60 jahre chemisch-technische versuchsanstalt bei der staatlichen porzellan-manufaktur berlin

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ANGEWANDTE CHEMIE 51. Jahrgang, Nr. 18. Seilen 253-264, 7. Mai 1938 60 Jahre ChemisQ-tehnische Versuchsanstalt bei der StaatliQen Porzellan-Manufaktur Berlin Von Prof. Dr. R. RIEKE, Berliii Ringeg. Po. April 19.38 m 1. April 1878 wurde vom PreuDischeii Handels- A ministerium ein staatliches keramisches Forschungs- institut gegriindet, das unter dem Namen ,,Chemisch- tahnische Versuchunstak" der damals Kiinigl. Porzellan- Manufaktur Berlin angegliedert wurde. Diese Versuchs- anstalt ist somit das dteste, ausschlieolich der keramischen Forschung gewidmete Institut Deutschlands. Der erste Vorsteher diesrs Instituts, Prof. Dr. H. A. Seger, wurde durch seine zahlreichen Arbeiten der eigentliche Begrunder einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise keramischer Probleme, die bis dahin meist von reinen Praktikern empirisch behandelt wurden. Die Leitung der Versuchsanstalt lag von 1878-1890 in den Handen Segers; sein Nachfolger war der spatere Reg.-Rat Dr. H e m n n Hecht, dem 1897 Prof. H. MurqwLrdt folgte. Seit 1921 ist die Leitung Prof. Dr. R. Rieke an- vertraut . Das hei der Grundung der Versuchsanstalt aufgestellte Programm war so umfassend, daI3 deren Tatigkeitsfeld sich iiber die gesamte Keramik und die angrenzenden Gebiete erstreckte; dementsprechend sind auch die von der Versuchsanstalt bearbeiteten Fragen und die aus ihr hervorgegangenen Vcroffentlichungen von ungewiihnlicher Vielseitigkeit . Die Arbeiten des ersten Vorstchers, Prof. Dr. Seycr, die nach seinem Tode in einem stattlichen Bande von 900 Seiten als ,,Segers gesaminelte Schriften" heraus- gegeben und spater auch ins Englische ubersetzt wurden, hildeten lange Zeit hindurch die Grundlage jedes weiteren Porschens auf keramischem Cebiet. Diese Arbeiten um- fassen Untersuchungen uber Rohstoffe, Brennofen und Brennverfahren, Ziegel, Steinzeug, Steingut, Porzellan, feuerfeste Stoffe 11. a. Besonders hervorgehoben sei hier die Arheit uber ostasiatische Porzellane, die zur Her- stellung des dein japanischen Porzellan ahnlichen ,,Seger- Porzellans" und der dafiir entwickelten Technik der roten Kupferglasuren (,,China-Rot") fiihrte; ferner die Schaffung der noch heute in der keramischen Industrie ganz allgemein zur Bestinimung der Ofentemperaturen angewandten ,,Seger-Kegel". Diese ,,rSeger-Kegel-Skala" wurde spater noch weiter ausgebaut und verbessert und umfaDt den Temperaturbereich von 600-2O0O0. Erw$ihnt sei ferner die Einfuhrung des Sch5nechen Schlammapparates durch Seger in die Keramik sowie der Aufbau keramischer Massen auf Grund der sog. ,,rationellen Analyse", die die mineralische Zusammensetzung der Rohstoffe dem Masseversatz zugrunde legt. Fur die Aus- Wrung dieser rationellen Analyse wurde spater von E. Be& in der Versuchsanstalt eine noch jetzt gebrauch- liche Form ausgearbeitet. Seger befaate sich weiterhin sehr erfolgreich mit der Schaffung neuer Dekorationstechniken und der auch heute wieder aktuellen Herstellung bleifreier Glasuren. Seine