. November 2001

Nicht mehr bedeutsam!

3

Runderlass zur Schulprogrammarbeit 2005

Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 16.09.2005 Zu BASS 14-23 Schulprogrammarbeit RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 16.9.2005 - 521 - 6.01.04-32328 Die Schulen legen zum 31. 12. 2005 der zuständigen Schulaufsichtsbehörde ihr Schulprogramm vor. Das Schulprogramm enthält als Grundbestandteile eine Schuldarstellung (Elemente z.B. Leitbild einer Schule, pädagogische Grundorientierungen und Erziehungsauftrag, Bericht über die bisherige Entwicklungsarbeit) und eine Planungder Schulentwicklung

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(mit den Elementen Entwicklungsziele, Arbeitsplan, Fortbildungsplanung, Planungen zur Evaluation). Dabei sind die Felder Unterricht und Erziehungsarbeit unter Einbeziehung des Prinzips der umfassenden Förderung aller Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise zu berücksichtigen. Die Schulen schreiben das Schulprogramm regelmäßig fort und überprüfen in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit des Schulprogramms sowie den Erfolg ihrer Arbeit. Die Schulaufsicht nutzt die Schulprogramme entsprechend ihrem Auftrag für die kontinuierliche Entwicklung und Sicherung der Qualität der schulischen Arbeit (§ 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 86 Abs. 3 SchulG - ABl. NRW Sonderausgabe 2005). Der RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 29. 4. 2003 "Schulprogrammarbeit und interne Evaluation - Vorgaben für die Jahre 2003 und 2004" (BASS 14-23 Nr. 1) wird aufgehoben. Der RdErl. wird im Amtsblatt NRW veröffentlicht, eine Veröffentlichung im Amtlichen Schulblatt ist nicht zugelassen. Übergangsregelung zur Schulprogrammarbeit RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 16.9.2005 - 521 - 6.01.04-32328 Bezug: 1. RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 29. 4. 2003 "Schulprogrammarbeit und interne Evaluation - Vorgaben für die Jahre 2003 und 2004" (BASS 14-23 Nr. 1) 2. RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung "Schulprogrammarbeit" v. 16.9.2005 - 521 - 6.01.04-32328 Schulen, die gemäß dem RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 29. 4. 2003 "Schulprogrammarbeit und interne Evaluation - Vorgaben für die Jahre 2003 und 2004" (BASS 14-23 Nr. 1) im ersten Halbjahr des Schuljahres 2005/06 geplant haben, einen Unterrichtstag für schulinterne Fortbildung zur Schulprogrammarbeit zu nutzen, und hierfür bereits langfristige vertragliche Bindungen mit Fortbildungsreferenten oder Tagungsstätten eingegangen sind, können in Absprache mit der zuständigen Schulaufsicht diese schulinternen Fortbildungen durchführen. Der RdErl. wird im Amtsblatt NRW veröffentlicht, eine Veröffentlichung im Amtlichen Schulblatt ist nicht zugelassen.

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III.Projekte und Modellvorhaben

1.

Selbstständige Schulen

à Modellvorhaben in NRW seit dem Schuljahr

2002/03 à Qualitätsorientierte Selbststeuerung an

Schulen à Deshalb verfügen die insgesamt 278

Schulen, die am Modellvorhaben teilnehmen, über erweiterte Handlungsspielräume in finanzieller, personeller und organisatorischer Hinsicht. Sie sollen der Unterrichtsentwicklung und damit letztlich den Schülerinnen und Schülern zu gute kommen.

à Im Kreis MK, in Hagen und in Schwerte gibt es keine selbstständigen Schulen. In Dortmund, im Kreis Unna und im HSK gibt es jedoch welche.

à Beim Aufbau regionaler Bildungslandschaften arbeiten Schulträger, Schulaufsicht und Schulen in regionalen Steuergruppen zusammen, um die Schulen bei ihren Entwicklungsvorhaben zu unterstützen.

Grundzüge des Modellvorhabens Im Mittelpunkt des auf sechs Jahre angelegten Projektes stehen die Schülerinnen und Schüler. Mit dem Ziel, ihre Lern- und Lebenschancen zu verbessern, arbeiten Schulen, Schulträger und Schulaufsicht Hand in Hand und erproben im Rahmen des Projektes neue Wege. Alle Teilvorhaben im Projekt "Selbstständige Schule" dienen mittelbar oder unmittelbar der Verbesserung der Qualität der schulischen Arbeit, d.h. vor allem, der Unterricht soll besser werden. Bei allen Projektaktivitäten werden jeweils auch die Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern mit in den Blick genommen. Die größere Selbständigkeit von Schulen soll dazu beitragen, dass sie ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag besser gerecht werden können. Das Projekt geht von der Überzeugung aus, dass die Schulen in vielen Fällen am besten wissen, was für sie richtig ist und dass sie in der Ausübung dieser Eigenverantwortung nicht durch ein Übermaß an bürokratischen Vorgaben behindert werden sollen. Mehr Selbstständigkeit ist aber auch an Voraussetzungen geknüpft: Erst wer bereits ein Fundament gelegt und an der Verbesserung des Unterrichts und des schulinternen Managements gearbeitet hat, wird die neue Selbstständigkeit wirksam nutzen können. Und: um die erweiterten Freiräume zielorientiert wahrzunehmen, müssen sich die Schulen auf neu geschaffene regionale Strukturen verlassen können, die sie beraten und unterstützen. Schulen sind keine einsamen Inseln. Bei der "Selbstständigen Schule" spielt diese Erkenntnis eine zentrale Rolle: Kinder und Jugendliche lernen und leben in einer vielfältigen und sich verändernden Welt. In ihrem Interesse bilden die verschiedenen Akteure einer Region ein Netzwerk. Durch die Kooperation mit externen Partnern in der Region, seien es andere Schulen, Einrichtungen der Kommunen oder regionale Betriebe, entstehen neue Bildungslandschaften. Denn Unterricht zu verbessern bedeutet z.B. auch, das Arbeitsleben kennen zu lernen und Arbeitsvorgänge zu begreifen - ermöglicht durch regionale Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft. Erfahrungen gewinnen, Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen - darum geht es bei der "Selbstständigen Schule": z.B. in der Personalverwaltung, der Stellen- und

