20130627-spektrum die woche magazin 26 vom 27 juni 2013 (club)

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7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club) http://slidepdf.com/reader/full/20130627-spektrum-die-woche-magazin-26-vom-27-juni-2013-club 1/58 26  Extreme Atome Physiker blähen Atome auf, beladen sie mit zusätzlichen Kernbausteinen oder erschaffen ihre Gegenstücke aus Antimaterie. Das Ergebnis sind neue und immer bizarrere Partikel.  > Babys wissen, was Mama vorhat  > Neuer Ansatz gegen multiple Sklerose?  > Wie der Mensch zu seinem einzigartigen Wurftalent kam TITELTHEMA: TEILCHENPHYSIK Mit ausgewählten Inhalten aus NR HIRNFORSCHUNG »Wir hätten nicht geglaubt, dass das machbar ist« HIRNFORSCHUNG Fehlverhalten in der Forschung MEINUNG: LUFTVERSCHMUTZUNG Grüngewaschener Smog DIE WOCHE 2013 27.06.

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7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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26 Extreme AtomePhysiker blähen Atome auf, beladen sie mit zusätzlichen

Kernbausteinen oder erschaffen ihre Gegenstücke aus Antimaterie.Das Ergebnis sind neue und immer bizarrere Partikel.

 > Babys wissen, was Mama vorhat

 > Neuer Ansatz gegen

multiple Sklerose?

 > Wie der Mensch zu seinem

einzigartigen Wurftalent kam

TITELTHEMA: TEILCHENPHYSIK

Mit ausgewählten Inhalten aus

NR

HIRNFORSCHUNG

»Wir hätten nicht geglaubt,dass das machbar ist«

HIRNFORSCHUNG

Fehlverhaltenin der Forschung

MEINUNG: LUFTVERSCHMUTZUNG

Grüngewaschener Smog

DIE WOCHE

201327.06.

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Atom ist ein Atom ist ein Atom? Mit-

nichten! 100 Jahre, nachdem Nils Bohr

sein Atommodell entwickelt hat, stellen

Physiker mit dem Teilchen bizarre Dinge

an: Sie blähen es auf, höhlen es aus oder

beschweren es. Ganz vorne mit dabei

sind deutsche Forscher, etwa vom GSI

Helmholtzzentrum für Schwerionenfor-

schung in Darmstadt oder am Center for

Free-Electron Laser Science in Hamburg.

Das Ergebnis sind »extreme Atome« mit

faszinierenden Eigenschaften.

Ganz und gar gemäßigt grüßt

Daniel Lingenhöhl Redaktionsleiter Spektrum – Die Woche

E-Mail: [email protected]: @lingenhoehl

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EDITORIAL IMPRESSUM

Chefredakteur: Dr. Carsten Könneker (v.i.S.d.P.)Redaktionsleiter: Dr. Daniel LingenhöhlRedaktion: Antje Findeklee, Jan Dönges, Dr. Jan OsterkampStändige Mitarbeiter: Lars Fischer, Maike PollmannLayout: Marc Grove, Oliver GabrielSchlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.),Sigrid Spies, Katharina WerleBildredaktion: Alice Krüßmann (Ltg.), Anke Lingg, Gabriela RabeVerlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH,

Slevogtstraße 3–5, 69126 Heidelberg, Tel. 06221 9126-600,Fax 06221 9126-751; Amtsgericht Mannheim, HRB 338114,UStd-Id-Nr. DE147514638Verlagsleiter: Richard ZinkenGeschäftsleitung: Markus Bossle, Thomas BleckMarketing und Vertrieb: Annette Baumbusch (Ltg.)Leser- und Bestellservice: Helga Emmerich, Sabine Häusser,Ute Park, Tel. 06221 9126-743, E-Mail: [email protected]

Die Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH ist Kooperati-onspartner des Nationalen Instituts für WissenschaftskommunikationGmbH (NaWik). Das NaWik ist ein Institut der Klaus Tschira StiftungGmbH und des Karlsruher Instituts für Technologie. Wissenschaftlicher.

Direktor des NaWik ist Spektrum-Chefredakteur Dr. Carsten Könneker.

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INHALT

02  EDITORIAL/IMPRESSUM

04  BILD DER WOCHE

Gemeinsam in den Tod

06  MEINUNG

»Grüngewaschener Smog« 

von Daniel Lingenhöhl

54  REZENSION

Armin Strohmeyr: Verkannte Pioniere 

56  NATURE JOBS

10  NEURODEGENERATIVE KRANKHEITEN

Neuer Ansatz gegen

multiple Sklerose?

13  SPRACHERWERB

Wie Eltern den kindlichen

Wortschatz verbessern

15  FRÜHKINDLICHE ENTWICKLUNG

Babys wissen,

was Mama vorhat

16  ULTRAMARATHON

Fit durch Übermüdung

18  PALÄOGENETIK

Pferdeknochen liefert

ältestes Genom

20  EVOLUTION

Wie der Mensch zu seinem

einzigartigen Wurftalent kam

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WISSENSCHAFTLICHE ETHIK

Fehlverhalten

in der ForschungWie ist es um die Qualitätssicherung

an den Universitäten bestellt?

31

DATENERHEBUNG

Drohnen für die ForschungUnbemannte Luftfahrzeuge halten

Einzug in die Wissenschaft

SPEKTROGRAMM

49HIRNFORSCHUNG

»Wir hätten nicht geglaubt,

dass das machbar ist«Forscher stellen bislang

genauesten Hirnatlas online

TITELTHEMA: TEILCHENPHYSIK

Extreme AtomeIn den Labors entstehen immer

neue und teils bizarre Partikel22

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BILD DER WOCHE

4

Gemeinsamin den Todvon Antje Findeklee

    E    S    R    F    /    V

 .    F    E    R    N    A    N    D    E    Z

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5

BILD DER WOCHE

V

or 250 Millionen Jahren

war das Leben auf der Erde

vergleichsweise ungemüt-

lich: Vulkanausbrüche und

globale Erwärmung sorg-

ten für harsche Bedingungen. Einige säu-

getierähnliche Reptilien passten sich dar-

an an, indem sie Erdhöhlen gruben, in die

sie sich zurückziehen konnten. Diese Höh-

len wurden jedoch immer wieder überu-

tet und dabei mit Schlamm und anderen

Sedimenten verfüllt. Eventuell anwesende

Bewohner sind darin bis heute als Fossili-

en überliefert. Um zerstörungsfrei ins In-

nere dieser Sedimentbrocken zu schauen,

untersuchten Forscher um Vincent Fern-

andez solche Höhlenüberreste mit Syn-

chrotron-Röntgenstrahlung am ESRF in

Grenoble. Dabei stießen sie auf einen au-

ßergewöhnlichen Anblick: Zwei Tiere – ein

Thrinaxodon, ein säugetierähnliches Rep-

til und ein Amphib der Gattung Broomiste-

 ga – hatten den Tod offenbar eng beieinan-

der liegend gefunden.

Eine Wohngemeinschaft schließen die

Forscher ebenso aus wie einen Kampf. Wahr-

scheinlich, so spekulieren sie, habe sich das

Reptil gerade in einem Erstarrungszustand,

einem so genannten Torpor, befunden –

ausgelöst womöglich durch Nahrungs- oder

Wassermangel. Und das Amphib, das offen-

bar gerade frisch verwundet war (es gibt

Anzeichen für verheilende Rippenbrüche),

nutzte die Höhle mit dem stillen Mitbewoh-

ner wohl gerade als sichere Zuucht, als sie

beide dort von den Schlammmassen der

Flut überrascht wurden. <

PLoS ONE 8(6): e64978

    E    S    R    F    /    V .    F    E    R    N    A    N    D    E    Z

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6

MEINUNG

MEINUNG: LUFTVERSCHMUTZUNG

Grüngewaschener Smogvon Daniel Lingenhöhl

Singapur gilt als eine der saubers-

ten Großstädte der Welt. Wer Ab-

fälle einfach auf die Straße wirft,

muss mit drakonischen Bußgel-

dern rechnen. Autos sind in der

Anschaffung und im Betrieb sehr teuer, die

Luftreinhaltungsvorschriften sind ähnlich

strikt oder sogar noch strenger als in Euro-pa und den USA. Die Millionenmetropole

an der Südspitze der malaysischen Halbin-

sel kann sich deshalb normalerweise einer

Luft rühmen, die in Asien wahrscheinlich

ihresgleichen sucht. Doch in diesen Tagen

liegt ein Smog über der Stadt, wie er nor-

malerweise die Umweltnachrichten aus Pe-

king oder Shanghai bestimmt: Der Smog-

Index des Stadtstaats (Pollutant Standards 

Index, PSI) überschritt am letzten Freitag

den Wert 400, der für ältere und kranke

Menschen als lebensbedrohlich gilt – ab-

soluter Rekord, seit der PSI 1997 eingeführt

wurde. Mehrfach lag der PSI über 300, was

als stark gesundheitsgefährdend gilt.

Schuld an der extremen Luftverschmut-

zung, die auch Teile Malaysias und Bru-

nei betrifft, sind Rodungsfeuer auf der in-

donesischen Insel Sumatra: Wie jedes Jahr

auf dem Höhepunkt der Trockenzeit le-

gen Kleinbauern wie Großgrundbesitzer

ab Juni bis September Feuer in Plantagen

oder den verbliebenen Regen- und Torf-wäldern, um Platz zu schaffen für neue Öl-

palmen – eine weit verbreitete Praxis, die

seit Jahren die Luft in Teilen Südostasiens

und die Beziehungen zwischen den Anrai-

nerstaaten belastet. Manche dieser Brände

sind mittlerweile außer Kontrolle geraten

und wüten auf tausenden Hektar, so dass

Feuerwehrleute tatenlos zusehen müssen

und indonesische Ofzielle auf Regengüs-

se hoffen. Gleichzeitig überlegen sie, ob

sie Wolken impfen sollen, um künstliche

Niederschläge auszulösen – eine Verzweif-

lungstat, die kaum etwas ausrichten dürf-

te, da die Luftverschmutzung die Wolken-

bildung behindert: Die bei den Bränden

Daniel Lingenhöhl

    R    I    C

    H    A    R    D    Z    I    N    K    E    N

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MEINUNG

Rauchschwaden

Dichter Rauch zieht von den Wald- und Plan-

tagenbränden auf Sumatra Richtung Malay-

sia und Singapur. Die Behörden der beiden

Länder lösten Smogalarm aus, als die Bela-

stung extreme Werte annahm.

    N    A    S    A

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MEINUNG

entstehenden Aerosole wie Ruß oder Sul-

fatpartikel verringern somit auch die Nie-

derschläge.

Statt die Symptome zu bekämpfen, soll-

ten die Behörden stattdessen die eigentli-

chen Auslöser angehen: die großen Palm-öl- und Papierkonzerne, die alljährlich auf 

ihren Ländereien und Konzessionen zün-

deln, um ihre Plantagen auszuweiten. Die-

ses Vorgehen ist in Indonesien illegal; zu-

dem läuft es einem Abholzungsmoratori-

um zuwider, dass die Regierung über 64

Millionen Hektar Wald bis 2015 verhängt

hat. Besonders verheerend wirken sich da-bei die Feuer auf Torfmoorböden aus, die

große Flächen an der Ostküste des Landes

bedecken: Sie speichern riesige Mengen

an Kohlenstoff und können wochen- oder

monatelang vor sich hinkokeln. Dabei set-

zen sie gewaltige Mengen an Ruß, Kohlen-

dioxid, Kohlenmonoxid und Schwefelver-

bindungen frei, die Luft und Klima belas-

ten. Ganz zu schweigen von den Folgen für

die Artenvielfalt, bilden doch die verbliebe-

nen Torfmoorwälder die letzten Zuuchts-

stätten für bedrohte Spezies wie den Suma-

tratiger. Dennoch zeigen von Greenpeace 

veröffentlichte Bilder, wie mitten im dicks-

ten Rauch Bagger weiterhin Drainagegrä-

ben im Sumpf ziehen, um das Land zu ent-

wässern und damit für die Brandrodung

vorzubereiten.

Dank moderner Satellitentechnik las-

sen sich Brandherde inzwischen sehr orts-

genau bestimmen – und diese Daten sindein Schlag ins Gesicht all derer, die den-

ken, dass große Firmen ein Interesse dar-

an haben, Palmöl nachhaltig zu produzie-

ren. Mindestens fünf Konzerne, auf deren

Land Brandrodung nachgewiesen wurde,

beteiligen sich am so genannten runden 

Tisch für nachhaltiges Palmöl (Roundtab-

le on Sustainable Palm Oil, RSPO): PT JatimJaya Perkasa, Tabung Haji Plantations, Si-

nar Mas, Kuala Lumpur Kepong und Sime

Darby – Unternehmen, die in Indonesien,

Malaysia und Singapur ihren Hauptsitz

haben, ihren Rohstoff aber meist weltweit

exportieren. Gleichzeitig nehmen auch

deutsche und europäische Firmen – dar-

unter große Lebensmittelkonzerne – so-

wie Umweltorganisationen wie der WWF

International oder die US-amerikanische

Conservation International am RSPO teil.

Erklärtes Ziel: die Produktion des Pan-

zenöls umweltfreundlicher und sozial ge-

rechter zu gestalten. Das hat seine guten

Gründe, denn immer wieder geraten Ab-

nehmer des Palmöls schwer in die Kri-

tik – etwa Stadtwerke, die den Rohstoff als

vermeintlich sauberen Energieträger ver-

heizen möchten, oder Schokoladenprodu-

zenten, die das billige Fett in ihren Riegeln

verarbeiten. Naturschützer, aber auch sehrviele Wissenschaftler kritisieren dagegen 

Palmöl als denkbar schlechte Lösung für

den Klimaschutz und einen der wichtigs-

ten Faktoren für die Zerstörung von Re-

genwäldern weltweit.

Schon 2011 warfen deshalb 256 interna-

tionale Umwelt-, Sozial- und Menschen-

rechtsorganisationen dem RSPO in einergemeinsamen Erklärung »Greenwashing«

vor: Die Umweltziele und sozialen Stan-

dards im Regelwerk seien zu lax, um die Si-

tuation vor Ort zu verbessern. Und die An-

wesenheit von Gruppen wie dem WWF,

Conservation International oder der Bor-

neo Orangutan Survival Foundation diene

als grünes Feigenblatt, mit dem die großenPalmölproduzenten sich in der Öffentlich-

keit schmücken, während sie in der Hei-

mat weiter wertvolle Ökosysteme zerstö-

ren oder die Luft durch illegale Brandro-

dung verpesten. Von Sanktionen gegen

Frevler wurde bislang nichts bekannt. Im

Gegenteil: Der RSPO hat in einer Veröffent-

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MEINUNG

lichung ankündigt, man wolle sich kundig

machen, sollte es »Beschwerden in dieser

Sache« geben – eine angemessene Reakti-

on auf Verstöße gegen die eigenen Richtli-

nien sieht anders aus.

Unabhängig davon können aber auchVerbraucher und Gesetzgeber hier zu Lan-

de mithelfen, die Luft in Südostasien zu

verbessern: Immer noch dürfen Dutzende

Blockheizkraftwerke mit Palmöl betrieben

werden und erhalten dafür Vergütungen

im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Ge-

setz, wenn sie vor Januar 2012 in Betrieb ge-

nommen wurden. Angesichts der katastro-phalen Umweltbilanz des Rohstoffs müss-

te hier dringend angesetzt werden. Auf der

anderen Seite enthalten zahlreiche Lebens-

mittel oder Sanitär- wie Reinigungsartikel

Palmöl, obwohl es dafür Alternativen gäbe.

Kritische Nachfragen der Konsumenten bis

hin zum Boykott einzelner Produkte könn-

ten die Hersteller zum Umdenken zwin-

gen und strengeren Regeln für die Palmöl-

produktion zum Durchbruch verhelfen.

Die Börsen haben zumindest kurzfristig

in Südostasien bereits reagiert: Die Kurse

verschiedener Firmen, die unter dem Ver-

dacht von Brandrodungen stehen, gingen

stark zurück. <

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SPEKTROGRAMM

10

NEURODEGENERATIVE KRANKHEITEN

Neuer Ansatz gegen multiple Sklerose?von Martin Busch

DREAMSTIME / KIYOSHI TAKAHASE SEGUNDO

SPEKTROGRAMM

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SPEKTROGRAMM

Bei der multiplen Sklerose (MS) attackiert

und zerstört das Immunsystem das Ner-

vengewebe der Betroffenen – ein Angriff,

dem Mediziner vor allem dadurch begeg-

nen, dass sie die Aggressivität des Immun-systems herunterregeln. Das wiederum

macht die Patienten verwundbarer gegen-

über anderen Krankheitserregern. Viel bes-

ser geeignet wäre daher eine Therapie, die

lediglich die MS-spezische Reaktion ver-

hindert und dabei die übrige Körperabwehr

unversehrt lässt.