Steingut-Unterglasurfarbkorper waren der erste Versuch des systematischen Aufbaues keramischer Farben. Auf weitere Arbeiten Segers einzugehen, verbietet der Raum. Eine von seinem Nachfolger, Prof. H. Murquurdt, dem Erfinder der bekannten feuerfesten Marqwrdtschen Masse, entwickelte neue Technik waren die Kristall- glasuren auf Seger-Porzellan , die durch die Ausscheidung von Zinkorthosilicat in der erkaltenden Glasur reizvolle Effekte zu ereielen gestattcn. Die spateren Arbeiten der Versuchsanstalt, an denen hesonders E. Berdel, 111. Simtmis, R. Rieke, K. Endell und W. Steger inaBgebend beteiligt waren, befassen sich mit sehr verschiedenen Problemen. Ein nahezu unbegrenztes Gebiet bot das Studium der keramischen Rohstoffe, vor allem der Kaoline und Tone, und es gingen zahlreiche Arbeiten aus der Versuchsanstalt hervor uber die Plasti- zitat der Tone, uber ihr Verhalten gegen I<lektrolyte und beim Brennen; ferner uber die Beeinflussung des Brenn- verhaltens, der Sinterung, der Enveichung und der Schnielz- barkeit durch die verschiedenen als naturliche Beimen- gungen oder kunstliche Zu&tze in Betracht kommenden Stoffe, Arbeiten, die sowohl fur die feinkeramische als auch fur die feuerfeste Industrie wertvolle Feststellungen brachten. Nicht weniger Aufmerksainkeit wurde auch den andern Rohstoffen der Keramik geschenkt, tvie aus den schon 1912 veroffentlichten Arbeiten uber die Umwandlung der verschiedenen SO,-Vorkommen und von Quarzglas in Cristobalit sowie die spateren Veroff entlichungen uber die Viscositat von Feldspatglas, uber Chronierz, Zirkon- oxyd u. a. hervorgeht. Eine Reihe grundlegender Arbeiten wurde uber Fragen aus den1 Gebiete des Porzellans ausgefiihrt; die Verandemgen der porzellanmasse im Verlauf der ein- zelnen Penoden des Brandes fanden eine eingehende Bearbeitung, ebenso wie die Beeinflussung dqr mechani- d e n und thermischen Eigenschaften und der Mikro- struktur des Yorzellans durch die verschiedensten Zusitze. h d i c h e Arbeiten wurden auch iiher Steingutmassen aus- gefuhrt . Eine ganz besondere Beachtung fand in der Versuchs- anstalt seit jeher das Verhdtnis des Sclierbens zur Glasur. Schon Seger hatte diese Frage eingehend behandelt, und die auf Grund seiner Versuche entwickelten Richtlinien fur die an der Masse- und Glasurzusammensetzung vor- zunehmenden Anderungen heim Auftreten von Glasurrissen oder andern Glasurfehlern bildeten lange Zeit hindurch die maogebende Grundlage fur die Praxis. Die Einfiihrung geeigneter Apparaturen zur Messung der Warmeausdehnung der keramischen Scherben und der Glasuren ermoglichte dann eine exaktere Behandlung dieses praktisch so bedeut- samen Problems; die ersten von R. Rieke vorgenomme- nen Messungen der Warmeausdehnung von Steingut mit dem Nachweis des Einflusses eines Cristobalitgehalts der Masse stammen aus dem Jabre 1914, die ersten Messungen an Glasuren ebenfalls von 1914. In den letzten Jahren wurde von W Lskger ein bereits vielfach in der Praxis ein- gefiihrtes Verfahren zur Messung der Spannungen zwischen Scherben und Glasur entwickelt und unsere Kenntnis Arprwandlc Clr,~iriir Sl.Jahrg.ln38. h'r.18 253