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Sachmittelbewirtschaftung, in der Unterrichtsorganisation, der Schulmitwirkung und bei Personalentscheidungen. Neue Formen des Co-Managements können entstehen, die Schulleitungen unterstützen und Lehrerinnen und Lehrern mehr Mitgestaltung ermöglichen. Durch die professionelle Qualifizierung von Unterrichtsarbeit und Teamentwicklung im Rahmen des Projekts werden die Lehrkräfte spürbar entlastet. Die Zufriedenheit und Motivation zu steigern ist ein Hauptanliegen des Modellvorhabens. Grundlage für die Erprobung neuer Konzepte in den verschiedenen Arbeitsfeldern ist eine fundierte Unterrichtsentwicklung, die Verbesserung des schulinternen Managements und auf Seiten der Kommunen erste Schritte beim Aufbau einer regionalen Bildungslandschaft. Unterstützt vom Projektmanagement, vom Schulträger und der Schulaufsicht gehen die Schulen neue Wege in folgenden Arbeitsfeldern: Arbeitsfeld 1: Personalbewirtschaftung Jede Schule entscheidet im Rahmen des Stellenplanes selbst über die Besetzung ihrer Stellen. Ihr steht ein Personalmittelbudget zur Verfügung. Schulleiterinnen und Schulleiter stellen Personal ein, das zum Profil der Schule passt. Sie übernehmen Dienstvorgesetztenfunktion. Arbeitsfeld 2: Sachmittelbewirtschaftung "Selbstständige Schule" will praxisnahe Entscheidungen ermöglichen. Über die Verwendung des Sachmittelbudgets kann jede Projektschule entsprechend den Schwerpunktsetzungen ihres Schulprogramms entscheiden. Das Modellvorhaben will erreichen, dass sich dieses Budget zukünftig aus Landes- und Schulträgermitteln zusammensetzt. Zudem fließen Drittmittel - z.B. Fördergelder - in das Sachmittelbudget ein. Arbeitsfeld 3: Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung Innovative pädagogische Konzepte sind gefragt. Dafür erhalten die Schulen und Lehrkräfte einen weiten Freiraum. Diesen können sie nutzen etwa bei der Zusammensetzung von Lerngruppen oder bei der zeitlichen und örtlichen Organisation des Unterrichts. Auch bei der Leistungsbewertung und den Leistungsbescheinigungen sind neue Wege möglich, z.B. die Erprobung von Portfolios. Abschluss- und Abgangszeugnisse bleiben davon jedoch unberührt, um die Vergleichbarkeit und Anerkennung der Zeugnisse zu gewährleisten. Arbeitsfeld 4: Innere Organisation und Mitwirkung in der Schule Schulentwicklung kann nur gemeinsam gelingen. Es gibt viele Bereiche, in denen engagierte Menschen verantwortungsvoll mitarbeiten und so die Schulleitung direkt unterstützen können. Kollegien, Schülerschaft und Eltern gestalten zum Beispiel in Gremien ihre Schule aktiv mit oder bringen sich in einzelnen Projektbereichen ein. Ein Lehrerkollegium, das in Teams arbeitet, ist entscheidend - gerade, wenn fachübergreifend unterrichtet wird. Arbeitsfeld 5: Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung Professionelles, eigenverantwortliches Arbeiten bedeutet auch, die neuen pädagogischen Konzepte und Maßnahmen für alle transparent zu gestalten. Qualität zu sichern und zu entwickeln heißt, Erfolge und noch bestehende Defizite detailliert aufzuzeigen und bewusst zu machen - zum Beispiel durch systematisierte Formen der Selbstevaluation und durch ein internes und externes Berichtswesen. Vereinbarungen Durch das Schulentwicklungsgesetz vom 27. November 2001 sind Schulen gemeinsam mit Schulträgern zur Erprobung neuer Modelle der eigenverantwortlichen Steuerung von Schule berechtigt worden. Damit soll die Qualität der schulischen Arbeit, insbesondere des Unterrichts verbessert werden. Es soll den Modellschulen möglich sein, Entscheidungen weitgehend vor Ort zu treffen.

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Mit der Verordnung "Selbstständige Schule" - VOSS ist die Öffnungsklausel des Schulentwicklungsgesetzes konkretisiert worden: Die Modellschulen können von den in der Verordnung "Selbstständige Schule" benannten allgemeinen Bestimmungen abweichen. Erprobt werden können zum Beispiel:

• Neue Formen der Organisation und Gestaltung von Unterricht • Neue Formen der Mitwirkung in der Schule • Erweiterte Aufgaben der Schulleitung und des Lehrerrates

Die Schulen verpflichten sich im Gegenzug, die Wirksamkeit ihrer Entwicklungsvorhaben auf die Qualität der schulischen Arbeit durch Evaluation zu prüfen.

2.

Eigenverantwortliche Schulen

Am 22.6.06 beschließt der nordrhein-westfälische Landtag das neue Schulgesetz, das unter dem Leitbild der "eigenverantwortlichen" Schule steht. Damit werden zentrale Arrangements aus dem Projekt "Selbstständige Schule" auf alle Schulen des Landes übertragen.

Wilfried Lohre schreibt in "Schule heute" (3/2006):

Das Leitbild einer eigenverantwortlichen Schule sieht zu Recht vor, dass sie

ständig bemüht ist, die Qualität ihrer Arbeit und insbesondere des Unterrichts zu verbessern. Es ist selbstverständlich, dass sie ihre

Qualitätsarbeit selbst evaluiert und dass sie sich externer Evaluation sowie den daraus erwachsenden Veränderungsprozessen professionell stellt. So

weit - so gut!

Damit eigenverantwortliche Schulen dies tun können, muss der Gesetzgeber transparent und deutlich vorgeben, welche Schulqualität

erreicht werden soll. Ein solcher Qualitätsrahmen muss den Schulen bekannt sein!

Zudem müssen die eigenverantwortlichen Schulen zur professionellen

Planung ihrer kontinuierlichen Verbesserungsprozesse Klarheit darüber haben, welche Ressourcen (Personal und Finanzen) ihnen verlässlich zur

Verfügung stehen, da vom Ressourceneinsatz auch der Grad der Zielerreichung abhängt. Dabei ist mit Sicherheit zu bedenken, dass die

wohl wichtigste Ressource im Schul- und Bildungsbereich "die Zeit" ist. Mit

Lernzeit für Schülerinnen und Schüler ist ebenso sorgfältig umzugehen wie mit der Arbeitszeit - und das ist nicht nur Unterrichtszeit - der Lehrerinnen

und Lehrer. Wird der Lehrer auch als Lerner betrachtet, so darf auf die planbare Lernzeit für das ganze Kollegium nicht verzichtet werden.

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Zur verantwortungsvollen Wahrnehmung der den eigenverantwortlichen Schulen gegebenen größeren Freiheit brauchen die Schulen - und nicht nur

die Schulleitungen - professionelle Beratung und Unterstützung. Die wichtigste Unterstützung, nämlich die Qualifizierung in den verschiedenen

Bereichen der Schul- und Unterrichtsentwicklung muss vor Ort und zeitnah ebenso verfügbar sein wie die am besten berufsvorbereitende und

berufsbegleitende Aus- und Fortbildung der Leiterinnen und Leiter eigenverantwortlicher Schulen.

Die Unterstützung in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten sowohl vonseiten der Schulaufsicht als auch vom Schulträger muss klar geregelt

sein, bevor die Rechts- und Verwaltungsprobleme an den eigenverantwortlichen Schulen auftreten.

Heribert Brabeck schreibt im Amtsblatt "Schule NRW" (15.Mai

2006):

Mit der Definition im Schulgesetz allein hat keine Schule den

Entwicklungsstand einer Eigenverantwortlichen Schule erreicht. Schulen brauchen Zeit, sich auf ihre neuen Aufgaben und ihre neue Stellung im

System vorzubereiten und sie auszugestalten. Dazu gehören in erster Linier die Qualifizierung verschiedener Gruppen sowie die Entwicklung

einer Klutur der Selbstreflexion. Bei der Schulaufsicht und -verwaltung ist es nicht anders: Instrumente der externen Evaluation, der Beratung und

Unterstützung der Schulen müssen systematisch entwickelt und aufgebaut

werden. Die neue Aufgabenverteilung zwischen Schulaufsicht und Schulen braucht Zeit. Für die Qualifizierung verschiedener Adressatengruppen

werden zurzeit Fortbildungsmodule entwickelt. Das in dem Modellprojekt "Selbstständige Schule" entwickelte Papier "Lehren und Lernen für die

Zukunft" (402 KB) soll fortgeschrieben werden ... Die Schulleiterinnen und Schulleiter werden nicht zum 1.8.2006 sofort und umfassend

Dienstvorgesetzte. Vielmehr ist dies ein Prozess, der schrittweise in Abhängigkeit des Aufbaues der notwendigen Unterstützungsmaßnahmen

erfolgt ... Unterstützungsmaßnahmen liegen ganz wesentlich im Bereich der Verwaltung. Noch im Modellprojekt "Selbstständige Schule" ist der

Gedanke des "Full Service" entwickelt und auch realisiert worden. Das Ministerium hatte mit den Dezernaten 47 der Bezirksregierungen

vereinbart, dass sie für die Schulen unterschriftsreife Vorlagen entwickeln. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Nach anfänglichem Mehraufwand,

bedingt durch erhöhte Kommunikation, ist das Verfahren inzwischen im

Routinebereich angesiedelt und erfordert keinen zusätzlichen Aufwand mehr.