Eine Technik, mit der dies funktionierenkönnte, haben nun Stephen Miller und Kol-

legen der Northwestern University in Chi-

cago untersucht. Bei Experimenten an Mäu-

sen, die unter einer Tiermodellvariante von

MS litten, zeigte ihr Ansatz erste Erfolge.

Denselben Ansatz testeten darüber hinaus

Christoph Heesen vom Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf und sein Team in einerso genannten Phase-I-Studie auf Verträg-

lichkeit bei Patienten.

Die Erkrankung entsteht, wenn – aus bis-

her unbekannten Gründen – die T-Zellen des

Immunsystems den Mantel von Nervenzel-

lausläufern, die Myelinscheide, attackieren.

Dabei identizieren sie so genannte Myelin-

peptide fälschlicherweise als körperfremde

Strukturen und lösen damit eine entzündli-

che Immunreaktion aus, die die Myelinschei-

de abbaut. Nervenzellen leiten in der Folge

ihre Signale nur noch eingeschränkt oder garnicht mehr weiter. Lähmungen oder auch Er-

blindung können die Folge sein. Welche My-

elinpeptide den T-Zellen als Angriffspunkt

dienen, unterscheidet sich von Fall zu Fall,

ebenso wie die damit verbundenen Krank-

heitserscheinungen.

Die Forscher um Miller entwickelten nun

ein Verfahren, bei dem eine Auswahl vonMyelinpeptiden an weiße Blutkörperchen

der Maus gebunden und den Tieren injiziert

wird. Durch die Bindung an körpereigene

Blutzellen soll ein Toleranz erzeugender Me-

chanismus genutzt werden, der tagtäglich

im Körper stattndet: Absterbende weiße

Blutkörperchen werden von speziellen Zel-

len in Milz und Leber aufgenommen, verdautund ihre Bestandteile den T-Zellen so präsen-

tiert, dass sie keine Immunantwort gegen

eigenes Gewebe auslösen. Durch die künst-

liche Bindung an weiße Blutkörperchen sol-

len spezische Autoantigene, wie in diesem

Fall die Myelinpeptide, in den Mechanismus

der Tolerierung eingeschleust werden. Bei

ihren Versuchsmäusen zeigte das Verfahren

Wirkung. Doch was im Tier funktioniert, hilft

dem Menschen noch lange nicht. Bevor von

einer wirksamen Therapie gesprochen wer-

den kann, muss das Verfahren drei klinischePhasen durchlaufen. Die erste Phase, die die

grundsätzliche Verträglichkeit an mensch-

lichen Patienten erprobt, führten Christoph

Heesen und Kollegen bereits durch: Neun

MS-Betroffenen wurde eine hohe Zahl wei-

ßer Blutkörperchen entnommen und mit

sieben verschiedenen Myelinpeptiden bela-

den. Nach diesem Prozedere reinjizierten siedie Zellen und beobachteten die Behandel-

ten über Monate. Die Patienten zeigten kei-

ne Unverträglichkeit, und die Zahl von T-Zel-

len, die das eigene Körpergewebe attackier-

ten, sank.

»Nach all dem muss jedoch klar gesagt

werden, dass dies im Tier prima funktioniert;

aber unsere Studie sollte noch nicht als Evi-denz dafür gewertet werden, dass es bei der

MS auch wirkt«, äußert sich Roland Martin 

vom Universitätsspital Zürich, der an Hee-

sens Studie beteiligt war. In Zürich laufen

nun die Vorbereitungen der Phase-II-Stu-

die, die vor allem Patienten in frühen Krank-

heitsstadien umfasst, da die Forscher den

SPEKTROGRAMM

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SPEKTROGRAMM

größten Therapieeffekt in der Vorbeugung

des Myelinabbaus sehen.

»Bei Patienten im fortgeschrittenen Sta-

dium muss man Verfahren nden, die ge-schädigte Nervenzellen schützen und wieder

aufbauen. Diese sind bisher nicht vorhanden.

Unser Verfahren und generell tolerisierende

Ansätze sollten so früh wie möglich einge-

setzt werden«, erläutert Martin. Die tatsäch-

liche Wirksamkeit muss schließlich eine fol-

gende Phase-III-Studie beweisen.

Eine der Stärken dieser Therapie könntegleichzeitig eine Schwäche sein: Theoretisch

müsste die Behandlung nur ein einziges Mal

durchgeführt werden, um Toleranz zu erzeu-

gen. Allerdings ist das Verfahren aufwändig

und teuer – ein wichtiger Faktor, der es er-

schwert, Unterstützung von Firmen zu n-

den. In noch ferner Zukunft wäre hier sowohl

eine Form personalisierter Medizin denkbar,bei der Patienten mit spezischen Autoan-

tigenen gezielt behandelt werden könnten,

als auch eine Anwendung bei anderen Im-

munkrankheiten. <

Sci. Transl. Med. 10.1126/scitranslmed.3006168

Myelinisiertes Neuron

Viele Nervenfasern – hier ein Querschnitt – sind von einer lipidreichen

Myelinhülle umgeben (dunkler Bereich). Sie isoliert das Neuron gegen

die elektrischen Ströme benachbarter Zellen, sorgt aber vor allem für

eine wesentlich beschleunigte Ausbreitung des Signals.

    E    L    E    C    T    R    O    N    M    I    C    R    O    S    C    O    P    Y    F    A    C    I    L    I    T    Y

 ,    T    R    I    N    I    T    Y    C    O    L    L    E    G    E    (    H    A    R    T

    F    O    R    D

 ,    C    T    )

SPEKTROGRAMM E

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SPEKTROGRAMM

SPRACHERWERB

Wie Eltern den kindlichenWortschatz verbessern

von Georg Neulinger

    H    E    I    N    Z    H    A    S    S    E    L    B    E    R    G    /    P    I    X    E    L    I    O

 .    D    E

SPEKTROGRAMM

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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SPEKTROGRAMM

Z umindest in der frühkindlichen Sprach-

entwicklung gilt: Die Qualität des

sprachlichen Inputs der Eltern bestimmt

maßgeblich den späteren Wortschatz ihrer

Kinder. Wichtig erscheint dabei, eine kon-krete Verbindung von Wörtern und der Um-

gebung des Kindes herzustellen – also etwa

auf ein bestimmtes Objekt zu zeigen, wäh-

rend dieses benannt wird. Solche nichtver-

balen Hinweise erleichtern den Kleinen das

Erlernen neuer Wörter deutlich: Bis zu 22

Prozent der Unterschiede im Vokabular von

Vier- bis Fünfjährigen sind laut Forschernum Erica Cartmill von der University of Chi-

cago auf eine solche Hilfestellung in der frü-

hen Kindheit zurückzuführen.

Um die Qualität des verbalen Inputs zu

messen, lmten die Forscher alltägliche In-

teraktionen von 50 Eltern (vor allem Müt-

tern) mit ihren 14 bis 18 Monate alten Kin-

dern. Anschließend spielten sie einer Gruppe

von erwachsenen Testpersonen kurze Aus-

schnitte dieser Videoaufnahmen vor – aller-

dings ohne Ton. Sobald ein Signal ertönte,

mussten die Probanden anhand der Inter-

aktionen erraten, welches Wort die Mutter

beziehungsweise der Vater gerade benutz-

te. Während ihnen dies in einigen Fällen sehr

leicht gelang, erwies es sich in anderen Fäl-

len als beinahe unmöglich – meist, weil die

Eltern keine nonverbalen Hinweisreize ein-

setzten. Wie sich zeigte, unterschieden sich

die Eltern in dieser Hinsicht deutlich: So be-nutzten einige Eltern sehr häug nonverba-

le Hinweise (etwa das Zeigen auf ein Objekt),

während andere dies selten taten. Das Expe-

riment lässt erahnen, dass eine solche Unter-

stützung Kindern den Wortschatzerwerb er-

leichtert – tatsächlich schnitt der Nachwuchs

von jenen Eltern, die ihren sprachlichen In-

put häug mit nonverbalen Anhaltspunktenuntermauerten, bei einem drei Jahre später

durchgeführten Vokabeltest besser ab.

Zur Überraschung der Forscher hängt die

Nutzung nonverbaler Hinweise – anders als

die reine Quantität sprachlicher Kommuni-

kation – nicht mit dem sozioökonomischen

Status der Eltern zusammen. Da Menschen

mit höherer Bildung und höherem Einkom-men jedoch im Schnitt mehr mit ihren Kin-

dern sprechen, kommen diese tendenziell

öfter in den Genuss solcher lernfördernder

Situationen – ein enormer Startvorteil, wie

Cartmill betont: »Da der vorschulische Wort-

schatz ein wichtiger Prädikator für den spä-

teren Schulerfolg ist, ist es umso wichtiger,

die Unterschiede und deren Ursachen zu

verstehen.« <

Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 10.1073/pnas.1309518110,

2013

»Das ist ein Zebra!« – so lernen Kinder

Wörter spielend leicht

    U    L    L    A    T    R    A    M    P    E    R    T    /    P    I    X    E    L    I    O

 .    D    E

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7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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FRÜHKINDLICHE ENTWICKLUNG

Babys wissen, was Mama vorhatvon Georg Neulinger

Babys lieben es, getragen zu werden: In

den Armen von Mutter oder Vater fühlen

sie sich sicher und geborgen. Eine Studie von

Forschern um die Psychologin Vasudevi Red-

dy von der University of Portsmouth zeigt

nun, dass bereits zwei Monate alte Säuglin-

ge wissen, wann ihre Eltern sie hochheben

wollen – dementsprechend verändern sieauch ihre Körperhaltung: Kommt die Mut-

ter ihnen etwa mit ausgestreckten Armen

entgegen, werden die Kleinen ruhiger und

spannen ihren Körper an, was das Hochhe-

ben deutlich erleichtert.

Für das Experiment wurden Säuglin-

ge im Alter von zwei bis vier Monaten auf 

eine Druckmatte gesetzt, die jede Verände-rung ihrer Körperposition misst. In verschie-

denen Situationen konnte so die Reaktion

der Säuglinge auf Handlungen ihrer Müt-

ter registriert werden: Erwarteten die klei-

nen Probanden, gleich hochgehoben zu wer-

den, streckten sie ihre Beine aus und spann-

ten sie an, um die Stabilität des Körpers zu

erhöhen; gleichzeitig öffneten oder hoben

sie ihre Arme, was der Mutter einen sichere-

ren Griff ermöglichte. Befanden sich die Ba-

bys einmal in den Armen ihrer Eltern, stram-

pelten sie zudem deutlich weniger.

Interessanterweise stellten die Forscher

auch fest, dass die Säuglinge mit steigendem

Alter zunehmend ihre Aufmerksamkeit vomGesicht der Mutter auf ihre Hände lenkten –

ein Hinweis darauf, dass sie bereits lernten,

die Vorhaben ihrer Eltern (das Hochheben)

zu antizipieren. »Sie passen sich schnell dar-

an an, leichter von den Eltern hochgehoben

zu werden«, fasst Reddy ihre Ergebnisse zu-

sammen.

Die Forscherin vermutet auch, dass sichdiese Fähigkeit bereits kurz nach der Geburt

ausbildet. Das zeigt, dass schon Säuglinge

die Handlungen anderer Menschen nach-

vollziehen können – zumindest dann, wenn

sie auf sie selbst gerichtet sind. <

PLOS ONE 10.1371/journal.pone.0065289

Babys wissen, wann sie

hochgehoben werden

… und passen ihre Körperhaltung daran an.

    V    A    S    U    D    E    V    I    R    E    D    D    Y

 ,    U    N    I    V    E    R    S    I    T    Y    O    F    P    O    R    T    S    M    O    U    T    H    /    G    A    B    R    I    E    L    A    M    A    R    K    O    V

    A ,    T

    S    C    H    E    C    H    I    S    C    H    E    A    K    A    D    E    M    I    E

    D    E    R    W    I    S    S    E    N    S    C    H    A    F    T    E    N    /    S    E    B    A    S    T    I    A    N    W    A    L    L    O    T

 ,    U    N    I    V    E    R    S    I    T    Ä    T    A    A    R    H    U    S

SPEKTROGRAMM V

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ULTRAMARATHON

Fit durch Übermüdungvon Martin Busch

    F    O    T    O    L    I    A    /    M    A    R    I    D    A    V

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SPEKTROGRAMM

Jeder, der einen Marathon hinter sich ge-

bracht hat, weiß wie anstrengend 42,195

Kilometer sind und wie schmerzhaft ein

Muskelkater sein kann. Es gibt Menschen,

die sich damit nicht zufrieden geben und im

Bereich der Ultramarathons auf noch größe-re Distanz ihre Befriedung suchen. Wem es

dann noch zu langweilig ist, verlagert seine

Aktivität ins Gebirge und läuft bergauf und

bergab über ganze Bergketten. Die Folgen

dieser extremen Belastung untersuchten Jo-

nas Saugy und seine Kollegen der Universi-

té de Lausanne an Teilnehmern zweier un-

terschiedlich langer Gebirgsultramarathons.Die Sportwissenschaftler stellten überra-

schend fest, dass ein längerer Berglauf zu

einer geringeren Belastung der Muskulatur

führt als ein kürzerer.

Der Gebirgsultramarathon »Tor des Géan-

ts« gilt als der anspruchsvollste der Welt. Auf 

seinem 330 Kilometer langen Weg durch die

italienischen Alpen stehen den Läufern ins-gesamt 24 Kilometer Höhenunterschied be-

vor. Die Kurzversion stellt der »Ultra-Trail du

Mont Blanc« dar, der auf 150 Kilometer rund

um die Mont-Blanc-Gruppe führt und Ge-

samthöhenunterschiede von 9 Kilometern

bietet. Teilnehmer beider Strecken dien-

ten den Wissenschaftlern als Probanden. In

Blutproben untersuchten sie die Konzentra-tion von Molekülen, die auf eine schädigen-

de Belastung der Muskulatur schließen las-

sen. Besonders das Bergablaufen reibt Mus-

kelzellen regelrecht auf, so dass das Molekül

Kreatinkinase in die Blutbahn gelangt und

als Indikator für muskuläre Schädigung ge-

messen werden kann.

Beim Vergleich der Kreatinkinase-Kon-zentrationen, zeigten die Läufer der kürze-

ren Strecke eine unerwartet zweifach stärke-

re Belastung ihrer Muskeln als die Langstre-

ckenläufer. Was paradox erscheint, lässt sich

mit den unterschiedlichen Strategien erklä-

ren, die die beiden Strecken fordern. Während

der Mont Blanc in relativ hohem und steti-

gem Tempo umrundet werden kann, teilensich die 330-Kilometer-Läufer ihre Strecke in

eine erste ruhige und eine schnellere zweite

Hälfte ein. Zudem schlafen Teilnehmer des

»Tor des Géants« so wenig wie möglich, so

dass die Wissenschaftler einen durch Schlaf-

entzug aktivierten Schutzmechanismus ver-

muten, der die Zerstörung von Muskelzel-

len mindert. Letztendlich sei es aber wohldie Kombination aus cleverem Kräftehaus-

halten und Schlafentzug, die zu den über-

raschenden Ergebnissen führte. Insgesamt

stellen diese Läufe jedoch eine extreme Be-

lastung an den Körper dar, wie ein Vergleich

mit Kontrollgruppen zeigte. Diese mussten

zwar ebenfalls mit stark reduziertem Schlaf 

auskommen, betätigten sich währenddes-sen aber nicht weiter sportlich.

Die getesteten »Tor-des-Géants«-Läu-

fer benötigten durchschnittlich 120 Stun-

den, während Teilnehmer des »Ultra-Trail du

Mont Blanc« nach durchschnittlich 40 Stun-

den ihr Ziel erreichten. <

PLoS ONE 8, e65596, 2013

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PALÄOGENETIK

Pferdeknochen liefert

ältestes Genomvon Lars Fischer

Przewalski-Pferd

Die Erbgutstudie am 700 000 Jahre alten Fuß-

knochen eines Pferdes stützt die These, dass

die Przewalski-Pferde die letzte überlebende

wilde Pferdeart sind.