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Page 1: 60 Jahre Chemisch-technische Versuchsanstalt bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Berlin

A N G E W A N D T E C H E M I E 5 1 . Jahrgang, Nr. 1 8 . Seilen 2 5 3 - 2 6 4 , 7 . M a i 1 9 3 8

60 Jahre ChemisQ-tehnische Versuchsanstalt bei der StaatliQen Porzellan-Manufaktur Berlin Von Prof. D r . R . R I E K E , Ber l i i i

Ringeg. Po. April 19.38

m 1. April 1878 wurde vom PreuDischeii Handels- A ministerium ein staatliches keramisches Forschungs- institut gegriindet, das unter dem Namen ,,Chemisch- tahnische Versuchunstak" der damals Kiinigl. Porzellan- Manufaktur Berlin angegliedert wurde. Diese Versuchs- anstalt ist somit das dteste, ausschlieolich der keramischen Forschung gewidmete Institut Deutschlands. Der erste Vorsteher diesrs Instituts, Prof. Dr. H. A. Seger, wurde durch seine zahlreichen Arbeiten der eigentliche Begrunder einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise keramischer Probleme, die bis dahin meist von reinen Praktikern empirisch behandelt wurden.

Die Leitung der Versuchsanstalt lag von 1878-1890 in den Handen Segers; sein Nachfolger war der spatere Reg.-Rat Dr. H e m n n Hecht, dem 1897 Prof. H. MurqwLrdt folgte. Seit 1921 ist die Leitung Prof. Dr. R. Rieke an- vertraut .

Das hei der Grundung der Versuchsanstalt aufgestellte Programm war so umfassend, daI3 deren Tatigkeitsfeld sich iiber die gesamte Keramik und die angrenzenden Gebiete erstreckte; dementsprechend sind auch die von der Versuchsanstalt bearbeiteten Fragen und die aus ihr hervorgegangenen Vcroffentlichungen von ungewiihnlicher Vielseitigkeit .

Die Arbeiten des ersten Vorstchers, Prof. Dr. Seycr, die nach seinem Tode in einem stattlichen Bande von 900 Seiten als ,,Segers gesaminelte Schriften" heraus- gegeben und spater auch ins Englische ubersetzt wurden, hildeten lange Zeit hindurch die Grundlage jedes weiteren Porschens auf keramischem Cebiet. Diese Arbeiten um- fassen Untersuchungen uber Rohstoffe, Brennofen und Brennverfahren, Ziegel, Steinzeug, Steingut, Porzellan, feuerfeste Stoffe 11. a. Besonders hervorgehoben sei hier die Arheit uber ostasiatische Porzellane, die zur Her- stellung des dein japanischen Porzellan ahnlichen ,,Seger- Porzellans" und der dafiir entwickelten Technik der roten Kupferglasuren (,,China-Rot") fiihrte; ferner die Schaffung der noch heute in der keramischen Industrie ganz allgemein zur Bestinimung der Ofentemperaturen angewandten ,,Seger-Kegel". Diese ,,rSeger-Kegel-Skala" wurde spater noch weiter ausgebaut und verbessert und umfaDt den Temperaturbereich von 600-2O0O0.

Erw$ihnt sei ferner die Einfuhrung des Sch5nechen Schlammapparates durch Seger in die Keramik sowie der Aufbau keramischer Massen auf Grund der sog. ,,rationellen Analyse", die die mineralische Zusammensetzung der Rohstoffe dem Masseversatz zugrunde legt. Fur die Aus- Wrung dieser rationellen Analyse wurde spater von E. Be& in der Versuchsanstalt eine noch jetzt gebrauch- liche Form ausgearbeitet.

Seger befaate sich weiterhin sehr erfolgreich mit der Schaffung neuer Dekorationstechniken und der auch heute wieder aktuellen Herstellung bleifreier Glasuren. Seine Steingut-Unterglasurfarbkorper waren der erste Versuch des systematischen Aufbaues keramischer Farben.

Auf weitere Arbeiten Segers einzugehen, verbietet der Raum.

Eine von seinem Nachfolger, Prof. H. Murquurdt, dem Erfinder der bekannten feuerfesten Marqwrdtschen Masse, entwickelte neue Technik waren die Kristall- glasuren auf Seger-Porzellan , die durch die Ausscheidung von Zinkorthosilicat in der erkaltenden Glasur reizvolle Effekte zu ereielen gestattcn.