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3.

Agenda 21

Agenda 21 - Bildung für eine nachhaltige Entwicklung

Die Agenda 21 ist eine internationale Vereinbarung, die von ca. 180 Staaten auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro unterzeichnet und 2002 in Johannesburg bestätigt wurde. In diesem Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. werden in 40 Kapiteln vorrangige globale Probleme und Aufgaben (Armutsbekämpfung, Klimaschutz, Gesundheitsförderung, Weltbevölkerungsentwicklung, Wald-, Boden- und Trinkwasserschutz, Änderung der Konsumgewohnheiten usw.) beschrieben und zum Teil auch Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. 2002 haben die Vereinten Nationen für die Jahre 2005 - 2014 eine Dekade "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" ausgerufen.

Die Grundlagen von Umweltbildung und globalem Lernen im Dienste einer nachhaltigen Entwicklung werden im Kapitel 36 der Agenda 21, des Abschlussdokuments der Rio-Konferenz , ausführlich dargelegt. Umweltbildung wird ebenso wie globales Lernen mit Fragen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, der Friedenserziehung, der Verkehrserziehung (nachhaltige Mobilität), der Gesundheitserziehung und der politischen Bildung verknüpft. Alle diese Begriffe werden heute oft unter dem Stichwort "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" subsummiert. Die Agenda 21 spielt auch in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung eine zentrale Rolle.

Das Ministerium für Schule und Weiterbildung unterstützt die Schulen gemeinsam mit anderen zuständigen Ministerien, insbesondere dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, über die Kampagne "Agenda 21 in der Schule" und das Vorhaben "Agenda 21 in Schule und Jugendarbeit".

Agenda 21 - Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Die Agenda 21 ist eine internationale Vereinbarung, die von ca. 180 Staaten auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro unterzeichnet und 2002 in Johannesburg bestätigt wurde. In diesem Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. werden in 40 Kapiteln vorrangige globale Probleme und Aufgaben (Armutsbekämpfung, Klimaschutz, Gesundheitsförderung, Weltbevölkerungsentwicklung, Wald-, Boden- und Trinkwasserschutz, Änderung der Konsumgewohnheiten usw.) beschrieben und zum Teil auch Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. 2002 haben die Vereinten Nationen für die Jahre 2005 - 2014 eine Dekade "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" ausgerufen. Die Grundlagen von Umweltbildung und globalem Lernen im Dienste einer nachhaltigen Entwicklung werden im Kapitel 36 der Agenda 21, des Abschlussdokuments der Rio-Konferenz , ausführlich dargelegt. Umweltbildung wird ebenso wie globales Lernen mit Fragen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, der Friedenserziehung, der Verkehrserziehung (nachhaltige Mobilität), der

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Gesundheitserziehung und der politischen Bildung verknüpft. Alle diese Begriffe werden heute oft unter dem Stichwort "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" subsummiert. Die Agenda 21 spielt auch in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung eine zentrale Rolle. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung unterstützt die Schulen gemeinsam mit anderen zuständigen Ministerien, insbesondere dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, über die Kampagne "Agenda 21 in der Schule" und das Vorhaben "Agenda 21 in Schule und Jugendarbeit".

4.

OPUS – Netzwerk Bildung und Gesundheit

Gesundheitserziehung - Das OPUS-Projekt Das Landesprogramm OPUS NRW - Netzwerk für Bildung und Gesundheit hat zum Ziel, gesunde Lern- und Arbeitsbedingungen in der Schule und der Kindertageseinrichtung zu schaffen und somit zur Gesundheit aller Beteiligten beizutragen. Zudem wird der Kernauftrag der Bildungseinrichtungen, zu unterrichten und zu erziehen, durch Gesundheits- und Sicherheitsförderung unterstützt und verbessert. Träger des Landesprogramms sind das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW, die Landesverbände Westfalen-Lippe und Rheinland des Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen. Die Träger beraten und unterstützen Schulen und Kindertageseinrichtungen des Landes bei der Planung, Durchführung und nachhaltigen Absicherung von gesundheits- und sicherheitsförderlichen Aktivitäten durch • Beraterinnen und Berater, • Medien und weitere Materialien, • Informations- und Serviceangebote, • die Zusammenarbeit mit weiteren Kooperationspartnern, • wissenschaftliche Beratung, • finanzielle Förderung. Derzeit sind dem Netzwerk mehr als 550 Schulen und zahlreiche Kindertageseinrichtungen beigetreten. Sie alle haben die Gesundheits- und Sicherheitsförderung zu einer Leitidee ihrer Entwicklung gemacht.

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5.

Transfer 21

In Rio de Janeiro haben im Jahr 1992 178 Staaten die Agenda 21 verabschiedet. Sie bildet das Grundlagenprogramm für eine weltweite nachhaltige Entwicklung. Man war der Auffassung, dass die Forderungen nach gerechten sozialen Verhältnissen, nachhaltigen Formen im Umgang mit der Natur und des Wirtschaftens und die Partizipation von Kindern, Jugendlichen und Frauen an Entscheidungsprozessen nicht ohne neue Kompetenzen und einen mentalen Wandel umgesetzt werden können. Bestärkt wurde diese Ansicht auf der Folgekonferenz 2002 in Johannesburg. Darüber hinaus haben die Vereinten Nationen für die Jahre 2005 bis 2014 die „Dekade der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen. Vor diesem Hintergrund sind die BLK-Modellprogramme „21“ – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (1999-2004) und Transfer-21 (2004-2008) zu betrachten, die die schulische Bildung am Konzept der Nachhaltigkeit orientieren sollen. Das BLK-Programm Transfer-21 schließt seit dem 01. August 2004 an das BLK-Programm "21" an, das im Juli 2004 nach fünf Jahren ausgelaufen ist. Nach der Föderalismusreform trägt Transfer-21 seit Anfang 2007 den Titel "Programm Transfer-21". Die im vorangegangenen BLK-Programm „21“ erarbeiteten Konzepte, Materialien und Strukturen, unter der Beteiligung von rund 200 Schulen, sollen nun an 10% der Schulen der beteiligten Bundesländer etabliert und ausgebaut werden. Um Bildung für nachhaltige Entwicklung in großem Umfang zu verankern, werden in den Transfer-21 nun auch Grund- und Ganztagsschulen sowie die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern integriert werden. Daneben freuen wir uns auf zahlreiche Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Partnern wie der Wirtschaft oder wissenschaftlichen Einrichtungen. An der Durchführung des Programms, das zur Hälfte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird, sind 14 Bundesländer beteiligt. Die Programmstruktur sieht eine Vernetzung der Aktivitäten durch die Koordinierungsstelle an der Freien Universität Berlin vor. Transfer-21 detailliert – Zahlen, Daten, Fakten Transfer-21 greift seit dem 01. August 2004 die Ergebnisse des BLK-Programms „21“ – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung auf. Am 1. Juni 2004 hat der Ausschuss Bildungsplanung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) dem Transferkonzept zugestimmt. Damit kann die Bildung für nachhaltige Entwicklung mit 10 Millionen Euro für vier Jahre gefördert werden. Der Bund und die beteiligten Länder werden zu gleichen Teilen die Kosten tragen. Transfer-21 löst das BLK-Programm „21“ ab. Das BLK-Programm „21“ trat 1999 mit dem Ziel an, die Bildung für nachhaltige Entwicklung an allgemein bildenden Schulen systematisch zu erproben, auf diese Weise die Nachhaltigkeitsthematik in die Schulen zu bringen und die Qualität des Unterrichts generell zu verbessern. Nachhaltige Bildungsziele und –inhalte, innovative und interdisziplinäre Lernorganisationen sowie neue Lernformen wurden in diesem Kontext entwickelt und praktiziert. Rund 200 Schulen aus 15 Bundesländern haben an dem Projekt teilgenommen und erfolgreich miteinander kooperiert. Öffnung von Schule und damit Verknüpfung von schulischen