    C    L    A    U    D    I    A    F    E    H

 ,    A    S    S    O    C    I    A    T    I    O    N    P    O    U    R    L    E    C    H    E    V    A    L    D    E    P    R    Z    E    W    A    L    S    K    I

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A us dem Fußknochen eines Pferdes ha-

ben Forscher das älteste bisher bekann-

te Genom sequenziert. Der Überrest stammt

aus der kanadischen Arktis und ist etwa700 000 Jahre alt – damit ist das Genom

etwa zehnmal so alt wie das Genom des

Denisova-Menschen, das bisher älteste se-

quenzierte Genom. Das Erbgut blieb so lan-

ge erhalten, weil der Knochen nahezu die

gesamte Zeitspanne gut gekühlt im Perma-

frost lag. Wie ein Team um Ludovic Orlan-

do von der Universität Kopenhagen erklär-te, deutet das Ergebnis darauf hin, dass der

älteste gemeinsame Vorfahr aller Pferde vor

etwa vier Millionen Jahren lebte und damit

zwei Millionen Jahre älter ist als gemeinhin

angenommen.

Die Forscher konnten mit Hilfe von Mas-

senspektroskopie nachweisen, dass sich in

dem Knochen noch Reste von Proteinen ent-halten hatten – neben dem sehr haltbaren

Kollagen fanden sie über 70 Eiweiße aus

dem Blut. Dieser Erfolg ließ es plausibel er-

scheinen, dass sich auch das chemisch we-

niger stabile Erbgut erhalten hatte. Tatsäch-

lich gelang es, aus der Probe Teile des Ge-

noms zu gewinnen. Unter anderem verriet

die Erbsequenz, dass es sich bei dem Tier um

ein Männchen gehandelt hatte.

Dass sich in dem Knochen tatsächlich se-

quenzierbares Erbgut erhielt, lässt die For-scher hoffen, dass DNA in Fossilien weit län-

ger stabil sein könnte als vermutet. Voraus-

setzung dafür ist allerdings, dass die Knochen

dauerhaft kühl lagern: Im Permafrost der

Arktis eingeschlossene Proben könnten Ge-

nome liefern, die älter als eine Million Jahre

sind, spekulieren Experten. <

Nature 10.1038/nature12323, 2013

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EVOLUTION

Wie der Mensch zu seinemeinzigartigen Wurftalent kam

von Jan Dönges

    F    O    T    O    L    I    A    /    A    L    E    K    S    A    N    D    A    R    K    A    M    A    S    I

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E s war vermutlich ein zentraler Baustein,

der unseren Vorfahren bei der Beschaf -

fung eischhaltiger Kost half: die Fähigkeit,

einen Gegenstand extrem fest und präzise

zu schleudern – in der Regel wohl einen Jagd-

speer oder einen Stein. Kein Wunder also,dass der Bau unserer Schulter von der Evolu-

tion auf kraftvolles Werfen optimiert wurde.

Das ermittelte jetzt ein Forscherteam um

Neil Roach von der Harvard University. Die

Wissenschaftler baten gut trainierte Base-

ballwerfer in ihr Labor und ließen sie auf 

Zielscheiben werfen. Den Bewegungsablauf 

zeichneten sie währenddessen mit einem sogenannten Motion-Capture-System auf.

Die Analyse zeigte, dass die Schulter wie

ein Katapult wirkt, das beim Ausholen ge-

spannt wird: Die Sehnen, Bänder und Mus-

keln des gesamten Schulterbereichs spei-

chern dabei elastische Energie, die beim

Abwurf die Armbewegung unterstützt. So

gelingt es geübten Werfern, den Ball inner-

halb von Sekundenbruchteilen auf 170 Ki-

lometer pro Stunde zu beschleunigen. Laut

Roach und Kollegen vollführt das Schulterge-

lenk dabei die schnellste Bewegung, zu der

der menschliche Körper in der Lage ist: bis zu

9000 Grad pro Sekunde oder umgerechnet

etwa 1500 Umdrehungen pro Minute. Eine

solche Rotationsgeschwindigkeit sei mit den

zur Schulterdrehung vorgesehenen Muskelnallein nicht zu erreichen, sondern setze den

von ihnen beschriebenen, speziellen Kata-

pulteffekt voraus, erklären die Forscher.

Unsere engsten lebenden Verwandten,

die Schimpansen, sowie einige andere Pri-

maten können zwar prinzipiell auch Wurf-

geschosse schleudern, erreichen dabei aber

nicht annähernd die Leistung eines Men-schen: Schimpansen erzielen gerade einmal

eine Spitzengeschwindigkeit von 30 Kilome-

tern pro Stunde. Der Grund dafür ist der Auf-

bau der Schulter, sie sitzt höher und behin-

dert dadurch das Ausholen. Als Roach und

sein Team den Baseballspielern Manschet-

ten anlegten, die die eingeschränkte Bewe-

gungsfreiheit des Schimpansenarms simu-

lierten, sank deren Wurfgeschwindigkeitdramatisch.

Der Vergleich mit fossilen Skeletten

weist darauf hin, dass sich die entscheiden-

de Wurfbiomechanik vor ungefähr zwei Mil-

lionen Jahren entwickelte. Der Homo erec-

tus, von dem bereits angespitzte Holzspee-

re gefunden wurden, war demnach der erste

Hochleistungswerfer in unserer Ahnenrei-he. Archäologische Funde legen nahe, dass

zeitgleich mit dem Aufkommen dieser Men-

schenart immer mehr gejagt wurde – ein

deutlicher Hinweis, dass Homo erectus sein

Talent zielgenau einsetzte. <

Nature 498, S. 483-486, 2013

    N    A    T    U    R    E    /    M    A    C    M    I    L    L    A    N    P    U    B    L    I    S    H    E    R    S    L    T    D

 .

Der werfende Mensch

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TITELTHEMA: TEILCHENPHYSIK

 Extreme Atomevon Richard van Noorden

Physiker blähen Atome auf, beladensie mit zusätzlichen Kernbausteinenoder erschaffen ihre Gegenstücke ausAntimaterie. Das Ergebnis sind neueund immer bizarrere Partikel.

FOTOLIA / ZINAIDA OKHREMENKO

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Exklusive Übersetzung aus

Will man ein Atom zer-

stören, kann man

beispielsweise mitder weltweit ener-

giereichsten Röntgen-

pistole darauf schießen. Linda Young un-

ternahm dieses Experiment im Oktober

2009 am neu eröffneten Freie-Elektronen-

Laser am SLAC National Accelerator Labo-

ratory in Menlo Park, Kalifornien. Ein ein-

zelner Röntgenpuls der 420 Millionen US-Dollar teuren Maschine liefert die gleichen

Energie wie die gesamte Sonnenstrahlung,

die in dem Moment auf die Erde trifft – al-

lerdings auf einen einzigen Quadratzenti-

meter konzentriert. »Alles, was man davor

hält, wird vernichtet«, so Young.

Schlägt der Laserpuls auf die Neonato-

me in diesem Experiment, explodieren sieregelrecht: Innerhalb von nur 100 Femto-

sekunden (eine Femtosekunde sind 10-15

Sekunden) werden alle zehn Elektronen

pro Atom fortgeschleudert. Als Leiterin

der X-ray Science Division am Argonne Na-

tional Laboratory in Illinois interessierte

Young besonders, wie genau diese Zerstö-

rung vonstattengeht. Die Röntgenstrahlen

beseitigten zuerst die inneren Elektronen

des Atoms, während die äußeren an Ortund Stelle blieben. Für einen kurzen Mo-

ment waren die Neonatome im Laserstrahl

also gewissermaßen hohl.

Diese exotische Form von Neon gesellt

sich zu einer Reihe von seltsamen Gebil-

den, die Physiker durch ihre Atomakroba-

tik bereits hervorgebracht haben. Einige

Teams blähten Atome auf die Größe vonStaubpartikeln auf. Mehrere Forschungs-

kooperationen erzeugen Antiatome aus

Antimaterie. Und andere beluden Atom-

kerne mit weiteren Protonen und Neutro-

nen, um neue superschwere Elemente zu

erschaffen. Einige der Experimente wollen

die atomare Struktur untersuchen, ande-

re sehen Atome als ersten Schritt, um kom-plexere Systeme zu modellieren. Eines ist

ihnen jedoch allen gemein: Sie sind Nach-

kommen einer Revolution in der Atomthe-

orie, die der dänische Physiker Niels Bohr

vor 100 Jahren entfachte. Doch Bohr hät-

te sich damals wohl nur schwer vorstellen

können, in welche extremen Formen Wis-

senschaftler die Teilchen einmal treiben

werden.

Hohle AtomeDas von Bohr im Juli 1913 beschriebe-

ne Atom, in dem Elektronen in konzent-

rischen Bahnen um einen positiv gelade-

nen Kern kreisen [1], erinnert an ein Mini-

atursonnensystem. In seinem Modell sind

Elektronen punktförmige Teilchen, die nur

von einer Umlaufbahn zu einer anderenspringen können, sich aber nicht dazwi-

schen aufhalten dürfen – ihre Energie ist

dadurch quantisiert. Mit dem Aufkommen

der Quantenmechanik in den 1920er Jah-

ren hielt man zwar am Konzept der diskre-

ten Elektronenbahnen fest, nahm jedoch

an, dass sich die Elektronen rings um den

Kern ausbreiten. Der Aufenthaltsort einesElektrons lässt sich nur in Wahrscheinlich-

keiten angeben, in Form einer mathemati-

schen Wellenfunktion.

Die äußeren Elektronen benötigen am

wenigsten Energie, um aus dem Atom he-

rausgelöst zu werden, und verlassen es da-

mit für gewöhnlich als Erstes. Intensive

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Röntgenpulse können aber auch fester ge-

bundene Elektronen aus inneren Umlauf-

bahnen kicken. Ein medizinisches Rönt-

gengerät würde nur eines dieser inneren

Elektronen entfernen, bevor ein anderes

aus einer weiter außen liegenden Scha-le in die Lücke hüpft. Doch der Röntgen-

laser am SLAC ist eine Klasse für sich. Der

Strahl ist so intensiv und konzentriert,

dass jeder 100-Femtosekunden-Puls rund

100000 Röntgenphotonen durch jeden

Quadratångström (ein Ångström ent-

spricht 10-10 Meter) sendet. Dadurch ge-

lang es Young in ihrem Experiment 2009,alle inneren Elektronen in den Neonato-

men herauszusprengen [2]. Elektronen, die

aus den äußeren Schalen in die verlasse-

nen inneren Schalen nachrückten, beför-

derte der Strahl ebenfalls binnen kurzer

Zeit aus dem Atom.

»Man kann sogar auswählen, welche

Schale zuerst geleert werden soll, wennman die Röntgenstrahlen entsprechend

anpasst«, berichtet Young. »Die Dynamik

der inneren Schalen zu kontrollieren, ist

wirklich großartig.« Den aktuellen Rekord

in dieser Disziplin verkündete eine For-

schergruppe am Center for Free-Electron 

Laser Science in Hamburg im vergangenen

November: Mit dem SLAC-Laser entfernten

sie 36 Elektronen aus den inneren Schalen

eines Xenonatoms mit 54 Elektronen [3].

Young hofft, dass sich die Forschung an

den exotischen Atomen auch in anderen

Einsatzgebieten des Lasers als hilfreich er-weist: Durch die Streuung von Röntgen-

strahlen an den Atomen von Biomolekülen

sollen einzigartige Aufnahmen etwa von

DNA oder Proteinen gelingen. Doch sol-

che Bilder haben einen hohen Preis, denn

der Strahl zerstört umgehend die Molekü-

le, die er abbildet. Wie sich das Streumus-

ter währenddessen verändert, so Young,

können Forscher vielleicht mit Hilfe der Er-

kenntnisse über hohle Atome deuten.Vor zwei Jahrzehnten stellten mehrere

Forschungsgruppen hohle Atome noch mit

einem anderen Verfahren her: Zunächst

entfernten sie nahezu alle Elektronen aus

den Atomen und deponierten die resultie-

renden hochgeladenen und sich langsam

bewegenden Ionen auf einer Oberäche.

Befanden sich die Ionen einige zehn Ångst-

röm weit weg von der Oberäche, zogen sie

Elektronen davon an, wodurch kurzzeitig

hohle Atome mit Elektronen in den äuße-

ren, nicht aber in den inneren Schalen ent-

standen. Diese äußeren Elektronen elendann nach innen, woraufhin energiereiche

Elektronen und Photonen aus den hohlen

Atomen ausbrachen. »Ein hohles Atom ist

eine Feuerkugel mit einer enormen Menge

an Energie«, erläutert Joachim Burgdörfer 

von der Technischen Universität Wien. Der

Physiker beschäftigte sich mit der Theorie

hinter diesem Prozess [4].

Mehrere Arbeitsgruppen forschten in

den späten 1980er und 1990er Jahren anhohlen Atomen. Einige Wissenschaftler

untersuchten beispielsweise, ob die bei der

Entstehung schlagartig emittierten Photo-

nen möglicherweise Oberächen reinigen,

indem diese die obersten Schichten abtra-

gen und die tiefer liegenden unbeschadet

lassen. Obwohl man das Verfahren paten-

»Ein hohles Atom ist eine Feuerkugel mit einer enormenMenge an Energie« (Joachim Burgdörfer)

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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tierte, weckte es nicht das Interesse der In-

dustrie, berichtet Fritz Aumayr von der

Technischen Universität Wien. 2008 kam

man einer Anwendung am nächsten: For-

scher erklärten mit Hilfe des Prozesses,

wie von der Sonne ausgehende schwere Io-nen die Oberäche von Planeten wie dem

Merkur lädieren können [5]. Die Ionen wer-

den zu hohlen Atomen sobald sie auf den

Planeten stürzen und setzen dabei abrupt

Energie frei. In einer Publikation zeigte Au-

mayr in diesem Jahr, dass die Energie von

Ionen, die auf Kohlenstoffmembranen kra-

chen, nanometergroße Poren hervorrufenkönnen. Deren Größe hängt dabei von der

Ladungsstärke des Ions ab – also davon, wie

viele Elektronen dem Atom fehlen [6]. Mit

dieser Methode ließen sich womöglich Na-

nosiebe herstellen und damit kleine Mole-

küle ltern, so der Physiker, oder Nanopo-

ren erzeugen, um DNA zur Sequenzierung

hindurchzuleiten.

RiesenatomeAus der Perspektive eines Atomkerns zie-

hen alle seine Elektronen ihre Bahnen in

weiter Ferne. Denn während sein Durch-

messer nur Femtometer misst, bendet

sich ein gebundenes Elektron für gewöhn-

lich rund 100 000 Kerndurchmesser weit

von ihm weg. Die äußeren Elektronen von

Rydbergatomen, den Kolossen der atoma-

ren Welt, besitzen jedoch so viel Energie,

dass sie sich in einer Distanz von 100 Mil-

liarden Kerndurchmessern – einige zehnoder Hunderte von Mikrometern – von ih-

rem Kern bewegen. Die größten Rydberga-

tome erreichen sogar die Größe des Punkts

am Ende dieses Satzes.

Benannt nach dem schwedischen Phy-

siker Johannes Rydberg (1854-1919) werden

diese Riesenatome seit den 1970er Jahren

ausgiebig erforscht. Erst damals kamen La-ser auf, mit denen sich Elektronen zu der-

art hohen Energien – beziehungsweise gro-

ßen Abständen vom Kern – anregen ließen.

Wie auch ein Vagabund, kann das äuße-

re Elektron in einem Rydbergsystem ein-

sam und schutzlos sein. Denn die Anzie-

hungskraft zum fernen Kern ist schwach

und wird leicht durch elektromagnetischeStreufelder oder Kollisionen gestört. Aus

diesem Grund erzeugen Forscher die Ato-

me im Hochvakuum. Sind die aufgebläh-

ten Atome sorgfältig von äußeren Kräften

abgeschirmt, lassen sie sich von ein paar

Hundertstel Sekunden bis hin zu meh-

reren Sekunden am Leben halten. Barry

Dunning von der Rice University in Hous-

ton schätzt Rydbergatome, weil Physiker

die Bewegung eines Elektrons darin be-

sonders gut kontrollieren können. In ge-

wöhnlichen Atomen ist das nicht mög-

lich, da sich die Elektronen hier viel zuschnell bewegen – selbst für die schnells-

ten Laser. Die Bewegung eines Elektrons

in einem aufgeblähten Rydbergatom fällt

dagegen wesentlich langsamer aus: Sie

lässt sich durch gezielte elektrische Feld-

pulse mit einer Dauer im Nanosekunden-

bereich beeinussen, mit denen die For-

scher die Elektronenwolke hin und her-schubsen und so in Schacht halten.

2008 verkündeten die Forscher um

Dunning [7], dass sie das normalerweise

über den Raum verschmierte Elektron in

ein kompaktes Paket verdichtet hatten, das

den Kern kurzzeitig umkreiste. Im vergan-

genen Jahr ergänzten sie ihr Experiment

um Radiowellen, wodurch sich diese Bewe-gung theoretisch unendlich beibehalten

ließe [8]. »Es dauerte nur ein Jahrhundert,

nun haben wir Bohrs Atom nachgebildet«,

sagt Dunning stolz. Als Nächstes möchte

er zwei äußere Elektronen gleichzeitig an-

regen und kontrollieren. Das so geschaffe-

ne System könnte dem nahekommen, was

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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sich Bohr unter Helium vorstellte.