Die spateren Arbeiten der Versuchsanstalt, an denen hesonders E . Berdel, 111. Simtmis, R. Rieke, K. Endell und W. Steger inaBgebend beteiligt waren, befassen sich mit sehr verschiedenen Problemen. Ein nahezu unbegrenztes Gebiet bot das Studium der keramischen Rohstoffe, vor allem der Kaoline und Tone, und es gingen zahlreiche Arbeiten aus der Versuchsanstalt hervor uber die Plasti- zitat der Tone, uber ihr Verhalten gegen I<lektrolyte und beim Brennen; ferner uber die Beeinflussung des Brenn- verhaltens, der Sinterung, der Enveichung und der Schnielz- barkeit durch die verschiedenen als naturliche Beimen- gungen oder kunstliche Zu&tze in Betracht kommenden Stoffe, Arbeiten, die sowohl fur die feinkeramische als auch fur die feuerfeste Industrie wertvolle Feststellungen brachten.

Nicht weniger Aufmerksainkeit wurde auch den andern Rohstoffen der Keramik geschenkt, tvie aus den schon 1912 veroffentlichten Arbeiten uber die Umwandlung der verschiedenen SO,-Vorkommen und von Quarzglas in Cristobalit sowie die spateren Veroff entlichungen uber die Viscositat von Feldspatglas, uber Chronierz, Zirkon- oxyd u. a. hervorgeht.

Eine Reihe grundlegender Arbeiten wurde uber Fragen aus den1 Gebiete des Porzellans ausgefiihrt; die Verandemgen der porzellanmasse im Verlauf der ein- zelnen Penoden des Brandes fanden eine eingehende Bearbeitung, ebenso wie die Beeinflussung dqr mechani- d e n und thermischen Eigenschaften und der Mikro- struktur des Yorzellans durch die verschiedensten Zusitze. h d i c h e Arbeiten wurden auch iiher Steingutmassen aus- gefuhrt .

Eine ganz besondere Beachtung fand in der Versuchs- anstalt seit jeher das Verhdtnis des Sclierbens zur Glasur. Schon Seger hatte diese Frage eingehend behandelt, und die auf Grund seiner Versuche entwickelten Richtlinien fur die an der Masse- und Glasurzusammensetzung vor- zunehmenden Anderungen heim Auftreten von Glasurrissen oder andern Glasurfehlern bildeten lange Zeit hindurch die maogebende Grundlage fur die Praxis. Die Einfiihrung geeigneter Apparaturen zur Messung der Warmeausdehnung der keramischen Scherben und der Glasuren ermoglichte dann eine exaktere Behandlung dieses praktisch so bedeut- samen Problems; die ersten von R . Rieke vorgenomme- nen Messungen der Warmeausdehnung von Steingut mit dem Nachweis des Einflusses eines Cristobalitgehalts der Masse stammen aus dem Jabre 1914, die ersten Messungen an Glasuren ebenfalls von 1914. In den letzten Jahren wurde von W Lskger ein bereits vielfach in der Praxis ein- gefiihrtes Verfahren zur Messung der Spannungen zwischen Scherben und Glasur entwickelt und unsere Kenntnis

Arprwandlc Clr ,~ ir i i r Sl.Jahrg.ln38. h'r.18 253

Page 2: 60 Jahre Chemisch-technische Versuchsanstalt bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Berlin

Qanzenmi i l l e r : E i n i ta l i en i sches a o l d l u s t e r r e z e p l vorti. E n d e rles I$ . .Juhrhzlntlerte

von dem komplizierten Zusammenwirken der stetigen Ausdehnung der Glasuren mit der bei Steingut stets un- stetigen Ausdehnung des Scherbens grundlegend gefordert

Weiterhin seien noch die Arbeiten uber verschiedene keramischespezialmassen erwahnt, wie z. B. iiber Massen fur kunstliche Ziihne, Bindemassen fur Schleifscheiben, Massen f iir die Hochfrequenztechnik, hochfeuerfeste Massen LI. dgl.