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und außerschulischen Aktivitäten, beispielsweise in den Kommunen und im Kontext lokaler Agenden oder in Form von nachhaltigen Schülerfirmen, spielten eine große Rolle. Es liegen 56 Unterrichtsmaterialien zu Themen der Nachhaltigkeit vor, es wurden zahlreiche Handreichungen über die Organisation von Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen erstellt und eine Reihe erprobter Lehrerfortbildungskonzepte erarbeitet. Für besonders relevante Themen und Methoden wurden Multiplikatorenprogramme aufgelegt, in denen sich Lehrer oder Mitarbeiter der Landesinstitute und außerschulische Partner als Fortbildner qualifiziert haben. Darüber hinaus sind Empfehlungen für „Richtlinien zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ entstanden, die den Kultus- bzw. Schulministerien der Länder zur Aufnahme in die Rahmenrichtlinien zur Verfügung stehen. Somit existieren eine Fülle von Schulen und Netzwerken, Materialien und Konzepten, die auf die Weiterverbreitung warten. Diese Aufgabe nimmt Transfer-21 wahr. Mit Transfer-21 kann nun die Bildung für nachhaltige Entwicklung in allgemein bildenden Schulen breit gestreut und verankert werden. Dabei konzentriert sich der Transfer auf folgende Aufgaben: • Die Expansion auf 10% der Schulen der beteiligten Länder bis 2008, um die Inhalte des BLK-Programms „21“ weiter in die schulische Regelpraxis zu integrieren. Dies soll über eine breite Streuung der entstandenen Materialien, ein breites Internetangebot, die Nutzung der am Programm beteiligten Schulen als Kernschulen, durch Fortbildungsveranstaltungen, Tagungen und ganz wesentlich durch Kampagnen (z.B. Umweltschule in Europa, Agenda-Schule, GLOBE etc.) geschehen. • Den Ausbau von dauerhaften Beratungs- und Unterstützungsstrukturen z.B. über Umweltbildungsbeauftragte, Agendabeauftragte etc. Diese Akteure sollen umfassend und systematisch weiterqualifiziert werden. • Eine umfassende Fortbildung von Multiplikatoren, so dass in jedem Bundesland ein Personenkreis mit hoher Expertise verfügbar ist. Als Multiplikatoren kommen in erster Linie Personen aus Qualifizierungs-, Fortbildungs- und Unterstützungseinrichtungen in Frage (z.B. Landesinstitute, Umweltbildungszentren, Lokale Agenda-Büros etc.). • Neu ist die Ausweitung auf Grundschulen und Ganztagsschulen. Das Modellprogramm hat sich zwischen 1999 und 2004 auf die Sekundarstufe I und II konzentriert. Für die Grundschule liegen zwar Materialien und auch fachliche Konzeptionen vor, um diese Schulstufe mit einzubeziehen, derzeit existieren jedoch noch erhebliche Umsetzunglücken. Allerdings ist das Interesse an der Nachhaltigkeit in den Grundschulen auch mit Blick auf die neuen Curricula außerordentlich groß. Für diese Schulstufe werden gesonderte Leistungen erbracht, wie z.B. gesonderte Rubriken auf der Web-Seite, Veranstaltungen, Materialsammlungen und Selbstevaluationskonzepte. In Bezug auf die Ganztagsschulen bietet sich die Möglichkeit, die Bildung für nachhaltige Entwicklung im Nachmittagsbetrieb auch in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern anzubieten. Das Angebot kann dabei an das Vormittagscurriculum anknüpfen. Im Transfer sollen die Angebote systematisch erfasst, gute Praxisbeispiele verbreitet und die Qualität des Angebots verbessert werden. • Durch Kooperation mit Universitäten, Studienseminaren und Landesinstituten soll

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die Lehrerbildung in den Transfer mit eingebunden und genutzt werden. So wird durch das Zusammenwirken von Schulen, Multiplikatoren, Universitäten und Studienseminaren in regionalen und/oder landesweiten Kompetenznetzwerken eine besondere Form des Transfers realisiert, von der man sich Synergieeffekte (etwa Stabilisierung der Netzwerke, Thematische Weiterentwicklung, Bedarfsorientierung etc.) erhofft. Für die länderübergreifende Zusammenarbeit wird eine Webseite zu einem zentralen Server ausgebaut, der eine Vielfalt an Materialien, Informationen aber auch Austauschmöglichkeiten bietet. Koordiniert wird Transfer-21 wie das ausgelaufene BLK-Programm „21“ im Institut für Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin, geleitet von dem Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Gerhard de Haan. Folgende Bundesländer beteiligen sich bisher: Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Wenn wir Sie neugierig gemacht haben, Sie weitere Informationen erhalten oder mitmachen möchten, dann kontaktieren Sie doch einfach unsere Ansprechpartner in den Ländern oder wenden sich an uns: Freie Universität Berlin, Arbeitsbereich Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung, BLK-Programm Transfer-21, Koordinierungsstelle, D-14195 Berlin, Arnimallee 9, Tel.: 030/838-56848 oder -56449, E-Mail: [email protected].

6.

Pilot – Tägliche Sportstunde an Grundschulen in NRW

aus: www.taeglichesportstunde.de.vu Zielsetzung des Projektes Das Pilotprojekt versteht sich als Beitrag zur Stärkung des Schulsports. Es geht jedoch nicht allein um die zeitliche Ausweitung des Sportunterrichts an Grundschulen und um die Verbesserung der motorischen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler, sondern auch um folgende fachübergreifende grundschulspezifische Zielsetzungen: • Bewegung, Spiel und Sport im Zeichen einer optimalen Gesamtentwicklung

während der Grundschulzeit gewährleisten, • Persönlichkeitsentwicklung spezifisch fördern, • Bewegung, Spiel und Sport zur direkten interkulturellen Erziehung nutzen, • Lebensbereichs- und fächerübergreifende Lernprozesse bei den Kindern

initiieren, • Prinzipien des ganzheitlichen Lernens realisieren, • erlebte Erfahrungen der Grundschulzeit (z. B. des Übens und Leistens)

veranschaulichen, • Schul- und Lernfreude der Kinder aufrechterhalten.