Dieses Aufblasen von Atomen hat eini-

ge potenzielle Anwendungen. Zwei Atome,

die sich in einem Gas nur wenige Mikrome-

ter voneinander entfernt benden, beein-

ussen sich normalerweise nicht gegensei-tig. Bläht man eines (oder beide) zu einem

Rydbergatom auf, stoßen sich die negativ

geladenen Elektronenwolken jedoch ge-

genseitig ab und verzerren die Energie-

niveaus der Atome – es handelt sich also

nicht länger um isolierte Systeme. Mark 

Saffman von der University of Wisconsin-

Madison nutzte diese Eigenschaft, um ei-nen wesentlichen Bestandteil des Quan-

tencomputers herzustellen, ein so genann-

tes Quantenlogikgatter. Dazu induzierte er

mit Hilfe von Lasern eine Rydberg-Wech-

selwirkung zwischen zwei atomaren Quan-

tenbits oder Qubits.

Er hofft, wie auch andere Forscher, bald

weitere Atome hinzufügen zu können. EineWolke aus kalten Gasatomen sollte, wenn

entsprechend angeregt, eine Art schwe-

bende kristalline Anordnung von Rydberg-

Wechselwirkungen formen, beschreibt

Matthew Jones von der Durham Universi-

ty in England. Dieser Ansatz erweist sich

vielleicht als nützliches Modell für das Stu-Elektrode der Alpha-Falle     N    I    E    L    S    M    A    D    S    E    N    A    L    P    H    A    /    S    W    A    N    S    E    A

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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27

dium »stark korrelierter« Festkörpersys-

teme. In solchen Systemen, wie beispiels-

weise Hochtemperatur-Supraleitern, tre-

ten ungewöhnliche Eigenschaften auf, da

die Teilchen stark mit ihren Nachbarn in-

teragieren. Rydbergatome lieferten zwarkein perfektes Modell für die chaotischen

Wechselwirkungen in echten Festkörper-

systemen, so Burgdörfer, doch die Stär-

ke des Ansatzes liegt in seiner Einfachheit.

»Er bietet eine wunderbare Testlandschaft,

um viele Vorstellungen über die Physik in

stark korrelierten Systemen zu überprü-

fen«, sagt er.

Atome aus AntimaterieDer Large Hadron Collider am CERN nahe

Genf ist zwar momentan außer Betrieb,

doch Ingenieure arbeiten bereits daran,

ihn bald mit noch höheren Energien zu be-

treiben. Derweil erweitert man in einer Ne-

benhalle ein Experiment, mit dem Physikerdie Eigenschaften von Atomen aus Anti-

materie messen wollen. Dieses Ziel verfol-

gen Forscher bereits seit 1995, als man am

CERN die ersten Antiwasserstoffatome er-

zeugte. Ein Antiwasserstoffatom besteht

aus einem Antiproton und einem Posit-

ron, die jeweils die gleiche Masse besitzen

wie ein gewöhnliches Proton und Elekt-

ron, jedoch die entgegengesetzte Ladung.

Davon abgesehen weiß man nur sehr we-

nig über Antiwasserstoff . »Gehorchen Ma-

terie- und Antimaterieatome den gleichen

physikalischen Gesetzen«, fragt Jeffrey

Hangst, Sprecher von ALPHA – einem der

Experimente, in dem Wissenschaftler denAntiwasserstoff herstellen und untersu-

chen möchten.

Die Experimente am CERN liefern viel-

leicht auch Hinweise darauf, warum es

mehr Materie als Antimaterie im sichtba-

ren Universum gibt. Im Urknall sollten bei-

de Materieformen in gleichen Mengen ent-

standen sein und sich dann bei Kontakt ver-nichtet haben. Doch offensichtlich konnte

sich die Materie behaupten – aus bisher

unbekanntem Grund. Tatsächlich konnte

man Unterschiede im Verhalten von eini-

gen Materie- und Antimaterieteilchen be-

obachten, etwa bei Kaonen und Mesonen.

Um das Urknallrätsel zu lösen, fallen diese

aber viel zu klein aus.

Für die Produktion von Antiwasserstoff-

atomen schießen die Forscher am CERN

zunächst beschleunigte Protonen auf Ato-

me und erzeugen dadurch Antiprotonen.

Diese lenken sie durch eine Metallfolie, um

die Teilchen abzubremsen, kühlen sie mit

Hilfe von kalten Elektronen ab und fangensie schließlich mit elektromagnetischen

Feldern ein. In einer ähnlichen Falle sam-

melt man Positronen, die radioaktive Ma-

terialien emittieren. Werden die Wolken

aus geladenen Teilchen gemischt, entste-

hen elektrisch neutrale Antimaterieatome.

Eben weil diese keine Gesamtladung mehr

besitzen, konnten sie in frühen Experi-menten den elektromagnetischen Feldern

in der Falle leicht entkommen, die vorher

die elektrisch geladenen Antiteilchen fest-

gehalten hatten.

Bis 2002 waren zwei Kollaborationen in

der Lage, bis zu 50 000 Antiwasserstoffa-

tome herzustellen. Doch an den Wänden

»Es dauerte nur ein Jahrhundert, nun haben wir BohrsAtom nachgebildet« (Barry Dunning)

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28

des Behälters kommt es schnell zur An-

nihilation der Atome. Erst 2010 demons-

trierten Forscher bei ALPHA [10], wie sich

Antiwasserstoff mit seinem winzigen ma-

gnetischen Moment durch ein von drei

Magneten gemeinsam erzeugtes und aus-reichend starkes Feld einfangen lässt. Da-

mals ließ sich die Antimaterie nur für 170

Millisekunden festhalten. Zudem ngen

die Wissenschaftler nur bei jedem ach-

ten Versuch, der jeweils 20 bis 30 Minuten

dauerte, überhaupt ein Atom ein, schildert

Hangst. Inzwischen konnte das Team seine

Apparatur verbessern: Pro Versuch fängt esnun ein Atom ein und bewahrt es für rund

1000 Sekunden auf.

Nun versucht man bei ALPHA, die Eigen-

schaften der Antiatome zu untersuchen. In

diesem Jahr prüfte das Team anhand der

Spuren von Hunderten von Antiwasser-

stoffatomen, die man aus ihrem magne-

tischen Käg entlassen hatte, ob sie unterSchwerkraft nach oben oder unten fallen

[11]. Bisher haben die Forscher zwar noch

keine Antwort, doch das Experiment funk-

tioniere im Prinzip, sagt Hangst. Im erwei-

terten Experiment setzt die Gruppe dann

auch Laser ein und will damit im nächsten

Jahr testen, ob Antiwasserstoff auch Licht

bei denselben Frequenzen wie Wasserstoff 

absorbiert und emittiert. Andere Gruppen

am CERN erforschen andere Aspekte der

Antimaterie, etwa wie Antiwasserstoff auf 

veränderliche magnetische Felder reagiert.

Andernorts experimentieren Forscher mitnoch exotischeren Atomen: Ryugo Hayano

von der Universität Tokyo leitet ein Team,

das Materie-Antimaterie-Mischatome un-

tersucht. Dazu zählt beispielsweise anti-

protonisches Helium, bei dem ein Helium-

kern von einem Elektron und einem nega-

tiv geladenen Antiproton begleitet wird.

Diese ungewöhnliche Architektur bestehtfür wenige Mikrosekunden. Letztlich de-

cken solche Experimente womöglich kei-

ne ausreichend großen Unterschiede zwi-

schen Materie und Antimaterie auf, um die

Dominanz der Materie zu erklären. Aber,

so Hangst: »Man weiß nie, wo neue Physik

auftauchen könnte. Man muss einfach die

Augen offen halten.«

Schwere AtomeAntiatome mögen zwar selten sein, doch

Physiker schwimmen geradezu in Daten

über sie – verglichen mit Forschern, die su-

perschweren Atomen nachjagen. Deren Ex-

perimente erfordern ungeheure Geduld:

Am GSI Helmholtzzentrum für Schweri-

onenforschung in Darmstadt verbrachte

man im vergangenen Jahr fast fünf Mona-

te damit, pro Sekunde rund fünf Billionen

Titan-50-Ionen – mit je 22 Protonen und

28 Neutronen – in eine Probe aus Berkeli-um-249 zu feuern. Irgendwann würden da-

bei vielleicht zwei Atome miteinander fu-

sionieren und ein Element mit 119 Proto-

nen hervorbringen, so die Hoffnung. Das

wäre ein neuer Rekord.

Solche Kollisionsexperimente mit

schweren Atomen leisteten Physikern

auch in den vergangenen 70 Jahren guteDienste. Sie erzeugten damit zunehmend

massereichere Kerne und ergänzten das

Periodensystem weit über die schwersten

natürlich vorkommenden Elemente. Amt-

licher Rekordhalter ist derzeit das Element

116, Livermorium mit 116 Protonen und je

nach Isotop zwischen 174 und 177 Neutro-

nen. Auch die Elemente 117 und 118 wol-len Forscher erzeugt haben, ofziell bestä-

tigt wurde dies aber noch nicht. Und bis-

her, »hat keines der aktuellen Experimente

verkündet, Element 119 oder 120 entdeckt

zu haben«, sagt Christoph Düllmann vom

GSI und Sprecher der Kollaboration – ob-

wohl er hinzufügt, dass sein Team die Ana-

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lyse der Daten aus dem vergangenen Jahr

noch nicht vollständig abgeschlossen hat.

Man ist sich einig darüber, dass diese

Art der Jagd bald in einer Sackgasse lan-

den wird. Je schwerer die Kerne, desto un-

wahrscheinlicher ist es, dass sie miteinan-der verschmelzen. Denn die Protonen und

Neutronen widersetzen sich dem Zusam-

menhalt. Und so dürfte den meisten Wis-

senschaftlern zufolge die Wahrscheinlich-

keit, dass sich zwei Atome direkt zu einem

120 Protonen schweren Kern vereinen, ver-

schwindend gering ausfallen. »Damit stellt

sich die Frage,« so Düllmann, »wie sollenwir weitermachen?«

Für eine Antwort sollte man zunächst

verstehen, was die Suche nach superschwe-

ren Elementen motiviert. Neugier und Na-

tionalstolz spielen zweifellos ein Rolle: Po-

litiker und Wissenschaftler würden wohl

beide gerne den Namen ihres Landes in ein

29

Atommodell

100 Jahre nachdem Nils Bohr sein Atommodell

entwickelt hat, stellen Physiker mit den Teil-

chen bizarre Dinge an: Sie werden enthöhlt, in

ihr Gegenteil verkehrt und beschossen – alles

im Dienst des Erkenntnisgewinns.     F    O    T    O    L    I    A    /    Z    I    N    A    I    D    A    O    K    H    R    E    M    E    N    K    O

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neues Kästchen im Periodensystem ein-

tragen. Doch jedes superschwere Element

ist extrem kurzlebig und zerfällt innerhalb

von Millisekunden.

Einige superschwere Atome könntenlaut Theoretikern allerdings stabil sein – für

Sekunden, Minuten oder sogar Tage. Die-

se sagenumwobene »Insel der Stabilität«

soll irgendwo zwischen 114 und 126 Proto-

nen und um die 184 Neutronen existieren.

Indem man leichte in schwerere Teilchen

krachen lässt, so viel ist inzwischen klar,

wird man diese Insel nicht erreichen: Dieentstehenden Isotope besitzen zu wenig

Neutronen. Also ändern die Forscher ihre

Taktik und versuchen nun, schwerere Iso-

tope aus Elementen zu synthetisieren, die

sie bereits hergestellt haben.

Genau das planen Wissenschaftler im

kommenden Jahr am Joint Institute for Nu-

clear Research im russischen Dubna. EinStrahl aus Calcium-48-Ionen soll auf das ra-

dioaktive Californium-251 treffen und so

neutronenreiche Isotope des Elements 118

entstehen lassen. Das russische Team und

auch andere Wissenschaftler möchten zu-

dem bereits entdeckte superschwere Ele-

mente herstellen – allerdings Hunderte

oder Tausende von Atomen anstatt wie bis-

her nur eine Hand voll. »Wir sollten uns als

Ziel setzen, nicht nur ein oder zwei Atome,

sondern makroskopische Mengen zu er-zeugen. Damit lassen sich die Chemie und

Kernstruktur viel detaillierter erforschen«,

sagt Rolf-Dietmar Herzberg von der Univer-

sity of Liverpool. Auf Basis der Ergebnisse

könnten Theoretiker die Lage der Insel der

Stabilität vielleicht genauer eingrenzen.

Die Versuchung, das Periodensystem zu

erweitern, bleibt groß. Anstatt Kerne fron-tal aufeinanderzuschießen, werden die For-

scher dazu voraussichtlich zwei schwere

Kerne nur einander streifen lassen. Hier-

bei stehen die Chancen vermutlich besser,

erfolgreich zu verschmelzen und neue Ele-

mente hervorzubringen. Auf der Jagd nach

schwereren Atomen haben sich Physiker

immer wieder selbst überrascht. In den frü-hen 1990er Jahren dachte niemand, dass

man über das Element 112 hinauskäme, und

dann machte es ein optimierter Fusionspro-

zess schließlich doch möglich, berichtet GSI-

Teammitglied Michael Block. »Das nächste

Element ist immer das schwerste.« <

Der Artikel erschien unter dem Titel »Extreme atoms«

in Nature 498, S. 22-25, 2013

[1] Phil. Mag. 26, S. 1–25, 1913

[2] Nature 466, S. 56–61, 2009[3] Nature Photon. 6, S. 858–865, 2012

[4] Phys. Rev. A 44, S. 5674–5685, 1991

[5] Planet. Space Sci. 56, S. 1506–1516, 2008

[6] Appl. Phys. Lett. 102, 063112, 2013

[7] Phys. Rev. Lett. 100, 243004, 2008

[8] Phys. Rev. Lett. 108, 043001, 2012

[9] Nature Phys. 5, S. 110–114, 2009

[10] Nature 468, S. 673–67, 2010[11] Nature Commun. 4, S. 1785, 2013

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WISSENSCHAFTLICHE ETHIK

Fehlverhaltenin der Forschungvon Carsten Könneker und Tim Haarmann

Zu Guttenberg, Koch-Mehrin, Schavan –Plagiatsskandale wie diese schüren auchZweifel an der Qualitätssicherung in derForschung: Wie viel Täuschung durchzieht

die Wissenschaft? Sind Abschreiben,Lug und Trug gar an der Tagesordnung?Und welche Gegenmaßnahmen helfen?Ein Gespräch mit Bernhard Kempen,dem Vorsitzenden des DeutschenHochschulverbands, und dem Rektor derUniversität Heidelberg, Bernhard Eitel.

DREAMSTIME / CRISTI_M

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H

err Professor Eitel – Sie

waren direkt von den

öffentlich beachteten

Plagiatsskandalen der

letzten Zeit betroffen.

Welche Lehren zog die Universität Hei-delberg aus dem Fall der Europapolitike-

rin Silvana Koch-Mehrin?

Bernhard Eitel: Wir versuchen auf vielfäl-

tigen Wegen bereits früh im Studium eine

hohe Sensibilität für die Regeln guter wis-

senschaftlicher Praxis zu schaffen. Außer-

dem haben wir eine Plagiatssoftware ins-talliert, die campusweit allen Prüfungsbe-

rechtigten zur Verfügung steht. Allerdings

stellen wir niemanden unter Generalver-

dacht und lassen nicht jede Arbeit, die pu-

bliziert wird, automatisch elektronisch

durchleuchten. Ich bin der Überzeugung,

dass Verfehlungen gegen die Regeln guter

wissenschaftlicher Praxis die Ausnahmesind.

Wie viele solcher Ausnahmen gab und

gibt es an Ihrer Universität?

Eitel: Aktuell verfolgen wir rund zehn Fäl-

le – ein recht stabiler Wert über die Jahre.

Fälschungen, Plagiate und andere Verfeh-

lungen gibt es, seit Wissenschaft betrieben

wird. Ein Rektor meinte neulich zu mir, an

seiner Universität sei so etwas noch nicht

vorgekommen. Dem halte ich entgegen:

Dann stimmt etwas mit der Qualitätskon-trolle nicht! Wie viele Fälle verfolgt wer-

den, ist in erster Linie eine Frage der Qua-

litätskultur. Das ist wie im Straßenverkehr:

Solange es Autos gibt, wird auch falsch ge-

parkt werden.