Es liegt in der Natur der Sache, daB die Versuchs- anstalt als staatliche keramisclie Priifstelle sich auch mit I' r ii f v or r ic h t u nge n eingehend beschaftigt . Auch auf diesem Gebiet sind neue Verfahren und Apparaturen aus ihr hervorgegangen. Es seien hier vor allem erwahnt die von R . Rieke schon 3906 konstruierten elektrischen Ofen mit KohlegrieBwiderstandserhitzung, die jetzt ganz all- geniein zur Bestiinniung der Feuerfestigkeit, der Druck- feuerbestandigkeit und zur Vornahme von Brenn- nnd Schmelzversuchen angewandt werden ; ferner von W.Steqer konstruierte Vorrichtungen zur Priifung der Druckfener- hestandigkeit, eur- Messung der Warnieausdehnung uncl der Spannung zwischen Scherben und Glasur und ein voxi 11. Rieke und L. Mauve eingefdn-ter Apparat zur ver- gleichenden Messung der mechanischen Widerstandsfiihig- keit von Geschirren.

Es ist im Rahmen dieses kurzen Uberblicks iiber die Entwicklung und die Tatigkeit der Versuchsanstalt natiir- lich nicht moglich, aller Arbeiten zu gedenken, die tcils veroffentlicht wurden, teils zum Ausbau verschiedener Spezialfabrikationen dienten, die von der Versuchsanstalt betrieben werden, wie z. B. die Herstellung der Xeger-Kegel, der elektrischen KohlegrieBofen, von Ofen init flamnien- loser Oberflachenverbrennung nach dem System Rch.nabr.l, einiger feuerfester Spezialniassen u. a.

Eine etwas eingehendere Wiirdigung mu13 jedoch die 1,ehr t a t ig kei t an der Versuchsanstalt finden.

Wenn auch das Haupttatigkeitsfeld der Versuchs- anstalt die Erforschung aller keramischen Kohstoffe, Erzeugnisse, Priifverfahren und Fabrikationsprozesse sowie die technische Forderung und Reratung der Industrie ist, so bestand doch schon zur Zeit ihrer Criindung das Be- diirfnis, hier auch Chemiker in dem Spezialgebiet der Keramik auszubilden und ihnen Gelegenheit zu selbstandigen kerarnischen Arbeiten zu geben. Anfanglich standen liierfiir nur 1-~- 2 Arbeitsplatze zur Verfiigung, doch nahni die Zahl dieser Praktikanten besondcrs von 1900 an -- derartig zu, daW zeitweise 8-1 0 Arbeitsplatze benotigt wurden. So hatten bis zum Beginn des Krieges im Jahre 1914 rund 300 Herren ails der Industrie und von Hoch-

schulen diese Gelegenheit zur fachlichen Ausbildung und Weiterbildung benutzt.

Unter der Leitung von Otto N . Witt waren schon vor dem Kriege im Technologischen Institut der Technischen Hochschule Berlin einzelne keramische -4rbeiten ausgefiihrt worden, und er selbst hielt eine Vorlesung uber allgemeine Keramik, doch verfiigte die Hochschule nicht uber ein eigens fiir keramische Zwecke eingerichtetes Laboratorium. Witts Nachfolger, H . Reisenegger, der selbst der Keramik fernstand, setzte sich nach dem Kriege, gemeinsam mit maogebenden Vertretern und Organisationen der kerami- schen Industrie, vor allem der 1919 gegriindeten Deutschen Keramischen Gesellschaft, fur die Schaffung eines kerami- schen Hochschulinstituts in Berlin ein, und so wurde die Versuchsanstalt in1 Jahre 1920 als Keramisches Unterrichts- institut der Technischen Hochschule Berlin anerkannt und gleichzeitig eine keramische Dozentur geschaffen, die K . Kiekc iibertragen wurde. Die hierdurch noch erweiterte Betatigung der Versuchsanstalt stellte hohe Anforderungen an die vorhandenen Raumlichkeiten und Einrichtungen, die nur allmahlich befriedigt werden konnten ; haufig wurden mehr Arbeitsplatze verlangt, als vorhanden waren.