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7.

Projekt gegen Schulschwänzen

Kein Bock auf Schule: Modell ermöglicht Schulverweigerern Abschluss

Von Julia Harzendorf (dpa)

"Kein Bock auf Schule" hatte Daniel gut anderthalb Jahre. Lust hat er immer noch nicht, aber immerhin geht er jetzt wieder regelmäßig zur Schule. Denn ohne Abschluss hat er keine Chance auf seinen Traumjob als Koch. Erst die Schule, dann die Küche: Dieser Gedanke motiviert den 15-Jährigen. "Daniel ist das Aushängeschild unseres Projekts", sagt Reiner Neuberg-Hahn, Leiter der Koordinierungsstelle "Schulverweigerung - Die 2. Chance" in Gelsenkirchen. Bis vor kurzem war er ein hartnäckigen Schulschwänzer. Jetzt ist er der erste Teilnehmer des Programms, der bereits nach vier Monaten wieder die Schulbank drückt Eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schülern, Eltern, Jugendamt und weiteren Förderinstitutionen zeichnet das vom Bundesjugendministerium initiierte deutschlandweite Projekt aus. Mitarbeiter in 74 Städten versuchen insgesamt 1450 Jugendlichen die Schule wieder schmackhaft zu machen. Dafür stehen bis Ende des Jahres knapp 22 Millionen zur Verfügung. In einem ersten Schritt entwickeln alle Beteiligten in Gelsenkirchen eine feste Tagesstruktur für die ersten 25 schulpflichtigen Projektteilnehmer: Drei Tage pro Woche arbeiten die Jugendlichen in der Schulwerkstatt. "Einen Tisch und ein Regal habe ich gebaut", erzählt Daniel stolz. "Das ist viel cooler als Schule. In der Werkstatt kann man so richtig anpacken und dann hat man was in der Hand." "Dieser Erfolg ist wichtig", meint Projektleiter Neuberg-Hahn. "Viele der Jugendlichen fühlen sich als Versager, wenn es in der Schule nicht klappt." An den anderen zwei Tagen in der Woche findet in kleinen Gruppen Unterricht statt. Auf dem Stundenplan stehen aber zunächst nur Hauptfächer wie Deutsch oder Mathe. Sind die Schüler nach dieser Phase so weit, wieder an der Regelschule teilzunehmen, müssen sie nicht ins kalte Wasser springen. Stufenweise werden sie wieder in den Unterricht integriert, indem sie beispielsweise nur ihre Lieblingsfächer oder Eckstunden besuchen.

Daniel hatte einfach keine Lust mehr auf Schule und wollte lieber mit seinen Kollegen in der Gegend herumziehen. Aber nicht immer sei eine "Null-Bock-Einstellung" der Grund, die Schule zu schwänzen, sagt Wilhelm Stegemann vom Schulamt der Stadt Gelsenkirchen. "Häufig sind die Schüler überfordert oder haben Angst zu versagen." Auch wenn sich das Schulschwänzer-Problem durch alle sozialen Schichten und Schulformen zieht, seien Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien besonders oft betroffen. Das Problem der Schulverweigerung lässt sich quantitativ nur schwer einordnen, eine bundesweite Erfassung gibt es nicht. Experten schätzen, dass von den insgesamt 12,4 Millionen Schülern in Deutschland 1 bis 2 Prozent bereits verfestigte Formen der Schulverweigerung aufweisen. "Viele Schulverweigerer werden gar nicht registriert, da die Lehrer froh sind, wenn die Störer weg sind", meint Josef Faltermeier, überregionaler Programmleiter des Projekts.

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8. BLK-Programm Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (FörMig)

Sprachliche Potenziale ermitteln, Sprachkompetenzen ausbauen und gezielt fördern!

Mit FÖRMIG ist NRW auf einem guten Weg!

Das fünfjährige Modellprogramm "Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (FÖRMIG)" der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) startete am 1. September 2004 und konnte zehn Bundesländer zur Teilnahme gewinnen. Das Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg hat als Programmträger die wissenschaftliche Begleitung übernommen. FÖRMIG unterstützt die Bundesländer bei der Entwicklung und Evaluierung innovativer Ansätze zur sprachlichen Bildung und zur Optimierung ihrer bestehenden Förderkonzepte. In NRW sind 15 Standorte und 75 sogenannte Basiseinheiten mit der Umsetzung des Modellprogramms und dem Aufbau von lokalen und regionalen Sprachfördernetzwerken befasst. Die regionalen KoordinatorInnen und die NRW-ProjektleiterInnen sorgen für Transfer und Austausch

Quelle: http://www.foermig-nrw.de/web/de/all/home/index.html

9.

Fit für die Ausbildung

Förderung innovativer Konzepte von Schulen zur Berufswahlorientierung

• Wie kann die Verzahnung von Schule und Arbeitswelt optimiert werden?

• Wie kann die Kooperation mit den potenziellen, künftigen Arbeitgebern intensiviert werden?

• Wie kann der Übergang Schule - Ausbildung zeitgemäß gestaltet werden?

• Wie müssen Berufswahlprogramme gestaltet sein, um Schüler angemessen auf die neuen beruflichen Realitäten vorzubereiten?

Diesen und ähnlichen Fragen stellen sich die Schulen in Nordrhein-Westfalen bereits heute. Die bisherigen Konzepte zur beruflichen Orientierung werden überdacht, erweitert und angepasst, um Schülerinnen und Schüler qualifiziert und mit realistischen Vorstellungen ins Berufsleben zu entlassen. Die Deutsche BP Stiftung fördert gemeinsam mit der Stiftung Partner für Schule NRW innovative Konzepte von Schulen zur Berufswahlorientierung.

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Im Schuljahr 2005/2006 werden insgesamt 20 nordrhein-westfälische Schulen gefördert, die das Thema "Fit für die Ausbildung" an ihrer Schule zukunftsfähiger gestalten wollen – durch…

• eine systematischere, nachhaltigere, umfassendere, jahrgangsübergreifende Förderung der Ausbildungsreife,

• Öffnung und Flexibilisierung schulischer Curricula für den Übergang Schule/Beruf;

• Module zur Berufswahlorientierung und zur klareren Strukturierung der Berufswahlprozesse,

• Verknüpfung des Unterrichts mit regelmäßigen Arbeitswelterfahrungen. Die Zielgruppen sind insbesondere: Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und Förderschulen, Förderschwerpunkt Lernen.

10.

Betrieb und Schule – BUS

Ziel von "Betrieb und Schule - BUS" ist es, drohende Arbeitslosigkeit für benachteiligte Jugendliche möglichst schon im Vorfeld des Übergangs von der Schule ins Berufsleben zu vermeiden und gleichzeitig deren Berufs- und Arbeitsplatzwahl zu erleichtern.

Schule, Jugendhilfe, die Stiftung Partner für Schule NRW und Arbeitsmarktpolitik wirken dabei zusammen, um diesen Jugendlichen frühzeitig individuelle Übergänge in Beruf und Arbeit zu ermöglichen.

Die Landesregierung fördert "Betrieb und Schule - BUS" durch zur Verfügung stellen von Lehrerstellen und durch Mittelzuweisungen an die Stiftung Partner für Schule.