Herr Professor Kempen – ist nicht der ei-

gentliche Skandal hinter den Plagiatsfäl-len der letzten Zeit, dass Wissenschaft-

ler diese Arbeiten anfangs durchgewinkt

haben? Karl-Theodor zu Guttenberg er-

hielt an der Universität Bayreuth sogar

die Bestnote »summa cum laude« …

Bernhard Kempen: Jeder dieser Fälle – ob

zu Guttenberg, Koch-Mehrin oder auchSchavan – ist für die titelverleihende Uni-

versität peinlich. Dass jemand durch die

Maschen schlüpft, hätte nicht passieren

dürfen. Aber man darf auch nicht Ross und

Reiter vertauschen: Wenn einer in der Stra-

ßenbahn schwarzfährt, ist ja auch nicht der

Schaffner der Böse, sondern der Schwarz-

Bernhard Eitel

ist Geograf und Rektor der Universität Heidel-

berg. Als Vertreter seiner Hochschule hatte er

im Promotionsskandal um Silvana Koch-

Mehrin mit darüber zu entscheiden, ob der

Politikerin der Doktortitel entzogen werden

sollte – was am Ende auch geschah.

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fahrer. Wir Hochschullehrer müssen dafür

sorgen, dass die publizierten Arbeiten sau-

ber sind. Darauf hat die Öffentlichkeit ei-

nen Anspruch. Deshalb ergreift der Deut-

sche Hochschulverband jetzt auch Maß-

nahmen.

Welche sind das?

Kempen: Schon vor dem »Fall zu Gutten-

berg« haben wir zusammen mit dem Dok-

torandennetzwerk »Thesis« Handlungs-

richtlinien entwickelt. Darin steht, wie eine

ordentliche Doktorandenbetreuung ausse-hen muss: Was sind die Rechte und Pich-

ten von Promovierenden und ihren Be-

treuern? Außerdem wollen wir die Pro-

motionsordnungen verbessern, die sich

wegen der Autonomie der Fakultäten von

Universität zu Universität unterscheiden.

Die von den Fakultäten gestalteten Promo-

tionsordnungen haben zum Teil geradezuVerfassungsrang. Doch trotz aller berech-

tigten Autonomie sollte über einige Eck-

punkte von Flensburg bis München unbe-

dingt Konsens herrschen.

Eitel: Die Doktorandenbetreuung ist heute

eine viel schwierigere Aufgabe als eine Ge-

neration zuvor, weil es inzwischen ungleich

mehr Promovierende gibt. Hinzu kommt,

dass viele unserer Nachwuchswissenschaft-

ler aus der ganzen Welt stammen. Manche

haben ganz andere Vorstellungen von wis-

senschaftlichem Fehlverhalten – ich sagedas völlig wertungsfrei. Die ausbildenden

Einrichtungen müssen ihren Studierenden

daher unmissverständlich deutlich ma-

chen, wie die Qualikation für eine Promo-

tion hier zu Lande abläuft und welche Stan-

dards an unseren Universitäten gelten.

Der ehemaligen Bundesforschungsminis-terin Schavan wurde der Doktortitel mehr

als 30 Jahre nach ihrer Promotion entzo-

gen. Ist das noch verhältnismäßig, oder

sollte es nicht eine Verjährungsfrist für

wissenschaftliches Fehlverhalten geben?

Eitel: Gravierendes Fehlverhalten kann

nicht verjähren. Das wäre für die Wissen-schaft tödlich. Die Aufnahme in den Kreis

der Wissenschaftler durch die Promotion

gilt ja lebenslang. Ich bin aber dafür, ein dif-

ferenziertes Instrumentarium von Sankti-

onen zu entwickeln. Wir sollten nicht bloß

schwarz-weiß denken, nach dem Motto:

entweder den Doktortitel aberkennen oder

Bernhard Kempen

ist Präsident des Deutschen Hochschulver-

bandes, der Interessenvertretung der Universi-

tätslehrer in Deutschland. Der Jurist ist Profes-

sor für öffentliches Recht und Völkerrecht an

der Universität zu Köln.

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nicht. Fehlverhalten kann unterschiedlich

bestraft werden. Eine Möglichkeit wäre

etwa, dass die Fakultäten öffentliche Rügen

erteilen, den Titel aber nicht entziehen.

Kempen: Das sehe ich anders. Wir solltenvielleicht doch über Verjährungsregeln

nachdenken. Es ist schon tragisch, wenn

eine Person nach so langer Zeit einem der-

artigen Verfahren ausgesetzt wird Stel-

len Sie sich vor, Sie sitzen im Theater zwi-

schen zwei Menschen. Ihr rechter Nach-

bar hat sich vor 30 Jahren des Totschlags

schuldig gemacht, doch die Tat ist heuteverjährt. Ihr linker Nachbar hat vor 30 Jah-

ren bei seiner Doktorarbeit geschummelt,

und seine bürgerliche Existenz steht nun

auf dem Spiel, weil Plagiatjäger ihm auf die

Schliche gekommen sind. Hier besteht ein

Wertungswiderspruch. Man darf schon fra-

gen, ob wir es als Gesellschaft nicht aushal-

ten könnten, wenn jemand mit erschliche-nem Doktorhut unter uns ist. Wir halten es

ja auch aus, dass der Räuber, der Erpresser,

der Betrüger herumläuft.

Eitel: Keine Frage, die Gesellschaft kann

das aushalten – die akademische Welt aber

nicht! Für die Wissenschaft ist es essenzi-

ell, dass Fehlverhalten auf Dauer sanktio-

niert wird. Sonst könnte sich ja, überspitzt

formuliert, jemand über die Verjährungs-

frist retten und danach als Nobelpreisträ-

ger mit großer Vorbildfunktion auftreten.

Im Fall Schavan war die akademische Weltlange uneins, wie die Doktorarbeit zu be-

werten sei. Wer die Diskussion in den Me-

dien verfolgte, mochte meinen, Wissen-

schaftler könnten sich noch nicht einmal

darauf einigen, was ein sauberes Zitat ist

und was nicht.

Hat das gesellschaftliche Ansehen derWissenschaft unter dieser Diskussion

gelitten?

Kempen: Leider ja. Ich ärgere mich, dass

sich überhaupt so viele Kollegen zu Wort

gemeldet haben, um per Ferndiagnose Ur-

teile abzugeben. Das war völlig unange-

bracht. Allein die Universität Düsseldorf,an der Frau Schavan promovierte, musste

über den Fall entscheiden.

Eitel: Das Ansehen der Wissenschaft hat ge-

litten, keine Frage. Ich sehe aber eine noch

schlimmere Folge: In Deutschland neigen

wir dazu, Probleme reexhaft durch neue

Gesetze zu regeln. So hat unsere neue For-

schungsministerin, Johanna Wanka, den

Wissenschaftsrat beauftragt, Regeln für

gute wissenschaftliche Praxis zu entwer-

fen. Aber brauchen wir das? Die Erfahrung

zeigt: Immer wenn von außen in die aka-demische Welt hineinreguliert wird, gibt

es Probleme. Lassen wir den Universitäten

ihre Autonomie!

Was genau ist wissenschaftliches Fehl-

verhalten, und wo beginnt die Grauzo-

ne? Ist es zum Beispiel falsch, wenn ein

Forscher ehrenhalber als Autor in ei-nem Aufsatz aufgeführt wird, obwohl er

nichts zur Arbeit beigetragen hat?

Eitel: Klares Fehlverhalten sind Plagiieren

und Fälschen. Wobei es auch hier Übergän-

ge gibt und mildernde Umstände greifen

können. Dies zu beurteilen, ist die Aufgabe

der Promotionskommissionen. Sie müssenetwa herausnden, ob jemand absichtlich

oder unbewusst getäuscht hat. Ich warne

davor, vorab Schablonen anzulegen. Das ist

gefährlich, denn wir wissen ja nicht, welche

Form des Arbeitens in zehn Jahren Stan-

dard ist und ob wir unsere heutige Schablo-

ne dann noch anwenden können.

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Können Sie das noch ein

wenig konkreter fassen?

Eitel: Ein Beispiel für neue Formen des Ar-

beitens, die in keine früheren Schablonenpassen, sind die aktuellen Großprojekte. Oft

können sehr aufwändige Experimente auf 

Grund hoher Kosten nur ein einziges Mal

oder nur zu bestimmter Zeit durchgeführt

werden. Dass viele Versuche kaum wieder-

holbar sind und damit einem Grundprin-

zip der Naturwissenschaften widerspre-

chen, betrachte ich mit Sorge. Eine weite-

re Grauzone sind Veröffentlichungen mit

enorm vielen Autoren. Durch diese Praxis

gibt es Wissenschaftler, die es auf hunder-

te Publikationen pro Jahr bringen. Da mussman sich schon fragen, ob das nicht bereits

an Fehlverhalten grenzt.

Kempen: Solche Autorenkollektive ha-

ben in der Tat etwas Unglaubwürdiges.

Und Ehrenautorschaften betrachte ich als

eine überkommene Praxis. Manche Wis-

Gesprächsrunde

Mit Bernhard Kempen (Mitte links) und Bern-

hard Eitel (Mitte rechts) diskutierten Carsten

Könneker (links) und Tim Haarmann (rechts).

    S    P    E    K    T    R    U    M

     D    E    R

    W    I    S    S    E    N    S    C    H    A    F    T    /    M    A    N    F    R    E    D    Z    E    N    T    S    C    H

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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senschaftler behaupten zwar, Ehrenautor-

schaften seien international erforderlich,

weil man in einigen Zeitschriften nur ver-

öffentlicht wird, wenn ein angesehener

Kollege mit an Bord ist – selbst wenn dieser

den Aufsatz nicht mal gelesen hat. Dochdas ist eine Fehlentwicklung. Bei wissen-

schaftlichen Erkenntnissen will ich schließ-

lich wissen: Wessen Erkenntnis ist das? Mit

wessen Versuch habe ich es hier zu tun?

In einer 2005 publizierten anonymen

Befragung des Fachmagazins »nature«,

an der mehr als 3000 Wissenschaft-ler aus der ganzen Welt teilnahmen, ga-

 ben 15 Prozent zu, ein Forschungsdesign

oder gar Ergebnisse schon einmal auf 

Druck von Forschungsförderern verän-

dert zu haben. Wie unabhängig ist Wis-

senschaft in der Drittmittelära noch?

Eitel: Die Drittmittel sind nicht das Prob-lem. Im Gegenteil: Drittmittel ermöglichen

heute die akademische Forschungs- und

Lehrfreiheit, und die Universitäten haben

darüber zu wachen. Der Staat schränkt die

akademische Freiheit zuweilen viel mehr

ein, denn die Zweitmittel, also zeitlich be-

fristete zusätzliche Gelder aus der öffent-

lichen Hand jenseits der Grundförderung,

sind der goldene Zügel der Länder für die

Universitäten. Sie schränken die akademi-

sche Freiheit ein.

Kempen: Wir brauchen Drittmittel an denUniversitäten, denn durch sie ergibt sich

eine enge Verzahnung mit der Gesellschaft

und der Wirtschaft. Und wir sind nanzi-

ell auf sie angewiesen, weil die staatlichen

Gelder im Verhältnis zu den Aufwendun-

gen sinken; demgegenüber nehmen die

Drittmittel zu. Bund und Länder müssen

für eine bessere Finanzierung der Univer-sitäten sorgen, um den derzeitigen Investi-

tionsstau aufzuheben. Aber natürlich kön-

nen Drittmittel auch ein Anreiz für wis-

senschaftliches Fehlverhalten sein, wenn

jemand dank privater Gelder forscht …

… zum Beispiel als Stiftungsprofessor

für alternative Medizin, dessen Geldervon einem Hersteller einschlägiger Prä-

parate kommen?

Kempen: Genau. Aber man darf auch nicht

alles verteufeln. Es gibt genug Stiftungs-

professuren, bei denen alles ordentlich

läuft. Die Verantwortung für unabhängi-

ge Forschung liegt freilich zuallererst beim

Staat. Dieser hat uns in die Situation ge-

bracht, existenziell auf Drittmittel ange-

wiesen zu sein.

Eitel: Über die ausreichende Grundnan-zierung der Universitäten muss die Auto-

nomie und wissenschaftliche Freiheit der

Universitäten gesichert sein. Hier fehlt

Geld. Zweitmittel werden oft nur für einige

Jahre und für bestimmte Programme be-

willigt, und danach müssen wir diese Pro-

jekte aus der Grundausstattung am Laufen

halten. Das zehrt einen zunehmend größe-ren Teil von den knappen Grundausstat-

tungsmitteln auf. Erst dadurch werden die

universitätsfremden Mittel problematisch

– nicht weil sie die Autonomie der Univer-

sitäten direkt einschränken würden.

Einer »nature«-Erhebung zufolge wur-

den von 2001 bis 2011 zehnmal mehrFachaufsätze auf Grund wissenschaftli-

chen Fehlverhaltens wieder zurückge-

zogen als im Jahrzehnt davor. Im selben

Zeitraum stieg die Anzahl der Veröffent-

lichungen um weniger als die Hälfte. Be-

deutet das, dass mehr gefälscht oder nur

mehr aufgedeckt wurde?

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Kempen: In Sachen Qualitätssicherung ist

ein kultureller Wandel eingetreten. Heu-

te ist das Peer-Review-Verfahren Standard,

also die anonyme Begutachtung eines Ar-

tikels vor Veröffentlichung durch einschlä-

gige Experten. Früher hingegen bekam einVerleger einen Aufsatz und war froh, wenn

er diesen veröffentlichen konnte. Das ist

zum Glück vorbei. Wir haben inzwischen

ein engmaschiges Netz der Qualitätskont-

rolle. Das ist sicher auch ein Grund dafür,

dass mehr Fehler entdeckt werden.

Hilft hier das Internet?

Eitel: Zum Internet habe ich eine zwiespäl-tige Haltung. Einerseits wächst die Trans-

parenz. Andererseits ist dies aber auch eine

Pseudotransparenz, weil vieles, was im

Netz veröffentlicht wird, nur halb richtig

ist – es gibt keine Kontrollorgane. Zurzeit

haben wir das Paradigma, alles möglichst

transparent zu machen. Doch je mehr man

offenlegt, desto größer wird die Schatten-

kommunikation darum herum. Ich bin

nicht davon überzeugt, dass die Wissen-schaft dadurch insgesamt besser arbeitet.

Kempen: Dass jeder heute im Internet

prüfen kann, was auf den einzelnen For-

Wissenschaftliches

Fehlverhalten2005 veröffentlichte die Fach-

zeitschrift »nature« die Ergeb-

nisse einer anonymen Umfrage

zu wissenschaftlichem Fehlver-

halten. 3247 Forscherinnen und

Forscher hatten daran teilge-

nommen. Ein Drittel von ihnen

bekannte sich zu unredlichemVerhalten in den vergangenen

drei Jahren. Beispielsweise ga-

ben 15,5 Prozent an, mindestens

einmal einen Versuchsaufbau

oder Ergebnisse auf Druck von

Geldgebern verändert zu haben.

    N

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schungsfeldern passiert, ist gut. Aber

Transparenz ist kein Selbstzweck. Wir müs-

sen uns klarmachen: Das Internet ist kei-

ne Institution der Wissenschaft. Es gleicht

eher dem Marktplatz vor der Universität.

Die Wissenschaft ndet aber in den Häu-sern statt. Die globale Kommunikations-

struktur erleichtert zwar einerseits das

Entdecken von Fehlverhalten, andererseits

erleichtert sie jedoch auch das Fälschen

durch eine um sich greifende »Copy-and-

paste-Kultur«.

Fehlt den heutigen Erstsemesterstuden-ten durch diese »Copy-and-paste-Kul-

tur« eine klare Vorstellung davon, was

geistiges Eigentum ist?

Eitel: Das ist ein echtes Problem. Viele Stu-

dierende haben sich als Schülerinnen und

Schüler einfach bei Wikipedia oder anders-

wo bedient, um ihre Hausaufgaben zu er-ledigen …

Kempen: … zum Beispiel auf »Hausarbei-

ten.de«.

Eitel: Genau. Durch derartige Arbeitswei-

sen wird das Plagiat geradezu standardi-

siert. Viele Schulabgänger denken, dass die

Inhalte im Internet zur allgemeinen Verfü-

gung stünden. Wir versuchen dieser Hal-

tung entgegenzuwirken, indem wir schon

in der Orientierungsphase des Studiums

das Bewusstsein dafür schärfen, wie manmit fremdem geistigen Eigentum korrekt

umgeht.

Kempen: Das gehört gleich in die Anfän-

gerveranstaltungen. Außerdem brauchen

wir einheitliche Richtlinien, die fächer-

übergreifend gelten.

Wie könnten solche

Richtlinien aussehen?

Kempen: Der Hochschulverband schlägt

vor, eine Art »Standardwerk des wissen-

schaftlichen Publizierens« zu entwickeln.