Nach den1 Tode von H . Hecht iibernahm W . Steger von der Versuchsanstalt dessen Vorlesungen uber kerami- sche Technik neben seiner Vorlesung iiber Warmewirtschaft in der Keramik, so daB nunmehr auch an keramischen Spezialvorlesungen den Studierenden mehr geboten wird als an andern Hochschulen.

Von 1920 an arbeiteten 102 Studierende und Gast- teilnehmer, darunter 29 Auslander, in der Versuchsanstalt von denen 38 ihre Diplomarheit und 22 ihre Dr.-Ing. Dissertation hier ausfuhrten.

Die Versuchsanstalt hat durch ihre vielseitigen For- schungen auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet, durcli ihre I,ehrtatigkeit sowie durch die Beratung der Industrie in den GO Jahren ihres Bestehens zur Geniige bewiesen, daIj ihre Griindung nicht nur einem dringenden Bedurfnis der daxnaligen Zeit entsprach, sondern daiB gerade auch die heutige Zeit eines derartigen Instituts bedarf. Thre Aufgaben sind nicht geringer geworden, und es bedarf keines besonderen Hinweises, daB sie gerade bei der E r - forschung deu t sche r Rohs tof fe und ihrer weitest gehenden Verwendung in unserer Industrie maBgeblich beteiligt ist, wie z. B. auch die Veroffentlichungen uber Porzellane ails deutschen Kaolinen, iiber die Verwertung deutscher Serpentine zu feuerfesten Erzeugnissen u. a. beweisen. [A. 26.1

Ein italienisches Goldliisterrezept vom Ende des 14. Jahrhunderts Von D r . W . G A N Z E N M UI .LER, Tubingen

Eingeg. 6. April 1938

ereits Bode hat in seinem Werk ,,Die Anfange der B Majolikamalerei in Toskana"l) darauf hingewiesen, daW die Benialung der Fayence mit Goldluster in Italien nicht erst von Meister Giorgio Andreoli in Gubbio eingefidlrt worden ist, sondern daiB sich in Florenz eine Reilie von Scherben mit feinem Goldluster gefunden hat, die sich von den spanisch-maurischen in der Form der GefaiBe und in Glasur und Dekoration nicht unwesentlicli unter- scheiden. Zur Bestatigung der Tatsache, daI3 es sich hier urn florentinische Erzeugnisse handle, bedurfe es allerdings noch griindlicher Vagleichung solcher Stucke mit zweifellos spanischer Ware. ,,Wiirde dadurch die Entstehung lustrierter Ware in Toskana wirklich festgestellt wertltn

kijnnen, so bliebe immer noch die Moglichkeit, daB spanische Topfer sie in Florenz hergestellt hiitten."

Die Entscheidung der Frage, ob schon im 14. Jahr- hundert hlajolika mit Goldluster in Florenz hergestellt wurde oder ob Gorgio Andreoli diese Erfindung ein Jahr- hundert spater selbstandig geniacht hat, kann aber auch auf einem anderen Weg als dem kunstgeschichtlicher Vergleichung gesucht werden. Man kann die gleichzeitigen Kezeptsammlungen daraufhin durchsehen, ob sich nicht Vorschr i f ten fur die Herstellung von Goldluster darin fihden, und wenn ja, untersuchen, wie diese sich zu den maurischen verhalten. In der Tat finden wir einige wenige Rezepte dieser Art. Das alteste steht in einem vonMilaneei

I) w. ~ ~ d ~ : Die Anfinge der Majolikarnalerei in Toskunn, I C j l 1, herausgegebenen Traktat, der hauptsachlich Glassatze s. 22. enthalt und lautet folgendermaaen :

214- Avrgeura7idlc I!hemie 6 1 . J a hrg. 1938. N r. 18