Die Fördergelder werden nicht mehr über die Bezirksregierungen und die Schulträger an die einzelnen Schulen ausgezahlt, sondern die BUS-Schulen werden durch die Stiftung Partner für Schule NRW durch flankierende Maßnahmen zum BUS-Projekt unterstützt. Es fließen "Sachleistungen" in Form von zentral durch die SPfS beschafften/organisierten Unterstützungspaketen an die Schulen, die aus Sicht der Landespolitik sinnvoll erscheinen. Gleichzeitig wird durch die Unterstützungspakete der Verwaltungsaufwand, im Sinne des Bürokratieabbaus, reduziert.

Unterstützungspakete

Die Stiftung Partner für Schule NRW bietet den BUS-Schulen folgende Unterstützungspakete an:

1. Paket 1 (Pädagogische Tage)

Gemeinsame Fahrten / auswärtige Aufenthalte zur Gruppenfindung, zur Vorbreitung auf die Situation in den jeweiligen Praktikumsbetrieben und zur

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Stärkung des Sozialverhaltens.

Den Lehrkräften wird hier die Gelegenheit geboten, sich intensiv den einzelnen Schülerinnen und Schülern außerhalb des Lernortes Schule zu beschäftigen. Die zum Teil aus verschiedenen Schulen stammenden Schülerinnen und Schüler sollen sich hier zu einer Lerngruppe mit gemeinsamen Zielen und Werten zusammenfinden.

2. Paket 2 (externe Trainer)

Externe Trainer unterstützen die Lehrkräfte durch speziell auf die Bedürfnisse der Lerngruppe zugeschnittene Trainingseinheiten. Dies können sein, Bewerbungstraining, Selbstbehauptungstraining und Sozialtraining.

3. Paket 3 (Basispaket Bewerbungsmaterial)

Die für eine erfolgreiche Bewerbung notwendigen Materialien und der Umgang damit sind den Schülerinnen und Schüler stammen, oft nicht bekannt. Auch bedarf es häufig der Unterstützung bei der Beschaffung von professionellen Bewerbungsmaterialien. Inhalt dieses Pakets sind u. a. Bewerbungsmappen und Bewerbungssoftware.

Die "Handreichung Betrieb und Schule - BUS" wird für das Schuljahr 2007/2008 in den Punkten BUS-Förderung sowie Ko-Finanzierung durch den Europäischen Sozialfonds geändert und in Kürze in die Internetseiten des Ministeriums für Schule und Weiterbildung eingestellt.

Interessierte Gesamt-, Haupt- und Förderschulen, die für das Schuljahr 2007/2008 BUS-Klassen bzw. in Förderschulen auch BUS-Gruppen einrichten wollen, beantragen ihre Teilnahme formlos bis 02.05.2007 bei der zuständigen Bezirksregierung (Hauptschulen und Förderschulen über das zuständige Schulamt).

11.

Kompetenzcheck 2006

Der Kompetenzcheck Ausbildung NRW ist ein zusätzliches Element der gezielten Berufswahlorientierung, das in den Schulalltag integriert werden kann.

Der mit professioneller Unterstützung weiterentwickelte Kompetenzcheck Ausbildung NRW richtet sich aufgrund des berufswahlorientierenden Charakters ausschließlich an alle Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 von Haupt-, Real-, Gesamt-, Ersatz- und Förderschulen sowie an Schülerinnen und Schüler von Gymnasien, die eine Berufsausbildung im dualen System anstreben.

Der zweitägige Kompetenzcheck wird bei erfahrenen Bildungsträgern durchgeführt und bietet einen professionellen Rahmen, um den Jugendlichen außerhalb von Schule ihre Kompetenzen und Stärken zu spiegeln.

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Initiiert wurde diese Maßnahme vom Ausbildungskonsens NRW - einer langjährigen Partnerschaft von Verantwortlichen in Wirtschaft und Gesellschaft zur Stärkung der Ausbildung in NRW. Finanziert wird der Kompetenzcheck aus Landesmitteln sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Teilnahme am Kompetenzcheck ist für die Schülerinnen und Schüler kostenlos.

Zur allgemeinen Information stehen als Download bereit:

• ein Informationsblatt für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern, • eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer • ein Handbuch zum Kompetenzcheck

IV. Ergänzende Themen

1.

Chancengleichheit (Reich, Kersten– Konstruktivistische Didaktik, 2006)

Ł Die Idee war in den letzten 30 Jahren immer bildungspolitische Leitlinie. Ł Studien belegen Idee als Ideal statt Realität. Ł Sozialer Status hat starken Einfluss auf den schulischen und beruflichen Erfolg.

Beleg durch PISA-Studien Ł Klassische Studie von Bourdieu/Passeron (1971)

Analyse von Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit im internationalen Vergleich in Einführung von Hutmacher (2001)

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Bildungsbericht der Vereinten Nationen 2007:

KEINE CHANCENGLEICHHEIT???

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Hauptschulabschlüsse 1999 nach Staatsangehörigkeit

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NRW R-P Saar-

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Hochschulreife 1999 nach Staatsangehörigkeit

HS deutsch

HS nicht-deutsch

KEINE CHANCENGLEICHHEIT!!!

2.

Schulform - Hauptschule

Definition Die Hauptschule, Ende der 1960er Jahre aus der sogenannten Oberstufe der Volksschule hervorgegangen, ist eine allgemeinbildende weiterführende Schule im Rahmen des gegliederten Schulsystems. Sie umfasst in der Regel die Klassenstufen 5 bis 9 bzw. 10 im Bereich der Sekundarstufe I und wird mit dem Hauptschulabschluss abgeschlossen. In den Bundesländern, in denen die Hauptschule als eigenständige

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Schulform existiert, gilt diese als Regelschule, muss also von den Schulträgern obligatorisch angeboten werden, und ist zugleich Pflichtschule, „weil alle schulpflichtigen Schüler und Schülerinnen, die keine andere [...] Vollzeitschule besuchen, zum Besuch der Hauptschule verpflichtet sind“ [1]. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Schuljahr 2004/05 in Deutschland 5195 Hauptschulen (rund 2,5 % weniger als im Schuljahr zuvor) mit 1,08 Millionen Schülern (-0,7 % im Vergleich zum vorherigen Schuljahr). Bildungsauftrag und allgemeine Organisation Der Unterricht der Hauptschule zielt auf die Berufsreife der Schülerinnen und Schüler, er ist sehr stark praxisbezogen, handlungs- und methodenorientiert, ohne aber auf Wissenschaftsorientierung zu verzichten. Der Fächerkanon entspricht grundsätzlich dem der anderen Schulformen. Ausnahme: Das Fach Arbeitslehre wird verstärkt unterrichtet und ist in einigen Bundesländern Hauptfach anstelle der ersten Fremdsprache (in der Regel Englisch). Neben der Vermittlung von schulfachlichen Inhalten soll den Jugendlichen insbesondere die Problematik der Berufsorientierung in ihrer inhaltlichen Spannbreite als lebenslanger Handlungs- und Entscheidungsprozess vermittelt werden. Im Mittelpunkt steht hierbei das Thema „Berufswahlvorbereitung“, das sich aufgrund seiner Komplexität nicht in die Fachstruktur nur eines Unterrichtsfaches einordnen lässt und daher in verschiedenen Fächern bearbeitet wird. Außerschulische berufsbezogene Erfahrungen sammeln die Schülerinnen und Schüler durch den Besuch regionaler Berufsmessen oder des Berufsinformationszentrums der Bundesagentur für Arbeit sowie durch Betriebserkundungen und mehrwöchige Betriebspraktika. In der Regel wird nach erfolgreichem Besuch der 9. Klasse der Hauptschulabschluss vergeben. Dieser berechtigt zum Beginn einer beruflichen Ausbildung im Rahmen des dualen Ausbildungssystems. Um der vielstimmigen Forderung nach der Vergleichbarkeit von Abschlüssen Rechnung zu tragen, verlangen einige Bundesländer (z.B. Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen) mittlerweile verpflichtend eine an den Bildungsstandards der KMK orientierte schriftliche Hauptschulabschlussprüfung in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache sowie eine (teils verpflichtende, teils auf Freiwilligkeit basierende) ergänzende Projektprüfung. Berlin und Nordrhein-Westfalen In Berlin und Nordrhein-Westfalen gibt es eine 10-jährige Vollzeitschulpflicht, das heißt, dass die Schülerinnen und Schüler nach dem Erwerb des Hauptschulabschlusses nach Klasse 9 verbindlich die 10. Klasse der Hauptschule besuchen. Nach erfolgreichem Besuch kann in Berlin der „Erweiterte