Dieses müsste fächerübergreifende Stan-

dards aufführen und auch Kapitel überGrauzonen des wissenschaftlichen Fehl-

verhaltens enthalten, zum Beispiel über

Eigenplagiate und Ehrenautorschaften.

Wichtig wäre, dass so ein Werk auch an-

schauliche Beispiele schlechter wissen-

schaftlicher Praxis enthält. Dieses Buch

sollte dann jedem Studenten zu Studienbe-

ginn in die Hand gedrückt werden. Im Fall

Annette Schavan hieß es ja, die Standards

in den verschiedenen Fächern seien unter-schiedlich. Solch eine Diskussion könnten

wir damit zum Verstummen bringen.

Eitel: Ich bin skeptisch, ob solche Richtlini-

en – insbesondere im internationalen Kon-

text – als verbindlich akzeptiert würden.

Die Zitierstandards sind ja nicht nur eine

Frage der Universitäten und Wissenschaft-ler, sondern auch der Publikationsorga-

ne. Diese sind bei vielen Fachzeitschriften

sehr uneinheitlich. Bei amerikanischen

und auch zunehmend bei deutschen Lehr-

büchern darf man im Text als Autor kaum

mehr zitieren – die Literatur wird dann nur

noch im Anhang des Buchs aufgeführt. Das

Wissenschaftliches

FehlverhaltenZu diesem Thema ndet auf unseremBlog-Portal »Scilogs« auch ein Bloggewit-

ter mit verschiedenen Beiträgen aus der

Wissenschaft statt.

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ist eine Fehlentwicklung, die von den Wis-

senschaftsverlagen ausgeht!

Kempen: Bei Veröffentlichungen jenseits

von Dissertation und Habilitation haben

Sie recht, da wird es schwierig. Aber bei Dok-torarbeiten oder Habilitationsschriften ha-

ben wir eine Erwartungshaltung an die Ver-

fasser und müssen diese Erwartung schrift-

lich festhalten. Denn wenn wir am Ende

eine Note vergeben und dabei auch hand-

werkliche Leistungen wie korrektes Zitieren

beurteilen, müssen wir vorab klar verdeut-

lichen, was wir darunter verstehen. Und ichbin optimistisch, dass wir das schaffen!

Kommen wir noch einmal zur Promo-

tionspraxis zurück. Wäre es nicht sinn-

voll, dass Betreuer keine Gutachter

mehr sein dürfen? Das hätte möglicher-

weise manchen Plagiatsfall verhindert.

Eitel: In Deutschland gilt mindestens das

»Vier-Augen-Prinzip«. Dabei darf einer der

beiden Gutachter einer Doktorarbeit auch

der Betreuer sein. An dieser Praxis nde

ich nichts Schlechtes, denn man muss die

Bewertung der Arbeiten ja efzient hal-

ten. Wenn Zweifel an der Objektivität des

Gutachtens bestehen, kann man noch ex-

terne Gutachter hinzuziehen. Ich gebe je-

doch zu bedenken, dass es gut wäre, end-

lich die Doktorandenbetreuung auf das

Lehrdeputat der Professorinnen und Pro-

fessoren anzurechnen. Das würde inten-sive Betreuung belohnen. In anderen Län-

dern – etwa in Skandinavien und Ameri-

ka, aber auch zunehmend in Deutschland

– gibt es immer mehr strukturierte Promo-

tionsprogramme. In solchen Graduierten-

schulen werden die Doktoranden von gan-

zen Teams betreut, auch dies ist ein gang-

barer Weg. Grundsätzlich bin ich aber fürmaximale Freiheit. Unsere Aufgabe ist es

nicht, zu reglementieren, sondern die Frei-

heit von Forschung und Lehre zu bewah-

ren, die Innovationskraft der Universitäten

zu stärken und die Individualität des wis-

senschaftlichen Nachwuchses zu fördern.

Kempen: Strukturierte Promotionspro-gramme sind wichtig für die Doktoranden-

ausbildung. Doch Qualität in der Wissen-

schaft sichern erst die Fächervielfalt und

die gewachsene Fächerkultur. Deshalb soll-

te es weiterhin die Möglichkeit der indivi-

duellen Promotion geben. Die Universi-

täten sind sogar darauf angewiesen, auchwww.academia-net.de

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Menschen aus der beruichen Praxis – etwa

Ärzte oder Anwälte – in die Forschung ein-

zubinden. Externen Doktoranden verdan-

ken wir großartige Forschungsleistungen.

Eitel: Man darf nicht unterschätzen, dassalle Dissertationen – in denen immer auch

der Betreuer und die Gutachter genannt

werden – publiziert werden müssen. Wenn

die veröffentlichte Doktorarbeit nicht den

Standards genügt, ist das für alle Seiten,

auch die Fakultät, ein öffentlicher Pranger.

Die Fakultäten haben aber unterschied-liche Ansprüche an Dissertationen. In ei-

ner Doktorarbeit in der Medizin steckt

für gewöhnlich deutlich weniger For-

schung als in einer der Biochemie. Soll-

ten wir vielleicht fächerübergreifend re-

geln, was für einen Doktorhut geleistet

werden muss?

Kempen: Auch eine medizinische Promo-

tion muss nachweisen, dass der Kandidat

zu selbstständiger wissenschaftlicher Ar-

beit in der Lage ist. Wenn ich mir jedoch –

nach Umfang und wissenschaftlichem Er-

trag – manche medizinische Doktorarbeit

anschaue, habe ich als medizinischer Laie

ebenfalls meine Zweifel, ob das immer zu-

trifft. Der Medizinische Fakultätentag und

die verantwortlichen Mediziner müssen da-

rüber nachdenken, wie sie ihre Promotion

weiterentwickeln wollen. Es geht dabei auch

um die Frage, wie wir mit unserer deutschenMedizinpromotion etwa im Vergleich zum

amerikanischen Medical Doctor dastehen.

Wir müssen international Anschluss halten.

Eitel: Für Deutschland halte ich die Ent-

wicklung in der Medizin für problema-

tisch. Unser »Dr. med.« wird international

oft nicht als ein akademischer Grad akzep-tiert, der echte Wissenschaftlichkeit aus-

zeichnet. Wir machen in Heidelberg die

Erfahrung, dass die Studierenden daher

lieber den »Dr. rer. nat.« oder den interna-

tionalen »PhD« anstreben; unsere auslän-

dischen Nachwuchswissenschaftler haben

häug gar kein Interesse am »Dr. med.«; er

bringt ihnen nichts.

Warum ändern Sie nichts

an der Praxis der Mediziner?

Eitel: Dies ist ein Strukturproblem. Die

Hochschulleitung hat nur bedingt Einuss

auf die Fakultäten. Außerdem genießt die

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nen Sonderstatus. Deshalb meine auch ich:

Der medizinische Fakultätentag ist aufge-

rufen, den deutschen Sonderweg zu über-

denken! <

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DATENERHEBUNG

 Drohnen für die

Forschungvon Emma Maris

Drohnen erweisen sich in der Forschung, imUmweltschutz und beim Einsatz für humani-täre Zwecke als überaus nützlich. Allerdingssetzen rechtliche Bestimmungen solchen zivilenAnwendungen enge Grenzen.

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    J    A    C    K

    E    L    S    T    O    N

 ,    U    N    I    V    E    R    S    I    T    Y    O    F    C    O    L    O    R    A    D    O

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Flügelspannweite 3,2 Meter, Rei-

segeschwindigkeit 75 Knoten

– die »Tempest« (englisch fürSturm) wurde für den Flug in

schweres Wetter konstruiert.

Während eines Probeugs im März darf 

sie allerdings unter einem tiefblauen Him-

mel surren. Unten am Boden lässt Maciej

Stachura, Doktorand an der University of 

Colorado in Boulder, seine Fingerspitzen

über den Bildschirm eines Tablet-Compu-ters gleiten. Nach dem manuellen Start des

Fluggeräts überträgt er die Kontrolle dem

Bordrechner. Sollte ein Problem auftreten,

steht Systemingenieur James Mack bereit,

während Neeti Wagle, ebenfalls Doktorand,

den Himmel mustert, um sicherzustellen,

dass die Tempest nicht mit irgendetwas

zusammenstößt.Die Aufgabe der Tempest soll heute da-

rin bestehen, einen Funksender ausn-

dig zu machen, der einen simulierten Not-

ruf aussendet. Während sie über unseren

Köpfen kreist, geht von ihrem gasbetrie-

benen Motor ein Geräusch wie von einem

Rasenmäher aus. Es ruft uns den inofziel-

len Namen solcher Fluggeräte in den Sinn:

Drohnen. In wissenschaftlichen Kreisen ist

die Bezeichnung »unbemanntes Luftfahr-zeug« (englisch: Unmanned aerial vehicle,

UAV) gebräuchlicher.

Als gut 40 Minuten Flugzeit verstrichen

sind, späht und lauscht das Team aus Boul-

der. Die Tempest ist zu einem fernen Fleck-

chen am Himmel geschrumpft. Nun mischt

sich ein besorgter Unterton in Stachuras

Stimme: »Sie macht ihre Sache nicht gut.Eigentlich sollte sie uns an diesem Punkt

näher sein.« Schließlich kehrt die Drohne

um und orientiert sich zurück in Richtung

des Funksenders. »Ah, jetzt kommt sie«,

sagt Stachura sichtlich erleichtert.

Zu ihrem wissenschaftlichen Einsatz ka-

men Drohnen auch über einen Umweg.

Zuerst experimentierte die US-Weltraum-behörde NASA in den 1970er Jahren mit

UAV, die speziell für Forschungen in gro-

ßen Höhen gefertigt worden waren. Doch

die unbemannten Flugzeuge fanden kaum

Anklang. Drohnen mit erstklassigen Sen-

soren waren für Wissenschaftler zu kost-

spielig, und preiswerte Ausführungen ver-

sprachen keinen großen Nutzen. Doch im

letzten Jahrzehnt sanken die Preise, und

auch die Technik machte Fortschritte –vom bordeigenen Navigationssystem mit

GPS bis hin zum miniaturisierten Autopi-

loten. Diese Entwicklungen reizten viele

Forschergruppen, mit UAV zu experimen-

tieren.

Bereits heute sind sie ein efzienter

Weg, Daten zu sammeln, und sie ermög-

lichen wichtige Fortschritte in der Erkun-dung von Polarregionen, Vulkanen sowie

der Tier- und Panzenwelt. »Sie sind da-

bei, eine unverzichtbare und revolutionäre

Technologie zu werden«, sagt Adam Watts.

Er ist Ökologe an der University of Florida

in Gainsville und hat jahrelange Erfahrung

mit Drohnenügen.

Indes behindern technische und rechtli-che Hürden eine weiter gehende Nutzung.

Forscher versuchen, die Eigenständigkeit,

Manövrierfähigkeit und Lebensdauer der

UAV zu erhöhen. Und besonders in den Ver-

einigten Staaten setzen ihnen Vorschriften

strenge Grenzen, wenn es darum geht, wo

und wie sie Drohnen einsetzen dürfen. Soll-

Exklusive Übersetzung aus

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ten sich diese Regelungen lockern – und es

gibt Anzeichen dafür –, dann könnten ie-

gende Forschungsroboter in viel größerer

Zahl in den Himmel aufsteigen.

Luftige HöhenDie vom Militär zur Jagd auf Feinde ein-

gesetzten Drohnen werden in den letzten

Jahren zunehmend kritisch betrachtet,

manche wurden aber auch schon wissen-

schaftlich genutzt. Die NASA führte mit ei-

ner von Northrop Grumman hergestellten

»Global Hawk« Hurrikan- und Klimastudi-

en durch. Diese Drohnen erreichen Höhenum 20 Kilometer und iegen damit höher

als herkömmliche Flugzeuge. Zwar erhielt

die Weltraumbehörde die Drohne kosten-

los von der US-amerikanischen Luftwaffe,

aber interessierte Wissenschaftler müssen

sich darauf einstellen, für ein solches Flug-

gerät 20 Millionen US-Dollar zu berappen

– die Kosten für die nötigen Sensoren nochnicht eingerechnet.

Die meisten Forscher müssen sich mit

erheblich kleineren und preiswerteren

Systemen begnügen. Ein funkgesteuertes

UAV mit starren Flügeln, wie die Tempest,

ist für wenige tausend Dollar fertig erhält-

lich. Und ein mit vier Rotoren ausgestatte-

ter »Quadrocopter« wird für nur 300 US-

Dollar angeboten. Mit einigen Sensoren

darauf, einem Autopiloten und einem bil-

ligen Rechner mit den nötigen Algorith-

men haben Wissenschaftler bereits ein un-

bemanntes Flugsystem (englisch: unman-ned aerial system, UAS).

Ungeachtet der technischen Unterschie-

de bei zivilen und militärischen Drohnen

gibt es enge Verbindungen zwischen den

damit durchgeführten Forschungspro-

grammen, von denen beide Seiten pro-

tieren. Viele der von den Universitäten mit

UAV realisierten Projekte werden tatsäch-lich vom Militär teilnanziert.

Vorerst konzentrieren sich die meisten

mit Drohnen arbeitenden Forscher darauf,

die Technik zu verbessern, um die Geräte

beweglicher und autonomer zu machen

und sie zur Arbeit in Gruppen zu befähi-

gen. Die Eigenständigkeit einer Drohne er-

fordert eine Reihe von Algorithmen, umdie Daten ihrer Sensoren zu interpretie-

ren, ihren Kurs zu kontrollieren und um

die von ihren Kameras erfassten Objekte

zu klassizieren. Und diese Rechenopera-

tionen müssen in Echtzeit ablaufen – auf 

winzigen Rechnern mit geringem Gewicht,

die während des Flugs auch noch in drei

Dimensionen durchgeschüttelt werden. Ei-

nen besonderen Themenschwerpunkt bil-

det die Navigation im Sichtug. GPS-ba-

sierte Systeme können kaum mehr als drei

Meter Auösung erreichen, was für unbe-

wohnte Landschaften ausreicht – nicht je-doch für Stadtgebiete oder den Einsatz in-

nerhalb von Gebäuden: Die Entwickler

möchten ihre Fluggeräte in erdbebenge-

schädigte Gebäude entsenden, um nach

Überlebenden zu suchen. Dazu müssen die

Drohnen schräg stehenden Balken, Elekt-

roleitungen und geschlossenen Fenstern

ausweichen. Dies erfordert ein komplexesKamerasystem, Gyroskope und Beschleu-

nigungsmesser. Nur so kann das Fluggerät

herausnden, wo es sich bendet und ob

ihm Hindernisse im Weg stehen.

Ein Team um Ashutosh Natraj, jetzt an

der Oxford University, hat Drohnen mit

Fischaugenkameras ausgestattet und ih-

nen beigebracht, sich selbst zu »nden«.Die dazu nötigen Rechenalgorithmen un-

terteilen das kreisförmige Gesichtsfeld in

Himmel und Boden, identizieren die Ho-

rizontlinie zwischen den beiden Bereichen

und leiten daraus die Höhe und Orientie-

rung der Drohne ab. Für Flüge innerhalb

von Städten schreibt das Team Program-

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me, die vertikale und horizontale Linien

an Gebäuden sowie Straßenzüge erkennen

und sich davon leiten lassen. So kann die

Drohne nach oben, unten, vorwärts und

rückwärts navigieren. Nachts orientiert sie

sich, indem sie per Laser ein Muster auf ihre Umgebung projiziert.

Die kamerabasierte Navigation sei pf-

g, sagt Natraj, weil eine einzelne Kamera

mehr hochwertige Informationen sammle

als eine Anzahl teurer, schwerer Sensoren

wie zum Beispiel Laserabstandsmesser.

Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass

viele Sensoren integriert werden müssen.Natraj entwickelt Systeme, welche die ge-

samte Bildverarbeitung an Bord des Hub-

schraubers durchführen, anstatt die Daten

über Funk an einen separaten Rechner zu

übertragen, der sie dann aufbereitet. Diese

Arbeiten gehören zu einem auf drei Jahre

angelegten Projekt zur Konstruktion von

UAV, die eine medizinische Versorgungnach Naturkatastrophen gewährleisten.

Mit dem in Oxford durchgeführten Pro-

jekt hofft man, multiple UAV entwickeln zu

können, die sich in Katastrophensituatio-

nen untereinander verständigen. Die auf 

solche Geschwader abzielende Forschung

sei ein brandheißes Gebiet, sagt Hyunchul

Shim, Leiter des Center of Field Robotics

and Innovation, Exploration and Defense

am Kore Advanced Institute of Science and

Technology im südkoreanischen Daejeon.

»Wenn du schnell gehst, dann gehe einsam

– wenn du lange gehst, dann gehe gemein-sam«, sagt er.