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Hauptschulabschluss“ erworben werden. Nordrhein-Westfalen vergibt nach Klasse 10 zwei Abschlüsse: den Sekundarabschluss I – Hauptschulabschluss nach Klasse 10 Typ A und den Sekundarabschluss I – Fachoberschulreife nach Klasse 10 Typ B (entspricht dem Realschulabschluss). Für die Eingruppierung in die Klasse 10 Typ A oder 10 Typ B sind die Zeugnisnoten in Klasse 9 entscheidend, ggfs. ist auch ein Wechsel in den berufsbildenden Bereich wie die Vorklasse zum Berufsgrundschuljahr o. Ä. möglich. Schulpädagogische Herausforderungen und Konzepte In vielen Hauptschulklassen sitzen Schülerinnen und Schüler an der Grenze zur Lernbehinderung neben durchschnittlich begabten und leistungsfähigen Jungen und Mädchen, Kinder und Jugendliche mit zufriedenstellender sprachlicher Kompetenz neben Jugendlichen mit geringem deutschen Sprachvermögen. Ebenso verschieden sind die Schülerinnen und Schüler in ihren soziokulturellen Lebenslagen. Vielerorts unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres kulturellen bzw. ethnisch-religiösen Hintergrundes ebenso stark voneinander wie hinsichtlich der sozialen Situation innerhalb ihrer Familien. Die Hauptschule hat darauf reagiert und diverse didaktische und (sozial-) pädagogische Konzepte in ihren Alltag integriert, um die aus den unterschiedlichen Voraussetzungen erwachsenden Probleme ihrer Schülerschaft aufzufangen. Zu den wichtigsten dieser Konzepte zählen:

Klassenlehrerprinzip Teamteaching Jahrgangsübergreifender Unterricht Ausbau projektorientierter Unterrichtsmodule Deutschkurse für ausländische Schüler berufsqualifizierende Sonder- bzw. Jahrespraktika Schulsozialarbeit Soziale Gruppenarbeit Soziales Lernen Trainingsraum („Arizona-Modell“) Gewaltprävention Streitschlichtung (Schulmediation) Suchtberatung.

Kritik und Reformversuche Rütli-Schule, Berlin-Neukölln, in der öffentlichen Debatte, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Vorfälle an der Berliner Rütli-Schule im Frühjahr 2006, wird die Hauptschule oft verkürzt als „Restschule“ oder – im soziokulturellen Kontext – oft als „Brennpunktschule“ bezeichnet. Der Hamburger Erziehungswissenschaftler Herbert Gudjons sieht dieses Bild von

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Schule darin begründet, „dass der Besuch der Hauptschule selten durch freie Entscheidung für ein hauptschulspezifisches Konzept zu Stande kommt, sondern weitgehend Folge eines negativen Ausleseprozesses ist“. Die Hauptschule gewinnt Grundschulabgänger selten freiwillig für ihren Bildungsgang, muss vielerorts als Pflichtschule gleichzeitig aber all diejenigen aufnehmen, die sich in den anderen Bildungsgängen nicht zurechtfinden. Die im Hamburger Abkommen von 1964 beabsichtigte Aufwertung der Hauptschule zu einer praxisorientierten weiterführenden Schule neben der Realschule und dem Gymnasium ist von der Öffentlichkeit in der Summe nicht angenommen worden. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen: Der Anteil der Hauptschüler an allen Schülern eines Jahrgangs nimmt bundesweit seit Jahren ab (2002-2005 -2,4 %; im selben Zeitraum: Realschule +5,4 %, Gymnasium +4,7 %). Dieser Prozess ist in allen Bundesländern – bei großen regionalen Unterschieden – tendenziell einheitlich. Gewinner dieser Abstimmung mit den Füßen sind die Realschulen. Angesichts dieser Entwicklung steht die Hauptschule innerhalb des gegliederten Schulsystems für viele Schulpädagogen mittlerweile in einem Legitimierungsvakuum. Die Bundesländer haben darauf unterschiedlich reagiert: Mit der Beibehaltung der Hauptschule als eigenständiger Schulform, erweitert um einen 10. Schuljahrgang, womit der Erwerb des Mittleren Bildungsabschlusses ermöglicht wird, mit der Abschaffung der Hauptschule als eigenständiger Schulform hin zu einem gegliederten Schulsystem mit teil- oder vollintegrierten Sekundarstufenschulen (Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen mit interner Durchlässigkeit der Bildungsgänge). Politischer Wille ist es, die Schullaufbahn nach oben hin durchlässig zu gestalten, um Hauptschülern weiterführende Bildungschancen zu ermöglichen und damit das geringe gesellschaftliche Ansehen des Hauptschulbildungsganges zu verbessern. Für Bildungsforscher, die im Zusammenhang mit der PISA-Studie die Lebenswelt der Jugendlichen und ihre schulische Sozialisation untersuchen, ist das grundlegende Problem aber nicht gelöst, dass die Hauptschule – selbst in einem integrierten Bildungsgang – innerhalb des derzeitigen gegliederten Schulsystems eine ausgesprochen unterschichtspezifische Schule zu werden droht, in der die durch die soziale Herkunft bedingten Bildungsnachteile institutionell verstärkt werden. Bildungspolitische Vertretung Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als DGB-Gewerkschaft und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) als Verband des Beamtenbundes vertreten die Interessen der Hauptschullehrer als Gewerkschaften. Damit bilden sie auch die bildungspolitische Vertretung der Lehrerinnen und Lehrer im Hauptschulbereich.

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3.

Schulform - Realschule

Deutschland Definition Die Realschule – bis 1964 als Mittelschule geführt – ist eine allgemein bildende weiterführende Schule im Rahmen des gegliederten Schulsystems. Sie umfasst die Klassen 5–10 bzw. 7–10 der Sekundarstufe Ⅰ und wird mit der mittleren Reife (Realschulabschluss/Fachoberschulreife) abgeschlossen. Laut Statistischem Bundesamt existierten im Schuljahr 2005/2006 2.976 Realschulen (0,9 % weniger als im Schuljahr zuvor) mit 1,32 Millionen Schülern (−2 % im Vergleich zum vorherigen Schuljahr). Bildungsauftrag und allgemeine Organisation Nach den Maßgaben des Hamburger Abkommens der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1964 zielt der Unterricht der Realschule auf die Vermittlung einer erweiterten Grundbildung. Bei erfolgreichem Abschluss berechtigt diese zur Aufnahme berufsqualifizierender Bildungsgänge, zum Eintritt in die mittlere Beamtenlaufbahn oder zum Besuch höherer Berufsfachschulen bzw. von Fachoberschulen oder der gymnasialen Oberstufe. Dementsprechend ist der Unterricht praxisbezogen, ohne aber auf Wissenschaftsorientierung zu verzichten. Einen breiten Raum nimmt die Thematik der Berufswahlvorbereitung ein, die auf Grund ihrer Komplexität nicht nur in einem, sondern in verschiedenen Unterrichtsfächern, zum Teil fächerübergreifend, bearbeitet wird. Ab der 7. Klasse besteht für die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, im Rahmen des so genannten Wahlpflichtunterrichts zwischen unterschiedlichen fachlichen Profilen zu wählen. In der Regel bieten die Profile eine naturwissenschaftlich-technische oder wirtschafts- bzw. gesellschaftskundliche Grundbildung an oder ermöglichen das Erlernen einer zweiten Fremdsprache. Welche Richtungen oder Wahlmöglichkeiten angeboten werden, hängt vom jeweiligen Bundesland und gegebenenfalls auch von der einzelnen Schule selbst ab. Um der Forderung nach der Vergleichbarkeit von Abschlüssen Rechnung zu tragen, verlangen etliche Bundesländer inzwischen verpflichtend eine an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz orientierte schriftliche Realschulabschlussprüfung, die allerdings in einigen Bundesländern am Ende der 10. Klasse der Gymnasien nicht erwartet wird. Ein Drittel der mittleren Bildungsabschlüsse wird im berufsbildenden System erworben. Hier liegen derzeit noch keine Bildungsstandards vor. Geschichte der realen Bildung

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Die Wurzeln der realen (von lat. res = „Sache, Gegenstand“ abgeleiteten) Bildung finden sich bereits im frühen Mittelalter: Walahfrid Strabo (808–849), Benedektinerabt auf der Insel Reichenau, schrieb in seinem Gartengedicht (Hortulus), wie die Erfahrung durch der eigenen Hände Arbeit („propriis palmis“) vergrößert werden kann. Weitere frühe Ansätze der realen Bildung finden sich bei den Renaissance-Pädagogen Erasmus von Rotterdam (1469–1536), Thomas More (1478–1535) und J. L. Vives (1492–1540), die neben die „Sprachbemeisterung“ die „Sachbemeisterung“ setzten. Doch die wieder zu einer reinen Verbalschule drängenden Kräfte der Reformationszeit schnitten diese Bestrebungen ab. Höfisches Leben wurde vorbildlich. Der Adel sah jedoch seine Ziele der Erziehung und Bildung mit den Lateinschulen nicht erfüllt und es entwickelten sich die Ritterakademien. Sie waren das Tor zu einer neuzeitlich realen Bildung. Parallel dazu standen die Bemühungen einzelner Pädagogen um die reale Bildung. Wolfgang Ratke (Ratichius) (1571–1635) forderte die Einführung der Muttersprache in den Unterricht und die Ablösung vom Latein. Johann Amos Comenius (1592–1670) baute darauf die Forderung, die Worte nur in Verbindung mit den Sachen zu lehren. In der „Trivialschule“ des Joh. Raue (1610–1679) wurde bereits in Fächern wie Geometrie; Stenographie, Realien, Biologie etc. gelehrt. Für Joh. Joachim Becher (1635(?)–1682) hatte die Schule die Aufgabe, über Erziehung und Lehre ein geordnetes Staatsgefüge zu schaffen. Sein Ideal war der handwerklich gebildete Gelehrte, der „nützlich gelehrte“ Wissenschaftler. Im 18. Jahrhundert erstarkte das Bürgertum und der Ruf nach den realbildenden Schulen wurde wieder lauter. Die schulpädagogischen und schulorganisatorischen Gesamtsysteme zerfielen. Eine neue Epoche der realen Bildung begann, an deren Ende das Erstarken der mittleren Schulform stand. Zunächst aber war die Vermittlung realer Bildungsinhalte noch die Aufgabe einzelner Real-Pädagogen: Für den Pietisten August Hermann Francke (1663–1727) war der Realismus durchaus methodisch geprägt. Die Natur zeigte die Größe und Allmacht Gottes. Praktische Unterweisungen hatten primär das Ziel, zum Unterhalt seiner Franck'schen Anstalten in Halle (Saale) beizutragen. 1698 gründete Francke in Halle die nach ihm benannten Franckesche Stiftungen, eine bis heute bestehende soziale Einrichtung. Der Hallenser Pastor Christoph Semler (1669–1740) gründete 1707 seine „Mathematische und Mechanische Realschule“. Die Idee war es, den Unterricht zu veranschaulichen und Techniken zu schulen, die für das spätere Leben und dem Beruf notwendig erschienen. Nach einem Misserfolg gründete er sie 1738 noch einmal. Der zweite Versuch endete zwei Jahre später mit Semlers Tod. Semlers Schule war die erste, die den Namen „Realschule“ trug. Sie blieb jedoch über die gesamte Zeit ihres Bestehens lediglich eine Ergänzungsschule zur „Teutschen Schule“. Aus der Teutschen Schule heraus, deren Verbalismus er kritisierte, entwickelte der reformorientierte pietistische Theologe Johann Julius Hecker (1707–1768) ein Fachklassensystem (angelehnt an die von Joh. Gottfried Groß geschaffene differenzierte Stoffverteilung je nach Berufswunsch der Schüler) in seiner „Ökonomisch-Mathematischen Realschule“ in Berlin von 1747. Hecker gilt als Gründer der ursprünglichen praxisorientierten Realschule, für die er einen Schulgarten anlegen ließ und der er 1748 das erste preußische Lehrerseminar angliederte. Der Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt war ein Gegner von Realschulen, doch

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bereits 1832 wurden Abschlüsse der Realschule in Preußen als Berechtigung zu mittleren Laufbahnen anerkannt. Damit schob sich diese Schulform rechtlich zwischen Gymnasium und Volksschule. So sehr sich die Realpädagogen auch bemühten, ihre Mühe allein reichte nicht, den Bildungsbedarf des Bürgertums zu befriedigen. Es entstanden die Bürgerschulen und unter der Zusetzung des Fachs Latein die Höhere Bürgerschule. Die Höhere Bürgerschule teilte sich in um 1860 herum in die Realschule 1. Ordnung (aus der etwa zwanzig Jahre später das Realgymnasium erwuchs) und die Realschule 2. Ordnung, die zur Oberrealschule wurde. Beide neuen Schulformen wurden mit Beginn des neuen Jahrhunderts den Gymnasien gleichgestellt. Der Zweig zu den heutigen Realschulen verlief jedoch anders: Aus einem Konglomerat von mittelbildenden Schulen (höhere Töchter- und Knabenschulen, Stadtschulen, Bürgerschulen und Rektoratschulen) erwuchs 1872 eine eigenständige, wesensbestimmte Mittelschule. Über drei Neuordnungen hinweg hielt sie sich auch über den Zweiten Weltkrieg hinweg und konnte nach dessen Beendigung ihren Betrieb relativ schnell wieder aufnehmen. Je nach Bundesland wurden die Mittelschule früher oder später in Realschulen umbenannt, weil die Elternschaft in dem Namen „Mittelschule“ etwas Herabsetzendes empfand. Der Begriff „Mittelschule“ bezeichnete so nicht nur einen Schultyp, sondern vermeintlich auch eine Qualität.