Das Datensammeln sowie Such- und

Rettungsmissionen sind mit einer Grup-

pe von Drohnen schneller und wirksamer

möglich. Sie können einen Datenpool er-

zeugen und für den Fall, dass eine Drohne

versagt, Redundanzen bereitstellen. Aller-

dings macht die Nutzung mehrerer Droh-

nen die Angelegenheit komplexer. Gemein-

sam müssen sie in der Lage sein, unterei-

nander zu kommunizieren und kollektive

Entscheidungen zu treffen.

Die Forscher streben auch an, die Le-bensdauer der zumeist mit Gas oder Bat-

terien betriebenen UAV zu verlängern. Um

Gewicht und Kosten einzusparen, setzen

sie oft sehr kleine Drohnen mit begrenz-

tem Treibstoffvorrat ein, der nur kurze Flü-

ge ermöglicht. Einige Gruppen arbeiten da-

ran, die Batterien zu verkleinern, während

Drohnen in Formation

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7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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andere die Drohnen so gewandt machen

möchten, dass sie – ähnlich wie Vögel und

Gleiter – Thermik und Windeigenschaften

ausnutzen.

Roland Siegwart, Leiter des Labors für

Autonome Systeme der ETH Zürich, be-schäftigt ein Team, das solarbetriebene

Flugzeuge entwickelt, die niemals landen

müssen. »Ich nenne sie ‚tiefiegende Satel-

liten‘«, scherzt er. Tatsächlich könnten sie

sich im Vergleich zu Erdsatelliten als die

besseren Datensammler erweisen, denn sie

lassen sich steuern: »Sie können ein aktu-

elles Bild von Buschbränden liefern, Wald-gebiete überiegen, die illegal abgeholzt

werden, oder in den Meeren nach Vermiss-

ten suchen«, sagt Siegwart.

VideostarsDie an UAV arbeitenden Gruppen halten

sich gegenseitig auf dem Laufenden, in-

dem sie Videoberichte im Internet bereit-stellen. Der größte »YouTube-Star« des For-

schungsgebiets ist Vijay Kumar von der

University of Pennsylvania in Philadelphia.

Mit einer modizierten Version des Vicon-

Systems lenkt seine Gruppe innerhalb ge-

schlossener Räume Quadrocopter. Das Sys-

tem erfasst Bewegungen und wird auch in

Hollywood sowie bei Herstellern von Vi-

deospielen genutzt. Kumars Videos zeigen

Drohnen, die – in engen Formationen ie-

gend – ein Kantholz transportieren.

Und in einem mehr als drei Millionen

Mal abgerufenen Video spielen sie auf mehreren Instrumenten die Melodie der

James-Bond-Filme. »Das Internet hat die

Regeln verändert«, sagt Shim. Und Sieg-

wart ergänzt: »Es verbreitet die Informati-

onen ein bisschen weiter und hilft so, gute

Studenten zu werben.«

Solche Nachwuchstalente tragen dazu

bei, Drohnen immer wendiger und billigerzu machen. Somit bleiben die gesetzlichen

Bestimmungen, die unbemannte Flüge be-

schränken, das größte Hindernis, wenn es

um erweiterte Anwendungen in der For-

schung geht. »Das ist noch immer eine

wichtige Frage«, sagt Siegwart.

Dies gilt besonders für die Vereinigten

Staaten, wo es die Regelungen der Bundes-luftfahrtbehörde FAA erschweren, Droh-

nen außerhalb von Gebäuden zu betrei-

ben. Nur für Hobbypiloten ohne kommer-

zielle Interessen sind die Bestimmungen

lockerer. »Wir benötigen eine Genehmi-

gung, um hinaus auf den Campus zu ge-

hen und etwas 15 Zentimeter hoch iegen

zu lassen«, klagt Eric Frew, Leiter des Re-

search and Engineering Center for Unman-

ned Vehicles an der University of Colorado

in Boulder: »Es geht nach dem Motto: ‚One

size ts all.‘«

Die in Washington D. C. beheimateteFAA fordert, dass angehende Drohnenbe-

treiber, die ihr Fluggerät draußen nutzen

möchten, einen Antrag stellen und eines

von zwei Zertikaten für ihr Forschungs-

programm erwerben. Die Bewerbungen

verlangen eine Vielzahl an Informationen.

»Damit kann die FAA einschätzen, ob sich

der Betrieb ohne Gefahr für andere Luft-fahrzeuge, Menschen oder Eigentum am

Boden durchführen lässt«, heißt es beim

Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Behör-

de. Dementsprechend erteilt die FAA keine

Zulassungen für Flüge in Städten oder an-

deren dicht besiedelten Gebieten. Des Wei-

teren begrenzt sie die Zulassungen auf ein

32 Quadratkilometer großes Gebiet. Wolltealso das Team in Boulder die Tempest zur

Jagd nach Stürmen über weite Landstriche

iegen lassen, so müsste es 59 Erlaubnisse

einzeln beantragen.

Mit einer in der Regel innerhalb von 60

Tagen erteilten Zulassung darf eine Grup-

pe ihr Luftfahrzeug ein oder zwei Jahre

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lang während der hellen Tagstunden im

genehmigten Gebiet aufsteigen lassen –

sofern sie jedes Mal zuvor eine entspre-

chende »Notice to airmen« (NOTAM) ab-

gibt, wodurch der Flug bei der FAA akten-

kundig wird.Jeder Flug setzt zudem einen zertizier-

ten Piloten voraus. Während des Probe-

ugs der Tempest im März war es Stachu-

ra, der die meiste Zeit des Tests damit ver-

brachte, auf die Kontrollanzeigen seines

Tablet-Computers zu starren. Zudem for-

dert die FAA die Anwesenheit eines Beob-

achters, der nach möglichen Kollisionsge-fahren Ausschau hält – und dass jemand

den Funkverkehr des lokalen Flughafens

überwacht.

StartverzögerungenEric Johnson befasst sich an der University

of Georgia in Athens mit UAV und hat die

Bestimmungen weltweit im Blick: »Ver-glichen mit den anderen Natostaaten ist

es in den USA so ziemlich am schlimms-

ten.« Doch solange es keine Unglücksfäl-

le gibt, scheint Einigkeit darüber zu beste-

hen, dass die Regeln gelockert werden. Die

im vorigen Jahr verabschiedete Moderni-

sierungs- und Reformverordnung der FAA

ruft das US-Verkehrsministerium dazu

auf, bis Ende 2015 einen Plan zu entwerfen,

der »die sichere Einbeziehung ziviler unbe-

mannter Luftfahrtsysteme in den nationa-

len Luftraum« vorsieht.

Im Unterschied zu den USA, so Johnson,seien in Australien und Kanada die meis-

ten Betriebsarten erlaubt – vielleicht des-

halb, weil beide Staaten über große Luft-

räume und kleine Bürokratien verfügten.

Salah Sukkarieh widmet sich an der Uni-

versity of Sydney in Australien der Robotik

und intelligenten Systemen. Er sagt, dass

hier das Arbeitsgebiet der unbemanntenLuftfahrzeuge dank der liberalen Bestim-

mungen des Landes im Wachstum begrif-

fen sei – ungeachtet der Tatsache, dass zur

Finanzierung nur ein Bruchteil des Geldes

bereit stehe, über das US-amerikanische

Wissenschaftler verfügen.

Obwohl sich die meisten Drohnenfor-

schungen darauf konzentrieren, die Eigen-schaften der UAV zu verbessern, setzten sie

einige Wissenschaftler für praktische Zwe-

cke ein. Im März nutzte die NASA die klei-

ne elektrisch betriebene militärische Droh-

ne »Dragon Eye«, um die giftige Gaswolke

zu untersuchen, die der Vulkan Turrial-

ba bei San José in Costa Rica ausgestoßen

hatte. Die Drohne fotograerte die Wolke

und entnahm Proben. Die Daten des dabei

nachgewiesenen Schwefeldioxids verglich

das Team mit Beobachtungen des Satelli-

ten Terra und konnte so die weltraumba-

sierten Messungen eichen. Einen mensch-

lichen Piloten in die Nähe des Vulkans zu

entsenden, wäre zu riskant gewesen. Star-

ke Aufwinde hätten ihn gefährdet, und die

ausgestoßene Asche hätte die Motoren des

Flugzeugs verstopfen können.

James Maslanik ist Experte für Ferner-

kundung an der University of Colorado in

Boulder. Er beteiligte sich an zahlreichenStudien, in denen Drohnen seit dem Jahr

2000 die Beschaffenheit des Meereises in

den Polarregionen untersuchten. Auch in

diesem Fall drangen UAV in Gebiete vor,

die für einen bemannten Flug zu gefährlich

wären. »In der Arktis iegen wir mit den

Dingern 30 Meter über dem Eis, bei einer

Windgeschwindigkeit von 150 Kilometernpro Stunde und einer Temperatur von mi-

nus 40 Grad Celsius«, berichtet Maslanik.

Auf der entgegengesetzten Seite der

Erde nutzten Forscher aus Boulder Droh-

nen, um atmosphärische Windströmun-

gen zu messen, die vom antarktischen Pla-

teau zur Terra Nova Bay herunterießen.

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Solche Messungen könnten helfen, die Dy-

namik der Meereisbildung in der Umge-

bung der Antarktis zu verstehen, bei der

sich dichtes Salzwasser bildet, das absinkt

und dazu beiträgt, die globalen Meeres-

strömungen anzutreiben. »Niemand sonsthatte ein Flugzeug während des Winters da

draußen, als die Winde am stärksten weh-

ten, und konnte Daten aufnehmen, denn

die Bedingungen waren einfach zu ext-

rem«, sagt Maslanik. »Die bislang gesam-

melten Daten zeigen unerwartet komplexe

Windmuster mit heftigen lokalen Strahl-

strömen, die Meereis von der Küste weg-

treiben und seine Bildung beschleunigen.«

Auch Biologen beginnen damit, UAV

für einzusetzen. In Indien nutzt der WWF

Drohnen zur Suche nach Wilderern. Tom

McKinnon ist pensionierter Ingenieur und

Generaldirektor von InventWorks, einer in

Boulder ansässigen Firma für Produktent-

wicklung. Er bestückt autonom iegende

Helikopter mit Netzen, um seltene mon-

golische Geier einzufangen. Sie erhalten

anschließend Sender, so dass die Wissen-

schaftler ihre Bewegungen verfolgen kön-

nen. Für die Panzenforschung hat Suk-

karieh ein System entwickelt, bei dem ein

UAV mit starren Flügeln gemeinsam mit ei-

nem Helikopter iegt. Das Tandem kann in

unzugänglichen Gebieten wachsendes Un-

kraut ausndig machen und mit Herbizi-

den besprühen. Und mehrere Forschungs-

gruppen bringen Drohnen bei, verschiede-

ne Panzen zu unterscheiden, um Karten

der Vegetation zu erstellen. Anstatt hoch-

gezüchtete Nachweisgeräte zu kaufen,

die das Gewicht und die Kosten erhöhen,

schreibt Sukkariehs Team Programmcodes,

mit denen das UAV die Vegetation klassi-zieren und kartieren kann. Hierfür genü-

gen dann ein GPS, eine Kamera und ein

Trägheitsmesser, der Daten über die räum-

liche Lage des Luftfahrzeugs sammelt. Die

Herausforderung, Kompromisse zwischen

Sensorleistung und Gewicht zu nden, ver-

anlasste Sukkarieh dazu, einfachste UAV-

Systeme von der Pike auf zu konstruieren.Auf diese Weise näherte er sich den spezi-

ellen Aufgaben an, anstatt fertige Sensoren

zu einem Luftfahrzeug zusammenzusetzen.

»Wie wäre es, wenn die Flügel selbst Senso-

ren wären?«, fragt er sich. Forschern ohne

Ingenieurwissen bieten jedoch auch die be-

reits verfügbaren UAV reichhaltige Möglich-

James Bond lässt grüssen

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DER GANZE KOSMOS

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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keiten. Beispielsweise kaufte die schottische

Behörde für Umweltschutz im Jahr 2012 eine

Drohne der Schweizer Firma senseFly, um

die Algenblüte in Flussmündungen zu er-

kunden – was zu Fuß nur schwer durchführ-

bar wäre. Susan Steves, eine Wissenschaftle-

rin der Behörde, sagt: »Sie können sich mit

dem Thema befassen und die Technik an-

wenden, ohne ein Experte darin zu sein.«

Die besten Landungen gelingen indes

mit Erfahrung. Als das Team der Universi-

tät in Boulder die Probeüge mit der Tem-

pest beendet, lässt Mack die Drohne sanft

im Gras aufsetzen. UAV waren bereits seinHobby, bevor er sich dem Forscherteam an-

schloss. Er hebt die Drohne mit einer Hand

auf und trägt sie zum Kleinbus zurück.

Jeder ist entspannt, nachdem man wäh-

rend des 40-minütigen Testugs kaum

mehr zu tun hatte, als der Tempest zuzu-

schauen und den Frühlingstag zu genie-

ßen. Sollte dies die Zukunft der Feldfor-schung sein, dann sieht sie recht einfach

aus. »Wenn alles richtig läuft, ist es ziem-

lich langweilig«, räumt Stachura ein. »Weil

es autonom ist – nicht wahr?« <

Der Artikel erschien unter dem Titel:

»Drones in science: Fly, and bring me data«

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www.sterne-und-weltraum.de/digitalabo

DER GANZE KOSMOS.AUF IHREM BILDSCHIRM.

MIT DEMSTERNE UNDWELTRAUM-

DIGITAL-ABO

N    S    E    T    A    L .

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HIRNFORSCHUNG

»Wir hätten nichtgeglaubt, dass dasmachbar ist«von Jan Dönges

»BigBrain« heißt der bislang genaueste Atlasfür unser Gehirn. Im Interview erzählt KatrinAmunts, was die interaktive Karte bringt – undwieso der Erfolg nur scheibchenweise kam.

    A    M    U    N    T    S

 ,    Z    I    L    L    E    S

 ,    E    V    A    N

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50

F

rau Amunts, Sie und Ihr Team

haben gerade nach jahrelan-

ger Arbeit den bislang genau-

esten und umfangreichsten

3-D-Atlas eines menschlichen

Hirns online gestellt. Wie kommt man

zu einer solchen Unternehmung?

Zellarchitektur fasziniert mich schon seit

der Studienzeit. Es geht dabei ja nicht nur

um eine anatomische Beschreibung. Die

Anordnung der Zellen hängt eng mit der

Funktion des Gehirns und unserem Verhal-

ten zusammen. Neurone sind eben nichtzufällig verteilt. Aber warum sie genau so

und nicht anders angeordnet sind und wie

das mit der Hirnfunktion zusammenhängt,

das ist noch immer nicht gut verstanden.

Und beim Verständnis

hilft der 3-D-Atlas?

Ja, mit der herkömmlichen Methode kommt

man irgendwann nicht mehr weiter. Man

kann Gewebeschnitte anfertigen und unter

dem Mikroskop die Struktur untersuchen.

Aber wegen der gefalteten Oberäche des

Gehirns bleiben immer wieder wesentliche

Bereiche verborgen, weil sie ungünstig an-

geschnitten wurden. Bei einem dreidimen-

sionalen Modell unterliegt man nicht mehr

derartigen Beschränkungen.

Geschnitten wird dann nicht mehr im

Labor, sondern virtuell am Computer?

Richtig. Das ist die Idee. Man kann damit bei-

spielsweise die Großhirnrinde viel genauer

in Areale unterteilen. Wir haben uns deshalb

schon vor zehn Jahren das Ziel gesetzt, ein Ge-

hirn, das wir bereits in tausende feiner Schei-

ben geschnitten hatten, am Computer wie-

der zusammenzusetzen. Dass das tatsächlichmachbar sein würde, haben wir damals aller-

dings selbst nicht so recht geglaubt.

Nicht machbar? Warum?

2003 war die Technik eigentlich noch nicht

so weit. Wir hatten siebeneinhalbtausend

Schnitte, die nach dem Digitalisieren rundein Terabyte Rohdaten umfassten. Um eine

solche Datenmenge zu verarbeiten und

darzustellen, benötigt man eine umfang-

reiche Infrastruktur. Glücklicherweise war

das BigBrain-Projekt von vorneherein län-

gerfristig angelegt. Es kostet ja schon Mo-

nate, die Schnitte aufzubereiten. Und al-

Katrin Amunts

Katrin Amunts ist seit Anfang des Jahres die

Direktorin des Cécile und Oskar Vogt-Instituts

für Hirnforschung der Heinrich-Heine-Univer-sität Düsseldorf und außerdem Leiterin des

Instituts für Neurowissenschaften und Medi-

zin am Forschungszentrum Jülich.

    F    O    R    S    C    H    U    N    G    S    Z    E    N    T    R    U

    M     J    Ü

    L    I    C    H

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lein das Einscannen der Schnitte hat etwa

1000 Stunden in Anspruch genommen.

Wenn Sie einscannen sagen, meinen Sie

mit dem Mikroskop abfotograeren?

Nein, mit den Mikroskopen von damals hät-

te man die Proben gar nicht vollständig ab-

fahren können. Aber Flachbettscanner bie-

ten eine ausreichende Auösung. Anschlie-

ßend war es allerdings noch notwendig, die

Aufnahmen nachzubearbeiten. Auch hier

hatte glücklicherweise die Bildbearbeitungentscheidende Fortschritte gemacht. Mit

Kollegen aus Kanada haben wir Routinen

entwickelt, um Fehler beheben zu können.

Wenn beispielsweise ein Stückchen Hirnge-

webe beim Schneiden verschoben wurde,

musste es mit Hilfe des Computers wieder

an die richtige Stelle gesetzt werden.

Für das Zusammensetzen der Einzelbil-

der haben sie schließlich Supercompu-

ter in Anspruch genommen …

Ja, bei einer solchen Aufgabe kommen Sie

mit einem Laptop nicht weit, nicht mal mit

einem Rechnerverbund. Wir haben des-

halb mit dem Zentrum für High Perfor-

mance Computing in Sherbrooke in Kana-

da und später hier am Forschungszentrum

Jülich zusammengearbeitet.

Im Atlas erreichten Sie am Ende eine

Auösung von 20 Mikrometern. Was

kann man dabei erkennen?

Größere Zellen können Sie direkt sehen,

vor allem aber erkennt man die Struktur in

der Großhirnrinde, die architektonischen

Merkmale wie Schichten oder Säulen. Die-se Eigenschaften sagen viel darüber aus,

wie Verbindungsmuster in einer Hirnregi-

on ausgeprägt sind. Und diese Verbindun-

gen hängen eng mit der Funktion von Are-

alen zusammen.

In Ihrer Veröffentlichung wünschen

Sie sich für den Atlas die Funktion als»Goldstandard«, das heißt als Referenz-

system. Was ist damit gemeint?

Wenn Sie nun beispielsweise Daten über

die Aktivität einer Nervenzelle in bestimm-

ten Bereichen des Gehirns erheben, hilft

unser Atlas dabei, diese Ergebnisse eindeu-

Anfertigung der Hirnschnitte

Die Wissenschaftler erzeugten aus dem kon-

servierten Gehirn einer 65-Jährigen exakt

7400 Scheiben von nur 20 Mikrometer Dicke.

Dazu verwendeten sie ein Schneidegerät zur

Herstellung extrem dünner Schnittpräparate,

der Mikrotome.

    A    M    U    N    T    S

 ,    Z    I    L    L    E    S

 ,    E    V    A    N    S    E    T    A    L .

 ,    F    O    R    S    C    H    U    N    G    S    Z    E    N    T    R    U    M

     J    Ü    L    I    C    H

 ,

    M    C    G    I    L    L    U    N    I    V    E    R    S    I    T    Y

 ,    M    O    N    T    R    E    A    L

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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tig in drei Dimensionen zu verorten und

die Aktivität zum Beispiel einer bestimm-

ten Zellschicht zuzuordnen. Das ist vor al-

lem wichtig, wenn Messwerte verschiede-

ner Forschergruppen miteinander vergli-

chen werden sollen. Ich denke, dass unserAtlas in dieser Hinsicht ein gutes Werkzeug

darstellt, mit dem diese Vereinheitlichung

möglich ist. Das wollen wir natürlich nicht

allein erledigen, sondern unter anderem in

Zusammenarbeit mit dem Human Brain 

Project oder der INCF, der International

Neuroinformatics Coordinating Facility,

die die Standardisierung und Kooperation

von Forschergruppen vorantreibt.

Ein Fachkollege hat Ihre Arbeit mit den

Leistungen der Kartografen des 17. Jahr-

hunderts verglichen. Empnden Sie dasals passenden Vergleich?

Ich würde es zwar nicht so ausdrücken, aber

ich denke, worauf der Kollege hier anspielt,

ist die Tatsache, dass man nun erstmals ak-

kurate Karten zur Hand hat. Keine weißen

Flecken mehr, die mit Tierdarstellungen aus-

gefüllt wurden, sondern reale Daten, wenn

Sie so wollen. Das war damals ein Durch-

bruch, und etwas Ähnliches hoffen wir auch

erreicht zu haben. Tatsächlich bekommen

wir auch viel positive Rückmeldung. Mit der

Auösung, die unser BigBrain-Atlas liefert,liegen wir deutlich über dem, was bislang

verfügbar war. Der Vergleich zeigt aber auch,

dass wir noch nicht am Ende angelangt sind.

Wir haben jetzt die grundlegende Zellarchi-

tektur sichtbar machen können, aber früher

oder später wird man auf die Ebene einzel-

ner Zellen hinunter müssen.

BigBrain

Durch eine Auösung von 20 Mikrometern

werden einzelne Details der verschiedenen

Hirngebiete sichtbar.

MONTREAL NEUROLOGICAL INSTITUTE/MCGILL UNIVERSITY, INSTITUTE OF NEUROSCIENCEAND MEDICINE/RESEARCH CENTRE JUELICH, AND NATIONAL RESEARCH COUNCIL OF CANADA

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Das heißt, die Auösung müsste

noch weiter erhöht werden?

Das wäre eine Überlegung. Seit ein paar

Jahren existieren Scanner, mit denen sich

die Datenerfassung bewerkstelligen lie-

ße. Allerdings wächst die Datenmenge da-

durch enorm.

Haben Sie einmal ausgerechnet,

wie viel Sie bei einer 1-Mikrometer-

Auösung speichern müssten?

Das wären in jeder Raumdimension um denFaktor 20 mehr Daten. Im Endergebnis lan-

det man also bei gut acht Petabyte nur an

Ausgangsdaten. Da müssen wir uns mit den

Kollegen vom Supercomputing-Zentrum in

Jülich noch einmal genauer unterhalten …

Man würde neue Soft- und Hardware benö-

tigen. Besonders die Visualisierung und der

Interaktive Umgang mit den Daten würdeheute Schwierigkeiten bereiten.

Also das Navigieren

durch das virtuelle Hirn?

Neurowissenschaftler schätzen eine interak-

tive Herangehensweise, wie wir sie mit dem

BigBrain-Atlas ja auch ermöglichen: Jeder

kann auf der Website durch die Bilder blät-

tern und den Blickwinkel ändern, bis er ge-

nau das gefunden hat, was er sucht. Ein stati-

sches Modell bietet diese Möglichkeit nicht.

Das heißt, zunächst bleibt

es bei der jetzigen Auösung?

Vorerst ja. Unser nächstes Ziel ist vor allem,

mehr als nur ein Gehirn in dieser Art auf-

zubereiten. Das ist noch ein Grund, wes-

halb mir der Vergleich mit den alten Karto-

grafen nicht so gut gefällt: Wir haben nureine Welt, die man beliebig genau abbilden

kann. Aber unsere Gehirne sind alle sehr

verschieden. Entsprechend benötigen wir

mehrere Karten, aus denen die individuel-

len Unterschiede hervorgehen.

Sie müssen also zurück

an die Schnittmaschine?

Ja. Mit einem zweiten Gehirn haben wir be-

reits angefangen. Und es ist gut möglich,

dass auch noch weitere folgen. <

Science 340, S. 1472-1475, 2013

HirnforschungDer tiefe Blick in unser Denkorgan

Spektrum.de – Themenseite

    G    I    O    R    D    A    N    O    A    I    T    A    /    F    O    T    O    L    I    A

REZENSION

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Armin StrohmeyrVerkannte PioniereStyria PremiumISBN: 3222133948

Dieses Buch können Sie imScience-Shop für 22,99 € (D),22,99 € (A) kaufen.

REZENSION

 Helden der Wissenschaftvon Thomas Trösch

Was haben Nikola Tes-

la und Ilse Essers ge-

meinsam? Nun, bei-de werden im Werk

von Armin Strohmeyr

als »verkannte Pioniere« charakterisiert,

als »geniale Denker«, die »von ihren Zeit-

genossen und der Nachwelt verkannt und

verspottet« wurden. Ein zumindest im Fal-

le Teslas, der zu Lebzeiten mit Ehrendok-

torwürden überhäuft wurde und Dutzen-de Patente hielt, überraschender Befund.

Tatsächlich markieren Tesla, der weltbe-

kannt Physiker, und Essers, die als Ingeni-

eurin eines der Hauptprobleme der frühen

Luftfahrt löste, um dann in einer bürgerli-

chen Existenz als Hausfrau zu »verschwin-

den«, zwei Gegenpole im Katalog der 21 Er-

nder, die uns Strohmeyr als verkannte Pi-

oniere präsentiert. Neben etlichen Namen,

die heute nur noch Fachleuten etwas sa-gen, nden sich eben auch immer wieder

Gestalten, die durchaus schon zu Lebzeiten

Anerkennung und Respekt für ihre Arbeit

erhielten. Neben Tesla wären da etwa Ed-

ward Jenner zu nennen, Entwickler der Po-

ckenschutzimpfung, oder Konrad Zuse, Va-

ter des modernen Computers.

Doch abgesehen von seiner mitun-ter überraschenden Auswahl ist dem Au-

tor ein solides und informatives Werk ge-

lungen. Er führt uns seine »Pioniere« je-

weils in Kurzbiographien vor, um dann

auf die zentralen Aspekte ihrer Arbeit ein-

zugehen. Dass die Sympathie, die der Au-

tor für seine verkannten Helden empn-

REZENSION

Neugier Wissen

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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det, immer wieder fassbar wird, schadet

dem Werk dabei keineswegs. Die Grenze,

jenseits der die Sympathie den objektiven

Blick des Biographen trüben könnte, wird

nie überschritten.

Die Bandbreite der vorgestellten Leis-

tungen ist groß, sie reicht von der Pocken-

schutzimpfung über technologische Ent-

wicklungen wie der Schreibmaschine oder

dem Telefon, diversen Wasser-, Luft- und

Landfahrzeugen bis hin zu den Vorläufern

unserer modernen Informationstechnolo-

gie. Mitunter wird das Werk sogar ein we-nig zum Wissenschaftskrimi – etwa im Fall

der bei der Entdeckung der DNA-Struk-

tur von ihren männlichen Kollegen ausge-

bremsten Rosalind Franklin.

Wer durch Strohmeyrs Arbeit auf den

Geschmack gekommen ist, kann sich in ei-

ner Auswahlbibliographie am Ende des Bu-

ches Anregungen für eine ausführlichereLektüre zu den einzelnen Pionieren holen.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Werk über

Forscher, deren Leistungen es wert wären,

nicht vergessen zu werden. <

Der Rezensent ist Wissenschaftsredakteur

in Düsseldorf.

Für alle Wissbegierigen zwischen 10 und 14 Jahren, die nicht nur das »Was«,

sondern auch das »Wie« und »Warum« interessiert, gibt es jetzt Spektrum neo.

In jeder Ausgabe wird ein großes Thema behandelt.

In Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissen-

schaften und Mathematik in Kiel

www.spektrum-neo.de

Damit aus Neugier Wissen wird.

präsentiert

7/15/2019 20130627-Spektrum Die Woche Magazin 26 Vom 27 Juni 2013 (Club)

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Computational Biologist-ScientistArbeitgeber: Philip Morris Products S.A

Standort Neuchâtel, Switzerland

Gültig bis 6. July 2013

Computational Biologist-Scientist

YOU are highly motivated and always com-mitted to deliver the best quality. You en-

courage collaboration and enjoy working in

a team. You are passionate individual who

likes creative and international work envi-

ronments.

THE OPPORTUNITY

The successful candidate will join the Biolo-gical Systems Research Unit of Philip Morris

Products S.A. in Neuchâtel, Switzerland and

will play a major role in the processing and

analysis of large scale data sets from vario-

us post genomic technologies and their

applications in biomarker discovery. He/she

will also have responsibility for … (mehr)

Laboratory Manager in vivoADME / PKArbeitgeber: –

Standort Switzerland, Switzerland,

Gültig bis 28. June 2013

Referenz FL20061

A fantastic opportunity has become availa-

ble at a leading Pharmaceutical company

renowned for its diverse and innovative

work culture. The company requires a senior

PhD scientist to work within the Drug Meta-

bolism and Pharmacokinetics department

(DMPK) providing scientic excellence in in

vivo ADME/PK studies. In this role you will:• Manage an in vivo ADME/PK lab and su-

pervise direct reports

• Provide excellent and well documented

results on internal and/or outsourced in

vivo studies/publications

• Represent the DMPK line function in pro-

 ject and sub teams … (mehr)

Postdoctoral ResearcherArbeitgeber: Johannes Gutenberg

University Mainz

Standort Mainz, Germany

Gültig bis 24. August 2013

Referenz BEAN project

The Positions and Project: Postdoctoral-le-

vel researchers interested in applying bioin-

formatics techniques to the study of hu-

man genomic data, and in developing new

analytical methods for processing next and

third-generation sequencing data, are invi-

ted to apply for two (2) postdoctoral posi-

tions as part of a Marie Curie FP7 InitialTraining Network (ITN). The BEAN ITN

(http://beanproject.eu/) is conducting re-

search into the origins of agriculture in Eu-

rope and the transmission of Neolithic

peoples, culture, and technology from we-

stern Anatolia to Europe. The position at

JGU Mainz will focus on the … (mehr)

Jobs of the Week spektrum.naturejobs.com

präsentiert Verkaufsleitung Spektrum Stellenmarkt

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Technical / Scientic member of staff (Microscopy)Arbeitgeber: Institute of Molecular Biology

(IMB) Mainz

Standort Mainz, Germany

Gültig bis 30. June 2013

Referenz CFWM02

The Institute of Molecular Biology gGmbH

(IMB) is a Centre of Excellence for Life Sci-

ences, funded by the Boehringer Ingelheim

Foundation, and located within the campus

of the Johannes Gutenberg-University,

Mainz, Germany. We are looking for a staff 

member to strengthen our team in theCore Facility Microscopy. You will

• Support us in maintaining different state

of the art stereo-, wideeld-, confocal-,

and super-resolution microscopes (STED

and GSD), as well as in user-training at

different microscopes and image analysis,

give lectures and courses on … (mehr)

Post-Doctoral Research PositionArbeitgeber: TU Ilmenau

Standort 98693 Ilmenau, Germany

Gültig bis 30. June 2013

Referenz Postdoc – code number 45/2013

013/Mai/30. Job Opening. The Nanotechno-logy Research Group in the Institute of 

Micro- and Nanotechnology of the of Ilme-

nau University of Technology, Germany, of-

fers 1 Post-Doctoral Research Position

Compensation is based on the provisions of 

the collective agreements in the public sec-

tor in the German Federal States (TV-L, TVÜ),

rank will be commensurate with theapplicant’s experience up to pay scale E 13.

The successful candidate will be responsible

for research in the elds of 

(1) Self-organized assembly of semiconduc-

tor devices and/or

(2) Transfer-based assembly of semiconduc-

tor devices on exible or … (mehr)

Research TechnicianArbeitgeber: EMBL (European Molecular

Biology Laboratory)

Standort Heidelberg, Germany

Gültig bis 14. July 2013

Referenz HD_00363

The European Molecular Biology Laboratory

(EMBL) is one of the highest ranked scienti-

c research organisations in the world. The

Headquarters Laboratory is located in Hei-

delberg (Germany), with additional sites in

Grenoble (France), Hamburg (Germany),

Hinxton (UK) and Monterotondo (Italy).

EMBL is looking for a Research Technicianto join the group of Prof. Maria Leptin. The

group uses a combination of cell biological,

biochemical and genetic approaches to stu-

dy the control of complex cell shapes, using

Drosophila as a model organism. A second

research branch concerns innate immune

and inammatory mechanisms … (mehr)

Jobs of the Week spektrum.naturejobs.com

Thomas Fiebig

Tel.: +44 (0) 207 843 4932

Fax: +44 (0) 207 843 4996

Email: [email protected]

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22 Unsere FamilieAlle Menschen sind so unterschiedlich, dass die Menschheit

insgesamt sehr homogen ist. Gibt es dennoch typische Gene,

die Europäer, Asiaten und Afrikaner voneinander trennen?

 > Molekulare Achillesferse von Mikroben

 > Geschlechter hören Größe

unterschiedlich

 > Ein On-Board-Navigationssystem

für Raumsonden

TITELTHEMA: ERBGUTFORSCHUNG

Mit ausgewähltenInhalten aus

NR

PRIVATE DROHNEN

ScharfäugigeÜberieger

IMMUNSYSTEM

l

DIE WOCHE

201329.05.

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